Realisierung des Messestandes „Möbiusband“...
Transcript of Realisierung des Messestandes „Möbiusband“...
1
Realisierung des Messestandes „Möbiusband“
für den Fachbereich Architektur
der Technischen Universität Darmstadt
www.expo15.de
Experimental Parametric ObjectEXPO 15
2
Inhaltsverzeichnis
Parametrisches Entwerfen 4Form follows information 6Zur Geometrie des Möbiusbandes 8
Entwurfsphase 12Ergebnisse 14Prinzipien 16Konzept 18
Planungsphase 20Entwicklung 22Programmierung 24Regelbasiertes Objekt 28Materialverteilung 30Konstruktion 32
Realisierung 36Ausstellungsort 38CNC-Schneiden 40CNC-Fräsen 42Probeaufbau 44Aufbau Messe Hobit 46Messeauftritt Hobit 48Aufbau am Fachbereich 50
Mitwirkende Studenten 52Dankeschön . Beteiligte 54Impressum 56
4
Parametrisches Entwerfen
Nach dem expo 15 Projekt „Wellpappwelle“
ist das „Möbiusband“ das zweite
Realisierungsprojekt eines Messestands für den
Fachbereich Architektur. Von einer Jury aus
einer Fülle von Beiträgen ausgewählt, stellt die
Geometrie des Möbiusbandes eine komplexe
skulpturale Form dar, die räumlich begehbar ist
und verschiedene Nutzungszonen bietet.
Ein Möbiusband ist in der Mathematik eine
zweidimensionale Struktur, die nur eine
Kante und eine Fläche hat. Diese wurde zu
einer dreidimensionalen Skulptur aus ebenen
Trapezflächen erweitert, parametrisch definiert
und in dem Optimierungsprogramm Matlab
programmiert. Dadurch war es möglich,
unterschiedlichste Konfigurationen des
Möbiusbandes interaktiv herzustellen und die
optimale für den Messestand zu wählen.
Heike Matcha, Dipl.-Ing. Architektin
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie
Das hier vorgestellte Projekt ist Teil einer Reihe
von Lehrveranstaltungen, die das Thema
Parametrik in Entwurf, Planung und Realisierung
anhand unterschiedlicher Aufgaben und in
verschiedenen Maßstäben untersuchen. Ziel ist
es, hierdurch eine größere Vielfalt, individuelle
Anpassung, geometrische Komplexität und
räumliche Reichhaltigkeit in architektonischen
Strukturen zu ermöglichen und diese mittels
individueller Vorfertigungsmethoden in CNC-
Technologien zu realisieren.
Der methodische Ansatz basiert auf der
Übersetzung des jeweiligen Entwurfs in ein
System aus veränderbaren Parametern. Diese
Parameter können jeweils von einem zum
nächsten Objekt variiert werden und dabei
eine Vielzahl von Objekten erzeugen, die sich
wie Familienmitglieder ähneln und in ihrer
Ausformulierung individuell an entsprechende
Erfordernisse und Situationen angepasst
sind. Der Einsatz von computerunterstützten
Werkzeugen wie parametrischer CAD-
Software und Programmierung ermöglicht die
ökonomische Erzeugung vielfältiger Objekte.
6
Planers und führt zu einer Optimierung des
Resultates. Bei der Möbiusbandstruktur ist der
Optimierungsprozess auf eine Verbesserung
der Geometrie konzentriert; jedoch lässt sich
die Methodik auf komplexere Bauvorhaben
transferieren.
Die durchgängige digitale Kette gewährleistet,
dass die Produktionskosten bei 500
unterschiedlichen Bauteilen vergleichbar mit
denen einer gleichteiligen Konstruktion sind.
Rüdiger Karzel, Dipl.-Ing. Architekt, MAS ETH
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachgebiet Entwerfen
und Industrielle Methoden der Hochbaukonstruktion
Jeder Enwurf basiert auf der Analyse von
externen, den Entwurf bestimmenden,
Parametern. Mies van der Rohe hat bereits
vor 60 Jahren angemerkt, dass der Entwurf so
lange durch Fakten angereichert wird, dass er
sich wie selbstverständlich ergibt.
Heutige architektonische Planungsabläufe
sind aufgrund einer hohen Anzahl von
Prozessbeteiligten und der sich dadurch
schrittweise verdichtenden Daten, extrem
komplex. Es ist elementar, dass alle Informationen
nahtlos in die Entwicklung einfließen können,
um die Qualität und Effizienz zu verbessern.
In dem anwendungsorientierten Projekt
Möbiusband erfolgt eine analytische Betrachtung
von: Entwicklung, Optimierung, Prototypenbau,
Produktion und Realisierung. Den Teilnehmern
wird ein methodisches Denken vermittelt. Das
Potential der parametrisch kontrollierten Planung
wird deutlich, da der Optimierungsprozess,
der zu einem geschlossenen Möbiusband
führt, mit klassischer Planungstechnologie
nicht mehr darstellbar ist. Die Intelligenz der
Software ergänzt den logischen Verstand des
form follows information > analytische Architektur
8
Geometrie abzusehen, ist dabei wesentlich,
aber dies ist unserem Denken eher fremd.
Dennoch sprechen wir zwei Aspekte
der Topologie (wir bleiben bei einer
sehr unpräzisen Definition der Topologie
als „Geometrie ohne Abstandsbegriff“)
beispielhaft an. Aussagen über Knotentypen
gehören z.B. zur Topologie ebenso wie
etwa die Klassifizierung aller geschlossenen
Flächen ohne Rand. Bei dem letzten Ergebnis
spielt das nach Möbius benannte Band eine
entscheidende Rolle. Die nicht-orientierbaren
geschlossenen Flächen erhält man alle (!),
indem man in eine endlich oft gelochte Sphäre
(eine Sphäre ist der Rand einer Kugel) in
jedes dieser Löcher jeweils ein Möbiusband
gedanklich „einklebt“. Diese Vorstellung ist
bereits problematisch und bereitet vielen
Nichtmathematikern große Schwierigkeiten.
Aber der Rand eines Möbiusbandes besteht
ja nur aus einer geschlossenen Kurve und die
gelochte Sphäre hat ebenfalls an jedem Loch
jeweils eine geschlossene Kurve als Rand.
Durch die Verklebungen verschwinden daher
Bei der Suche nach einem attraktiven
Messestand für den Fachbereich Architektur
der Technischen Universität Darmstadt wurde
ein Möbiusband entworfen. Dabei wurde eine
Einführung in die Thematik zum Möbiusband
aus mathematischer Sicht gewünscht, die hier
aus der Retroperspektive wiederholt werden
soll.
Unter dem Stichwort „Möbiusband“ finden wir,
allein im deutschsprachigen Internet mehr als
30.000 Einträge. Wir erhalten ein Möbiusband,
wenn wir zwei gegenüberliegende Kanten
eines Rechtecks so verkleben, verheften bzw.
identifizieren, dass Vorderseite und Rückseite
des Rechtecks an der Klebestelle wechseln.
Die Bezeichnung „Möbiusband“ soll an
August Ferdinand Möbius erinnern, einem
bedeutenden Mitbegründer der Topologie,
einem Teilgebiet der Mathematik, dessen
Inhalte und Denkweisen, wie so viele andere
Teilgebiete der Mathematik, kaum durch die
heutige Schulmathematik einem Abiturienten
vermittelt werden und wohl auch kaum vermittelt
werden können. Vom Abstandsbegriff in der
Zur Geometrie des Möbiusbandes
10
alle Ränder; man erhält so nicht-orientierbare
Flächen ohne Rand, z.B. die projektive Ebene
und die Kleinsche Flasche (Siehe rechts).
Zu meiner mathematischen Modellsammlung
gehört nicht nur ein Möbiusband, dessen
kombinatorische Zellzerlegung nach Brehm
nicht ebenflächig durchschnittsfrei realisierbar
ist (der Wunsch nach durchschnittsfreier ebener
Realisierung muss also nicht erfüllbar sein),
sondern auch ein Modell der projektiven Ebene
als Kreuzhaube, als kleinstes Beispiel einer
geschlossenen nicht-orientierbaren Fläche und
ein Modell der Kleinschen Flasche, benannt
nach Felix Klein einem bedeutenden Geometer
aus der Zeit um 1900.
Bei der Gestaltung des Messestandes für
die Architektur als Möbiusband wurden
kongruente ebene Trapeze vorgeschlagen.
Die mathematische Problematik war dabei, die
geometrischen Koordinaten der Eckpunkte so
zu bestimmen, dass die Schließung des Modells
exakt möglich wird. Durch Modellvorgaben
waren immer nur Näherungslösungen für die
Realisierung eines Messestandes bekannt.
Von dem Mathematiker Kantorovich stammt
eine mathematische Aussage, dass man exakte
Lösungen immer bestimmen kann, wenn man sich
nur schon nahe genug an der Lösung befindet.
Die schwierige Beweisführung von Kantorovich
wird selbst für Mathematikstudenten selten
gezeigt, aber für die Modelle der Architekten
war sie Hintergrundwissen für die befriedigende
Bereitstellung der Koordinaten.
Von Herrn Sebastian Stammler wurde die Pro-
grammierung und Bereitstellung exakter
Koordinaten aufgrund der Aussage von
Kantorovich in „Matlab“ durchgeführt. Eine
genaue Beschreibung der Lösungsmethode
findet sich auf den Seiten 24ff im Beitrag von
Herrn Stammler.
12
Das Ziel der Lehrveranstaltung „expo 15“ war
die Verwirklichung eines Messestandes für den
Fachbereich Architektur der TU Darmstadt.
Der Stand soll auf regionalen Messen wie
dem Hochschulinformationstag (HIT) und der
Hobit (Hochschul- und Berufsinformationstage)
in Darmstadt, als auch auf überregionalen
Messen wie der Baumesse und Expo Real in
München, der CeBIT in Hannover sowie auf
der Möbelmesse in Köln zum Einsatz kommen.
Der Messestand bietet eine Möglichkeit der
Außendarstellung des Fachbereichs Architektur
der TU Darmstadt. Sowohl in der Fernwirkung
kann der Stand ein Blickfang sein, als auch
in inhaltlicher Form über die Arbeit des
Fachbereichs berichten. Außerdem soll der
Messestand vielfach einsetzbar sein, eventuell
in verschiedenen Größen aufbaubar, dabei
leicht zu transportieren und lagerbar sein.
In der Entwurfsphase sind vielfältige Aspekte
zum Thema Ausstellung zu berücksichtigen,
die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem
Ziel des Messestandes und einer optimalen
Präsenz des Fachbereichs, verbunden mit
Detaillösungen von Material, Konstruktion und
Beleuchtung. Der inhaltliche und didaktische
Schwerpunkt liegt in der Verknüpfung neuer
Methoden computerunterstützter Planung und
Fertigung.
Anhand parametrisch definierter und
regelbasierter Elemente können vielfältige und
geometrisch komplexe Geometrien hergestellt
werden jenseits einer modularen Konformität.
Dabei wurde die geometrische Form des
Möbiusbandes als Thema des Messestands
gewählt. Die mathematisch zweidimensionale
Struktur, die nur eine Kante und eine Fläche
hat wurde in eine dreidimensionalen Skulptur
transformiert. Die komplexe Geometrie wurde
parametrisch definiert, um die verschiedenen
Bereiche des Bandes für die Nutzung als
Messestand unterschiedlich und optimal
einsetzen zu können: als Theke, Display für
Modelle und Infomaterial, sowie im Bogen in
Überkopfhöhe als Blickfang.
Entwurfsphase
14
Gastjury
Professor Dr. Jürgen Bokowski,
Fachbereich Mathematik
Dipl.-Ing. Jochen Stahl,
Fachgebiet Statik und Dynamik der Tragstrukturen
Dipl.-Ing. Frank Lang,
Fachgebiet Entwerfen und Baugestaltung
Dipl.-Ing. Markus Pretnar
3deluxe, Wiesbaden
Aus der Fülle von Vorschlägen für die Geometrie
und Konstruktion des Möbiusbandes wählte
eine Gastjury aus Architekten, Bauingenieur
und Mathematiker mehrere Arbeiten aus, die
im weiteren Planungsverlauf in Gruppenarbeit
vertieft wurden.
Wichtige Kriterien waren neben der Wirkung
und Präsenz des Messestandes vor allem
Materialeinsatz und Kosten, Konstruktion und
Montage.
Ergebnisse
16
Für die Umsetzung der komplexen Geometrie
des Möbiusbandes gab es diverse Ansätze, die
in ihrer Machbarkeit untersucht wurden.
Dabei unterscheiden sich die Vorschläge nicht
nur in Material und Konstruktion, sondern auch
in ihrer Gesamtwirkung und Ablesbarkeit des
Möbiusbandes.
Drei verschiedene Prinzipien können
unterschieden werden:
1. Möbiusband mit kontinuierlich gekrümmter
Oberfläche; als Erweiterung in Reihung oder
Verschachtelung
2. Möbiusband mit kontinuierlich gekrümmter
Oberfläche aus Flächen zusammengesetzt
3. Möbiusband aus ebenen Flächen
Prinzipien
18
Ziel des Messestands ist es, als Treffpunkt
und Kommunikationsforum zu dienen. Dazu
müssen die Besucher vom Stand angezogen
werden, um dort mit dem Standpersonal ins
Gespräch zu kommen. Der Stand ist eine Raum-
installation, die die Neugier des Besuchers
weckt.
Am Stand werden klassische Funktionen wie
Ablagen von Infomaterial und eine Theke
untergebracht. Sitzbereiche bieten dem Besucher
die Möglichkeit zum Ausruhen vom Messe-
trubel und gleichzeitig einen Bereich zum Lesen
und individuellem Informieren.
Durch die Definition von parametrischen
Elementen kann durch Auswahl der
gewünschten Funktionen ein neuer Stand je
nach Anforderungen generiert werden. Die
einzelnen Funktionen sind hierbei durch Größe
und Winkel definiert.
Konzept
Planfläche
Modelfläche
Monitor- und Projektionsfläche19
20
Gastjury
Dipl.-Ing. Stefan Nicolay,
Fachgebiet Entwerfen und Baugestaltung
Dipl.-Ing. Martin Tamke
Centre for Interactive Technology + Architecture,
Royal Academy of Fine Arts, Copenhagen
Das Team von Studierenden entwickelte in
Gruppen die verschiedenen Prinzipien der
Möbiusbandkonstruktionen in Material und
Konstruktion weiter.
Dabei wurden Teams gebildet, die sich mit dem
Entwurf, der Konstruktion, der Modellierung in
Rhino und den Materialien beschäftigten.
Die Kooperation mit dem Fachbereich
Mathematik ermöglichte eine genaue
Definition der mathematischen Figur bis hin zur
Programmierung.
Parallel wurde die Statik mit dem Fachgebiet
Statik entwickelt und anhand von Modellen bis
zum Maßstab 1:1 überprüft.
Wichtiges Planungskriterium war außerdem
die Einhaltung des Kostenrahmens, der durch
Materialwahl und Produktionsmethoden
bestimmt war. Die Realisierung erfolgte in
Zusammenarbeit mit der Industrie und in
Kooperationen von Planern, Firmen und
Studierenden.
Planungsphase
22
Entwicklung
Das Prinzip des Möbiusbandes aus ebenen
Trapezoiden wurde zur Realisierung ausgewählt
und in verschiedenen Entwicklungs- und
Detailstufen untersucht.
Um die komplexe Geometrie des Möbiusbandes
in Modellen überprüfen zu können, war
es notwendig, exakte digitale Modelle zu
definieren. Für die regelbasierte Geometrie
wurde daher ein Programm entwickelt.
Damit konnten dann physische Flächenmodelle
im 3D-Plotverfahren (Rapid Prototyping)
als auch detaillierte Rippenmodelle mit den
einzelnen Lamellen erstellt werden.
Auf der rechten Seite sind die verschiedenen
Darstellungsarten aufgeführt.
1. Grundprinzip-Modell mit nebeneinander-
liegenden gleichseitigen Dreiecken mit
einbeschriebenen Trapezen
(Bild aus Matlab-Programm)
2. Flächen-Modell mit ebenen Trapezen mit
extrudierter Dicke
(Bild aus Rhino)
3. Flächen-Modell mit ebenen Trapezen
(Bild aus Matlab-Programm)
4. Flächen-Modell mit ebenen Trapezen mit
extrudierter Dicke
(physisches Gipsmodell hergestellt im 3D-
Plotverfahren)
5. Rippen-Modell mit Lamellen in verschiedenen
Abständen und Dicken
(Bild aus Matlab-Programm)
6. Rippen-Modell mit Lamellen in verschiedenen
Abständen und Dicken
(Bild aus Rhino)
1. 2.
3. 4.
5. 6.
24
Die gewünschte Realisierung des Möbiusbandes
sollte aus Trapezen bestehen, die man an ihren
Schenkeln miteinander verbindet. Die Dreiecke,
die entstehen, wenn man die Schenkel der
Trapeze verlängert, sollten dabei gleichseitige
sein.
Nur, wie berechnet man die Winkel zwischen
den Trapezen, die ein geschlossenes Band
bilden, das auch noch optisch gefällt?
Man kann natürlich die beiden Endpunkte des
Bandes, sagen wir C und D, in Abhängigkeit
der Winkel‚
zwischen den aneinanderliegenden Trapezen
angeben und dann die Gleichungen
und
aufstellen, wobei A und B die Anfangspunkte
bezeichnen.
Obwohl dieses Vorgehen erstmal nur Lineare
Algebra der Schule benötigt, beinhalten die
dann auftretenden Gleichungen lange und
verschachtelte trigonometrische Ausdrücke.
Diese Gleichungen explizit zu lösen ist also
unpraktisch.
Programmierung
Aber dieser Ansatz zeigt, wieviele Winkel
man mindestens braucht, um eine nicht-triviale
geschlossene Konfiguration zu finden. Wählt
man die Asche AB fest, so hat die Achse CD
fünf Freiheitsgrade. Kann man also mindestens
fünf Winkel frei variieren, so sollte sich, falls
geometrisch überhaupt möglich, eine Lösung
finden lassen. Hat man n Winkel, das heißt n + 1
Trapeze, so kann man eine (n - 5)-dimensionale
hochgradig nicht-lineare, aber wohl glatte
Lösungsmannigfaltigkeit für die Winkel im
erwarten. Es bleibt also bei genügend vielen
Seiten ausreichend Spielraum für künstlerische
und ästhetische Ansprüche an das entstehende
Möbiusband.
26
Das Problem wurde von mir mit dem
Mathematiker-Tool Matlab angegangen, in dem
mit seiner Hilfe ein Minimum der Funktion bei
gegebenen
Anfangsbedingungen ( d.h. Winkeln ) gesucht
wird. Idealerweise gehören die Anfangsbedin-
gungen zu einem fast geschlossenen Band, da-
mit es auch wirklich exakt geschlossen, also eine
Nullstelle der Funktion gefunden wird.
Konkret wird der Matlab-Befehl fminunc bzw.
lsqnonlin verwendet. Stellt man die Winkel
ein, wird sofort das entstehende (noch nicht
geschlossene) Band angezeigt, wobei zwischen
verschiedenen 3D-Darstellungen gewählt wer-
den kann.
Dabei sind die Dreiecke bzw. Trapeze und
entsprechenden Winkel-Eingabefelder farblich
unterlegt, um zu einer schnellen visuellen Zuord-
nung zu gelangen.
Das eigentliche Problem, das Band zu schließen,
ist an dieser Stelle gelöst. Um den Architekten
die Arbeit weiter zu vereinfachen, wurde das
Programm in die Richtung erweitert, dass man
die räumlichen Parameter Trapezschenkellän-
gen, -dicken und Höhen der Rippen einstellen
kann. Anschließend lässt sich das Modell zur
Weiterverarbeitung im DXF-Format exportieren.
Cand. Math. Sebastian Stammler
Fachbereich Mathematik
28
Das Möbiusband ist als regelbasiertes Objekt in
seiner Form, Dimension und der Beziehung der
Einzelelemente zueinander definiert.
Dabei sind als Festlegung der 60° Winkel der
Trapezseiten aus konstruktiven Gründen gewählt.
Alle anderen Elemente sind als veränderbare
Parameter definiert:
a. Die Anzahl der Trapezflächen muss ungerade
sein und ist ab 5 Flächen frei wählbar.
b. Die Höhe der Trapeze - und damit der
Abstand und Winkel der Lamellen - ist je nach
Anforderungen einstellbar.
c. Die Lamellendicke und -höhe sind entsprechend
der Anforderungen von Material und Statik frei
wählbar.
Regelbasiertes Objekt
Durch die parametrische Definition der Geometrie
und die Übersetzung in eine Programmierung ist
die Erstellung unterschiedlichster Konfigurationen
des Möbiusbandes möglich. Sie können
interaktiv hergestellt, überprüft und als digitales
Datenmodell exportiert werden.
Aufwändige Planung und Modellierung eines
Einzelmodells wird durch die Generierung einer
unbegrenzten Anzahl von Varianten ersetzt, aus
denen die optimale Lösung ausgesucht werden
kann.
30
Die Lamellen des Messestands sind aus zwei
Materialien gebaut, die sich in ihrer Erscheinung
gleichzeitig unterscheiden und ergänzen.
Das opake Holz befindet sich im inneren
Bereich des Bandes und kann Funktionen wie
die Präsentation von Infomaterial und Modellen
übernehmen.
Das transparente Plexiglas im äußeren Bereich
löst das Band einerseits optisch zum Rand
hin auf, andererseits setzt es nachts durch
Beleuchtung besondere Akzente.
Als Holz wurde ein 12mm Seekiefer-Sperrholz
gewählt; für das Plexiglas eine 10mm
transparente PMMA Kunststoffplatte.
Materialverteilung
31
32
Beim Konstruieren mit dem Kunststoff PMMA
(Markenname PLEXIGLAS®) sind zwei Aspekte
wesentlich und sollten bei der Ausführung von
entsprechenden Bauteilen Beachtung finden.
Dies gilt insbesondere dann, wenn dieser
im Bauwesen relativ neue und den meisten
Tragwerksplanern unbekannte Werkstoff - wie
hier geschehen - mit anderen herkömmlichen
Materialien kombiniert werden soll.
Zum einen müssen die spezifischen Eigenschaften
des hochtransparenten Thermoplastes bekannt
sein und bei der Bemessung und der Detaillierung
der Bauteile beachtet werden. Relativ zu anderen
Kunststoffen ist PMMA sehr hart und extrem
witterungsstabil, allerdings auch unmodifiziert
spröde und spannungsrissgefährdet. Es gibt
mehrere Herstellungsverfahren. Platten werden
vor allem zwischen Glasscheiben gegossen oder
extrudiert. Die mechanischen Eigenschaften sind
unter anderem von der Belastungszeit und der
Temperatur abhängig. Bei konstanter Belastung
nimmt die Dehnung im beanspruchten Material
stetig zu.
Wie schon die Bezeichnung „Thermoplast“
Konstruktion
beschreibt, ist das Materialverhalten von
PMMA auch sehr stark von der Temperatur
abhängig. Durch ein Ansteigen der Temperatur
wird das Gefüge aufgelockert. Dadurch
nimmt die Steifigkeit des Materials stark ab.
Verglichen mit anderen Materialien ist die
Temperaturausdehnung von PMMA mit 70*10-
6 1/K sehr hoch. Bei der festen Anbindung
der PMMA-Lamellen des Möbiusbandes an
die Holz- und Stahlbauteile entstehen dadurch
Zwangskräfte in allen Elementen. Diese werden
zum Teil durch die nachgiebige Verbindung und
die Verformung der Lamellen aufgenommen.
Der andere Teil der Kräfte wird durch die beiden
Materialien aufgenommen.
Der zweite wichtige Aspekt ist die Verwendung
einer werkstoffgerechten Fügetechnik. Da
PMMA ein sprödes Material ist, reichen bereits
lokale Spannungsspitzen aus, um ein spontanes
Versagen der ganzen Struktur zu verursachen.
Hierbei macht sich das Temperaturverhalten
zusätzlich negativ bemerkbar, da durch ein
Ausdehnen des PMMA-Elementes lokale
Überbeanspruchungen durch Zwängungen
34
entstehen können. Um diese Effekte zu
vermeiden, wurde für das Möbiusband eine
Klemmverbindung mit einem entsprechend
großen Lochspiel für die Gewindestangen
gewählt. Auch hier wird zwar eine Schwächung
der Bauteile durch das Bolzenloch hervorgerufen,
trotzdem wirkt bei einer sorgfältigen Planung der
Bohrungen kein direkter Bolzendruck auf den
Bohrungsrand der zu verbindenden Elemente.
Somit können Lochleibungsdrücke und kritische
Zugspannungen am Lochrand vermieden werden.
Im Gegensatz zu Lochleibungsverbindungen
können bei Reibverbindungen deshalb
Lasten großflächiger in die PMMA- Scheibe
eingeleitet werden, ohne dabei die großen
Spannungsspitzen hervorzurufen. Dieser Aspekt
ist gerade bei spröden Materialien sehr von
Vorteil.
Die einzelnen Lamellen werden über die
vorgespannten Gewindestangen so stark
gegeneinander gepresst, dass über den
erzeugten Reibschluss Reibungskräfte in der
Kontaktfläche übertragen werden können.
Die durch die Verbindung so übertragbaren
Kräfte stehen in direktem Zusammenhang mit
der aufgebrachten Schraubennormalkraft und
dem Reibbeiwert in den Kontaktflächen. Da
die Eckpunkte des Bandes möglichst biegesteif
ausgeführt werden sollten, mussten unter den
vorliegenden Randbedingungen die Steifigkeiten
der Eckverbindungen durch Versuche
abgeschätzt werden. Die ermittelten Steifigkeiten
sind für eine kurzfristige Anwendung im Rahmen
einer Ausstellung ausreichend.
Dipl.-Ing. Jochen Stahl, P.Eng.
Fachgebiet Tragwerksentwicklung (Prof. Schweitzer)
Ingenieurbüro Tragwerk+, Weiterstadt
36
Realisierung
Der Bau des Messestandes hat in einem sehr
kompakten Zeitrahmen von vier Wochen
stattgefunden. Die erfolgreiche Koordination
des großen Teams wird durch eine sorgfältige
und professionelle Kosten- und Terminplanung
der Gewerke gewährleistet.
38
Das Möbiusband repräsentiert den Fachbereich
Architektur auf der Messe Hobit 2009 im
Wissenschafts- und Kongresszentrum Darmstadt.
Die komplexe Strukur erweckt die Neugierde
der Besucher und spiegelt die unterschiedlichen
Ebenen der Planung von Architektur und Raum,
sowie Material und Technologie wider.
Der Messestand behauptet sich gegenüber
der dominanten Geometrie der Architektur
des Kongresszentrums. Die diagonalen
Stützstrukturen des Gebäudes werden
umfahren. Das triangulierte Möbiusband fasst
Ausstellungsort
den Raum des gemeinsamen Messeauftritts der
Fachbereiche Architektur und Mathematik. Der
Messestand wird ergänzt durch eigens gefertigte
kubische Möbel aus dem einfachen Sperrholz
das bei den Lamellen des Möbiusbandes zum
Einsatz kommt. Die Möblierung schafft eine
Zone, die zur interaktiven Auseinandersetzung
mit Fragestellungen der Mathematik und der
Architektur einlädt.
40
Die spezifische Geometrie des Möbiusbandes
wird durch 153 unterschiedliche Lamellen
gebildet. Die Segmente variieren in Länge, Breite,
Tiefe, Lochposition und Anschnittwinkel. Sie
werden aus zwei unterschiedlichen Halbzeugen,
Sperrholz- und Plexiglasplatten von 12mm
Stärke, hergestellt. Im Produktionsprozess muss
für unterschiedliche Materialien die Rotations-
geschwindigkeit des Fräskopfes variiert werden.
Die CNC-Maschine kann Platten bis zu einer
Größe von 3000 x 2000 mm und 50mm Stärke
bearbeiten.
In der Planungssoftware werden die
Zuschnittsdaten mit einer Codierung für die
unterschiedlichen Segmente erzeugt. Eine
zwischengeschaltete Software optimiert die
Positionierung auf dem Halbzeug, um den
Verschnitt auf ein Minimum zu begrenzen.
Die große Varianz der Bauelemente hat
aufgrund der gewählten Produktionstechnologie
keinen Einfluss auf die Poduktionsdauer und die
Kosten.
CNC-Schneiden: Lamellen
Zuschnitt
Schleifen der geschnittenen Lamellen
Geschnittene Lamellen41
42
Um die Geometrie des Möbiusbandes in
ihrer räumlichen Position zu fixieren, werden
324 unterschiedliche Abstandhalter benötigt.
Die gewählte Knotenpunktgeometrie basiert
auf einem Zylinder, der an beiden Seiten
in spezifischen Winkeln abgeschnitten
wird. Die Zylindersegmente variieren in
Länge, Anschnittwinkel A und B, sowie der
Rotationsposition. Die Abstandhalter werden
aus einem gelochten Hartkunststoffstab
(D=50mm) erstellt.
Die Zylindergeometrien werden in der
architektonischen Modelliersoftware erzeugt
und im .xtl-Dateiformat an die ausführende Firma
Aleit übermittelt. Für den Produktionsprozess
sind exakte 3D-Volumendaten notwendig, die
eine Nut enthalten, die die Rotationsposition in
der Struktur bestimmt.
Mittels einer 5-Achs-CNC-Fräse werden die
Segmente hergestellt. Die Herausforderung
in der Produktion war die Einspannung der
Bauteile, die Codierung und die Präzision
der Winkel zueinander. Bei der Fügung der
Möbiusbandstruktur erfolgte der Einbau mit
Nulltoleranz.
CNC-Fräsen: Abstandhalter
43
44
Probeaufbau
Für den Aufbau des Messestandes im
Kongresszentrum steht ein Zeitfenster von sechs
Stunden zur Verfügung. Ein Testaufbau, der die
Komplexität des Aufbauprozesses überprüft, ist
elementar.
Drei Teams erstellen Teilsegmente der
Gesamtstruktur. Aufgrund der Vielzahl von
unterschiedlichen Einzelbauteilen, wird die
Baustellenlogistik sorgfältig organisiert. Das auf
Druck und Reibung basierende Knotendetail
erfordert eine Fügung ohne Toleranz. Die
Lamellen werden von den Abstandhaltern in
Position definiert und von Gewindestangen
zusammengezogen. Dadurch werden die
Geometrien der Baugruppen exakt definiert.
Mittels eines Flaschenzuges werden die gefügten
Teilstrukturen mit jeweils 4 bis 5 Trapezen zu
der Gesamtgeometrie zusammengeführt und
verschraubt.
Nach erfolgreichem Probeaufbau werden vier
strategisch bestimmte Knoten wieder gelöst, um
eine sinnvolle Transportgröße zu erreichen.
Sortieren der Lamellen
Sortieren der Abstandshalter
Bodenschoner
46
Aufbau Messe Hobit
Nach dem Probeaufbau im Fachbereich
wird der Messestand in den vorgefertigten
Teilsegmenten in das Kongresszentrum
transportiert. Die Vormontage erleichtert die
Logistik und ermöglicht einen schnellen Aufbau
im Kongresszentrum.
Vor Ort wird zwischen den Stützen des
Darmstadtiums ein Hilfsportal errichtet, welches
als temporäre Aufhängung für die Lastzüge der
Baustellenmontage dient.
Am Boden aufgelagerte Segmente werden
als erste montiert. Die weiteren Baugruppen
werden anschließend mit den unteren Knoten
verbunden und durch die Knotenpressung in
ihrer Geometrie fixiert.
Der Messestand wird durch speziell gefertigte
Einlegeböden für Prospekte und Möbeln als
funktionale Erweiterung, ergänzt.
13:00 Uhr
16:00 Uhr
20:00 Uhr
3. Variante
48
Messeauftritt Hobit
Während der Messe ist das Möbiusband ein
großer Attraktor. Es ist der einzige Beitrag
der Hobit, der mit einer eigens gefertigten
Standstruktur aufwartet.
Auf dem Messestand werden interaktive
Computersimulationen zur Verfügung gestellt,
die es den Besuchern ermöglichen, eigene
Variationen des Möbiusbandes zu konfigurieren.
Damit wird deutlich, dass die realisierte Version
nur eine exemplarische Version einer vielfältig
parametrisch veränderbaren Konstruktion ist.
Durch den fachbereichsübergreifenden Auftritt
wird die Nähe zwischen den Disziplinen
Architektur und Mathematik deutlich.
50
Aufbau am Fachbereich
Nach drei Tagen intensiver Messenutzung wird
die Struktur wieder in vier Segmente zerlegt
und an die TU Darmstadt zum Fachbereich
Architektur transportiert.
Die Gesamtkonstruktion wird auf der Galerie des
ersten Obergeschosses zusammengebaut.Mittels
zweier Flaschenzüge wird das vollständige
Möbiusband um 6m angehoben und auf einem
Betonbalken im Luftraum über der Galerie
platziert. Das ca. 500kg schwere Objekt wird
über vier Stahlseile in den Halfenschienen der
Decke rückverankert.
Wie ein Parasit hat sich die Möbiusstruktur
einen neuen Standort im Fachbereich gesucht
und ergänzt das Gebäude wie eine Skulptur.
52
Mitwirkende Studenten
Alma Ziu
Andrea Litterer
Anika Dobeleit
Barbara Surrey
Ben Heidinger
Benjamin Franz
Berth Hennig
Biana Besjajko
Carina Weismüller
Carsten Aust
Christina Merten
Daniel Thomas
Deborah Jöst
Denis Blettrupp
Derya Vehrenkamp
Doreen Lachnit
Ferhat Katilmis
Franziska Basel
Fridolin Kiefer
Gerhard Gillich
Heide Rink
Helene Eremenko
Irina Herzog
Isabell Wieczorek
Janis Pohl
Jasmin Wengenroth
Jeffrey Dathan
Jinha Son
Johannes Lahme
Josephine Seebudde
Kathrin Velte
Katrin Marweld
Kristin Karakut
Lara Treutler
Maren Werndl
Maria A. Moosbrugger
Marina Kivroglou
Martin Herbert
Melanie Schäfer
Muna Aziz
Natsuko Nakatake
Nicole Beringer
Oliver Langer
Rukiye Eke
Sarah Lipps
Saskia Mayer
Sebastian Winkler
Serpil Turan
Sonja Reuter
Stefano Simioni
Steffen Christian
Sun Joo Yang
Susanne Weber
Thomas Holler
Thomas Volkert
Till Burgtorf
Veronika Kraljic
54
Ohne die Zusammenarbeit mit den Firmen
aus der Bau- und Maschinenindustrie wäre
der aufwändige Messestand nicht möglich
gewesen.
Wir danken der Schreinerei Luther für Ihren
intensiven und sehr kooperativen Einsatz beim
Zuschnitt der Holz- und Plexiglaslamellen, der
Firma Aleit für den hochpräzisen Zuschnitt der
324 unterschiedlichen Abstandhalter und der
Firma Evonik / Röhm für das Materialsponsoring
von Plexiglas.
Dankeschön Beteiligte
Fachbereich Architektur
Organisation und Leitung
Prof. Moritz Hauschild
Dipl.-Ing. Rüdiger Karzel
Dipl.-Ing. Heike Matcha
Bauleitung
Dipl.-Ing. Thomas Dellmann
Cand. Arch. Stefanie Joachim
Statische Beratung
Dipl.-Ing. Jochen Stahl
Fachbereich Mathematik
Mathematische Beratung
Prof. Dr. Jürgen Bokowski
Matlab Programmierung
Cand. Math. Sebastian Stammler
56
Herausgeber
Technische Universität Darmstadt, Fachbereich 15 Architektur
Fachgebiet Entwerfen und Industrielle Methoden der Hochbaukonstruktion
Professor Moritz Hauschild · Dipl.-Ing. Rüdiger Karzel
[email protected] · Telefon + 49.6151.16.3781
Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie
Vertr.-Professor. Dr.-Ing. e.h. Klaus Daniels · Dipl.-Ing. Heike Matcha
[email protected] · Telefon + 49.6151.16.2102
Publikation
Cand. Arch. Biana Besjajko · Cand. Arch. Daniel Marx
Dipl.-Ing. Rüdiger Karzel · Dipl.-Ing. Heike Matcha
Fotografie
Stefan Daub, www.stefandaub.de (Umschlag, Seiten 3; 5; 7; 19; 30 mitte, unten; 31; 33 links
oben, links unten, rechts oben; 39; 55)
Druck
Rechnerpool TU Darmstadt
www.expo15.de
Copyright © TU Darmstadt Mai 2009
Impressum
57