REITER DER ERDE - Animan · Stanley, Livingstone, Alexandra David-Néel und viele andere waren...

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PORTFOLIO • NOMADEN IN DER MONGOLEI • TUUL UND BRUNO MORANDI RUSSLAND SANKT PETERSBURG GUYANA IM STROM DES MARONI ASERBAIDSCHAN DIE KARABAGH- PFERDE ROAD TRIP RAJASTHAN AUF ZWEI RÄDERN ARIZONA DIE LETZTEN NAVAJOS REITER DER ERDE ARIZONA • MONGOLEI ASERBAIDSCHAN NR. 198 FEBRUAR-MÄRZ 2017 CHF 16.– WUNDER DER WELT

Transcript of REITER DER ERDE - Animan · Stanley, Livingstone, Alexandra David-Néel und viele andere waren...

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    PORTFOLIO • NOMADEN IN DER MONGOLEI • TUUL UND BRUNO MORANDI

    RUSSLANDSANKT PETERSBURG

    GUYANAIM STROM DES MARONI

    ASERBAIDSCHANDIE KARABAGH- PFERDE

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    WUNDER DER WELT

    Omega_HQ • Visual: GC24_C391_304.30.44.52.01.001 • Annonce: 00133 25Jan17 GC24_C391_304.30.44.52.01.001 (CH) • Issue: 25/01/2017 Doc size: 230 x 285 mm • Calitho #: 12-16-119905 • AOS #: OME_00133 • OP 23/12/2016

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  • rizona, Mongolei, Aserbaidschan… Diese Ausgabe widmen wir den Reitern dieser Erde, den Reitern der Navajo-Nation, die ihre Leidenschaft fortführen und weitergeben, den mongolischen Viehzüchtern,

    die in Steppen zuhause sind, wo es mehr Pferde als Menschen gibt und schliesslich den Reitern Aserbaidschans, die ihre fabelhaften Karabaghs vor den letzten Unruhen in ihrem Land retteten. So wird das Pferd nicht nur zum besten Freund des Menschen, sondern gleichzeitig zu einem Symbol wieder-gewonnenen Friedens.Eines ist sicher, die Hingabe derer, die ihr Leben mit diesen Tieren teilen, kennt keine Grenzen, alle Reiter der Erde begegnen ihren Gefährten mit dem gleichen Respekt. In der Schweiz kennt man die Bilder der Dragoner aus den 70er Jahren, auch sie zeigen diese tiefe Bindung, die jeder spürt,

    der einmal versuchte, mit den Pferden zu sprechen. Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier verliert auch heute nicht an Faszination. Längst hat die Ethologie, die Verhaltensforschung, sämtliche Pferdekoppeln erreicht. In Norwegen können Pferde sogar mittels einfacher Symbole selbst entscheiden, ob sie eine Decke möchten oder nicht. Die University of Sussex hat kürzlich eine Studie veröffent-licht, die belegt, dass Pferde unsere Gesichtszüge zu lesen und zu deuten vermögen. Zeigen wir eine negative Emotion, schlägt das Herz des Tieres schneller und es betrachtet uns eher von links. Empfängt es aber positive Signale, blickt es uns mit beiden Augen an. Ein Verhalten, das viele Reiter nur zu gut kennen und für das vor allem Reiterinnen ein beson-deres Gespür haben sollen. Ihnen sagt man eine mütterliche Beziehung zum Pferd nach.

    BETRACHTUNG • • 3

    A

    UND WENN WIR ZU DEN PFERDEN FLÜSTERTEN?

    BETRACHTUNG

    Thierry F. Peitrequin Chefredaktor Und wenn wir zu den Pferden flüsterten?

    Kasachischer Jäger mit Pferd und Königsadler. Mongolei, Bayan-Ulgii-Region. ©Tuul und Bruno Morandi

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  • 4 • • INHALT

    DER NOMADE MACHT SICH NICHT AUF DEN WEG, WENN ES FÜR IHN KEIN GELOBTES

    LAND GIBT, VON DEM ER TRÄUMEN KANN.

    Jacques Attali

    Titelbild: Mongolei, die letzten Nomaden.

    © Tuul und Bruno Morandi

    14 NAVAJO NATION UNVERGÄNGLICH «Der mit dem Wolf tanzt» zählte zu den meistprämierten Filmen der Kinogeschichte und

    vermittelte zum ersten Mal eine differenzierte Sichtweise der amerikanischen Ureinwohner. Für die grösste Volksgruppe der Vereinigten Staaten, die Navajos, war dies der erste Schritt zu einem neuen Image. Von Marc Dozier

    26 SANKT PETERSBURG SAGENHAFT Sankt Petersburg ist bekannt für ausschweifende, schlaflose Nächte aber auch für seine

    zahlreichen legendären Schauplätze. Die Verehrer Dostojewskis lockt es ins Raskolnikow-Haus, die Rocker schwelgen in Erinnerungen an die goldenen Tage im Café Saigon. Von Didier Bizet, Inna Doulkina und Anastasia Petrov

    35 PORTFOLIO MONGOLEI SEELENVERWANDT Sie wächst in der Steppe auf, er am Meer. Zwischen ihnen eine Entfernung von gut 10’000 km,

    und doch laufen sie sich eines Tages über den Weg. Seit 16 Jahren teilen diese beiden Fotografen nun ihr Leben und ihre Leidenschaft. Von Tuul und Bruno Morandi

    52 GUYANA UND MARONI TROPISCH Der Maroni, auch «Königsfluss Guyanas» genannt, führt in ein Land voller Abenteuer. Streng

    gehütete afrikanische Traditionen, Goldfieber und Überlebenskampf vereinen sich im Smaragdwald. Von Remi Benali und Heather Robinson

    62 ASERBAIDSCHAN HELDENHAFT Die Bilder sprechen für sich. Die tiefe Verbundenheit zwischen den Reitern Aserbaidschans und

    ihren Pferden ist ungebrochen. Nach den ganzen Unruhen, die das Land heimsuchten, grenzt es beinahe an ein Wunder, dass diese Rasse überhaupt überlebte. Von Cyril Le Tourneur d’Ison

    72 RAJASTHAN ABENTEUERLICH Man nehme ein paar passionierte Motorrad-Reisende auf eine Entdeckungstour der Thar-Wüste,

    eine Rundstrecke von 2’500 km. Man setze sie auf holprige Pisten und schüttele das Ganze gut durch. Das Ergebnis ist eine moderne Form des Reisens, ein würziger Cocktail. Von Franck Charton

    INHALT

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  • HIGHLIGHT • • 7

    HIGHLIGHTDAS LIEBLINGSBILD DER REDAKTION

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  • HIGHLIGHT • • 7

    IN DER MONGOLEI,EIN ZEITLOSES BILD In der entlegenen Region Bayan-Ulgii begibt sich ein kasachischer Nomade auf seine winterliche Transhumanz. Auf seinem Pferd führt er die Herde zu anderen Schnee- und Eisflächen. Seine Kamele sind ihm dicht auf den Fersen, beladen mit Zelten und anderen Aus-rüstungsgegenständen, die zum Über-leben in diesen windigen Steppen unerlässlich sind. Erfreulicherweise kündigt der wolkenlose Himmel einen weniger beschwerlichen Tag an. Der Fotograf Bruno Morandi hält den Au- genblick des Aufbruchs im schönsten Tageslicht fest und liefert ein letztes Zeugnis vom enthaltsamen Leben der ihm so vertrauten Steppenvölker.

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  • 8 • • ERHALTUNG

    FREIER ZUGANG ZU TRINKWASSERDas kleine Alpenland Slowenien ist das erste Land der Europäischen Union, das den freien Zugang zu Trinkwasser als Grundrecht in die Verfassung aufge-nommen hat. Das Parlament votierte einstimmig dafür, dass jeder über das «Recht auf Trinkwasser» verfügt. Ferner besagt der Änderungsantrag, dass das lebensspendende H2O «keine Ware ist» und «die Wasserversorgung der Bevölkerung durch den Staat, auf direkte und nicht-kommerzielle Weise, gewährleistet wird». Diese gute Nachricht ist das Ergebnis einer Initiative, bei der 51’000 Unterschriften gesammelt wurden. Vor der Abstimmung rief der Premierminister Miro Cerar die Parlamentarier dazu auf, dem flüssigen Gold des 21. Jahrhunderts das höchste Niveau an Rechtsschutz zu geben: «Das Wasser in Slowenien besitzt sehr hohe Qualität und wird sicher das Interesse ausländischer Staaten und internatio-naler Unternehmen wecken…»www.slovenia.info

    ES IST TRAURIG ZU DENKEN, DASS DIE NATUR SPRICHT UND DIE MENSCHEN NICHT

    ZUHÖREN.Victor Hugo

    DIE UNTERSTÜTZUNG AUTOCHTHONER VÖLKERDie internationale Organisation Survival wurde 1969 in London von Bürgern gegründet, die der Völkermord der Amazonas-Indianer schockierte. Seither ist sie die einzige Organisation, die sich aus- schliesslich dem Schutz autochthoner Völker wid- met. Sie hilft ihnen dabei, ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft zu bestim-men. Laut Survival haben diese Volksstämme autarke Lebensformen entwickelt, jedoch wurden sie von der Gesellschaft, durch Gewalt und Skla-verei, ihres Landes und ihrer Arbeitskraft beraubt.Die Organisation stellt klar, dass diese Bevöl- kerungen keine Geld-, Kleider oder Lebens-mittelspenden nötig haben: «Sie leben autonom, aber sie brauchen eine Stimme und müssen sich Gehör verschaffen im Kampf gegen die grossen Konzerne und die korrupten Regierungen, die ihr Recht auf eine Zukunft zerstören…»www.survivalinternational.org

    © Timur Gulitashvilii / Fotolia

    ERHALTUNG

    HILFE FÜR DEN SCHUTZ DER ALPENDer WWF bestätigt: «Die Alpen sind das am meisten genutzte Gebirge der Welt. Der Tourismus, der demografische Wandel und der übermässige Verbrauch unserer Ressourcen bedrohen das Ökosystem der Wasserläufe und Seen».2017 konzentriert sich der WWF auf drei ganz bestimmte Alpen-Projekte: • den Erhalt der Trockenwiesen im Tessin, mit einer finanziellen Unterstützung

    der Landwirte des Monte Generoso,• das Ursina-Projekt im Unterengadin, das die Touristen und die Bevölkerung

    über die Situation des Bären aufklären und sensibilisieren soll, • die Revitalisierung der Schweizer Wasserläufe, durch die Ausbildung freiwilli-

    ger Helfer, die sich bei diesem Projekt an Ort und Stelle einbringen möchten.Die Umweltorganisation fordert auf, rechtzeitig zu handeln: «Die Alpen beherber-gen noch etwa 30’000 Tier- und 13’000 Pflanzenarten. Ohne sie ist die gesamte globale Biodiversität in Gefahr…» www.wwf.ch

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  • Eie

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    Cournillens, Fribourg Ohne das einzigartige Eiweiss der Fribourger Eier wären die

    berühmten Meringues wohl nie erfunden worden.

    Wittnau, Aargau Als Teil des Juraparks Aargau hat Wittnau überregionale Bedeutung; die Eier bleiben aber schön in der Region.

    Gstaad, Berner Oberland Freilandeier aus den

    Bergen sind oft weiss – was vermutlich mit der

    Schneedecke zu tun hat.

    Naters, Wallis Wie die Region selbst sind auch die Eier im Wallis oft besonders naturbelassen.

    Wetzikon, Thurgau Nur Bio-Futter, viel Weide-

    fläche – die Hühner hier leben wie Kühe. Was vielleicht den milchigen Farbton erklärt.

    Entlebuch, Luzern Die Biosphäre Entlebuch ist UNESCO-Schutzgebiet. Und

    so schöne Eier verdienen wirklich Schutz.

    Rehetobel, Appenzell Die Hühner im Appenzell

    haben ihren eigenen Kopf und legen nicht auf Befehl Eier. Dafür manchmal grössere.

    Haslital, Berner Oberland Die Eier im Haslital sind in der Regel braun. Dieses Ei

    entspricht der Regel. Typisch Berner Ordnungssinn.

    Matt, GlarusAngeblich werden Eier im

    Kanton Glarus mitunter vom Föhn ausgebrütet.

    Ponte Capriasca, Tessin Die Hühner hier sind sehr viel im Freien. Der Farbton des Eis

    hat aber mit Sonnenbräune nichts zu tun.

    Rüti, Zürich Im Erholungsgebiet Zürcher

    Oberland geht es entspannt zu. Bei dickeren Eiern lassen sich die Hühner halt mehr Zeit.

    Pfyn, Bodensee-RegionDass die Eier aus Pfyn durch

    die Nähe zum Bodensee einen hohen Wassergehalt haben, ist

    eine reine Behauptung.

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  • 10 • • KULTUR • AGENDA

    KULTURHAUPTSTADT AARHUS, EINE REISE WERTAarhus ist die zweitgrösste Stadt Dänemarks und gilt als eine der glücklichsten der Welt. Sie befindet sich an der Ostküste der dänischen Halbinsel und ist umgeben von Wäldern, Sandstränden und Seenlandschaften. Die Geschichte der Stadt geht bis in die Wikingerzeit zurück. Heute prägt die Universitätsstadt eine junge und sehr dynamische Bevölkerung.Der Schlüssel zum Erfolg: Natur und Kultur liegen in Aarhus nah beieinander. Das diesjährige Motto «Let’s Rethink» ist viel mehr als ein Thema. Es ist eine Aufforderung, Dinge zu überdenken, das Gebiet in ein kulturelles Versuchsfeld zu verwandeln, in dem alternative Lösungen entstehen können. Eine Zukunft, die auf Kunst und Kultur, Innovation und Mut basiert, um dauerhafte Lösungen, neue Handlungsweisen und Wachstumsbegriffe zu entwickeln. Die drei grund-legenden Werte dieses Wandels lauten Nachhaltigkeit, Diversität und Demokratie.

    AGENDA

    STÖBERN IN DEN PORTFOLIOS VON JEAN LARIVIÈRE Der neue Katalog des Louis Vuitton-Verlags umfasst hundert Titel, darunter drei Kollektionen zum Thema Reisen sowie diverse Künstlerbiografien und Foto-Bildbände. Zum Beispiel die Portfolios des Fotografen Jean Larivière. Fast 40 Jahre lang reiste er im Auftrag von Louis Vuitton um die Welt: Grönland, Jemen, Birma, Patagonien, Thailand, Nepal und andere inspirierende Destinationen. Vor Kurzem veröffentlichte er zwei Portfolios über «Das Spielzeug in der Landschaft». Jean Larivière erklärt seine Vorgehensweise wie folgt: «Alle grossen Entdecker wie Stanley, Livingstone, Alexandra David-Néel und viele andere waren einmal Kinder. Sie träumten ihre Reisen und Abenteuer zunächst über ihr Spielzeug, ihre Boote, Flugzeuge, Spielautos und Ballons. Ich habe mich diesem vielseitigen Thema durch den Filter der Kindheit angenähert...» www.louisvuitton.com

    © VisitDenmark/Thomas Nykrog

    ICH LIEBE DIE FOTOGRAFIE, DENN SIE ERMÖGLICHT ES MIR, AUF ANDERE MENSCHEN ZUZUGEHEN UND

    MIT IHNEN IN STILLEM EINVERSTÄNDNIS ZU KOMMUNIZIEREN. WENN ICH FOTOGRAFIERE UND EINE

    PERSON ZUR GELTUNG BRINGE, GEBE ICH EIN MAXIMUM VON MIR SELBST. SIE FÜHLT SICH ANERKANNT

    UND GIBT SICH AUF NATÜRLICHE WEISE HIN. SO FINDET EINE BEGEGNUNG STATT. Olivier Föllmi

    30 JAHRE FOTOGRAFIEKurz nach seinem 30. Geburtstag hat sich das Musée de l’Elysée in Lausanne mit der ECAL (Ecole Cantonale d’Art de Lausanne) zusammengeschlossen und ein einzigartiges Werk herausgebracht, gestaltet durch die fähigen Hände der diplomierten Grafik-Designerin Alice Franchetti. Carte Blanche hiess es ebenfalls für die beiden jungen Fotografie-Absolventen Maxime Guyon und Jacques-Aurélien Brun, die ihre Vision des Museumsbetriebes, vor und hinter den Kulissen, präsentierten.Eine Auswahl von 31 Kultbildern aus der vielseitigen Samm- lung des Museums bildet das Herzstück des Buchs. Verschie-dene Texte begleiten die Arbeiten, so zum Beispiel die Einleitung der Museumsdirektorin Tatyana Franck mit dem Titel «Ein Museum des 21. Jahrhunderts für die Fotografie». In «30 Jahre für die Fotografie» greift der Chefkurator Daniel Girardin die Geschichte des Ortes auf. Schliesslich beschrei-ben die drei ehemaligen Direktoren Charles-Henri Favrod, William A. Ewing und Sam Stourdzé das Museum in Bezug auf die Fotografie, das Museum als Laboratorium und das Museum als Wirkungsstätte. www.elysee.ch

    © Musée de l’Elysée, Lausanne

    KULTUR

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    DURCH DIE SCHWEIZ IM HYBRID-MODUS Die vierte Generation des legendären Toyota Prius ist jetzt noch effizienter. Das neue Hybrid-System und das aerodynamische Design leisten einen wesentlichen Beitrag zum bereits sehr umweltfreundlichen Modell. Diese Generation punktet durch den beispiellosen Verbrauch von 3,0 l/100 km und ist derzeit das sparsamste Auto ohne externe Energieversorgung. Seine CO2-Emission von 70 g/km liegt 20 Gramm unter dem Wert seines Vorgängermodells. Mit der Weiterentwicklung des 1.8 VVTi Motors konnte darüber hinaus ein weltweit einmaliger thermischer Wirkungsgrad von 40 % erzielt werden. Der Prius präsentiert sich im aerodynamischen Profil mit einer tieferen Linienführung, die die Fahrweise massgeblich beeinflusst. Das dynamische Handling wird durch die neue Power

    Control Unit erweitert, die eine verbesserte Leistungsausbeute des Elektromotors gewährleistet. Das Ganze bei einem stufenweisen Anstieg des Benzinmotors, was für eine sanftere Beschleunigung sorgt. Testen Sie die Fahrweise der Zukunft: Emil Frey SA, Autohaus in Les Vernets – Rue François-Dussaud 13 – 1227 Genève-Les Vernets – 022 308 5 508 – www.dragoncars.ch

    EIN ABSTECHER NACH MARSEILLEDie Kreuzfahrtindustrie ist auf Erfolgs-kurs, die Reederei Costa erwartet für 2021 die Lieferung von sieben neuen Ozeanriesen mit Erdgasantrieb. Auch Marseille liegt auf ihrer Kreuzfahrtroute. Die kürzlich ausgebaute Hafenanlage bietet Platz für eineinhalb Millionen Reisende, die sich dem Charme der süd- französischen Hafenmetropole hingeben möchten. Schon bei der Ankunft ver-zaubert der Anblick der vorgelagerten Frioul-Inseln und der Corniche Kennedy. Vom Plage du Prado führen authen-tische kleine Strassenzüge hinauf zur Basilika Notre-Dame de la Garde, die den Spitznamen «La Bonne Mère» oder «Marie» trägt und einen grossartigen Ausblick über die Stadt offeriert. Bevor es zurück aufs Schiff geht, darf ein Bummel entlang der Canebière und des reizvollen Alten Hafens mit dem angrenzenden Le Panier-Viertel nicht fehlen. Marseille eignet sich sowohl für einen ausgelassenen Cocktail im Freien als auch für einen kulturellen Besuch der 26 Museen. Die Europäische Kulturhauptstadt 2018 ist auch in den kommenden Jahren ein begehrtes Ausflugsziel.www.costacroisieres.ch

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  • BEGEGNUNG MIT DEN MODERNEN NAVAJOS • • 15

    Text und Fotos: Marc Dozier

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  • BEGEGNUNG MIT DEN MODERNEN NAVAJOS • • 17

    USA, Arizona, Monument Valley, Navajo Tribal Park. Abendliche Begegnung mit dem Indianer Anderson Chee. Er pflegt die überlieferten Rituale und huldigt der Natur.Vorhergehende Doppelseite: Monument Valley, John Ford Point. Der Cowboy ist in Wirklichkeit ein Navajo von heute, das Pferd nach wie vor sein treuer Begleiter.

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  • BEGEGNUNG MIT DEN MODERNEN NAVAJOS • • 17

    as Kino hat das Bild der Indianer nachhaltig geprägt. Viele Besucher aus dem Ausland glauben immer noch, dass wir Federn auf dem Kopf tragen und eingepfercht in Reservaten leben…», bedauert

    Donovan Hanley von der Navajo Nation Hospitality Enterprise, dem Besucherzentrum, das von der Navajo-Gemeinschaft gegründet und verwaltet wird. «Aber hier in Arizona stellen sie fest, dass die Realität nichts mit dem Film zu tun hat!» Der 1990 von und mit Kevin Costner produzierte Film trug entscheidend zum Imagewandel der Indianer bei. «Man mag diesen Film als Meisterwerk oder als intellektuellen Betrug erachten, eines steht jedoch fest, er symbolisiert eine Entwicklung in der Indianer-Darstellung», glaubt Anne Garrait-Bourrier, Expertin für indianische Literatur. Neben den zahllosen in den 20er Jahren produzierten Western zeigt dieser Film die amerikanischen Ureinwohner zum ersten Mal aus einem anderen Blickwinkel. Ausgezeichnet mit sieben Oscars, drei Golden Globes, einem Grammy Award und einem silbernen Bären beim Inter-nationalen Filmfestival in Berlin, gehört der Spielfilm zu den erfolgreichsten Streifen der Filmgeschichte. «Wie die meisten Western ist auch dieser Film voller Klischees und Fehler aber die Indianer werden ausnahmsweise nicht als wilde und brutale Bestien dargestellt…», verdeutlicht Anderson Chee, Oberhaupt einer Navajo-Gemeinschaft in der Nähe von Blanding, im Bundesstaat Utah. «In Michael Blakes Roman, der die Vorlage zum Film lieferte, stehen die Komantschen im Mittelpunkt. Kevin Costner verwandelte sie in seiner Filmadaption in Sioux... Obwohl wir uns in Sprache und Kultur unterscheiden, betrach-ten wir alle Indianer als unsere Brüder. Auch wir, die Navajos, haben von dieser modernen Auffassung profitiert.»

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    «Der mit dem Wolf tanzt» zählte

    zu den meistprämierten Filmen

    der Kinogeschichte und vermittelte

    zum ersten Mal eine differenzierte

    Sichtweise der amerikanischen

    Ureinwohner. Für die grösste Volks-

    gruppe der Vereinigten Staaten, die

    Navajos, war dies der erste Schritt zu

    einem neuen Image.

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  • BEGEGNUNG MIT DEN MODERNEN NAVAJOS • • 1918 • • BEGEGNUNG MIT DEN MODERNEN NAVAJOS

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  • BEGEGNUNG MIT DEN MODERNEN NAVAJOS • • 1918 • • BEGEGNUNG MIT DEN MODERNEN NAVAJOS

    EIN BODEN, DER SIE ERNÄHRT

    Ab den frühen 1980er Jahren begannen die Navajos sich offi-ziell zu organisieren und zu vermarkten. Die Gemeinschaft gründete ein Dutzend Unternehmen im Bereich der Bauin-dustrie, Erdölförderung, Landwirtschaft und des Glücksspiels. Der Begriff «Navajo» wurde sogar geschützt, damit niemand mit dem Namen, ohne die Zustimmung des Stammes, Handel treiben kann. Auch der Tourismus ist eine wichtige Einnahme-quelle. Circa zwanzig historische Stätten und Parks befinden sich auf dem Boden der Navajos. Zwischen 2 bis 3 Millionen Euro generiert der von den Ureinwohnern verwaltete Park im Monument Valley jährlich. Die Einnahmen fliessen in Entwicklungsprojekte, die dank eines gross angelegten Hilfs-systems der Gemeinschaft zugutekommen. Heute besitzt jeder Navajo eine CIB-Karte (Certificat Indian Blood), die Aufschluss darüber gibt, wie viel indianisches Blut in ihrem Inhaber steckt. Dieses Dokument ist eine Mischung aus Personalausweis und Gesundheitskarte und gewährleistet den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohnhilfe. Fernab folkloristischer Kino-Klischees sitzen die Navajos am Steuer ihrer Geländewagen, lesen die «Navajo Times», wäh-len ihre Schönheitskönigin und verfügen über ihre eigene Polizei und Regierung. Die Navajo-Nation mit der Hauptstadt Window Rock bildet ein echtes teilautonomes Territorium, an dessen Spitze der 2011 gewählte Präsident Ben Chelly steht. All dies scheint weit entfernt von der Indianer-Darstellung aus «Der mit dem Wolf tanzt». Die Zeiten haben sich geändert, Stereotypen und Hollywoodmärchen halten sich jedoch

    EIN TERRITORIUM, SO KARG WIE SCHÖN

    Mit 310’000 Menschen, die über das gesamte Land ver- streut sind, bilden die Navajos heute die grösste Volks-gruppe der Vereinigten Staaten. Knapp die Hälfte von ihnen lebt auf einer Fläche von 71’000 km2, die sich über den Norden Arizonas, den Südosten Utahs und den Nord-westen New Mexicos erstreckt. Es ist das weitläufigste Indianerreservat Amerikas. Das Land der Navajos ist extrem karg und unwirtlich, mit Temperaturen, die im Sommer nicht selten 40°C übersteigen. Traditionell und spirituell wird es von vier heiligen Bergen begrenzt: dem Blauen Berg (San Francisco Peak) im Südwesten, dem Türkis-Berg (Mount Taylor) im Südosten, dem Weissen Berg (Blanca Peak) im Nordosten und dem Navajo-Berg im Nordwesten. Zwischen 1868 und 1934 erweiterte man die Grenzen Stück für Stück, bis das Gebiet schliesslich seine heutige Grösse erreichte. Seit dem «Langen Marsch» der Navajos im Jahr 1864, einer langen Zwangsumsiedlung, die symbolisch für die Unter-drückung der Indianer steht, hat sich glücklicherweise viel getan. Im Laufe der Jahrhunderte haben die Ureinwohner ihren Platz im heutigen Amerika gefunden. «In meiner Kindheit war es verboten, Navajo zu sprechen, sonst wurde einem der Mund mit Seife ausgewaschen!», erinnert sich Julius Tulley, ein Navajo, der für die Kommunalverwaltung arbeitet. «Seither hat sich unsere Situation enorm verbessert. Heute schützen Gesetze unsere Kultur, unseren Glauben und unsere Sprache.»

    Die provokative Fahne flattert im Wind. Sie vereint das Oberhaupt der Navajos mit den Sternen der US-Flagge. Manche Nachkommen der Navajos verpflichten sich in der amerikanischen Armee und werden für ihren Verdienst ausgezeichnet. Links: Window Rock, weitere Begegnungen beim Navajo Nation Fair. Das Festival bietet den Indianern die Gelegenheit, ihre Regalia, die zeremoniellen Gewänder, zur Schau zu stellen. Anschliessend folgt das Pow-Wow mit traditionellen Tänzen.

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    kleinen traditionellen Lehmhütten, ohne Wasser oder Strom.Die Navajo-Sprache wurde im Zweiten Weltkrieg als Geheim-code verwendet, heute erfährt sie allerding einen starken Rückgang. Die Jugend zieht es weg aus den Reservaten, hin-ein in die Grossstädte Phoenix, Denver oder Salt Lake City. Wozu also noch Navajo sprechen? «In den 1970er Jahren spra-chen noch 80% von uns diese Sprache. Heute sprechen wir eine Art Navajo-Kreolisch mit vielen Anglizismen», bedau-ert Earl Tulley. «Das bedeutet nicht zwangsläufig den Verfall unserer Kultur. Wir werden aus diesen Zeiten lernen. Unsere Generation bildet die Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Selbst wenn wir vom grossen Amerika geschluckt werden, bleiben wir doch immer Navajos…»

    beständig. Unter den wenigen Filmen, die ein weniger über-zeichnetes Indianerbild abliefern, bildet das 1998 von Chris Eyre produzierte Roadmovie «Phoenix, Arizona» die grosse Ausnahme. Zwischen Melancholie und Humor vermittelt die-ses von und mit Indianern produzierte Familiendrama ein realistisches Bild und greift aktuelle Probleme der indigenen Gemeinschaft auf. Die Lebensbedingungen der Navajos haben sich im Grossen und Ganzen verbessert, trotzdem leiden viele unter ihnen an Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Gewalt, Diabetes, Aids und dem fehlenden Zugang zu grundlegenden Infrastrukturen. Obwohl moderne Wohnungen ausreichend vorhanden sind, führen zahlreiche Navajos weiterhin ein bescheidenes Dasein. Sie leben in sogenannten Hogans, in

    Ein lässiger Navajo-Reiter im Herzen des Navajo Tribal Parks. Die Pferde sind auch im Alltag der neuen Generationen ein wichtiger Bestandteil.

    Rechts: ein vielsagender Blick. Beim Festival gilt es zu beeindrucken, durch Kriegsbemalung – und Haltung. Die Indianer fürchten nichts und niemanden. Eine Farbenpracht beim Pow-Wow von Window Rock, das alle Generationen vereint. Die Vorbereitung dieser

    prunkvollen Kostüme schweisst die Navajo-Gemeinschaft das ganze Jahr über zusammen. Bei den Festen treffen sich Jung und Alt.

    «IN MEINER KINDHEIT WAR ES VERBOTEN, NAVAJO ZU SPRECHEN, SONST

    WURDE EINEM DER MUND MIT SEIFE AUSGEWASCHEN! SEITHER HAT SICH

    UNSERE SITUATION ENORM VERBESSERT. HEUTE SCHÜTZEN GESETZE UNSERE

    KULTUR, UNSEREN GLAUBEN UND UNSERE SPRACHE.»

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    Der Navajo-Nation ist es gelungen, ihre Traditionen und Rituale zu bewahren und an die Jugend weiterzugeben. Gezeichnet von der Wüstensonne, diese Frau mit dem undurchdringlichen Blick trägt immer noch voller Stolz den wunderschönen traditionellen Schmuck.

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    UNSERE GENERATION BILDET DIE BRÜCKE ZWISCHEN DER VERGANGENHEIT

    UND DER ZUKUNFT. SELBST WENN WIR VOM GROSSEN AMERIKA GESCHLUCKT

    WERDEN, BLEIBEN WIR DOCH IMMER NAVAJOS…»

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    NAVAJOS KENNENLERNEN

    • Im Navajo-Gebiet, das sich zwischen Arizona, Utah und New Mexico erstreckt, gibt es um die zwanzig historische Stätten und Parks zu entdecken.

    www.navajonationparks.org

    • Anfang September feiern die Navajos vier Tage lang ihr grosses Volksfest, den Navajo Nation Fair. Auf dem Programm stehen Rodeo, Pow-Wow und Tanz.

    • Im Monument Valley bietet die Navajo-Gemeinde von Oljato Übernachtungen in Hogans oder Tipis an. Kontakt über Fire tree bed & breakfast.

    www.firetreeinn.com

    NAVAJOS IM KINO

    Adaptiert nach dem gleichnamigen Roman des Ameri- kaners Michael Blake, erzählt «Der mit dem Wolf tanzt» die allmähliche Verwandlung des Nordstaaten-Leutnants John Dunbar. Allein auf einem abgelegenen Aussenposten stationiert, wartet er auf Verstärkung, lernt das Leben der Sioux-Indianer kennen und wird schliesslich einer von ihnen. Weitere sehenswerte Filme: «Windtalkers» von John Woo (2002) beschreibt die Geschichte der Navajo-Funker im Zweiten Weltkrieg, und «Phoenix, Arizona» von Chris Eyre (1998), einer der wenigen Spielfilme, der vollständig von und mit Indianern realisiert wurde.

    « »REISETIPPS

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    • Das Navajo-Fremdenverkehrsbüro ermöglicht im Internet die Buchung von Unterkünften und Rundreisen, die zu den Schätzen des Navajo-Lands führen, darunter Monument Valley, der Canyon de Chelly oder der Coal Mine Canyon. www.explorenavajo.com

    • Die von Navajos geleitete Gesellschaft Antelope Canyon Tours organisiert Besichtigungstouren zum berühmten Antelope Canyon.

    www.antelopecanyon.com

    • Nicht weit entfernt von Bluff, im Bundesstaat Utah, bietet Wild River Expeditions Rafting-Touren auf dem San Juan River an, zum Beispiel zu den beeindruckenden Butler Wash-Petroglyphen und -Ruinen aus der Zeit der Anasazi. Die

    Gesellschaft organisiert ebenfalls mehrtägige Trekking-, Kletter- und Rafting-Touren.

    www.riversandruins.com

    • In Blanding gilt der Edge of the Cedars State Park als schönstes Museum im Four Corners-Gebiet. Ausgestellt wer-den Kunst und Handwerk diverser Indianervölker, von den Anasazi bis zu den Navajos.

    • Das Hotel Desert Rose Inn in Bluff (701 West Main Street, Bluff) ist ein idealer Ausgangspunkt für Abstecher zur berühmten Petroglyphen-Stätte von Butler Wash oder zum Monument Valley.

    www.desertroseinn.com

    Im Tribal Park gibt es noch immer traditionelle Behausungen, sogenannte Hogans. Hier lernt man etwas über die täglichen Beschäftigungen, die den Alltag des Volks, das für

    seine Auffassungsgabe und Naturverbundenheit bekannt ist, bestimmten.

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  • Fotos: Didier Bizet • Text und Recherche: Inna Doulkina und Anastasia Petrov

    SANKT PETERSBURG

    RUSSLANDS VERRÜCKTESTE METROPOLE. EIN MYTHOS ?

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  • Sankt Petersburg ist bekannt für ausschweifende, schlaflose Nächte aber

    auch für seine zahlreichen legendären Schauplätze. Die Verehrer Dosto-

    jewskis lockt es ins Raskolnikow-Haus, die Rocker schwelgen in Erinne-

    rungen an die goldenen Tage im Café Saigon, dem angesagten Szenetreff

    zu Zeiten der Perestroika. Ob Intellektuelle, Lesben oder Künstler, die

    Höfe Sankt Petersburgs nahmen jeden Aussenseiter Russlands auf, der in

    seiner ländlichen Heimat auf Ablehnung stiess. Die Zeitschrift «Courrier

    de Russie» und ihre Chefredaktorin Inna Doulkina haben untersucht,

    was die Ufer der Newa für diese Menschen so attraktiv macht.

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    Im Herzen der Stadt, eine Frau betet in der Kasaner Kathedrale. Durch ihre zentrale Lage am Newski-Prospekt ist sie stark frequentiert. 1893 wurde hier Tschaikowski im Beisein von 8000 Personen beerdigt.Nostalgie pur, Restaurant mit kommunistischem Flair und Kino am Newski-Prospekt.

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    AS CAFÉ SAIGON. VOM MYTHOS ZUR REALITÄT In den 1960er Jahren versammelte sich im Café Saigon, an der Strassenecke Newski- und Wladi-

    mirski-Prospekt, die Bohème Leningrads: Der zukünftige Nobelpreisträger Joseph Brodsky verkehrte hier mit dem abtrünnigen Schriftsteller Sergei Dovlatov, der das Café für gewöhnlich in Morgenmantel und Hausschuhen betrat. Boris Grebenschtschikow, der damals noch unbekannte Rocker, machte sowohl durch seine romantischen Balladen als auch durch seine extrem langen Haare – undenkbar für damalige Zeiten – auf sich aufmerksam. Rastlose Maler und Studenten der Geisteswissenschaften diskutierten hier über Gott und die Welt oder gönnten sich einen einfachen oder doppelten «klei-nen Schwarzen», denn das Saigon war der einzige Ort in der Stadt, an dem es eine hochmoderne Kaffeemaschine gab. Das Café schloss seine Pforten, als Leningrad wieder den Namen der Reichshauptstadt bekam. Ganz so, als hätte die neue Stadt den Bezug zu ihren ausgestossenen Dichtern und Denkern der Sowjetzeit nicht mehr nötig. Was bleibt, ist die Erinnerung. Der Samizdat-Verlag veröffentlichte kürzlich den Sammelband «Der Niedergang des Saigon», in dem die Geschichten der Stamm-gäste, ihre Gedichte und ihre Prosa zusammengetragen wurden. «Das Saigon ist ein wahrer Mythos», erklärt Mikhail Yasnov, Dichter und Stammkunde der ersten Stunde. «Viele faszinierende Persönlichkeiten gingen dort ein und aus, aber es deswegen als Wiege junger Leningrader Talente zu bezeichnen... Heute über-treibt man masslos, was das Image dieses Ortes betrifft. Brodsky wäre auch ohne das Saigon ein herausragender Poet geworden; ein Haufen junger Leute hat sich dort tagelang mit Kaffee volllaufen lassen, ohne je etwas Bemerkenswertes zustande zu bringen...»

    SCHWERMÜTIGES SCHWARZ

    Lässt man den Petersburger einen Mantel aus allen Farben des Regenbogens wählen, wird er sich unweigerlich für einen schwarzen entscheiden. Das ist kein Mythos, sondern eine Feststellung. Diese Vorliebe erklärt sich weniger durch die Schwermütigkeit der Einwohner der nördlichen Metropole als durch die geografische Lage der Stadt. Die Sonne lässt sich in Sankt Petersburg nur selten blicken. Wenn

    D die Wolken die Stadt einmal verschonen, zeigt sich der Himmel in Blassweiss. Das fortwährende Grau animiert nicht unbedingt dazu, sich wie ein Kanarienvogel zu kleiden. Blaue oder pastell- grüne T-Shirts sind dagegen ein Verkaufsschlager. Im Unter-schied zu den Städten des Südens, die nach satter Malerei schrei-en, erinnern Sankt Petersburg und seine Palette verwaschener Farben an eine Zeichnung. Die Einwohner wissen die geraden Linien und die schmucklosen Schnitte ihrer Stadt zu schätzen. Doch der Schein trügt. Hinter der Genügsamkeit verbirgt sich hin und wieder eine Spur Extravaganz. Diese kann durch ein skurriles, schräges Accessoire, mit dem sich die Petersburger gern schmücken, zum Vorschein kommen. Nicht selten begeg-net man auf dem Newski-Prospekt einer älteren Dame, die ganz in schwarz gekleidet ist – mit Ausnahme einer weinroten Strumpfhose in Schmetterlingsmuster!

    LEIDENSCHAFT MUSIK

    Sankt Petersburg, die Hauptstadt der Musik? Vor zwei Jahr-hunderten traf dies in der Tat zu. Komponisten, Sänger und Pianisten kamen in Scharen, aus Frankreich oder Österreich, um die Ohren des kaiserlichen Hofes mit ihrer Musik zu beglü-cken. Die russischen Zaren, passionierte Musikliebhaber, geizten nicht mit den Honoraren. Zu den prominentesten Besuchern gehörten Robert und Clara Schumann (zur dama-ligen Zeit war Clara weitaus bekannter als ihr Mann), Franz Liszt, Hector Berlioz, Richard Wagner... Dennoch war das erste öffentliche Konzert in Sankt Petersburg im Jahr 1779 ein Misserfolg. Dem Initiator, der Geigenspieler Louis Paisible, wuchsen die Ausgaben über den Kopf und er nahm sich das Leben. Erst nach der Eröffnung des Konser- vatoriums (1862) sowie einiger Musikschulen entpuppten sich die Bürger Sankt Petersburgs allmählich zu gestande-nen Musikliebhabern. Fortan drang Musik aus den Häusern der Mächtigen auf die Strassen, in Bahnhöfe oder auch Krankenhäuser, wo man zahlreiche karitative Konzerte gab. «Die Zeiten, in denen die grössten Opernsänger Sankt Petersburg bevölkerten sind allerdings vorbei», kommentiert Galina Malkina, Musikwissenschaftlerin am Institut für Kunst-geschichte. «Unsere Musiker spielen öfter im Ausland als in Russland selbst… Aber die Petersburger sind nach wie vor

    Eine Hochzeit, für viele junge Russen immer noch ein wichtiger Schritt.

    Vorhergehende Doppelseite: Das Singer-Haus am Newski-Prospekt, ein 1902 von

    Pavel Suzor erbautes Jugendstilgebäude. Die Firma Singer hatte kurz vorher einen

    Wolkenkratzer in New York errichten lassen und wollte einen weiteren Prestigebau in

    der Hauptstadt des Russischen Kaiserreichs zur Präsentation und den Verkauf ihrer

    Nähmaschinen.

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    Eine Stadt mit vielfältigen kulturellen Reizen: Konzerte, Ballettvorführungen und andere Zeugnisse einer einst glanzvollen Vergangenheit. Draussen ziehen die verblassten Farben und die charmanten Museumsgärten (Eremitage) auch die jungen Generationen in ihren Bann.

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    Familienfoto vor dem Peterhof und intime Besichtigung der Erlöserkirche. Auf Dunkelheit

    folgt Licht: Wandeln unter prunkvollen Kronleuchtern.

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    versessen auf Musik. Haben Sie gesehen, wie schnell die Karten für die Philharmonie vergriffen sind? Man muss mindestens drei Monate im Voraus reservieren, um sich Konzertplätze zu sichern!»

    GEHEIMNISVOLLES BALLETT

    Das Sankt Petersburger Ballett gilt als Symbol der Stadt, eben-so wie der Eherne Reiter oder die Peter-und-Paul-Festung. Die Kunst des Balletts beginnt in Russland im 18. Jahrhundert, als die Zaren weltberühmte Pariser Tänzer und Choreografen an den Hof holen. 1735 eröffnet die erste Petersburger Ballettschule, die aber lediglich das Tänzerensemble stellt. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehen aus ihren Reihen die ersten grossen Stars hervor, zu einer Zeit, in der sich die «Ballets Russes» vom Einfluss Europas entfernen und ihre eigene Richtung einschlagen. Aber das Erbe wiegt schwer. Bis heute hat das Sankt Petersburger Ballett-Ensemble seinen anspruchsvollen und elitären Stil be- wahrt, im Gegensatz zum Moskauer Ballett, das sich überwiegend am zeitgenössischen Tanz orientiert. «Das Ballett des Mariinsky-Theaters hat ein Geheimnis», meint der Choreograf Dmitri Er- makov. «Alle unsere Tänzer kommen aus derselben Tanzschule, der Waganow-Ballettakademie. Sie verinnerlichen die gleichen Techniken und bleiben ihrem Stil über ihre gesamte Tänzerkarriere hinweg treu. Das unterscheidet das Mariinsky von allen anderen Kompanien, in denen Absolventen verschiedener Schulen und Länder vereint werden. Neben der hervorragenden Technik besit-zen die Tänzer und Tänzerinnen Sankt Petersburgs eine besondere künstlerische Begabung. Wenn sie die Bühne betreten, dann nicht, um Sport zu machen, sondern um grosses Theater zu zeigen.» UNTERWEGS MIT DIANA UND SVETLANA

    Die Gruppe Notschnie Snaiperi (Nächtliche Scharfschützen) ist eine der schönsten Mythen Sankt Petersburgs. Nach ihren Anfängen in der russischen Hafenstadt Magadan, zog es die beiden Frauen in die Stadt mit der «schwarzen Sonne und dem wolkenverhangenen Himmel», um ihre Musikkarriere voranzu-treiben. Zwischen zwei Konzerten stürzten sie sich ins Getümmel, arbeiteten in diversen Restaurants als Tellerwäscherinnen, um über die Runden zu kommen, spazierten über die Dächer der Stadt und tanzten auf den Brücken, bis sie nicht mehr konnten.Jahre später gelang der Band der Durchbruch. Seither durch-forsten ihre Fans alle Winkel Sankt Petersburgs, die in den

    ENTDECKEN SIE «LE COURRIER DE RUSSIE»

    «Le Courrier de Russie» ist ein russisch-französisches Nachrichtenmagazin, das sich an alle Russlandliebhaber auf der Welt richtet. Es erscheint im zweiwöchentlichen Rhythmus und wird in Moskau und Sankt Petersburg verteilt. Alle Artikel sind auch im Internet verfügbar: lecourrierderussie.com

    Liedern der Nächtlichen Scharfschützen besungen wurden. Die Geschichte beider Frauen, die füreinander eintraten, ergreifende Songs schrieben und ihre Geigen in einem Wutanfall zerschlu-gen, hat so manchen tief berührt. Viele weibliche Paare sahen in ihnen eine Hoffnung und eine Berechtigung. Diana und Svetlana haben allerdings nie behauptet, dass sie lesbisch sind…

    DER WAHNSINN UND DIE KLEINEN LEUTE

    Die Schriftsteller Sankt Petersburgs haben nie die Sorgen der klei-nen Leute ihrer Stadt ignoriert. Mit einer Besonderheit: Nahezu all ihre Figuren stehen am Rande des Wahnsinns und des Todes. Sie kehren sogar aus dem Jenseits zurück, um ihre früheren Peiniger zu verfolgen. Wer ist schuld? Sankt Petersburg, natürlich! Die Stadt hat den Ruf, Irrsinn zu verbreiten. Dies verdankt Sankt Petersburg einer Reihe von Genies wie Puschkin, Gogol, Bely oder Dostojewski. Sie bevölkerten die Stadt mit Monstern und Geistern, erweckten ihre Statuen zum Leben, liessen ihre Brücken in der Luft schweben und Nasen, die ihren Besitzern entwischt waren, in den Strassen spazieren. Diese Stadt, in der alles nur «Wunschtraum und Lüge» ist, bringt die Schwächsten um den Verstand, was erklärt, warum ihre Höfe und Gassen – die im Übrigen alle in einer Sackgasse enden – von verzweifelt und suizidgefährdeten Säufern, obdachlosen Kindern und Prostituierten nur so wimmeln. Umso beunruhigender ist, dass nicht nur die alten Klassiker Sankt Petersburg als ein Irrenhaus charakterisieren. Dieses Bild findet sich auch im Roman der jungen Schriftstellerin Natalja Kljutscharjowa, «Endstation Russland», wieder. Ihre Figuren sind ausgehungerte und verstörte alte Menschen aus Sankt Petersburg, die sich zu Fuss nach Moskau aufmachen, um dem Präsidenten von ihrem Leid zu berichten…

    Frauen und Emanzipation. Links: Diese beiden jungen Frauen auf der Newa verkörpern das moderne Russland. Rechts: das andere Russland, die Melancholie einer einsamen Museumswärterin.

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    Zwei Generationen, zwei Gesichter einer Stadt. Vom romantischen Licht der heutigen Zeit zu den unendlichen Fluren und dunklen Sälen der altehrwürdigen Eremitage.

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  • PORTFOLIO

    EIN PAAR, EINE PASSION

    1 • Altai-Gebirge, Delta des Sagsay-Flusses mit kasachischen Jurten.

    4 • Nicht ungewöhnlich: Die Sandbänke stammen aus der Wüste Gobi.

    7 • Junge Hirtin und ihre Grossmutter in der Abend-dämmerung, Khovd-Region.

    10 • Im Winter brechen die kasachischen Jäger oft in Gruppen auf.

    2 • Jeden Morgen lässt Nyamsuren seine Schafherde frei, Provinz Töv.

    5 • In der Mongolei leben 25 Millionen Pferde auf 3 Millionen Einwohner.

    8 • Der junge Erbolat mit seinem Pferd und seinem Königsadler.

    11 • Porträt von Erbolat, dem kasachischen Jäger, und seinem Adler.

    3 • Jamsran führt die Yaks zu seinem Lager im Orchon-Tal.

    13 • Rast für den jungen Rentierzüchter, der die Kälte nicht scheut.

    14 • In den extremen Wintern im Westen sind Temperaturen von bis zu -40°C keine Seltenheit.

    15 • Olgii-Region. Der Adler von Habi Seil hat einen Fuchs erspäht.

    6 • Das Altai-Gebirge nach dem Regen. Die Berge schmücken sich in märchenhaften Farben.

    9 • Männer und Adler lauern auf die geringste Bewegung am Horizont.

    12 • Burkit, der 28-jährige Kasache mit seinem treuen Königsadler.

    Sie wächst in der Steppe auf, er am Meer. Zwischen ihnen eine Entfernung von gut 10’000 km, und doch laufen sie sich eines Tages über den Weg. Seit 16 Jahren teilen diese beiden Foto- grafen nun ihr Leben und ihre Leiden-schaft. Nachdem sie als Kind in der mongo- lischen Steppe unter Nomaden auf- wuchs, landet Tuul in Paris, um ihren Master in Kulturwissenschaft abzu- schliessen. Hier entdeckt sie ihre Leidenschaft für Grafik und Fotografie. Bruno verbringt als Kind jeden Sommer in der Toskana, der Heimat seines Vaters. Man erahnt, dass diese sonnen- verwöhnte, lichtdurchflutete Hügelland- schaft seinen Blick und seine Reiselust beeinflusste. Nach seiner Ausbildung zum Archi-tekten bereist er zunächst Südasien, Nepal, Pakistan, Indien… Seitdem durchkämmt das Fotografenpaar, am Steuer ihres legendären Defenders, die hintersten Winkel der mongoli-schen Steppe. Sie verewigen in ihren Bildern das letzte Land der Nomaden, das noch nicht der Globalisierung ver-fallen ist. Im Oktober veröffentlichen Tuul und Bruno Morandi ein Buch über ihre Arbeit in der Mongolei und Zentral-asien: «Auf den Spuren Dschingis Khans», Hozhoni-Verlag.

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  • IM STROM DES MARONI: UNTERWEGS IM NAMENLOSEN LAND • • 5352 • • IM STROM DES MARONI: UNTERWEGS IM NAMENLOSEN LAND

    Bilder: Remi Benali • Text: Heather Robinson

    IM STROM DES MARONI

    UNTERWEGS IM NAMENLOSEN LAND

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  • IM STROM DES MARONI: UNTERWEGS IM NAMENLOSEN LAND • • 5352 • • IM STROM DES MARONI: UNTERWEGS IM NAMENLOSEN LAND

    Der Maroni, auch «Königsfluss Guyanas» genannt, führt in ein Land

    voller Abenteuer. Streng gehütete afrikanische Traditionen, Goldfieber

    und Überlebenskampf vereinen sich im Smaragdwald unter der

    Trikolore eines trügerischen französischen Amazonasgebiets.

    Sonnenuntergang über dem Maroni, der Haupttransportader für den Südwesten Guyanas.Links: Ein Fluss-Matrose, der zur Gemeinschaft der Maroons gehört. Diese Nachkommen früherer

    Sklaven leben auf beiden Seiten des Flusses und pflegen nach wie vor ihre afrikanischen Wurzeln.

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  • IM STROM DES MARONI: UNTERWEGS IM NAMENLOSEN LAND • • 5554 • • IM STROM DES MARONI: UNTERWEGS IM NAMENLOSEN LAND

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    ie Witwe lacht und tanzt. Die bunten Quasten an ihrem traditionellen Gewand folgen ihren Bewegung-

    en. Hand in Hand mit den anderen Galibi-Frauen gedenken sie dem Tod eines Schamanen, der sich

    ein Jahr zuvor ereignet hat. Ihr Gesicht schmücken die täto-wierten Schnurrhaare einer Raubkatze. Die Männer verfolgen das Schauspiel teilnahmslos, gelähmt von der drückenden Hitze, die sich mit der berauschenden Wirkung des Cashiri, einem Bier aus gegorener Maniokwurzel, vermischt. Zwei Jugendliche schleichen unentwegt um die ver-sammelte Menge und reichen Trinkschalen mit dem rosa-farbenen Gebräu, das wir nicht ablehnen können. Auf die rhythmischen Schläge der Trommeln aus Jaguarhaut folgen die Beschwörungen der Tänzerinnen; sie richten sich an die indi-anischen Vorfahren, die dem Dorf zu seinem Namen verhalfen. «Kommt, tanzt mit uns, teilt unsere Freude!» Die Vibrationen der Gesänge durchdringen das surinamische Dorf und verlieren sich schliesslich in der Mündung des grossen Flusses. Weit ent-fernt, am anderen Ufer, fegt ein Gewitter über Guyana hinweg.

    D

    Am Ufer von Surinam zelebrieren Frauen aus dem Dorf Galibi die Bestattungsriten für einen verstorbenen Schamanen. Sie trinken Cashiri, ein Bier aus Maniok-Wurzeln.Links: Ein Unwetter wütet am anderen Ufer des Maroni. Ein Kolonialbau in Saint-Laurent-du-Maroni, genannt «Petit Paris». Die Behörden versuchen, die Atmosphäre der Kolonialzeit durch Renovierungen zu erhalten.

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    EIN FLUSS, ZWEI LÄNDER

    Der 520 Kilometer lange Maroni stellt die wichtigste Transportader für die westliche Hälfte des Landes dar. Er bildet die natürli-che Grenze zu Surinam, die genauso unübersichtlich ist wie der Wasserlauf selbst, erklärt der ansässige Fremdenführer Marc Dabrigeon. «Die Familien sind hin- und hergerissen zwischen den beiden Ländern. Ein Kind wird in Frankreich gemeldet, das andere in Surinam, und das dritte hat gar keine Papiere, weil es auf dem Fluss zur Welt kam!» Ein durchgängiger Bootsverkehr befördert die Bevölkerung von Saint-Laurent nach Surinam, wo sie sich mit günstigem Benzin und Lebensmitteln eindeckt, im gleichen Atemzug werden billige Arbeitskräfte nach Guyana verschifft. Trotz der Bemühungen der Polizei machen die Ausweitung der Grenze und der Mangel an Personal jegliche Kontrollversuche zu einem aussichtslosen Unterfangen. Françoise Daniel, Lehrerin in Apatou, erinnert sich an den Bürgerkrieg in Surinam: «Banditen hatten sich flussaufwärts auf kleinen Inseln niedergelassen. Jedes Mal, wenn wir den Fluss überquerten, raubten sie uns aus. Die Polizei war machtlos, weil diese Inseln zur rechtsfreien Zone gehören!»

    Schätzungsweise 30’000 Indianer lebten vor der Ankunft der spanischen Entdecker im 16. Jahrhundert in Guyana. Obwohl die Region 1630 durch Ludwig XIII. annektiert wurde, entwi-ckelte sie sich nur schleppend. Von den 10’000 Siedlern, die 1763 an Land gingen, starben über die Hälfte rasch an den Folgen von Malaria und Gelbfieber. Bei ihrer Rückkehr nach Frankreich besiegelten die Überlebenden den unheil-vollen Ruf Guyanas mit ihren Horrorgeschichten. Napoleon III. verwandelte den Besitz in eine Strafkolonie und prägte somit nachhaltig das Bild des Landes. Zwischen 1852 und 1953 wurden über 70’000 Zwangsarbeiter im berüchtigten Straflager interniert, darunter Alfred Dreyfus und Henri Charrière, genannt «Papillon». Die meisten von ihnen kamen nicht mit dem Leben davon. Die letzten Strafgefangenen star-ben vor einigen Jahren. Heute saniert die Stadt Saint-Laurent-du-Maroni ihre befremdliche Sträflingsarchitektur, ein ganzes Viertel namens «Petit Paris». In der Kühle des Abends klettern zwei eigensinnige Mädchen auf die imposante Kanone, die die Überreste des Gefängnisgebäudes bewacht. Weiter unten trägt der Lauf des Flusses die Leiden vergangener Tage mit sich.

    Das Gefängnis der Strafkolonie. Seit 1857 haben über 70’000 Sträflinge diese Mauern von innen gesehen und hier ihr Leben gelassen. Dank der Berichte des Journalisten Albert Londres wurde das Gefängnis 1946 geschlossen.

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    RUM UND CARACAS

    Die vier Goldkronen, die das Lächeln von Caracas zum Vorschein bringt, glänzen im Sonnenlicht. Der Häuptlingsgehilfe im Dorf Tabiki, in Surinam, lädt uns ein, mit ihm eine Flasche Rum zu teilen und über sein Volk zu sprechen. Wir befinden uns im Herzen des Landes der Maroons oder Bushinengé. Sie sind Nachfahren der Sklaven, die von den englischen und niederlän-dischen Plantagen flüchteten und sich im dichten Dschungel, entlang des Maroni, ansiedelten. Wir fragen ihn, wann sein Dorf gegründet wurde. Es folgt ein fast zehnminütiger Monolog auf Taki-Taki, der Sprache der Eingeborenen, bis er sich schliesslich zu einer Antwort hinreissen lässt: «400 oder 500 Jahre…» Ein unwahrscheinliches Datum aus historischer Sicht. Immerhin kennt er den Namen des Helden, der sie befreite, es ist ihm jedoch untersagt, diesen Namen zu offenbaren. Sofort kommt uns das Holzbildnis auf dem Hauptplatz in den Sinn. Es zeigt einen Mann mit Ketten um den Hals, seine Hände aber sind frei. Wir fragen, ob wir ihn fotografieren dürfen, worauf Caracas gelassen erwidert: «Der Geist wird darüber ent-

    scheiden, ob er euch ein Foto gibt oder nicht». Vor unserer Abreise träufelt er etwas Rum auf den Boden und murmelt ein Gebet, das uns vor den Gefahren der Reise beschützen soll.

    AUF ENTDECKUNGSREISE MIT DER PIROGE

    Im Land der Maroons hat der Gran Man das letzte Wort: «Sogar der Bürgermeister kommt zu mir, wenn es ein Problem gibt!», erklärt Gran Man Doudou in seinem Büro in der fran-zösischen Gemeinde Papaichton. Auch er betet für uns, indem er etwas Rum in eine hölzerne Kiste mit einem erha-benen Kreuz giesst. Seit der Abreise aus Saint-Laurent unser erster Willkommensgruss auf dieser Seite des Flusses. Die Einheimischen sind misstrauisch Besuchern gegenüber, unser Grüssen wird nur selten erwidert. Am nächsten Morgen zieht sich der Nebel wie ein Schleier zurück. Nahe der Anlegestelle sind ein paar Kinder eifrig damit beschäftigt, Wäsche zu waschen, Geschirr zu spülen und klei-ne silberne Fische zu fangen, Metallteile und Glasscherben liegen unter ihren Füssen. Wie in den meisten Dörfern an

    Der Bürgerkrieg in Surinam drängte viele Flüchtlinge in die Vorstädte von Saint-Laurent-du-Maroni. Am Ufer verkaufen die Fischer ihren Fang vom benachbarten

    Surinam aus, auch die Frauen bieten ihre Waren auf offenen Märkten an. Kinder steigen aus ihren Pirogen und machen sich auf den Schulweg.

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    diesem Flussabschnitt sind auch hier die Ufer mit Abfällen übersät. Wenn es den Menschen hier scheinbar an Respekt für ihren Fluss mangelt, dann vielleicht, weil er ihnen das Leben schwer macht. Eine Reise auf dem Maroni ähnelt vielmehr einer Expedition als einer ruhigen Kreuzfahrt.Am Bug lenkt ein Steuermann, ausgerüstet mit einem langen Ruder («Takari»), die Piroge durch ein Labyrinth aus Felsen, die das Vorankommen erschweren. Bei den Wasserfällen und Stromschnellen von Poligoudou besteht unser Fahrer mit dem Spitznamen La Classe darauf, dass wir unsere Rettungswesten tragen. An dieser Stelle kentern regelmässig Boote und über-lassen ihre Passagiere dem Fluss, manchmal für immer. An den Felsen zerschellte Bootskörper führen uns die Gefahr vor Augen. Als wir den Wasserfall überwinden, stürzen sich Wellen auf die Piroge, schnellen zurück und peitschen uns ins Gesicht. La Classe macht seinem Namen alle Ehre.

    WÄLDER UND GOLDSUCHER

    Man benötigt drei Tage, um auf dem Maroni flussaufwärts von Saint-Laurent nach Maripasoula zu fahren. Bereits um 9 Uhr morgens herrscht eine brütende Hitze. Eingekesselt zwischen den unendlichen Pflanzenwänden und unter der gnadenlo-sen Sonne haben wir den Eindruck, in einem Schnellkochtopf zu schmoren. Nach den grellen Lichtreflexionen des Flusses ist das Eintauchen in den Wald eine willkommene Abwechslung. Kurioserweise begegnen uns kaum Tiere, Anakondas und Jaguare lassen sich immer seltener blicken. Wir begnügen uns mit den unvergesslichen Bisswunden der Feuerameisen… Jeder Zentimeter Erde strotzt nur so von Leben, Schlingpflanzen winden sich erdrückend um die Baumstämme und vom Kronendach hallt das Echo der Aras, deren Anblick uns ver-borgen bleibt.Die Ressourcen des Waldes stellen eine wahre Goldgrube dar, und das nicht nur im übertragenen Sinne. Vier Tonnen Gold werden jedes Jahr offiziell verzollt, dreimal mehr illegal abgebaut. Die Betriebe verstecken sich im Landesinneren wie die im Süden gelegene Stadt Dorlin. Sie zählt 2’000 bis 4’000 Arbeiter, darunter Maroons aber auch zahlreiche brasiliani-sche Garimpeiros.Eine authentische Stadt wie im Wilden Westen, wo ein Mann sein Leben schon mal für eine Zigarette und seinen Verstand für ein Nugget verlieren kann. Schwimmende Schuten durch-sieben den Flussschlamm nach Rückständen. Jorge steuert eine von ihnen, in der Nähe von Maripasoula, dem Zentrum des Goldhandels. Seit sechs Jahren lebt er hier in einem 4 m2-Zim-mer. Immer, wenn er kann, schickt er seiner Familie, die in Brasilien geblieben ist, Geld. «Ich will keine Probleme machen, ich versuche lediglich zu überleben», betont er. Wir verste-hen ihn und erwähnen nicht die Zerstörung und die massive Umweltverschmutzung, die mit der Goldgewinnung einhergeht.

    Links: Kapitän Caracas ist einer der Anführer des Dorfs Tabiki in Surinam. Hier posiert

    er mit seinen Kindern vor dem Haus.Eine traditionelle Hütte in Tabiki,

    am Ufer von Surinam.Warmer Empfang in Guyana, das

    freundliche Lächeln von Mutter und Tochter.

    Versteckt in den Nebelschwaden des Flusses, das entlegene Dorf

    Papaichton und seine Geister.

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    ZEITGEIST UND ZWEIFEL

    Jenseits von Maripasoula, hinter der «verbotenen Zone», nimmt der Betrieb auf dem Fluss urplötzlich ab. Diese Region bedeckt das südliche Drittel Guyanas und ist nicht für Touristen zugäng-lich, um die ansässigen Wayana-Indianer und andere indigene Stämme zu schützen. André Cognat, «der weisse Indio», gehört zu den unermüdlichsten Verfechtern der Indianer. Mitte der Sechzigerjahre liess er sich hier im kleinen Dorf Antecume Pata nieder. Leider erfahren wir bei unserer Ankunft, dass er im fran-zösischen Mutterland in eigener Sache unterwegs ist. Zu einer Begegnung mit dieser legendären Gestalt kommt es also nicht.Während wir uns in einer typischen Hütte, die Besuchern offen-steht, einrichten, tollen ein paar Jungen auf dem Fussballfeld herum. Sie tragen den traditionellen «Kalimbé», einen knall-roten Lendenschurz. «Der gehört zur Schulkleidung», wie uns Boom-Boom, ein Dorfbewohner, erklärt. Als wir ihn fra-gen, warum der weisse Sohn der Lehrerin moderne Sachen tragen darf, lacht er uns nur achselzuckend an. Nach dem

    Unterricht ziehen die Kinder ihre Shorts und Nike-T-Shirts wieder an... Am Fluss spielt ein kleiner Junge auf seiner Spielkonsole, andere machen es sich in ihren Hängematten bei Satellitenfernsehen bequem. Wir befragen Tishingiri, den Sohn eines Stammesführers, über das Vorhandensein so moderner Luxusgüter in einer Gemeinschaft, die sich früher damit rühm-te, in kompletter Selbstversorgung zu leben: «Wir beziehen hier fast alle Sozialhilfe…» Die Region wurde zum «Schutzgebiet» deklariert, dabei ist es fraglich, vor welchen Gefahren wir diese Menschen eigentlich bewahren sollten. Vor langer Zeit bezeichneten die Guarao-Indianer das Gebiet, das sich zwi-schen dem Flussdelta des Orinocos und dem guyanischen Amazonas erstreckt als «namenloses Land». Wenn man den Maroni stromaufwärts bereist, hat man auch heute noch den Eindruck, dass Guyana lediglich ein Name auf einer Karte ist. Es ist ein weitläufiges Gebiet mit einer Vielzahl unterschiedlicher Gemeinschaften, die nebeneinander existieren. Auch Tishingiri fügt bestätigend hinzu: «Ich bin ein Wayana durch und durch, ich fühle mich überhaupt nicht wie ein Franzose…»

    Ein Pirogen-Inhaber bei der Pause in Papaichton. Er beobachtet das ständige Treiben auf dem Fluss.

    Rechts: Der amazonische Wald säumt die Uferregion und beheimatet Klammerschwanzaffen sowie die geschützten Hell-roten Aras. Eine Umgebung, die die Kinder nur zu gut kennen,

    wie dieser kleine Junge aus dem guyanischen Dorf Cayode.

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  • Text und Fotos: Cyril Le Tourneur d’Ison

    ASERBAIDSCHAN

    DIE RETTUNG DER KARABAGH-PFERDE

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    Nach einer Galoppeinheit am Strand, vertraute Momente zwischen Reiter und Pferd.

    Freilaufende Pferde in der Sheki-Region, wo sich viele Zuchtbetriebe angesiedelt haben.

    Auch in den Dörfern sind sie präsent. Vorhergehende Doppelseite: Die Chovgan-

    Mannschaft von Niazabad beim Training am Ufer des Kaspischen Meeres.

    Aserbaidschan, Drehscheibe der

    Kulturen. Die bewegte Geschichte

    des Landes brachte eine bemer-

    kenswerte Pferderasse hervor, die

    sowohl für ihre Lebendigkeit als

    auch für ihre Ausdauer geschätzt

    wird, den sogenannten Karabagh.

    Er trägt den Namen seiner

    Ursprungsregion, die seit zwanzig

    Jahren militärisch von Armenien

    besetzt wird. War der Karabagh

    während des Bergkarabach-Krie-

    ges (1988-1994) vom Aussterben

    bedroht, erfährt er heute eine re-

    gelrechte Wiedergeburt. Dies ist in

    erster Linie den aserbaidschani-

    schen Familien zu verdanken,

    denen es nach der dramatischen

    Evakuierung gelang, diese

    Pferderasse zu erhalten.

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    Chovgan-Partie am Fusse des Grossen Kaukasus. Nach der armenischen Invasion fast vergessen, erlebt dieses Spiel heute ein echtes Comeback. 16 Mannschaften vertreten jede Region.

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    m 3. Dezember 2013 würdigte die UNESCO zum ersten Mal den Beitrag einer Rasse zum Erhalt des Weltkulturerbes. Die internationale Organisation setzte das «Chovgan, ein traditionelles Reiterspiel,

    das auf dem Rücken der Karabagh-Pferde praktiziert wird» auf die Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Weltkulturerbes. Für Aserbaidschan, der Heimat des Chovgan, ist dies nicht nur in kultureller oder sportlicher Hinsicht ein Sieg, es ist auch ein diplomatischer Erfolg. Die Anerkennung dieser Pferde als Teil des aserbaidschanischen Kulturguts legitimierte gleichzeitig die historische Zugehörigkeit der Region.

    DIE TIEFE VERBUNDENHEIT ZUM PFERD

    Kurz vor der Auflösung der UdSSR erklärt Armenien die Region Karabach zum Teil der «Vereinigten Republik Armenien». Daraufhin beginnt eine regelrechte ethnische Säuberung, die auf die Minderheiten, die Aserbaidschaner, abzielt. Unter ihnen befinden sich Familien, die seit Generationen zu den wichtigsten Karabagh-Züchtern gehören. Trotz der Unruhen bringen sie es nicht übers Herz, ihre Herden zurückzulassen und sich dem Flüchtlingsstrom, der das Land verlässt, anzu-

    Aschliessen. Diese Verbundenheit hält einige Unbeugsame vor Ort, während die Gefahr praktisch jeden Tag näher rückt. Die Pferde im Stich lassen? Unmöglich! Wie können wir sie inmitten der Bomben und Grad-Raketen, die die Gegend bombardieren, allein lassen?Im Gestüt von Agdam, dem wichtigsten Zentrum der Karabagh-Zucht, arbeiten die beiden Brüder Ali und Natig Orujov. Für sie sind die Pferde ebenso wichtig wie ihre eigene Familie, sie betrachten die Tiere als den Stolz der Nation. Es gelingt ihnen, den Direktor des Gestüts, Maarif Huseynov, für sich zu gewin-nen, und so beschliessen sie, ihre Pferde aus Karabach fort-zubringen. Ihre Frauen und Kinder lassen sie vorerst zurück; sobald ihre Mission erfüllt ist, werden sie sie nachholen. Die anderen Helden dieser Geschichte sind die Familien Kadi- rov, Atayev, Hasanov... Sie alle sind fest dazu entschlossen, ihre Pferde aus dieser Hölle zu befreien, bevor sie sich – bewaffnet mit Kalaschnikows! – um ihre eigenen Familien kümmern. Die meisten Pferde werden in der Nacht aus dem Kampfgebiet gebracht, was unglaubliche Schwierigkeiten ver-ursacht, da die Tiere im Kriegschaos durchdrehen. Ali Orujov wird später noch einmal zurückkehren, um ein paar Bücher zu retten, die den Stammbaum jedes Pferdes dokumentieren.

    Die Familie Taghiyev beobachtet die Pferde mit Hingabe. Der Vater, Vidadi, war bei der Rettung der Karabagh-Pferde dabei. Sie werden immer noch von den Züchtern in der Nähe der Stadt Sheki dressiert.

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    DIE BEWAHRUNG EINER RASSE

    Nach dem Krieg finden die «heimatlosen Pferde» in Lemberan, am Fusse des Karabach-Hochlands, ein festes Zuhause. Es wurde mittlerweile zum Nationalgestüt des Landes ernannt und befindet sich immer noch unter der Leitung Maarif Huseynovs, der bei der Ausschleusung der Zuchthengste und -stuten eine Schlüsselrolle spielte. Heute gibt es knapp dreissig Privatpersonen und Niederlassungen mit insgesamt achthun-dert reinrassigen Karabagh-Pferden.

    Ein Blick genügt. Tiefe Verbundenheit zwischen Mensch und Tier.

    Die Karabagh-Herden sind der ganze Stolz des Nationalgestüts in Lemberan.

    Rechts: Ein Karabagh und sein geschickter Reiter, Azer Hamzayev, Kapitän der

    Chovgan-Mannschaft der Armee.

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    Auch das Militär gründete Pferdegestüte, die man vor allem zur Grenzüberwachung einsetzte. Zudem rief die Armee eine Djigitovka-Mannschaft (auch Kosakenreiten genannt) und ein Chovgan-Team ins Leben. Dieses traditionelle Reiterspiel gilt als das älteste und bekannteste Spiel Aserbaidschans und ist der Vorläufer des modernen Polos. Galt es früher als edler Zeitvertreib, bei dem die Mitglieder der Herrscherfamilien gegeneinander antraten, hat es sich heute zu einem echten Nationalsport entwickelt, der wieder an seine volkstümlichen Wurzeln anknüpft.Das Schicksal der Karabagh-Pferde ist also eng mit dem Engagement einiger weniger Familien verbunden, die sich für die Rettung der Zuchttiere aus dem Kriegsgebiet ein-setzten. Ihr grösster Stolz ist der Zuchthengst Golden Boy II. Er vollführte 2012 einen Dressur-Ritt für die Königin von England, im Rahmen der Feierlichkeiten zum 60-jährigen Krönungsjubiläum im Windsor Castle. So scheint der noch kaum bekannten Karabagh-Rasse eine vielversprechende Zukunft beschieden.

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    Golden Boy II., der erfolgreiche Champion tanzte für die Königin von England und ist der Stolz des Gunay-Gestüts.

    Links: Die Chovgan-Mannschaft der Armee vereint herausragende Reiter.

    Im Reitzentrum von Noukhani steht den Pferden sogar ein Swimmingpool zur Verfügung.

    DER GROSSE STOLZ FÜR DIESE FAMILIE IST DER ZUCHTHENGST

    GOLDEN BOY II. ER VOLLFÜHRTE 2012 EINEN DRESSUR-RITT FÜR

    DIE KÖNIGIN VON ENGLAND, IM RAHMEN DER FEIERLICHKEITEN

    ZUM 60-JÄHRIGEN KRÖNUNGSJUBILÄUM IM WINDSOR CASTLE.

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    Text und Fotos: Franck Charton

    RAJASTHAN

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    Man nehme ein paar passionierte

    Motorrad-Reisende auf eine

    Entdeckungstour der Thar-Wüste,

    eine Rundstrecke von 2’500 km. Man

    setze sie auf holprige Pisten und

    schüttele das Ganze gut durch. Das

    Ergebnis ist eine moderne Form des

    Reisens, ein würziger Cocktail aus

    Aktion und Kontemplation, vermischt

    mit einem Hauch Abenteuer und

    Exotik im Land der Festungen und

    der Maharadschas. Auszug aus einem

    Reisetagebuch.

    M 300MANDAWA. DIE ERSTE HÜRDE

    Die Perle Shekhawati erstrahlt in nostalgischem Glanz. Die Havelis, prächtige Herrenhäuser der Marwari-Händler aus der Blütezeit des rajasthanischen Handels, verfallen oder erleben ein eindrucksvolles Revival in den Händen pfiffiger Hoteliers und engagierter Künstler. Von Delhi aus beginnt die Reise mit einem Transfer per Kleinbus, 128 Kilometer legen wir bis nach Behror zurück. Zunächst gilt es, sich reibungslos aus dem unerträglichen Ballungsraum der Landeshauptstadt herauszuwinden, dem riesigen Netz aus unendlichen Verzweigungen, die dem gewaltigen Ver-kehrsaufkommen kaum standhalten. Säuberlich aufgereiht warten hier unsere Motorräder auf uns.François, unser junger Reiseleiter, ist eine grosse, schlaksige Gestalt mit zerzaustem Wuschelkopf und wildem Look. Der gespielt harte Kerl – der dafür aber ein echter Motorradfan ist – hat uns während der Überführung eingehend über die Besonderheiten unserer Maschinen aufgeklärt: ruhi-ger, müheloser Lauf, Start mit dezentem Kick, Motor mit maxi-malem Drehmoment aber weniger spritzig, eher geeignet für eine Spazierfahrt als zum Tempo machen, ein Sammlerstück aber dennoch ziemlich anfällig, kurz: ein Gigant auf tönernen Füssen. Vorsicht ist auch vor Schlaglöchern geboten, die im ländlichen Indien gang und gäbe sind. Die Region Shekhawati stellt sich als ein undurchsichtiges Gebilde mit vielen Baustellen, Schleichwegen und heiklen

    Abschnitten heraus. Nicht gerade ideal für die erste Etappe am Steuer, aber ausgesprochen lehrreich. Philippe schafft es, nur wenige Minuten vor dem Ziel und kaum einen Kilometer von unserem Hotel entfernt, zu stürzen. Resultat: Verstauchung des linken Fussgelenks, mit dem man für gewöhnlich die Gänge schaltet… Der Fahrer des Begleitwagens, der unser Gepäck transportiert, kann sich für den Rest der Reise über einen Beifahrer freuen.

    KM 510BIKANER. EINE WILDE HORDE

    Grosse Etappe von über 200 Kilometern. Es geht gut voran und wir verspüren endlich den Rausch der Strasse. Wir reisen mit vierzehn Personen, einschliesslich des Reiseleiters, der das Feld anführt, und des Mechanikers, der das Schlusslicht bildet und uns vor den unabwendbaren Gefahren der Reise bewah-ren soll. Als wir so im Tross dahindüsen, kommt mir unwei-gerlich das Bild einer Gang auf Beutezug in den Sinn. Ich habe das berauschende Gefühl, einer wilden Horde anzugehören, die sich in ein unbekanntes Wagnis stürzt. Die Royal Enfield ist ein wahres Wunder der Mechanik, herrlich ihr brummender, sonorer Klang und ihre wunderbar flüssige Fahrweise. Allmählich wird die Landschaft karger, hier und da kleine, verkümmerte Akazienwälder, ein paar sandige Hügel und unsere ersten Indischen Gazellen, auch Chinkaras genannt. Wir erreichen die Vororte von Bikaner am späten Nachmittag, der zarte Dunst taucht die Landschaft in einen warmen Sepia-Ton.

    Die verlassenen Havelis verfallen. Ihre ehemaligen Wächter der niederen Kaste wurden widerwillig zu ihren neuen Besitzern, können sich die

    Instandhaltung aber nicht leisten. Sie gewähren uns einen nostalgischen Einblick in die längst vergangene Pracht. In Mandawa (vertikales Bild), Fatehpur oder Nawalgarh wurden einige Havelis in charmante Hotels

    verwandelt. Unten rechts: die imposante Festung von Bikaner. Vorhergehende Doppelseite: Die grosse Weite Rajasthans auf zwei

    Rädern entdecken, wie hier in der Nähe von Jaisalmer.

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    KM 840THAR-WÜSTE, DURCHQUERUNG BEI 70 KM/H.

    Geschafft, endlich liegt sie vor uns, die Thar-Wüste! Die Temperaturschwankungen sind fürchterlich: eisige Kälte am frühen Morgen und in den Nachtstunden, glühende Hitze, sobald die Sonne ihren Zenit erreicht. Sogar mit Handschuhen werden die Finger klamm. Lange, eintönige Streckenabschnitte folgen auf bewohnte Gebiete. Chai-Pausen (Gewürztee mit Milch) bestimmen den Rhythmus unserer Reise im Eineinhalbstundentakt. Wir fahren im Durch- schnitt bei 70 km/h, was langsam erscheinen mag, auf den schwierigen Strassen Indiens und am Steuer einer Retro-Maschine jedoch kein leichtes Unterfangen: Neben verstreuten Schlaglöchern, Veränderungen im Strassenbelag, Sand und Temposündern gibt es jede Menge streunende Hunde, umher-springende Affen, unberechenbare Ziegen, lässige Dromedare und zahlreiche andere Tiere, die die Fahrbahn unerwartet über-queren. Gute Reflexe sind ein Muss. Die Kilometer ziehen wie in Trance vorbei, Schläfrigkeit mel-det sich, die Glieder verlieren allmählich an Gefühl, besänf-tigt durch das gleichförmige Brummen des Motors. Pünktlich mit dem letzten Tageslicht erhebt sich vor uns die mystische Silhouette von Jaisalmer. Ihre auf einer Bergkuppe gelegene Festung erscheint uns wie ein Traum – und eine Erleichterung.

    KM 900DER GLANZ VON JAISALMER

    Erkundung der Karawanenstadt und Ausflug zu einigen Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Man benötigt nur wenige Minuten mit dem Motorrad, um zu den Kenotaphen der Maharawal (Herrscher) in Barabagh zu gelangen. Diese Scheingräber erheben sich in Form eleganter, kleiner Pavillons mit Kuppeldach, sogenannte Chhatris. Sie säumen den kahlen Kamm, der ein niedriges, oasenhaftes Tal überragt. Dutzende Windräder ragen aus den umliegenden Gebirgsrücken und bil-den das surreale Dekor dieses überaus romantischen Ortes. Später am Tag folgt die Besichtigung des jainistischen Parsh- vanath-Tempels in Lodurva mit seinem prachtvollen Portal (Torana) aus geschliffenem Stein aus dem 11. Jahrhundert. Dann endlich die ersehnte Pause in den im Mogulstil gehal-tenen Gärten von Amar Sagar, bevor es uns zum Gadisar-See verschlägt. Über ihm thront die Festung, deren Mauern aus rosafarbenem Sandstein zart im Abendrot schimmern. Hier und da wird noch ein herrlich antiquierter Mikrokosmos spürbar: Tuscheleien unter den Alten, die in den Ecken kau-ern, schattig-kühle Höfe und Loggien, die zum Durchatmen in der schwülen Hitze einladen und in denen Grüppchen von Frauen eifrig ihren Beschäftigungen nachgehen sowie winzige Cafés, die auf den halbmondförmigen Türmchen der Stadtmauer sitzen…

    Rechte Seite: Jaisalmer, Besichtigung der alten Festungsstadt, Begegnung mit Bhil-Hirten und Betrachtung der königlichen Kenotaphe. Unser

    Mechaniker hat alle Hände voll zu tun. Unten: Ein Manganiyar-Musiker spielt die traditionelle Sarangi auf den Ghats von Gadisar.

    Neben unseren Enfield-Maschinen sind noch andere Wüstenschiffe unterwegs. Wir grüssen ihre Kameltreiber, die uns komplizenhaft zuzwinkern.

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    Eine berauschende Fahrt durch die sandigen Steppen im Süden Jaisalmers führt uns zu den Ausläufern eines ausgedehnten Dünengürtels, durchkämmt von einigen Herden schwarzer Ziegen. Mit dem Traktor erreichen wir das mitten in der Wüste gelegene Fifu-Camp, wo uns ein kleines einheimisches Team mit einem grossen Lagerfeuer, einem guten Abendessen und Feldbetten unter den Sternen erwartet. Ein ruhiges, besinnliches Zeltlager; wir fühlen uns wie die einzigen Menschen auf der Welt.

    KM 1460VON JODHPUR NACH GHANERAO

    Wir legen die nächste lange Wüstenetappe zurück, beglei-tet vom Spektakel der Herden und ihren hieratischen Hirten, Nilgauantilopen springen erschrocken vom Strassenrand auf. Endlich erreichen wir Jodhpur, auf den ersten Blick eine irr-sinnige und schmutzige Bronx. Unser Abstieg in das Zentrum der Blauen Stadt erinnert an einen Tauchgang in eine Halde, einen Kessel, der überschäumt vom Geschrei und der Fülle unterschiedlichster Gerüche. Aber was für eine Atmosphäre! Ein unbändiges Treiben… Am nächsten Tag treffen wir erschöpft und staubbedeckt im kolonialen Städtchen Ghanerao ein. Die alte Rajput-Festung, in der wir die Nacht verbringen, erweist sich als charmant maro-de, verwinkelt, durch und durch behaglich, kurz: voller Flair.

    KM 1530IM BANN UDAIPURS

    Vermutlich der schönste Tag auf dem Motorradsattel. Auf klei-nen Serpentinen überqueren wir das Aravalligebirge, das sich über 700 km, vom Bundesstaat Gujarat in Richtung Delhi, erstreckt. Die Route verläuft gelegentlich durch Wälder, die von Languren, grosse weisse Affen mit seidigem Fell, bevöl-kert sind. Wir erreichen Udaipur, das «Venedig des Orients». Um den Pichola-See erbaut und von Gebirgskämmen umringt, erscheint uns die Stadt überraschend friedlich und sauber. Sie erinnert an einen Badeort. Nach einer kulturellen Darbietung (Tanz und Marionetten) im Innenhof eines wunderbar res-taurierten Havelis gibt es ein Buffet mit Panoramablick auf der Dachterrasse unseres Hotels. Der silberne Spiegel reflektiert die funkelnden Lichter der Stadt, unter einem indigofarbenen Himmel erscheinen die Sternbilder, eines nach dem anderen. Das Indien aus «Tausendundeine Nacht»…

    Der Zauber der Rajput-Oasen: Wäschewaschen bei Tagesanbruch mit den charmanten Wäscherinnen von Udaipur und quirliges Spektakel am Abend. Spaziergang auf den Mauern der Mehrangarh-Festung in Jodhpur mit Ausblick auf die Blaue Stadt und das Jaswant Thada-Mausoleum, das sich am Abend mit der Patina eines Mogul-Aquarells schmückt.

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    KM 1690JOJAWAR UND SEINE SCHLÖSSER

    Einige Serpentinen in den Bergen führen uns zum Fort von Kumbhalgarh, ein massives Steinschiff, das an einem schroffen Hang vor Anker liegt. Seine kilometerlangen zinnen- bewehrten Mauern winden sich den Abhang hinunter wie eine Miniaturausgabe der Chinesischen Mauer. Das Fort, einstiger Behüter der Grenzen Mewars, wurde im 15. Jahr-hundert erbaut, heute schützt es lediglich einen überschau-baren Weiler. Nach einer langen Abfahrt inmitten ländlicher Umgebung erreichen wir unser nächstes Etappenziel, das romantische Schloss Rawla Jojawar, das mittlerweile als char-mante Herberge dient. Ein Musiker in Livree empfängt uns mit dem schrillen Spiel auf seinem traditionellen Instrument, eine Art einheimischer Geige. Anschliessend bringt man uns zu unseren überwölbten Zimmern mit herrlichem Blick auf die Gärten.

    KM 2060VON PUSHKHAR NACH JAIPUR Raus aus den Bergen, zurück in die staubige Tiefebene von Marwar. Die heilige Hindu-Stadt Puskhar schmiegt sich erha-ben um ihr gesegnetes Becken, wo sich zur magischen Stunde, bei Sonnenuntergang, zahlreiche Pilger, Sadhus, Musiker und Reisende auf ihrer Suche nach Spiritualität versammeln. Mein gebrauchter Helm hat den Geist aufgegeben, am Ende fahre ich oben ohne, mit flatternden Haaren im Wind und Sandalen an den Füssen, durch die Gegend. Das ist weder «politically cor-rect» noch «safe» aber total «Easy Rider», oder vielmehr «New Age». Ich bin im Einklang mit diesem Ort, den so mancher als karmisch bezeichnen würde. Jaipur, Hauptstadt und Tor Rajasthans. Die «rosarote Stadt» und ihre unzähligen Basare reissen uns mit in ihrem chaotischen Strudel – und lassen uns nicht mehr los. Es gibt so viel zu sehen, zu riechen, zu kosten. Uns stehen noch gute 300 Kilometer bevor, bis wir Delhi via Kesroli und Sariska erreichen, aber das Ende eines aufregenden Abenteuers ist bereits in Sicht. Der Road Trip, die grosse Rundreise durch Rajasthan, zeigt seine Wirkung, vergleichbar mit einer Initiationsreise: Man kehrt erschöpft, aber verändert zurück. Innerlich bereichert.

    Rechte Seite: Pushkar, die heilige Stadt fasziniert durch die gütige Hingabe ihrer Pilger. Jaipur, vor dem Hawa Mahal, dem bedeutenden «Palast der

    Winde», in dem einst Kurtisanen lebten, verkündet ein reitender Abgesandter die bevorstehende Vermählung eines vermögenden Paares.

    Insbesondere am Steuer des Motorrads verschlägt einem die Anfahrt auf die mittelalterliche Zitadelle von Kumbhalgarh, die aus einem kahlen Gebirge ragt, die Sprache.

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  • Dieses Bild eines Schweizer Bibers ist eine Solidaritäts-bekundung zu den derzeitigen Massnahmen von Pro Natura, BirdLife Schweiz und des WWF Schweiz. Sie lehnen die Revision des eidgenössischen Jagdgesetzes ab und weisen den Entwurf entschieden zurück, da er sich vermehrt auf das Erlegen der Tiere als auf die Belange der Natur konzen- triert und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Für diese Umweltorganisationen darf der gezielte Abschuss

    DER SCHUTZ SCHWEIZER ARTENvon Wölfen nur dann erfolgen, wenn die Tierpopulation in der Lage ist, sich selbst zu erhalten. Das Inkrafttreten der Revision würde es jedoch ermöglich