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Regionale Wirtschaftsförderung und die Transformation in den neuen Bundesländern Olaf Sievert Mit einem Vorwort von Gert Dahlmanns

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Regionale Wirtschaftsförderungund die Transformation in denneuen Bundesländern

Olaf Sievert

Mit einem Vorwortvon Gert Dahlmanns

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© September 1995

Frankfurter Institut – Stiftung Marktwirtschaft und PolitikKaiser-Friedrich-Promenade 157, 61352 Bad Homburg

ISBN 3-89015-47-0

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Inhalt

Wirtschaftsförderung – von Nutzen undGrenzen staatlicher TätigkeitVorwort

Gert Dahlmanns

Regionale Wirtschaftsförderung und dieTransformation in den neuen Bundesländern

Olaf Sievert

Vorbemerkung

I. Die Transformation und der Strukturwandel in

Ostdeutschland

II. Warum, welche, wieviel und wie lange

Wirtschaftsförderung?

1. Für Standortverbesserung

2. Für Investitionsförderung

3. Das künftige Hauptproblem: Risikokapital

Schlußbemerkung

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Wirtschaftsförderung – von Nutzenund Grenzen staatlicher Tätigkeit

Gert Dahlmanns

Es gibt Tätigkeiten der öffentlichen Hand, die – oft genuggegen jede Vernunft – seit langem offenbar keiner Recht-fertigung mehr bedürfen, Aktivitäten, bei denen alleinschon der Begriff hinreichend Grund für immer aufwendi-gere staatliche Maßnahmen ist. Zu ihnen zählt – nebenallem, dem sich das magische Beiwort „sozial“ verleihenläßt – das nicht weniger umfassend verstandene Feld derWirtschaftsförderung. Hier wie dort gelten Mittelvertei-lung im großen, weit ausholenden Stil als Ausweis enga-gierter Staatskunst, Milliardenbeträge als gängige Rechen-einheit.

Doch das Ende so verstandener Politik ist nahe, der Grunddafür so einfach wie einsehbar. Der öffentlichen Handgehen die für ihre expansive Staatstätigkeit benötigtenMittel aus, und weitere kann sie sich nicht mehr holen.Steuerlast und Staatsverschuldung in Rekordhöhen stellensich dem entgegen.

Ein Zeitpunkt wie dieser ist günstig – nicht, um Hals überKopf ins gegenteilige Extrem zu verfallen und den Staatzu einem ungeordneten Rückzug aus der Wirtschafts- undSozialpolitik zu veranlassen, sondern um gerade dort wie-der ins Denken zu kommen, wo bislang Denkblockadenund Tabus – häufig als Systemzwang und Pragmatismusgetarnt – den Zugang zur Realität mehr und mehr versperrthaben. Nachzudenken ist vor allem über die Ziele, die wirals Gesellschaft und Staat uns auf wirtschaftlichem wiesozialem Gebiet setzen und welchen Zustand wir eigent-

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lich anstreben wollen. Sodann muß Rechenschaft darüberabgelegt werden, inwieweit der bisher praktizierte Einsatzöffentlicher Mittel zur Erreichung dieser Ziele überhauptgeeignet und in welchem Umfang er unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten vertretbar ist. Schließlich sind – hier wiedort – die Aus- und Nebenwirkungen staatlicher Steue-rung und Alimentierung in die Betrachtung und das vor-ausschauende Kalkül einzubeziehen. Um diese gründlicheEvaluierung aller seiner bisherigen Staatstätigkeit kommtDeutschland jetzt nicht mehr herum. Schon die seit demEpochenwechsel von 1989/90 grundlegend veränderteweltwirtschaftliche Ausgangslage und auch die demogra-phische Entwicklung im Innern verbieten ein Weiterma-chen wie bisher.

Naheliegender Anlaß für eine grundsätzliche Bewertungstaatlicher Wirtschafts- und insbesondere Regionalförde-rung ist der fünfte Jahrestag der 1990 eingeführtendeutsch-deutschen Wirtschafts- und Währungsunion. Ineinigem Abstand und doch nicht allzugroßer Ferne vondiesem Ereignis können wir heute nicht nur ein halbesJahrzehnt wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Entwick-lung in den neuen Bundesländern überblicken, sondernauch die zur Förderung des dahinterstehenden Aufhol-und Angleichungsprozesses eingesetzten staatlichen In-strumente besser und selbstkritischer werten als zuvor.

Der – an der Größe der Aufgabe gemessen – insgesamtsehr erfolgreiche Weg, den Deutschland seit den Tagender Wirtschafts- und Währungsunion zurückgelegt hat,macht freilich auch ein Dilemma in der Beurteilung staat-licher Wirtschaftsförderung deutlich, das wir uns bewußtmachen müssen. Einerseits wäre das wirtschaftliche, so-ziale und politische Aufeinander-Zuwachsen der beiden

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Teile Deutschlands ohne massive staatliche Regionalför-derung nicht möglich gewesen – jedenfalls nicht in der zurVerfügung stehenden Zeit und in dem bis heute erreichtenMaße.

Andererseits werden die Regionen der neuen Bundeslän-der – und die der alten erst recht – auf mittlere Sicht ohneden Großteil solcher Stützen auskommen müssen. Dennstaatliche Wirtschaftsförderung, die zur Dauereinrichtungdegeneriert, vereitelt damit unweigerlich ihre eigenen Zie-le. Indem sie den Wettbewerb um die bestmögliche Nut-zung der Ressourcen und die wirtschaftlichste Problemlö-sung untergräbt, vernichtet sie gegenüber einer funktions-fähig gehaltenen Marktwirtschaft Arbeitsplätze undschmälert die Realeinkommen. Das aber ist ein zu hoher,nicht zu tolerierender Preis für noch so gut gemeinte Ein-griffe des Staates in das Wirtschaftsleben und seine Wett-bewerbsordnung.

Wirtschaftsförderung – eine ständige Gratwanderung

So erweist sich Wirtschaftsförderung als eine ständigeGratwanderung. Das eigentlich Gefährliche an ihr ist dieSelbstverständlichkeit, mit der sie bis heute beinah fraglosbetrieben, ausgeweitet und allgemein hingenommen wird.Allen in irgendeiner Weise daran Beteiligten erscheint sieals geradezu natürlicher Weg, um die Wirtschaft einesLandes ganz oder in Teilen weiter voranzubringen.

Im Urteil der zur Förderung anstehenden Region ist sieohnehin geboten, ja selbstverständlich, weil sie ihr daswirtschaftliche Überleben sichern oder zumindest erleich-tern hilft und dadurch zum Erhalt von Arbeitsplätzen bei-trägt. Unter gleicher Berufung auf das Gemeinwohl argu-

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mentieren die um öffentliche Hilfen nachsuchenden Bran-chen oder Einzelunternehmen. Nicht viel anders agierendie Tarifpartner, die einen Teil der durch überhöhte Lohn-abmachungen verursachten, wirtschaftlich nicht tragbarenKosten wie selbstverständlich der öffentlichen Hand zu-schieben. Die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit – so wenigsie sich Gedanken über die wirtschaftspolitischen Zusam-menhänge und die von ihr auch hier aufzubringendenMittel macht – möchte möglichst bald und überall „blü-hende Landschaften“ sehen. Im Glauben an die unbe-grenzten Möglichkeiten der öffentlichen Hand großgezo-gen, ist sie davon überzeugt, nichts und niemand könnediese Blüten besser und schneller hervorzaubern als derStaat, auch wenn er dafür wieder einmal klotzen stattkleckern muß.

Die Politiker schließlich, die auf den verschiedenen Ebe-nen über die Bereitstellung und Vergabe der dazu notwen-digen Mittel befinden, sehen sich bei dieser Sach- undGemütslage aller Beteiligten zu intensiver Wirtschaftsför-derung fast schon in die Pflicht genommen. Gerade hiermassiv einzugreifen entspricht ohnehin ihrem Verständnisvon „aktiver“ Politik und ihrem eigenen Interesse, mitöffentlichen Mitteln und Maßnahmen Erfolge herbeizu-führen, die sich jedenfalls alsbald vorzeigen und mit ihremeigenen Namen oder dem ihres politischen Lagers in Ver-bindung bringen lassen. Daß die Erfolge solcher Aktionenmöglicherweise nicht von Dauer sind oder sich zu einemspäteren Zeitpunkt als kontraproduktiv herausstellen, zähltwenig in einer vornehmlich auf das reine Gegenwartsin-teresse ausgerichteten Gesellschaft mit ihrem im kurzenVierjahres-Rhythmus atmenden politischen System, indem selbst grundlegende wirtschaftspolitische Entschei-

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dungen oftmals eher am Wahlkalkül als an sachlichenKriterien orientiert werden.

Bei dieser Ausgangssituation kann es kaum verwundern,daß Sinn, Inhalt und Begrenzung staatlicher Wirtschafts-förderung in unserem Land schon lange nicht mehr ernst-haft befragt und die bedenklichen Seiten dieser Art vonStaatstätigkeit weitgehend ausgeblendet werden. Eine derFolgen davon: Die auf Förderung und damit auch Steue-rung des Wirtschaftslebens gerichtete Tätigkeit der öffent-lichen Hand wird schon längst nicht mehr als Ausnahme-tatbestand angesehen. Der in einer funktionsfähigen markt-wirtschaftlichen Ordnung nur in Grenzfällen hilfreicheund unschädliche Eingriff der öffentlichen Hand in dasWirtschaftsleben ist inzwischen fast zur Regel geworden.So hat sich in der Praxis und noch mehr in dem sie tragen-den allgemeinen Bewußtsein eine Art Umkehr der Be-weislast herausgebildet: Kommt die Wirtschaft – regional,branchenspezifisch und manchmal auch unternehmensbe-zogen – allein nicht mehr zurecht, muß der Staat ihr mitöffentlichen Mitteln unter die Arme greifen. Will er dasnicht tun und seine Hilfe versagen, gerät er in Begrün-dungszwang.

Diese Einstellung, nach der heute tausendfach gehandeltwird, nach der laufend Ansprüche gestellt und eingelöstwerden, legt Parallelen zu dem schon genannten anderenBereich expansiver staatlicher Tätigkeit nahe – dem dessogenannten Sozialen. Beide Gebiete teilen bereits dieweitgehende Unbestimmtheit ihres Gegenstands. Hier wiedort bleiben die Konturen im Nebel, die Kriterien weichund die Modalitäten der Ausführung weithin in das Er-messen der öffentlichen Hand und ihrer Sachwalter ge-stellt. Beide Gebiete arbeiten mit Beihilfen, Subventionen

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und der ganzen Bandbreite steuerlicher Instrumente. Undbeide, deren Ziele sich im übrigen oft überschneiden – inmanchen Augen ist Wirtschaftsförderung geradezu eineweitere Agentur der Sozialpolitik –, tendieren zu unkon-trolliertem Ausufern. Beide ziehen Belastungen nach sich,die Fiskus und Steuerzahler immer weniger verkraftenkönnen. Deshalb müssen ihnen Grenzen gesetzt werden –mit klaren Zieldefinitionen ebenso wie mit einer genauenBestimmung ihrer Aufgaben, Instrumente und Mittel.

Für die in eine marktwirtschaftliche Ordnung eingebetteteregionale Wirtschaftsförderung heißt das: Ihr vorrangigesZiel muß sein, solide unternehmerische Entscheidungenfür den zur Verbesserung vorgesehenen Standort herbei-zuführen. Die dafür aufzubringende Förderung ist sodann– gedanklich schon und in der praktischen Ausgestaltung– so anzulegen, daß sie die Ursachen der Förderungsbe-dürftigkeit allmählich abbaut und sich damit demnächstselber überflüssig macht. An diesen beiden Postulaten –der Mobilisierung unternehmerischen Potentials und derSchaffung von Strukturen, die alsbald der öffentlichenUnterstützung entwachsen – sind alle Maßnahmen undInstrumente staatlicher Wirtschaftsförderung zu messen.

Wirtschaftsförderung in den neuen Ländern

Das gilt auch für die Regionalpolitik zur Förderung derneuen Bundesländer. Inzwischen dürfte unbestritten sein:Ohne massive staatliche Wirtschaftsförderung hätten diebis an den Staatsbankrott heruntergewirtschafteten, auseigener Kraft nicht länger existenzfähigen Landstrichezwischen Elbe und Oder in der zur Verfügung stehendenZeit nicht wieder lebensfähig gemacht werden können.Denn die Marktkräfte hätten, ihrer zwingenden Logik fol-

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gend, dieses Land höchst unwirtlicher Standortfaktorenauf lange Zeit gemieden.

Deshalb wurde, um die unerläßliche Aufbauarbeit über-haupt in Gang zu setzen, die strukturellen Grundlagen fürerfolgreiches Wirtschaften zu legen und bei alledem dieMenschen im Lande zu belassen, ein Ressourcentransferbisher nicht gekannten Ausmaßes in die Wege geleitet. ImVerlauf von rund fünf Jahren dürften bis Ende 1995 ausöffentlichen Mitteln an die 780 Milliarden Mark netto indie neuen Bundesländer geflossen sein. Nur mit Hilfedieser gigantischen Beträge war es möglich, dem vielenSchocks gleichzeitig ausgesetzten Land wieder den Wegzu wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu bahnen.

Und diese Mittel sind nicht ohne spürbare Ergebnissegeblieben. Schon im vergangenen Jahr wiesen die neuenBundesländer eine neunprozentige Steigerung des Brutto-inlandsproduktes aus und zeigten sich damit als eine derwachstumsstärksten Regionen Europas; die ostdeutscheIndustrie wächst derzeit – nach den Zusammenbrüchender letzten Jahre – mit Zuwachsraten von 14 Prozent. Undfast 700.000 Existenzgründungen netto sind bislang in denneuen Bundesländern zu verzeichnen.

Das anzuerkennen heißt zugleich, die Zwänge zu sehen,die für eine Fortführung der öffentlichen Transfers in dieneuen Bundesländer geltend gemacht werden: Noch liegtderen Produktivität pro Industriearbeitsplatz um fast 50Prozent unter der im Westen, während die Lohnstückko-sten deutlich über Westniveau angesiedelt sind; noch über-steigt die Inlandsnachfrage der neuen Länder die selbster-wirtschaftete Leistung bei weitem und zeigt damit dienoch fortdauernde Abhängigkeit der ostdeutschen Wirt-

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schaft von westlichen Transferzahlungen; noch sieht esmit der Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaftinsgesamt nicht gut genug aus; noch sind die wirtschaftli-chen und Branchenstrukturen nicht in Ordnung und vorallem kleinere, mittelständische Unternehmen nicht zu-letzt wegen des Mangels an Eigenkapital existentiell ge-fährdet. Es gibt also durchaus Bereiche, in denen staatli-che Förderung in den neuen Bundesländern noch für eineWeile nötig ist. Zu nennen sind privatwirtschaftliche Inve-stitionen auch unter Setzung räumlicher Schwerpunkte,Forschung und Entwicklung, denen geradezu strategischeBedeutung für das Land zukommt sowie die Verbesserungder Bedingungen für Eigen- und Fremdfinanzierung.

Doch um die noch bestehenden Defizite dauerhaft abbau-en und die realwirtschaftliche Integration uneingeschränk-te Wirklichkeit werden zu lassen, sind in erster Liniemarktwirtschaftlich kompatible Instrumente einzusetzenund nicht Blankoschecks für staatliche Wirtschaftsförde-rung auszustellen. Denn auch für diese gilt bei zunehmen-dem Mittelaufwand und immer längerer Dauer das Gesetzder abnehmenden Grenzproduktivität. Mehr noch: Auflange Sicht wird überzogene oder falsch ansetzende staat-liche Förderpolitik sogar das vereiteln, was sie eigentlichherbeiführen soll: die Gesundung der Wirtschaft in denneuen Bundesländern und damit die Stärkung dieser Län-der selbst.

Oberstes Ziel: Stärkung der marktwirtschaftlichenOrdnung

Letztlich ausschlaggebend dafür, ob überhaupt Maßnah-men staatlicher Wirtschaftsförderung ergriffen oder vonihnen Abstand genommen werden soll, muß eine zentrale

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Überlegung sein: die Leistungsfähigkeit unserer markt-wirtschaftlichen Ordnung selbst darf dadurch auf Dauernicht geschwächt, sondern muß gestärkt werden. Denndieser Ordnung und den Kräften, die sie im wettbewerbli-chen Ringen immer wieder hervorruft, ist zu verdanken,daß wir als Volk wie als Individuen bisher in Freiheitleben und dabei einen Reichtum erwirtschaften konnten,der es uns heute sogar möglich macht, ohne nennenswerteWohlstandseinbußen das über fünfzig Jahre in den Bank-rott getriebene östliche Drittel des Landes innerhalb kur-zer Zeit wieder aufzurichten und auf den Weg der wirt-schaftlichen Gesundung zu bringen.

Deshalb darf bei aller Betrachtung des komplexen Gebil-des Wirtschaftsförderung, bei aller Abwägung im Detailund allem auf die neuen Länder gerichteten Interesse diewirtschaftliche Hauptaufgabe nicht aus den Augen verlo-ren werden, vor der Deutschland heute steht: die Bundes-republik in ihrer Gesamtheit wieder zu einem begehrtenStandort zu machen, an dem die auf Europa zielendeninternationalen Investitionsströme nicht vorbei-, sondernzu dem sie hinziehen. Die Vorstellung, diese Trendwendeließe sich mit den üblichen Mitteln staatlicher Wirtschafts-förderung erreichen, wäre mehr als naiv.

Um Deutschland als Investitionsstandort weltweit wiederattraktiv zu machen und auch zu halten, muß wieder inganz anderen geistigen und instrumentellen Dimensionengedacht und gehandelt werden. Vor allem müssen wirkonsequent zu den Strukturprinzipien marktwirtschaftli-cher Ordnung zurückkehren, von denen wir uns in denzurückliegenden Wohlstandsdezennien leichtfertig immerweiter entfernt haben. Die Überfrachtung der öffentlichenHand mit ihr wesensfremden Auf- und Ausgaben, der

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Ausbau eines immer breiteren und kostenträchtigeren So-zialsystems, das Überhandnehmen von Subventionen undRegulierungen sowie die ganze, auch in der Lohnfindungzum Ausdruck kommende Ausrichtung der Gesellschaftauf den Prozeß des Verteilens statt des Erwirtschaftens –all diese Einstellungen und Einrichtungen haben dazu bei-getragen, unser Land für Kapital von draußen wenig at-traktiv zu machen und viele seiner Antriebskräfte lahmzu-legen.

Um diese Lähmung wieder abzuschütteln und zu einerkraftvollen Ordnung zurückzufinden, ist letztlich das ge-naue Gegenteil der Haltung nötig, die so häufig hinterstaatlicher Wirtschaftsförderung steht. Anzuzielen ist eineliberale, auf Privatinitiative, Eigenverantwortung undWettbewerb setzende Gesellschaft mit einem Staat, dersich zurücknimmt statt immer weitere Aufgaben an sichzu ziehen. Kurz: die marktwirtschaftliche Ordnung mußwieder ernstgenommen und auch dann eingehalten wer-den, wenn das im Einzelfall unbequem und inopportunerscheint. Diese Leitlinie ist im Auge zu behalten, auchwenn es um Ziele, Ausgestaltung und Ausmaß staatlicherWirtschaftsförderung geht.

Vor diesem Hintergrund sucht Olaf Sievert – renommier-ter Nationalökonom und Mitglied des Kronberger Kreises– in der der hier vorgelegten Studie nach der „gescheite-sten Grundkonzeption“ regionaler Wirtschaftsförderung.Dazu macht er die vielschichtige Materie transparent undstellt sie in den größeren Zusammenhang einer auf dasGanze sehenden Ordnungspolitik, die die Voraussetzun-gen für eine effiziente Wirtschaftstätigkeit in der gesam-ten Volkswirtschaft zu schaffen hat, notabene unter derNebenbedingung, daß bestimmte soziale Vorgaben zu be-

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achten sind. In dem so gezogenen Rahmen muß regionalerFördererfolg sich daran erweisen, daß auch nach Ablaufder Förderphase Produktion, Beschäftigung und Einkom-men dauerhaft gehoben bleiben. An diesen Vorgaben mißtund bewertet Sievert in sorgfältiger Abwägung die Ansät-ze und Instrumente staatlicher Förderung.

Seine Befunde verdeutlicht er an der einschlägigen Ent-wicklung in den neuen Bundesländern. Als Landeszentral-bankpräsident der Freistaaten Sachsen und Thüringen mitder Materie aus eigener Anschauung vertraut, geht er vonder Praxis der dortigen Wirtschaftsförderung aus, machtdeutlich, was sie geleistet hat und wo sie hinter ihrenZielen zurückgeblieben ist. Und er entwickelt klare Vor-stellungen, auf welche Problembereiche und Instrumenta-rien sich regionale Wirtschaftsförderung in Zukunft kon-zentrieren muß. Die von ihm dafür gezogenen Leitliniensind zwingend begründet: In einer Situation, in der nochauf unabsehbare Zeit zu wenig rentable Produktion undBeschäftigung gegeben sind und selbstfinanzierte Aufhol-strategien keinen rechtzeitigen Erfolg versprechen, kommtalles darauf an, die Qualität des Standortes entscheidendzu verbessern. Dazu sollte sich die öffentliche Hand, vonder Förderung von Ausbildung, Forschung und Entwick-lung abgesehen, auf zwei Gebiete konzentrieren – dieVerbesserung der Infrastruktur und die Investitionsförde-rung als zwar indirekte, auf Dauer aber wirksamste Mittel,um „Beschäftigung hervorzulocken“, ohne dabei in dieFallen von Dauerförderung, Subventionsgewöhnung undanhaltender Wettbewerbsverzerrung zu geraten.

Besonderes Augenmerk widmet Sievert dem gerade inTransformationsökonomien ausgeprägten Bedarf an Fi-nanzierungshilfen. Der Engpaßfaktor heißt Risikokapital.

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Daher sein vor dem Hintergrund der deutschen „Finanzie-rungskultur“ besonders ausführlich begründetes Werbenfür staatliche Erleichterungen privater Finanzierung risi-kobehafteter, aber chancenreicher Projekte, die das mutigeAusprobieren neuer Ideen ermöglichen, wie gerade Volks-wirtschaften im Aufbau es brauchen.

Die Studie von Sievert, reich an Einsichten, praktischenErfahrungen und durchdachten Vorschlägen, gehört in dieHände aller, die sich mit diesem Teil staatlicher Tätigkeitbefassen: der ungezählten Förderer von Staats wegen eben-so wie der Geförderten und aller, die dafür anstehen. Siesteht im größeren Zusammenhang mit der nicht längerhinauszuschiebenden Besinnung auf die Grundlagen unse-rer marktwirtschaftlichen Ordnung – als zentraler Beitragzu dem in diesen Kontext gehörenden Nachdenken überNutzen und Grenzen, Gewinn und Schaden staatlich be-triebener Wirtschaftsförderung.

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Regionale Wirtschaftsförderungund die Transformation in denneuen Bundesländern

Olaf Sievert

Vorbemerkung

1. Staatliche Wirtschaftsförderung finden wir nicht nurbegleitend zur Transformation ehemals sozialistischerÖkonomien. Wirtschaftsförderung im Transformations-prozeß ist auch über weite Strecken nicht anders zu be-gründen und zu konzipieren als in bereits hochentwickel-ten Volkswirtschaften. Insoweit haftet dem Thema keinInsbesondere an, außer daß vielleicht die Förderziele et-was anders zu akzentuieren sind und eine andere Förderin-tensität angemessen erscheint. Doch wie stark solche Mo-difikationen ausfallen sollten, kann kaum einheitlich füralle Länder beantwortet werden; die Förderintensität istzum Beispiel nicht nur eine Frage des Bedarfs, sondernauch der finanziellen Möglichkeiten. Der Bezug auf dieneuen Bundesländer ist daher eine wesentliche Eingren-zung des Themas. Die meisten der dabei aufgeworfenenFragen entwicklungsstrategischer und instrumenteller Artdürften sich jedoch mutatis mutandis für alle Länder undRegionen stellen, die sich auf den Weg begeben haben,mit Hilfe einer marktwirtschaftlichen Ordnung einen lei-stungsfähigen Produktionsapparat zu schaffen und den Le-bensstandard der Menschen zu bessern. Begonnen sei miteinem kurzen Blick auf den Transformationsprozeß, wieer sich in Ostdeutschland abspielt. Im Mittelpunkt derAusführungen soll aber dann eine Besinnung auf die Be-gründung von regionaler Wirtschaftsförderung und diegescheiteste Grundkonzeption dafür stehen.

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I Die Transformation und derStrukturwandel in Ostdeutschland

2. Wie fast jedermann inzwischen weiß, bedarf es für einemarktwirtschaftliche Reorganisation des Wirtschaftspro-zesses einer Reihe wesentlicher Voraussetzungen, wobeidas Problem weniger ist, sich darauf zu einigen, welcheVoraussetzungen für besonders wichtig zu halten sind, alsvielmehr, beizeiten und möglichst gleichzeitig alle we-sentlichen Voraussetzungen zu schaffen. Zu den Essentia-lien einer erfolgversprechenden Wirtschaftsordnung ge-hören die Gewerbefreiheit, die Eigentumsordnung und dasVertragsrecht, insbesondere die Schaffung von fundamen-talen Rechtstiteln, die präzise definiert sind und über diemit rechtsstaatlicher Verläßlichkeit verfügt werden kann,sowie eine eindeutige Zuordnung dieser Rechtstitel aufnatürliche und juristische Personen im Sinne einer An-fangsausstattung. Ganz in der Nachbarschaft einer garan-tierten Ordnung des Eigentums an Sachen ist eine Wäh-rungsordnung zu sehen, die hinreichende Verläßlichkeitüber den Wert von Rechten mit gleichsam abstraktemInhalt, nämlich von auf Geldbeträge lautenden Titeln, zugewährleisten hat. Eine ordentliche Währung erfordert eszumal, auch dem Staat und dem (noch) unter öffentlichemEinfluß stehenden Sektor sogenannte harte Budgetbegren-zungen einzuziehen. Wie sehr bedeutsam auch eine effizi-ente staatliche Verwaltung ist, zu der ein taugliches öf-fentliches Recht sowie loyale und kompetente Staatsdie-ner gehören, ist manchem erst in den letzten Jahren rechtbewußt geworden. Die Schaffung einer funktionierendenAdministration auf allen föderalen Ebenen und der Auf-bau einer leistungsfähigen Infrastruktur – ebenfalls örtlichwie überörtlich – sind als Rahmenbedingungen für dieprivaten Akteure zu ergänzen durch Hilfen der öffentli-

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chen Hand, die das Ziel haben, wirtschaftliche Entwick-lung zu initiieren und zu beschleunigen. Dies wird dasHauptthema der folgenden Ausführungen sein.

3. In Bezug auf fast jeden der genannten Punkte haben dieneuen Bundesländer einen vergleichsweisen guten Startgehabt. Die Übernahme westdeutschen Rechts war, wasimmer an unnötiger Regulierung damit auch (vorzeitig)übernommen wurde, ein Vorgang, der in kürzester Zeiteine im Prinzip in sich stimmige Rechtsordnung für diejungen Bundesländer verfügbar machte. Daß ihre Anwen-dung zunächst mühsam war, steht auf einem anderen Blatt.Die Menschen hatten sich mit der neuen Rechtsordnungerst noch vertraut zu machen, die Grundbücher warennachzutragen, das Kataster zu ergänzen und so manchesandere mehr. Die Grundentscheidung für die Restitution,verständlich aus dem Bemühen um Gerechtigkeit und alsDemonstration für den hohen Rang und die Verläßlichkeitder Privateigentumsordnung, war unter dem Gesichtspunkteiner zügigen wirtschaftlichen Umgestaltung bekanntlichkeine glückliche Wahl; diese Grundentscheidung wurdedeshalb mit dem Investitionsvorranggesetz faktisch weit-gehend revidiert. Die relativ rasche Privatisierung desTreuhandvermögens gehört zu den herausragenden Trans-formationsleistungen. Darüber, daß die rasche Währungs-union ein Glücksfall war, weil sie der DDR sofort gutesGeld bescherte und jede Zahlungsbilanzrestriktion von ihrnahm, sollte ebenfalls nicht länger gestritten werden. Nie-mand sollte glauben, flexible Wechselkurse hätten dieBeschäftigung wesentlich stützen können. Die Umstel-lung der Löhne im Verhältnis von 1 : 1 lief auf eineAufwertung hinaus, die die Ostbetriebe gewiß hart ankam.Aber wir haben gesehen, daß die Tarifpartner – ohneRücksicht auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen

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– rasch noch draufsattelten. So wurden nach wenigen Jah-ren aus einer Mark Ost zwei Mark West. Politisch moti-vierter Angleichungsdruck und allzuviel Großzügigkeitbei der Festlegung von Löhnen – durch Betriebsleiter aufAbruf, durch Tarifpartner, die weder die Produzentenin-teressen noch die Interessen potentiell Arbeitsloser imOsten Deutschlands angemessen repräsentierten, gedecktdurch die Erwartung eines relativ geringen Widerstandsseitens des Finanzministers als Sachwalter des Treuhand-eigentums und gedeckt durch eine großzügige Sozialord-nung – das alles hätte bei flexiblen Wechselkursen, miteiniger Verzögerung, gleiche Beschäftigungsprobleme ge-bracht. Ja, es hätte auf Dauer noch mehr an Beschäftigunggekostet, weil die insofern unvermeidliche Abwertungs-Inflationsspirale für Investoren besonders abschreckendgewesen wäre. Oder, aus westlicher Perspektive gesehen:Die soziale Abpufferung der früher oder später unver-meidlichen Stabilisierungskrise hätte noch mehr Transfer-gelder gekostet als es die Strukturkrise nach der Wäh-rungsunion ohnehin tat.

4. Die Transformation in Ostdeutschland ist auch außer-halb des Geldwesens von gravierenden Besonderheitengekennzeichnet, die durch die nationale Einheit mit demWesten Deutschlands bedingt sind.

– Ohne Sprachbarrieren und bei voller Freizügigkeit ha-ben wir einen sehr offenen Arbeitsmarkt. Wanderungs-willige Arbeitnehmer konnten einen hohen Reallohn er-warten.

– Die Sozialunion zwang zu relativ hohen Mindestlöh-nen und minderte, wie erwähnt, die Einkommensrisi-ken aus inadäquater Lohnpolitik sehr weitgehend. Ja,

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teilweise wurden die Löhne sogar deshalb hochgetrie-ben, weil dies die Ansprüche auf Sozialleistungen fürdiejenigen steigerte, die ohnehin mit Arbeitslosigkeitrechneten. Die riesigen Transfers stabilisierten auch dieNachfrage. (Für Westdeutschland war die Sozialuniondas Teuerste von allem.)

– Allgemein durfte gesamtdeutsche Solidarität in An-spruch genommen werden – zum Ausdruck kommendin den Transfers im Rahmen des gesamtdeutschen Sy-stems der sozialen Sicherung, in Aufbauhilfe aus priva-ter Initiative, in Amtshilfe öffentlicher Stellen, in ei-nem beispiellos umfangreichen Finanzausgleich, zu-nächst ohne besonderes Regelwerk, über den Fonds„Deutsche Einheit“, in Sonderprogrammen für den In-frastrukturaufbau und in allgemeiner Wirtschaftsförde-rung.

– Hingegen waren andere Instrumente, deren intensiveNutzung für Transformationsländer typisch ist, ausge-schlossen, so die nationale Zollpolitik. Dafür waren dieneuen Bundesländer sofort einbezogen in die Europäi-sche Gemeinschaft, in einen großen offenen Markt fürGüter und Dienste sowie in ein System der Wirtschafts-förderung (und der gemeinschaftlichen Protektion anden Außengrenzen der EG).

Daß öffentliche Güter, Wirtschaftsförderung und transfor-mationsbedingte soziale Lasten während der Transforma-tionsperiode nur zu einem kleinen Teil von der Bevölke-rung des Transformationsgebiets bezahlt werden mußten,hat das ganze im Grunde zu einem Fall der Regionalpoli-tik gemacht, anders als in den uns benachbarten StaatenMittel/Osteuropas.

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5. Ende 1995 werden (seit Anfang 1991) rund 980 Mrd.DM an Transferzahlungen von Westdeutschland und derEuropäischen Union nach Ostdeutschland geflossen sein.Nach Abzug der Steuer- und Verwaltungseinnahmen, diezurückfließen, werden es netto knapp 780 Mrd. DM sein.Dieser Betrag entspricht mehr als der Hälfte des ostdeut-schen Bruttoinlandprodukts in diesem Zeitraum.1 Von denBruttotransfers in Höhe von etwa 980 Mrd. DM flossen je36 vH in den Verwendungsbereich Arbeit und Sozialesund in den Bereich Infrastruktur und Wirtschaft. Die übri-gen 28 vH waren Transfers ohne Verwendungsauflage,die zum größten Teil über den Fonds „Deutsche Einheit“bereitgestellt wurden. Der Löwenanteil der Mittel an dieWirtschaft, nämlich gut 120 Mrd. DM, entfiel auf dieDefizitabdeckung der Treuhandanstalt. Die Wirtschafts-förderung im engeren Sinne, die Förderung der gewerbli-chen Wirtschaft, dürfte sich unter Einschluß der Steuer-vergünstigungen und Investitionszulagen auf rund 70 Mrd.DM belaufen. Die Mittel, die für den Aufbau und dieErneuerung der Infrastruktur geflossen sind und fließen,werden um einiges höher sein. Aber nicht alles ist fürwirtschaftsnahe Infrastruktur ausgegeben worden. DieWirtschaftsförderung findet außer aufgrund des Förderge-bietsgesetzes über eine Riesenanzahl verschiedener Pro-gramme statt, in die unter anderem die Deutsche Aus-gleichsbank, die Kreditanstalt für Wiederaufbau sowieFörderinstitute der Bundesländer eingeschaltet sind. DasFördervolumen ist durch gesetzliche Festlegungen nachdem jetzigen Stand auf allmählichen Abbau in den näch-sten Jahren programmiert. Dies gilt jedenfalls für die steu-erliche Förderung. Für die Transfers im Rahmen des Län-derfinanzausgleichs kann es ebenso gelten, weil das all-

1 Vgl. o. V.: iwd Nr. 21 vom 25. Mai 1995, S. 6 f.

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mähliche Aufholen der jungen Länder bei der Steuerkraftzu einem automatischen Abbau der Ausgleichszahlungenführt, nachdem 1995 aufgrund der Neuordnung des Fi-nanzausgleichs zunächst einmal eine sprunghafte Stei-gerung wirksam wurde. Die fiskalischen Gewinner diesesAufholprozesses werden insoweit vor allem die Geberlän-der des Finanzausgleichs sein. Nach dem noch einmal bisEnde 1998 verlängerten, aber künftig modifiziert gelten-den Fördergebietsgesetz werden Investitionszulagen undSonderabschreibungen gewährt. Im Jahre 1994 wurden4,5 Mrd. DM an Investitionszulage gezahlt. Die Steuer-ausfälle durch Sonderabschreibungen betrugen vermutlich3 Mrd. DM. Beide Instrumente wurden zunächst flächen-deckend und undifferenziert eingesetzt. Mittlerweile istdie Investitionszulage auf das Verarbeitende Gewerbe kon-zentriert, und der Zulagensatz ist deutlich abgesenkt; fürkleinere Betriebe des Handwerks und des VerarbeitendenGewerbes beträgt er immerhin noch 10 vH. Die großzügi-gen Sonderabschreibungen bis zu 50 vH sind auf eigenbe-triebliche Neubauten im Bereich des Verarbeitenden Ge-werbes sowie auf Modernisierungs- und Sanierungsmaß-nahmen beschränkt. An Zuschüssen nach der Gemein-schaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschafts-struktur wurden im Jahre 1994 rund 12,5 Mrd. DM zuge-sagt. Die Mittel werden, auch wenn ganz Ostdeutschlandnoch Förderregion ist, innerhalb der Länder regional dif-ferenziert vergeben. Seit 1995 ist das Verfahren verein-facht. Es wird bei den Fördersätzen nicht mehr nach Er-weiterungs-, Rationalisierungs- und Ersterrichtungsinve-stitionen unterschieden. Das Kumulationsverbot mit ande-rer Förderung ist aufgehoben. Der Subventionswert darfmaximal 35 vH der Investitionssumme betragen, für klei-ne und mittlere Unternehmen örtlich bis zu 50 vH.

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6. Inzwischen hat die ostdeutsche Wirtschaft die Talsohledeutlich verlassen, auch der Arbeitsmarkt entspannt sichein wenig. Nach der Wende hatte sich die ostdeutscheWirtschaft bei einer Arbeitsproduktivität von vielleichteinem Drittel der westdeutschen auf den Wettbewerb ein-zustellen. Die Produktivität nahm rein rechnerisch raschzu, zunächst durch massives Entlassen von Personal undStillegung von Betrieben oder Betriebsteilen, sodann durchUmsatzzuwächse bei – global gesehen – stagnierenderBeschäftigung, seit geraumer Zeit aber auch bei langsa-mem Wiederanstieg der Beschäftigung. Die Anlageinve-stitionen pro Kopf sind deutlich höher als im Westen – imJahre 1994 um gut ein Drittel. Mittlerweile gibt es trotzfortdauernd hoher Arbeitslosigkeit die ersten Klagen überArbeitskräftemangel. Die DDR war ein stark industrieori-entiertes Land. Die Industrie dort ist gewaltig zurückge-stutzt worden, zumal des Wegbrechens ihrer Ostmärktewegen. Sie hat aber jetzt – von ermäßigtem Niveau kom-mend – wieder Tritt gefaßt hat und expandiert mit hochzweistelliger Jahresrate. Der Strukturwandel ist sehr pro-nonciert. Er ist in seiner ganzen Härte – nach westdeut-schen Maßstäben muß man von Brutalität sprechen – un-vermeidlich, aber, was die vorläufigen Ergebnisse anbe-langt, noch nicht in jeder Beziehung problemlos. Die Wirt-schaftsförderung und die Treuhandanstalt haben ihn ge-mildert, aber nicht den Fehler begangen, ihn wirklich auf-zuhalten, von – teuren – Einzelfällen abgesehen. Der Zwi-schenstand läßt sich so charakterisieren:

– Sehr gut haben sich die Bauwirtschaft und deren Zulie-fererindustrien entwickelt.

– Auch Handel und Dienstleistungen haben Dynamik; einRückstand im Vergleich zum Westen ist freilich nochgegeben, wenngleich nicht allenthalben.

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– Das Verarbeitende Gewerbe ist dabei aufzuholen. DerWeg zu einer wieder ausreichenden industriellen Basisist jedoch noch weit.

– Die ostdeutsche Wirtschaft zeigt insgesamt eine er-schreckende Exportschwäche.

– Humankapitalintensiv produzierende Branchen sind un-terentwickelt.

– Als wachstumsstark geltende Branchen haben ein zugeringes Gewicht. Im Jahre 1994 wurden 74 vH derWertschöpfung in Wirtschaftszweigen erstellt, die, ver-gleicht man den Anfang der 70er mit dem Ende der 80erJahre, in Westdeutschland schrumpften.2

– Die Unternehmen sind insgesamt noch etwas innovati-onsschwach. Das hängt auch mit der Branchenstrukturzusammen.

– Die Unternehmensgrößenstruktur hat sich radikal ge-ändert, und zwar zu Lasten der Großen. Kleinere Un-ternehmen sind häufig in der Lage, Marktnischen fle-xibel zu besetzen. Das unternehmerische Moment spielthier eine besondere Rolle. Die Entwicklung anspruchs-voller neuer Technik fällt freilich wegen der dazu nöti-gen finanziellen Ressourcen häufig schwer.

– Der Staat, zumal der kommunale Bereich, ist bei derReduzierung seines Personalbestandes im Rückstand.

– Die Arbeitslosigkeit ist noch hoch, insbesondere wenndie verdeckte Arbeitslosigkeit durch Vorruhestand, Ar-beitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulung und Fort-bildung etc. berücksichtigt wird. Freilich ist auch dieErwerbsneigung in Ostdeutschland traditionellerweiseausgeprägt hoch, namentlich bei den Frauen.

2 Vgl. Ragnitz, Joachim: Strukturwandel in der ostdeutschenIndustrie, Wirtschaft im Wandel, Heft 6/1995, S. 7 – 12

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Der Strukturbefund überrascht nicht, sieht man ihn imZusammenhang mit bestimmten Rahmenbedingungen.

– Die gute Entwicklung der Binnensektoren wird vor demHintergrund der kaufkraftstärkenden Transferleistungenverständlich.

– Gute Entwicklung bei Dienstleistern und Unternehmen,die durch hohe Kosten beim interregionalen Gütertrans-port vor außerregionaler Konkurrenz geschützt sind, so-wie ausgesprochene Wettbewerbsschwäche auf den Aus-landsmärkten, die mit Defiziten im Auslandsmarketingnur teilweise erklärt werden kann – das reflektiert einzu hohes Kostenniveau und einen noch nicht bewältig-ten Mangel an neuen Produktlinien, bei denen man wett-bewerbsfähig sein könnte.

– Hohes Kostenniveau und hohe Arbeitslosigkeit sind zu-sammen zu sehen. Löhne und Produktivität passen nochnicht zueinander. Hohe Löhne bedeuten zwar nichtschon hohe Kosten, wenn es um wichtige – hochpro-duktive – Fachkräfte geht. Aber für Arbeitskräfte mitgeringer oder obsoleter Qualifikation gibt es viel zuwenige Arbeitsplätze, auf denen der geltende Lohn er-wirtschaftet werden kann.

Im ganzen sollte man die bisherige Entwicklung nichtunbefriedigend nennen, aber doch zugleich konstatieren,daß in Ostdeutschland von einer selbsttragenden wirt-schaftlichen Aufwärtsbewegung noch nicht gesprochenwerden kann. Und das wird vermutlich auch noch etlicheJahre so sein. Von selbsttragendem Aufschwung sollteman erst reden, wenn eine befriedigende Entwicklung zuerwarten ist, ohne daß dafür mehr Wirtschaftsförderung

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nötig ist, als sie auch in den westlichen Bundesländerngewährt wird. Dabei geht es weniger um die (relative)Summe des Förderaufwands als vielmehr um die Intensitätder Förderung. Angesichts des fortdauernden Förderbe-darfs ist der nachfolgende Hauptteil unserer Erörterungennicht nur als kritischer – oder affirmativer – Kommentarzu den vergangenen fünf Jahren zu verstehen, sondernauch als Beitrag zur Diskussion über das noch Erforderli-che. Die Suche nach allgemeinen Einsichten in Sachenregionaler Wirtschaftsförderung – am Beispiel des Trans-formationsprozesses in den neuen Ländern – soll uns mehrleiten als das Interesse am maßgeschneiderten Detail.Möglicherweise wird dabei freilich manches zu kurz kom-men, was in der politiknahen Diskussion im Vordergrunddes Interesses steht.

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II. Warum, welche, wieviel und wie langeWirtschaftsförderung?

7. Regionale Wirtschaftspolitik zielt regelmäßig auf dieVerbesserung der Erwerbschancen in Regionen, die ein-kommens- und beschäftigungsschwach und zugleichwachstumsschwach sind. Sie tut dies allein aus Gründender Effizienz, sprich: der Maximierung des Sozialproduktsin der gesamten Volkswirtschaft, wenn die Problemregionein Wachstumspotential aufweist, das aufgrund unzurei-chend beachteter Komplementaritätsbedingungen, na-mentlich was den Bereich der sachlichen, der personellenund institutionellen Infrastruktur anbelangt, bisher unzu-reichend genutzt wurde und ohne Abhilfe auch weiterhinunzureichend genutzt werden wird (Wachstumsziel derRegionalpolitik). Sie tut dies aus Gründen der Gerechtig-keit, wenn sie aus Respekt vor der Bodenständigkeit – imJargon der Ökonomen: der Immobilität – von Menschender Problemregion handelt und zugunsten von deren Er-werbschancen in der Region auch dann tätig wird, wenndiese Menschen anderwärts einen größeren Beitrag zumSozialprodukt erbrächten, das Wachstumsziel also eineAbwanderung erforderte (Ausgleichsziel der Regionalpo-litik). Der Fall der Regionalpolitik als Wachstumspolitikist zumindest in langfristiger Betrachtung kein Subventi-onsfall. Selbst wenn eine Zeitlang öffentliche Transfers indie Problemregion fließen müßten, wäre dies doch ge-deckt durch die späteren öffentlichen Mehreinnahmen ausdem solchermaßen induzierten Mehr an Sozialprodukt,Einkommen und Verbrauch. Der Fall der Regionalpolitikals Ausgleichspolitik ist allemal ein Subventionsfall, wasfreilich nicht heißen muß: ein Fall der Dauersubvention.Man muß den Menschen der Problemregion etwas anbie-ten. Aber was? Und wie konditioniert? Regionalpolitik,

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wie wir sie kennen, bei uns in Deutschland und ander-wärts, ist nur ganz selten ein reiner Fall der Klasse eins,also der Wachstumspolitik. Sie ist schon unter günstigenBedingungen meist nur ein Mischfall. Und nur allzu oftsteht auch dann die wachstumspolitische Komponente nurim Zeichen des Prinzips Hoffnung. Was die neuen Bun-desländer angeht, lassen wir uns alle von der Vorstellungleiten, daß es sich günstiger verhält. Trotzdem bestehenkeine Einwendungen, wenn man im folgenden immer vorallem das Problem der Regionalpolitik als Ausgleichspoli-tik im Auge hat. Denn nichts ist so schwierig, als geradefür deren Aufgaben einen vernünftigen Weg zu finden.Und darum soll es uns gehen. Der wichtigste Ausschnittdavon betrifft die nun schon jahrzehntealte Kontroverseüber die Frage der Vernünftigkeit einer Regionalpolitik,die die Erwerbschancen der Menschen – deren Einkom-men und Beschäftigung – meint und bei den Investitionenansetzt.

8. Wir beginnen mit dem Trivialen. Schwierig wird esdann schon von selbst. Der Ausgangspunkt sei: In unsererProblemregion sind unzureichend viel Produktion und Be-schäftigung rentabel. Dies kann man sehen als ein Pro-blem der Mobilität der Arbeitskräfte und der Lohnhöhe.

Gäbe es keinerlei Immobilität der Menschen, so reduziertesich die Anzahl der in unserer Region Erwerb Suchendenauf die Menge derer, die bei „normalem Lohn“ Erwerbfinden. „Normaler Lohn“ ist unter diesen Bedingungender Lohn, der dem Angebotspreis mobiler Kräfte genügt.Er richtet sich nach dem realen Lohn für gleiche Arbeit inanderen Regionen, kann aber auch höher oder niedrigersein entsprechend dem nichtpekuniären Standortnutzen,den die Region bietet (soweit sich dieser nicht schon in

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Mietunterschieden niederschlägt). Gäbe es keinerlei Lohn-problem, also vollkommene Lohnflexibilität nach unten,(wohl aber Immobilität), so reduzierte sich der Lohn in derRegion, und zwar auf den regionalen Gleichgewichtslohn.Es gäbe ebenfalls kein Beschäftigungsproblem. Wir neh-men damit nur die alte marktwirtschaftliche Grundvorstel-lung in Anspruch, daß es im Prinzip immer einen Lohngibt, der ausreichend niedrig ist, damit ein bisher unbefrie-digter Erwerbswunsch erfüllt wird. Dies ist im übrigen derFall der Niedriglohnstrategie, die unsere Nachbarn imOsten und Südosten eingeschlagen haben und – anders alswir – auch einschlagen konnten.

9. Der Gleichgewichtslohn kann unterhalb des von derGesellschaft für „sozial verträglich“ gehaltenen Lohns lie-gen – dauerhaft oder eine Zeitlang. Verhält es sich voraus-sichtlich nur vorübergehend so, könnte die Regionalpoli-tik auf den niedrigen Lohn setzen, sich ihn wünschen alsAusdruck einer Selbsthilfestrategie der Region. Die Er-wartung wäre: Der niedrige Lohn macht mehr Produktionund Beschäftigung rentabel. Es wird Zeit und Gelegenheitgewonnen für Lernprozesse, für Produktivitätssteigerung,für den Ausbau einer kostensenkenden Infrastruktur, fürdas Entstehen und Nutzen von Agglomerationsvorteilen,für das Finden von Marktnischen, in denen man nach undnach höhere Löhne erwirtschaften kann etc. Dies ist derFall der offensiven Aufholstrategie, getragen von der Be-reitschaft der Menschen, Zeit zu kaufen durch die Be-scheidung der Lohnansprüche auf das, was man jeweilserwirtschaftet. Es ist die Strategie, auf die marktwirtschaft-liche Optimisten gesetzt haben nach der Öffnung der Mau-er.

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10. Die bisher angesprochenen Fälle – der Fall der voll-kommenen Mobilität der Arbeitskräfte, der Fall der voll-kommenen Lohnflexibilität, der Fall der ausreichendenLohnflexibilität auf Zeit – sind die Fälle, in denen es einenBedarf an Regionalpolitik im Zeichen des Ausgleichszielsnicht gibt. Nötig ist gegebenenfalls nur eine Regionalpoli-tik im Zeichen des Wachstumsziels, also zur Mobilisie-rung eines ungenutzten Entwicklungspotentials, die – wieoben herausgestellt – keine Subventionspolitik wäre undsich vor allem auf die Bereitstellung einer gehörigen Infra-struktur konzentrierte. Ihr Mittelaufwand wäre grundsätz-lich investiver Art, gedeckt durch künftige Erträge, auchsteuerlicher Art. Doch damit sind wir bereits am Ende desunproblematischen und schon deshalb trivialen Teils un-seres Programms. Die Sorgen beginnen, wenn für unab-sehbare Zeit oder jedenfalls für zu lange Zeit kein hinrei-chender Erfolg der letztlich selbstfinanzierten Aufholstra-tegie erwartet werden kann. Dies ist dann der Fall für dieRegionalpolitik im Zeichen des Ausgleichsziels. Er ver-schärft sich in dem Maße, wie ungleiche Mobilität derArbeitskräfte ins Spiel kommt. Standortnachteile tragenimmer nur die immobilen Produktionsfaktoren. Zum Bei-spiel – ein wichtiges Beispiel –: Mobiles Humankapitalträgt die Last regionaler Standortmängel nicht mit. Dies istunproblematisch, wenn es substituierbare oder unabhän-gig einsetzbare Produktionsfaktoren sind, die besondersmobil sind. Es wird gravierend, wenn es komplementäreinzusetzende Faktoren sind. Typischerweise sind nun ge-rade qualifizierte Arbeitskräfte besonders mobil, und zu-gleich gilt, daß die Anbieter einfacher Arbeit in sehr vielenFällen geradezu darauf angewiesen sind, mit qualifiziertenKräften zusammen eingesetzt zu werden, wenn ihre eige-ne Leistung einen akzeptablen Marktwert erreichen soll.Und was als ebenso wichtig erscheint: Qualifizierte Kräfte

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werden als dynamisches Element im Entwicklungsprozeßganz besonders dringend gebraucht. Sie sind die Findigen,die Nach-vorn-Drängenden, die Aktiv-Hungrigen. Tat-sächlich erleben wir in strukturschwachen Räumen aberimmer wieder, daß es zu einer Teilauswanderung geradeder qualifizierten Kräfte kommt und für die Verbleibendendieser Gruppe alsbald ein überregional bestimmter Bleibe-lohn als Knappheitslohn gezahlt werden muß, währendzugleich die Anbieter einfacher Arbeit relativ noch reich-licher werden, so daß deren marktbestimmter Gleichge-wichtslohn noch niedriger ausfällt als ohne die Teilaus-wanderung der Qualifizierten.

1. Für Standortverbesserung

11. Regionalpolitik im Zeichen des Ausgleichsziels strebtnun nach einer Vermehrung der Menge an Produktion undBeschäftigung, bei der auch für immobile Kräfte wenig-stens auf längere Sicht der „Ausgleichslohn“ erwirtschaf-tet wird. Der Ausgleichslohn ist der Lohn, der nicht stär-ker, als man für sozial verträglich hält, den Normallohnunterschreitet. Der beste Weg dorthin ist zweifellos, unddas ist die Hauptthese, der Weg einer nachhaltigen Ver-besserung der Standortqualität der Problemregion. Dafürgibt es unterschiedliche Möglichkeiten:

(a) Infrastrukturgeschenke. Dabei geht es – im Falle ei-ner Regionalpolitik im Zeichen des Ausgleichsziels –um Infrastrukturmaßnahmen, die nicht nur vorläufig,sondern endgültig durch Transfers finanziert werden(anders als Infrastrukturmaßnahmen, die Teil einer Re-gionalpolitik im Zeichen des Wachstumsziels sind).

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(b) Verzicht des Oberstaats auf einen Teil des vollen Bei-trags der Region zur Finanzierung der überregiona-len Staatsleistungen sowie Sicherung einer Mindest-finanzkraft des Gliedstaats durch Transfers. Die Stand-ortverbesserung liegt hier zum einen in der Freihal-tung eines normalen Teils der regionalen Steuerkraftfür regionale Aufgaben. Dies ist in einer bundesstaat-lichen Finanzverfassung Teil des impliziten Finanz-ausgleichs. Sie liegt zum anderen in der Mitfinanzie-rung regionaler Aufgaben von außen. Dies gewähr-leisten die Regelungen im Bereich des expliziten Fi-nanzausgleichs.

(c) Verzicht des Staates auf einen Teil der ohnehin alleinverteilungspolitisch motivierten Steuern auf Kapital-einkommen. Dies ist eine Möglichkeit, die vor allemim Standortwettbewerb auf EG-Ebene eine Rollespielt, dort freilich eine gewichtige. Im Rahmen derRegionalpolitik sind es spezifische Maßnahmen derInvestitionsförderung, die dies zum Inhalt haben.

(d) Verzicht des Staates auf die regionale Geltung einesTeils der wohlstandsabhängig nachgefragten überre-gionalen Regulierungen; zu denken ist vor allem anTeilbereiche des Umweltschutzes.

(e) Förderung des regionalen Angebots an Humankapi-tal durch Bildungs- und Ausbildungsförderung.

(f) Staatliche Beteiligung an den wirtschaftlichen Risi-ken, die für eine Problemregion spezifisch sind, sprich:die sich aus der spezifischen Unsicherheit der wirt-schaftlichen Entwicklung in ihr ergeben – eine wich-tige, aber besonders schwierige Aufgabe.

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(g) Schließlich: Direkte regionale Wirtschaftsförderungzur Vermehrung der Menge an lohnender Produktionund Beschäftigung (über die Investitionsförderunghinaus).

12. Spätestens an dieser Stelle muß man sich wohl Einhaltgebieten und zunächst einmal fragen, ob damit nicht dieGrenze dessen überschritten ist, was man vernünftigerwei-se unter Standortverbesserung verstehen sollte. Dazu isteine begriffliche Besinnung nötig darauf, was mit Stand-ortverbesserung gemeint ist. Mit Standortverbesserungmeinen wir die Verbesserung der Rahmenbedingungen,unter denen in einer Region privates Wirtschaften ge-schieht, sowie die Verbesserung der Faktorausstattung derRegion, beides gebunden an das Ziel, die Erwerbschancender bodenständigen Menschen in der Region zu verbes-sern. Dies jedenfalls in erster Näherung. Aber ist damitschon deutlich genug, was mit Standortverbesserung nichtgemeint ist? Ein Begriff soll ja zu unterscheiden erlauben,abzugrenzen, auszugrenzen. Nun denn, unterscheiden wol-len wir Standortverbesserung von Subventionierung derlaufenden Produktion einer Region. Auch letztere zielt aufVermehrung der Menge an lohnender Produktion und Be-schäftigung – und ist doch von anderer Art. Unter demRubrum „direkte Wirtschaftsförderung“ finden wir bei-des. Darunter fallen

– die Subventionierung der regionalen Wertschöpfung,– die Subventionierung des Arbeitseinsatzes allgemein,– die Subventionierung des Arbeitseinsatzes in Abhän-

gigkeit vom dabei genutzten Humankapital, auch dieFörderung betriebsspezifischer Qualifizierung,

– die Subventionierung des Investierens,– speziell: die staatliche Beteiligung an unternehmeri-

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schen Risiken,– die Subventionierung des Einsatzes von Sachkapital und

Humankapital kombiniert,– die Förderung der Übertragung von Innovationswissen,

des Technologietransfers.

13. Aber wir finden nicht alles gleich gut. InstrumentelleVorlieben in der Wirtschaftspolitik müssen sich vor allemaus ordnungspolitischen Gründen herleiten. Das gilt auchfür eine Wirtschaftspolitik im Zeichen des Ziels einerinterregionalen Angleichung der Erwerbschancen.

Erstens: In einer individualistischen Ordnung, in der dieMenschen frei sein sollen, auf der Basis von Selbstverant-wortung für ihren Erfolg oder Mißerfolg nach Zielen zustreben, die sie sich selbst setzen, muß staatliche Wirt-schaftsförderung, so es sie überhaupt geben darf, demGrundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe verpflichtet sein.

Zweitens: Insbesondere ist Schwächung der Antriebe zurSelbsthilfe zu vermeiden.

Drittens: Massive temporäre Hilfen sind zu bevorzugengegenüber Dauerhilfen.

Viertens: Staatliche Wirtschaftsförderung muß, soweit alsmöglich, Wettbewerbsverzerrungen vermeiden.

Fünftens: Der allemal schädlichen Nebenwirkungen staat-licher Mittelbeschaffung wegen ist der Erfolg staatlicherWirtschaftsförderung mit möglichst geringem Subventi-onsaufwand anzustreben.

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Diese Grundsätze tragen die postulierte Vorliebe für Stand-ortverbesserung statt Einkommenshilfen und Subventio-nierung von Produktion und Beschäftigung in sich. Das istzu verdeutlichen.

14. Um mit dem Negativen zu beginnen: Wie vor allemder Ordnungspolitiker weiß, gibt es auch in der Wirt-schaftspolitik läßliche Sünden, schwere Sünden und Tod-sünden. Zu den ordnungspolitischen Todsünden gehörenallgemeine Lohnsubventionen.

(1) Sie schaffen unüberwindbare Verhaltensrisiken (Mo-ral Hazard). Und indem sie einen Teil der Verantwor-tung für die laufenden Kosten, gar im Bereich derKosten, deren Höhe die Privaten selbst bestimmen,auf den Staat verlagern, schwächen sie die Antriebezur Selbsthilfe.

(2) Sie schaffen keine nachhaltige Standortverbesserung,verteidigen die Vergangenheit und helfen kaum, dieZukunft zu gewinnen.

(3) Sie schaffen unbeherrschbare Wettbewerbsverzerrun-gen durch direkte Senkung der Grenzkosten der lau-fenden Produktion.

Moral Hazard, das meint das Risiko, daß die Menschentun, was man von ihnen befürchtet. Hier: daß man bei derWahrnehmung der beschäftigungspolitischen Verantwor-tung in der Lohnfestsetzung durch die Tarifpartner ver-liert, was man mit staatlicher Lohnsubventionierung anKostenvorteil für die Unternehmen der Region gewinnt.Unter all den mehr oder weniger intelligenten Formen vonRegeln für Lohnsubventionen, die die Diskussion der letz-

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ten Jahre angesichts der marktwirtschaftlich nicht lösbarerscheinenden Lohnkostenprobleme in den neuen Bundes-ländern hervorgebracht hat, ist keine zu sehen, mit derman dieser Gefahr wirklich verläßlich entgeht. Unüber-windbar erscheint die Neigung, in der Lohntarifpolitikjedwede anderweitige Entlastung bei den Lohnkosten, so-weit sie hinreichend allgemein ist, in zusätzlichen Tarif-lohndruck umzusetzen. Tarifautonomie beinhaltet die un-beschränkte und also abschließende Kompetenz, Mindest-preise für Arbeit festzulegen. Dazu paßt absolut nicht, daßdie Verantwortung für die Kostenseite dieser Festlegun-gen auch nur teilweise dem Staat zugewiesen wird.

Die Zukunft wird gewonnen durch Innovation und Ratio-nalisierung, durch Findigkeit und Tüchtigkeit. Natürlichbraucht man auch Zeit dafür. Aber sich Zeit zu kaufendurch subventionsgeschützte Beibehaltung alter Produkt-linien, bedeutet, selbst wenn dies trotz der enormen MoralHazard-Probleme gelänge, nur allzu oft die Verlängerungdes nicht zu Verlängernden. Brutal, aber aus Einsicht be-freie man sich vom Alten, zum Neuen. Wenn denn Arbeitso viel wert sein soll, wie die Tarifpartner meinen, dannrichte man sich danach. Das heißt ja nicht, daß der Staatbeiseite zu stehen habe. Aber er helfe in Formen, die demRechnung tragen.

Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionierung derKosten im letztlich privat zu verantwortenden Bereichbewirken nicht nur eine vermeidbare Verschwendung vonRessourcen, sie sind auch für die dadurch diskriminiertenWettbewerber außerhalb des Fördergebiets ganz beson-ders wenig akzeptabel. Darauf ist zurückzukommen.

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15. Mit Einschränkungen, die aber letztlich nicht durch-schlagen, ist in gleicher Weise zu opponieren gegen eineSubventionierung der regionalen Produktionstätigkeit, diesich an der regionalen Wertschöpfung orientiert.

(1) Für solche Form der Wirtschaftsförderung wird vor-gebracht, daß sie von vornherein auf Neutralität inbezug auf das Faktoreinsatzverhältnis in der regiona-len Produktion abzielt, also nicht zur Wahl einer „fal-schen“ Faktorintensität – Arbeitsintensität, Kapital-intensität – verleitet. Dies ist aber allenfalls in kurz-fristiger Betrachtung zutreffend. Und auf sie sollte esnicht vor allem ankommen. Einzuräumen ist: Geht esdarum, Zeit zu kaufen, weil ein hidden factor (z. B.die Infrastruktur) noch nicht gut entwickelt ist, scheintWertschöpfung kein schlechter Ansatzpunkt zu sein.Aber:

(2) Faktisch dominiert in der Bemessungsgrundlage ei-ner Subvention, die an der Wertschöpfung anknüpft,die Lohnsumme, einschließlich Lohnnebenkosten.Insoweit leben die ordnungspolitischen Sorgen wie-der auf, die im Zusammenhang mit Lohnsubventio-nen vorzubringen waren, wenn auch etwas abge-schwächt.

(3) Wie Lohnsubventionen schaffen Subventionen, die ander Wertschöpfung anknüpfen, keine spezifischen An-reize, die die dynamischen Kräfte einer Region ent-binden oder sich darauf richten, neue von außen zugewinnen. Sie verzichten zudem auf den Zwang füralle, sich so schnell wie möglich auf das zu konzen-trieren, was Chancen auf Dauer hat.

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Eine regionale Subventionierung der Wertschöpfung wäreauch die lange Zeit von vielen für die neuen Bundesländerpostulierte Mehrwertsteuerpräferenz. Man muß sich garnicht auf die üblen Erfahrungen berufen, die man bei derfrüheren Berlin-Hilfe damit gemacht hat. Man könnte eineNeuauflage intelligenter ausgestalten. Aber die prinzipiel-len Bedenken blieben. Sie werden im folgenden, hoffent-lich, durch indirekte Beleuchtung noch deutlicher werden.

2. Für Investitionsförderung

16. Wir kommen zum Positiven. Es geht um die These,daß neben der Schaffung einer gehörigen Infrastruktur imweitesten Sinne die Investitionsförderung der beste Wegder regionalen Wirtschaftsförderung darstellt. Dies ist so,obwohl es danach aussieht, daß man sich damit für dieKunst des indirekten Vorgehens entscheidet. Es ist ja rich-tig: Wer letztlich doch vor allem die Beschäftigung meint,fördert mit den Investitionen nicht direkt das, was er her-vorzulocken wünscht. Aber die Oberfläche verrät oft nichtdie Sache selbst. So auch hier.

(1) Investitionsförderung setzt bei dem – hochmobilen –Produktionsfaktor an, an dem es in den Problemre-gionen regelmäßig am meisten fehlt. Anders als dieFörderung des Arbeitseinsatzes, die bei dem – gro-ßenteils immobilen – Faktor ansetzt, der zu reichlichvorhanden ist.

(2) Investitionsförderung bedeutet Standortverbesserungdurch Senkung der Produktionskosten in der Weise,daß die Abgabepreis-Untergrenze für die Aufnahmelohnender Produktion gesenkt wird, und zwar im Prin-zip ohne daß die Grenzkosten direkt gesenkt werden.

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(3) Investitionsförderung erlaubt massive Anfangsförde-rung. Sie begründet die Erwartung dauerhafter posi-tiver Anschlußwirkungen ohne zusätzliche Förderung,das heißt die Erwartung einer selbsttragenden positi-ven Entwicklung. Massive Anfangsförderung hat zu-dem nicht die Gefahr der Subventionsgewöhnunggegen sich, bewirkt aber auch, daß der Investor nichtfürchten muß, die versprochene Förderung werde –wegen eines politischen Wandels etwa – möglicher-weise ausbleiben.

(4) Investitionsförderung hat nicht die Besorgnis großerMoral Hazard-Probleme gegen sich.

(5) Investitionsförderung schafft keine Wettbewerbsver-zerrungen durch direkte Senkung (Bezuschussung) derGrenzkosten der laufenden Produktion.

(6) Investitionsförderung enthält in der Regel ein wün-schenswertes Element der Senkung der unternehme-rischen Risiken in der Förderregion, hier zu Lastendes Staates, aber in marktkonformer Weise.

(7) Investitionsförderung bedeutet immer auch Förderungdes Imports von technischem Wissen, das in moder-nen Investitionsgütern inkorporiert ist oder mit ihnenmitgeliefert oder bei der Anwendung eingeübt wird.Regelmäßig ist sie auch Förderung des Imports vonInnovationswissen in bezug auf Organisation, Mar-keting und zukunftsträchtige Absatzmärkte, soweit mitder erfolgreichen Investitionsförderung auswärtigesBeteiligungskapital und Managementpotential gewon-nen wird, was oftmals der Fall ist.

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(8) Investitionsförderung bewirkt eine Verbesserung derSachkapitalausstattung in der Förderregion, und dasimpliziert regelmäßig eine Steigerung der Grenzpro-duktivität der Arbeit,– sei es durch Qualifikationssteigerung on the job

oder anderweitig induziert,– sei es nach dem Muster, wie es die Produktions-

theorie für den Fall einer Kapitalintensivierung be-schreibt (dauerhaft freilich nur insoweit, als sichdie zunächst geförderte Kapitalintensität späterohne Förderung als lohnend erweist; doch daraufmuß und wird der Investor aus eigenem Interesseachten).

17. Die Behebung des Mangels an hochmobilen Produkti-onsfaktoren ist wichtiger als die Verbilligung des reichli-chen, weil immobilen, Faktors. Letztere liegt zum einen inder Verantwortung der Lohnpolitik, zum anderen kann dasZu-teuer-Sein von Arbeit dauerhaft nur durch Produktivi-tätssteigerung überwunden werden, die eben (außer durcherhöhte Qualifikation der Arbeitskräfte) in erster Linie alsBeiprodukt einer verbesserten Sachkapitalausstattung er-wartet werden muß und nicht von einer Subventionierungdes Faktors Arbeit. Wenn schon Förderung, sollte sie hel-fen, die Ursachen der Förderbedürftigkeit abzubauen, stattdarauf zu vertrauen, daß diese mit der Zeit von selbstverschwinden. Noch einmal: Was heißt Standortverbesse-rung durch Investitionsförderung? Will sagen: Was heißtStandortverbesserung durch Senkung der Produktionsko-sten in der Weise, daß die Abgabepreisuntergrenze für dieAufnahme lohnender Produktion gesenkt wird, ohne daßdie Grenzkosten gesenkt werden? Eine solche Senkung istjedenfalls in den vielen Fällen steigender Skalenerträge –genauer: bei nicht vollkostendeckenden Grenzkostenprei-

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sen – keine Vorbedingung für das genannte Ergebnis.Lohnsubventionen und Wertschöpfungssubventionen wir-ken über eine Senkung der Grenzkosten der laufendenProduktion (solange sie gewährt werden). Die Schaffungvon Sachkapital in einer Förderregion – das nach der In-stallierung wirtschaftlich kaum noch mobil ist und inso-weit belastbar – verändert dort die Produktionsbedingun-gen derart, daß von einer lohnenden Produktion geringereFixkosten-Deckungsbeiträge verlangt werden. Es lohntsich eine Produktion (und der Einsatz von Arbeitskräftendafür), die sich ohne die Teilschenkung des Sachkapitalsnicht gelohnt hätte. All dies, solange das (verbilligte) Sach-kapital nutzbar ist. Man braucht nach einer Standortver-besserung dieser Verbesserung nichts mehr hinzuzufügen,um sie aufrechtzuerhalten, kann das Geschenk auch nichtmehr zurücknehmen, im Falle des Mißerfolgs etwa – ganzanders als im Falle der Lohnsubventionierung, bei der dergewährte Vorteil ständig zu erneuern ist und im Mißer-folgsfall entfällt. In der Erfolgsunabhängigkeit des ange-botenen Geschenks liegt der risikosenkende Effekt bei derInvestitionsförderung. Insoweit gilt: Nicht der Erfolgrei-che wird gefördert, sondern der Mutige, der, der sichetwas zutraut, der aber nicht die Kraft hat, im Mißerfolgs-fall den Verlust allein zu tragen.

Die Erwartung dauerhafter positiver Anschlußwirkungengründet sich vor allem darauf, daß in einem Unternehmen,hier: in einem Betrieb als der örtlichen Einheit eines Un-ternehmens, die einzelnen Investitionsprojekte einer län-geren Zeitperiode in vieler Hinsicht einander bedingen(solange der Betrieb nicht aufgegeben wird). Im erstenbist du frei, im zweiten bist du Knecht. Die Standortent-scheidung ist wirklich eine unternehmerische Makroent-scheidung. Sie zu beeinflussen ist daher viel wichtiger als

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die Entscheidung über den Beschäftigungsstand, die – beiallen Hemmnissen, die es auch hier gibt – im ganzen dochviel reversibler ist. Die zwangsläufigen Anschlußinvesti-tionen bedürfen im Prinzip nicht mehr der Förderung.Dies ist es, was die hohen Kosten einer massiven Anfangs-förderung am Ende erträglich erscheinen läßt.

18. Selbstverständlich gibt es auch bei der Investitionsför-derung Gefahren.

(1) Es gibt die Möglichkeit der Überförderung mit derFolge einer für den angestrebten beschäftigungspoli-tischen Erfolg unnötig hohen Kapitalintensität undalso die Gefahr einer Verschwendung von Fördermit-teln.

(2) Eine durch Überförderung bewirkte zu hohe Kapital-intensität bedeutet immer auch Ressourcenverschwen-dung. Sie manifestiert sich in falschen Entscheidun-gen bei der Wahl der Produktionsverfahren und beider Wahl der Produktionsbereiche, denen sich die In-vestoren in den Förderregionen zuwenden.

Die Gefahr der Verschwendung durch induzierte Faktor-substitution (zu Lasten des Faktors Arbeit) und durch Be-vorzugung kapitalintensiver Produktionsbereiche ist ernstzu nehmen, aber nicht allzu ernst. Von Überförderung –sprich: von zu stark abgesenkten Kapitalnutzungspreisen– ist nur zu reden, wenn die Förderintensität über dashinausgeht, was an Investitionsförderung allgemein oderdurch Mängel in der Standortqualität gedeckt ist, die denFaktor Kapital treffen (Risiken, Infrastrukturmängel) unddie kompensiert werden sollen wegen der überwiegendkomplementären Bedeutung von Sachkapital für die Be-

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schäftigung (siehe oben). Letzteres ist der Sinn der regio-nalen Wirtschaftsförderung, und es wäre gleichgewichts-theoretischer Unsinn, die Gefahr der Fehllenkung mit derersten Fördermark, die den Kapitalnutzungspreis senkt,beginnen zu sehen. Zudem gilt: Einflüsse der Förderungauf die Wahl der Produktionsverfahren und der Produkti-onsbereiche, die es auch dann gibt, wenn die Investitions-förderung aus allgemeinen Gründen oder aus Gründen dergenannten Komplementarität gerechtfertigt ist, sind hin-zunehmen oder sogar erwünscht. Die gleichwohl einzu-räumenden Gefahren der Überförderung (Stichwort: voll-automatische Fabriken ohne nennenswerte Belegschaft)werden auch aus anderen Gründen oft überschätzt.

Zum einen: Die Gefahr der Überförderung ist in rechtweiten Grenzen schon deshalb gering, weil eine in derInvestitionsförderung liegende Senkung der Steuerlast aufKapitaleinkommen bereits aus allgemeinen allokations-theoretischen Gründen gerechtfertigt erscheint, also inso-weit der regionalpolitischen Rechtfertigung nicht bedarf.Die mit der Regionalpolitik geschaffene selektive Sen-kung der Effektivbesteuerung von Kapitaleinkommen spe-ziell in den Fördergebieten bewirkt zwar eine Diskriminie-rung der Nicht-Fördergebiete; diese ist jedoch im Prinzipdurch die Ziele der Regionalpolitik gedeckt. Wie immer insolchen Fällen sind freilich Second-best-Probleme zu be-denken.

Zum anderen: Die Arbeitsintensität eines durch Förderungin Gang gesetzten regionalen Produktionsprozesses kannnicht allein an der Arbeitsintensität einer einzelnen Pro-duktionsstufe abgelesen werden. Die Arbeitsintensität vonregionalen Vorlieferanten und Abnehmern, deren Aktivi-tät von der Förderung mit abhängt, gehört in jedem Falle

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dazu. Und das ist nicht das Ende. Auf diesen wichtigenAspekt – letztlich der theoretische Kern des Streitthemas –ist noch einmal zurückzukommen.

19. Auch wenn die regionale Investitionsförderung geradedie Standortnachteile einer Förderregion, soweit sie dasSachkapital treffen, ausgliche (und insoweit keine Sorgenhinsichtlich der Kapitalintensität der Produktionsverfah-ren und der Produktionsstruktur hervorriefe), bleibt zufragen, ob nicht effiziente Förderung der Erwerbschanceneiner Region erfordert, daß der Förderaufwand für denmarginalen Arbeitsplatz, den die Förderung zu schaffenoder zu erhalten hilft, prinzipiell in allen Förderbereichenund Förderfällen gleich sein sollte, allenfalls differenziertangesichts des Humankapitalproblems. Dafür wird vorge-bracht: Auch eine Förderung, die zwar bei den Investitio-nen ansetzt, aber die Arbeitsplätze meint, rechtfertige sichletztlich durch die Relation von Förderaufwand zu Ar-beitsplatzeffekt. Nur bei gleichmäßiger Förderung (im zu-vor definierten Sinne) sei der Arbeitsplatzeffekt einer ge-gebenen Fördersumme maximal. Bei Investitionsförderungder herkömmlichen Form sei das kaum zu gewährleisten.Diese wäre also entsprechend zu modifizieren. Dagegenspricht: Wird Investitionsförderung konsequent am direk-ten Arbeitsplatzeffekt bemessen, geht sie teilweise inLohnsubventionierung über (siehe oben). Überdies: WirdInvestitionsförderung am Arbeitsplatz bemessen, ohne daßes in entsprechendem Maße Standortnachteile gibt, diespeziell den Arbeitseinsatz treffen, kommt es zu einerVerzerrung bei der Wirtschaftsstruktur, die nun hinsicht-lich der Produktionsverfahren und der Produktionsstrukturbesonders arbeitsintensiv wird. Das ist unerwünscht we-gen der im allgemeinen geringeren Dauerhaftigkeit der zuerwartenden Fördereffekte. Insbesondere fehlen weitge-

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hend die positiven „side effects“ der allgemeinen Investi-tionsförderung (siehe oben), die diese Dauerhaftigkeit be-günstigen. Und: Auch bei der am Arbeitsplatzeffekt be-messenen Investitionsförderung wird die zeitliche Dimen-sion des Fördereffekts, sprich Arbeitplatzeffekts, nicht sy-stematisch berücksichtigt (außer gegebenenfalls durch Si-cherungsklauseln hinsichtlich einer Mindestzeit für denBestand der geförderten Arbeitsplätze, wie sie etwa beider Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zurVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur verlangtwird).

Zum Saldo: Allgemeine Investitionsförderung, die hin-sichtlich der Größe des direkten Arbeitsplatzeffekts wenigkonditioniert ist (außer durch Mindestregeln für Mengeund Zeit), sollte die durch sie geschaffenen beziehungs-weise erhaltenen Arbeitsplätze regelmäßig nach Maßgabeder Bindewirkung (Zeit und Risiko betreffend) der unter-nehmerischen Entscheidung über den Sachkapitaleinsatzbegünstigten. Demgemäß erscheint es angesichts der Pro-blemlage der Regionalpolitik angemessen, wenn die För-dersätze nach Maßgabe dieser Bindewirkung – praktischnach Maßgabe der Abschreibungsperioden – differenziertwerden. Die Kappungsgrenze hinsichtlich der Kapitalin-tensität, die es in der deutschen Regionalpolitik gibt, lei-stet dies nicht einmal näherungsweise, ist sogar zu grob,zu undifferenziert, um auch nur problematische Förderex-zesse zu vermeiden.

20. Im Prinzip gelten die Einwände gegen eine am Ar-beitsplatzeffekt bemessene Investitionsförderung auch ge-gen eine am Humankapitaleinsatz bemessene. Allerdingsnicht ohne Einschränkungen. Das Humankapitalangeboteiner Region gehört zu deren wichtigsten Standortfakto-

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ren. Aber es kommt auch auf die Annahme dieses Ange-bots an. Eine humankapitalintensive und deshalb zukunfts-trächtige und produktivitätsstarke Wirtschaftsstruktur wirdselbst zu einem wichtigen Standortfaktor. Und man magzumindest in dieser Hinsicht die Wirkungsmöglichkeitender direkten Förderung bloß des regionalen Humankapi-talangebots unzureichend finden und also nach Möglich-keiten suchen, mit der Förderung auch auf der Nachfrage-seite anzusetzen. Denn selbst die erfolgreiche Förderungder Bildung von Humankapital in der Region (durch dieFörderung von Bildung und Ausbildung) besagt nicht not-wendigerweise, daß dieses Humankapital in der Regionauch nur angeboten, geschweige denn tatsächlich einge-setzt wird. Ein Großteil wandert spontan aus. Ingenieure,die in Sachsen ausgebildet werden, müssen nicht in Sach-sen tätig werden. Sie werden es nur bei entsprechendintensiver Nachfrage nach ihnen. Und umgekehrt stößteine intensive Nachfrage nach Humankapital selbst dannnicht notwendigerweise ins Leere, wenn es regional anAngebot fehlt. Sie läßt sich oft auch durch Zuwanderungbedienen. Allerdings: Die Ausgestaltung einer wirksamenFörderung des Einsatzes von Humankapital mit kontrol-lierbarem Fördererfolg hat sich als außerordentlich schwie-rig erwiesen. Trotzdem muß ein Weg gefunden werden,zumindest Unternehmensbereiche, die wenig sachkapital-intensiv sind, aber hoch humankapitalintensiv, mit demFörderangebot der Regionalpolitik besser zu erreichen, alsdies mit der allgemeinen Investitionsförderung geschieht.Abseits dieses Spezialfalles – und also im Regelfall – mußman wohl darauf vertrauen, daß eine ausreichende Förde-rung des Einsatzes von Sachkapital allemal auch eineausreichende Förderung des Einsatzes von Humankapitalumschließt, da kapitalintensive Produktion in den meistenFällen zugleich humankapitalintensive Produktion ist.

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21. Zurückzukommen ist noch einmal auf die Gefahr vonFörderexzessen, und zwar nun im Zusammenhang mit derGefahr von Verzerrungen des Standortwettbewerbs, die inihr liegt. Auch hier erscheinen allerdings die gängigenÄngste übertrieben und die Investitionsförderung überle-gen der Förderung der laufenden Produktion. Denn imKonzept der regionalen Investitionsförderung liegt einMoment der Selbstdisziplinierung des Förderers, das imFalle einer Förderung der laufenden Produktion zumindestschwächer ist. Der Anreiz zur Selbstdisziplin besteht inder Gefahr der Ineffizienz selbst, sprich der Gefahr einerVerschwendung von Fördermitteln. Sie zu ignorieren, hatgerade der Investitionsförderer keinen Anlaß.

Das Argument geht wie folgt: Der Bau der Investitionsgü-ter ist Teil des Produktionsprozesses, der hin zum zu ver-marktenden Endprodukt führt. Dieser Teil ist meist ohneregionalpolitisches Interesse, da der Ort des Baus der In-vestitionsgüter meist außerhalb des Fördergebiets liegt.Trotzdem ist es dieser Teil des Produktionsprozesses, derdirekt allein der Förderung unterliegt, wenngleich bedingtdurch die Verwendung der Investitionsgüter im Förderge-biet. Soweit die regionale Investitionsförderung einen un-erwünschten Effekt der Kapitalintensivierung hat, ver-schwendet der Förderer einen Teil seiner Fördermittel,und zwar zugunsten anderer Regionen. Er fördert in unnö-tigem Maße die Produktionstätigkeit außerhalb seiner Ziel-region. Politökonomisch gesehen, hat also gerade der Re-gionalpolitiker, der allein an Einkommensinteressen sei-ner Region orientiert ist, keinen Anreiz, die Investitions-förderung, was etwa die Fördersätze anbelangt, zu über-treiben.

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Eine große Rolle spielt außerdem, daß regionale Wirt-schaftsförderung im interregionalen Wettbewerb betrie-ben wird und daher die Frage der Wettbewerbsneutralitätder Förderung sowie die Frage der positiven oder negati-ven grenzüberschreitenden Wirkungen zu einer Frage derAkzeptanz der Förderkonzepte auf der Ebene der konkur-rierenden Gebietskörperschaften wird. Weniger abstraktgesprochen: In Europa, auf EG-Ebene, ist Wirtschaftsför-derung in der Form der allgemeinen Investitionsförderungauf nationaler Ebene vollständig erlaubt. Und in der regio-nalen Wirtschaftsförderung ist es die Investitionsförde-rung, die am ehesten akzeptiert ist. Auch hier sind zwarHöchstgrenzen der Förderung unter Bezugnahme auf dasallgemeine Beihilfeverbot des EG-Vertrages, das durchdie Erlaubnis regionaler Wirtschaftsförderung ja nur be-grenzt dispensiert ist, unentbehrlich. Aber deren Einhal-tung ist nur begrenzt kontrollierbar. Trotzdem ist die Ge-fahr exzessiver Investitionsförderung noch einigermaßenerträglich für alle, eben weil hier exzessive Förderungzunächst einmal nur bedeutet, daß der regionale Förderermit seinen Fördermitteln exzessive Produktionstätigkeit inder Investitionsgüterindustrie auch außerhalb seines För-dergebiets fördert. Insoweit gibt es also keine direkte re-gionale Diskriminierung. Die Privilegierung der Verwen-dung der Investitionsgüter im Fördergebiet stört zwar dieWettbewerber in anderen Regionen (und EG-Staaten), so-weit diese daraus Wettbewerbsnachteile auf den anschlie-ßenden Produktionsstufen haben. Und dies ist im Zweifelauch die Hauptsache. Doch die im Selbstinteresse desFörderers angelegte Tendenz zur Vermeidung von Förder-exzessen dämpft zugleich die politischen Widerstände.Zumal der Exzeß, wenn es denn zu ihm kommt, versüßtwird durch die diskriminationsfreie Teilhabe aller an denwohltätigen Primärfolgen der Förderung, die im Investiti-

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onsgüterbereich anfallen. Anders ist es im Falle der Lohn-subventionen oder im Falle einer Subventionierung derregionalen Wertschöpfung: Hier bewirkt die Förderungbrutto für netto eine interregionale Diskriminierung zwi-schen den Produktionsstandorten, und zur Selbstdisziplingibt es unzureichenden Antrieb, weil das Geld im Landebleibt. Deshalb ist hier der Protest der Wettbewerber unterBerufung auf das Beihilfeverbot in der Europäischen Uni-on sofort zur Stelle – und zu Recht.

22. Man mag die Frage der Neutralität der regionalenWirtschaftsförderung in der Form der Investitionsförde-rung auch so sehen: Investitionszuschüsse und ähnlichessind gleichsam Geschenke an die Förderregion bezie-hungsweise an deren Unternehmen. Geschenke aber sind,wie auch Pauschalsteuern – wir kennen das Problem ausder Diskussion über optimale Besteuerung –, allokations-theoretisch prinzipiell unbedenklich oder jedenfalls weni-ger bedenklich als Subventionen und Abgaben, die an derlaufenden Wirtschaftstätigkeit und deren Ergebnis anknüp-fen. Daß dem armen Mann etwas geschenkt wird, findenauch dessen Wettbewerber im allgemeinen eher unbe-denklich. Wenn aber dessen laufende Produktion verbil-ligt wird, dann hört die Liebe auf. Und das hat nicht nurverständliche egoistische Gründe. Die Opposition ist auchallokationstheoretisch, wettbewerbspolitisch, in Ordnung.Regionale Investitionsförderung verliert ebenfalls in demMoment ihren vergleichsweise harmlosen Charakter, indem sie zur Dauerförderung wird. Wird auch die An-schlußinvestition, namentlich die künftige Ersatzinvestiti-on unter Förderung gestellt, so geht die Investitionsförde-rung in die Förderung der laufenden Produktion über. DerFall der Wettbewerbsverzerrung wäre unbezweifelbar ge-geben. Dies sollte auch bei der gegenwärtigen Diskussion

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über die Gefahr einer Subventionsgewöhnung bedachtwerden, die viele in der wiederholten Verlängerung derFörderprogramme sehen. Der Vorwurf der Gewöhnungder Unternehmen an Subventionen – der Heranzüchtungvon Subventionsmentalität – trifft die Investitionsförde-rung nicht, solange sie für jedes einzelne Produktionsvor-haben Anfangsförderung bleibt, namentlich künftige Er-satzinvestitionen ausschließt. Selbst eine zeitliche Verlän-gerung der Förderangebote bedeutet im Prinzip noch nichtmehr als Vermehrung der Fälle von Anfangsförderung.Daß es bei der Anfangsförderung bleibt, darauf kommt esviel mehr an als darauf, daß die Förderprogramme baldauslaufen.

23. Dauerförderung aber ist, das sei wiederholt, auch nichtnötig, wenn man bei den Investitionen ansetzt. Man besin-ne sich: Ratio der Förderung ist Ausgleich für Standort-nachteile. Diese Nachteile sind nach und nach teilweisedurch anderweitige Maßnahmen zu beseitigen, zum Bei-spiel durch Verbesserung der Infrastruktur. Teilweise kannund muß die Förderung sich selbst überflüssig machen.Dies geschieht, insoweit während der geförderten Wirt-schaftstätigkeit – die aufgrund der Förderung von Investi-tionen eine beschleunigt modernisierte Wirtschaftstätig-keit ist – die Leistung von Management und Belegschaftenin den Unternehmen steigt. Anders bei der Subventionie-rung der laufenden Produktion. Insoweit diese dazu an-reizt, in ihr einen Spielraum für beschleunigte Lohnanglei-chung zu sehen, bleibt sie wirkungslos, was die Wettbe-werbsfähigkeit der Unternehmen anbelangt. Sie wird viel-mehr zu einer – sozialpolitischen – Maßnahme zugunstender Einkommenssituation derer, die ohnehin ihren Ar-beitsplatz behalten hätten. Statt sich selbst überflüssig zumachen, wird sie sogar unentbehrlich, wenn sie bloß wir-

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kungs„los“ bleiben soll. Entfällt sie nämlich, wird auf-grund der ihretwegen erhöhten Lohnkosten Produktionunrentabel, die ursprünglich noch rentabel war. Auswirkungs„los“ wird schädlich. Dauerhaftigkeit und Wir-kungslosigkeit – das sind durchaus vertraute Erscheinungs-bilder aus der Geschichte des subventionierenden Staates.Es gehört zu dem, was man an der Wirtschaftspolitikzugunsten der neuen Länder rühmen darf, daß sie derVersuchung und dem starken Drängen widerstanden hat,in großer Breite den Weg der Lohnsubventionen und ver-wandter Maßnahmen zu gehen. Diese Verweigerung magin vielen Einzelfällen dazu beigetragen haben, daß obsole-te Produktion so rasch aufgegeben werden mußte (und soviel Geld für Arbeitskräfte, die keine Arbeit mehr hatten,aufgewandt werden mußte). Aber der rasche Abschiedhatte sein Gutes. Er zwang zur Suche nach Zukunftsträch-tigem, und die Investitionsförderung senkte in rigoroserWeise die Fixkosten des Neubeginns. Die zweifellos sehrzahlreichen Fälle von Durchhaltehilfen der Treuhandan-stalt – praktisch Lohnsubventionen – sind kein durchschla-gendes Gegenargument. Der unerhörte ordnungspolitischeSchweinkram in der Treuhandanstalt war deshalb erträg-lich, weil er zugleich unvermeidlich und mit der Existenzder Treuhandanstalt definitiv zeitlich begrenzt war.

24. All dies führt hin zu dem entscheidenden Kriterium fürdie Beurteilung des Fördererfolgs. Dieser ist zu messen andem dauerhaften Einfluß auf das regionale Niveau vonProduktion, Beschäftigung und Einkommen, der jenseitsder Förderphase erwartet werden kann. Denn daraufkommt letztlich alles an, nicht auf die möglicherweisevorübergehenden Direktwirkungen. In dieser Hinsicht abergibt es schlechthin keine Konkurrenz für die Investitions-förderung, vielleicht mit der einzigen Ausnahme einer

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intelligenten Förderung des Angebots und des Einsatzesvon Humankapital, die sich aberals viel schwieriger dar-stellt als die doch verhältnismäßig einfache Investitions-förderung.

25. Schätzt man die überragende Bedeutung der Förder-wirkungen jenseits der Förderphase richtig ein, so relati-viert sich zugleich noch einmal die immer wieder vorge-brachte Sorge, regionale Investitionsförderung müsse zueinem ineffizienten, sprich verschwenderischen Umgangmit Sachkapital führen, da sie nun einmal durch eine Ver-zerrung der Faktorpreisrelationen, an denen sich der ge-förderte Investor ausrichtet, eine überoptimal hohe Kapi-talintensität bewirke. Nur für die Förderphase besteht über-haupt ein Anreiz, die gewählte Kapitalintensität vom staat-lichen Förderangebot wesentlich mitbestimmen zu lassen.Aber welcher vernünftige Unternehmer wird sich schondafür entscheiden, unter dem Eindruck eines temporärenFörderangebots ein (kapitalintensives) Produktionsverfah-ren oder Produktionsprogramm zu wählen, von dem erschon heute weiß, daß er es jenseits der Förderphase,wenn er Ersatzinvestitionen, Erweiterungsinvestitionenoder andere Anschlußinvestitionen vorzunehmen hat, unddann eben ohne Förderung, nicht mehr optimal findenwird. Wohlgemerkt, man soll die erwähnten Sorgen nichtauf Null bringen. Aber man sollte sie doch sehr viel tieferhängen, als es oftmals geschieht, wenn die Analyse bei derLogik komparativ-statischer Überlegungen auf der Basisder neoklassischen Produktionstheorie stehenbleibt.

26. Die Elogen auf die Investitionsförderung als dem wich-tigsten Element der Wirtschaftsförderung in der Regional-politik wären unvollständig, wenn man nicht noch einenganz allgemeinen Gesichtspunkt ins Blickfeld rückte. Für

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eine gute regionale Entwicklung kommt es auf außeror-dentlich viele Umstände und Verhaltensweisen, Initiati-ven und Anstöße, Einfälle und Durchsetzungskräfte an.An gehöriger Stelle immer wieder auch auf die nötigeBrutalität; denn die Absterbeordnung gehört zur Markt-wirtschaft wie die Freiheit. Freilich, die Bedeutung dieserFaktoren entzieht sich schon der theoretischen Durchdrin-gung weitgehend. Noch illusorischer erscheint es, vomStaat zu verlangen, sie in der praktischen Wirtschaftspoli-tik im einzelnen einzubeziehen und überall möglichst maß-geschneiderte Lösungen zu finden. Wer aber vor Aufga-ben steht, die ihn überfordern, der nehme Einfachheit indie Basis seines wirtschaftspolitischen Konzepts. Er wähleeinen Weg, auf dem er im Zweifel und in vielen Fällen mitausreichender Wahrscheinlichkeit den Anforderungen ge-recht wird. Und hier kann man sagen: Vom Nötigen dasmeiste fängt man ein, wenn man für gute Investitionsbe-dingungen sorgt. Nirgendwo sonst läuft von dem, woraufes ankommt, so viel zusammen wie dort.

3. Das künftige Hauptproblem: Risikokapital

27. Übrig bleibt ein wichtiges Insbesondere: das ProblemRisikokapital. Mit der Wirtschaftsförderung bei den Inve-stitionen ansetzen muß, wie erwähnt, nicht einfach heißendie Investitionsgüter für den Unternehmer verbilligen. AufDauer müssen die Betriebe so leistungsfähig werden, daßsie ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau aufweisen. Dasist das Ziel der Förderung, und es muß die Erwartung derFörderinstanzen sein. Ob es aber gelingt, ist unsicher. Sohat ein Unternehmer in einer Transformationsregion typi-scherweise kurzfristig einen Kostennachteil (auch Absatz-nachteile), ist auf mittlere Sicht aber vor allen Dingenunsicher, ob er die Gewinnzone erreicht. Das unternehme-

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rische Risiko ist ein zentrales Element jeder Investitions-entscheidung. Und es ist originärer Ansatzpunkt für dieWirtschaftsförderung, insoweit das Investieren in einerProblemregion unter spezifischen Risiken steht, die sichvon außen schlecht abschätzen lassen. Dieses Problemkann auch in Ostdeutschland wesentlich länger andauernals der Bedarf an einer mehr oder weniger allgemeinenInvestitionsförderung.

28. Das Unternehmerrisiko ist keine Frage allein der aus-reichenden Wagnisbereitschaft der Unternehmer. Vor al-lem Kapitalgeber von außen tun sich angesichts einesregional besonders hohen Risikos schwer, Mittel bereitzu-stellen. Das betrifft sowohl die Beteiligungsfinanzierungals auch die Fremdfinanzierung. Dabei geht es nicht ein-fach darum, daß die Kapitalgeber aufgrund ihrer Risiko-scheu die spezifischen Risiken einer Transformationsregi-on mieden. Insoweit müßte kein Problem bestehen. DieAnleger könnten im Rahmen einer Portefeuille-Mischungunter Hinzuziehung sicherer Anlagetitel durchaus höhereRisiken übernehmen. Außerdem könnte man sie durchhöhere Zinsen beziehungsweise höhere Ertragserwartun-gen zur Kapitalanlage bewegen. Das wesentlichere Pro-blem liegt in der asymmetrischen Informationslage zwi-schen Unternehmer und Außenfinanciers mit dem Risiko,daß die Unternehmer diese Informationsunterschiede aus-beuten könnten. Die Ökonomen sprechen heute von einemMoral Hazard im Verhältnis des disponierenden Agentengegenüber dem finanzierenden Prinzipal oder auch vomRisiko eines opportunistischen Verhaltens des Unterneh-mers. Aufgrund solcher Sorgen ist es für kleinere undmittlere Unternehmen – vor allem, wenn sie noch keineReputation bei Kapitalgebern erworben haben – kaummöglich, Beteiligungskapital zu erlangen, am ehesten noch

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Fremdkapital, aber auch dieses nur gegen weitgehendeSicherheiten. Die Kapitalgeber sichern sich Grundpfand-rechte, machen Eigentumsvorbehalte geltend, beanspru-chen Bürgschaften oder verlangen ganz allgemein einegute Eigenkapitalausstattung als Puffer gegen Verlustrisi-ken und bestehen häufig auf Meistbegünstigungsklauseln,was ihren Gläubigerstatus angeht. Die Sorgen der Kapital-geber sind um so gravierender, je riskanter sie das zufinanzierende Projekt einschätzen und je geringer die Ei-genkapitalquote des Kreditnehmers ist. Der Zins als Risi-koentgelt funktioniert nicht als Rationierungsmittel wie esauf anderen Märkten ein Preis tut, weil wegen der Infor-mationsdefizite das Risiko nicht hinreichend genau kalku-liert werden kann und weil sich mit höherem Zins dieQualität der angebotenen Projekte schneller verschlechtertals aufgrund der erhöhten Risikoprämie in der Zinsspannevon der Bank akzeptiert werden könnte. Negative Ausleseist der Grund dafür. Denn Investoren mit mäßig ertragrei-chen, aber vergleichsweise sicheren Projekten (die „gutenRisiken“) werden von einem hohen Zins abgeschreckt.Dieses Finanzierungsproblem, vor allem ein Mittelstands-problem, ist allgemein bekannt, und deshalb gibt es imGrunde überall darauf zugeschnittene öffentliche Finan-zierungshilfen, zum Beispiel für Innovationen und Exi-stenzgründungen, sowie vielfältige mittelstandspolitischeMaßnahmen.

29. In den Transformationsökonomien ist der Bedarf anFinanzierungshilfen deutlich ausgeprägter. Denn hier

(1) sind die Risiken im Prinzip höher,(2) ist das Eigenkapital der Unternehmen typischerweise

knapper.

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In den noch umzustrukturierenden und zu entwickelndenRegionen ist im Einzelfall nicht nur das Projektrisiko imengeren Sinne zu tragen, sondern auch die Unsicherheit,ob die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Rich-tung auf Wettbewerbsfähigkeit eintritt, d. h. ob es zu denProduktivitätsgewinnen kommt, die man sich durch Know-how-Transfer, Learning-by-doing, Fühlungsvorteile undim Einzelfall auch von economies of scale verspricht.Aber auch die Projektrisiken selbst dürften im allgemei-nen höher sein. Zum Beispiel braucht man für den Aufbaueiner Reputation und die Markterschließung einen sehrlangen Atem. Eine Markterschließung ist teuer und unsi-cher. Eigenkapital ist besonders knapp, weil man wenighat und weil man besonders viel braucht.

– Ein erster Grund für eine schlechte Eigenkapitalausstat-tung ist unmittelbar einleuchtend. Die Bürger und Un-ternehmer der Transformationsländer hatten in der Ver-gangenheit keine Chance, nennenswertes Vermögen an-zusammeln. In Ostdeutschland gibt es hierzu noch zweiBesonderheiten. Wegen der stabilen Rahmenbedingun-gen gelang es bei der Privatisierung, in großem Um-fang westliche Direktinvestoren und westliche Erwer-ber für die zu privatisierenden Betriebe zu gewinnen.(Es ist von großer Bedeutung, daß diese gegebenenfallsweiteres Eigenkapital nachschießen können.) Die an-dere Besonderheit sind die enormen Anlaufverluste, diedie Betriebe in Ostdeutschland aus den anfangs genann-ten Gründen erlitten haben und die über das für eineAnlaufphase normal zu nennende Maß hinausgegangensein dürften. Diese Anlaufverluste haben die Eigenka-pitalbasis erodiert, auch bei vielen ehemaligen Treu-handbetrieben, die mit einer „normalen“ Eigenkapital-ausstattung auf die Wildbahn geschickt worden waren.

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Eine knappe Eigenkapitaldecke ist in Ostdeutschlandzwar nicht die Regel, in etlichen Fällen gibt es guteErträge und bemerkenswerte Selbstfinanzierungsmög-lichkeiten. Doch in allzuvielen Fällen sieht es umge-kehrt aus. Namentlich die Unternehmen des Verarbei-tenden Gewerbes sind aufs Ganze gesehen mit Eigen-kapital viel schlechter versorgt als die westdeutschenKonkurrenten.

– Daß man zugleich besonders viel Eigenkapital braucht,hängt mit einem zunächst einmal erfreulichen Umstandzusammen, damit nämlich, daß es viele wachsende Un-ternehmen gibt; sie aber haben einen besonders hohenKapitalbedarf. Die Kapitalbindung in einem Unterneh-men ist bei gegebener Produktionskapazität nach Auf-nahme einer Produktionslinie besonders hoch. Es gibtkaum Second-Hand-Märkte für Kapitalgüter; deshalbsind fast zwangsläufig neuwertige Anlagen einzusetzen,die entsprechend teuer sind. Hinzu kommen die hohenKosten von Produktionsentwicklung und Markteinfüh-rung. Dieser Kapitalhunger betrifft nicht nur ausgespro-chene Neugründungen, sondern auch all die Unterneh-men, die nach einer anfänglichen Einführungs- undLernphase in die erste Expansionsphase einsteigen, dieoft besonders aufwendig ist, weil es, nach erstem Aus-testen der eigenen Fähigkeiten und einer Produktions-idee, jetzt gilt, eine aufwendige Produktentwicklung biszur Marktreife zu treiben, größere Märkte zu bearbei-ten und Skalenerträge anzuzielen.

30. Der Mangel an verfügbarem Kapital wird zum Engpaßfür die Möglichkeit der Unternehmen, Sachkapitalgüterund andere Ressourcen zu erwerben. In diesen Fällen hilftauch die Investitionsförderung nicht viel. Auf dieses Pro-

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blem antwortet die Wirtschaftsförderung mit öffentlichenFörderdarlehen, Bürgschaften, Beteiligungen, Beteili-gungsgarantien. Zu Recht differenziert der Staat seine För-derung nach einer Fremdkapitalhilfe im Normalfall undeinem Beteiligungsangebot, wenn große Risiken in Redestehen. Eine Unterstützung mit Fremdkapital oder eineSicherung anderweitiger Fremdkapitalgeber ist ausrei-chend, wenn bei deren Risikobereitschaft der Engpaß zusehen ist. Bei hoch riskanten (aber zugleich erfolgverspre-chenden) Unternehmungen, die auch die Risikobereit-schaft, die Risikotragfähigkeit des Unternehmers selbstüberfordern, bei Innovationen zum Beispiel, ist eine stär-kere Risikopartizipation angebracht. Eine blinde Anbin-dung an die Entscheidungen der Unternehmen kann je-doch keinesfalls in Frage kommen. Der Staat, die Förde-rinstanz, wäre Prinzipal, der eigensüchtigen Aktionen desUnternehmers (des Agenten) hilflos ausgeliefert ist. ZumTeil enthalten freilich die Beteiligungsformen, um die esbei geeigneten Förderangeboten geht – zum Beispiel typi-sche stille Gesellschaften oder partiarische Darlehen ohneAuszahlung von akkumulierten stillen Reserven – wenigRisikobeteiligung des Kapitalgebers. So wenig, daß diegewährten Mittel keine andere Funktion haben, als imWege der Stärkung von Haftungsmitteln vor allem dieergänzende Fremdfinanzierung möglich zu machen.

31. Die Teilnahme am Risiko ist gegenüber der Kapital-verbilligung die intelligentere Förderidee. Die Kapitalver-billigung ist nicht das Entscheidende. Dafür gibt es jaschon die Investitionsförderung. Zusätzliche Kapitalver-billigung bei der Finanzierung führt zu unguten Überlage-rungseffekten. Gibt es nämlich eine Möglichkeit verbillig-ten Fremdkapitaleinsatzes, so muß man auch ein Beteili-gungsangebot verbilligen, um gleiche Anreize zu bieten,

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im Extremfall, um es überhaupt gegenüber dem billigenFremdkapital interessant zu machen. Die involvierten Sub-ventionssummen sind häufig nicht sehr hoch, aber dieÜberlagerung von so vielen Fördereffekten (bei der Finan-zierung, bei der Investition, unter Umständen auch nochbei der steuerlichen Behandlung des Kapitalertrags) istunübersichtlich und unsystematisch, leistet einer Überför-derung Vorschub und wäre damit zugleich fiskalisch zuteuer. Auch die Fördereffizenz ist gering, wenn zum Bei-spiel verbilligtes Fremdkapital zu Mitnehmereffekten ein-lädt oder Attentismus auslöst (man wartet auf den Förder-kredit). Trägheiten bei der Anpassung von Vorzugszinsensieht zudem die Geldpolitik nicht gern. Zentrale Ratio derWirtschaftsförderung durch Finanzierungshilfen ist des-halb nicht die Zinsverbilligung, sondern eine Hilfe, dieZugang zu Fremdkapital, notabene ausreichend langfristi-gem Fremdkapital, verschafft. Auch das, man übersehe esnicht, ist ja nicht kostenlos für den Staat zu gewährleistenund damit keine subventionsfreie Operation.

32. Die Fälle, in denen der Unternehmer an sich glaubtund zu expandieren wünscht, aber die Verfügbarkeit vonKreditmitteln seine Aktivitäten streng begrenzt, dürften inOstdeutschland häufig sein. Doch auch der Fall, daß fürden Unternehmer das Risiko dessen, was ihm vorschwebt,zu groß erscheint, ist gewiß nicht selten. Zumindest gibt esin Ostdeutschland einen besonderen Bedarf an raschemWachstum der Unternehmen, an mutigem Ausprobierenvon neuen Ideen, an der Inangriffnahme von risikobehaf-teten, dafür aber auch chancenreichen Projekten, derenDurchführung die Fähigkeit und Bereitschaft der Unter-nehmer überfordert, das dazugehörige Risiko zu überneh-men. In beiden Fällen wird die Risikobereitschaft weitererEigenkapitalgeber benötigt. Der Markt für Venturekapital

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ist in Deutschland, vergleicht man die Situation mit denangelsächsischen Ländern, jedoch unterentwickelt. Dashat mehrere Gründe. Einer der Gründe liegt wohl in derFinanzierungskultur. Damit ist nicht einfach gemeint, daßgewohnheitsmäßig versucht werde, in Deutschland auchgrößere Investitionen und unternehmerische Projektedurch Bankkredite zu finanzieren. Gemeint ist, daß esschwer ist, aus einem System der Finanzierung auszubre-chen, das sich als ein eingespieltes und in den allermeistenFällen adäquates Regime der Unternehmenskontrolle dar-stellt (eine adäquate Gouvernancestruktur, wie man heutezu einem solchen Komplex von Sicherheiten und Kontrol-len sagt). Wegen der bereits erwähnten Risiken, denensich die kapitalgebenden Banken ausgesetzt sehen, ist einregelmäßiger Informationsfluß und eine strikte, wenn auchnicht immer und überall institutionalisierte Unternehmens-kontrolle wichtig. Das in Deutschland übliche System derHausbanken mit weitgehenden Rechten auf Informationund Kontrolle bis hin zur Mitgliedschaft von Bankvertre-tern in Unternehmensbeiräten ist ein im Grunde bewährtesInteraktionssystem, das eben ganz anders konzipiert ist alsangelsächsische Märkte für Unternehmenskapital. DieHausbank als langjährige Begleiterin hat ein verhältnis-mäßig gutes Urteil über die unternehmerische Tüchtigkeitdes kapitalsuchenden Unternehmers. Finanzintermediäre,die sich in das Geschäft einschalten wollen, tun sich ge-genüber ihrem Informationvorsprung schwer. Qua negati-ver Auslese müssen sie immer fürchten, daß die an sieherangetragenen Projektfinanzierungen unattraktiv sind,weil die Banken die Finanzierung bereits abgelehnt haben.In anderen Fällen werden die Banken selbst sich ein Ge-schäft aus einer Beteiligungsfinanzierung nur ungern ent-gehen lassen. So sind die meisten der in Deutschlandtätigen privaten Kapitalbeteiligungsgesellschaften Toch-

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terunternehmen großer Banken. Zudem steht die Börseden kleinen und ganz jungen Unternehmen zumeist nichtoffen – und das aus im Prinzip durchaus einleuchtendenGründen. Bei kleinen Finanzierungsparten ist gesetzlicherAnlegerschutz ökonomischer als individuelle Kontrolledurch den Anleger. Das spricht dafür, eine Börsennotie-rung an strenge Zugangsvoraussetzungen zu knüpfen. Aberdas muß nicht immer durchgängig gelten. Und mit zuneh-mendem Kapitalvermögen der Bürger erscheint es denk-bar und zumutbar, daß diese ihrem Portefeuille auch einengewissen Bestand an hochriskanten Anteilsrechten beimi-schen. Der Börsenhandel ist nicht als Alternative zur Ven-turekapitalfinanzierung zu sehen. Mit einem funktions-tüchtigen Sekundärmarkt gewinnt diese vielmehr erst ent-scheidend an Attraktivität für den Anleger. Möglicherwei-se wird die Entfaltung alternativer Finanzierungswegeauch durch die Finanzierungsförderung des Staates selbstbehindert – das Problem wäre dann teilweise Reflex derTherapie –, aber das ist kein hinreichender Grund, vonsolcher Hilfe abzusehen. Gerade in Ostdeutschland, wodie Unternehmen nicht auf einen langjährigen guten Leu-mund verweisen können und wo sie aufgrund ihrer Größeund kurzen Existenz sich nicht formal für einen Börsen-gang qualifizieren können, wird deshalb die Finanzierungriskanter Projekte mit Hilfe des Staates – oder besser: dieprivate Finanzierung mit staatlichen Erleichterungen –,sehr benötigt. Vor überzogenen Erwartungen ist jedoch zuwarnen. Venturekapitalfinanzierung ist wegen der nötigenExpertise der Manager von Kapitalbeteiligungsgesell-schaften und Fonds anspruchsvoll und teuer. Sie benötigtbesonders rare Qualifikationen. Vergessen wir nicht, daßin Ostdeutschland der Mangel an kompetenten Kredit-sachbearbeitern kaum überwunden ist. Das muß auch se-hen, wer nicht in die Klagen über den Mangel an Kompe-

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tenz der Unternehmenskontrolleure in Westdeutschlandeinstimmt. Wie beim Sachkapital kann auch hier der För-dererfolg durch Engpässe beim Humankapital begrenztwerden.

33. Gut begründet und deshalb unproblematisch sind dieHilfen für Existenzgründer und für kleine und mittlereBetriebe, die eine Betriebserweiterung durchführen oderdurchgreifend modernisieren. Problematisch sind die Fi-nanzierungshilfen, die zur Konsolidierung von Betriebendienen sollen, die in der Vergangenheit einen Eigenkapi-talschwund erlitten haben. Niemand kann verläßlich ange-ben, in welchen Fällen und in welchem Maße dies aufGründen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertretenhat, oder auf Gründen, die einzelwirtschaftliches Fehlver-halten reflektieren, auf dessen Pönalisierung eine Markt-wirtschaft um ihrer Effizienz willen nicht verzichten kann.Gewiß, der Staat kommt um Pragmatik bei der Zuteilungder Finanzhilfen nicht herum, wenn er Zukunftsträchtigesvon Obsoletem scheiden muß. Wichtig wäre es aber, derFörderpolitik eine Selbstverpflichtung in dem Sinne auf-zugeben, daß Konsolidierungshilfen nur einmal gegebenwerden und nicht zur Dauereinrichtung werden. Eine letz-te Instanz vor dem Gang zum Konkursrichter – das istnicht illegitim, zumal das Verdikt der Hausbank über einUnternehmen nicht immer der Weisheit letzter Schluß ist.Und in den neuen Ländern können wir uns das Sterbeneines Unternehmens, das eigentlich überlebensfähig ist,weniger leisten als in den alten. Trotzdem: Konsolidie-rungshilfe ist nun einmal Notstandshilfe und muß strengeAusnahme bleiben, auch wenn sie zunächst einmal in sehrvielen Fällen benötigt wird.

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Schlußbemerkung

34. Der weit verbreitete Ruf nach raschem Abbau derWirtschaftsförderung in Ostdeutschland ist verständlich.Aber er wird zu undifferenziert aufgenommen. Richtig ist,daß die Förderung stärker konzentriert werden muß. Man-che Maßnahmen der Anfangszeit können auslaufen odergestutzt werden. Das ist auch schon auf dem Wege. Derwunde Punkt der ostdeutschen Wirtschaft ist die schwacheExportbasis, womit hier alle überregional absetzbare Pro-duktion – auch entsprechende Dienstleistungen – gemeintist. In diesem Bereich sollte man, was das Ende der Förde-rung angeht, nicht allzu ungeduldig sein. Im Prinzip istUngeduld selbstverständlich immer angebracht, wenn esum das Teufelszeug des Subventionierens geht. Entschei-dend ist aber vor allem Strenge bei dem Grundsatz, daß esAnfangshilfe sein muß, die der Staat gewährt. Dann, abernur dann, läßt sich die Gefahr der Subventionsgewöh-nung, die heute – zu Recht – in aller Munde ist, durchausbannen. Bei der Investitionsförderung ist das am ehestenmöglich, wenngleich nicht von vornherein gewährleistet.Vermeidung von Moral Hazard, Nachhaltigkeit der er-wartbaren Wirkungen, geringe (noch vertretbare) Beein-trächtigung von Wettbewerbsneutralität – das sind im üb-rigen ihre großen Vorzüge. Aber auch sie muß nach undnach auf ein – regionalpolitisch – normales Maß reduziertwerden. Dringlicher geworden ist hingegen die Suche nachintelligenten Formen, das Risikokapitalproblem nament-lich der jungen, kleinen und mittelgroßen Unternehmen,nicht zuletzt auch der erfolgreichen, der stark wachsen-den, zu lösen. Gelöst ist es selbst im Westen Deutschlandsnicht. Aber im Osten liegt hier der Nerv bloß.