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Universität Bern Prof. Dr. Ulrich Zimmerli Institut für öffentliches Recht Hochschulstrasse 4 CH-3012 Bern Tel. +41 (0)31 631 45 99 e-Mail: Fax +41 (0)31 631 38 83 [email protected] Bern, den 1. Juli 2004 Rechtsgutachten zu Handen des Regierungsrates des Kantons Bern über die rechtliche Tragweite des Berichts der Finanzkontrolle des Kantons Bern vom 19. Mai 2004 über die Sonderprüfung der Bernischen Lehrerversicherungskasse (BLVK) erstattet von Prof. Dr. Ulrich Zimmerli unter Mitarbeit von lic. iur. Christian Zuberbühler, Fürsprecher Assistent Inhaltsübersicht 1. Ausgangslage und Auftrag 2 2. Die Sonderprüfung nach Art. 16 Bst. d KFKG 8 3. Die Bernische Lehrerversicherungskasse als Vorsorgeeinrichtung im Sinne des BVG 10 4. Aufsicht und Verantwortlichkeiten im Bereich des BVG 15 5. Würdigung des Befundes der Sonderprüfung durch die Kantonale Finanzkontrolle – Beantwortung der Fragen 33 6. Anhang 38

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Universität Bern Prof. Dr. Ulrich Zimmerli Institut für öffentliches Recht

Hochschulstrasse 4 CH-3012 Bern Tel. +41 (0)31 631 45 99 e-Mail:

Fax +41 (0)31 631 38 83 [email protected]

Bern, den 1. Juli 2004

Rechtsgutachten

zu Handen des Regierungsrates des Kantons Bern

über die rechtliche Tragweite des Berichts der Finanzkontrolle des

Kantons Bern vom 19. Mai 2004 über die Sonderprüfung der Bernischen Lehrerversicherungskasse (BLVK)

erstattet von

Prof. Dr. Ulrich Zimmerli

unter Mitarbeit von

lic. iur. Christian Zuberbühler, Fürsprecher Assistent

Inhaltsübersicht

1. Ausgangslage und Auftrag 2 2. Die Sonderprüfung nach Art. 16 Bst. d KFKG 8 3. Die Bernische Lehrerversicherungskasse als

Vorsorgeeinrichtung im Sinne des BVG 10 4. Aufsicht und Verantwortlichkeiten im Bereich des BVG 15 5. Würdigung des Befundes der Sonderprüfung durch die

Kantonale Finanzkontrolle – Beantwortung der Fragen 33 6. Anhang 38

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Prof. U. Zimmerli Gutachten „Bernische Lehrerversicherungskasse“ vom 1. Juli 2004 2

1. Ausgangslage und Auftrag Mit Schreiben vom 2. Juni 2004 ersuchte der Regierungsrat des Kantons Bern, vertreten durch das Generalsekretariat der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirek-tion, um Erstattung eines Rechtsgutachtens im Zusammenhang mit dem Bericht der Finanzkontrolle des Kantons Bern vom 19. Mai 2004 über die Sonderprüfung der Bernischen Lehrerversicherungskasse (BLVK). 1.1 Ausgangslage Der obgenannte Bericht wurde von der Finanzkontrolle des Kantons Bern auf An-trag der Erziehungsdirektion vom 15. Dezember 2003 im Rahmen einer Sonder-prüfung gemäss Art. 16 Bst. d des Gesetzes über die Finanzkontrolle vom 1. De-zember 1999 (kantonales Finanzkontrollgesetz, KFKG)1 erstellt und befasst sich insbesondere mit der strategischen und operativen Geschäftsführung der BLVK in den Jahren 1989 - 2003. Die bei der Finanzkontrolle in Auftrag gegebene Sonderprüfung ist vor folgendem Hintergrund zu sehen2: Die Bernische Lehrerversicherungskasse bezweckt als registrierte öffentlich-rechtli-che Vorsorgeeinrichtung im Sinne des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG, SR 831.40)3 die Versicherung ihrer Mitglieder gegen die Folgen der Invalidität, des Alters und des Todes. Seit der ersten Verselbständigung der BLVK im Jahr 1989 - eine Reaktion auf das 1985 neu eingeführte BVG - trägt diese die Verantwortung für die Anlage ihres Vorsorgevermögens selber. Aufgrund der ausserordentlich günstigen Ent-wicklung der Börsen während der neunziger Jahre verbesserte sich der Deckungs-grad der BLVK mit Ausnahme des Jahres 1994 ständig, obwohl ab 1990 das De-ckungskapital wegen der Langlebigkeit der Destinatärinnen und Destinatäre um 10% verstärkt wurde und diese Verstärkung ausschliesslich aus den Anlageerträgen finanziert werden musste. Diese positive Börsenentwicklung während einer Periode von gut 10 Jahren verhinderte jedoch, dass die Angemessenheit der Beiträge nicht nur versicherungstechnisch, sondern auch auf der politischen Ebene thematisiert wurden. Somit bestand auch zwischen 1990 und 2000 die Finanzierungslücke weiter und verhinderte, dass die BLVK ihren Deckungsgrad noch stärker verbessern und genügende Schwankungsreserven bilden konnte. Auf den 1. Dezember 1999 erfolgte die Ausfinanzierung durch den Kanton, welcher den grössten Teil des fehlenden Deckungskapitals als Schuld anerkannte und sich verpflichtete, diese Schuld innert zehn Jahren abzutragen. Tatsächlich wurde dann aber die Schuld gar innert Jahresfrist getilgt, indem der Staat sich das nötige Geld zu sehr günstigen Konditionen am Kapitalmarkt

1 Vgl. zur Sonderprüfung nach Art. 16 Bst. d KFKG die Ausführungen unter Ziffer 2. 2 Vgl. zum Ganzen auch den Vortrag des Regierungsrats an den Grossen Rat zum Gesetz über die berufliche Vorsorge der Lehrkräfte (BLVKG), im Folgenden: Vernehmlassungsentwurf, S. 2 ff. 3 Vgl. zu Rechtsnatur, Zweck und Aufgaben der BLVK insbesondere auch die Ausführungen unter Ziffer 3.

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beschaffte.4 Wie sich aber später herausstellen sollte, wies die BLVK nach der Ausfinanzierung nicht genügende Schwankungsreserven aus; solche wären jedoch, nach Jahren hervorragender Börsenentwicklung, angezeigt gewesen und hätten bei der BLVK nach Expertenmeinung rund 848 Mio. Franken betragen müssen.5 Mit der Ausfinanzierung fiel im Übrigen auch die Staatsgarantie formell weg, die es der BLVK gestattete, Unterdeckungen aufzuweisen.6 Seit diesem Zeitpunkt ist die BLVK - wie alle privatrechtlich ausgestalteten Pensionskassen - gezwungen, ent-sprechend Art. 69 Abs. 1 BVG nach dem Grundsatz der geschlossenen Kasse zu bilanzieren und hat nach Art. 65 BVG jederzeit Sicherheit für alle übernommenen Verpflichtungen zu bieten. Die rückläufige Entwicklung der Anlagemärkte in den darauf folgenden vier Jahren nach der Ausfinanzierung hatte dann aber zur Folge, dass der Deckungsgrad der BLVK sich sofort sehr stark verschlechterte; im Vergleich zur Bernischen Pensions-kasse (BPK) geschah dies zudem in viel schnellerem Ausmass, da die ungenü-gende Finanzierung der Langlebigkeit und der Invalidität nicht mehr durch Anlage-erträge kompensiert werden konnten und damit den Deckungsgrad zusätzlich be-lasteten. Die eigentlichen Beweggründe der Verwaltungskommission der BLVK, bei der Er-ziehungsdirektion Antrag auf eine Sonderprüfung der Finanzkontrolle zu stellen, sind jedoch insbesondere in einem Fehlverhalten der BLVK bei den Vermögens-anlagen in den neunziger Jahren zu suchen. In den Jahren 1992 bis 1994 enga-gierte sich die BLVK mit Zustimmung der damaligen Ausschüsse der Verwaltungs-kommission in Direktinvestments bei fünf nicht an der Börse kotierten Unternehmen („Ventureanlagen“). Drei der fünf Investments mussten zwischenzeitlich unter be-trächtlichen Verlusten abgeschrieben werden. 1995 erfolgte dann ein Engagement in Aktien einer börsenkotierten Beteiligungsgesellschaft, die Aktien von Hightech Firmen hielt, sowie eine Direktinvestition in die Firma, welche die Anlagetätigkeit dieser Beteiligungsgesellschaft vornahm. Beim Zusammenbruch der Kurse der Technologieaktien erlitt die BLVK dann auch hier einen beträchtlichen Verlust. In den Jahren 1996 bis 1998 war die Anlagetätigkeit und Führung der BLVK Ge-genstand verschiedener Untersuchungen und Gutachten, welche jedoch alle zum Schluss führten, dass keine strafrechtlich relevanten Verfehlungen vorlägen. Die neue, seit dem Jahr 2000 personell stark erneuerte Verwaltungskommission be-schloss dann aber an ihrer Sitzung vom 12. November 2003, die Führung der BLVK

4 Vernehmlassungsentwurf (Anm. 2), S. 9 f.; Vgl. zu den Hintergründen und zu den Modalitäten der Ausfinanzierung insbesondere auch den Vortrag des Regierungsrates an den Grossen Rat betref-fend die Änderung des Gesetzes über die Bernische Pensionskasse (BPKG), des Gesetzes über die Anstellung der Lehrkräfte (LAG) sowie des Dekrets über die Bernische Lehrerversicherungskasse vom 16. Februar 2000, Beilage Nr. 34 zum Tagblatt des Grossen Rates, sowie die Debatte vom 13. Juni 2000 im Grossen Rat, Tagblatt 2000, S. 624 ff. 5 Vernehmlassungsentwurf (Anm. 2), S. 10. 6 In der Vernehmlassungsvorlage (Anm. 2) relativiert der Regierungsrat indessen die Bedeutung des Wegfalls der Staatsgarantie wie folgt: „ …. Ist doch der Kanton als Arbeitgeber de facto immer in der Pflicht die Kasse zu sanieren. Dieser Pflicht konnte er sich auch mit einer Ausfinanzierung nicht entziehen.“ (S. 11).

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und im Speziellen die Anlagetätigkeit in den Jahren 1989 bis 2003 mittels einer Sonderprüfung untersuchen zu lassen. Zielsetzung der in Auftrag gegebenen Sonderprüfung sollte insbesondere sein7:

- Die Aufarbeitung und Darstellung der in den Jahren 1989 - 2003 in der strategischen und operativen Geschäftsführung der BLVK gemachten Feh-ler;

- Die Klärung der Ausgangslage als Voraussetzung für einen zielorientierten Neuanfang vor der parlamentarischen Beratung des BLVK-Gesetzes;

- Die Eruierung des Schadens, die Identifikation der Verantwortlichen und das Aufzeigen von Schadenersatzforderungsmöglichkeiten;

- Die Erarbeitung von Vorschlägen zur Optimierung der Organisation, Führung und Aufsicht sowie zur Definition der Anforderungsprofile der Organträger der BLVK.

Die Überprüfungs- und Untersuchungsbereiche umfassten die Organisation und Führung der BLVK, deren Beteiligungen und Grossengagements sowie die Investi-tionen in Immobilien. Die Finanzkontrolle zog in der Folge die vorhandenen Berichte zum Zustand der BLVK und die früher erstatteten Rechtsgutachten bei, traf selber umfangreiche Zu-satzabklärungen und führte insbesondere Befragungen mit den Verantwortlichen der BLVK durch. Gestützt darauf setzte sie sich mit Fragen zur Verantwortlichkeit und zur Haftung auseinander und würdigte in diesem Zusammenhang das akten-kundige Verhalten der Beteiligten. 1.2. Das Ergebnis der Sonderprüfung Unter dem Gesichtswinkel „Verantwortlichkeit und Haftung“8 gelangte die Finanzkontrolle zu folgenden Ergebnissen: Bei der Verwaltungskommission der BLVK beanstandet die Finanzkommission:

- Die Verwaltungskommission hat in den Jahren 1989-1999 ihre Führungs- und Aufsichtsfunktion nur ungenügend wahrgenommen.

- Statt die Direktion zu führen und Impulse zu setzen, war sie gutgläubig und liess sich führen.

- Die Verwaltungskommission hat ihre Sorgfaltspflichten verletzt; am entstandenen Schaden trifft sie ein Mitverschulden.9

7 Sonderprüfungsbericht S. 5. 8 Sonderprüfungsbericht Ziff. 12 und 13, S. 54 ff. 9 Sonderprüfungsbericht Ziff. 13.2, S. 69.

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Die Tätigkeit der Kontrollstelle qualifiziert die Finanzkontrolle wie folgt:

- Die Kontrollstelle hat ihren Auftrag gemäss Gesetz, Dekret und Statuten grundsätzlich erfüllt.

- Die Kontrollstelle verwies in ihren Berichten auf den zusätzlichen Finanzbe-darf einzelner Beteiligungsgesellschaften (….) und auf die Notwendigkeit der Schaffung von Entscheidunterlagen, um tragfähige Zukunftsszenarien entwi-ckeln zu können. Erkennbare Reaktionen der BLVK blieben aus.

- Die Kontrollstelle hat entgegen ihrem Auftrag (…) auf den Verstoss gegen die Anlagevorschriften nicht hingewiesen (…).

- Kritische Feststellungen und Bemerkungen der Kontrollstelle wurden als per-sönliche Angriffe empfunden. Die BLVK hat dadurch versäumt, die Kontroll-stelle als kompetente Gesprächspartnerin anzuerkennen und mit ihr eine konstruktive Zusammenarbeit zu pflegen.

- Zahlreiche Feststellungen und kritische Hinweise der Kontrollstelle verhallten zu einem grossen Teil ungehört.10

Zum Wirken des Experten für berufliche Vorsorge hält die Finanzkontrolle Folgen-des fest:

- Der Experte für berufliche Vorsorge hat weder die Erziehungsdirektion noch den Regierungsrat je explizit auf den Bestand und die Folgen der Finanzie-rungslücke hingewiesen.

- Der Experte für berufliche Vorsorge hat seine gesetzlichen und statutari-schen (Minimal-)Pflichten erfüllt.

- In standesrechtlicher und berufsethischer Hinsicht genügte er den Anforderungen und Erwartungen seiner Auftraggeberin nicht vollumfänglich. Vom versicherungstechnischen Experten darf erwartet werden, dass seine Beurteilungen zukunftsorientiert erfolgen und er die Entwicklung (z.B. Finan-zierungslücke) richtig einzuschätzen vermag. Er hat sich abzeichnenden Problemfeldern anzunehmen, über die Konsequenzen und Handlungsalter-nativen klar und unmissverständlich Bericht zu erstatten, geeignete Korrek-turmassnahmen vorzuschlagen und nötigenfalls deren Umsetzung mit Nachdruck zu verlangen (…). 11

Mit Bezug auf die Aufsichtstätigkeit des Amts für Sozialversicherung und Stiftungs-aufsicht hält die Finanzkontrolle fest, dieses habe die Sorgfalt in der Vermögens-anlage und den Informationsanspruch der Mitglieder der Verwaltungskommission mit Verfügung vom 20. September 1996 gerügt und sich sehr kritisch zu den „Ven-ture-Anlagen“ geäussert (so mit Schreiben vom 19. Mai 2000). Diesen unmissver-ständlichen und klaren Ausführungen habe die Finanzkontrolle nichts beizufügen; es sei aber schade, dass sie so spät erfolgt seien. 12 10 Sonderprüfungsbericht Ziff. 13.3, S. 72. 11 Sonderprüfungsbericht Ziff. 13.4, S. 75. 12 Sonderprüfungsbericht Ziff. 13.5, S. 75 f.

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Zu ihrer eigenen Kontrolltätigkeit hält die Finanzkontrolle fest, sie habe wiederholt in den Berichten über die Prüfung der Staatsrechnung auf Probleme im Zusammen-hang mit der BLVK aufmerksam gemacht. Insbesondere auf die Risiken der Kapi-talanlage in Venture-Capital, die Notwendigkeit der Neuausrichtung der Anlage-strategie, die verspätete Rechnungsgenehmigung, den ungenügenden Deckungs-grad bzw. die Unterdeckung habe die Finanzkontrolle frühzeitig und wiederholt hin-gewiesen. 13 Insbesondere in Würdigung ihrer eigenen Kontrolltätigkeit im Bereich der BLVK würdigt die Finanzkontrolle das aufsichtsrechtlich relevante Verhalten der Erzie-hungsdirektion und des Regierungsrats wie folgt:

- Unter Hinweis auf die formelle Zuständigkeit der Verwaltungskommission ha-ben die Erziehungsdirektion und der Regierungsrat ihre Mitverantwortung als Arbeitgeber nicht rechtzeitig wahrgenommen.

- Als Aufsichtsbehörde hat sich der Regierungsrat mit Ausnahme der vorstehenden Intervention, der Ausfinanzierung im Jahr 2000 und der seit 2003 laufenden Begleitung im Rahmen der Sanierungsbestrebungen bisher kaum mehr als punktuell mit der BLVK befasst.

- Weder die Erziehungsdirektion noch der Regierungsrat erhielten vom Exper-ten für berufliche Vorsorge je explizit einen Hinweis auf die bestehende Fi-nanzierungslücke. Damit wurde ihnen die Möglichkeit verwehrt, Sanie-rungsmassnahmen frühzeitig einzuleiten.14

In der Beantwortung der Frage 7 („Hatten die federführende Direktion und der Re-gierungsrat genügend Informationen, um Fehlentwicklungen zu erkennen und ihnen entgegenzutreten?“) äussert sich die Finanzkontrolle weiter wie folgt:

„ (…) Für die Wahrnehmung der umfassenden direkten Aufsicht und die damit verbundene notwendige Überwachung gaben sich die Erziehungsdirektion und der Regierungsrat mit ungenügenden Führungsinstrumenten zufrieden. Die Darstellung und der Gehalt der Berichterstattung (publizierte Geschäftsberichte mit Rechnung und Anhang gemäss BVV 2), auf die sich sowohl die federfüh-rende Direktion wie der Regierungsrat abstützten, vermochten die effektiven Ri-siken wohl nicht hinreichend wiederzugeben. Es trifft sie deshalb ein Organisationsverschulden (…).“

Mit Bezug auf den Grossen Rat hält die Finanzkontrolle Folgendes fest:

- Die BLVK war im Zeitraum von 1989 bis Mitte 2003 mit Ausnahme einiger parlamentarischer Vorstösse und abgesehen von BLVKD-Änderungen, nie Thema im Grossen Rat.

13 Sonderprüfungsbericht Ziff. 13.6, S. 77. 14 Sonderprüfungsbericht Ziff. 13.6 a.E., S. 77 und Ziff. 13.7, S. 79.

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- Seit Mitte 2003 wird die Finanzkommission des Grossen Rates regelmässig über die Entwicklung der BLVK informiert. 15

1.3 Auftrag Der Regierungsrat ersucht um Beantwortung der folgenden Fragen16:

1. Wer hat im Bereich der BLVK (öffentlich-rechtliche Anstalt, Vorsorgeeinrich-tung im Sinne des BVG) welche Aufsichtspflichten wahrzunehmen und wie sind diese voneinander abzugrenzen, d.h. welche rechtliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang insbesondere der Aufsichtstätigkeit der staatlichen Organe (Amt für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht, Fi-nanzkontrolle, beteiligte Direktion des Regierungsrates, Regierungsrat) im Verhältnis zu den Kontrollpflichten der Organe der Anstalt (Verwaltungs-kommission, Delegiertenversammlung) zu?

2. Sind die dazu von der Finanzkontrolle im Sonderprüfungsbericht vom 19. Mai 2004 vorgenommenen Würdigungen rechtlich zutreffend?

3. Inwieweit ist das Verhalten der staatlichen Aufsichtsbehörden nach der Aktenlage, wie sie dem Sonderprüfungsbericht der Finanzkontrolle vom 19. Mai 2004 zu Grund liegt, haftungsrechtlich relevant?

4. Welche rechtliche Bedeutung hat die dem Grossen Rat gemäss Art. 78 KV obliegende Oberaufsicht im Bereich der BLVK?

5. Hat der Regierungsrat bzw. die Erziehungsdirektion im Rahmen der Aufsichtspflicht eigene Abklärungen zu treffen, bevor sie den von der Revisi-onsstelle und vom versicherungstechnischen Experten vorbehaltlos testier-ten Geschäftsbericht der BLVK genehmigt bzw. zur Genehmigung emp-fiehlt?

15 Sonderprüfungsbericht Ziff. 13.8, S. 79 16 Gestützt auf das eingangs erwähnte Schreiben vom 2. Juni 2004 wurden die Gutachterfragen anlässlich einer Besprechung mit dem Generalsekretär der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion, Dr. Stefan Müller, und dem Staatsschreiber, Prof. Dr. Kurt Nuspliger, vom 14. Juni 2004 bereinigt.

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2. Die Sonderprüfung nach Art. 16 Bst. d KFKG Die Finanzkontrolle hat ihre Abklärungen im Rahmen einer sog. Sonderprüfung i.S. von Art. 16 Bst. d des Gesetzes über die Finanzkontrolle (kantonales Finanzkon-trollgesetz, KFKG, BSG 622.1) durchgeführt, und zwar auf „Antrag“ des Erzie-hungsdirektors. Laut ihrem Bericht vom 19. Mai 2004 ging es um „das Aufdecken von Altlasten aus Versäumnissen, Fehleinschätzungen und Fehlentscheiden in der Vergangenheit, schwergewichtig aus der Mitte der Neunziger Jahre im Zusammen-hang mit Anlageentscheiden in sogenannten Direktinvestitionen“. Im Rahmen der „Zielsetzung“ der Sonderprüfung17 wollte die Finanzkontrolle im Sinne einer „rückhaltlosen Aufklärung“ insbesondere auch sämtliche Rechtsfragen zur Verant-wortlichkeit der Beteiligten beantworten, so vorab über die Modalitäten und Voraus-setzungen der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen18. Sonderprüfungen nach Art. 16 KFKG gehören nicht zu den Kernaufgaben der Fi-nanzkontrolle19. Im regierungsrätlichen Vortrag zum KFKG20 wird dazu lediglich ausgeführt, die Finanzkontrolle solle neben der Erfüllung ihrer Kernaufgaben auch für Sonderprüfungen und Beratungen eingesetzt werden, soweit dafür die nötigen Ressourcen vorhanden seien. Dass die Finanzkontrolle „Sonderprüfungen“ i.S. von Bst. d von Art. 16 KFKG lediglich „auf Antrag“ einer Direktion, der Staatskanzlei oder der obersten Gerichtsbehörden durchführe, d.h. solche Spezialaufgaben auch ablehnen könne, stärke die Unabhängigkeit der Finanzkontrolle gegenüber der Verwaltung und mache klar, dass bei knappen Ressourcen eben die Kernaufgaben Vorrang hätten. Zum Inhaltlichen solcher Sonderprüfungen enthalten die Geset-zesmaterialien keinerlei Hinweise. Im Grossen Rat wurde darüber nicht diskutiert21. Der Finanzkontrolle unterliegen u.a. Organisationen und Personen ausserhalb der kantonalen Verwaltung, denen der Kanton öffentliche Aufgaben übertragen hat22. Letzteres trifft grundsätzlich auch für die BLVK als Vorsorgeeinrichtung zu. Das BG über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG, SR 831.40) hat dafür allerdings ein besonderes Aufsichtssystem mit spezieller Kontroll-stelle vorgesehen23. An dieser spezialgesetzlichen Regelung der Aufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen gemäss BVG vermag auch eine Sonderprüfung der Finanz-kontrolle nach Art. 16 Bst. d KFKG nichts zu ändern. Sie erscheint aber insoweit als durchaus sinnvoll, als im Rahmen eines besonderen Prüfungsauftrags eine qualifi-zierte Risikobeurteilung zuhanden der beteiligten Direktionen des Regierungsrats sowie des Regierungsrats selber durchgeführt werden kann. Diese soll es dem Re-gierungsrat erlauben, nötigenfalls organisationsrechtliche Massnahmen zur Opti-mierung der ihm obliegenden (kantonalrechtlichen) Aufsicht zu treffen, in seinem Zuständigkeitsbereich überzeugende Standards für ein umfassendes Controlling festzulegen und für die Besetzung der Organe der BLVK die richtigen Personalent-scheide zu fällen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die sei- 17 Vgl. vorne Ziff. 1.1, S. 4. 18 Vgl. Sonderprüfungsbericht Ziff. 2, S. 5. 19 Vgl. dazu Art. 15 KFKG. 20 Vortrag des Regierungsrates an den Grossen Rat betreffend das Gesetz über die Finanzkontrolle vom 22. September 1999, Beilage Nr. 27 zum Tagblatt des Grossen Rates 1999. 21 Tagblatt des Grossen Rates 1999, S. 1247 ff., insb. 1250. 22 Art. 14 Bst. d KFKG. 23 Vgl. dazu hinten Ziff. 4.

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nerzeitige Ausfinanzierung der BLVK unter gleichzeitiger Aufhebung der formellen Staatsgarantie zumindest politisch unbestrittenermassen nichts daran geändert hat, dass der Kanton nötigenfalls für die Verpflichtungen der BLVK den Destinatären gegenüber einzustehen hätte. So gesehen machte es deshalb ohne weiteres Sinn, die Finanzkontrolle angesichts der prekären finanziellen Entwicklungen in den Neunzigerjahren mit einer besonderen Prüfungsaufgabe zu betrauen, die dem Re-gierungsrat eine sachgerechte Beurteilung der politischen und finanziellen Risiken im Bereich der BLVK erlaubt. Dass die Finanzkontrolle im Rahmen dieser Sonderprüfung auch den Rechtsfragen im Verantwortlichkeits- und Haftpflichtbereich nachgegangen ist, entspricht dem in Art. 3 KFKG verankerten Grundsatz, wonach die Finanzkontrolle ihre Tätigkeit nach den anerkannten Revisionsgrundsätzen auszuüben und insbesondere die Ord-nungsmässigkeit der Rechnungsführung und der Rechnungslegung, die Rechtmäs-sigkeit und die Zweckmässigkeit der zu beurteilenden finanzrelevanten Vorgänge zu prüfen hat. Soweit sie im Sonderprüfungsbericht vom 19. Mai 2004 konkrete Sorgfaltspflichtverletzungen und aufsichtsrechtlich relevante Fehlleistungen diag-nostiziert hat, handelt es sich dabei freilich keineswegs um verfahrensrechtlich hin-reichend erhärtete Tatbestände, zumal den Betroffenen dazu bisher kein rechtli-ches Gehör gewährt wurde und eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung weitgehend fehlt. Vielmehr liegt auch hier im Wesent-lichen bloss eine vorläufige Abschätzung der Risiken zuhanden des Auftraggebers vor. Aus dem Gesagten erhellt, dass sich die Sonderprüfung nach Art. 16 Bst. d KFKG wesentlich von der aktienrechtlichen Sonderprüfung nach Art. 697a ff. OR unter-scheidet. Diese ist ausschliesslich zweckgerichtete Tatsachenerforschung. Insbe-sondere ist es dem aktienrechtlichen Sonderprüfer untersagt, Rechtsfragen zu analysieren und darzustellen24. Aus der aktienrechtlichen Praxis zur Sonderprüfung lässt sich demnach zur Bedeutung der Sonderprüfung nach Art. 16 Bst. d KFKG nichts gewinnen. Auch bei Sonderprüfungen ist die Finanzkontrolle an die gesetzlichen Geheimhal-tungsbestimmungen gebunden25. Berichte über Sonderprüfungen sind, wie alle anderen Berichte der Finanzkontrolle, nicht öffentlich26. Zu einer direkten Informa-tion der Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Sonderprüfung der BLVK wäre die Finanzkontrolle nur unter den vom Gesetz geregelten besonderen Umständen und unter Mitwirkung der Finanzkommission und des Regierungsrates befugt27. Der Sonderprüfungsbericht vom 19. Mai 2004 enthält eine Vielzahl von sensiblen Daten und Feststellungen, die vor einer allfälligen Veröffentlichung sehr sorgfältig darauf-hin überprüft werden müssten, ob sie ohne Verletzung der gesetzlichen Geheim-haltungspflichten, des Datenschutzrechts und der Bestimmungen über den Persön-lichkeitsschutz weitergegeben werden dürfen.

24 Vgl. dazu statt vieler PETER BÖCKLI, Das neue Aktienrecht, Zürich 1992, Rz. 1872 ff., S. 511 ff. mit weiteren Hinweisen sowie BGE 123 III 261 ff., Rinsoz & Ormond Tabac SA. 25 Vgl. Art. 19 Abs. 2 KFKG. 26 Art. 28 KFKG. 27 Art. 29 KFKG.

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3. Die Bernische Lehrerversicherungskasse als Vorsorgeeinrichtung im Sinne des BVG

3.1 Bundesrechtliche Grundlagen im Bereich der beruflichen Vorsorge Gemäss Art. 113 der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) erlässt der Bund Vorschriften über die berufliche Vor-sorge. Dieser Auftrag verleiht dem Bund eine konkurrierende, nicht auf den Erlass von Grundsätzen beschränkte, umfassende Gesetzgebungskompetenz im Bereich der beruflichen Vorsorge, d.h. für die zweite Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge28.

Art. 113 BV Berufliche Vorsorge* 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge. 2 Er beachtet dabei folgende Grundsätze:

a. Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.

b. Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligato-risch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.

c. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenös-sischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.

d. Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.

e. Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die be-rufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.

3 Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen. 4 Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizeri-sche Massnahmen vorsehen. * Mit Übergangsbestimmung

Im hier interessierenden Zusammenhang gilt es insbesondere den verfassungs-rechtlichen Grundsatz des Versicherungsobligatoriums für Unselbständigerwer-bende (vgl. Art. 113 Abs. 2 Bst. b BV) sowie die Versicherungspflicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (vgl. Art. 113 Abs. 2 Bst. c BV) hervorzuheben. Gestützt auf diesen verfassungsrechtlichen Auftrag von Art. 113 BV hat der Bund das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvor-

28 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Grundlage der beruflichen Vorsorge u.a. MAHON PASCAL, Kommentar zu Art. 113 BV, Rz. 1 ff, in: AUBERT/MAHON (HRSG.), Petit commentaire de la Constitu-tion féderale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, Zürich/Basel/Genf 2003, und LUZIUS MADER, St. Galler Kommentar zu Art. 113 BV, Rz. 1 ff., in: EHRENZELLER/MASTRONARDI/SCHWEI-ZER/VALLENDER (HRSG.), Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Zürich/Basel/Genf 2002.

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sorge (BVG) vom 25. Juni 1982 erlassen29, wobei er sich darauf beschränkt hat, Minimalvorschriften zu erlassen. In Ausführung von Art. 113 Abs. 2 Bst. b BV wurde in Art. 2 und 7 BVG die obligatorische Versicherung der Arbeitnehmer und Arbeits-losen verankert:

Art. 2 BVG Obligatorische Versicherung der Arbeitnehmer und der Arbeitslosen 1 Arbeitnehmer, die das 17. Altersjahr vollendet haben und bei einem Arbeitgeber einen Jahreslohn von mehr als 14880 Franken beziehen (Art. 7), unterstehen der obligatorischen Versicherung. 1bis-2[...] Art. 7 BVG Mindestlohn und Alter 1 Arbeitnehmer, die bei einem Arbeitgeber einen Jahreslohn von mehr als 14 880 Franken beziehen, unterstehen ab 1. Januar nach Vollendung des 17. Altersjahres für die Risiken Tod und Invalidität, ab 1. Januar nach Vollendung des 24. Altersjah-res auch für das Alter der obligatorischen Versicherung. 2 [...]

Im Weiteren wird in Art. 11 BVG sowie der entsprechenden Verordnungsbestim-mung von Art. 7 BVV 230 die bereits erwähnte verfassungsrechtliche Versicherungs-pflicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber näher umschrieben:

Art. 11 BVG Anschluss an eine Vorsorgeeinrichtung 1 Der Arbeitgeber, der obligatorisch zu versichernde Arbeitnehmer beschäftigt, muss eine in das Register für die berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeein-richtung errichten oder sich einer solchen anschliessen. 2-5 [...] Art. 7 BVV 2 Auswirkungen des Anschlusses an eine oder mehrere Vorsorgeein-

richtungen (Art. 11 Abs. 1 BVG) 1 Schliesst sich ein Arbeitgeber einer registrierten Vorsorgeeinrichtung an, so sind alle dem Gesetz unterstellten Arbeitnehmer bei dieser Vorsorgeeinrichtung versi-chert. 2 Will sich der Arbeitgeber verschiedenen registrierten Vorsorgeeinrichtungen an-schliessen, so muss er die Gruppen der Versicherten so bestimmen, dass alle dem Gesetz unterstellten Arbeitnehmer versichert sind. Entstehen bei der Umschrei-bung der Gruppen Lücken, so haften die Vorsorgeeinrichtungen für die gesetzli-chen Leistungen solidarisch. Sie können gegen den Arbeitgeber Rückgriff nehmen.

3.2 Die BLVK als Vorsorgeeinrichtung im System der beruflichen Vorsorge Die Bernische Lehrerversicherungskasse ist Teil dieses Systems der beruflichen Vorsorge. Die heutige BLVK entstand anfangs des 19. Jahrhunderts als sogenannte Schul-meisterkasse und beruhte als Selbsthilfeorganisation anfänglich auf freiwilligen Leistungen. Der Kanton beteiligte sich nicht an der Finanzierung. Später wurde sie 29 Das Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 (FZG, SR 831.42), das seine Grundlage eben-falls in Art. 113 BV hat, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Interesse. 30 Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) vom 18. April 1984, SR 831.441.1.

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als kantonale Anstalt mit Staatsgarantie organisiert und war verpflichtet, ihr Vermö-gen bei der kantonalen Hypothekarkasse anzulegen, erhielt aber im Gegenzug eine garantierte Verzinsung von 4 %. Heute ist die BLVK eine Vorsorgeeinrichtung des öffentlichen Rechts (Anstalt) mit Sitz in Bern, die ihre Destinatärinnen und Destinatäre31 nach dem Leistungsprimat versichert. Mit ca. 15 000 versicherten Lehrkräften der Volkschule und der kanto-nalen Schulen sowie den über 5 000 Rentnerinnen und Rentnern gehört sie - ge-mäss ihren eigenen Angaben32 - zu den 30 grössten Pensionskassen der Schweiz. Sie deckt mit ihren Leistungen die - wie oben ausgeführt - obligatorische berufliche Vorsorge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab und versichert ihre Destina-täre zusätzlich in einem überobligatorischen Teil. Die kantonalrechtliche Grundlage für die BLVK bildet das Dekret über die Bernische Lehrerversicherungskasse vom 16. Mai 1989 (BLVKD, BSG 430.261) sowie die von der BLVK gestützt auf Art. 1 BLVKD erlassenen Statuten:

Art. 1 BLVKD Grundsatz Die Bernische Lehrerversicherungskasse (nachstehend Kasse genannt) ist eine Vorsorgeeinrichtung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Bern. Sie versichert ihre Mitglieder gegen die wirtschaftlichen Folgen der Invalidität, des Alters und des To-des. Sie nimmt an der obligatorischen Versicherung nach dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 (nachstehend BVG genannt) teil. Ihre Verhältnisse werden unter Vorbehalt der Be-stimmungen dieses Dekretes durch eigene Statuten geregelt. Art. 2 BLVKD Obligatorische Mitgliedschaft Der Kasse haben die im Kanton Bern a. an öffentlichen Primar- und Mittelschulen sowie Kindergärten angestellten Lehr-

kräfte, b. an staatlichen Heimen, in denen Kinder im Kindergarten- oder schulpflichtigen

Alter unterrichtet werden, angestellten Lehrkräfte, c. an weiteren, von Gesetzes wegen angeschlossenen Schulen und Institutionen

angestellten Lehrkräfte beizutreten, sofern ihr Anstellungsverhältnis länger als drei Monate dauert und ihre Besoldung, auf das Jahr umgerechnet, den jeweils nach BVG [SR 831.40] gültigen Mindestlohn übersteigt. Art. 4 BLVKD Statuten Die Statuten der Bernischen Lehrerversicherungskasse regeln die Mitgliedschaft, die Organisation der Kasse, ihre Leistungen, diejenigen der Mitglieder sowie der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, soweit sie nicht in diesem Dekret festgelegt sind.

31 Dazu zählen hauptsächlich die Lehrkräfte der Volksschule und der kantonalen Schulen bis inklu-sive Sekundarstufe II (Gymnasien, Diplommittelschulen, Berufs- und Technikerschulen), vgl. Art. 2 BLVKD. 32 Vgl. dazu die Homepage der BLVK unter www.blvk.ch (Stand: 30. Juni 2004).

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Art. 6 BLVKD Genehmigung der Statuten 1 Die Statuten und ihre Änderungen bedürfen der Genehmigung des Regierungs-rates. 2 Auf Verlangen des Regierungsrates sind die Statuten innert einer angemessenen Frist auf dem ordentlichen Weg zu ändern. 3 Den besonderen Verhältnissen des Lehrerstandes ist gebührend Rechnung zu tragen Art. 13 BLVKD Anpassung der Statuten an das BVG Bei Änderung der Gesetzgebung zum BVG wird die Kasse ermächtigt, Bestim-mungen zur vorläufigen Anpassung der Statuten zu erlassen. Solche Bestimmun-gen bedürfen der Genehmigung des Regierungsrates.

Als Vorsorgeeinrichtung, die an der Durchführung der obligatorischen Versicherung teilnimmt, hat sich die BLVK gemäss Art. 48 BVG in das Register für berufliche Vorsorge eintragen zu lassen; registrierte Vorsorgeeinrichtungen müssen entweder die Rechtsform einer Stiftung oder Genossenschaft haben oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts sein:

Art. 48 BVG Registrierung 1 Vorsorgeeinrichtungen, die an der Durchführung der obligatorischen Versiche-rungteilnehmen wollen, müssen sich bei der Aufsichtsbehörde, der sie unterstehen (Art. 61), in das Register für die berufliche Vorsorge eintragen lassen. 2 Registrierte Vorsorgeeinrichtungen müssen die Rechtsform einer Stiftung oder einer Genossenschaft haben oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts sein. Sie müssen Leistungen nach den Vorschriften über die obligatorische Versiche-rung erbringen und nach diesem Gesetz organisiert, finanziert und verwaltet wer-den.

Weiter hat die BLVK als Vorsorgeeinrichtung im Sinne des BVG für eine paritätisch zusammengesetzte Verwaltung zu sorgen und eine gleiche Anzahl Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter in ihre obersten Organe Einsitz nehmen zu lassen:

Art. 51 BVG Paritätische Verwaltung 1 Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben das Recht, in das oberste Organ der Vor-sorgeeinrichtung die gleiche Zahl von Vertretern zu entsenden. 2 Die Vorsorgeeinrichtung hat die ordnungsgemässe Durchführung der paritäti-schen Verwaltung zu gewährleisten. Es sind namentlich zu regeln:

a. die Wahl der Vertreter der Versicherten; b. eine angemessene Vertretung der verschiedenen Arbeitnehmerkategorien; c. die paritätische Vermögensverwaltung; d. das Verfahren bei Stimmengleichheit.

3-7 [...] Art. 5 BLVKD Paritätische Verwaltung/Staatsvertretung Der Staat entsendet in die - Verwaltungskommission - Prüfungskommission der Kasse gemäss Artikel 51 BVG eine paritätische Vertretung.

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Im Zusammenhang mit der kantonalrechtlichen Grundlage gilt es anzumerken, dass das BLVKD noch unter der Geltung der alten Kantonsverfassung erlassen worden ist, den Anforderungen der neuen Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 jedoch nicht mehr genügt. Derzeit laufen denn auch die Bestrebungen zur Schaf-fung einer genügenden gesetzlichen Grundlage; der Entwurf eines Gesetzes über die berufliche Vorsorge der Lehrkräfte (BLVKG) ist in Vorbereitung; das entspre-chende Vernehmlassungsverfahren wurde soeben abgeschlossen. Die Inkraftset-zung des neuen BLVKG ist auf den 1. August 2005 geplant33.

33 Vgl. zum neuen BLVK-Gesetz die Homepage der Erziehungsdirektion des Kantons Bern unter http://www.erz.be.ch/blvkg/ (Stand: 30. Juni 2004).

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4. Aufsicht und Verantwortlichkeiten im Bereich des BVG Im Folgenden soll die rechtliche Ordnung in Bezug auf die Aufsicht und die Verant-wortlichkeiten im Bereich der beruflichen Vorsorge dargestellt werden. Diese Aus-führungen bilden Grundlage für die unter Ziffer 5 vorzunehmende Würdigung des Befundes der Sonderprüfung durch die kantonale Finanzkontrolle. 4.1 Das System der behördlichen Aufsicht im Bereich der beruflichen Vorsorge

Die gesetzlichen Grundlagen der Aufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen finden sich auf Bundesebene insbesondere in den Art. 61 - 64 BVG sowie in der Verord-nung vom 29. Juni 1983 über die Beaufsichtigung und die Registrierung der Vor-sorgeeinrichtungen (BVV 1, SR 831.435.1). Demnach werden die Vorsorgeeinrich-tungen grundsätzlich durch eine vom Kanton zu bezeichnende zentrale Behörde beaufsichtigt. Im Kanton Bern wird diese Aufsicht durch das Amt für Sozialversiche-rung und Stiftungsaufsicht ausgeübt34. Die kantonale Aufsichtsbehörde kann allerdings zu ihrer Unterstützung Aufgaben an weitere Kantons- oder Gemeindeinstanzen übertragen, denen aber keine ei-gentlichen Entscheidkompetenzen zukommen; zudem sind diese dem Weisungs- und Kontrollrecht der kantonalen Aufsichtsbehörde unterworfen35. Gemäss Art. 64 BVG sind ferner sämtliche Aufsichtsbehörden einer Oberaufsicht durch den Bun-desrat unterstellt. Der Bund hat im Rahmen dieser Oberaufsicht insbesondere ei-nen rechtsgleichen Vollzug der bundesrechtlichen Bestimmungen in allen Kantonen zu gewährleisten, wobei er gegenüber den Aufsichtsbehörden über ein Verfügungs- und Weisungsrecht verfügt36. Diese Oberaufsicht durch den Bundesrat gilt es allerdings zu unterscheiden von der Bundesaufsicht im Sinne von Art. 61 Abs. 2 BVG i.V.m. Art. 3 BVV 1, welche eine Ausnahme von der Regel der kantonalen Aufsicht darstellt. Eine solche Ausnahme ist dann gegeben, wenn eine Vorsorgeeinrichtung nationalen oder internationalen Charakter hat, wobei darüber das Bundesamt für Sozialversicherung durch Verfü-gung entscheidet37. Im vorliegenden Falle ist jedoch keine solche Ausnahme gege-ben. Das Amt für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht (ASVS) ist als kantonale Aufsichtsbehörde für die BLVK zuständig38. Die gesetzliche Zuständigkeitsregelung in Art. 61 BVG hat objektiv-zwingenden Charakter, d.h. einerseits, dass die Vorsorgeeinrichtung nicht bestimmen kann, ob überhaupt eine Aufsicht errichtet werden soll, andererseits kann sie die örtliche Zu-

34 Vgl. dazu Art. 1 Abs. 1 Bst. c der Verordnung betreffend die Aufsicht über die Stiftungen und die Vorsorgeeinrichtungen vom 10. November 1993 (Stiftungsverordnung; StiV, BSG 212.223.1) i.V.m. Art. 3 StiV. 35 Art. 1 BVV 1. 36 Vgl. dazu ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 25; DIEGO VIELI, S. 24. 37 Vgl. Art. 3 Abs. 6 BVV 1. 38 Vgl. Anm. 34.

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ständigkeit nur insofern beeinflussen, als der Sitz der Vorsorgeeinrichtung verän-dert wird39. Massgebend für die Aufsicht über die BLVK sind demnach insbesondere folgende Normen:

Art. 61 BVG Aufsichtsbehörde 1 Jeder Kanton bezeichnet eine Behörde, welche die Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz auf seinem Gebiet beaufsichtigt. 2 Der Bundesrat legt fest, unter welchen Voraussetzungen Vorsorgeeinrichtungen der Aufsicht des Bundes unterstehen. 3 Die Gesetzgebung über die Versicherungsaufsicht bleibt vorbehalten.

Art. 1 BVV 1 Kantonale Aufsichtsbehörde 1 Aufsichtsbehörde nach Artikel 61 Absatz 1 BVG ist eine zentrale kantonale In-stanz. 2 Die Kantone können zur Unterstützung der kantonalen Aufsichtsbehörde Auf-gaben weiteren Kantons- und Gemeindeinstanzen übertragen. Entscheide, die mit Rechtsmitteln anfechtbar sind, dürfen aber nur von der zentralen kantonalen Aufsichtsbehörde getroffen werden. 3 Die kantonale Aufsichtsbehörde hat gegenüber den weiteren Kantons und Ge-meindeinstanzen Weisungs- und Kontrollrecht. Art. 1 StiV Geltungsbereich 1 Diese Verordnung regelt die Aufsicht über

a. Stiftungen im Sinne von Artikel 80 ff. ZGB (klassische Stiftungen), b. Personalfürsorgestiftungen im Sinne von Artikel 89 bis ZGB und c. Vorsorgeeinrichtungen des privaten und des öffentlichen Rechts im Sinne

von Artikel 48 ff. BVG , die ihren Sitz im Kanton haben. 2 Diese Verordnung ist nicht anwendbar auf kirchliche Stiftungen und auf Famili-enstiftungen (Art. 87 ZGB). 3 Sie ist auch nicht anwendbar auf Stiftungen und Vorsorgeeinrichtungen, die unter der Aufsicht des Bundes stehen.

Art. 3 StiV b) für Personalfürsorgestiftungen und für Vorsorgeeinrichtungen Die Personalfürsorgestiftungen und die Vorsorgeeinrichtungen stehen unter der Aufsicht des Amts für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht.

Art. 64 BVG Oberaufsicht 1 Die Aufsichtsbehörden unterstehen der Oberaufsicht des Bundesrates. 2 Der Bundesrat kann ihnen Weisungen erteilen.

39 Vgl. dazu ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 22.

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Art. 3 BVV 1 Aufsicht des Bundes 1 Das Bundesamt für Sozialversicherung beaufsichtigt:

a. die Vorsorgeeinrichtungen mit nationalem und internationalem Charakter; b. die Vorsorgeeinrichtungen der SBB, der Nationalbank, der SUVA, und die

Pensionskasse des Bundes (PKB). 2-5 [...] 6 Das Bundesamt für Sozialversicherung legt in einer Verfügung fest, ob eine Vorsorgeeinrichtung nationalen oder internationalen Charakter hat.

In sachlicher Hinsicht beanspruchen diese Aufsichtsbestimmungen des BVG für alle registrierten Vorsorgeeinrichtungen in der Rechtsform der Stiftung, der Genos-senschaft sowie - wie im vorliegenden Fall der BLVK - einer Einrichtung des öffent-lichen Rechts Geltung40. Art. 49 Abs. 2 BVG legt die Geltung zudem ausdrücklich auch für die weitergehende Vorsorge dieser registrierten Einrichtungen fest. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe ist die Aufsichtsbehörde, vorliegend also das ASVS, keiner anderen Instanz unterstellt. Die verwaltungsmässig oder politisch übergeordnete kantonale Instanz führt lediglich eine Dienstaufsicht41. Diese Dienst-aufsicht ist eine Konsequenz aus der hierarchischen Gliederung des Verwaltungs-apparates und kommt allen Vorgesetzten innerhalb dieser Verwaltungshierarchie zu. Von der Dienstaufsicht ist jedoch die Verbandsaufsicht abzugrenzen. Währenddem durch Erstere die in der unmittelbaren Staatsverwaltung ausgeübte Verwaltungstä-tigkeit überwacht wird, ist Letztere die Aufsicht über Träger der mittelbaren Staats-verwaltung. Eine solche Verbandsaufsicht wird namentlich über öffentlich-rechtliche Körperschaften und Stiftungen ausgeübt42. 4.2 Inhalt und Umfang der behördlichen Aufsicht

Die Aufsicht im Bereich des BVG erfüllt verschiedene Funktionen43: Zum Einen wird damit eine Schutz- und Kontrollfunktion im Sinne einer Wahrung der Rechte und Interessen der Destinatäre wahrgenommen, zum Anderen hat die Aufsichtsbehörde auch Beratungs- und Vermittlungsfunktionen. Im Zusammenhang mit der Erfüllung dieser Funktionen werden der Aufsichtsbe-hörde verschiedene Aufgaben zugewiesen44. So hat die Aufsichtsbehörde ordentli-cherweise darüber zu wachen, dass die Vorsorgeeinrichtung die gesetzlichen Vor-schriften einhält (vgl. Art. 62 Abs. 1 Bst. a - e BVG). Sie hat somit v.a. regelmässig die von den Vorsorgeeinrichtungen zugestellten Berichte (Jahres- und Geschäfts- 40 Die auf den 1. April 2004 in Kraft gesetzten neuen Bestimmungen der BVG-Revision vom 3. Okto-ber 2004, AS 2004, 1677 ff., und der Änderung der BVV2 vom 24. März 2004, AS 2004, 1709 ff., betreffen vorab Massnahmen zu Gunsten einer grösseren Transparenz in Bezug auf die Führung der Vorsorgeeinrichtungen und auf die paritätische Verwaltung und haben keinen direkten Einfluss auf die Aufsicht. 41 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 26. 42 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 26 f. 43 Vgl. ausführlich ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S.41 ff. 44 Vgl. dazu HANS J. PFITZMANN, S. 274 f. und ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 44 ff.

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bericht, Kontrollstellen- und Expertenbericht) und Unterlagen (Reglemente etc.) zu kontrollieren. Bei der Prüfung des Geschäftsberichts und der Jahresrechnung soll sich die Aufsichtsbehörde jedoch auf die Ergebnisse der Kontrollstelle abstützen und im Übrigen nur Stichproben vornehmen45. Was die Mittel betrifft, die der Aufsichtsbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben zuste-hen, findet sich in Art. 62 Abs. 1 BVG eine Generalklausel, wonach die Aufsichts-behörde „die Massnahmen zur Behebung von Mängeln trifft“. Die gebräuchlichsten Massnahmen sind Auflagen und Weisungen, Mahnungen und Verwarnungen, die Aufhebung oder Änderung von Entscheidungen des Stiftungsrates bzw. der Ver-waltungskommission, die Abberufung von Organen oder auch die Erhebung einer Verantwortlichkeitsklage46. Relevant sind in diesem Zusammenhang namentlich folgende Bestimmungen:

Art. 62 BVG Aufgaben 1 Die Aufsichtsbehörde wacht darüber, dass die Vorsorgeeinrichtung sowie die Einrichtung, die nach ihrem Zweck der beruflichen Vorsorge dient, die gesetzli-chen Vorschriften einhalten, indem sie insbesondere: a. die Übereinstimmung der reglementarischen Bestimmungen mit den gesetzli-

chen Vorschriften prüft; b. von der Vorsorgeeinrichtung sowie von der Einrichtung, die nach ihrem Zweck

der beruflichen Vorsorge dient, jährlich Berichterstattung fordern, namentlich über ihre Geschäftstätigkeit;

c. Einsicht in die Berichte der Kontrollstelle und des Experten für berufliche Vor-sorge nimmt;

d. die Massnahmen zur Behebung von Mängeln trifft; e. Streitigkeiten betreffend das Recht der versicherten Person auf Information

gemäss den Artikeln 65a und 86b Absatz 2 beurteilen; dieses Verfahren ist für die Versicherten in der Regel kostenlos.

2 Sie übernimmt bei Stiftungen auch die Aufgaben nach den Artikeln 84 Absatz 2, 85 und 86 des Zivilgesetzbuches.

Art. 2 BVV 1 Kantonale öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen

Die kantonale Aufsichtsbehörde trägt bei der Ausübung der Aufsicht über die öf-fentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen der Aufsicht Rechnung, die nach dem geltenden Recht bereits durch eine andere kantonale Behörde ausgeübt wird.

Art. 25 StiV Aufgaben und Kompetenzen 1 Die Aufsichtsbehörden üben die ihnen im schweizerischen Zivilgesetzbuch und in der Bundesgesetzgebung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge übertragenen Aufgaben aus. 2 In dieser Eigenschaft werden sie von Amtes wegen oder auf Anzeige hin tätig und ergreifen die erforderlichen Massnahmen.

45 Vgl. dazu ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 46 mit Verweis auf die verbindlichen Berichterstattungsformulare im Kanton Zürich. 46 Vgl. dazu HANS J. PFITZMANN, S. 274 f. und ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 59 ff.

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3 Zur Erfüllung dieser Aufgaben stehen ihnen insbesondere folgende Aufsichtsmittel zur Verfügung: a. die Prüfung und Genehmigung der eingereichten Unterlagen, wie Tätigkeitsbe-

richte, Jahresrechnungen, Reglemente und Anträge auf Änderung der Statuten; b. die Prüfung der Geschäftsführung am Sitz der Stiftung oder der Vorsorgeeinrich-

tung; c. das Erteilen von Weisungen an die Organe, an den Experten oder die Expertin für

berufliche Vorsorge und an die Kontrollstelle; d. die Ermahnung, die Verwarnung und die Abberufung der Organe; e. die Einsetzung einer kommissarischen Verwaltung; f. die Aufhebung und Änderung von Entscheiden der Organe; g. die Ersatzvornahme und h. bei Personalfürsorgestiftungen und Vorsorgeeinrichtungen das Verhängen einer

Busse.

4.3 Zum Verhältnis der behördlichen Aufsicht zur internen Kontrolle

Der Begriff der internen Kontrolle wird offenbar in der Literatur nicht einheitlich ver-wendet. Im Folgenden wird darunter die durch alle notwendigerweise an der Vor-sorge Beteiligten (Vorsorgeeinrichtung, Arbeitgeber sowie die Destinatäre) ein-schliesslich der weiteren, in der Organisation der Vorsorgeeinrichtungen erforderli-chen Institutionen (Kontrollstelle sowie Experte für berufliche Vorsorge) ausgeübte Kontrolle verstanden47. 4.3.1 Kontrollpyramide Im BVG sowie den entsprechenden Ausführungsverordnungen finden sich für die registrierten Vorsorgeeinrichtungen eine Reihe von Vorschriften über die interne Kontrolle durch qualifizierte Kontrollstellen sowie den Experten für die berufliche Vorsorge48. Zudem hat die Vorsorgeeinrichtung reglementarische Bestimmungen über die beiden genannten Institutionen aufzustellen49. Die Kontrollstelle sowie der Experte für berufliche Vorsorge bilden Bestandteil der Organisation der Vorsorge-einrichtung, stehen aber in einem Auftragsverhältnis zueinander50. Grundsätzlich haben sie die Stellung von Sachverständigen, die je in ihrem Aufgabenbereich den Vorsorgeeinrichtungen die allenfalls fehlende Sachkunde für deren Entscheide vermitteln und Rechtswidrigkeiten verhindern bzw. aufzeigen sollen. Die primäre Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen und reglementari-schen Bestimmungen liegt aber bei der Vorsorgeeinrichtung selber; weder die Kon-trollstelle noch der Experte für berufliche Vorsorge noch die Aufsichtsbehörde kön-nen der Verwaltung die Verantwortlichkeit für ihre Tätigkeit abnehmen51. 47 Vgl. dazu ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 74 m.w.H. 48 Siehe Art. 53 BVG, Art. 33 – 41 BVV 2. 49 Art. 50 Abs. 1 Bst. d i.V.m. Art. 53 BVG, Art. 50 Abs. 2 BVG 50 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 75. 51 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 76.

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In Bezug auf das Verhältnis zwischen Kontrollstelle und Experte für berufliche Vor-sorge ging der Gesetzgeber von einem „nebeneinander Tätigsein“ und damit einer Gleichrangigkeit der beiden Institutionen aus. Ebenso sollte eine enge Zusammen-arbeit der Kontrollstelle sowie des Experten für berufliche Vorsorge mit der Auf-sichtsbehörde erreicht werden: neben der fachlichen soll auch eine personelle Ent-lastung bezweckt werden, sind doch die Aufsichtsbehörden regelmässig nicht in der Lage, sämtliche Kontrollarbeiten allein zu leisten52. Die Tätigkeit der Aufsichtsbehör-den wird regelmässig erst dann einsetzen, wenn die Kontrollaufgaben der Kontroll-stelle oder des Experten für berufliche Vorsorge offensichtlich vernachlässigt oder bereits wahrgenommen wurden. Dadurch werden Kontrollrepetitionen vermieden und es entsteht eine sog. Kontrollpyramide mit der Verwaltung der Vorsorgeein-richtung am Fusse, sodann die Kontrollstelle und dem Experten für berufliche Vor-sorge als weitere Kontrollinstanzen und schliesslich der Aufsichtsbehörde an der Spitze53. 4.3.2 Kontrollstelle - Verhältnis zur Aufsichtsbehörde Art. 53 Abs.1 BVG und Art. 35 BVV 2 umschreiben grob die Aufgaben der Kontroll-stelle; sie hat demnach insbesondere jährlich die Geschäftsführung, das Rech-nungswesen und die Vermögensanlage auf ihre Rechtmässigkeit zu prüfen und erfüllt in diesem Zusammenhang weitgehend im öffentlichen Interessen stehende Kontrollaufgaben54. Nach Auffassung des Gesetzgebers soll sich die Aufsichtsbehörde bei der jährli-chen Prüfung der Berichterstattung der Vorsorgeeinrichtungen in der Regel auf die Befunde der Kontrollstelle abstützen und ihrerseits nur Stichproben vornehmen55. Zwischen der Aufsichtsbehörde und der Kontrollstelle ergibt sich damit eine sinn-volle Aufgabenteilung; DIEGO VIELI spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Kontrollstelle quasi als „verlängerter Arm der Aufsichtsbehörde“ praktisch einen Teil der staatlichen Aufgabe übernehme56. Während die Kontrollstelle ein objektives Bild über die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtung erstellen soll, obliegt der ei-gentliche Schutz der Destinatäre gegenüber der Verwaltung der Vorsorgeeinrich-tung der Aufsichtsbehörde57. Die Aufsichtsbehörde besitzt gegenüber der Kontrollstelle über ein unverzichtbares Weisungsrecht58, wobei dieses jedoch nicht uneingeschränkt besteht, sondern sich auf die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Kontrollstelle zu beziehen hat und verhältnismässig auszuüben ist.

52 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 76. 53 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 76 f. m.w.H. 54 Vgl. dazu DIEGO VIELI, S. 37 sowie ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 77 ff., je m.w.H. 55 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 81 f. m.w.H. 56 Vgl. DIEGO VIELI, S. 42. 57 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 81. 58 Art. 36 Abs. 1 BVV 2.

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4.3.3. Experte für berufliche Vorsorge – Verhältnis zur Aufsichtsbehörde Die Hauptaufgabe des Experten für berufliche Vorsorge besteht darin, periodisch zu überprüfen, ob die Vorsorgeeinrichtung jederzeit Sicherheit dafür bietet, dass sie ihre Verpflichtungen erfüllen kann59. Neben dieser periodischen versicherungstechnischen Kontrolle erstreckt sich der Tätigkeitsbereich des Exper-ten auch auf die Beratung der Vorsorgeeinrichtung, wie sie zu finanzieren ist, wie ihre Mittel verwendet werden sollen etc. Nach DIEGO VIELI übt daher der Experte für berufliche Vorsorge weniger eine Kontroll-, sondern vielmehr eine eigentliche Gut-achtertätigkeit aus60. Das Verhältnis zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Experten für berufliche Vorsorge ist im Wesentlichen durch eine Aufgabentrennung bestimmt: So ist es die alleinige Pflicht des Experten zu prüfen, ob die Vorsorgeeinrichtung jederzeit Si-cherheit dafür bietet, dass sie ihre Verpflichtungen erfüllen kann61. Bei der Regle-mentsprüfung findet hingegen eine Aufgabenteilung zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Experten für berufliche Vorsorge statt: Der Experte prüft, ob die regle-mentarischen versicherungstechnischen Bestimmungen über die Leistungen und die Finanzierung den gesetzlichen Vorschriften entsprechen62. Die Beurteilung der übrigen reglementarischen Bestimmungen bzw. eine umfassende Kontrolle des Reglements obliegt jedoch der Aufsichtsbehörde63. 4.4. Beschränkte Leistungsfähigkeit des Aufsichtssystems Es ist unbestritten, dass die Anlage von Pensionskassenvermögen auf Bonität und langfristige Ertragssicherung ausgerichtet sein muss. Spekulative und risikobehaf-tete Anlage sind der Altersvorsorge grundsätzlich fremd. Die Anlagevermögen aller BVG-Einrichtungen haben einen Wert von über 600 Milliarden Franken. Sie haben damit eine gewaltige volkswirtschaftliche Bedeutung. Leider musste in den letzten Jahren immer wieder festgestellt werden, dass viele der über 10'000 Pensionskas-sen nicht professionell geführt sind und sich massiv verspekuliert haben. Man kommt nicht um die Feststellung herum, dass das Aufsichtssystem mit einer schwergewichtigen Verantwortung bei den kantonalen Aufsichtsbehörden weitge-hend versagt hat. Es ist denn auch nicht erstaunlich, dass in letzter Zeit mit zahlrei-chen parlamentarischen Vorstössen auf eine Verbesserung des Aufsichtssystems hingewirkt und namentlich verlangt wird, dass auch die Pensionskassen einer griffi-gen Finanzmarktaufsicht des Bundes unterstellt werden64.

59 Vgl. Art. 53 Abs. 2 Bst. a BVG. 60 Vgl. dazu DIEGO VIELI, S. 38. 61 Art. 53 Abs. 2 Bst. a BVG; vgl. zudem auch ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 85. 62 Art. 53 Abs. 2 Bst. b BVG. 63 Art. 62 Abs. 1 Bst. a BVG; vgl. zudem auch ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 86. 64 Vgl. etwa das Postulat von Nationalrat Walter Hess (Oberaufsicht des Bundes über die berufliche Vorsorge) vom 16. September 2002 (02.3405, vom Nationalrat am 3. Oktober 2002 angenommen, Amtl.Bull. NR 2002, 1655 ff. sowie 1674), das Postulat der sozialdemokratischen Fraktion (BVG. Überprüfung der Anlagevorschriften) vom 17. September 2002 (02.3420, vom Bundesrat angenom-men), die Interpellation von Ständerat Hannes Germann (Berufliche Vorsorge. Überwachung und Transparenz), vom 20. März 2003 (03.3135, vom Bundesrat am 21. März 2003 beantwortet) und die Motion der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (Für einen verbes-

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Im Auftrag des Bundesrats hat im August 2003 eine Expertenkommission („Kom-mission Brühwiler“) ihre Arbeiten für die Optimierung der Aufsicht der beruflichen Vorsorge aufgenommen. Sie soll eine umfassende Überprüfung des Aufsichtssys-tems in materieller und institutioneller Hinsicht vornehmen, und zwar unter ver-stärkter Berücksichtigung der Finanzmarktaspekte. Der Expertenbericht liegt dem Bundesrat vor. Dieser wird in Kürze über das weitere Vorgehen entscheiden. Es ist unbestritten, dass aus Gründen der Systemstabilität und zum Schutz der Vorsorge-nehmer gewährleistet werden muss, dass die in der beruflichen Vorsorge ange-sammelten Vermögenswerte adäquat bewirtschaftet und die prospektiven pruden-ziellen Elemente der Aufsicht in der beruflichen Vorsorge verstärkt werden müssen. Höchst kontrovers dürfte indessen bleiben, ob eine generelle Bundesaufsicht ein-zuführen ist und ob diese der neu zu schaffenden Finanzmarktaufsichtsbehörde übertragen werden soll. Es ist deshalb verständlich, dass sich der Bundesrat mit der Verabschiedung von mehrheitsfähigen Reformvorschlägen mit einschneidenden Kompetenzverlagerungen im Verhältnis Bund/Kantone schwer tut. 4.5 Verantwortlichkeiten im BVG - Staatliche Haftung für die Aufsichtstätigkeit

Wie gezeigt unterstehen die Vorsorgeeinrichtungen der Aufsicht einer kantonalen Behörde, sofern sie nicht ausnahmsweise der direkten Bundesaufsicht unterstellt sind. Weiter wurde in Ziffer 4.3 ausgeführt, dass die Aufsichtsbehörde auf der obersten Stufe einer mehrgliedrigen Organisation, einer eigentlichen Kontrollpyra-mide, steht und regelmässig erst dann eingreift, wenn bereits der Stiftungsrat bzw. die Verwaltungskommission, die Kontrollstelle oder der Experte für berufliche Vor-sorge einen Mangel gesetzt haben. Wenn die Aufsichtsbehörde dabei aber nicht in rechtsgenüglicher Weise für Abhilfe sorgt, so wird sie bzw. der Staat - falls die sogleich zu erörternden Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind - für den dadurch entstandenen Schaden haftbar. 4.5.1 Die gesetzliche Grundlage der Haftung Im privaten wie im öffentlichen Haftpflichtrecht gilt der Grundsatz, dass der Ge-schädigte den Schaden selbst tragen muss, wenn nicht eine gesetzliche Bestim-mung dessen Überwälzung auf einen Dritten vorsieht. Eine Haftung des Gemein-wesens besteht gemäss Lehre und ständiger Rechtsprechung nur dort und nur so-weit, als eine geschriebene Norm des eidgenössischen oder kantonalen Rechts sie ausdrücklich statuiert65. Das BVG sieht keine spezielle Haftungsregelung für die Aufsichtsbehörden vor. Insbesondere hat Art. 52 BVG nur die Haftung der Organe der Vorsorgeinrichtun-gen zum Gegenstand66. serten Schutz des Vertrauens in die berufliche Vorsorge) vom 9. September 2003 (03.3438, vom Ständerat am 1. Oktober 2003 teilweise überwiesen, Amtl.Bull.SR 2003, 1003 ff.). 65 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 20; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 95 f., je m.w.H. 66 Vgl. dazu das Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 28. Januar 1998 i.S. Stiftung X. c. Kanton Schwyz, in: SZS 1999, S. 380 ff.; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Auf-

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Das Aufsichtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur. Soweit die Schädigung in Ausübung von hoheitlichen bzw. amtlichen Verrichtungen erfolgte, richtet sich die Haftung der Aufsichtsbehörden nach den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ver-antwortlichkeitsbestimmungen. Für die Haftung des Bundes ist somit das Bundes-gesetz über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG, SR 170.32) vom 14. März 1958 massgebend; die Haftung der kantonalen Aufsichtsbehörden beurteilt sich nach den einschlägigen kantonalen Haftungsgesetzen. Vorliegend richtet sich eine allfällige Haftung des Kantons Bern somit insbesondere nach Art. 71 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (BSG 101.1) sowie den Art. 47 ff. des Gesetzes über das öffentliche Dienstrecht (Personalgesetz, PG, BSG 153.01) vom 5. Novem-ber 199267. Wichtig sind in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Normen:

Art. 71 KV Haftung 1 Der Kanton und die anderen Träger öffentlicher Aufgaben haften für den Scha-den, den ihre Organe bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeiten widerrecht-lich verursachen. 2 Das Gesetz umschreibt die Haftung in weiteren Fällen. Es regelt die Verant-wortlichkeit der Behörden und des Personals der kantonalen Verwaltung. 3 Das Gesetz bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Kanton auch für Schäden einzustehen hat, die seine Organe durch rechtmässiges Handeln verur-sachen. Art. 47 PG Grundsatz 1 Der Kanton haftet für den Schaden, den er, d. h. seine Behörden oder Kommis-sionen, deren Mitglieder sowie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Aus-übung ihrer amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zugefügt haben. 2 Der Kanton steht auch ein für den Schaden, den er rechtmässig verursacht hat, wenn einzelne unverhältnismässig schwer betroffen sind und ihnen nicht zuge-mutet werden kann, den Schaden selber zu tragen.

Die Verantwortlichkeit des Staates ist der klassische Typus der sog. Organisations-haftung68; die Haftungsvoraussetzungen sind regelmässig Amtstätigkeit, Schaden, Widerrechtlichkeit, adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem widerrechtli-chen Eingriff und dem Schaden und unter Umständen Verschulden. Auf diese Haf-tungsvoraussetzungen ist sogleich näher einzugehen.

satz, S. 135; BGE 128 V 124 sowie die Urteilsanmerkung zu BGE 128 V 124 von HANS MICHAEL RIEMER, in: SZS 2003, S. 368 f. - Die Frage der Haftung der Organe einer Vorsorgeeinrichtung, insbesondere des Stiftungsrates bzw. der Verwaltungskommission, bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Gutachtens; entsprechende Ausführungen erübrigen sich daher weitgehend. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang jedoch u.a auf die Monographien von MARTIN TH. MARIA EISENRING, DOMENICO GULLO, MARCO LANTER und DIEGO VIELI (vgl. Literaturverzeichnis). 67 Vgl. zu den (kantonalen) Rechtsgrundlagen der staatlichen Haftung auch die Urteile des Verwal-tungsgerichts des Kantons Bern vom 8. März 2004 betreffend Verantwortlichkeit wegen Hochwasser (21234U sowie 21657U). 68 Vgl. dazu JOST GROSS, Staatshaftung, S. 4 f.; s.. zur Organisationshaftung hinten Ziff. 4.5.3.

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4.5.2 Die Haftungsvoraussetzungen 4.5.2.1 Zurechnung zur (hoheitlichen) Tätigkeit Der Staat haftet nur dann, wenn die fragliche Person die schädigenden Handlung oder Unterlassung in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit vorgenommen hat. Eine Tätigkeit gilt dann als amtliche, wenn der erforderliche zeitliche, sachliche, örtliche und funktionelle Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung des Be-amten und der ihm obliegenden Aufgabe gegeben ist69. Entscheidend ist dabei, dass das fehlerhafte Verhalten vom geschädigten Dritten aus als amtliches Verhal-ten erscheint. Die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden ist grundsätzlich stets Amtstätigkeit; Handlun-gen von Aufsichtsbehörden ausserhalb ihres Amtsbereiches sind kaum vorstellbar. Abgrenzungsfragen können sich allenfalls im Zusammenhang mit der Beratungs- und Auskunftstätigkeit stellen, doch ist der Kreis der Auskünfte, die noch als Amts-handlung zu betrachten sind, aus Sicht des Ratsuchenden doch eher weit zu zie-hen.70 4.5.2.2 Schaden Der Schadensbegriff wird in den Verantwortlichkeitsgesetzen regelmässig nicht de-finiert und folgt im öffentlichen Recht prinzipiell den privatrechtlichen Grundsätzen71. Demnach besteht der Schaden in der Differenz zwischen dem gegenwärtigen, d.h. nach dem schädigenden Ereignis festgestellten, Stand des Vermögens des Ge-schädigten und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte72. Im Bereich der Pensionskassenaufsicht kommen Schädigungen sowohl bei den Vorsorgeeinrichtungen als auch bei deren Gläubigern, insbesondere den Destinatä-ren, in Betracht. Die Schädigung der Destinatäre wird zumeist die Folge einer (pri-mären) Schädigung der Vorsorgeeinrichtung sein: Aus der Zahlungs- oder sonsti-gen Leistungsunfähigkeit resultiert die Schädigung von Dritten73. 4.5.2.3 Widerrechtlichkeit Lehre und Praxis lehnen sich bei der Anwendung der Verantwortlichkeitsgesetze an den privatrechtlichen Begriff der Rechtswidrigkeit an. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Sinne der objektiven Widerrechtlichkeitstheorie ist behördliches Handeln dann als widerrechtlich zu qualifizieren, wenn es gegen geschriebene oder ungeschriebene Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, welche dem Schutz des verletzten Rechtsguts dienen74.

69 Vgl. dazu JOST GROSS, Staatshaftung, S. 111 ff.; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 110 ff. 70 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Aufsatz, S. 138. 71 Vgl. statt vieler JOST GROSS, Staatshaftung, S. 238 ff. m.w.H. 72 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 238 m.w.H.; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Aufsatz, S. 138 f. 73 Vgl. dazu ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 145. 74 BGE 116 Ib 367, S. 373 f., E. 4b. Vgl. zur objektiven Widerrechtlichkeitstheorie zudem das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. März 2004 i.S. Uhrenfabrik Thun-

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Unterlassungen sind widerrechtlich, wenn eine rechtliche Handlungspflicht bestand und dem Schädiger der Sachverhalt, der zum Eingreifen hätte führen sollen, be-kannt war75. Eine allgemeine Pflicht zum Handeln im Interesse anderer besteht nicht76. Eine Handlungspflicht ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung „nur dann haftpflichtrechtlich von Bedeutung, wenn sie das Interesse des Geschädigten verfolgt und sich aus einer Schutzvorschrift zu dessen Gunsten ergibt. Widerrechtli-che Unterlassung setzt damit eine Garantenstellung für den Geschädigten vor-aus“77. Auch im Urteil i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis („Leukerbad-Ent-scheid“) vom 3. Juli 2003 führt das Bundesgericht aus, dass eine widerrechtliche Schadenszufügung dann vorliege, wenn die amtliche Tätigkeit des Beamten gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstosse, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienten. Ein Verstoss könne sodann aber auch in der Überschreitung oder im Missbrauch des dem Beamten durch Gesetz eingeräumten Ermessens lie-gen, wobei dafür aber regelmässig ein eigentlicher Ermessensfehler erforderlich sei78. Weiter wird in Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung erwogen, dass eine Handlungspflicht nur dann haftpflichtrechtlich von Bedeutung sei, wenn sie das Interesse des Geschädigten verfolge und sich aus einer Schutzvorschrift zu dessen Gunsten ergebe; eine widerrechtliche Unterlassung setze damit eine Garantenstel-lung für den Geschädigten voraus79. Da das Vermögen als solches nicht als absolu-tes Recht geschützt sei, könne eine Vermögensschädigung durch staatliches Han-deln - oder Unterlassen - eine Haftpflicht des Staates nur auslösen, wenn dieses Handeln Verhaltensunrecht darstelle. Insoweit eine Amtspflichtwidrigkeit einem ob-jektivierten Verschulden nahe komme, werde die an sich kausale, d.h. verschulden-sunabhängige Staatshaftung mitunter auch als „objektivierte Verschuldenshaftung“ bezeichnet80. Art. 62 Abs. 1 BVG - sowie Art. 84 Abs. 2 ZGB für die Stiftungsaufsicht - verpflich-ten die Aufsichtsbehörden zur Ausübung der Aufsicht, so dass in deren Unterlas-sung bereits eine Gesetzwidrigkeit liegen kann. Diese gesetzlichen Bestimmungen zur Aufsichtstätigkeit dienen primär dem Schutz der Destinatäre, zielen allerdings auch auf den Schutz der Vorsorgeeinrichtungen ab81. Im obgenannten „Leukerbad-Entscheid“ führt das Bundesgericht aus, dass eine Vernachlässigung von Auf-sichtspflichten eine massgebliche Amtspflichtwidrigkeit darstellen könne, wobei die

Gwatt/Loertscher/Hoffmann c. Kanton Bern betreffend Verantwortlichkeit wegen Hochwasser (21234U), S. 7 f. sowie ausführlich BALZ GROSS, S. 121 ff. 75 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 238. 76 Vgl. BGE 123 II 577 E. 4d/ff., S. 583; 116 Ib 367, S. 374, E. 4c. sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. März 2004 i.S. Uhrenfabrik Thun-Gwatt/Loertscher/Hoffmann c. Kanton Bern betreffend Verantwortlichkeit wegen Hochwasser (21234U), S. 8. m.w.H. 77 BGE 118 1b 473, S. 476 f., E. 2b. m.w.H. 78 Vgl. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 (2C.1/2001) i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, veröffentlicht in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271 ff., S. 285 E. 6.1. 79 Vgl. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 (2C.1/2001) i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, veröffentlicht in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271 ff., S. 286 E. 6.1.2. 80 Vgl. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 (2C.1/2001) i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, veröffentlicht in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271 ff., S. 286 E. 6.1.2. mit Verweis auf JOST GROSS, Staatshaftung, S. 163 ff.; vgl. dazu hinten Ziff. 4.5.2.5 81 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 152.

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primäre Staatshaftung grundsätzlich als Organisationshaftung82 zu verstehen sei83. Diese Haftung knüpft somit nicht ausschliesslich an ein individuelles Fehlverhalten staatlicher Organisationsträger an, sondern rechnet die Nicht-Erfüllung dem ver-antwortlichen Gemeinwesen als Ganzem zu. Weiter wird ausgeführt: „Liegt ein Ver-sagen auf unterer Stufe vor, ist es daher unwesentlich, ob die höhere Stufe davon Kenntnis hat oder nicht. Unerlässlich bleibt aber, dass eine Pflicht zum Einschreiten besteht, sei es unmittelbar gegenüber der zu beaufsichtigenden Organisationsein-heit durch die dafür zuständige Behörde, sei es durch Information derselben durch eine andere Instanz über den Sachverhalt, der ein Einschreiten erfordert“84. Im Zusammenhang mit der Beurteilung einer allfälligen Widerrechtlichkeit der Auf-sichtstätigkeit gilt es insbesondere die Rechte und Pflichten der Aufsichtsbehörden aufzuzeigen85. Diese werden auf Bundesebene in nur wenigen Bestimmungen aus-drücklich geregelt, so namentlich in Art. 61 - 64 BVG und der zugehörigen Verord-nungsbestimmung der BVV 186. Die Aufsichtsbehörden haben demnach darüber zu wachen, dass die Vorsorgeeinrichtungen die gesetzlichen Bestimmungen einhalten; zudem müssen sie die Übereinstimmung der reglementarischen mit den gesetzli-chen Vorschriften prüfen87. Im Weiteren ergeben sich die aufsichtsbehördlichen Aufgaben negativ aus der Umschreibung der Pflichten der übrigen Kontrollinstan-zen88, suchte doch der Gesetzgeber mit der Schaffung einer Kontrollpyramide eine Kontrollrepetition zu vermeiden89. Ferner liegt dem Gesetzgeber - wie erwähnt - an einer engen Zusammenarbeit der Kontrollstelle sowie des Experten für berufliche Vorsorge mit der Aufsichtsbehörde mit entsprechend stringenten Regeln für die Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten90. Festzuhalten gilt es aber, dass kein Experte für berufliche Vorsorge und keine Kontrollstelle die Aufsichtsbehörde von ihrer Verantwortung zu entbinden vermögen91. Die Aufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen ist - wie sich aus der Bestimmung von Art. 62 Abs. 1 BVG ergibt - inhaltlich als Rechtsaufsicht konzipiert. Der Aufsichtsbe-hörde ist daher eine Zweckmässigkeitskontrolle und damit ein Eingreifen in die der Vorsorgeeinrichtung zukommende Ermessensfreiheit verwehrt.

82 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 275 ff.; JOST GROSS, Finanzaufsicht, S. 751; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 154. Vgl. zur Organisationshaftung auch die Ausführungen unter Ziffer 4.5.3. 83 Vgl. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 (2C.1/2001) i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, veröffentlicht in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271, S. 286 E. 6.1.3. mit Verweis auf JOST GROSS, Staatshaftung, S. 4f., S. 251 ff. 84 Vgl. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 (2C.1/2001) i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, veröffentlicht in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271, S. 286 f. E. 6.1.3. 85 Vgl. dazu auch TOBIAS JAAG, S. 44 f. m.w.H. 86 Vgl. dazu auch vorne die Ausführungen unter Ziffer 4.2. 87 Art. 62 Abs. 1 Bst. a BVG. 88 Vgl. dazu Art. 53 BVG und Art. 33 ff. BVV 2. 89 Vgl. zur sog. Kontrollpyramide auch die Ausführungen vorne unter Ziffer 4.3.1; zum Ganzen ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 153 f. 90 Vgl. Art. 33 - 41 BVV 2 sowie HANS J. PFITZMANN, S. 281. Vgl. dazu auch die Ausführungen vorne unter Ziffer 4.3.1. 91 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Aufsatz, S. 145.

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Wie bereits unter Ziffer 4.2 ausgeführt, stehen der Aufsichtsbehörde zur Durchfüh-rung der Aufsicht von Gesetzes wegen präventive wie auch repressive Mittel zur Verfügung92. ISABELLE VETTER-SCHREIBER vertritt die Ansicht, die Aufsichtsbehörde solle, auch wenn sie „an der Spitze der Kontrollpyramide grundsätzlich erst zum Zuge kommt, wenn bereits der Stiftungsrat, die Kontrollstelle oder der Experte für berufliche Vor-sorge einen Mangel gesetzt haben, dafür besorgt sein, allfällige Risiken möglichst frühzeitig zu erkennen bzw. zu verhindern. Bei bestehenden oder drohenden Ge-setzeswidrigkeiten bzw. entsprechendem Verdacht haben die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen einzuschreiten und die nötigen Abklärungen und Massnahmen zu treffen“93. Im Weiteren könne von den Aufsichtsbehörden verlangt werden, dass sie sich nicht bloss mit der Überprüfung der ihnen zur Verfügung gestellten Unterla-gen und Angaben begnügen, sondern sich in beschränktem Rahmen auch ohne konkreten Anlass aktiv um Informationen bemühen. Ein weiteres mögliches Auf-sichtsmittel seien ferner auch gezielte, ohne Vorankündigung vorgenommene Kon-trollen94. Das überzeugt zumindest für jene Fälle, in denen objektiv erkennbare Anzeichen für aufsichtsrechtlich relevante Mängel erkennbar sind. Im Zusammenhang mit der Frage der Widerrechtlichkeit der Aufsichtstätigkeit ist auch die Geschäftsführung der Vorsorgeeinrichtung und im Besonderen die Ver-mögensanlage und -verwaltung von Interesse. Dabei ist nebst der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu den zulässigen Anlagekategorien und deren Be-grenzungen insbesondere den Grundsätzen der Sicherheit, der Liquidität sowie der angemessenen Rendite Rechnung zu tragen95. ISABELLE VETTER-SCHREIBER weist in diesem Zusammenhang allerdings ausdrücklich darauf hin, dass die (periodische und vollständige) Überprüfung der Geschäftsführung und im Besonderen des Rechnungswesens nicht zu den Aufgaben der Aufsichtsbehörde gehöre. Vielmehr habe die Kontrollstelle in diesen Bereichen Rechtswidrigkeiten aufzudecken bzw. zu verhindern. Die Aufsichtsbehörden könne sich - sofern keinerlei Anlass zu einer weitergehenden Kontrolle bestehe - grundsätzlich auf deren Ergebnisse abstützen und ihrerseits nur Stichproben vornehmen96. Diesen Ausführungen ist beizupflich-ten. 4.5.2.4 Adäquater Kausalzusammenhang Als weiteres Element für eine allfällige staatliche Haftung muss der entstandene Schaden adäquat kausal verursacht worden sein. Eine solche Kausalität ist dem-nach dann gegeben, wenn eine Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den eingetretenen Erfolg zu bewirken, so dass dessen Eintritt als durch die fragliche Ursache begünstigt er-scheint97.

92 Vgl. Art. 62 Abs. 1 Bst. a - d BVG. 93 ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Aufsatz, S. 147. 94 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Aufsatz, S. 147 f. 95 Vgl. Art. 71 BVG sowie Art. 49 ff. BVV 2 96 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 161. 97 Vgl. dazu statt vieler JOST GROSS, Staatshaftung, S. 193 f. m.w.H.

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Die Aufsichtsbehörde setzt neben die primäre Schadensursache durch die Vorsor-geeinrichtung regelmässig eine (bloss) sekundäre; demzufolge ist deren Tätigkeit (oder Untätigkeit) oftmals nur unter dem Gesichtspunkt der Schadensvergrösserung bzw. des Andauerns des Schadens zu beurteilen. Ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der schädigenden aufsichtsbehörd-lichen Tätigkeit und dem Schaden ist somit dann gegeben, wenn davon ausgegan-gen werden kann, dass eine rechtmässige Aufsichtstätigkeit das schädigende Tun oder Unterlassen des primären Schadensverursachers an den Tag gelegt und die Schädigung verhindert oder verringert hätte98. 4.5.2.5 Verschulden Im Bund wie auch in den meisten Kantonen99 ist die Staatshaftung als Kausalhaf-tung ausgestaltet, so dass das Verschulden als Haftungsvoraussetzung im Wesent-lichen nur noch im Bereich der internen Beamtenhaftung eine Rolle spielt100. Auch im Bereich der Amtshaftung gelangt der in der privatrechtlichen Praxis erar-beitete objektivierte Verschuldensbegriff zur Anwendung101. Voraussetzung ist ne-ben der Urteilsfähigkeit des schädigenden Beamten die Verletzung einer Sorgfalts-pflicht bzw. einer Amtspflicht. Massstab ist dabei das Verhalten eines gewissen-haften Menschen mit einer durchschnittlichen Summe von moralischen, intellektu-ellen und physischen Eigenschaften, von körperlicher Geschicklichkeit und der Tä-tigkeit entsprechenden beruflichen und technischen Fähigkeiten102. Auch das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hält dafür, dass es im Rahmen der als Kau-salhaftung ausgestalteten Staatshaftung für die Beurteilung, ob eine Gefahr er-kennbar und staatliches Handeln geboten gewesen wäre, nicht auf die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse der handelnden Staatsangestellten ankomme, sondern darauf, was bei objektiver Betrachtung aufgrund der gegebenen Umstände vernünf-tigerweise vom Staat erwartet und verlangt werden könne103. Im Bereich der mangelhaften Kontrolle und Aufsicht durch staatliche Organe104 geht die Praxis davon aus, dass nicht jede, sondern nur eine qualifizierte Verletzung ei-ner Amtspflicht zur Verantwortlichkeit des Gemeinwesens führt105. 98 Vgl. MARCO LANTER, Diss., S. 138. Hingewiesen sei an dieser Stelle noch auf die Möglichkeit von Entlastungsgründen, vgl. dazu ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 179 ff. 99 Vgl. für den Kanton Bern Art. 71 KV sowie Art. 47 PG. 100 Vgl. ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 191. 101 Vgl. dazu JOST GROSS, Staatshaftung, S. 228 ff. m.w.H. 102 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 229; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 191 f. m.w.H. 103 Vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. März 2004 i.S. Uhrenfabrik Thun-Gwatt/Loertscher/Hoffmann c. Kanton Bern betreffend Verantwortlichkeit wegen Hochwasser (21234U), S. 9 mit Verweis auf BVR 2003, S. 241 E. 2e und VIVIANE SOBOTICH, S. 129 f. 104 Gleiches gilt auch für die Entschädigungspflicht bei Beeinträchtigungen durch Akte der Justiz, vgl. dazu JOST GROSS, Staatshaftung, S. 236. 105 Vgl. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 (2C.1/2001) i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, veröffentlicht in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271 ff., S. 287 E. 6.1.4. Beachte aber zu der in diesem Zusammenhang nicht unproblematischen Bezeichnung der „Amtspflichtverletzung“ die Ausführungen unter Ziffer 4.5.3.2.1 sowie JOST GROSS, Staatshaftung, S. 268.

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JOST GROSS weist jedoch zu Recht darauf hin, dass in diesem Zusammenhang nicht von unterschiedlichen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht auszugehen ist, sondern es sich vielmehr so verhält, dass den staatlichen Behörden in diesem Be-reich bei der Ausübung der staatlichen Tätigkeit ein qualifiziertes Rechtsfolgeer-messen zusteht, das unter Umständen unterschiedliche Lösungen zulässt, ohne dass der Vorwurf der Rechtsverletzung erhoben werden könnte106. Somit geht es nach JOST GROSS in diesen Fällen „nicht um herabgesetzte Anforderungen an die Sorgfaltspflicht, sondern um eine Einschränkung der Überprüfungsbefugnis der für die Entschädigungspflicht zuständigen Behörden und die Respektierung des staatli-chen Beurteilungs- und Ermessensspielraumes“107. Im Staatshaftungsrecht wird überdies häufig vom sog. Organisationsverschulden gesprochen. Dies dann, wenn eine Verletzung der Amts- bzw. Sorgfaltspflicht einer Verwaltungseinheit oder dem Organisationsganzen der staatlichen Verwaltung zum Vorwurf gemacht wird. Diesfalls geht es somit nicht mehr um ein individualisiertes persönliches Verschulden, sondern um ein Versagen der staatlichen Funktionen insgesamt, wobei als Beispiel mangelnde Organisation oder Aufsicht genannt wer-den können108. Im Falle von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der behördlichen Auf-sichtstätigkeit stehen insbesondere durch Unterlassung verursachten Schädigun-gen im Vordergrund, indem beispielsweise die Aufsichtsbehörde einen schädigen-den Missstand nicht erkannt oder keine bzw. nicht rechtzeitig die angemessenen Massnahmen getroffen hat. Damit aber eine Unterlassung der Aufsichtsbehörde als Verschulden angerechnet werden kann, muss diese vom Sachverhalt, der zum Ein-greifen veranlasst hätte, Kenntnis gehabt oder zumindest die Möglichkeit zum Ver-schaffen der Kenntnisse gehabt haben109. 4.5.3 Zur sog. Organisationshaftung im Besonderen110 4.5.3.1 Begriff Unter der sog. Organisationshaftung wird allgemein die Verantwortlichkeit des Staates als Organisationsganzes für alle Handlungen und Unterlassungen seiner Organe verstanden, unabhängig vom Nachweis einer Amtspflichtverletzung eines individuell bestimmbaren Amtsträgers111. Beim Begriff der Organisationshaftung handelt es sich jedoch nicht um einen gesetzlich eingeführten Begriff, sondern die-ser wurde von Lehre und Rechtsprechung entwickelt. Im Rahmen einer Gesamtre-

106 Vgl. dazu JOST GROSS, Staatshaftung, S. 236, mit Hinweis auf BGE 116 Ib 193, S. 197 E. 2d, wonach der Bankenaufsicht als Aufsichtsbehörde bei der Prüfung des Einzelfalles ein Beurteilungs-spielraum zustehe. 107 JOST GROSS, Staatshaftung, S. 236 108 Vgl. dazu JOST GROSS, Staatshaftung, S. 236 f. 109 Vgl. dazu ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Diss., S. 195. 110 Vgl. zum Ganzen ausführlich JOST GROSS, Staatshaftung, S. 251 ff. sowie BALZ GROSS, S. 552 ff. 111 Vgl. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 (2C.1/2001) i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, veröffentlicht in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271 ff., S. 286 f. E. 6.1.3.; JOST GROSS, Staatshaftung, S. 251 ff. sowie GROSS BALZ, S. 552 f.

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vision des Haftpflichtrechts112 sieht jedoch die mit der Ausarbeitung eines Experten-entwurfes beauftragte Studienkommission113 die Schaffung einer solchen Organisationshaftung vor. Diese neue Norm träte an die Stelle der Geschäftsher-renhaftung gemäss Art. 55 OR und würde - ausgestaltet als einfache Kausalhaftung - den Ausgleich von Schäden regeln, die durch Fehler in der Organisation eines Geschäftsbetriebes verursacht werden, dessen Tätigkeit nicht mit einer besonderen Gefahr verbunden ist114. 4.5.3.2 Voraussetzungen der Organisationshaftung Die Voraussetzungen der Organisationshaftung ergeben sich einerseits aus den in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Geschäftsherrenhaftung zu Art. 55 OR enthaltenen Ansätzen zur Organisationshaftung, andererseits aus dem Schutz-zweck der primären Staatshaftung. Sie entsprechen im Wesentlichen jenen der ausservertraglichen Schädigung nach Art. 41 ff. OR115. Mit JOST GROSS gilt es aber festzuhalten, dass die effektiven Ansätze zu einem solchen Haftungsverständnis in der Praxis noch verhältnismässig selten sind116.

4.5.3.2.1 Organisationsfehler Ein Organisationsfehler ist jedes Versagen des Organisationsträgers im Verhältnis zum Bürger. JOST GROSS spricht dabei bewusst nicht von Amtspflichtverletzung, weil diese üblicherweise mit einer Verletzung der Sorgfaltspflicht eines bestimmten Organs der Organisationseinheit gleichgesetzt wird, im vorliegenden Zusammen-hang jedoch nicht Amtspflichten individualisierbarer Amtsträger, sondern Zweckbe-stimmung und Leistungsstandard der öffentlichen Einrichtung als Ganzes interes-sieren117. Auch wenn einzelne Organisationspflichten wie diejenige zur zweckmässigen Organisation, zur sorgfältigen Auswahl der beauftragten Amtsträ-ger oder zur Aufsicht und Erfolgskontrolle konkretisiert werden können, sind diese nicht an ein Pflichtenheft eines einzelnen Amtsträgers gebunden. Demnach ist also eine klare Abgrenzung von individueller Amtspflichtverletzung und Organisations-fehler vorausgesetzt, so dass es u.U. für den Nachweis eines Organisationsfehlers genügt, das organisatorische Versagen anhand des schädigenden Ergebnisses darzutun, ohne dass eine individuelle Amtspflichtverletzung nachweisbar wäre118.

112 Vgl. zum Projekt „Revision und Vereinheitlichung des Haftpflichtrechts“ die Homepage des Bundesamtes für Justiz unter www.ofj.admin.ch/themen/haftpflicht (Stand: 30. Juni 2004). 113 Diese Studienkommission unter dem Vorsitz von PIERRE WIDMER wurde bereits 1988 eingesetzt und mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs zum Allgemeinen Teil des Haftpflichtrechts im OR und der Anpassung der haftpflichtrechtlichen Spezialgesetze an diesen Allgemeinen Teil beauftragt. Die Experten lieferten 1999 Vorentwurf und Bericht ab. Der Bundesrat hat beschlossen, die Revision des Haftpflichtrechts nicht in das Legislaturprogramm 2003-2007 aufzunehmen, wird jedoch noch dieses Jahr vom Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis nehmen. 114 Vgl. zum Entwurf der Studienkommission www.ofj.admin.ch/themen/haftpflicht (Stand: 30. Juni 2004) sowie ausführlich BALZ GROSS, S. 552 f. m.w.H. 115 Vgl. JOST GROSS, Finanzaufsicht, S. 751. 116 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 267 f. 117 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 268. 118 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 268.

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4.5.3.2.2 Organisations- bzw. Risikobereich des Staates Organisationsfehler sind weiter nur vorwerfbar, wenn die Gefahren innerhalb des Organisations- und Risikobereichs des staatlichen Organisationsträgers auftre-ten119. Im Zusammenhang mit der Frage einer allfälligen Haftung aus mangelhafter Aufsichtstätigkeit dürften sich diesbezüglich keine Schwierigkeiten ergeben, liegt doch die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden klar im Aufgabenbereich eines staatlichen Organisationsträgers.

4.5.3.2.3 Voraussehbare, beherrschbare und vermeidbares Risiken Eine Verantwortlichkeit des Staates kann zudem nur dort begründet sein, wo Risi-ken und Gefahren grundsätzlich voraussehbar, beherrschbar und vermeidbar er-scheinen. Organisationshaftung kann keinesfalls eine bedingungslose Haftung für jegliche Schäden im Organisations- und Risikobereich des Staates begründen120. Vorliegend sind insbesondere die Kriterien der Voraussehbarkeit und der Vermeid-barkeit zu beachten. Erstere meint Erkennbarkeit nach dem Stand der Wissen-schaft und Erfahrung ohne ein Abstellen auf das individuelle Wissen eines Amtsträ-gers, zweitere ist dann gegeben, wenn erkennbare Risiken durch geeignete Mass-nahmen voraussehend abgewendet oder zumindest in ihrer schädigenden Wirkung vermindert werden können121. 4.5.3.3. Anwendungsbereiche der Organisationshaftung, insbesondere Unterlas-

sung staatlicher Kontrolle und Aufsicht Voraussetzung der Haftung des aufsichtspflichtigen Gemeinwesens ist einerseits, dass sich der Geschädigte auf eine entsprechende Schutzpflicht des Organisati-onsträgers berufen kann122, andererseits die Verletzung einer nach objektiven Ge-sichtspunkten zu beurteilenden Sorgfaltspflicht bei der Ausübung der Kontrolle. Dem Gemeinwesen steht dabei je nach Sachbereich und dem Grad der Konkreti-sierung der zum Schutze des Betroffenen erlassenen Vorschriften ein erheblicher Ermessenspielraum zu. JOST GROSS weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Bundesgericht beispielsweise im Rahmen der Bankenaufsicht wiederholt entschieden hat, dass nur eigentliche Rechtsfehler bei der Ermessensausübung zu einer Schadenersatzpflicht führen123. Die Verletzung von Kontrolle und Aufsicht wird - wie bereits unter Ziffer 4.5.2.3 ausgeführt - von Lehre und Rechtsprechung als Anwendungsfall der Organisati-onshaftung betrachtet, weil eine wirksame Durchführung gewisser organisations-rechtlicher Massnahmen bedarf, und zwar sowohl bei der Einrichtung des entspre-chenden Behördenapparates und des damit verbundenen Instrumentariums wie auch bei der praktischen Ausübung. Ist beispielsweise eine Behörde unzweckmäs- 119 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 269. 120 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 269 f. 121 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 270. 122 Verneint wurde eine Aufsichtspflicht des Staates beispielsweise im Submissionsverfahren der Subunternehmer im Verhältnis zum Generalunternehmer, vgl. dazu BGE 116 Ib 367, S. 376, E. 6. Vgl. dazu auch das Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 (2C.1/2001) i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, veröffentlicht in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271 ff., S. 286 f. E. 6.1.3. 123 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 277, mit Verweis auf BGE 116 Ib 193, S. 196 E. 2b.

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sig organisiert oder personell unterdotiert oder verfügt sie nicht über die nötige Sachkompetenz, die adäquaten Informationsmittel und Sanktionen, so kann sie ihren öffentlichen Zweck nicht wirksam erfüllen124. 4.5.4. „Konkurrierende“ Verantwortlichkeiten? Die externen Kontrollorgane bei der beruflichen Vorsorge haften nach Art. 52 BVG, die staatliche Aufsichtsbehörde dagegen nach dem kantonalen Verantwortlichkeits-recht. Diese Verfahren sind von Gesetzes wegen nicht koordiniert. In der Regel dürfte ein Verantwortlichkeitsverfahren gegen den Staat wegen mangelhafter Auf-sicht freilich sistiert werden, bis allfällige Haftpflichtansprüche gegen private Kon-trollorgane beurteilt sind und ein Restschaden offen bleibt. Mangels expliziter ge-setzlicher Regelung besteht mithin keine Solidarität, und die Staatshaftung ist fak-tisch subsidiär, weil die Aufsichtsfunktion des Staates an die Kontrolltätigkeit priva-ter Organe anschliesst125.

124 Vgl. JOST GROSS, Staatshaftung, S. 278.; zu den Organisationsfehlern bei pflichtwidriger Finanzaufsicht besonders JOST GROSS, Finanzaufsicht, S. 751 f. m.w.H. 125 Näheres bei JOST GROSS, Finanzaufsicht, S. 752 m.w.H.

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5. Würdigung des Befundes der Sonderprüfung durch die kantonale Fi-nanzkontrolle - Beantwortung der Fragen 1. Wer hat im Bereich der BLVK (öffentlich-rechtliche Anstalt, Vorsorgeeinrichtung

im Sinne des BVG) welche Aufsichtspflichten wahrzunehmen und wie sind diese voneinander abzugrenzen, d.h. welche rechtliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang insbesondere der Aufsichtstätigkeit der staatlichen Organe (Amt für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht, Finanzkontrolle, beteiligte Direktion des Regierungsrates, Regierungsrat) im Verhältnis zu den Kontrollpflichten der Organe der Anstalt (Verwaltungskommission, Delegiertenversammlung) zu?

Wie die Ausführungen in Ziffer 4 zeigen, hat sich der schweizerische Gesetzgeber für ein komplexes System der Aufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen des BVG entschieden und den Kantonen anspruchsvolle Vollzugsaufgaben übertragen. Mit der Schaffung einer sog. Kontrollpyramide (Verwaltung der Vorsorgeeinrichtung als Basis, Kontrollstelle und Experte für berufliche Vorsorge als spezialgesetzlich vor-gesehene Prüf- und Beratungsinstanzen auf der zweiten Ebene, kantonale Auf-sichtsbehörde auf der obersten Stufe) wollte er einerseits Doppelspurigkeiten bei der Aufsicht vermeiden und andererseits die fachtechnischen Zweckmässigkeits-prüfungen, die für die Systemstabilität entscheidend sind, möglichst nahe bei der Verwaltung der Vorsorgeeinrichtung ansiedeln. Was die Prüfpflichten der Auf-sichtsbehörde im Besonderen anbelangt, enthält die einschlägige bundesrechtliche und kantonale Gesetzgebung verhältnismässig wenige Normen. Klar ist immerhin, dass die Aufsichtsbehörde darüber zu wachen hat, dass die Vorsorgeeinrichtungen die für die massgebenden Rechtsnormen mit Einschluss der einschlägigen Regle-mente beachtet; ihr obliegt also eine spezifische Rechtskontrolle. Sodann geht der Gesetzgeber von einer engen Zusammenarbeit der Kontrollstelle sowie des Ex-perten für berufliche Vorsorge mit der Aufsichtsbehörde aus. Diese soll sich grund-sätzlich auf die Prüfungsergebnisse der Kontrollstelle und auf die fachtechnischen Befunde des Experten verlassen können und gestützt darauf nötigenfalls auf dem Verfügungsweg Massnahmen zur Mängelbehebung anordnen und durchsetzen. Je sorgfältiger und verlässlicher die Kontrollstelle und der Experte für berufliche Vor-sorge arbeiten, desto kleiner ist die Gefahr, dass die Aufsichtsbehörde bei ihrer Prüftätigkeit auf der obersten Stufe der Kontrollpyramide Wesentliches übersieht oder zu spät einschreitet. Als besonders anspruchsvoll erweist sich dabei die Pflicht der Aufsichtsbehörde, sich mit vertretbarem Aufwand selber um jene Informationen zu bemühen, die sie neben den ihr von der Kontrollstelle und vom Experten für be-rufliche Vorsorge zur Verfügung gestellten Unterlagen und Angaben benötigt, um gesetzeskonform ihres Amtes zu walten. Wie in Ziff. 4.4. ausgeführt, hat sich dieses Aufsichtssystem nicht voll bewährt. Die staatliche Aufsicht ist wohl zu stark von der Qualität der Prüfung der Vorsorgeein-richtungen durch die Kontrollstelle und des Experten für berufliche Vorsorge ab-hängig. Aber auch die Verwaltung der Vorsorgeeinrichtung, namentlich die Ver-waltungskommission ist darauf angewiesen, dass diese Kontrollinstanzen ein-wandfrei arbeiten, wenn die strenge Haftung nach Art. 52 BVG für sie nicht zum

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unkalkulierbaren Risiko werden soll126. Auch wenn grundsätzlich hohe Anforderun-gen an die von der Aufsichtsbehörde durchzuführende Rechtmässigkeitskontrolle zu stellen sind, üben die Justizbehörden deshalb verständlicherweise eine gewisse Zurückhaltung, wenn sie aufgerufen sind, im konkreten Fall eine behauptete pflichtwidrige Untätigkeit oder Unterlassung seitens der Aufsichtsbehörde unter dem Gesichtswinkel des Staatshaftungsrechts zu beurteilen127. 2. Sind die dazu von der Finanzkontrolle im Sonderprüfungsbericht vom 19. Mai

2004 vorgenommenen Würdigungen rechtlich zutreffend? Die Finanzkontrolle hat bei ihren Abklärungen, die unter grossem Zeitdruck durch-geführt werden mussten und nach dem Gesagten unter verschiedenen Gesichts-punkten äusserst anspruchsvoll waren, gewiss die richtigen Akzente gesetzt. Was die vermögensrechtlichen Verantwortlichkeiten anbelangt, hat sie mit Recht das Schwergewicht auf die Prüfung des Verhaltens der nach Art. 52 BVG Verantwortli-chen gelegt. Es ist vor allem Sache der BLVK selber bzw. der heute mit der Ver-waltung betrauten Organe, daraus für allfällige Haftpflichtprozesse gegen die frü-here Geschäftsleitung, die früheren Mitglieder der Verwaltungskommissionen, ge-gen die Kontrollstelle und gegen den Experten für berufliche Vorsorge die richtigen Schlüsse zu ziehen, wenn sich die Betroffenen ihrerseits zu den gegen sie erhobe-nen Vorwürfen haben vernehmen lassen. Angesichts der Strenge, mit der die Jus-tizbehörden Art. 52 BVG in letzter Zeit handhaben, ist wohl nicht ausgeschlossen, dass die Gerichte hier teilweise zu einer etwas kritischeren Würdigung gelangen als die Finanzkontrolle. Das wird bei Beurteilung des unter dem Gesichtswinkel des Staatshaftungsrechts relevanten Verhaltens sowohl des Amts für Sozialversicherung und Stiftungsauf-sicht als auch der betroffenen Direktionen und des Regierungsrates zu berücksich-tigen sein. Nach der heutigen Aktenlage und aus der Rückschau mag zwar sein, dass das Amt früher hätte einschreiten können. Ob das ausreicht, um ihm unter den gegebenen Umständen und im Lichte der doch recht zurückhaltenden Gerichtspraxis zur Wi-derrechtlichkeit behördlichen Verhaltens in Form der pflichtwidrigen Unterlassung, insbesondere in Würdigung der BVG-Kontrollpyramide, einen substanziellen Vor-wurf zu machen, mag aber mit Fug bezweifelt werden. Ähnliches gilt wohl auch für den seitens der Finanzkontrolle gegenüber dem Erzie-hungsdirektion und dem Regierungsrat erhobenen Vorwurf des „Organisationsver-schuldens“128. Angesichts des auch von der Finanzkontrolle monierten doch recht passiven Verhaltens der Kontrollstelle und des Experten für berufliche Vorsorge dürften sich auf Grund des heutigen Standes der Abklärungen keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein staatshaftungsrechtlich relevantes Fehlverhalten dieser Be-hörden ergeben, zumal auch die Finanzkontrolle wiederholt darauf verzichtete, sich 126 Vgl. dazu neuestens ROLAND A. MÜLLER, S. 131 ff. m.w.H. und die in der Rechtsprechungsüber-sicht aufgeführten Urteile. 127 Vgl. vorne Ziff. 4.5.2.3. 128 Vorne S. 6

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im Rahmen ihres Berichts zur Staatsrechnung zum Zustand der BLVK zu äus-sern129. Nach den gesamten Umständen ist jedenfalls nicht zu erkennen, inwieweit dem Regierungsrat im Bereich der Aufsicht über die BLVK Organisationsfehler an-gelastet werden könnten, die zu einer vermögensrechtlichen Verantwortung des Kantons führen könnten130. Dass nach dem heutigen Wissensstand in der kriti-schen Zeit vor der Genehmigung der Geschäftsberichte der BLVK Zusatzabklärun-gen opportun gewesen wären (wohl in erster Linie über die Finanzkontrolle131) än-dert daran wohl nichts. Es gilt hier zwischen der politischen Beurteilung des be-hördlichen Verhaltens und der streng staatshaftungsrechtlichen Würdigung der re-gierungsrätlichen Aufsichtstätigkeit im BVG-Bereich zu unterscheiden. 3. Inwieweit ist das Verhalten der staatlichen Aufsichtsbehörden nach der Akten-

lage, wie sie dem Sonderprüfungsbericht der Finanzkontrolle vom 19. Mai 2004 zu Grunde liegt, haftungsrechtlich relevant?

Die Frage ist mit den Ausführungen zu Frage 2 beantwortet. 4. Welche rechtliche Bedeutung hat die dem Grossen Rat gemäss Art. 78 KV oblie-

gende Oberaufsicht im Bereich der BLVK? Gemäss Art. 78 KV beaufsichtigt der Grosse Rat die Regierung und führt die Ober-aufsicht über die Verwaltung und die anderen Träger öffentlicher Aufgaben. Art. 78 KV unterscheidet seinem Wortlaut nach zwischen Aufsicht und Oberaufsicht. Wäh-rend der Regierungsrat der direkten Aufsicht des Parlaments unterstellt ist, beauf-sichtigt dieses die Verwaltung und die anderen Träger hoheitlicher Aufgaben ledig-lich indirekt im Sinne der „Oberaufsicht“132. Dieser Differenzierung kommt hingegen nicht die Bedeutung zu, dass dem Grossen Rat gegenüber dem Regierungsrat ein direktes und umfassendes Aufsichts- und Weisungsrecht (mit der Befugnis, Einzel-akte aufzuheben) zustehen würde. Ein solches direktes Aufsichtsrecht wäre mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht zu vereinbaren133. Der Grosse Rat ist aufgrund seines Aufsichtsrechtes dem Regierungsrat also nicht grundsätzlich über-geordnet. Er kann den Regierungsrat aber zur Offenlegung der Gründe seines Han-delns als Exekutive zwingen, ermöglicht dadurch das Erkennen politischer Verant-

129 Vgl. Sonderprüfungsbericht S. 77. 130 Vgl. dazu namentlich JOST GROSS, Finanzaufsicht, S. 751 f. 131 Vgl. Art. 15 KFKG. 132 Näheres dazu bei WALTER KÄLIN/URS BOLZ (HRSG.), Handbuch des bernischen Verfassungs-rechts, Bern 1995, S. 460 f. und KURT NUSPLIGER, Regierung und Parlament, in: WALTER KÄLIN/URS BOLZ (HRSG.), Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 153. 133 Vgl. dazu ULRICH ZIMMERLI/ANDREAS LIENHARD, „Privatisierung“ und parlamentarische Oberauf-sicht, in: WOLFGANG WIEGAND (HRSG.), Rechtliche Probleme der Privatisierung, Berner Tage für die juristische Praxis, Bern 1998, S. 181 mit weiteren Hinweisen sowie ULRICH ZIMMERLI, Bundesver-sammlung, in: DANIEL THÜRER/JEAN-FRANÇOIS AUBERT/JÖRG PAUL MÜLLER (HRSG.), Verfassungsrecht der Schweiz, Bern 2001, S. 1027 ff., insb. S. 1041 ff. Rz. 30 f.

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wortlichkeiten und stärkt damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen. Dabei steht die Oberaufsicht des Parlaments in einer engen Beziehung zur Aufsicht der Regierung über die Verwaltung: Wo Aufsicht durch die Regierung ausgeübt wird, besteht Oberaufsicht des Parlaments. Mit Rücksicht auf den Gewaltentei-lungsgrundsatz hat das Parlament aber die verfassungsmässige Kompetenzauftei-lung zwischen den Staatsgewalten zu respektieren. Insbesondere darf es – wie er-wähnt – nicht in laufende Geschäfte eingreifen, konkrete Weisungen erteilen oder Einzelakte aufheben. Abgesehen von selektiven Einzelprüfungen hat sich das Par-lament überdies grundsätzlich auf eine Gesamtsicht zu beschränken. Anders ge-sagt: Prinzipiell nimmt das Parlament vorab eine Art politische Tendenzkontrolle oder Plausibilitätsprüfung von Regierung und Verwaltung vor. Hinzu kommt, dass die parlamentarische Aufsicht/Oberaufsicht im Grundsatz eine nachträgliche ist, denn eine mitschreitende Aufsicht kann Mitverantwortung nach sich ziehen und damit die Verantwortlichkeitsbereiche verwischen. Im Rahmen der parlamentari-schen Aufsichtstätigkeit darf also weder direkt in delegierte Kompetenzbereiche eingegriffen noch eine aktiv steuernde Regierungstätigkeit ausgeübt werden. Auf-sicht/Oberaufsicht ist demnach kein Instrument der Verwaltungsführung134. Der Aufsicht ist grundsätzlich die gesamte Tätigkeit der zentralen und dezentralen Verwaltung unterstellt. Allerdings richtet sich die Intensität nach der organisations-rechtlichen Ausgestaltung. Während die parlamentarische Oberaufsicht im Bereich der Zentralverwaltung eine sachlich umfassende ist, wird sie bei Dezentralisierun-gen vorab zur Aufsicht über die Aufsicht durch die Regierung. Wesentlich ist aller-dings, dass das Parlament dabei seine politischen Steuerungsmöglichkeiten behält. Mit anderen Worten: Auch ohne dass dies ausdrücklich im Verfassungsrecht ver-ankert sein muss, hat das Parlament aufgrund seiner politischen Verantwortung im gewaltenteiligen System kraft Aufsicht/Oberaufsicht allemal zu prüfen, ob die vom Staat zu verfolgenden öffentlichen Interessen wahrgenommen werden. Anknüp-fungspunkt für die Aufsicht bzw. Oberaufsicht kann damit nicht die Aufgabenerfül-lung im engeren Sinn sein, sondern vorab die Frage, ob der Staat mit der Wahr-nehmung öffentlicher Interessen betraut ist und wie er sich mit dieser Aufgabe grundsätzlich auseinandersetzt. Die BLVK erfüllt als Anstalt des kantonalen Rechts öffentliche Aufgaben im Sinne von Art. 95 Abs. 1 Bst. c KV. Sie steht – wie bereits mehrfach ausgeführt – unter der Aufsicht des Regierungsrats. Die Oberaufsicht des Grossen Rats beschränkt sich nach dem Gesagten auf die „politische Begleitung“ der BLVK im Sinne der so-eben erläuterten Gewaltenteilung ohne konkrete und direkte Einflussnahme auf die Aufsichtstätigkeit des Regierungsrates, die nach dem spezifischen Aufsichtssystem im Bereich der Vorsorgeeinrichtung ohnehin eine relativ beschränkte ist. Der Grosse Rat kann indessen mit den ihm zur Verfügung stehenden, vorab indirekt wirkenden Einflussmöglichkeiten (Frage- und Informationsrechte, Planungsinstru-mente) durchaus politische Akzente setzen für die Aufsicht über die Vorsorgeein-richtungen, soweit es das Bundesrecht überhaupt zulässt.

134 Näheres dazu in meinem Gutachten vom 24. April 2002 zu Handen der Finanzkommission des Grossen Rates zur Bedeutung der parlamentarischen Oberaufsicht über öffentliche Unternehmun-gen, insb. Ziff. 2.1.

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5. Hat der Regierungsrat bzw. die Erziehungsdirektion im Rahmen der Aufsichts-pflicht eigene Abklärungen zu treffen, bevor sie den von der Revisionsstelle und vom versicherungstechnischen Experten vorbehaltlos testierten Geschäftsbericht der BLVK genehmigt bzw. zur Genehmigung empfiehlt?

Angesichts der bekannten Schwächen des schweizerischen BVG-Aufsichtssys-tems, im Lichte der verbreiteten Pensionskassen-Fehlleistungen im Zusammen-hang mit der Vermögensanlage und -verwaltung in den letzten Jahren, in Würdi-gung der enormen volkswirtschaftlichen Bedeutung der Anlagevermögen aller BVG-Einrichtungen und mit Rücksicht auf die damit verbundene Publizität und poli-tische Brisanz der Vorgänge rund um die berufliche Vorsorge steigen die Anforde-rungen an die Prüfungsdichte bei der kantonalen Aufsichtsbehörde135. Das hat auch Auswirkungen auf die Sorgfaltspflichten des Regierungsrats bei der Geneh-migung des Jahresberichts und der Jahresrechnung der BLKV. Wohl soll sich der Regierungsrat auch weiterhin grundsätzlich auf das Ergebnis der sorgfältigen Prü-fung durch das ASVS und auf vorbehaltlose Testate der Kontrollstelle und des Ex-perten für berufliche Vorsorge verlassen können. Es dürfte sich indessen allemal rechtfertigen, in den Vorträgen der Finanzdirektion bzw. der Erziehungsdirektion an den Regierungsrat zur Genehmigung der Jahresrechnungen und der Jahresbe-richte der Bernischen Pensionskasse bzw. der BLVK diese Kontrollberichte sorgfäl-tig zu würdigen, dem Deckungskapital und dem Deckungsgrad gebührend Beach-tung zu schenken, insoweit Prognosen zu stellen und nötigenfalls strategische Ent-scheide zu fällen. Auf spezifische eigene Sonderprüfungen darf der Regierungsrat aber wohl verzichten, wenn in der Berichtsperiode keine besonderen Vorkomm-nisse zu würdigen sind. Der Vollständigkeit halber sei beigefügt, dass der Regierungsrat selbstverständlich die politischen Diskussionen zur Reform der BVG-Aufsicht aufmerksam verfolgen und daraus rechtzeitig die nötigen Konsequenzen zu ziehen hat. Wie auch die Finanzkontrolle mit Recht betont, wird der Regierungsrat sodann ein überzeugendes Profil für die Wahl der Mitglieder Verwaltungskommission der BLVG zu verabschieden, die Wahlen daran auszurichten und namentlich unter Mit-wirkung der Finanzkontrolle für ein den heute anerkannten Standards entsprechen-des Controlling-Konzept zu sorgen haben.

135 Vgl. dazu namentlich ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Aufsatz, S. 147

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6. Anhang

Literatur (Auswahl)

- EISENRING MARTIN TH. MARIA, Die Verantwortlichkeit für Vermögensanlagen von Vorsorgeeinrichtungen, Diss. ZH 1999

- GÄCHTER THOMAS, Übertragung von Pensionskassenaufgaben an Dienstleitungsunterneh-men (Outsourcing), in: AJP 2003, S. 33 ff.

- GEISER THOMAS, Haftung für Schäden der Pensionskassen: Überblick über die Haftungsre-geln bei der 2. Säule, in: Mélanges en l’honneur de Jean-Louis Duc, Lausanne 2001, S. 71 ff.

- GROSS BALZ, Die Haftpflicht des Staates, Diss. ZH 1996 - GROSS JOST, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., Bern 2001 (zit. Staatshaftung) - GROSS JOST, Staatshaftung für unterlassene Finanzaufsicht; in: AJP 2002, S. 747 ff. (zit. Fi-

nanzaufsicht) - GRISEL ETIENNE, La responsabilité patrimoniale des conseillers fédéraux, RDAF 1998 I, S.

113 ff. - GULLO DOMENICO, Die Verantwortlichkeit des Stiftungsrats in der Vorsorgeeinrichtung und

die Delegation von Aufgaben, in: SZS 2001, S. 40 ff. - HELBLING CHRISTOF/WYLER-SCHMELZER CARMELA, Zur Verantwortlichkeit des Stiftungsrates –

Die Haftung des Stiftungsrates von Personalvorsorgestiftungen, in: ST 2002, S. 11 ff. - JAAG TOBIAS, Staatshaftung nach dem Entwurf für die Revision und Vereinheitlichung des

Haftpflichtrecht, ZSR 2003, II. Halbband, S. 3 ff. - KÜNZLE, HANS RAINER, Die Verantwortung des Stiftungsrates – Krisenfälle weisen auf Rege-

lungslücken hin, in: ST, S. 539 ff. - LANTER MARCO, Die Verantwortlichkeit von Stiftungsorganen, Diss. ZH 1984 (zit. Diss.) - LANTER MARCO, Aufgaben und Verantwortlichkeit in der Stiftung, Basel und Frankfurt a.M.

1998 - MÜLLER ROLAND A., Die Verantwortlichkeit der Stiftungsräte von Vorsorgeeinrichtungen. AJP

2004 S. 131 ff. - PFITZMANN HANS J., Tätigkeit und Vorgehen der BVG-Aufsichtsbehörden, in: SZS 1987, S.

273 ff. - RIEMER HANS MICHAEL, Personenrecht des ZGB, 2. Aufl. Bern 2002 - RIEMER HANS MICHAEL, Das Recht der beruflichen Vorsorge, Bern 1985 - RUGGLI CHRISTINA, Die behördliche Aufsicht über Vorsorgeeinrichtungen, Diss. BS 1992 - SCHNEIDER JACQUES-ANDRE, Liberté et responsabilité dans la gestion de la fortune de pré-

voyance, in : SZS 1993, S. 185 ff. - SOBOTICH VIVIANE, Staatshaftung aus der Kontrolltätigkeit im Baurecht, Diss. ZH 2000 - VETTER-SCHREIBER ISABELLE, Staatliche Haftung bei mangelhafter BVG- Aufsichtstätigkeit,

Diss. ZH 1996 (zit. Diss.) - VETTER-SCHREIBER ISABELLE, Staatliche Haftung bei mangelhafter BVG- Aufsichtstätigkeit,

in: SZS 1997, S. 134 ff. (zit. Aufsatz) - VIELI DIEGO, Die Kontrolle der Stiftungen, insbesondere der Personalvorsorgestiftung

(Kontrollstelle und Experte für berufliche Vorsorge), Diss. ZH 1984

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Rechtsprechung (Auswahl)

- BGE 128 V 124 ff. (Voraussetzungen der Haftung nach Art. 52 BVG, vgl. dazu die kritische Urteilsanmerkung von Riemer Hans Michael, in: SZS 2003 S. 368 f.)

- Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 28. Januar 1998 i.S. Stiftung X. c. Kanton Schwyz, in: SZS 1999, S. 380 ff. (Haftung der kant. Aufsichtsbehörde richtet sich nach kantonalem Staatshaftungsgesetz und nicht nach Art. 52 BVG)

- Urteil der I. Kammer des Bundesgerichts vom 4. Mai 2004 i.S. Kanton Solothurn c. Stiftung Sicherheitsfonds BVG (Frage der Passivlegitimation des Kantons Solothurn im Verfahren gemäss Art. 56a Abs. 1 BVG i. V. m. Art. 73 Abs. 2 BVG)

- Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 12. Dezember 1994 zur Verant-wortlichkeit der kantonalen Stiftungsaufsichtsbehörde, SOG 1994 Nr. 44

- Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. November 1994 betreffend Verantwortlichkeit des Stiftungsrates, ZR 96 (1996) Nr. 32

- Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 21. Juni 2000 betr. Haftung von Stiftungsratsmitgliedern einer Personalvorsorgestiftung, ARGVP 2001 S. 62 ff.

- Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juli 2003 i.S. Basler Kantonalbank c. Kanton Wallis, in: Pra 2004, Nr. 53, S. 271 ff. (Finanzaufsicht des Staats-rates über die Gemeinde Leukerbad)

- Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. März 2004 i.S. Uhrenfabrik Thun-Gwatt/Loertscher/Hoffmann c. Kanton Bern betreffend Verantwortlichkeit wegen Hochwas-ser (21234U)

- Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. März 2004 i.S. Uhrenfabrik Thun-Gwatt/Loertscher/Hoffmann c Einwohnergemeinde Thun betreffend Verantwortlichkeit we-gen Hochwasser (21657U)

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Rechtliche Grundlagen

1. Bundesrechtliche Grundlagen

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG) vom 25. Juni 1982 (SR 831.40)

Art. 52 Verantwortlichkeit

Alle mit der Verwaltung, Geschäftsführung oder Kontrolle der Vorsorgeeinrichtung betrauten Personen sind für den Schaden verantwortlich, den sie ihr absichtlich oder fahrlässig zufü-gen. Art. 61 Aufsichtsbehörde 1 Jeder Kanton bezeichnet eine Behörde, welche die Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz auf sei-nem Gebiet beaufsichtigt. 2 Der Bundesrat legt fest, unter welchen Voraussetzungen Vorsorgeeinrichtungen der Auf-sicht des Bundes unterstehen. 3 Die Gesetzgebung über die Versicherungsaufsicht bleibt vorbehalten. Art. 62 Aufgaben 1 Die Aufsichtsbehörde wacht darüber, dass die Vorsorgeeinrichtung sowie die Einrichtung, die nach ihrem Zweck der beruflichen Vorsorge dient, die gesetzlichen Vorschriften einhal-ten, indem sie insbesondere:

a. die Übereinstimmung der reglementarischen Bestimmungen mit den gesetzlichen Vor-schriften prüft;

b. von der Vorsorgeeinrichtung sowie von der Einrichtung, die nach ihrem Zweck der be-ruflichen Vorsorge dient, jährlich Berichterstattung fordern, namentlich über ihre Ge-schäftstätigkeit;

c. Einsicht in die Berichte der Kontrollstelle und des Experten für berufliche Vorsorge nimmt;

d. die Massnahmen zur Behebung von Mängeln trifft; e. Streitigkeiten betreffend das Recht der versicherten Person auf Information gemäss den

Artikeln 65a und 86b Absatz 2 beurteilen; dieses Verfahren ist für die Versicherten in der Regel kostenlos.

2 Sie übernimmt bei Stiftungen auch die Aufgaben nach den Artikeln 84 Absatz 2, 85 und 86 des Zivilgesetzbuches. Art. 63 Aufsicht über den Sicherheitsfonds und die Auffangeinrichtung 1 Der Sicherheitsfonds und die Auffangeinrichtung unterstehen der Aufsicht des Bundes. 2 Gründungsurkunde und reglementarische Bestimmungen bedürfen der Genehmigung des Bundesrates. Jahresbericht und Jahresrechnung sind ihm zur Kenntnis zu bringen. Art. 64 Oberaufsicht 1 Die Aufsichtsbehörden unterstehen der Oberaufsicht des Bundesrates. 2 Der Bundesrat kann ihnen Weisungen erteilen.

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Prof. U. Zimmerli Gutachten „Bernische Lehrerversicherungskasse“ vom 1. Juli 2004 41

Verordnung über die Beaufsichtigung und die Registrierung der Vorsorgeeinrichtungen (BVV 1) vom 29. Juni 1983 (SR 831.435.1)

Art. 1 Kantonale Aufsichtsbehörde 1 Aufsichtsbehörde nach Artikel 61 Absatz 1 BVG ist eine zentrale kantonale Instanz. 2 Die Kantone können zur Unterstützung der kantonalen Aufsichtsbehörde Aufgaben weite-ren Kantons- und Gemeindeinstanzen übertragen. Entscheide, die mit Rechtsmitteln an-fechtbar sind, dürfen aber nur von der zentralen kantonalen Aufsichtsbehörde getroffen werden. 3 Die kantonale Aufsichtsbehörde hat gegenüber den weiteren Kantons und Gemeindein-stanzen Weisungs- und Kontrollrecht. Art. 2 Kantonale öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen

Die kantonale Aufsichtsbehörde trägt bei der Ausübung der Aufsicht über die öffentlich- rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen der Aufsicht Rechnung, die nach dem geltenden Recht bereits durch eine andere kantonale Behörde ausgeübt wird.

Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVV 2) vom 18. April 1984 (SR 831.441.1)

3. Kapitel: Organisation

1. Abschnitt: Kontrollstelle

Art. 35 Aufgaben (Art. 53 Abs. 1 und 4, 62 Abs. 1 BVG) 1 Die Kontrollstelle muss jährlich die Gesetzes-, Verordnungs-, Weisungs- und Regle-mentskonformität (Rechtmässigkeit) der Jahresrechnung und der Alterskonten prüfen. 2 Sie muss ebenso jährlich die Rechtmässigkeit der Geschäftsführung, insbesondere die Beitragserhebung und die Ausrichtung der Leistungen, sowie die Rechtmässigkeit der An-lage des Vermögens prüfen. 3 Die Kontrollstelle muss dem obersten Organ der Vorsorgeeinrichtung schriftlich über das Ergebnis ihrer Prüfung berichten. Sie empfiehlt Genehmigung, mit oder ohne Einschrän-kung, oder Rückweisung der Jahresrechnung. Stellt die Kontrollstelle bei der Durchführung ihrer Prüfung Verstösse gegen Gesetz, Verordnung, Weisungen oder Reglemente fest, so hält sie dies in ihrem Bericht fest. 4 Überträgt die Vorsorgeeinrichtung die Geschäftsführung oder die Verwaltung ganz oder teilweise einem Dritten, so ist auch die Tätigkeit dieses Dritten ordnungsgemäss zu prüfen. 5 Das Bundesamt für Sozialversicherung kann gegenüber den Aufsichtsbehörden Weisun-gen über den Inhalt und die Form der Kontrollen erlassen. Art. 36 Verhältnis zur Aufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 und 4, 62 Abs. 1 BVG) 1 Die Kontrollstelle muss die jährliche Prüfung der Geschäftsführung, des Rechnungswesens und der Vermögensanlage nach den hiefür erlassenen Weisungen durchführen. Sie über-mittelt der Aufsichtsbehörde ein Doppel des Kontrollberichts. 2 Stellt die Kontrollstelle bei ihrer Prüfung Mängel fest, so muss sie der Vorsorgeeinrichtung eine angemessene Frist zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustandes ansetzen. Wird die Frist nicht eingehalten, so muss sie die Aufsichtsbehörde benachrichtigen. 3 Die Kontrollstelle muss die Aufsichtsbehörde unverzüglich benachrichtigen, wenn die Lage der Vorsorgeeinrichtung ein rasches Einschreiten erfordert oder wenn ihr Mandat abläuft.

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Prof. U. Zimmerli Gutachten „Bernische Lehrerversicherungskasse“ vom 1. Juli 2004 42

Art. 44 Unterdeckung (Art. 65 BVG) 1 Eine Unterdeckung besteht, wenn am Bilanzstichtag das nach anerkannten Grundsätzen durch den Experten für berufliche Vorsorge berechnete versicherungstechnisch notwendige Vorsorgekapital nicht durch das dafür verfügbare Vorsorgevermögen gedeckt ist. Die Ein-zelheiten für die Ermittlung der Unterdeckung sind im Anhang festgelegt. 2 Die Vorsorgeeinrichtung muss eine Unterdeckung selbst beheben. Der Sicherheitsfonds tritt erst dafür ein, wenn sie zahlungsunfähig ist. 3 Die Vorsorgeeinrichtung muss die Aufsichtsbehörde:

a. über die Unterdeckung unterrichten. Die Meldung muss spätestens dann erfolgen, wenn die Unterdeckung aufgrund der Jahresrechnung ausgewiesen ist;

b. über die zur Behebung der Unterdeckung ergriffenen Massnahmen informieren und sich über den Zeitraum äussern, in welchem die Unterdeckung voraussichtlich behoben werden kann;

c. regelmässig über die Umsetzung des Massnahmenkonzepts und über die Wirksamkeit der Massnahmen orientieren.

4 Sie muss zudem die Versicherten, Rentnerinnen und Rentner angemessen über die Un-terdeckung und die Massnahmen zu deren Behebung informieren. 5 Die Massnahmen müssen dem Grad der Unterdeckung angepasst sein.

Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (SR 220)

G. Verantwortlichkeit öffentlicher Beamter und Angestellter

Art. 61 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Aus-übung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestim-mungen aufstellen. 2 Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden.

2. Kantonalrechtliche Grundlagen Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (BSG 101.1)

Art. 71 Haftung 1 Der Kanton und die anderen Träger öffentlicher Aufgaben haften für den Schaden, den ihre Organe bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeiten widerrechtlich verursachen. 2 Das Gesetz umschreibt die Haftung in weiteren Fällen. Es regelt die Verantwortlichkeit der Behörden und des Personals der kantonalen Verwaltung. 3 Das Gesetz bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Kanton auch für Schäden ein-zustehen hat, die seine Organe durch rechtmässiges Handeln verursachen.

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Prof. U. Zimmerli Gutachten „Bernische Lehrerversicherungskasse“ vom 1. Juli 2004 43

Art. 78 Aufsicht

Der Grosse Rat beaufsichtigt die Regierung und die Geschäftsführung der obersten Ge-richte und führt die Oberaufsicht über die Verwaltung und die anderen Träger öffentlicher Aufgaben.

Art. 95 Andere Träger öffentlicher Aufgaben 1 Der Kanton kann a. Anstalten und andere Institutionen des öffentlichen und privaten Rechts errichten; b. sich an Institutionen des öffentlichen und privaten Rechts beteiligen; c. öffentliche Aufgaben an Private und Institutionen ausserhalb der Verwaltung über-

tragen. 2 Im Gesetz zu regeln sind namentlich a. die Grundzüge der Organisation und der Aufgaben der Anstalten und Institutionen,

die vom Kanton errichtet werden, b. Art und Rahmen der Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen, c. Art und Umfang von bedeutenden kantonalen Beteiligungen, d. Art und Umfang der Übertragung einer öffentlichen Aufgabe, sofern diese eine

bedeutende Leistung zum Gegenstand hat oder zur Einschränkung von Grund-rechten oder zur Erhebung von Abgaben ermächtigt.

3 Diese Träger öffentlicher Aufgaben stehen unter der Aufsicht des Regierungsrates. Das Gesetz sorgt für eine angemessene Mitwirkung des Grossen Rates.

Gesetz über das öffentliche Dienstrecht (Personalgesetz, PG) vom 5. November 1992 (BSG 153.01)

Staatshaftung

Art. 47 Grundsatz 1 Der Kanton haftet für den Schaden, den er, d. h. seine Behörden oder Kommissionen, de-ren Mitglieder sowie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ausübung ihrer amtlichen Tä-tigkeit Dritten widerrechtlich zugefügt haben. 2 Der Kanton steht auch ein für den Schaden, den er rechtmässig verursacht hat, wenn ein-zelne unverhältnismässig schwer betroffen sind und ihnen nicht zugemutet werden kann, den Schaden selber zu tragen. 3 Für Verletzungen der körperlichen Integrität und schwere Persönlichkeitsverletzungen ha-ben die Geschädigten Anspruch auf eine angemessene Genugtuung.

Art. 48 Haftung von Organisationen oder Personen ausserhalb der Kantonsver-waltung 1 Öffentliche Organisationen des kantonalen Rechts und private Organisationen oder Per-sonen, die unmittelbar mit kantonalen öffentlichen Aufgaben betraut sind, haften für den Schaden, den ihre Organe oder Angestellten Dritten in Erfüllung ihrer Aufgabe widerrecht-lich zugefügt haben.

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Prof. U. Zimmerli Gutachten „Bernische Lehrerversicherungskasse“ vom 1. Juli 2004 44

2 Wird ein Schaden, für den eine Organisation ausserhalb der Kantonsverwaltung verant-wortlich geworden ist, nicht gedeckt, so haftet der Kanton für den Ausfall. In diesem Umfang geht die Forderung der Geschädigten auf den Kanton über.

Art. 49 Persönliche Verantwortlichkeit 1 Die Verantwortlichen können von Dritten nicht belangt werden. 2 Dem Kanton oder den Organisationen steht für die den Dritten geleisteten Entschädigun-gen der Rückgriff auf die Verantwortlichen zu, sofern diese den Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht haben. 3 Die Verantwortlichen haften dem Kanton oder ihrer öffentlichen Organisation für vorsätz-lich oder grobfahrlässig zugefügten Schaden. 4 Die Verantwortlichen haften dem Kanton oder der öffentlichen Organisation anteilsmässig nach dem Grad ihres Verschuldens, wenn sie den Schaden gemeinsam verursacht haben. 5 Der Kanton oder die öffentliche Organisation kann auf seine Ansprüche gegenüber den Verantwortlichen ganz oder teilweise verzichten, wenn es unter Würdigung aller Umstände als gerechtfertigt erscheint. Dabei sind insbesondere die Entstehung der Schädigung, das bisherige dienstliche Verhalten und eine allfällige finanzielle Notlage der Betroffenen zu be-rücksichtigen.

Art. 50 Verfahren 1 Ansprüche aufgrund dieses Gesetzes gegenüber dem Kanton oder Organisationen aus-serhalb der kantonalen Verwaltung sind durch Klage nach den Vorschriften des Verwal-tungsrechtspflegegesetzes geltend zu machen. 2 Auf eine Klage gegen den Kanton darf erst eingetreten werden, wenn die Klagenden sich wenigstens 30 Tage zuvor erfolglos an den Regierungsrat gewendet haben. Das Forde-rungsbegehren an den Regierungsrat unterbricht die Verjährung in diesen Fällen.

Art. 51 Ergänzende und konkurrierende Vorschriften 1 Die Bestimmungen des Schweizerischen Obligationenrechts gelten als ergänzendes

kantonales Recht. 2 Besondere bundesrechtliche oder kantonale Haftungsbestimmungen schliessen die

Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes nicht aus. Dekret über die Bernische Lehrerversicherungskasse vom 16. Mai 1989 (BSG 430.261)

Art. 1 Grundsatz

Die Bernische Lehrerversicherungskasse (nachstehend Kasse genannt) ist eine Vorsorge-einrichtung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Bern. Sie versichert ihre Mitglieder gegen die wirtschaftlichen Folgen der Invalidität, des Alters und des Todes. Sie nimmt an der obligato-rischen Versicherung nach dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 (nachstehend BVG genannt) teil. Ihre Verhältnisse werden unter Vorbehalt der Bestimmungen dieses Dekretes durch eigene Statuten geregelt.

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Art. 11 Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts 1 Überobligatorische Leistungsverbesserungen zugunsten der anspruchsberechtigten Per-sonen oder eine Senkung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge dürfen nur vorge-nommen werden, wenn der Deckungsgrad mindestens 100 Prozent beträgt und das finan-zielle Gleichgewicht der Kasse gesichert ist. 2 Die Verwaltungskommission leitet im Falle einer dauernden finanziellen Verschlechterung der Kasse die notwendigen Sanierungsmassnahmen ein. Die angeschlossenen Institutionen haben an allfällige Sanierungsmassnahmen anteilmässig beizutragen.

Verordnung betreffend die Aufsicht über die Stiftungen und die Vorsorgeeinrichtungen (Stif-tungsverordnung; StiV) vom 10. November 1993 (BSG 212.223.1)

Art. 1 Geltungsbereich 1 Diese Verordnung regelt die Aufsicht über a. Stiftungen im Sinne von Artikel 80 ff. ZGB (klassische Stiftungen), b. Personalfürsorgestiftungen im Sinne von Artikel 89 bis ZGB und c. Vorsorgeeinrichtungen des privaten und des öffentlichen Rechts im Sinne von Arti-

kel 48 ff. BVG, die ihren Sitz im Kanton haben. 2 Diese Verordnung ist nicht anwendbar auf kirchliche Stiftungen und auf Familienstiftungen (Art. 87 ZGB). 3 Sie ist auch nicht anwendbar auf Stiftungen und Vorsorgeeinrichtungen, die unter der Auf-sicht des Bundes stehen.

Art. 3 b) für Personalfürsorgestiftungen und für Vorsorgeeinrichtungen

Die Personalfürsorgestiftungen und die Vorsorgeeinrichtungen stehen unter der Aufsicht des Amts für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht.

Art. 12a b) für Personalfürsorgestiftungen und Vorsorgeeinrichtungen 1 Die Personalfürsorgestiftungen und Vorsorgeeinrichtungen haben der Aufsichtsbehörde alljährlich innert den dem Rechnungsabschluss folgenden sechs Monaten die folgenden Unterlagen einzureichen:

a. den Tätigkeits- oder den Jahresbericht; b. Die Jahresrechnung, bestehend aus Bilanz, Betriebsrechnung und Anhang (Art. 47

der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge [BVV 2]);

c. den Bericht der Kontrollstelle. 2 Der Anhang enthält mindestens folgende ergänzende Angaben und Erläuterungen:

a. die Rechtsform und Organisation sowie die personelle Zusammensetzung des obersten Organs und der Zeichnungsberechtigten;

b. Angaben über die Vermögensanlagen wie namentlich: 1. die Zusammensetzung nach Anlagekategorien; 2. den Kurswert der Wertschriften und den Verkehrswert der Liegenschaften; 3. die Bewertungsgrundsätze; 4. die Rückstellungen und Reserven für Wertschwankungen, wobei zwischen

den vorhandenen und den notwendigen zu unterscheiden ist;

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5. den Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten nach Artikel 56a BVV 2; 6. die Ausleihe von Wertschriften; 7. den Stand, die Veränderung sowie Art und Umfang der Sicherstellung der

Forderungen gegenüber den Arbeitgeberfirmen und der Beteiligungen an diesen;

8. die Erweiterung der Anlagemöglichkeiten nach Artikel 59 BVV 2; 9. die Verpfändung von Ansprüchen der Personalfürsorgestiftung oder Vorsor-

geeinrichtung zur Sicherstellung eines Darlehens von der Versicherungsein-richtung.

c. versicherungstechnische Angaben wie namentlich: 1. die Finanzierung und die Art der Risikodeckung; 2. die aktuelle Höhe der Deckungskapitalien oder Sparkapitalien,

einschliesslich der versicherungstechnischen Rückstellungen der aktiv versicherten Personen sowie der Rentnerinnen und Rentner;

3. die Rückkaufswerte aus Kollektivversicherungsverträgen; 4. das Ergebnis des letzten Berichts der Expertin oder des Experten für berufli-

che Vorsorge (Abs. 3) sowie der Stichtag der Bewertung; 5. bei Deckungslücken die Angaben nach Artikel 15 Absatz 4;

d. Bestand und Veränderung der Versicherten und der Anspruchsberechtigten; e. Ausstand an Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen; f. ergänzende Erläuterungen zur Betriebsrechnung; g. wichtige Ereignisse nach dem Bilanzstichtag.

3 Werden reglementarische Leistungen erbracht, so ist der Aufsichtsbehörde in der Regel periodisch, mindestens aber alle drei Jahre, ein Bericht der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge einzureichen. Der Bericht ist häufiger einzureichen, wenn gegenüber dem letzten Bericht besondere Entwicklungen im Versichertenbestand, in den Vermögens-anlagen oder in den versicherungstechnischen Annahmen eingetreten sind. 4 Die Aufsichtsbehörde kann jederzeit weitere Angaben, Berichte und Unterlagen einfordern oder am Sitz der Personalfürsorgestiftung oder der Vorsorgeeinrichtung einsehen.

Art. 13a b) für Personalfürsorgestiftungen und Vorsorgeeinrichtungen 1 Für die Vermögensverwaltung und Vermögensanlage gelten die entsprechenden Bestim-mungen des BVG sowie der dazugehörigen Verordnungen. 2 Ziele und Grundsätze für die Vermögensanlage sind in einem Anlagereglement festzule-gen. 3 Die erforderlichen Rückstellungen und Reserven sind nach Massgabe der gewählten Ziele und Grundsätze für die Vermögensanlage im Anlagereglement festzulegen. 4 Anstelle eines Anlagereglements kann die Aufsichtsbehörde bei besonderen Verhältnissen ein Anlagebeschluss des obersten Organs zulassen.

Art. 15 Unterdeckung 1 Stellt die Personalfürsorgestiftung oder die Vorsorgeeinrichtung eine Unterdeckung (Art. 44 BVV 2) fest, so meldet sie dies unverzüglich, spätestens aber bei der nächsten Jahresbe-richterstattung, der Aufsichtsbehörde. Die Meldung umfasst einen vom obersten Organ ge-nehmigten Bericht und einen aktuellen Bericht der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge.

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2 Der Bericht des obersten Organs enthält mindestens die folgenden Angaben mit Erläute-rungen: a. Ursachen und Grad der Unterdeckung, b. einen Sanierungsplan, aus welchem die Massnahmen zur Behebung der Unterde-

ckung, das Konzept dieser Massnahmen sowie der Zeitraum für die voraussichtli-che Behebung der Unterdeckung hervorgehen,

c. Nachweis, dass der absehbare Liquiditätsbedarf gedeckt werden kann, d. Konzept für die Information der Versicherten, Rentnerinnen und Rentner über die

Unterdeckung sowie über die Massnahmen zu deren Behebung, e. wesentliche Vorkommnisse nach dem Bilanzstichtag, f. künftige absehbare Ereignisse, g. Ergebnisse von allfälligen weiteren Untersuchungen mit den Berichten der zuge-

zogenen Expertinnen und Experten. 3 Der Bericht der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge enthält mindestens die folgenden Angaben mit Erläuterungen: a. Beurteilung der Unterdeckung und der dagegen getroffenen Massnahmen, b. Beurteilung, ob die Personalfürsorgestiftung oder die Vorsorgeeinrichtung unter

Berücksichtigung der getroffenen Massnahmen in der Lage ist, trotz Vorliegen ei-ner Unterdeckung Sicherheit für die Erfüllung des Vorsorgezwecks zu gewähr-leisten und ob das finanzielle Gleichgewicht innert nützlicher Frist wieder herge-stellt werden kann.

4 Die Aufsichtsbehörde ist, wenn sie nichts anderes anordnet, spätestens bei der Einrei-chung der Jahresberichterstattung über die Umsetzung des Sanierungsplans sowie über die Wirksamkeit der Massnahmen zu orientieren. 5 Die Aufsichtsbehörde kann jederzeit weitere Angaben, Berichte und Unterlagen einfordern oder am Sitz der Personalfürsorgestiftung oder der Vorsorgeeinrichtung einsehen.

VI. Aufgaben und Kompetenzen der Aufsichtsbehörden

Art. 25 Aufgaben und Kompetenzen 1 Die Aufsichtsbehörden üben die ihnen im schweizerischen Zivilgesetzbuch und in der Bun-desgesetzgebung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge über-tragenen Aufgaben aus. 2 In dieser Eigenschaft werden sie von Amtes wegen oder auf Anzeige hin tätig und ergrei-fen die erforderlichen Massnahmen. 3 Zur Erfüllung dieser Aufgaben stehen ihnen insbesondere folgende Aufsichtsmittel zur Verfügung: a. die Prüfung und Genehmigung der eingereichten Unterlagen, wie Tätigkeitsbe-

richte, Jahresrechnungen, Reglemente und Anträge auf Änderung der Statuten; b. die Prüfung der Geschäftsführung am Sitz der Stiftung oder der Vorsorgeeinrich-

tung; c. das Erteilen von Weisungen an die Organe, an den Experten oder die Expertin für

berufliche Vorsorge und an die Kontrollstelle; d. die Ermahnung, die Verwarnung und die Abberufung der Organe; e. die Einsetzung einer kommissarischen Verwaltung; f. die Aufhebung und Änderung von Entscheiden der Organe;

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g. die Ersatzvornahme und h. bei Personalfürsorgestiftungen und Vorsorgeeinrichtungen das Verhängen einer

Busse.

Art. 26 Wirkung

Die Tätigkeit der Aufsichtsbehörde bedeutet weder Zustimmung noch Entlastung im zivil-rechtlichen Sinn; sie entbindet weder die Organe der Stiftungen und der Vorsorgeeinrichtun-gen, noch die Kontrollstellen, noch die Experten oder die Expertinnen der beruflichen Vor-sorge von ihrer Verantwortung.