RECHTSGESCHICHTE - MGH-Bibliothek · Geburtstag, hg. von Franz-Reiner Erkens und Hartmut Wolff...

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ZEITSCHRIFT DER SAVIGNY-STIFTUNG FÜR RECHTSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON R. KNUTEL, G. THOR, G. KÖBLER, P. OESTMANN, J. ROCKERT, H. -J. BECKER, H. DE WALL, A. THIER 125. BAND GERMANISTISCHE ABTEILUNG 2008 BÖHLAU VERLAG WIEN-KÖLN-WEIMAR 0f />>ýýý

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ZEITSCHRIFT DER SAVIGNY-STIFTUNG

FÜR

RECHTSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON

R. KNUTEL, G. THOR, G. KÖBLER, P. OESTMANN, J. ROCKERT,

H. -J. BECKER, H. DE WALL, A. THIER

125. BAND

GERMANISTISCHE ABTEILUNG

2008

BÖHLAU VERLAG WIEN-KÖLN-WEIMAR

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Staatsstreich und Rechtsbruch? Überlegungen zur Wahl Konrads HI. und zu seinen Konflikten

mit Heinrich dem Stolzen, Heinrich dem Löwen und Welf VI.

Während eine Reihe von Einzeluntersuchungen in den letzten Jahrzehnten vielfach zu einer positiveren Bewertung der Regierung Konrads III. geführt hat'), werden die Umstände seiner Erhebung von nicht wenigen Autoren immer noch sehr kritisch ge- sehen: Von einem überrumpelungsartigen, irregulären Verfahren ist da die Rede2), ja

sogar von einem �regelrechten Staatsstreich`). Und auch was des Königs Vorgehen

gegen seinen Konkurrenten, Heinrich den Stolzen, angeht, ist bis in die jüngere Zeit der Vorwurf unwidersprochen geblieben, dass Konrad sich dabei eines Rechtsbruchs

schuldig gemacht habe°). Die neuerdings publizierten Versuche, auch die Beurteilung von Konrads Wahl am

7. März 1138 einer Revision zu unterziehen, resultierten einerseits aus der Erkenntnis, dass es in der damaligen Zeit ein Mehrheitsprinzip im heutigen Sinn wenigstens bei weltlichen Wahlen ebenso wenig gegeben hat wie eine genaue Fixierung des Kreises der Wähler und aus diesem Grund auch die Wahl durch eine Minorität rechtens sein konnte'); andererseits wurde aber auch die Faktizität jener angeblichen Regelverstöße

') Werner Goez, König Konrad III., in: Gestalten des Hochmittelalters, Per- sonengeschichtliche Essays im allgemeinhistorischen Kontext (Darmstadt 1983) S. 203-218; Bernhard Schimmelpfennig, Könige und Fürsten, Kaiser und Papst nach dem Wormser Konkordat (München 1996) S. 19; Odilo Engels, Die Staufer (Stuttgart 11998) S. 47; Hubertus Seibert, Die frühen

�Stau- fer": Forschungsstand und offene Fraßen, in: Grafen, Herzöge, Könige, Der Auf- stieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152), hg. von Hubertus Sei- bert und Jürgen Dendorfer (Ostfildern 2005) S. 1-39, hier 21; an einer eher negativen Bewertung halten fest Klaus Höflinýer, Konrad III., in: Mittel- alterliche Herrscher in Lebensbildern, Von den Karolingern zu den Staufern, hg. von Karl Rudolf Schnith (Graz 1990) S. 261-271; Gerd Althoff, Kon- rad 111. (1138-1152), Mit Heinrich (1147-1150), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters, Historische Porträts von Heinrich I. bis Maximilian I. (919-1519), hg. von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter (München 2003) S. 217-231, hier 230f.

2) Friedrich Hausmann, Die Anfänge des staufischen Zeitalters unter Konrad III., in: Probleme des 12. Jahrhunderts, hg. v. Theodor Mayer (Konstanz 1968) S. 57; Goez (o. Anm. 1) S. 212.

3) Engels (o. Anm. 1) S. 33; den Ausdruck �Staatsstreich" verwendete bereits Wilhelm Maurenbrecher, Geschichte der deutschen Köni&swahlen vom 10. bis 13. Jahrhundert (Leipzig 1889) S. 158; ferner Ulrich Schmidt, Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert (Köln - Wien 1987) S. 81f.; Althoff, Konrad (o. Anm. 1) S. 218.

4) Siehe im Einzelnen die unten Anm. 47 angeführten Arbeiten. 5) Hartmut Boockmann, Stauferzeit und spätes Mittelalter, Deutschland

1125-1517 (Das Reich und die Deutschen Bd. 7, Berlin 1987) S. 70; Franz-Reiner Erkens, Multi oder paucr? Überlegungen zur fürstlichen Wahlbeteiligung an den Königswahlen der staufischen Epoche, in: Von Sacerdotium und regnum, Geistliche und weltliche Gewalt im frühen und hohen Mittelalter, Festschrift für Egon Boshof zum 65. Geburtstag, hg. von Franz-Reiner Erkens und Hartmut Wolff (Köln - Weimar- Wien 2002) S. 135-152, hier 138.

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angezweifelt6), die schon in der Literatur des 19. Jahrhunderts gegen die Rechtmäßig- keit von Konrads Wahl eingewandt wurden.

Wilhelm Bemhardi, der Verfasser der Jahrbücher des ersten Stauferkönigs, fasst die in seinen Augen bei Konrads Wahl aufgetretenen Rechtsmängel folgendermaßen zusammen: �... dass die Wahl heimlich in ungeziemender Weise am ungehörigen Orte vorgenommen sei" und �dass eine geringe Anzahl von Reichsfürsten sich eine Befug- niß angemaßt habe, die nur der Gesammtheit derselben zustand"').

Von den von Bemhardi genannten Kritikpunkten kann der, dass die Wahl am fal- schen Ort, nämlich nicht auf fränkischem Boden, stattfand, wohl kurz abgehandelt werden: diese von keiner einzigen Quelle gegen die Rechtmäßigkeit von Konrads Wahl in Feld geführte Regel wurde mittlerweile als erst von Historikern der Neuzeit konstruierte Formalie erkannt'). Ernster wiegt schon der Vorwurf, dass der Wahlakt nicht an einem offenbar von den meisten Fürsten akzeptierten Wahltag zu Pfingsten 1138 (22. Mai) in Mainz stattfand. Die Darstellung Ottos von Freising zeigt, dass Kon- rads Koblenzer Wählern bekannt war, dass eine Mehrheit der Großen des Reichs sich auf die Abhaltung der Wahlversammlung zu diesem Termin geeinigt hatte9); daraus, dass er dies �ohne

jegliche Scheu" berichtet, �obwohl er doch die Königserhebung sei-

nes Halbbruders als rechtens darstellen und nicht in Misskredit bringen wollte", folgert R. Pauler aber mit Recht, dass er-und die Wähler- den Mainzer Termin nicht für ver- bindlich hielten10). Das mag mit der von Otto anlässlich der Wahl von 1125 festgehal- tenen Vorstellung zusammenhängen, dass die Einberufung der Wahlversammlung dem Mainzer Erzbischof zustand"), und einen solchen gab es seit dem Ableben Adalberts 1. nicht. Man könnte aufgrund dessen mit Wilhelm Bernhardi auch vermuten, dass das ungewöhnlich lange Intervall zwischen Lothars Tod und dem Mainzer Termin auf den Wunsch zurückzuführen war, dass bis dahin ein neu bestellter Erzbischof von Mainz ordnungsgemäß die Leitung der Wahl übernehmen konnte12).

Nach Bernhardi wurde der Pfingsttermin bereits von den die Rückkehr Kaiser Lo- thars in Würzburg erwartenden Fürsten, also schon im Dezember 1137, festgesetzt"), Hinweise dafür gibt es aber nicht. Es wäre daher ebenso gut denkbar, dass der Mainzer Tag von Fürsten aus dem Umkreis der Kaiserinwitwe Richenza angesagt wurde, nach- dem ein von dieser für Lichtmess nach Quedlinburg einberufenes Treffen nicht zu- stande gekommen war"), eine Alternative, zu deren Gunsten sich anführen lässt, dass derAnnalista Saxo von der Wahlausschreibung im Anschluss an die Schilderung der

6) Roland Pauler, War König Konrads III. Wahl irregulär?, in: DA 52 (1996) 5.135-159.

7) Wilhelm Bernhardi, Konrad III. (Leipzig 1883), S. 16; siehe auch Georg Scheibe 1 re iter, Der Re&ierungsantrittdes römisch-deutschen Königs (1056-1138), in. Mitteilungen des Instituts fur Osterreichische Geschichtsforschung 81 (1973) S. 43.

8) Pauler (o. Anm. 6) S. 158. 9) Ottonis episcopi Frisingensis Chronica sive Historia de duabus civitatibus VII

22, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer. Germ. 45) S. 343. 'O) Pauler (o. Anm. 6) S. 155. 11 Ottonis et Rahewini Gesta Friderici imperatoris 117, ed. Georg Wa i tzB e rn-

hard de Simson (MGH SS rer. Germ. 46) S. 30. 12) Bernhardi (o. Anm. 7) S. 8f. 13) Ebenda. 14) SoPauler (o. Anm. 6) S. 151.

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Ereignisse rund um die Quedlinburger Versammlung berichtet's). Diese hatte - unter anderem - vielleicht sogar den Zweck, den Wahltermin festzusetzen; Richenza, die ja als letzte Königin des Mittelalters aktiv an der Reichspolitik mitwirkte und über be- trächtliches Ansehen verfügte16), könnte in diesem Fall anstelle des nicht vorhandenen Mainzer Erzbischofs die Initiative zur Wahlausschreibung übernommen haben.

Fraglich erscheint, ob der in letzter Zeit von etlichen Autoren geäußerte Verdacht zutrifft, dass Richenza ihrerseits die Vornahme eine Minderheitswahl ihres Schwie-

gersohns in Quedlinburg geplant hatte"). Dies hätte der Welfe, der es bekanntlich

nicht für erforderlich hielt, für seine Wahl zu werben18), und der wenigstens in den Augen von Konrads Wählern der bei einer allgemeinen Wahlversammlung nicht zu verhindernde Kandidat war, doch schwerlich nötig gehabt. In Quedlinburg soll- te wohl jener stets allen anderen Schritten vorangehende Stammestag stattfinden, der ein Charakteristikum des sächsischen Verhaltens bei der Bestellung eines neuen Königs darstellte"). Die von Richenza vermutlich geplante Festlegung der sächsi- schen Großen, für Heinrich zu stimmen, hätte mit ziemlicher Sicherheit ausgereicht, ihm die Wahl zu sichern, wie es 1125 mit Lothar geglückt war. 'Dieser Schritt hätte zugleich auch die erfolgreiche vorzeitige Durchführung einer Minderheitswahl un- möglich gemacht, da er der zwar auch nachträglich durch Wahlbeitritt erzielbaren, jedoch für unbedingt notwendig erachteten Einhelligkeit der Wahl20) entgegengestan- den wäre.

Bemerkenswert erscheint die vom Annalista Saxo im Zusammenhang mit der Ter- minfestsetzung gebrauchte Formulierung Principes communicato consilio decreverunt generalem conventum21): Sie deutet darauf hin, dass die Festsetzung des Wahltermins nicht auf einer größeren Versammlung - die ja nicht stattfand - beschlossen wurde, sondern dass man versuchte, den nötigen Konsens auf anderem Weg herzustellen, sei es durch den Austausch von Briefen und Gesandtschaften, sei es auf kleineren regionalen Zusammenkünften22), wie sie zur Klärung von Verfahrensfragen und für

11) Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. von Klaus Nass (MGH SS XXXVII) 5.611.

16) Jutta Schlick, König, Fürsten und Reich(1056-1159), Herrschaftsverständ- nis im Wandel (Stuttgart 2001) S. 127.

") Z. B. Ursula Vones-Liebenstein, Neue Aspekte zur Wahl Konrads 111. (1138), in: Köln - Stadt und Kirche in Bistum und Reich des Mittelalters, Festschrift für Odilo Engels zum 65. Geburtstag, hg. von Hanna Vollrath/Stefan Wein- furter (Köln - Weimar - Wien 1993)345f.; Pauler (o. Anm. 6) S. 139ff.; Odi- lo Engels, Beiträge zur Geschichte der Staufer II, in: Erkens/Wolff (o. Anm. 5), S. 447; Lutz Partenheimer, AlbrechtderBär, GründerderMarkBrandenburgund des Fürstentums Anhalt (Köln - Weimar - Wien 2001) S. 63f.; ebd. Anm. 484 noch andere diese Auffassung vertretende Arbeiten.

'B) Otto von Freising, Gesta Friderici I 23 (o. Anm. 11). 19) Wolfgang Giese, Der Stamm der Sachsen und das Reich in ottonischer und

salischer Zeit (Wiesbaden 1979) S. 220. 20) Hagen Keller, Schwäbische Herzöge als Thronwerber: Hermann II. (1002),

Rudolf von Rheinfelden (1077), Friedrich von Staufen (1125), Zur Entwicklung von Reichsidee und Fürstenverantwortung Wahlverständnis und Wahlverfahren im 11. und 12. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 131 (1983) S. 123-162, hier S. 160f.

21) Wie Anm. 15. 22) Dass etliche derartige Treffen stattgefunden haben, nimmt auch Schimmel-

pfennig (o. Anm. l) S. 12 an.

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Sondierungen hinsichtlich der Kandidatenauswahl für andere hochmittelalterliche Kö- nigswahlen bezeugt sind").

Auch die Koblenzer Versammlung am 7. März könnte ursprünglich als derartiges Treffen der Großen des lothringisch-rheinfränkischen Raumes gedacht gewesen oder als solches ausgegeben worden sein, welchem, wie Ursula Vones-Liebenstein festge- stellt hat, alle namentlich bekannten Wähler entstammen24); dies würde auch die vor einiger Zeit aufgeworfene Frage beantworten, wie es Albero

�gelungen ist, den vor- gezogenen Termin der Königswahl bekannt zu machen, ohne dass die weltlichen und geistlichen Herrschaftsträger in Bayern und Sachsen davon erfuhren"25).

Nicht wirklich gelungen erscheint Paulers Versuch, für die Koblenzer Versammlung eine größere Zahl an Teilnehmern zu reklamieren26). Wohl ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere nur deshalb in keiner Quelle erwähnt ist, weil er für kei- nen der von einem regional bestimmten Berichtshorizont geprägten Schreiber von Interesse war, und auch Paulers Einwand, dass nur pro-welfisch gesinnte Autoren ex- pressis verbis die Vornahme der Wahl durch eine kleine Minderheit kritisieren, trifft (weitgehend) zu27). Aber selbst Balderich, der Biograph Alberos von Trier, und Otto von Freising nennen eben nur wenige Namen, und Letzterer gibt auch offen zu, dass

nur einige, eine Minderheit bildende, Fürsten sich beteiligten28). Die Aussage Balde-

richs, dass Albero von Trier bei seinen Bemühungen um Konrads Erhebung bei den

meisten Fürsten auf Widerspruch stieß, berechtigt nicht unbedingt zu der von Pauler

angestellten Schlussfolgerung, dass eine größere Zahl derselben in Koblenz anwesend gewesen sein muss29), da sie nicht zwangsläufig auf die Wahlversammlung zu bezie- hen ist, sondern sich genauso gut auf davor stattgefundene Sondierungen bei diversen

23) Vom Austausch von Briefen und Gesandtschaften vor der Wahl Konrads II. be- richtet Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, ed. von Harry Bress1au (MGH SS rer. Germ. 61) c. 1 S. 13; bei den Wahlen von 919 und 1002 waren hingegen Versamm- lungen auf Stammesebene für die Willensbildung maßgeblich, vgl. Ulrich Reu- l; ng, Wahlformen bei den hochmittelalterlichen Königserhebungen, in: Wahlen und Wählen im Mittelalter, hg. v. R. Schneider und H. Zimmermann (Sigmaringen 1990) S. 242.

24) Vones-Liebenstein (o. Anm. 17) S. 346f. u) Elmar Roeder, Heinrich der Stolze und die Kirche, in: Zeitschrift für baye-

rische Landesgeschichte 56 (1993) S. 12. 26) Pauler(o. Anm. 6)S. 141ff.; skeptischdazuErkens (o. Anm. 5)S. 139Anm.

15 ; ferner Hans Martin Schaller, Die Wiener Reichskrone, in: Die Reichsklein-

odien, Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches (Göppingen 1997) S. 105 Anm. 186.

27) Deutliche Kritik an Konrads Wahl übt auch die Vita Chunradi archiepiscopi Salisburgensis, cd. Wilhelm Wattenbach (MGH SS XI) S. 66: cwn Chzionradus

paucorum favore regiae digni(atis honoreni rapuisset.

28) Balderici Gesta Alberonis c. 15, cd. Georg Waitz (MGH SS VIII) S. 252: Efrecit enim sua magna industria, quod dux Fridericus, frater Coniradi regis, et Bo-

c us Wangonium episcopus, c11111 ipso Conrado ad colloquium Co7 fiuentiain conve- niant. Ad colloquium Coloniensis archiepiscopus Anmis occurrit; ei tandem post mulca consilia dominus Albern archiepiscopus Conradum in regest elevavit ...;

Ot- to von Freising, Chronik VII 22 (o. Anm. 9) S. 343: Quidam autem ex principibus ... circa cum celediantquadragesimam

consilio habito in oppido Galliae Cot fuentia conven-

29) pauler (o. Anm. 6) S. 144 unter Bezugnahme auf Balderich, Gesta Alberonis S. 252: omn stu

udir omuussAlberoa elaborans, contradicentibus feie omnibus regni

.. j. Cipibus,

31 Zeitschuft für Rechtsgeschichte. CXXV Germ. Abt.

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Großen beziehen kann10). Die ebenfalls von Balderich gemeldeten multa consilia, die in Koblenz der Wahl vorausgingen, deuten möglicherweise auf die vielleicht nicht von vornherein bei allen Anwesenden gegebene Bereitschaft zur Vornahme der Wahl an sich oder auch auf Diskussionen bezüglich der Person des zu Wählenden hin.

Mit derlei Meinungsverschiedenheiten wird man insbesondere dann zu rechnen haben, wenn die oben zur Diskussion gestellte These zutrifft, dass die Koblenzer Ver- sammlung ursprünglich nur als regionales Fürstentreffen gedacht oder zumindest angekündigt worden war, auf dem über den Wahltermin und mögliche Kandidaten beraten werden sollte. Erst in Koblenz könnten dann - gerade wegen des nur ver- einzelt günstigen Echos, das Alberos Kampagne zugunsten Konrads gefunden hatte

- die Anwesenden zur Einsicht gelangt sein, dass bei Einhaltung des Wahltermins

zu Pfingsten die Wahl Heinrichs des Stolzen kaum zu verhindern war, und sich auf- grund dessen entschlossen haben, hier und jetzt zur Erhebung eines neuen Königs zu schreiten.

Wenig Wahrscheinlichkeit vermag demgegenüber die Auffassung zu beanspruchen, dass Konrads Wahl eine von langer Hand geplante Aktion darstellt und er in den letzten Regierungsjahren Lothars III. zielstrebig auf die Erlangung der Königswürde hingearbeitet habe31). Wohl trifft die Beobachtung zu, dass der Staufer in diesem Zeit- raum freundschaftliche Kontakte zu zahlreichen, geistlichen wie weltlichen, Großen knüpfte, unter anderem auch zu Albero von Trier und Kardinal Dietwin von S. Rufina; dies stellt aber eine ganz natürliche Vorgehensweise für jemand dar, der nach jahre- langerAcht seinen Platz in der Gemeinschaft der Großen wieder einzunehmen trachtet (und dessen Stellung in der Hierarchie der Fürsten zudem noch eine recht unsichere ist)"). Konrads damaliges Verhalten muss daher keineswegs auf sein Streben nach dem Königtum zurückzuführen sein. Dieses verdankte er in Wirklichkeit einer Reihe glücklicher Umstände, die in ihrer Gesamtheit keineswegs voraussehbar waren: 1) der Tod Lothars auf der Rückreise aus Italien; 2) die Vakanz des Mainzer Erzstuhls und damit das Nichtvorhandensein des legitimen Wahlleiters, was (da in Köln nur ein Elekt vorhanden war) dem päpstlichen Legaten Albero von Trier, seit dem Italienzug ein Gegner Heinrichs des Stolzen, eine zentrale Stellung im Wahlverfahren verschaffte; 3) das unkluge Verhalten des Welfen in der Phase des Interregnums; und schließlich 4) die Verhinderung von Heinrichs Nominierung als Thronkandidat der Sachsen durch den Handstreich eines von ihm verprellten Fürsten33). Mit all diesen Tatbeständen konnte Konrad 1136/37 schwerlich rechnen.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Bereitschaft, sich auf das Wagnis von Kon- rads Wahl einzulassen, stellte fraglos deren Billigung, ja Förderung durch den in Ko-

30) Nach Jörg R. Müller, Irrreligiosusacstrenuus-AlberovonMontreuil, Erz- bischof von Trier (1132-1152) (Trier 2006) S. 528f. meinte Balderich mit den multa consilia �die

Gesamtheit der diplomatischen Anstrengungen, ... die der Vorbereitung der Wahlversammlung dienten".

31) So Schlick (o. Anm. I6) S. 135; auch MüIl er (w. o. ) S. 514 spricht von einer �gezielten

Annäherungspolitik des Staufers an Erzbischof Albero auf dem Italien- zug", die zeige, dass er seine Hoffnungen auf den Thron nicht aufgegeben hatte.

2) In der Zeugenliste einer Urkunde Bischof Embrichos von Würzburg v. 15. Au- gust 1136, Reg. Imp. IV/1/1 (o. Anm. 57) Nr. 495, wird Konrad als Bruder Herzog Friedrichs bezeichnet und erst nach den Grafen angeführt.

33) Zu Albrecht dem Bären und seinen Motiven siehe unten S. 442.

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blenz anwesenden Vertreter der Kurie, Kardinal Dietwin von S. Rufina34), dar. Seine

und des Papsttums Rolle bei Konrads Erhebung wurden in jüngerer Zeit seitens der Forschung recht kontrovers bewertet: Während Ulrich Schmidt unter Berufung auf eine Aussage der Annalen von St. Jakob in Lüttich in Innocenz II. die treibende Kraft hinter Konrads Erhebung erblickte35), stellte Ursula Vones-Liebenstein einen - tat- sächlich nirgends ausdrücklich überlieferten - diesbezüglichen päpstlichen Auftrag

an den Kardinal gänzlich in Abrede, weil dieser andernfalls �sicher einen Teil des Reichsepiskopats, an der Spitze Erzbischof Konrad von Salzburg, für den Kandidaten des Papstes (hätte) gewinnen können"36).

In seinem an Konrad von Salzburg gerichteten Rechtsfertigungsschreiben hebt Al- bero von Trier freilich gerade den Umstand hervor, dass die Wähler den Willen der

römischen Kirche in der Person ihres anwesenden Vertreters erkannt hätten37); dass der Salzburger Erzbischof, der mit seinen Reformvorstellungen ja auch innerhalb des Epi-

skopats eine extreme Position einnahm, sich so lange nicht zur Anerkennung Konrads bereit fand, wird man daher eher auf spezielle Gründe zurückzuführen haben38). Unter den übrigen Bischöfen konnte Konrad, wie Gerhard Lubich zu Recht hervorgehoben hat, von Anfang an �auf eine erstaunlich große Anhängerschaft zählen"; '), was zum Teil doch kurialem Einfluss zuzuschreiben sein dürfte.

Der für die Unterstützung von Konrads Erhebung maßgebliche Grund, nämlich die Verhinderung des Königtums Heinrichs des Stolzen, ist in einem anderen, von Bam- berg aus an Konrad von Salzburg gerichteten, Schreiben deutlich ausgesprochen: Der Bayernherzog, so heißt es da, werde von der römischen Kirche abgelehnt, weil er sie mit seiner Macht ersticke40). Ohne die von etlichen Autoren41) ins Treffen geführte reformfreudige Gesinnung Heinrichs, die bei den Welfen Tradition hatte, in Abrede

34) Zur Person Dietwins und seine frühen Verbindungen mit Albero siehe Mül l er (o. Anm. 30) S. 531 f.

35) Schmidt (o. Anm. 3) S. 81. - Zu den Ursachen für Ablehnung Heinrichs des Stolzen durch Innocenz II. siehe Müller (o. Anm. 30) S. 516-520. Heinrich hat sich vermutlich nicht nur bei dem über eine von beiden beanspruchte Strafzahlung der Einwohner von Viterbo ausgebrochenen Streit (siehe RI IV/1/1 Nr. 584.9) dem Papst gegenüber wenig entgegenkommend gezeigt.

6) Vones-Liebenstein (o. Anm. 17)S. 345. 37) Brief Alberos von Trier an Konrad I. von Salzburg, hg. von Philipp Jaffe,

Monumenta Bambergensia, (Berlin 1859) S. 528f. 38) Hier ist vor allem an die strikte Ablehnung der Leistung des Hominiums durch

den Erzbischof zu denken, das der König von den übrigen geistlichen Fürsten offen- bar forderte und auch erhielt. - Kurt Zeillinger, Erzbischof Konrad I. von Salz- burg 1106-1147 (Wiener Dissertationen aus dem Gebiet der Geschichte 10,1968) S. 58 nimmt gekränkte Eitelkeit des sich seiner Mitspracherechte beraubten Kirchen- fürsten als Grund für dessen Haltung an. Durchaus diskussionswürdig erscheint die

von Schlick (o. Anm. 16) S. 138ff. angestellte Überlegung, dass der Erzbischof sich zu jenen Personen zählte, �die, sei es aufgrund ihres persönlichen Ansehens, ihrer Amtswürde oder ihrer Machtfülle, entscheidenden Einfluss auf die Wahl für sich re- klamieren konnten, die sich also als Prinzipalwähler` sahen und deren Anspruch von anderen akzeptiert wurde".

39) Gerhard Lubich, Beobachtungen zur Wahl Konrads III. und ihrem Umfeld, in: Historisches Jahrbuch 117 (1997) S. 323.

40) Brief Kardinal Dietwins, Alberos von Trier, Ottos von Bamberg und der übri-

gen in Bamberg versammelten Fürsten an Erzbischof Konrad I. von Salzburg von En- de Mai 1138, Monumenta Bambergensia (o. Anm. 37) S. 529f.

Engels (o. Anm. 1) S. 34; Roeder, (o. Anm. 24) passim.

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stellen zu wollen, besteht daher m. E. kein Grund zu der Annahme, dass Dietwin ohne päpstlichen Auftrag agiert habe, ohne den er in Koblenz auch schwerlich die von Otto

von Freising überlieferte Zusage der Billigung der Wahl durch den Papst42) von sich gegeben hätte.

Dass der Kardinal, wie Vones-Liebenstein nachgewiesen hat, durch Herkunft und Werdegang in das Beziehungsgeflecht des bei der Wahl aktiven lothringischen Adels eingebunden war"), dürfte ihm seine Aufgabe sicher erleichtert haben. Und ohne Kon- rads Erhebung gleich primär auf kuriale Einflüsse zurückführen zu wollen, scheint das Eingreifen des Kardinals doch eine wesentliche Voraussetzung für deren Vornahme

wie auch für deren Durchsetzung darzustellen. Damit soll nicht gesagt werden, dass die von Odilo Engels als Beweggrund Alberos von Trier herausgearbeiteten territo- rialen Interessen des Trierer Erzstifts44) nicht von Bedeutung für Konrads Erhebung

gewesen sind; diese aber als �viel zwangslosere" Erklärung für die �handstreichartige

Wahl" Konrads zu betrachten als ein Eingreifen der Kurie, erscheint doch ebenso ein- seitig4S) wie die - immerhin sogar quellenmäßig abgedeckte46) -Auffassung, Konrad sei auf Befehl Innocenz' II. König geworden. Vielmehr scheinen drei unterschiedli- che Faktoren das Vorgehen der Proponenten von Konrads Wahl begünstigt zu haben: Zunächst einmal ein bei vielen Großen vorhandenes, wenn auch nur ausnahmsweise artikuliertes Unbehagen beim Gedanken an ein Königtum Heinrichs des Stolzen; dann die durch Dietwin übermittelte Gewissheit, dass die Kurie all ihr Gewicht zugunsten einer anderen Lösung in die Wagschale werfen würde; und schließlich eine Fürsten- gruppe um Albero von Trier, die noch besondere Gründe hatte, die Herrschaft des Welfen zu verhindern und die unter`Ausnutzung der beiden anderen Faktoren und einer unklaren Rechtslage auch die Entschlusskraft aufbrachte, einen Wahlakt vorzu- nehmen, der vielleicht anfechtbar war, aber ganz sicher nicht in einer Weise gegen die Rechtsordnung verstieß, die das Verdikt rechtfertigen würde, es habe sich um einen regelrechten Staatsstreich gehandelt.

Gegen die Rechtsordnung verstoßen zu haben, wird Konrad von vielen Autoren auch bezüglich seinerAuseinandersetzung mit Heinrich dem Stolzen vorgeworfen47).

42) Otto von Freising, Chronik VII 22, (o. Anm. 9) S. 343. 43) Vones-Liebenstein (o. Anm. 17) S. 335ff. 44) Es ging dabei einerseits um die von den Trierer Erzbischöfen beanspruchte Ab-

tei St. Maximin, vgl. Müller (o. Anm. 29) S. 375-387, sowie um Springiersbach, siehe ebd. S. 354-374 sowie die folgende Anm.

45) Engels (o. Anm. 1) S. 34f. meint, Erzbischof Albero habe befürchtet, durch die Hausmacht des rheinischen Pfalzgrafen an der unteren Mosel und den von die- sem beherrschten, von Springiersbach aus im Aufbau befindlichen Verband von Ka- nonikerstiflen eingeengt zu werden; da er befürchten musste, dass, wie schon Lothar III., auch dessen Schwiegersohn die Nachfolgeregelung des kinderlosen Pfalzgrafen zugunsten seines Stiefvaters Otto von Rheineck fördern würde, habe er Konrad fa- vorisiert, von dem er hoffte, dass er wieder den amtsrechtlichen Charakter des Pfalz- grafenamtes betonen und einen Landfremden zum Nachfolger ernennen würde. - In Beiträge zur Geschichte der Staufer 11(0. Anm. 17) S. 444 mahnt Engels selbst, man sollte die verschiedenen Aspekte, die zu Konrads Wahl geführt haben,

�nicht als ein sich gegenseitig ausschließenden (sie! ) Entweder-Oder sehen, sondern als ein zusam- mentreffendes Sowohl-Als-Auch".

46) Die Ann. S. Jacobi Leodiensis, ed. G. H. Pertz (MGH SS XVI) S. 640 behaup- ten, Konrad sei volente ei iubente domno papa Innocentio erhoben worden.

47) Kurt Reindel in der Biographie Heinrichs des Stolzen in NDB 8 (1969)

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J. P. Niederkorn, Zur Wahl Konrads III. 437

Zu dieser Problematik wurden in letzter Zeit ebenfalls mehrere Untersuchungen veröf- fentlicht, denen zwar gemein ist, dass sie dieser Beurteilung nicht zustimmen, die den Verlauf des Konflikts zwischen dem neu gewählten Herrscher und dem mächtigsten unter den Reichsfürsten im Übrigen aber durchaus unterschiedlich interpretieren48). Die von mir selbst vor einigen Jahren zu diesem Thema veröffentlichte These ist ur- sprünglich aus der Hinterfragung der in der älteren Literatur formulierten Vorwürfe erwachsen, wonach derWelfe in einem übereilt durchgeführten Schnellverfahren ver- urteilt wurde, in dem weder die üblichen prozessualen Fristen noch die erforderliche Zusammensetzung des Gerichts beachtet wurden49)

Diese Vorbehalte ergeben sich aus einer Sicht des Verlaufs des Konflikts zwischen Konrad und Heinrich dem Stolzen, die seit jeher die gängige Forschungsmeinung dar- stellt: Ihr zufolge wurde der Welfe, nachdem er sich bei Anfang Juli 1138 bei Augs- burg durch Vermittler geführten Verhandlungen mit dem König dessen Forderung verweigert hatte, auf Sachsen zu verzichten, Mitte Juli 1138 in Würzburg durch das Urteil einiger Fürsten geächtet und ihm das Herzogtum Sachsen aberkannt, welches kurz darauf an den Askanier Albrecht den Bären vergeben wurde.

Dass diese hier sehr gerafft wiedergegebene �Meistererzählung" unwidersprochen blieb, überrascht nicht, denn sie ist durchaus stringent und erscheint quellenmäßig gut abgestützt, jedenfalls auf den ersten Blick: Die Ächtung des Welfen und der Entzug des Herzogtums, die von der Historia Welforum (und nur von ihr) für den genann- ten Termin berichtet werden, scheinen ja die Voraussetzung zu sein für die Vergabe Sachsens an Albrecht den Bären, die aufgrund urkundlicher Zeugnisse ebenfalls noch im Juli 1138 erfolgt sein muss; und dass die Nachricht, Konrad habe in Augsburg verlangt, der Welfe müsse quaedam de his, quae ab Lothario imperatore susceperat ac possederat, resignaret50), auf die Herausgabe Sachsens zu beziehen ist, erscheint gleichfalls als logische Schlussfolgerung51).

S. 344; Franz-Josef S chmale, Lothar111. und Friedrich I. als Könige und Kaiser, in: Mayer, Probleme (o. Anm. 2) S. 44 meint, �daß es für Konrads Verhalten keinen Rechtsgrund gab"; ausführlicher beschäftigten sich mit den rechtlichen Fragen Ignaz Jastrow, Die Welfenprozesse und die ersten Regierungsjahre Friedrich Barbarossas (1138-1156), in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 10 (1893) S. 71-96 und 269-322, hier 71-80, und Heinrich Mitteis, Politische Prozesse des frühe- ren Mittelalters in Deutschland und Frankreich, in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1926/27,3. Abhandlung, S. 42-45.

48) Egon Boshof, Staufer und Welfen in der Regierungszeit Konrads III.: Die ersten Welfenprozesse und die Opposition Welfs VI., in: Archiv für Kulturgeschich- te 70 (1988) S. 313-341; Hanna Vollrath, Fürstenurteile im staufisch-welfischen Konflikt von 1138 bis zum Privilegium Minus, Recht und Gericht in der oralen Rechtswelt des früheren Mittelalters, in: Funktion und Form, Quellen- und Metho- denprobleme der mittelalterlichen Rechtsgeschichte, hg. v. Karl Kroeschell/A1- brecht Corder (Berlin 1996) S. 39-62; ferner die in der folgenden Anm. genann- te Arbeit.

49) Jan Paul Niederkorn, Der Prozess Heinrichs des Stolzen, in: Diplomati- sche und chronologische Studien aus derArbeit an den Regesta Imperii, hg. von Paul J. Heinig (Köln-Wien 1990) S. 67-82.

50) Historia Welforum c. 24, hg. von Erich König (Schwäbische Chroniken der Stauferzeit 1, Stuttgart 1938), S. 46.

51) Monika Suchan, Fürstliche Opposition als Gestalterin mittelalterlicher Staatlichkeit, in: Frühmittelalterliche Studien 37 (2003) S. 159 versteht diese Text- stelle als Aufforderung, eines seiner beiden Herzogtümer aufzugeben.

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Indes, der Bericht der Historia Welforum, auf die die traditionelle Darstellung des Geschehens sich (fast ausschließlich) stützt, ist teilweise auch anders interpretier- bar und teilweise in seiner Zuverlässigkeit anzuzweifeln. Denn erstens gehörten zu den von Lothar seinem Schwiegersohn übertragenen Besitzungen auch Nürnberg und (höchstwahrscheinlich) Ulm, also jene Orte, um die die Staufer während ihres Kon- flikts mit dem König besonders erbittert gerungen hatten und deren Wiederinbesitz- nahme sie fraglos anstrebten, sodass Konrad in Augsburg ihre Rückgabe genauso gut gefordert haben kann wie die Sachsens52). Und zweitens ist die chronologische Zuver- lässigkeit der Historia Welforum nicht gerade hoch einzuschätzen: Diese schildert im Anschluss an die gescheiterten Verhandlungen in Augsburg, was beide Kontrahenten in der Folge unternahmen; von Heinrich dem Stolzen heißt es, er habe sich unver- züglich nach Sachsen begeben - was, da dies mehreren anderen Quellen zufolge erst zur Jahreswende 1138/39 geschah, als eindeutig' falsch anzusehen ist"). Daher muss aber auch in Frage gestellt werden, ob die (nur in der Welfengeschichte überlieferte) Aussage zutrifft, dass Konrad von Augsburg nach Würzburg eilte und den Welfen dort ächten und ihm das Herzogtum aberkennen ließ. Dass die Ächtung in Würzburg stattfand, berichtet zwar auch Otto von Freising, dessen Text der Historia Welforum teilweise als Vorlage gedient hat. Otto berichtet aber auch, dass Heinrich, nachdem er auf dem Regensburger Hoftag Ende Juni von Konrad nicht vorgelassen worden war, noch auf vielfache Weise vergeblich versuchte, des Königs Gnade zu erhalten (muitis niodis ... misericordiam peteret nec impetraret). Dies spricht m. E. nicht dafür, dass das Achturteil - für das Otto, anders als für die Aberkennung Bayerns, die zu Weih- nachten 1138 in Goslar erfolgte, keinen Termin nennt - schon zwei oder drei Wochen nach dem Regensburger Hoftag ausgesprochen wurde.

Stellen das Achturteil und die darauf beruhende Aberkennung Sachsens aber nicht eine notwendige Voraussetzung dar für die unbezweifelbare Vergabe Sachsens an Al- brecht noch im Juli 1138? Nicht unbedingt, vielmehr deutet eine Reihe von Indizien darauf hin, dass Konrad Heinrichs Anspruch, das Amt eines Herzogs von Sachsen innezuhaben, von vornherein nicht anerkannt hat, weshalb er auch nicht genötigt war, es ihm abzusprechen. Dies wird, anders als beim Herzogtum Bayern, auch nirgends - auch nicht in der Historia WelforumTM) - behauptet; jene sächsischen Quellen, für die der Welfe das Herzogtum Sachsen innehatte, sagen nur, dass Konrad ihm dieses ent- ziehen wollte (privare vokrit)55). Als Rechtsgrund für Heinrichs Anspruch, Herzog von Sachsen zu sein, wird angegeben, dass sein Schwiegervater, Kaiser Lothar III., ihm

32) Dass es bei den sich über drei Taue hinziehenden Verhandlungen auch um Sachsen ging, soll damit keinesfalls bestritten werden; Konrads Verhandlun&staktik bestand m. E. darin, von Heinrich Vorleistungen zu begehren, ohne sich hinsichtlich Sachsens festzulegen, vgl. unten S. 443.

53) Otto von Freising, Chronik VII 23 (o. Anm. 9) S. 345; Annalista Saxo (o. Anm. 15) S. 612; Annales Palidenses, ed. G. H. Pertz (MGH SS XVI) S. 80; Sächsische Weltchronik, hg. von Ludwig Weiland (MGH Deutsche Chroniken 2) S. 216.

54) Die Historia Welforum, die Heinrich als Herzog auch Sachsens betrachtete (vgl. Anm. 50), berichtet nur von der Aberkennung nur eines Herzogtums (ducatrrs- 9ue ei abiudicaJtrr); wie bei Otto von Freising, von dem diese Aussage Übernommen ist, ist damit Bayern gemeint, vgl. Niederkorn (o. Anm. 49) S. 73.

ss) So von den Ann. Palidenses (o. Anm. 49) S. 80; Ann. Patherbrunnenses, hg. von P. Scheffer-Boichorst (Innsbruck 1870), S. 167; Annalista Saxo (o. Anm. 15) S. 612; Chron. Regia Coloniensis, ed. Georg Waitz (MGH SS rer. Germ. 18)

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dieses Herzogtum übertragen habe. Für diesen Akt gibt es auch eine durchaus reich- haltige Überlieferung, nur ist diese, was Anlass und Zeitpunkt desselben angeht, völlig uneinheitlich: Die DisibodenbergerAnnalen berichten von der Übertragung Sachsens an Heinrich den Stolzen bereits zum Jahr 1126 - also noch vor der Eheschließung des Welfen mit Lothars Erbtochter Gertrud -, die Historia Welforum zu 1127 als der Hochzeit unmittelbar folgend, Helmold von Bosau zu 1134, die Annales Stadenses zu 1136, Petrus Diaconus schließlich lässt Lothar die Belehnung seines Schwiegersohns erst 1137 vor seinem Tod (in Ligurien! ) vornehmen")

Dass, mit Philipp Jaffe beginnend, die meisten Historiker den Angaben des Petrus Diaconus Glauben geschenkt haben'), hat seinen Grund darin, dass Heinrich in den Diplomen Lothars III. kein einziges Mal als dux Saxoniae bezeichnet wird. Lässt man das von 1125 stammende DL. III. 2 und die Fälschungen weg, bleiben 12 Urkunden des Kaisers und eine Richenzas übrig, in denen der Welfe erwähnt wird. Bei neun von diesen dreizehn Urkunden handelt es sich um von Empfänger- oder außerhalb der Kanzlei tätigen Gelegenheitsschreibern ausgefertigte Stücke, bei denen eine un- vollständige Titelgebung für Heinrich nicht unbedingt aussagekräftig ist. Dies gilt auch für zwei der verbleibenden vier Diplome: In DL. III. 64 wird Heinrich der Stolze

nur Herzog ohne weitere Angaben genannt, in DL. III. 54 scheint er als Herzog von Bayern auf, was aufgrund des bayerischen Betreffs des beurkundeten Rechtsgeschäfts

allerdings nicht viel besagt. Interessanter sind die DDL. III. 21 und 62. Indem es ein Gut im Harzgau als in duca-

tu ducis Heinrici gelegen bezeichnet, könnte DL. III. 21 als Beleg für die Übertragung

Sachsens an den Welfen betrachtet werden. Die Lokalisierung in ducatu statt in comi- tatu ist allerdings ganz ungewöhnlich und könnte auch auf ein Versehen zurückgehen, sodass man diese Urkunde, die diesbezüglich ja auch im Gegensatz zu allen anderen Urkunden Lothars steht, nicht ohne weiteres als unbedenklichen Beleg dafür ansehen kann, dass Heinrich der Stolze zum Zeitpunkt der Ausstellung Herzog von Sachsen

warSB). Genau die gegenteilige Schlussfolgerung erlaubt jedenfalls das von Mai 1134

S. 75; Chron. S. Petri Erfordensis modema., ed. 0. Holder-Egger (MGH SS rer. Germ. 42) S. 174.

56) Ann. S. Disibodi, ed. Georg Waitz(MGHSSXVII)S. 23; Hist. Welf. (o. Anm. 50) c. 16, S. 30; Helmold von Bosau, Slawenchronik, ed. Bernhard Schmeidler (MGH SS rer. Germ. 32) S. 105; Annales Stadenses, ed. G. H. Pertz (MGH SS XVI) S. 323; Chronica monasterii Casinensis, ed. Hartmut Hoffmann (MGH SS XXXIV) S. 603.

57) Philipp Jaffe, Geschichte des deutschen Reiches unter Lothar dem Sachsen (Berlin 1843) S. 230f. Die übrigen Autoren sind angeführt in: J. F. Böhmer, Re- gesta Imperii Imperii IV, 1. Abt.: Die Regesten des Kaiserreiches unter Lothar III. und Konrad III., 1. Teil: Lothar III. 1125 (1075) -1137, neubearbeitet von Wo l fgang Petke (Köln -Weimar-Wien 1994), Kommentar zu Nr. 115.

38) MGh. DL. III. 21 von Juni 1129. Die Urkunde wurde wahrscheinlich vom No- tar Thietmar verfasst und geschrieben, von dem insgesamt sieben Diplome Lothars stammen. Jaffe (o. Anm. 57) 230f. brachte gegen die Beweiskraft dieser Stelle vor, dass Heinrich im Besitz der - seiner Auffassung nach - aus northeimischem Erbe stammenden Grafschaft, in der sich das geschenkte Gut befand, gewesen sei und der Urkundenschreiber dieses irrtümlich als in dessen Herzogtum statt in der Grafschaft des Herzogs (von Bayern) gelegen bezeichnet habe. Im Kommentar zu Reg. Imp. IV/1/1 Nr. 194 weist Petke (o. Anm. 57) dies mit der Begründung zurück, es habe nie ein northeimischer Komitat im Harzgau existiert, stellt aber eine durchaus ähn- liche Überlegung wie Jaffe an, wenn er es für möglich hält, �dass die Grafschaft im

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stammende DL. III. 62: In dieser unter Beteiligung des in der zweiten Hälfte von Lo- thars Regierung die Hauptlast der Schreibgeschäfte der königlichen Kanzlei tragenden Notars Ekkehard A (Bertolf)59) verfassten Urkunde geht es um den Verzicht Heinrichs, Albrechts des Bären und seiner Mutter Eilika von Werben auf Fischereirechte an der Unterweser zugunsten des Klosters Corvey; obwohl es hier um ein sächsisches Kloster und um aus billungischem Erbe stammende Rechte in Sachsen geht, wird Heinrich der Stolze in diesem Diplom aber als dux Baivarie bezeichnet")!

Im Gegensatz zur gängigen Forschungsmeinung ist Wolfgang Petke, der Bearbeiter der Regesten Lothars III., mit Entschiedenheit für die Richtigkeit der Nachricht Disi- bodenbergerAnnalen eingetreten, wonach im Jahr 1126 Filius ducis Baioariae ducatu Saxoniae a rege donatur. Es gebe, führt Petke aus, �keinen stichhaltigen Grund, dem

über die Geschichte Lothars in der Regel gut unterrichteten Disibodenberger Anna- listen gerade in diesem Punkt nicht zu folgen. Er verdient auch deshalb Vertrauen,

weil er den Welfen zum Zeitpunkt der Belehnung nicht als Herzog der Bayern, son- dern als Sohn des Bayernherzogs bezeichnet. Dessen Vater Heinrich der Schwarze (j 13.12.1126) war demnach in der zutreffenden Sicht des Annalisten offenbar noch am Leben"61).

Petke kann sich außer auf das genannte Zeugnis auch auf eine Urkunde Bischof Godebalds von Utrecht stützen, die Heinrich den Stolzen Herzog von Sachsen nennt. Bemerkenswert ist, dass diese Urkunde ebenfalls vom Frühjahr oder Sommer 1126 stammt"). Beide Belege gehören somit nicht nur in die Zeit vor der Eheschließung Heinrichs mit Lothars Tochter Gertrud, sondern sind auch aus der Zeit vor dem Tod von Heinrichs Vater. Für die Richtigkeit von Petkes Auffassung könnte man aufgrund dessen ins Treffen führen, dass sich für Lothar III. gerade zu diesem Zeitpunkt auch ein nachvollziehbares Motiv für die Einsetzung Heinrichs des Stolzen als Herzog von Sachsen ausmachen lässt: dass nämlich der Bräutigam seiner Tochter im Rang eines Herzogs stand. Sobald dieser als Herzog von Bayern aber ohnedies über den entspre- chenden honor verfügte, war dieser Zweck der Verleihung weggefallen, und der von Lothar vielleicht erhoffte Nebeneffekt, dass sein Schwiegersohn Aufgaben in Sachsen übernahm, erwies sich nunmehr als nicht realisierbar: Während der gesamten restli- chen Regierungszeit seines Schwiegervaters ist der Welfe nur noch ein einziges Mal in Sachsen belegte).

Petke hat daher sicher Recht, wenn er bemerkt, dass die Tatsache, dass �Heinrich

der Stolze von der Mehrzahl der Autoren des 12. Jahrhunderts und der Diktatoren der

westlichen Harzgau, ein Halberstädter Lehen an Lothar, eines jener Benefizien ge- wesen ist, welche Lothar nach 1125 an seinen Schwiegersohn weitergegeben hat und dem Diktator als faktischer Herrschaftstitel des welfischen sächsischen Herzogs be- kannt war".

59) Wolfgang Petke, Kanzlei, Kapelle und königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137) (Köln - Wien 1985) S. 28.

60) Obwohl in der Nachurkunde MGh. DK. 1II. 133 nur Albrecht und Eilika als Schenker erwähnt werden und Heinrich der Stolze nicht, ist seine Nennung nach P et- ke, Kommentar zu Reg. Imp. IV/1/1 (wie Anm. 57) Nr. +400 unbedenklich, da er ebenfalls Erbe der Billunger war; die Verfälschung des Diploms betrifft nicht den Pas- sus, in dem Heinrich genannt ist.

61) Ebd., Kommentar zu Nr. 115. 61) Ebd. Nr. 124. 63) Pe tke (o. Anm. 59) S. 239.

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Urkunden zu Lebzeiten Lothars vornehmlich als Bayernherzog und nicht als Herzog von Sachsen wahrgenommen wurde, ... aus dem Gewicht Bayerns für seine Stellung im Reich und wohl auch aus einerAufgabenteilung zu erklären [ist], die ihm vornehm- lich den Süden als Betätigungsfeld zuwies ... "6S). Die fraglos gegebene mangelnde Wahrnehmbarkeit Heinrichs als Herzog von Sachsen vermag auch die Diversität der Mitteilungen über den Zeitpunkt zu erklären, zu dem er diese Stellung erlangte. Sieht man die Aussage des Petrus Diaconus - eines ja auch sonst als unzuverlässig gelten- den Autorsts) - als erfunden an, so lässt sich unter dieser Prämisse doch seine Vorge- hensweise nachvollziehen. Da er den Welfen im Sommer 1137 in Montecassino nur als Herzog von Bayern erlebt hattest), dieser im Jahr darauf aber auch als von Lothar III. eingesetzter Herzog von Sachsen auftrat, war es wohl keine abwegige Schlussfol-

gerung, dass er diese Würde unmittelbar vor des Kaisers Tod erhalten haben musste. Helmold und der Verfasser der Stader Annalen bzw. deren Informationsquellen mö- gen ähnlich verfahren sein, indem sie ihnen plausible Termine für die Übertragung

nannten. Als Erklärung dafür, dass der Welfe, wie in der Urkunde für Corvey, seitens der kö-

niglichen Kanzlei auch dort als Herzog von Bayern und nicht als Herzog von Sachsen bezeichnet wird, wo letzteres eindeutig angebracht gewesen wäre, greift das Argu-

ment seiner mangelnden Wahrnehmbarkeit als Herzog von Sachsen aber doch zu kurz. Vielleicht sollte man daher die Angaben derAnnales sancti Disibodi und der Urkunde Bischof Godebalds von Utrecht eher dahin gehend interpretieren, dass Lothar seinen künftigen Schwiegersohn 1126 nur als Nachfolger in Sachsen designierte oder ihn

zum Mitherzog erhobt'), was später, als diese Würde funktionslos geworden war, mit Schweigen übergangen wurde69). Aber auch die Alternativen, dass Heinrich der Stolze

entweder erst kurz vor dem Tod Lothars 111. oder doch gar nicht zum Herzog von Sach-

sen gemacht wurde, wird man wohl nicht ausschließen können69). Der Befund, dass die Quellen keine eindeutige Entscheidung zulassen, ist aber letztlich auch ein Ergebnis, das weiterführt und zum Verständnis der Entwicklung im Jahr 1138 beitragen kann: Offenbar verfügten auch die Zeitgenossen über keine gesicherte Kenntnis über Hein-

richs Stellung und deren Rechtsgrundlage, und diese Unsicherheit bot zusammen mit

64) Wie Anm. 61. 65) Odilo Engels, Die Restitution des Bayernherzogtums an Heinrich den Lö-

wen, in: Heinrich der Löwe und seine Zeit, Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235, hg. von Jochen Luckhardt und Franz Niehoff (München 1995) Bd. 2, S. 161.

66) Petrus war auch an der Abfassung des DL. III. 120 für Montecassino beteiligt, in dem Heinrich als Herzog von Bayern bezeichnet wird.

67) Dies überlegt auch Schlick (o. Anm. 16) S. 116. 68) Unter den Großen des Reichs könnten ja auch damals Vorbehalte gegen die Ver-

einigung der beiden bedeutendsten Herzogtümer in einer Hand nicht gefehlt haben. 69) Die jüngst von Engels (o. Anm. 65) S. 159f. nicht ohne Vorbehalt ventilierte

Möglichkeit, �dass Heinrich der Stolze ... überhaupt nicht in das sächsische Herzog-

tum eingewiesen worden ist, sondern sich, weil er der Schwiegersohn Lothars war, der als Kaiser das sächsische Herzogtum beibehalten hatte, als den natürlichen Erben aufgrund seiner Ehe mit Gertrud, der Erbtochter Lothars, betrachtete", scheint mir doch nicht nur den fraglos anfechtbaren Quellen, die von dieser Übertragung berich- ten, eindeutig zu widersprechen, sondern auch dem Umstand, dass der Welfe sich auf eben die Verleihung durch Lothar III. berief.

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dem Auftreten eines anderen Prätendenten Konrad die Möglichkeit, den Standpunkt einzunehmen, dass der Welfe nicht Herzog von Sachsen war.

Dass der König und seine Parteigänger diese Auffassung vertraten, wird jedenfalls in etlichen deren Umkreis zuzuordnenden Zeugnissen deutlich. Neben Otto von Frei- sing, der von Heinrich immer nur als Herzog von Bayern spricht und konsequenterwei- se auch von der Aberkennung nur dieses Herzogtums, nicht aber Sachsens berichtet10), ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das von Albero von Trier, dem Kardinal Dietwin, Otto von Bamberg und (angeblich? ) den übrigen auf dem Bamberger Hoftag zu Pfingsten 1138 anwesenden Fürsten an Erzbischof Konrad von Salzburg gerichtete Schreiben zu verweisen, in dem Heinrich der Stolze ebenfalls Herzog von Bayern ge- nannt wird, nicht aber Herzog von Sachsen").

Erleichtert wurde Konrad seine Vorgehensweise auch dadurch, dass der Markgraf der Nordmark, Albrecht der Bär, unter Berufung auf den Umstand, dass sein Großvater dieses Amt einmal innegehabt hatte, ebenfalls Anspruch auf das Herzogtum Sachsen erhob. Dies geschah, so berichtet Helmold von Bosau, bereits unmittelbar nach dem Begräbnis Lothars am 31. Dezember 113712). Hanna Vollrath hat die Auffassung ver- treten, dass die Fehdehandlungen Albrechts des Bären sofort nach dem Tod Lothars nur Sinn machten, �wenn sein Konkurrent Heinrich der Stolze tatsächlich von Lothar mit Sachsen belehnt worden war, denn sonst hätte Albrecht ja zunächst einmal abwar- ten können, wen Konrad III. mit Sachsen belehnen würde""). Diese Deutung übersieht jedoch, dass es zum genannten Zeitpunkt noch überhaupt nicht feststand, dass Konrad der nächste König sein würde. Zur Jahreswende 1137/38 war sogar noch keineswegs mit Konrad als Nachfolger zu rechnen, sondern mit Heinrich dem Stolzen, dem bei weitem mächtigsten unter den Fürsten, der, wie Jutta Schlick jüngst zu Recht bemerkt hat, zudem �von seinem Schwiegervater geradezu systematisch als Nachfolger aufge- baut worden war"). Wenn Heinrich derAdressat von Albrechts Begehren war, erklärt das auch viel plausibler den frühen Zeitpunkt, zu dem der Askanier seine Forderung erhob: Er erhoffte sich eine entsprechende Zusage des Welfen als Gegenleistung für seine Unterstützung bei der Königswahl, wobei er darauf spekuliert haben mag, dass Heinrich, wenn er einmal auf dem Thron saß, nicht darauf bestehen würde, das ohne- dies nie ausgeübte Amt eines Herzogs von Sachsen für sich zu beanspruchen.

Dass Heinrich sich nicht zu einem derartigen Wahlversprechen bereit fand, passt zur Aussage Ottos von Freising, dass der Welfe sich weigerte, jemanden um das Königtum zu bitten"). Albrecht blieb damit nur die Aussicht, sein Ziel mit Hilfe eines anderen Königs zu erreichen, dessen Wahl er durch die Verhinderung des Zusammentretens der Quedlinburger Fürstenversammlung zu Lichtmess auch wirklich möglich machte. Dass diese Zusammenkunft von Richenza und nicht vom Herzog von Sachsen einbe_ rufen wurde, kann als weiteres Indiz für die Unsicherheit gelten, die hinsichtlich der Stellung Heinrichs des Stolzen herrschte. In diesem Sinn könnte man in Erwägung

70) Otto von Freising, Chronik VII 23 (o. Anm. 9) S. 344f. 71) Monumenta Bambergensia (o. Anm. 37), S. 529f . 72) Helmold, Slawenchronik (o. Anm. 56) S. 106; Annales Palidenses (o. Anm.

55), S. 80. 73) Vo 11 rath (o. Anm. 48) S. 52. 74) Schlick (o. Anm. 16) S. 134. 75) Wie Anm. 9.

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ziehen, dass damals neben der Nominierung Heinrichs als sächsischer Kandidat für die Königswahl die Anerkennung seiner Stellung als Herzog von Sachsen geplant war. Auch dies zu vereiteln, muss Albrecht naturgemäß ein Anliegen gewesen sein. Ob er, wie manche Autoren vermuten, in Absprache mit Konrad und den seine Wahl betreibenden Kreisen handelte und Zusagen erhalten hatte, dass Konrad als König ihm das Herzogtum Sachsen verleihen werde76), muss mangels jeglichen Hinweises in den Quellen dahingestellt bleiben.

Meine Sicht des Verlaufs der Auseinandersetzung Konrads mit Heinrich dem Stol- zen und vom Zwist um das Herzogtum Sachsen ist schon andernorts publiziert' % daher begnüge ich mich hier mit einer kurzen Zusammenfassung: Es gelang Konrad, einen beträchtlichen Teil der sächsischen Großen (mit ihnen auch Richenza) zum Be- such des Reichstags in Bamberg (22. /23. Mai 1138) und damit zur raschen Anerken- nung seines Königtums zu veranlassen, indem er ankündigte, bei dieser Gelegenheit den Streit um ihr Herzogtum behandeln zu wollen; da Heinrich der Stolze nicht er- schien, fällte er aber noch keine Entscheidung, sondern vertagte diese bis zu einem ersten in Sachsen abzuhaltenden Hoftag, der wohl auf den Jakobstag (25. Juli) nach Quedlinburg ausgeschrieben wurde. Auch dies war ein äußerst geschickter Schach-

zug, denn indem er Heinrich dem Stolzen gleichzeitig für die Auslieferung der noch in seinem Besitz befindlichen Reichsinsignien einen früheren Termin, nämlich den 29. Juni, setzen ließ, erlangte Konrad dieses Faustpfand des Welfen, ohne zu einer realen Gegenleistung genötigt zu sein. Heinrich erhielt in Regensburg auch keine Ge- legenheit, seine Anliegen zu besprechen, dies wurde vielmehr Verhandlungen vor- behalten, die einige Tage später in Augsburg stattfinden sollten. Dort scheint Konrad die Strategie fortgesetzt zu haben, von seinem Kontrahenten Konzessionen (Aufgabe

von Ulm und Nürnberg) einzufordern, eine Entscheidung über dessen Forderungen (Anerkennung als Herzog von Sachsen) aber hinauszuzögern und allenfalls vage Ver-

sprechungen, aber keine bindenden Zusagen zu macheng). Vielleicht, weil er das Spiel des Königs durchschaute, vielleicht auch wegen mangelnder Kompromissbereitschaft des Welfen scheiterten diese Verhandlungen. Ohne dass Heinrich der Stolze zuvor ge- ächtet, und ohne dass Sachsen ihm formell aberkannt worden wäre, machte Konrad

schließlich in Quedlinburg Albrecht den Bären zum Herzog von Sachsen. Er tat dies, so berichtet Helmold von Bosau, mit der Begründung, es sei unrecht,

dass ein Fürst zwei Herzogtümer innehabe (iniustuin esse perhibens quemquam prin- cipum duos tenere ducatrrs)79).

76) Schlick (o. Anm. 16) S. 135; Schmidt (o. Anm. 3) S. 179; Partenheimer (o. Anm. 17) S. 62, wo auch die übrigen Autoren angeführt sind. Die hinter dieser Vermutung stehende Überlegung, dass Albrecht Heinrich den Stolzen schwerlich oh- ne jegliche Rückendeckung herausgefordert haben wird, ist sicher logisch; geht man davon aus, dass der Askanier anfänglich darauf aus war, Sachsen von Heinrich zu er- halten, bleibt allerdings für allfällige Absprachen nicht viel Zeit.

77) Wie Anm. 49. 78) Der Annalista Saxo (o. Anm. 15) S. 612, aber auch die

�welfisch" interpolierte

Fassung der Chronik Ottos von Freising, VII, 23 (o. Anm. 9) S. 345 erwähnen falsche Versprechungen, die Heinrich gemacht wurden. - Konrad könnte dem Welfen die so- fortige Belehnung mit Bayern angeboten haben, während er sich hinsichtlich Sach- sens darauf ausreden konnte, dass er nicht ohne Beratung mit den sächsischen Gro- ßen entscheiden wolle.

79) Helmold, Slawenchronik (o. Anm. 56) S. 105.

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Meines Erachtens ist diese Begründung als politische Argumentation zur Recht- fertigung seiner Entscheidung zugunsten eines der beiden vorhandenen Kandidaten anzusehen; nach Auffassung von Hanna Vollrath bildet sie hingegen den Inhalt eines von Konrad erwirkten Fürstenspruchs. Vollrath zufolge musste Konrad wegen des Anspruchs des Vasallen auf Lehensemeuerung bei Herrenfall �dokumentieren, dass Heinrich der Stolze trotz der rechtsstiftenden Belehnung durch seinen königlichen Vorgänger nicht Herzog von Sachsen war", wozu ein Urteil im Königsgericht dienen

sollte. Da Konrad in diesem als Gerichtsherr die Formulierung der Rechtsauskunft hei-

schenden Frage zustand, sei es für ihn nicht schwer gewesen, die erwünschte Antwort

zu erhalten. Aus dem Text Helmolds leitet Vollrath folgendes Frage- und Antwortspiel ab: �Ist es consueludo-Rechtsbrauch, dass ein Herzog zwei Herzogtümer hat? Und die Antwort lautet wieder - ohne jede Manipulation -: nein, das ist nicht Brauch. " Dieser Fürstenspruch bildet für Vollrath �die notwendige Vorstufe der Achterklärung. Er sollte zeigen, dass sich Heinrich der Stolze mit seiner Weigerung, etwas von dem heraus- zugeben, was er von Kaiser Lothar empfangen hatte, ins Unrecht gesetzt hatte. Der Fürstenspruch schuf kein Reichsrecht, sondern sprach aus, was rechtens war"80).

Dass Konrad einen derartigen Fürstenspruch erwirkt hat, ist sicher nicht völlig aus- zuschließen. Wenn man Voliraths Überzeugung, es müsse eine rechtsstiftende Be- lehnung Heinrichs des Stolzen durch Lothar III. gegeben haben, nicht teilt, sondern davon ausgeht, dass Konrad diesen nie als Herzog von Sachsen anerkannt hat, war ein Fürstenspruch allerdings nicht erforderlich, sondern hätte allenfalls eine zusätzliche Absicherung seiner Entscheidung zugunsten Albrechts des Bären dargestellt. Dass Barbarossa sich später über diesen Grundsatz hinwegsetzen konnte - was Heinrich der Löwe ja von 1147 an auch von Konrad verlangte -, spricht sogar eindeutig dafür, dass der Besitz zweier Herzogtümer gegen wenige Jahre zuvor durch ein Fürstenweistum für unrecht erklärt wurde.

Für Vollrath bilden der genannte Fürstenspruch und die diesem zuwiderlaufende Handlungsweise Heinrichs des Stolzen die Voraussetzung für dessen Ächtung und nicht die Ächtung die Voraussetzung für die Aberkennung Sachsens, wie sonst meist angenommen wird. Da die Quellen keinerlei Grund für die Achterklärung nennen, kann man auch diesbezüglich nur Vermutungen anstellen. Seitens der Forschung wur- den vor allem zwei Erklärungsansätze diskutiert, von denen der eine, die Verweigerung der Huldigung durch Heinrich"'), aber ziemlich eindeutig der Überlieferung wider- spricht, aus der hervorgeht, dass nicht der Welfe die Huldigung verweigerte, sondern der König es mit allen Mitteln vermied, mit ihm zusammenzutreffen und ihm damit die Gelegenheit zu diesem Akt zu geben. Die andere These") stützt sich auf eine Stelle in der Historia Welforum, die sich auch anders interpretieren lässt, als die Befürwor- ter dieser These es tun: Nach dem Scheitern der Augsburger Verhandlungen, heißt es darin, fürchtete der König aliquid in se machinari und ritt nächtens heimlich davon. Dies wurde dahin gehend gedeutet, dass Konrad einen Mordanschlag des Welfen be-

80) Vollrath (o. Anm. 48) S. 58. 8' Sie wird noch von EnUe1s (o. Anm. 65) S. 160 aufgrund seiner Vorbehalte

gegen die andere zur Diskussion stehende Möglichkeit (vgl. die folgende Anm. ) fa- vorisiert.

81) Sie wurde zuletzt von Boshof (o. Anm. 48) S. 328f. und Niederkorn (o. Anm. 49) S. 74 vertreten.

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fürchtete; man kann den Passus aber, und vielleicht mit mehr Grund, auch in dem Sinn verstehen, der König habe einen vagen Verdacht gehegt, dass die Gegner etwas gegen ihn im Schilde führten, was auch keineswegs abwegig war, wenn man sich an Heinrichs gescheiterten Versuch erinnerte, Friedrich den Einäugigen im Kloster Zwie- falten zu überrumpeln. Ob eine derartige Befürchtung, und von mehr ist nicht die Re- de, aber als Grund für die Ächtung des mächtigsten Reichsfürsten ausreichte83)? Dies erscheint umso weniger wahrscheinlich, als Konrad es gar nicht nötig hatte, damit zu operieren, denn in Augsburg war der Konflikt ohnedies in ein Stadium getreten, das geradewegs in einen Achtgrund mündete: Denn die Aussage der Historia Welforum, dass der Herzog sich weigerte, auf die Forderungen des Königs einzugehen, und es vorzog, sich einem ungewissen Schicksal zu unterwerfen, weshalb die Verhandlungen abgebrochen wurden, ohne dass es zum Frieden gekommen wäre, kann man wohl nicht anders verstehen, als dass der Welfe eine gütliche Einigung, zu den ihm angebote- nen Bedingungen für inakzeptabel ansah und sich entschlossen zeigte, die bestehende Meinungsverschiedenheit mit den Waffen auszutragen: Dies war ja auch die übliche Folge, wenn Bemühungen um eine Verhandlungslösung scheiterten"). Die Fehde, auf die der Welfe sich damit einließ, war allerdings eine Fehde gegen den König, die als Aufstand angesehen werden und als solcher wohl einen ausreichenden Grund für die Verhängung der Acht bieten konnte85).

Ob es in der Folge unverzüglich zu Kampfhandlungen gekommen ist, muss offen bleiben; wenigstens Nürnberg, wo Heinrich der Stolze die Reichsinsignien aufbewahrt hatte, dürfte der König gewaltsam in Besitz genommen haben, und zwar spätestens in der ersten Augusthälfe8b). Dergleichen hinderte bekanntlich weitere Kompromiss-

versuche nicht, aber nach der Vergabe Sachsens an Albrecht war der Spielraum hiefür

nicht mehr sehr groß87). Die Unbeliebtheit Heinrichs beim bayerischen Adel und Al- brechts militärische Erfolge in Sachsen könnten den König in einer wenig entgegen- kommenden Haltung bestärkt und zum Versuch veranlasst haben, seinen Gegner, der

mit dem Herzogtum Bayern und seinem durch das zu erwartende Erbe, nach Lothar III. und Richenza noch vergrößerten Eigenbesitz ja immer noch über eine bedeutende Machtposition verfügte, noch weiter zu schwächen.

Die Aberkennung des Herzogtums Bayern stellte dann einen Schlusspunkt in der Auseinandersetzung dar, der seitens des Königs wohl nicht von Anfang an und auch später erst allmählich angestrebt wurde. Abgefunden hat sich der Welfe mit

83) Enge ls (o. Anm. 65) S. 164 verweist darauf, dass Heinrich der Löwe 1147 bei Vorliegen einer Verurteilung seines Vaters wegen Mordabsicht seine auf das Argu- ment, die Aberkennung Bayern sei unrechterweise erfolgt, gestützte Restitutionskla- ge schwerlich mit Aussicht auf Erfolg hätte vorbringen können und Otto von Freising dies nicht ohne zusätzliche Bemerkung wiedergegeben hätte.

84) Siehe vor allem die Ausführungen von Gerd Althoff, Konfliktverhalten und Rechtsbewußtsein: Die Welfen in der Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Frühmittelalter- liche Studien 26 (1992) S. 345.

85) Was, wie der unten behandelte Verlauf von Konrads Konflikt mit Welf VI. zeigt, allerdings nicht in jedem Fall angewandt wurde.

) Ann. Palidenses (o. Anm. 55) S. 80; Mitte August urkundete Konrad erstmals in Nürnberg (DK-III. 14).

87) Als noch offene Frage wäre das Schicksal der von Lothar III. seinem Schwie- gersohn nach Aussage der Historia Welforum (o. Anm. 50) c. 16, S. 30, überlassenen Kirchenlehen in Betracht zu ziehen.

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diesem Verlust ebenso wenig wie mit der Nichtanerkennung seiner sächsischen An- sprüche, und vor seinem plötzlichen Ableben im Oktober 1139 bereitete er sich ungeachtet des zwei Monate zuvor in Kreuzburg an der Werra abgeschlossenen Waffenstillstands auf die Rückkehr nach Bayern vor88). Noch im Sommer des fol- genden Jahres leisteten dort Anhänger Heinrichs Herzog Leopold IV. Widerstand"). Nach dessen Ableben (Oktober 1141) vergab Konrad das Herzogtum vorerst nicht und belehnte erst Anfang 1143 Leopolds Bruder Heinrich Jasomirgott mit Bayern, nachdem die in zweiter Ehe mit diesem verheiratete Herzogin Gertrud ihren und Heinrichs des Stolzen gleichnamigen Sohn zum Verzicht auf das Herzogtum ver- anlasst hatte90)

Merkwürdig ist, dass die Belehnung erst zu diesem Zeitpunkt erfolgte und nicht schon auf dem Frankfurter Reichstag zu Pfingsten 1142, auf dem Konrads Frieden mit den Sachsen, für den Gertruds zweite Ehe ein zentrales Element der Einigung bildete91), geschlossen wurde. Ein denkbarer Erklärungsansatz dafür könnte von der inzwischen eingetretenen Schwangerschaft der Kaisertochter ausgehen. Kindern aus ihrer zweiten Ehe stand zwar kein Recht auf das Erbe Heinrichs des Stolzen und somit auch nicht auf Bayern zu; sehr wohl anspruchsberechtigt waren sie jedoch hinsichtlich des Erbes nach Gertrud selbst, das aus dem beträchtlichen Hausgut Lothars III. und Richenzas bestand92). Ob Gertrud, die ja nicht mehr ganz jung war, noch Nachkom- men erwarten konnte, wurde bei ihrer Heirat vielleicht als unsicher angesehen. In das Friedensabkommen mit den Sachsen könnte daher die Vereinbarung aufgenommen worden sein, vorerst eine Schwangerschaft Gertruds abzuwarten, dann jedoch, wenn sie eintrat, ihren Sohn zugunsten ihres zweiten Gemahls auf Bayern verzichten zu lassen und ihn dafür durch die Abtretung von Gütern aus dem Besitz seiner Mutter zu entschädigen, ihn also bei der Aufteilung ihres Erbes zu bevorzugen. Sollte eine solche Vereinbarung zustande gekommen sein, hätte sie mit dem Tod Gertruds und des von ihr geborenen Kindes im April 1143 allerdings schon nach wenigen Monaten ihre Grundlagen eingebüßt.

Dies wiederum könnte erklären, weshalb der damalige Verzicht Heinrich den Lö- wen nicht daran hinderte, im März 1147 die Rechtmäßigkeit der Absetzung seines

88) Ebd. c. 25, S. 50. 89) Otto von Freising, Chronik VII c. 26 (o. Anm. 9) S. 349f.; Historia Welforum

c. 25 (o. Anm. 50), S. 50. - Dass die Grafen Gebhard und Konrad von Valley, deren Burg damals von Leopold belagert wurde, in den Quellen als Anhänger Heinrichs des Stolzen und nicht Welfs VI. bezeichnet werden, der Leopold dabei unerwartet angriff und besiegte, deutet darauf hin, dass Welf zu diesem Zeitpunkt noch nicht selbst Her- zog von Bayern werden wollte.

°) J. F. Böhmer, Regesta Imperii IV, 1. Abt.: Die Regesten des Kaiserreiches unter Lothar III. und Konrad III., 2. Teil: Konrad III (1093/94-1152), neubearbei- tet von Jan Paul Niederkorn unter Mitarbeit von Karel Hruza (Wien-Köln- Weimar 2008) [Reg. Imp. IV/1/2] Nr. 265.

91) Besonders betont das die Chronica regia Coloniensis, Rec. 1, ed. G eo rg Wai tz (MGH SS rer. Germ) S. 78; siehe außerdem Reg. Imp. IV/1/2 Nr. 240. 92) Zum Umfang des von Lothar und Richenza hinterlassenen Güterkomplexes, der

Besitzungen aus dem Erbe der Northeimer und der Brunonen sowie der Grafen von Süpplingenburg, Haldensleben und Katlenburg vereinigte, siehe Gudrun Pischke, Die Welfen - vom süddeutschen Geschlecht zu norddeutschen Landesherren, in: Die Welfen-landesgeschichtlicheAspekte ihrerHerrschaft, hg. von Karl Ludwig Ay/ Lorenz Maier/Joachim Jahn (t) (Konstanz 1998) S. 202.

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Vaters anzufechten und die Restitution Bayerns zu verlangen"), und warum seine Verzichtserklärung auch in den folgenden Auseinandersetzungen keine Rolle gespielt hat"). Heinrich dürfte geglaubt haben, in einem Moment, in dem es um die Vorbe-

reitung des Kreuzzugs und die damit zusammenhängende Wahl Heinrichs (VI. ) zum Mitkönig ging, einen günstigen Zeitpunkt für das Vorbringen seiner Klage gefunden zu haben, es gelang Konrad jedoch, die Verschiebung ihrer Behandlung auf die Zeit nach der Beendigung des Kreuzzugs durchzusetzen. Weshalb nach des Königs Rückkehr dann eineinhalb Jahre verstrichen, ohne dass wir von der Angelegenheit etwas hören, bleibt unklar. Das Verfahren, zu dessen Eröffnung Konrad den Welfen auf den 13. Ja-

nuar 1151 nach Ulm lud, sollte jedenfalls ein lehnrechtliches sein (ad expostulandam beneficialem iusticiam)95), während Heinrich sich auf sein Erbrecht berufen hatte (... ducatum Noricum, quem patri suo non iuste abiudicatum asserebat, lure hereditario

reposcens)9b). Da Bayern Heinrich dem Stolzen in einem lehnrechtlichen Prozess ab- erkannt worden war, war Konrads Entscheidung, über dessen Rückforderung vor dem königlichen Lehngericht zu verhandeln, fraglos folgerichtig, sie gereichte ihm aber auch zum Vorteil, da er dort das Urteil zwar nicht selbst fällte, aber als Gerichtsherr die Urteiler bestimmte und durch seine Anwesenheit die Urteilsfindung beeinflussen konnte9'). Es überrascht daher auch nicht, dass der Sachsenherzog weder in Ulm noch zu den folgenden Terminen in Regensburg (11. Juni) und Würzburg (15. September)

erschien und letztlich erneut eine militärische Entscheidung gesucht wurde98). Noch vor dem Verzicht Heinrichs des Löwen 1143 hatte ein anderes Mitglied des

Welfenhauses Anspruch auf die bayerische Herzogswürde erhoben, nämlich Welf VI., der Bruder Heinrichs des Stolzen. Welf muss, da andernfalls dessen Sohn das Erbrecht

auf die Lehen des Verstorbenen zugestanden wäre, die Rechtmäßigkeit des gegen sei- nen Bruder gefällten Urteils anerkannt haben99), was auch eine Voraussetzung war

93) Otto von Freising, Gesta Friderici I 45 (o. Anm. 11) S. 51; zum Frankfurter Hoftag von März 1147 siehe außerdem Reg. Imp. IV/1/2 Nr. 446.

94) Engels (o. Anm. 65) 160f., der sich auch mit der Frage der Mündigkeit des Löwen im Jahr 1143 auseinandersetzt.

95) Brief Konrads an Wibald von Stablo DK. III. 243. 96) Otto von Freising, Gesta Friderici 145 (wie Anm. 11). 97) Karl-Friedrich Krieger, Die königliche Lehngerichtsbarkeit im Zeitalter

der Staufer, in: DA26 (1970) S. 423ff. 98) B oshof (0. Anm. 48) S. 337ff. Nach Engels (o. Anm. 65)S. 162 war�schon

von der unterschiedlichen Basis her ... ein abschlägiges Ergebnis der Klage voraus- zusehen".

99) Hingegen hat Welf zu Lebzeiten seines Bruders, der ihm Bayern anvertraute, als er nach Sachsen zog (Ann. Patherbrunnenses, o. Anm. 55, S. 167), dessen Abset- zung sicher nicht akzeptiert. Somit war die unter Übergehung seiner allfälligen sub- sidiären Ansprüche erfolgte Einsetzung Leopolds als Herzog legitim, weshalb davon auszugehen ist, dass er, wie es ja auch die

Quellen nahe legen (siehe Anm. 89), erst

nach dessen Tod im Herbst 1141 vom König die Belehnung mit Bayern begehrte; ver- mutlich geschah dies auf einem königlichen Hoftag in Konstanz im März 1142, auf dem seine Anwesenheit belegt ist, vgl. Jan Paul Niederkorn, Welf VI. und Kon- rad III, in: Ay/Maier/Jahn, Die Welfen (o. Anm. 92) S. 145. - Die m. E. unzutref- fende These, dass Welf Bayern nicht für sich, sondern nur als Vormund seines Neffen bzw. im Interesse des Welfischen Hauses gefordert habe, braucht hier nicht erörtert zu werden; siehe ebd. S. 143ff. sowie Werner Hechberger, Staufer und Welfen 1125-1190, Zur Verwendung von Theorien in der Geschichtswissenschaft (Köln - Weimar - Wien 1996), S. 21-32. - Dass Welf, der nach dem 2. Kreuzzug die Feh-

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für die Geltendmachung eines subsidiären Agnatenerbrechts, auf das sich sein aus- drücklich als erbrechtlich bezeichneter Anspruch offenbar stützte10°). Das aus dem lombardischen Lehenrecht stammende, in den deutschen Rechtsbüchern zwar nicht enthaltene, in der Praxis aber nicht selten bezeugte Agnatenerbrecht gestand aufgrund der Vorstellung vom feudum paternum allen Deszendenten des ersten Erwerbers einen Erbanspruch zu, den die Agnaten, anders als die Söhne des letzten Lehensinhabers, auch im Fall der Felonie nicht verloren. Nach Werner Goez handelte es sich beim sub- sidiären Agnatenerbrecht aber um kein

�hartes" Recht, es war vielmehr immer stark dem Ermessen des Königs anheim gestellt101). Konrad konnte in diesem Fall den Spiel- raum nutzen, den ihm ein Rechtssystem einräumte, in dem verschiedene Ansprüche subjektiv berechtigt nebeneinander bestehen konnten, genauso, wie er in den Ausein- andersetzungen mit Heinrich dem Stolzen und dessen Sohn die sich ihm als Gerichts- herr bietenden Vorteile genutzt hat. Eines Rechtsbruchs hat er sich dabei ebenso wenig schuldig gemacht wie seine Wähler, die darin, dass sie nicht Rücksicht nahmen auf das subjektive Mitspracherecht anderer, keinen Mangel in der Rechtmäßigkeit ihres Handelns erblickten und sich mit dieser Anschauung auch durchsetzten.

Wien Jan Paul Niederkorn

de gegen den König wieder aufnahm, seinen Anspruch auf Bayern zugunsten seines Neffen zurückstellte, ist durchaus nicht sicher, es fällt jedenfalls auf, dass Heinrich der Löwe nicht in die Kämpfe im Süden eingriff, während Welf ihn nicht unterstützte, nachdem er sich mit Konrad ausgesöhnt hatte.

100) Boshof (o. Anm. 48) S. 331 und Hechberger (o. Anm. 99) S. 144 bzw. S. 207ff.

101) Werner Goez, Der Leihezwang, Eine Untersuchung zur Geschichte des deutschen Lehenrechts (Tübingen 1962) S. 50-56.