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Herausgeber: Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen Renaissance der Kommunalwirtschaft? Referate eines Symposiums des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und des Deutschen Städtetages am 6./7. November 2008 in Berlin Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft Heft 30

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Herausgeber: Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen

Renaissance der Kommunalwirtschaft?

Referate eines Symposiums des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und des Deutschen Städtetages am 6./7. November 2008 in Berlin

Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft Heft 30

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ISBN 3-928615-25-4 Die „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ wurden bisher herausgegeben von der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. (jetzt i.L.), Sponholzstraße 11, D-12159 Berlin, Telefon (030) 852 10 45, Telefax (030) 852 51 11, E-Mail [email protected], Internet www.bvoed.de Sie werden seit 2009 vom Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP e.V. (Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail wie oben) herausgegeben. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Druckerei H. Schlesener KG, Berlin Berlin 2009

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Renaissance der Kommunalwirtschaft? Referate eines Symposiums des Bundesverbandes Öffentliche Dienst-leistungen – Deutsche Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und des Deutschen Städtetages am 6./7. November 2008 in Berlin Inhalt Seite Referate im Plenum des Symposiums Europa kommunal Präsentation neuer Umfrageergebnisse zur Einstellung der Bevölkerung zur kommunalen Wirtschaft Herbert Müller 5

Mediale Einschätzung der Kommunalwirtschaft durch einen Fachjournalisten Wieland Kramer 11

Präferenzen der Bevölkerung für öffentliche Wirtschaft: Wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden Prof. Dr. Ludwig Theuvsen 18

Kommunen und kommunale Selbstverwaltung im Lichte des Reform-Vertrags von Lissabon Martin Ahbe 42

Gibt es objektive Gründe für eine Renaissance? Wilhelm Georg Hanss 54

Referate in den Workshops des Symposiums Workshop 1: Energiesektor

Verstärkte Einbindung von Kommunen in Infrastrukturen: Europäischer Trend oder belgische Ausnahme? Gert de Block 61

Wege aus der Energie- und Klimafalle?! Wolfgang Bühring 69

Europäische Rahmenbedingungen Herbert Reul 71

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Workshop 2: Abfall- und Abwassersektor

Kommunalisierung der Abfallwirtschaft im Rhein-Hunsrück-Kreis Thomas Lorenz 81

Wasserwirtschaft in kommunaler Hand muss wettbewerbsfähig sein Norbert Schmidt 90

Workshop 3: ÖPNV

Der neue rechtliche Ordnungsrahmen für den ÖPNV Reiner Metz 103

Kölner Verkehrs-Betriebe AG – Kommunaler Mobilitätsdienstleister für Köln Walter Reinarz 109

traffiQ auf dem Frankfurter Weg Hans-Jörg von Berlepsch 117

Workshop 4: Krankenhaussektor

Trägervielfalt unter Wettbewerbsbedingungen Georg Baum 129

Blickwinkel Krankenhaussektor Alfred Dänzer 132 Anhang

Chancen und Risiken der kommunalen Kliniken im Wettbewerb Manfred Greiner 142 Die Teilnehmer des Symposiums 147

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Herbert Müller* Europa kommunal Präsentation neuer Umfrageergebnisse zur Einstellung der Bevölkerung zur kommunalen Wirtschaft Die öffentlichen Versorgungsunternehmen genießen nach wie vor ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Wenn es um die Daseinsvorsorge geht, also um die Versorgung mit Wasser, Strom, Energie, Abfallent-sorgung und Öffentlichem Nahverkehr, dann vertraut weiterhin eine deutliche Mehrheit der Menschen auf öffentliche Unternehmen. Dies gilt sowohl für die allgemeine Frage, wer für die Versorgung mit diesen Gütern und Dienstleistungen zuständig sein soll als auch für die Entscheidung, wer den eigenen Haushalt versorgt. Dies ist das wesentliche Ergebnis einer repräsentativen dimap-Umfrage, die im September diesen Jahres unter der deutschen Bevölkerung im Auftrag des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP e.V. (BVÖD) durchgeführt wurde. Befragt wurden da-bei diejenigen Personen, die sich in den Privathaushalten mit den Fragen von Energie- und Wasserversorgung in erster Linie beschäftigen (sog. Entscheider). Die Aktivitäten der kommunalen Unternehmen sind von einer breiten Mehrheit akzeptiert: 70 % der Befragten finden es gut, dass die ganz oder teilweise den Gemeinden gehörenden Versorger mit ihren Ange-boten am Markt sind, nur 15 % sehen das negativ und 12 % ist es egal. 59 % aller Befragten meinen, die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser sowie die Abfallentsorgung sollte eher durch ein öffentliches Unternehmen erfolgen, 20 % glauben, dass dies eher durch private Unternehmen geschehen sollte. 16 % ist dies gleichgültig. In Ostdeutsch-land sind die öffentlichen Unternehmen besonders geschätzt: Hier bevor-zugen 65 % die Versorgung durch die kommunalen Versorger, im Wes-ten sind dies nur 58 %. * Herbert Müller ist Geschäftsführer von dimap consult.

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Vor allem, wenn es um die Versorgung mit Wasser und das Angebot des Öffentlichen Nahverkehrs geht, werden die kommunalen Unternehmen bevorzugt: 72 % bzw. 62 % der Befragten beziehen diese Leistungen lieber von einem öffentlichen Versorger. Aber auch bei der Abfall-versorgung (58 %), dem Strom (56 %) und der Belieferung mit Gas (55 %) liegen die kommunalen vor den privaten Unternehmen. Abbildung 1: Bevorzugte Versorgungsunternehmen

55%

56%

58%

62%

72%

20%

25%

22%

18%

12%

21%

17%

19%

17%

15%

Gas

Strom

Abfallentsorgung

Öffentlicher Nahverkehr

Wasser

öffentlichen Unternehmen privaten Unternehmen ist egal

Es beziehen lieber von ...

71 % der Befragten meinen sogar, die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser solle nur durch Unternehmen erfolgen, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind und öffentlich kontrolliert werden. 27 % sehen die Da-seinsvorsorge hingegen als normale Dienstleistung an, die auch von gewöhnlichen Privatunternehmen erbracht werden könnten. Der Aspekt der öffentlichen Kontrolle spielt dabei in der Wahrnehmung der Bevölkerung eine wesentliche Rolle. Drei Viertel der Befragten stimmen ganz oder eher der Ansicht zu, dass eine effektive staatliche Kontrolle der Versorgungsbetriebe der entscheidende Faktor bei der Organisation der Energieversorgung ist. Diese sieht man offensichtlich bei den öffentlichen Versorgern deutlich besser gewährleistet als bei den privaten. Die Motivation für diesen Wunsch nach staatlicher Aufsicht wird deutlich, wenn man nach Unterscheidungsmerkmalen zwischen öffentlichen und privaten Versorgern fragt.

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Wesentliche Unterschiede sieht eine Mehrheit der Befragten beim Ge-winnstreben, der Gemeinwohlorientierung, dem Preis-Leistungs-Ver-hältnis und der Flexibilität. Weniger Unterschiede werden hingegen bei der Kundenorientierung sowie bei Zuverlässigkeit und Qualität der Lie-ferung festgestellt. Abbildung 2: Unterschiede zwischen kommunalen und privaten

Versorgungsunternehmen

29%

36%

49%

54%

59%

59%

67%

62%

57%

42%

38%

29%

33%

26%

Qualität der Lieferung

Zuverlässigkeit der Lieferung

Kundenorientierung

Flexibilität

Preis�Leistungs�Verhältnis

Gemeinwohl�orientierung

Gewinnstreben

wesentliche Unterschiede keine wesentlichen Unterschiede

Es gibt bei ...

Eine wichtige Rolle spielt bei diesen Unterscheidungen, dass den öffentlichen Unternehmen auch Motivationen zugewiesen werden, die jenseits der betriebswirtschaftlichen Rentabilität liegen. Gemeinwohlorientierung auf der einen und Gewinnstreben auf der anderen Seite sind die zentralen Unterscheidungsmerkmale, die die Bevölkerung in Bezug auf öffentliche und kommunale Versorgungsunter-nehmen trifft: 33 % der Befragten meinen, öffentliche Unternehmen erkenne man an ihrer Ausrichtung an den Interessen der Allgemeinheit. Nur 9 % denken dies von privaten Unternehmen. Letztere erkennt man nach Meinung von 52 % der Befragten jedoch an ihrem Gewinnstreben, was nur 18 % von den öffentlichen Versorgern denken.

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Abbildung 3: Unterscheidungsmerkmale von öffentlichen und privaten Unternehmen

Man erkennt das Unternehmen an ...

Namensgebung 37 %

35 %

Rechtsform 35 %

33 %

Gemeinwohlorientierung 33 %

9 %

Eigentumsverhältnisse 25 %

25 %

Gewinnstreben 18 %

52 %

öffentliches Unternehmen privates Unternehmen

So erwarten 64 % der Befragten eher von einem öffentlichen Unter-nehmen, dass es sich bei seiner Arbeit am Gemeinwohl orientiert. Nur 8 % denken dies von einem privaten Unternehmen. Auch die Förderung der Region, umweltbewusstes Verhalten und langfristiges Wirtschaften erwarten deutlich mehr Befragte von den öffentlichen Versorgern als von den privaten. Aber auch was die konkrete Versorgungsleistung angeht, haben die öffentlichen Unternehmen aus Sicht von Mehrheiten der Befragten ihre Vorzüge. Dies betrifft neben der technischen Sicherheit auch die Zuver-lässigkeit der Lieferung. Sogar beim Preis-Leistungs-Verhältnis liegen die öffentlichen Versorger in der Wahrnehmung der Befragten vor den privaten Versorgern. Das hohe Ansehen und die weitgehende Zufriedenheit mit den öffentlichen Versorgungsunternehmen schlägt sich nicht zuletzt darin nieder, dass nur 15 % der Befragten angeben, in den letzten Jahren von einem öffentlichen zu einem privaten Strom- oder Gasanbieter ge-wechselt zu sein. Die jüngeren Verbraucher zeigen sich dabei allerdings etwas wechselbereiter als die älteren: Über 20 % der unter 35-jährigen sind in den letzten Jahren zu einem Privatunternehmen gewechselt.

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Abbildung 4: Erwartungen an öffentliche und private Unternehmen

17%

10%

21%

26%

33%

37%

45%

47%

50%

59%

64%

49%

64%

40%

32%

19%

23%

21%

8%

10%

10%

8%

29%

23%

34%

40%

44%

33%

27%

39%

37%

22%

22%

Flexibilität

Gewinnstreben

Kundenorientierung

Leistungsfähigkeit

Zuverlässigkeit

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Langfristiges Wirtschaften

Umweltbewusstes Verhalten

Sicherheit

Förderung der Region

Gemeinwohlorientierung

öffentliches Unternehmen privates Unternehmen von beiden

Es erwarten eher von ...

Auschlaggebend war für 78 % der Wechsler ausschließlich der Preis. Lediglich 19 % der Wechsler hatten auch andere Gründe, wobei das Angebot an erneuerbaren Energien eine herausgehobene Rolle spielt. Die deutliche Mehrheit von 72 % der Befragten, die keinen Wechsel des Strom- oder Gasanbieters vorgenommen haben, wurde nach den Grün-den für ihren Verbleib beim kommunalen Versorgungsunternehmen gefragt. Jeweils über 40 % dieser Befragten gaben an, der Preisunter-schied sei zu gering oder es gebe keine attraktive Alternative vor Ort. Je-weils über ein Drittel verweisen auf die Zuverlässigkeit der Lieferung durch die öffentlichen Unternehmen, ihre bewährten Sicherheits-standards und ungenügende Vergleichsmöglichkeiten. Der zeitliche Aufwand für den Wechsel ist für 31 % ein Faktor, damit verbundene Kosten nur für 16 %.

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Abbildung 5: Gründe für den Verzicht auf einen Anbieterwechsel

Es nennen ...

zu geringer Preisunterschied 43 %

keine attraktive Alternative 42 %

garantierte Zuverlässig- keit der Lieferung 38 %

ungenügende Vergleichsmöglichkeiten 36 %

bewährte Sicherheitsstandards 34 %

hoher zeitlicher Aufwand 31 %

Kosten für Wechsel 16 %

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Kommunale Wirtschaft aus der Sicht eines Journalisten Wieland Kramer* Mediale Einschätzung der Kommunalwirtschaft durch einen Fachjournalisten Der Titel meines Vortrages Mediale Einschätzung der Kommunalwirt-schaft durch einen Fachjournalisten kommt ein wenig schwerfällig daher. Ich hätte es besser formulieren können und sollen, zum Beispiel: Kom-munale Wirtschaft und Medien – ein distanziertes Verhältnis oder Medien meiden Kommunales oder vielleicht sogar Das Kreuz mit den(m) Kommunalen. Doch der gewählte etwas behäbige und ein wenig um-ständliche Titel hat etwas Symptomatisches und spiegelt etwas vom gegenwärtigen Selbstverständnis des Erkenntnisobjektes – der kommu-nalen Wirtschaft – wider. Im völligen Kontrast dazu steht die Medienwelt: Es ist für den Erfolg im Medienwettbewerb von größter Bedeutung, ob jemand bunt und laut oder grau und unauffällig daherkommt. Der Gegensatz ist diametral und kennzeichnend für die gegenwärtige Kommunikationsflaute zwischen kommunal-wissenschaftlicher und medialer Welt. Keine Zweifel, von außen betrachtet, braucht die kommunale Wirtschaft mehr Farbe. Ich meine das nicht im Sinne von Schwarz, Rot oder Grün, sondern im Sinne von Lebendigkeit und Ausstrahlungskraft. Erlauben Sie mir einen Kalauer als neuen thematischen Anlauf: Kommt der Stadtwerke-Geschäftsführer Peter S. über den Marktplatz. Sagt der Unternehmer Werner D. zu seiner Frau: Da kommt der S. von der Stadt-verwaltung. – Sie fragen jetzt, wo ist die Pointe? Bitteschön: D. und S. kennen und schätzen sich seit 37 Jahren. Was sagt uns das: Das eigenständige, differenziert wahrgenommene Profil kommunaler Unternehmen ist in weiten Teilen der Bevölkerung, ja sogar bei langjährigen Kunden und Partner noch immer schlecht ent-wickelt. Da Journalisten auch zur Gattung Mensch gerechnet werden, spiegelt sich dieses Phänomen unmittelbar in den Medien wieder. Profi-lierung und klare Abgrenzung tut Not, zur Verwaltung ebenso wie zu anderen Formen wirtschaftlicher Betätigung.

* Wieland Kramer ist freier Journalist u.a. Süddeutsche Zeitung.

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Ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben: Mal soeben im vorbeigehen haben wir gleich zwei Merkmale kommunalwirtschaftlicher Wahrneh-mung, nämlich geringe Dynamik und ein diffuses Profil, isoliert. Jede dieser Eigenschaften für sich allein löst bei vielen Journalisten professio-nelles Fluchtverhalten aus. Meine Damen und Herren, ich bin vom Veranstalter nicht eingeladen worden, um Witze zu Ihren Lasten zu reißen. Das wäre auch mein Schaden. In meinen mittlerweile 25 Berufsjahren habe ich den Journa-lismus von vielen Seiten gesehen und betrieben. Auch aus kommunal-wirtschaftlicher Sicht: Vier Jahre beim früheren Bundesverband der deutschen Gas und Wasserwirtschaft, BGW, fünf Jahre bei den Stadt-werken Düsseldorf. Das prägt, ja das schafft sogar einen kleinen, erstaunlich resistenten und manchmal sogar renitenten kommunalwirtschaftlichen Winkel im Herzen. Es gibt nicht viele kommunalwirtschaftlich interessierte Journalisten in unserem Lande. Ich wette, viele Kollegen haben noch niemals das Wort Kommunalwirtschaft geschrieben oder bekommen beim Begriff „Da-seinsvorsorge“ eine Schreibhemmung. Überzeugte Fürsprecher kommu-nalwirtschaftlicher Anliegen dürften Exoten sein. Die Zeiten für kommu-nalwirtschaftliche Probleme und Botschaften in unseren Medien sind schlecht. Nachdem ich die Ergebnisse der dimap-Umfrage1 durchgearbeitet hatte, waren mir Zweifel gekommen, ob mein Vortrag überhaupt Sinn macht. Ich freue mich mit Ihnen über die überaus positiven Ergebnisse dieser aktuellen Umfrage. Doch eines dürfen Sie nicht übersehen, aktuell abgefragte Einstellungen sind eine Momentaufnahme und eine Basis für die weitere Arbeit, sie sind beileibe kein Ruhekissen. Bei Journalisten ruft Sozialempirie ambivalente Reaktionen hervor. Einerseits bieten sie Fakten und kein Geschwafel, andererseits erblicken die Daten erfah-rungsgemäß nur dann das Licht der Öffentlichkeit, wenn sie dem Inter-esse des Auftraggebers zumindest nicht widersprechen. Die dimap-Untersuchung sagt meines Erachtens: Kein Grund zu Panik und Schwarzseherei, aber Handlungsbedarf bleibt bestehen. Hand-lungsbedarf, so sehe ich es, auch bei der kommunikativen Handlungs-notwendigkeit. Ich habe Ihnen dazu drei Lösungsansätze mitgebracht: Vorher aber noch eine systematische Klarstellung und eine kleine Ein-führung in den Journalismus von heute.

1 Siehe Beitrag von Herrn Müller, S. 5 bis 10 in diesem Heft.

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Ich halte es für wichtig, eine saubere systematische Trennung zwischen kommunalen Unternehmen einerseits und der kommunalen Wirtschaft als eigenständige Form wirtschaftlicher Betätigung zu ziehen. Zweifellos vollzieht und realisiert sich kommunalwirtschaftliches Handeln in kom-munalen Unternehmen. Doch kommunale Unternehmen sind umgekehrt nicht immer die Umsetzung der reinen kommunalwirtschaftlichen Lehre. Ich möchte im Nachfolgenden von der unternehmensunabhängigen Wirtschaftform sprechen. Wir führen also eine wirtschaftstheoretische Debatte, ohne den Blick auf die realwirtschaftliche Situation zu verlieren. Die Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechtes in Nordrhein-West-falen offenbarte im vergangenen Jahr aufs Deutlichste, wie schwer es ist, eine tiefe kommunalwirtschaftliche Debatte zu führen. Das mediale Interesse zündete, nach erheblichem Ressourceneinsatz von Spitzen-vertretern und Medienexperten auf kommunaler Seite letztlich nur an zwei Punkten: Den Arbeitsplätzen und dem Massenaufmarsch der Beschäftigten. Eine breite Auseinandersetzung über die Möglichkeiten kommunaler Wirtschaft, über ihre Stärken und Schwächen entstand nicht, konnte vielleicht auch gar nicht entstehen. NRW ist das Bundes-land mit den meisten Stadtwerken und paradoxerweise mit dem schwie-rigsten politischen Umfeld für die kommunale Wirtschaft. Es ist jedenfalls eine schlechte Ausgangsbasis für erfolgreiche Medienarbeit, wenn es im Rahmen der verschärften Unterlassungsklausel heißt, kommunale Unternehmen dürfen nur tätig werden, wo Private es nicht besser machen können. Aus der Defensive heraus gewinnt man keine Schlachten. NRW zeigt aber auch: Es ist unerlässlich kommunalwirtschaftliche Anlie-gen nicht nur in hektischen Krisenzeiten zu artikulieren, sondern sie planmäßig und kontinuierlich zu platzieren. Ich komme jetzt zu einem sehr aktuellen Vorfall, dem ich als Journalist meine Zustimmung versagen muss und stehe der anschließenden Kritik gerne zur Verfügung. Ich halte es für falsch, wenn die kommunale Wirt-schaft die Teilhabe an Konjunkturprogrammen erbittet. Ich bin sogar eher vom Gegenteil überzeugt. Hinter dem rhetorischen Gepolter unse-res Bundeswirtschaftsministers über die hohen Energiepreise stecken ein paar gute Gedanken. Wenn die Energiewirtschaft jetzt eine markt-orientierte und verantwortungsvolle Preispolitik betreibt, kann das kon-junkturstützend wirken. Über das Ausmaß kann man streiten. Aber das Ansehen der kommunalen Wirtschaft würde durch eine solche Politik massiv gewinnen. Ich glaube sogar, dass zusätzliche Investitionen für viele kommunale Unternehmen aus dem eigenen Cash flow möglich sind und gewinnbringend genutzt werden können. Jetzt kann die kommunale Wirtschaft zeigen, was sie kann, wo ihre Stärken und Vorteile liegen. Bitte ringen Sie sich durch und fallen Sie nicht in das konjunkturelle

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Klagelied ein. Kunden werden es Ihnen danken, Geschäftspartner wer-den jubeln – aber Sie müssen von denen ein klares kommunalwirtschaft-liches Bekenntnis einfordern. Auf einem ganz anderen Blatt, nämlich auf dem des Klimaschutzes und der Wettbewerbsgerechtigkeit stehen gesetzliche Regelung wie das KWK-Gesetz oder das EEG. Zweiter Exkurs: Der Journalismus von heute. Wenn Sie morgens Ihre Zeitung aufschlagen, ärgern Sie sich zwar hin und wieder, dass das, was Sie interessiert oder erwartet haben, nicht oder nicht ausführlich genug im Blatt steht. Aber grundsätzlich unterstellen Sie, dass Ihre Zeitung relativ objektiv und umfassend das Geschehen im Land, der Welt und ihrer Stadt, in Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur abbildet. Das ist ein Irrtum! Ein fiktives und überspitztes Beispiel: Der VKU ver-schickt auf elektronischem Wege eine Pressenotiz, an der sich Fach- und Führungsleute die Finger spitz geschrieben haben. Der Präsident wurde aus einer Sitzung geholt und um Zustimmung gebeten, der Hauptgeschäftsführer hat drei Minuten vor Aussendung noch eine gute Idee, die unbedingt aufgenommen werden muss. Dann geht das Ding endlich raus und landet beim sogenannten Desk. Das ist eine Art Wareneingangskontrolle bei den Zeitungen und Medien. Vor fünf Jahren konnte man noch den jeweiligen Journalisten direkt anschreiben, faxen oder mailen. Das ist Schnee von gestern. Am Desk sitzen zwischen zwei und zehn nervenstarke Jungredakteure, die maximal eine Pressemittei-lung von zehn in die Ressorts weitergeben. Der Rest geht flüchtig ange-lesen in den elektronischen oder realen Papierkorb. DAX-Unternehmen haben gute Chancen durchzukommen, Verbraucherschützer und Katas-trophen auch. Wichtig ist, dass die Meldungen zu den aktuellen Tages-themen thematisch und zeitlich passen. Außenseiter oder Spätkommer haben wenig Chancen. Hat sich eine Meldung erfolgreich durch-gekämpft, ist sie noch lange nicht im Blatt. Jetzt ist sie gänzlich in den Händen des zuständigen Redakteurs. Mag der den Absender? Schafft er es überhaupt, das Thema in der Redaktionskonferenz durchzubringen? Selbst wenn alles glatt geht, kann es sich die Meldung nicht auf der geplanten Seite bequem machen. Bis zum Druck droht die Eliminierung und der Ersatz durch noch Wichtigeres, noch Aktuelleres. Der Medien-Darwinismus ist weitaus brutaler als der in der Biologie. Was soll uns das sagen: Die Vielfalt unseres politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens hat es immer schwerer, durch den Flaschenhals „Medien“ zu kommen. Ein Gutteil der Verantwortung tragen die Informa-tionsgeber selbst. Vieles bliebe bei kritischer Selbstprüfung besser ungeschrieben und ließe Platz für anderes. Aber auch die Medien tragen zur thematischen Selbstaustrocknung bei. Unter dem Druck, keinen Abonnenten und Anzeigenkunden zu verlieren, laufen Sie den vermeint-

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lichen Leserwünschen oft soweit vorweg, dass sich der geneigte und umworbene Leser nur wundern kann. Jetzt aber endlich zu den angekündigten Lösungsansätzen: Ansatz 1: Kommunikative Leuchttürme! Wo sind Sie die Leuchttürme der kommunalen Wirtschaft, vergleichbar mit den Unternehmen des DAX, den Global Players oder zumindest den „Hidden Champions“, an denen Wirtschaftsjournalisten unsere Arbeit ausrichten? In Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln, Mannheim, Dresden – wohl kaum. München? Ja, vielleicht. Dann kommt die große Masse von rund 1000 Unternehmen, eins genauso grau wie das andere aus der fernen medialen Betrachtung. In den Metropolen haben sich die Spartenunternehmen früh aufgemacht, den kommunalwirtschaftlichen Mantel abzustreifen. In Berlin, Hamburg und Düsseldorf ist offen oder verdeckt das bekannte Vierer-Oligopol am Werke. Köln, Hannover und einige andere entwickeln den kommunalen Kern zu bedeutenden Regionalkonzernen weiter, Mannheim lässt sich vom Schein der Börse bestrahlen. Das alles ist einzeln betrachtet über-wiegend vernünftig. Aber das Bild einer homogenen Wirtschaftsform zer-fließt zusehends. Es gab eine Zeit, da haben Werkleiter, Geschäftsführer und Vorstände ernsthaft Zeit und Geld verbraucht, um den Namensbestanteil Stadt-werke zu tilgen. Einigen ist das sogar gelungen. Manche haben ihr Kommunalwirtschaftliches Ethos gleich mit an den Nagel gehängt. Die-ser fatale Trend ist jedenfalls gestoppt. Ansatz 2: Es fehlen die Emotionen! „Die europäischen Unternehmen mit Tätigkeiten von besonderem öffent-lichen Interesse haben sich heute im Berliner Rathaus Schöneberg ....“ – glauben Sie mir, mit einer solchen Meldung verdient sich ein Journalist weder beim Chefredakteur noch bei den Lesern Meriten. Vertreter und Repräsentanten der kommunalen Wirtschaft in Deutschland sind keine Obamas. Doch ich empfehle Ihnen dringend, die aktuellen politischen Rahmenbedingungen - die Schlagworte lauten: Finanz- und Konjunktur-krise, Wahlen in Berlin, Brüssel und vielen Kommunen - zu nutzen. Und zwar emotionaler, härter und entschlossener. Nutzen Sie den parla-

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mentarisch-politischen Raum, aber auch die neuen medialen Politikpor-tale, die die Plasbergs, Wills und Maischbergers auch Ihnen öffnen. Ansatz 3: Wo sind Credos? Jetzt mal was aus der Praxis: Am 20. November 1992, also in grauer Vorzeit, versaute die Besatzung eines städtischen Kanalreinigungsfahr-zeugs mir und meinen Kollegen bei den Stadtwerken Düsseldorf sowie etwa 450 Bürgern die vorweihnachtliche Stimmung – und zwar im Wort-sinne. Bei der Aufnahme von Frischwasser gab es einen Steuerungs-fehler und statt Frischwasser in den Tank förderte die Pumpe des Fahr-zeugs mit kräftigem Druck einige Kubikmeter Fäkalwasser ins Trinkwas-sernetz. Unmittelbar betroffen waren mehrere Damen und Herren, die wenige Meter vom Hydranten in ihren Wohnungen unter der Dusche standen, mittelbar betroffen waren 450 Menschen, darunter die Bewoh-ner eines Altenheims und mehrere Arztpraxen. Erst am 22. Dezember gab der leitende Amtsarzt die Trinkwasserversorgung wieder frei, nach Hunderten von mikrobiologischen Proben, deren Durchführung die Laborkapazitäten von halb Nordrhein-Westfalen blockierten. In diesen vier Wochen baute sich stufenartig eine für mich vorher völlig unbe-kannte psychologische Belastung bei den betroffenen Menschen auf. Ohne Wasser kein Leben – dieser Spruch wurde fast zynisch wahr. Seit-dem wissen 450 Menschen in Düsseldorf was es heißt, wenn Sie davon sprechen, dass kommunale Unternehmen wichtige Lebensgrundlagen sichern. Doch was machen wir mit den restlichen 80 Millionen in Deutschland? Im August jeden Jahres für eine Woche das Wasser abstellen? Heilig-abend ohne Gas? Silvester ohne Strom? Das kann man am Stammtisch diskutieren, aber nicht wirklich tun. Die Schock-Therapie scheidet also aus. Was bleibt, um kommunalwirtschaftliche Prinzipien, Leistungen und Vorteile dauerhaft und nachhaltig bei den Menschen zu implementieren – Journalisten inklusive? Es läuft derzeit in rund 100 Städten und Gemeinden die Stadtwerke-Dachmarkenkampagne des VKU. Die Argumentationsmuster sind ein-fach und verständlich, deshalb eingängig und erfolgreich. Jetzt sollte eine Kampagne draufgesetzt werden, die die Wirtschaftsform „Kommu-nal“ thematisiert, die alle kommunalwirtschaftlichen Handlungsfelder abdeckt und die wirtschafttheoretischen Grundlagen genauso einfach und leicht rüberbringt wie die aktuelle Stadtwerke-Kampagne. Wenn Sie derzeit die notwendigen Euro dafür nicht in der Vereinskasse haben, tut es vielleicht auch ein Flyer, eine gute Internetseite oder Symposien wie dieses. Hauptsache es tut sich was, mit der eingangs geforderten Far-bigkeit.

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Der Appell zum Handeln muss aber untermauert sein durch feste Grundlagen. Meine Damen und Herren, die Kommunalwirtschaft steckt aus meiner Sicht in einem tiefen Dilemma, das ich Ihnen an folgendem Bild verdeutlichen möchte Energie, Gesundheit, Entsorgung und Verkehr, diese zentralen Säulen der kommunalen Wirtschaft in Deutschland haben gemeinsame Grund-züge, die sie horizontal betrachtet übergreifend einen. Ich betone bei-spielhaft: Alle Bereiche sollen kommunale Lebensqualität schaffen – Gesunde, frohe und zufriedene Menschen. Stadtwerke-Geschäftsführer, Klinik-Chefs, Bäderleiter und Entsorger können sich und ihre Unternehmen an dieser horizontal übergreifenden kommunalwirtschaftlichen Leitidee ausrichten. Nur leider steht jeder von Ihnen auch und tagtäglich in vertikalen, spar-tenbezogenen Systemzwängen: die Marktöffnung bei der Energie, die Gesundheitspolitik beim Krankenhaus, der Ärger mit der privaten Ent-sorgungswirtschaft oder der teuren Technik im Verkehr. Jeder von Ihnen kann sich seine persönlichen Systemzwänge ganz individuell zusam-menstellen, Probleme gibt es genug. Das Entscheidende an meinem Bild von horizontalen Gemeinsamkeiten und vertikalen Zwängen sind die Schnittmengen, die Orte, an denen Sie den Kurs bestimmen. Richten Sie sich eher horizontal oder eher vertikal aus? Betonen Sie in Ihrer Geschäftspolitik, die Gemeinsamkeiten mit Ihren kommunalen Geschwistern und Vettern oder brauchen Sie Ihre ganze Energie, um sich im vertikalen Systemzwang einigermaßen zu behaupten? Mein Fazit: Reflexion, Formulierung und Ausleben ganz spezifischer kommunalwirtschaftlicher Leitideen bleiben zunehmend auf der Strecke. Allenfalls wenn Markt und Politik den Druck weiter erhöhen wollen, erfolgt ein Aufschrei und wird bemängelt, dass die Medien nicht mit in den Klagechor einstimmen. So geht dass nicht, wir Journalisten wollen wissen, wem wir das Ohr und die Feder leihen. Das geht nicht, wenn wir nur dann gerufen werden, wenn Not am Mann ist. Stärken Sie zunächst ihre Argumente und wo es nötig ist auch Ihre Überzeugungen. Feilen Sie am individuellen kommunalwirtschaftlichen Profil und gehen sie dann in die Offensive. Denn die Renaissance der kommunalen Wirtschaft muss bei den Medien noch kräftig gefördert werden.

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Ludwig Theuvsen* Präferenzen der Bevölkerung für öffentliche Wirtschaft: Wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden I. Einleitung Welche Tätigkeiten unter dem Begriff der öffentlichen Aufgaben zu sub-sumieren und damit dem Bestand der von den Trägern öffentlicher Gewalt unmittelbar zu erfüllenden oder unter deren Aufsicht und Verant-wortung zu erfüllenden Aufgaben1 zuzurechnen sind, ist umstritten. Schuppert hat vor dem Hintergrund der intensiv geführten Diskussionen drei Wege unterschieden, die zur Bestimmung öffentlicher Aufgaben beschritten werden können: empirische Beobachtung, analytische Erklä-rung und normative Begründung.2 Durch empirische Beobachtung erhält bei enger Begriffsauslegung den Rang einer öffentlichen Aufgabe .., was im laufenden Haushaltsjahr Per-sonaleinsatz, finanziellen Aufwand oder die Nutzung von Liegenschaften der öffentlichen Verwaltung erfordert3. Öffentliche Aufgaben sind nach dieser Lesart diejenigen Tätigkeiten, welche faktisch von öffentlichen Unternehmen und Verwaltungen wahrgenommen werden. Nach Auffas-sung anderer Autoren ist es dagegen zweckmäßiger, nicht die Träger-schaft, sondern die Zwecksetzung einer Aufgabe, ihre Gemeinwohl-orientierung, zum entscheidenden Abgrenzungsmerkmal zu erheben. Als öffentlich sind demnach jene Aufgaben zu kennzeichnen, die in den Zuständigkeitsbereich der öffentlichen Hand fallen, auch wenn diese sich für die Durchführung der Aufgaben privater Wirtschaftssubjekte bedient.4 Analytische Ansätze bestimmen auf theoretischer Grundlage die für das Funktionieren des Wirtschafts- und Sozialsystems notwendigerweise zentral und deshalb vornehmlich öffentlich wahrzunehmenden Aufgaben. Während die Minimalisten5 dem Staat im Wesentlichen nur Aufgaben im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit sowie bei der Bereitstellung einiger weniger öffentlicher Güter, die die wirtschaftlichen Aktivitäten * Prof. Dr. Ludwig Theuvsen ist Lehrstuhlinhaber am Department für Agrarökonomie und Rurale

Entwicklung der Universität Göttingen und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des BVÖD. 1 Püttner (2003), S. 739. 2 Schuppert (1981). 3 Frentz (1990), S. 25. 4 Schuppert (1981); Greiling (1996). 5 Gretschmann (1991), S. 49.

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schützen sowie soziale und ökonomische Konflikte verhindern, zugeste-hen wollen, werden bei weniger restriktiver Auslegung dem Staat u.a. auch Aufgaben im Bereich der Besteuerung (bzw. Förderung) von Akti-vitäten, die negative (bzw. positive) externe Effekte verursachen, der natürlichen Monopole sowie der Redistribution von Einkommen zuge-standen.6 Normative Begründungen legen den legitimen Aufgabenbereich der öffentlichen Hand unter Orientierung an (ordnungs-)politischen Vorstel-lungen oder rechtlichen Rahmenbedingungen fest. Die dominierende ordnungspolitische Konzeption ist ein zentrales gesellschaftliches Kon-fliktfeld, das dem Einfluss nicht zuletzt von Parteien, Regierungen und Interessenverbänden unterworfen ist.7 Während Liberale Mehr Kapitalis-mus wagen!8 und damit mutmaßlich auch für weniger staatliches Engagement eintreten wollen, werden am linken Rand des politischen Spektrums eine Legitimationskrise der Privatisierung und die Rückkehr der öffentlichen Sphäre beschworen9. Der Bestand an öffentlichen Auf-gaben wird daher stets maßgeblich von den bestimmenden gesellschaft-lichen Strömungen und Kräfteverhältnissen determiniert, so dass sowohl im internationalen Vergleich, etwa zwischen angelsächsischen und kon-tinentaleuropäischen Ländern, als auch im Zeitablauf erhebliche Unter-schiede bei der Abgrenzung öffentlicher Aufgaben erkennbar werden. Rechtliche Argumente schließlich stellen u.a. auf die sog. Kompetenz-Kompetenz des Staates ab, nach der er nicht nur seinen Tätigkeits-bereich grundsätzlich selbst definieren,10 sondern auch die Trägerschaft regeln, beispielsweise Gemeinden zur Erfüllung weisungsgebundener Pflichtaufgaben zwingen kann.11 Ungeachtet der verschiedenen Abgrenzungsbemühungen muss der Bestand an öffentlichen Aufgaben als prinzipiell offen und nur unzuläng-lich präzisierbar betrachtet werden. Er wird durch politische Entschei-dungen bestimmt, die in Selbstverpflichtungen der öffentlichen Hand münden, die Erfüllung bestimmter Aufgaben zu gewährleisten.12 Die in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise schlagartig gewachsene Bereitschaft, staatliche Beteiligungen an (mehr oder minder systemrele-vanten) Banken, u.U. aber auch weiteren Unternehmen einzugehen,

6 Gretschmann (1991). 7 Ambrosius (1984). 8 Merz (2008). 9 Candeias u.a. (2008). 10 Storr (2001). 11 Kanitz (1994). 12 Oettle (1999).

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unterstreicht die starke situative Bedingtheit der Definition öffentlicher Aufgaben. Seit den 1980er Jahren unterlag die Erfüllung öffentlicher Aufgaben star-ken Veränderungen. Mehr und mehr war im Zuge dieser Entwicklung die Vorstellung vom ‚produzierenden Staat’ … dem Bild eines im Grundsatz wettbewerblich ausgerichteten ‚Gewährleistungsstaates’ gewichen13, der sich bei der Finanzierung und Durchführung öffentlicher Aufgaben eines vielgestaltigen Bündels institutioneller Arrangements zwischen öffent-licher und privater Trägerschaft bedient14 und sich in Einzelfällen sogar partiell aus der Gewährleistungsverantwortung zurückzieht.15 Vor dem Hintergrund dieser über einen längeren Zeitraum zu beobach-tenden Entwicklung hat die im Januar 2008 noch vor Ausbruch der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise im Auftrag des Verbands kommu-naler Unternehmen (VKU) durchgeführte Haushaltskundenbefragung bemerkenswerte Ergebnisse erbracht. So assoziiert eine deutliche Mehrheit der 1.005 Befragten mit den Stadtwerken die Dienstleistungen der Strom- (85 %) und der Gasversorgung (60 %); immerhin 41 % den-ken an die Wasserversorgung. Zudem befürworten es 73 % der Befrag-ten, dass die Grundversorgung, etwa im Trinkwasserbereich, von kom-munalen Unternehmen garantiert wird. 58 % ziehen eine Versorgung durch Stadtwerke der Versorgung durch private Unternehmen vor, die nur von 11 % präferiert werden. 83 % der befragten Kunden sind mit ihren Stadtwerken zufrieden oder sogar sehr zufrieden; 62 % sehen Stadtwerke als attraktiven Arbeitgeber in der Region. Jeweils mehr als zwei Drittel der Befragten stufen ihre Stadtwerke als wichtigen regiona-len Wirtschaftsfaktor, bürgernah, kunden- und umweltorientiert sowie wirtschaftlich erfolgreich ein. 82 % sehen in Stadtwerken ein wichtiges Korrektiv im Wettbewerb.16 Die repräsentative Haushaltskundenbefra-gung des BVÖD zur Renaissance der Stadtwerke vom September 2008 bestätigt diese Ergebnisse.17 So geben beispielsweise 59 % der Befrag-ten an, dass die Versorgung mit Energie, Wasser, Abfallentsorgung und öffentlichem Nahverkehr durch öffentliche Unternehmen erfolgen soll, während nur 20 % private Anbieter bevorzugen.18 Die Ergebnisse der VKU-Haushaltskundenbefragungen werfen im Verein mit einigen anderen Ereignissen, beispielsweise der gescheiterten Teil- 13 Wissenschaftlicher Beirat der GÖW (2003). 14 Z.B. Reichard (1996); Theuvsen (2001). 15 Theuvsen (2007) u. (2008). 16 Dimap/VKU (2008). 17 Dimap/BVÖD (2008). 18 Müller (2008).

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privatisierung der Deutsche Bahn AG oder der durch ein Bürgerbegeh-ren gestoppten Teilveräußerung der Stadtwerke Leipzig,19 einige inter-essante Fragen auf, die im Rahmen dieses Beitrags diskutiert werden sollen: � Handelt es sich bei den Befragungsergebnissen des VKU um singu-

läre Resultate, oder gibt es weitere empirische Befunde, die auf starke Präferenzen der Bürger für öffentliche Aufgabenerfüllung hin-deuten (Kapitel II)?

� Welche Gründe für die geäußerten Präferenzen werden sichtbar (Kapitel III)?

� Wie bedeutsam sind die Präferenzen der (Stadtwerke-)Kunden bzw. Bürger im Hinblick auf ihr tatsächliches Verhalten, z.B. bei der Wahl eines Anbieters (Kapitel IV)?

� Welche Schlussfolgerungen für das Management öffentlicher Unter-nehmen und die weitere Forschung lassen sich aus den Überlegun-gen ziehen (Kapitel V)?

II. Präferenzen der Bevölkerung für öffentliche Wirtschaft:

Weitere empirische Befunde Insgesamt wird ein Mangel an wissenschaftlichen Studien zu den Präfe-renzen von Bürgern für öffentliche Wirtschaft beklagt.20 Gleichwohl sind im Laufe der Zeit über die VKU-Haushaltskundenbefragungen hinaus im In- und Ausland immer wieder Studien zu den Einstellungen der Bevöl-kerung zur öffentlichen Wirtschaft bzw. zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen publiziert worden, aus denen im Folgenden einige zentrale Ergebnisse präsentiert werden sollen. Nicht berücksichtigt werden dabei Untersuchungen, die sich auf die Umstrukturierung der mittel- und ost-europäischen Wirtschaft und die damit einhergehenden umfassenden Privatisierungsprozesse in früheren Zentralverwaltungswirtschaften be-ziehen.21 Ein detailliertes Bild von den Einstellungen und Präferenzen der Bürger vermitteln die repräsentativen Forsa-Befragungen im Auftrag des Deut-schen Beamtenbundes.22 2007 wurden 2.008 Bürger (davon 1.045 Beschäftigte im öffentlichen Dienst), 2008 sogar 3.112 Bürger (davon 1.031 Angehörige des öffentlichen Dienstes) telefonisch befragt. Es 19 Lenk/Rottmann (2007). 20 Durant/Legge (2002). 21 Z.B. Hudeckova/Lostak (1992). 22 Forsa/dbb (2007) u. (2008).

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zeigte sich, dass 70 % (2007: 66 %) der Befragten der Aussage zustim-men, dass in einer globalisierten Gesellschaft ein starker Staat erforder-lich ist, der die Bürger schützt. Die Werte liegen bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes, in Ostdeutschland sowie bei Anhängern von CDU/CSU, SPD sowie der Linken über dem Durchschnitt. Obwohl rund zwei Drittel aller Befragten über zu viel staatliche Bürokratie in Deutsch-land klagen, hat eine umfassende Privatisierung nur wenige Fürspre-cher. Insbesondere in Bereichen, die der Hoheitsverwaltung zuzurech-nen oder mit der Produktion von Gütern mit ausgeprägten Vertrauens-eigenschaften (etwa schulische Bildung) befasst sind, wird eine starke Präferenz für den öffentlichen Dienst erkennbar; ein etwas gemischteres Bild ergibt sich im Hinblick auf die Abfallbeseitigung, die Arbeitsvermitt-lung, die Energieversorgung, den öffentlichen Personennahverkehr so-wie Theater und Museen (Tabelle 1). Ausschlaggebend für die skeptische Einstellung zu (weiteren) Privatisie-rungen könnte sein, dass Qualitätsverbesserungen von einer klaren Mehrheit der Befragten lediglich bei Paketdiensten und in der Telekom-munikation, niedrigere Kosten sogar nur im Telekommunikationsbereich wahrgenommen werden. Zudem meinen mehr als 80 % der Befragten, dass privatisierte Unternehmen nur an hohen Gewinnen interessiert seien, sich jedoch nicht um die Interessen der Menschen und deren Ver-sorgung kümmerten. Rund die Hälfte der Befragten lehnt daher weitere Privatisierungen ab; ein Viertel (2007: 19 %) tritt sogar für die Wieder-verstaatlichung privatisierter Dienstleistungen ein.23 Auch eine Emnid-Umfrage im Auftrag der Wochenzeitung DIE ZEIT im Jahr 2007 offenbarte die Sehnsucht vieler Bürger nach einem starken Staat. So sprechen sich 71 % der CDU/CSU-, 72 % der SPD- und 76 % der Linke-Wähler gegen Bahn und – überraschenderweise – Telekom in Privatbesitz aus. Weitere Befragungsergebnisse lassen vermuten, dass der Staat in Zeiten tiefer Verunsicherung vieler Bürger als Stabilitäts-anker und Garant für soziale Gerechtigkeit wahrgenommen wird.24 Die Sichtweise der Bürger findet ihre Entsprechung in Auffassungen von Kommunalpolitikern, die die entscheidenden Vorteile kommunaler Unter-nehmen in der Orientierung am Gemeinwohl und den Bedürfnissen der Bürgerschaft, ihrem Beitrag zur Mehrung kommunalen Vermögens sowie der Kontrolle durch demokratisch legitimierte Organe vor Ort erkennen. Es ist daher nicht überraschend, dass zwischen 2001 und 2005 die Zahl der kommunalen Unternehmen in Deutschland um 11 % von 11.204 auf 12.432 zugenommen hat. Namentlich im Entsorgungsbereich wird inzwi- 23 Forsa/dbb (2007) u. (2008). 24 Emnid/ZEIT (2007).

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schen von einem Trend zur Rekommunalisierung gesprochen, der sich u.a. in zuletzt wieder steigenden Marktanteilen öffentlicher Unternehmen niederschlägt.25 Tabelle 1: Präferenzen für öffentliche und private Dienstleistungs-

erstellung in Deutschland

Die Aufgaben bzw. Dienstleistungen

sollten unbedingt im öffentlichen

Dienst bleiben

könnten ebenso gut von

Privatfirmen erledigt werden

Sollten unbedingt privatisiert

werden

2007 %

2008 %

2007 %

2008 %

2007 %

2008 %

Polizei 97 96 2 3 0 0

Gerichtswesen 96 95 2 3 0 1

Strafvollzug 92 91 6 6 1 1

Finanzverwaltung 85 84 11 12 2 3

Feuerwehr 83 83 14 14 2 2

Schulen 76 78 20 17 3 4

Rentenversicherung 70 71 19 18 10 9

Hochschulen 66 69 27 24 5 4

Krankenhäuser 61 63 31 29 7 6

Müllentsorgung 41 46 44 40 14 13

Arbeitsämter 40 46 41 37 16 15

Energieversorgung 40 47 41 35 18 16

öffentlicher Nahverkehr 39 46 44 40 16 12

Theater, Museen 33 33 51 50 14 15

Quelle: Forsa/dbb 2008, S. 43. Interessanterweise kommen im Ausland durchgeführte empirische Stu-dien zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Thompson und Elling26 haben die Präferenzen von 1.507 Bewohnern des US-Bundesstaates Michigan zur 25 Schäfer (2008). 26 Thompson/Elling (2000).

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Privatisierung sowie zur Erledigung von Aufgaben durch öffentliche, For-Profit- und (private) Nonprofit-Dienstleister ermittelt. Sie stützen sich dabei auf Befragungsergebnisse, die im Jahr 1996 im Rahmen des Michigan Public Policy Survey gesammelt wurden. Für insgesamt 14 Dienstleistungen wurden die Bürger befragt, welchen Aufgabenträger sie bevorzugen würden. Bei den in der Befragung berücksichtigten Auf-gaben handelte es sich um: Polizei, Betrieb von Hochsicherheitsgefäng-nissen sowie einfachen Gefängnissen, die Durchsetzung von Baugeset-zen, Feuerwehr, Notarzt, psychiatrische Behandlungen, Schulen, Flug-häfen, Bau und Unterhaltung von Fernstraßen, Straßenreinigung und Schneeräumen, Müllabfuhr, Hausmeistertätigkeiten in öffentlichen Gebäuden sowie Büroarbeiten in öffentlichen Verwaltungen. Tabelle 2 zeigt, inwieweit die Befragten öffentliche, For-Profit- oder private Non-profit-Dienstleister bevorzugen. Grundsätzlich wird eine relativ starke Präferenz für die öffentliche Hand als Aufgabenträger sichtbar. Gleich-zeitig werden jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den verschiede-nen Dienstleistungen deutlich; insgesamt die stärksten Präferenzen für öffentliche Dienstleister bestehen – ähnlich wie in Deutschland – im Bereich der Hoheitsverwaltung sowie der Produktion von Vertrauens-gütern. Nonprofit-Organisationen werden nur in ihren angestammten Tätigkeitsbereichen – Gesundheit, Pflege, Schulen – in nennenswertem Umfang erwähnt. For-Profit-Dienstleister werden mehrheitlich nur im Falle der Abfallentsorgung und der Hausmeisterdienste genannt; mehr als 40 % der Befragten bevorzugen darüber hinaus private Straßenreini-gungsdienste und Bürokräfte in öffentlichen Verwaltungen. In einer weiteren Frage wurde deutlich, dass 15,6 % der Befragten bei keiner der genannten Dienstleistungen eine Privatisierung wünschen, während umgekehrt nur 0,4 % der Befragten ausschließlich Privat-anbieter präferieren. Mehr als drei Viertel der Befragten plädieren für die Privatisierung von maximal fünf der in der Untersuchung berücksichtig-ten Aufgaben. Als klare Privatisierungsbefürworter, die sechs oder mehr der genannten Dienstleistungen privatisieren würden, gaben sich nur ein knappes Viertel der Befragten zu erkennen.27 Die Befunde von Thompson und Elling bestätigen frühere Untersuchun-gen in den USA, in denen ebenfalls überraschend starke Sympathien für die öffentliche Wirtschaft geäußert wurden. So wurde in einer Befragung durch das Pew Research Center for the People and the Press deutlich, dass die befragten U.S.-Amerikaner bei Aufgaben wie Umweltschutz, Gesundheitswesen, Altenpflege, Schulen und gesundheitlichem Ver-

27 Thompson/Elling (2000).

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braucherschutz die Hauptverantwortung beim Staat, in keinem Fall jedoch bei privaten Unternehmen sehen.28 Tabelle 2: Präferenzen für öffentliche und private Dienstleister in

Michigan Anteil der Befragten, die zustimmen, dass bestimmte

Aufgaben erfüllt werden sollten durch ... öffentliche

Hand (%) private Unter- nehmen (%)

private NPOs (%)

Betrieb von Hochsicher- heitsgefängnissen 84,7 10,2 5,1

Durchsetzung von Bauvorschriften 83,0 8,2 8,8

Polizei 80,5 8,9 10,6

Autobahnbau/-unterhaltung 77,3 18,3 4,4

Gefängnisse 76,8 15,3 7,9

Feuerwehr 68,7 12,6 18,7

Psychiatrie 63,8 14,1 22,1

Schulen 63,5 18,3 18,2

Flughafenbetrieb 58,6 35,0 6,4

Straßenreinigung 49,4 42,1 8,5

Büroarbeit in öffentlichen Verwaltungen 47,0 45,3 7,7

Notfallmedizin 45,0 34,5 20,5

Hausmeisterdienste in öffentlichen Gebäuden 33,9 56,7 9,5

Abfallentsorgung 30,2 61,1 8,7

Nach Thompson und Elling 2000, S. 341.

III. Gründe für die Bevorzugung öffentlicher Wirtschaft In den vorliegenden empirischen Studien sind teilweise auch die Gründe für die geäußerten Präferenzen für bzw. gegen Privatisierungen erhoben worden; dabei werden interessante Einflussgrößen deutlich. Sehr auf-schlussreich ist in diesem Zusammenhang der Beitrag von Durant und 28 Pew Research Center for the People and the Press (1998).

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Legge, der sich auf eine Datenerhebung bei 4.078 französischen Bür-gern im Alter ab 18 Jahren, die im Jahr 1995 als Wahlberechtigte regis-triert waren, stützt.29 Deutlich werden erhebliche Präferenzunterschiede bei erwachsenen Franzosen im Hinblick auf die Privatisierung öffent-licher Unternehmen. Den Autoren gelingt es, mit Hilfe einer Regres-sionsanalyse fünf Faktoren mit statistisch signifikantem Einfluss auf die Einstellung zu Privatisierungen zu identifizieren. In der Reihenfolge ihrer Bedeutung sind dies: die Selbsteinschätzung der Befragten im Links-Rechts-Spektrum, die Einstellung zu Märkten und Gewinnen als Aus-druck der persönlichen Werthaltung, die Orientierung an der Einschät-zung von Privatisierungen durch politische Führungspersönlichkeiten, die Einstellungen der Befragten zu erfolgreichen Marktwirtschaften, etwa der US-amerikanischen und der deutschen Wirtschaft, sowie eigennutz-orientierte Überlegungen, näherungsweise abgebildet durch den Ausbil-dungsstand der Befragten und eine eventuelle Tätigkeit im Staatsdienst. Deutlich wurde, dass Personen eher Privatisierungen unterstützen, wenn sie nicht extremen Positionen am linken oder rechten Rand des politi-schen Spektrums zuneigen, Märkten und Gewinnen positiv gegen-überstehen, Politiker, die sich als Privatisierungsgegner positioniert haben, eher skeptisch sehen, positive Einstellungen zu den USA und Deutschland haben, über einen hohen Ausbildungsstand verfügen und einer Tätigkeit in der Privatwirtschaft nachgehen. Auch Thompson und Elling haben sich mit der Frage auseinander-gesetzt, welche Beweggründe hinter der überraschend starken Präfe-renz der Bürger Michigans für staatliche Dienstleistungen stecken.30 Sie konnten zeigen, dass viele der befragten Bürger von der Beauftragung privater For-Profit-Unternehmen zwar Serviceverbesserungen, mehr Kundennähe und geringere Kosten erwarten, gleichzeitig jedoch auch kritische Aspekte wie einen Rückgang der Beschäftigung, eine Schwä-chung der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst sowie ein erhöhtes Korruptionsrisiko sehen. Letztere Aspekte scheinen schwer zu wiegen, da die durchaus positiven Erwartungen, die viele Befragte mit einer Pri-vatisierung verbinden, von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht ihren Niederschlag in den geäußerten Präferenzen für die Privatisierung von Dienstleistungen finden. Die Analysen zeigen des Weiteren, dass – in abnehmender Stärke des Einflusses – parteipolitische Präferenzen, die Einkommenshöhe und ethnische Gesichtspunkte signifikant positive Wir-kungen auf die Zahl der Dienstleistungen haben, die die Befragten gerne privatisiert sehen würden. So präferieren weiße Wähler der Republikaner mit überdurchschnittlichem Einkommen deutlich häufiger als andere 29 Durant/Legge (2002). 30 Thompson/Elling (2000).

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Bevölkerungsgruppen umfangreiche Privatisierungen. In früheren Stu-dien wurde bereits deutlich, dass viele US-Amerikaner öffentlichen An-bietern Qualitätsvorteile gegenüber privaten Dienstleistern attestieren.31 Aufschlussreich für die Erwartungen der Bürger an öffentliche Unter-nehmen ist auch eine in Großbritannien zwischen Januar und Mai 2008 durchgeführte Studie, die qualitative Erhebungen im Rahmen von sechs mit insgesamt 126 Teilnehmern durchgeführten Workshops und eine Befragung von 4.577 Personen umfasste.32 Gegenstand der Unter-suchung war das sog. „public service broadcasting“ (PSB), d.h. Rund-funk- und Fernsehsendungen, die nicht unter kommerziellen Gesichts-punkten, sondern mit Blick auf das öffentliche Interesse gestaltet wer-den. Die Workshop-Teilnehmer verbanden vor allem Nachrichten-, Dokumentations- und Bildungssendungen mit PSB. Obwohl in Großbri-tannien alle Sender in gewissem Umfang zu PSB verpflichtet sind, wird von der staatlichen BBC deutlich stärker als von privaten Sendern erwartet, diese qualitativ hochwertigere Form des Fernsehens anzubie-ten, u.a., weil die Befragten darin eine Gegenleistung für die von ihnen gezahlten Fernsehgebühren sehen. Der Einfluss der jeweiligen politischen Orientierung auf die Einstellungen der Bürger zu Privatisierungen, wie er sowohl bei Durant und Legge33 als auch bei Thompson und Elling34 bereits sichtbar wurde, zeigte sich auch in Befragungen in Deutschland. So offenbarte die Emnid-Umfrage im Auftrag der ZEIT, dass die Anhänger der beiden Volksparteien wie auch der Linken überdurchschnittlich starke Präferenzen für Bahn und Tele-kom in Staatsbesitz haben, während sich bei Wählern der Grünen und der FDP Privatisierungsgegner und -befürworter in etwa die Waage halten (Tabelle 3). In der Tendenz ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch in der Forsa/dbb-Umfrage auf die Frage, ob der Markt alles richten werde oder ob ein starker Staat erforderlich sei, der die Bürger vor aus-ufernden Entwicklungen schützen könne. Hier sprachen sich zwar alle Befragten unabhängig von der politischen Couleur mehrheitlich für einen starken Staat aus, doch war die Präferenz für einen starken Staat bei FDP-Anhängern deutlich und bei Grünenwählern etwas schwächer aus-geprägt als bei den übrigen Befragten.35

31 Poister/Henry (1994). 32 Human Capital (2008). 33 Durant/Legge (2002). 34 Thompson/Elling (2000). 35 Forsa/dbb (2008).

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Tabelle 3: Parteipolitische Präferenzen und Einstellungen zu Privatisie-rungen

Sollten Unternehmen wie Bahn und Telekom sowie die Energieversorger in Staats- oder in Privatbesitz sein?

Privatbesitz (%) Staatsbesitz (%) Alle Befragten 27 67 SPD 25 72 CDU / CSU 26 71 Bündnis 90 / Die Grünen 48 46 FDP 43 57 Die Linke 20 76

Quelle: Emnid/ZEIT 2007.

Am Beispiel des finnischen Gesundheitswesens konnte Vuori36 (n = 2.799) die bereits in der Studie von Durant und Legge37 aufscheinende erhebliche Bedeutung eigennutzorientierter Motive für die Einstellungen zu öffentlicher bzw. privater Aufgabenerfüllung aufzeigen. So sehen 53 % der im öffentlichen Dienst sowie 52 % der bei privaten Nonprofit-Organisationen Beschäftigten die Hauptverantwortung für die Gesund-heitsversorgung beim Staat, während die in der Privatwirtschaft beschäf-tigten Personen zu 60 % öffentliche und private Organisationen für in gleichem Maße verantwortlich halten. Auch in der Forsa-Befragung im Auftrag des Beamtenbundes äußerten die Beschäftigten im öffentlichen Dienst die geringste Zustimmung zu dem Statement, dass der Markt alles richten werde, und die stärkste Zustimmung zu der Notwendigkeit eines starken Staates, der die Bürger schützen kann.38 Diese Aussage lässt sich gemeinwohlorientiert, jedoch auch im Sinne persönlicher Betroffenheit von Privatisierungen lesen. Verallgemeinert man die vorgestellten empirischen Befunde, so lässt sich konstatieren, dass es sich bei der geäußerten relativ starken Präfe-renz für öffentliche Aufgabenerfüllung offenbar um einen über die Zeit und verschiedene Kulturen – ausgeprägt individualistisch in Nordame-rika, eher gemäßigt individualistisch in Kontinentaleuropa –39 vergleichs-weise stabilen Befund handelt. Auch die von den befragten Bürgern geäußerten Gründe für oder gegen Privatisierungen lassen zahlreiche Gemeinsamkeiten erkennen; Bildung, Einkommen, parteipolitische Prä-ferenzen sowie persönliche Betroffenheit scheinen durchweg einen Ein-

36 Vuori (2006). 37 Durant/Legge (2002). 38 Forsa/dbb (2008). 39 Hofstede/Hofstede (2006).

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fluss auf die Einstellungen der Bürger zu öffentlicher Wirtschaft zu haben. Trotz dieser auf den ersten Blick überzeugenden Befundlage muss der Stand des Wissens über die Präferenzen der Bürger für öffentliche Wirt-schaft insgesamt als unbefriedigend eingeschätzt werden; vor allem ist noch weitgehend unbekannt, aus welchen Quellen sich die in Befragun-gen geäußerten Einstellungen zu Privatisierungen bzw. öffentlicher Wirt-schaft tatsächlich im Einzelnen speisen.40 Exemplarisch sei auf den Bei-trag von Durant und Legge verwiesen.41 Die dort mittels einer Regres-sionsanalyse identifizierten fünf Determinanten der Präferenzen für Pri-vatisierung – Selbsteinschätzung im Links-Rechts-Spektrum, Einstellung zu Märkten und Gewinnen, Orientierung an politischen Führungspersön-lichkeiten, Einstellungen zu erfolgreichen Marktwirtschaften sowie eigen-nutzorientierte Überlegungen – erklären zusammen nur knapp 24 % der beobachteten Varianz; dementsprechend gering ist auch der Beitrag jeder einzelnen unabhängigen Variable zur Erklärung der festgestellten Präferenzunterschiede. Noch schlechter sieht es in der Studie von Thompson und Elling aus; auch ihnen gelingt es nicht, eine dominante Einflussgröße zu identifizieren.42 Das korrigierte R2 der Regressionsglei-chung zur Erklärung der Zahl der Dienstleistungen, deren Privatisierung die Befragten bevorzugen, beträgt sogar nur 0,06. Selbst in den Sozial-wissenschaften, in denen oft schon Werte ab 0,2 als zufriedenstellend betrachtet werden, muss dieser Wert als völlig indiskutabel gelten. Die relativ schlechten Gütemaße deuten darauf hin, dass es zahlreiche wei-tere, bisher nicht identifizierte Determinanten der Bürgerpräferenzen gibt. Ein Grund könnte sein, dass in die Umfragen häufig Variablen einbezo-gen werden, die – wie z.B. die parteipolitischen Präferenz – selbst einem breiten Spektrum von Einflüssen unterliegen und nur als Stellvertreter-größen für die eigentlich erklärenden Variablen wie Einkommen und Bil-dung betrachtet werden können. Ähnliches dürfte für Unterschiede im Antwortverhalten gelten, die zwischen Selbstständigen einerseits sowie den übrigen Berufsgruppen andererseits beobachtet wurden.43 Ein weiteres Problem der überwiegend explorativ angelegten empi-rischen Studien ist, dass die Kausalitäten vielfach unklar sind: Determi-niert beispielsweise die Präferenz für eine bestimmte Partei die Einstel-lungen zu öffentlicher Wirtschaft, oder ist es umgekehrt? Orientieren sich Bürger bei ihren Einstellungen zur Privatisierung an politischen Füh-

40 Vuori u.a. (2007). 41 Durant/Legge (2002). 42 Thompson/Elling (2000). 43 Forsa/dbb (2008).

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rungspersönlichkeiten, wie es Durant und Legge nahelegen,44 oder füh-ren bestimmte Einstellungen zu öffentlicher Aufgabenerledigung dazu, dass bevorzugt die Aussagen derjenigen Politiker, die mit der eigenen Position übereinstimmen, wahrgenommen werden? Die Theorie der kognitiven Dissonanz beispielsweise legt die letztgenannte Interpretation nahe, geht sie doch davon aus, dass Menschen dissonante Kognitionen möglichst vermeiden und daher vermehrt jene Informationen wahrneh-men, die mit ihren eigenen Auffassungen in Einklang stehen.45 Die Präferenz für Privatisierungen wäre dann nicht mehr die abhängige, sondern die unabhängige Variable, die das Informationsverhalten von Individuen und damit die Aufmerksamkeit, die sie den Aussagen bestimmter Politiker schenken, beeinflusst. Die genannten Probleme sind Ausdruck theoretischer und methodischer Defizite der bisherigen Arbeiten. Wege zur Behebung dieser Defizite könnte u.a. die Einstellungsforschung weisen. Folgt man Meffert, Bur-mann und Kirchgeorg, so sind Einstellungen innere Bereitschaften .. eines Individuums, auf bestimmte Stimuli der Umwelt konsistent positiv oder negativ zu reagieren.46 Für Analysezwecke hat Triandis die Unter-scheidung einer kognitiven, einer affektiven und einer konativen Kompo-nente von Einstellungen vorgeschlagen.47 Die kognitive Komponente bezieht sich auf das (subjektive) Wissen, die Meinungen, Informationen und Argumente über ein Objekt, in diesem Fall private und öffentliche Leistungsanbieter. Die affektive Komponente erfasst dagegen die emo-tionale Einstellung zur öffentlichen und privaten Wirtschaft. Die konative bzw. verhaltensbezogene Komponente tritt hinzu, wenn ein Individuum ausgehend von der kognitiven und der affektiven Komponente eine Handlungsabsicht ausbildet, z.B. die Möglichkeit eines Anbieterwechsels ins Auge fasst. Ansatzpunkte für eine vertiefte Betrachtung der Einstellungen von Bür-gern zu öffentlicher Wirtschaft aus der Perspektive der Einstellungsfor-schung werden in den vorliegenden Studien in mehrfacher Hinsicht erkennbar. So wird die kognitive Komponente von Einstellungen sicht-bar, wenn Bürger öffentliche und private Leistungsanbieter unter Gesichtspunkten wie Kosten, Qualität, Zuverlässigkeit, Bürgernähe oder Kunden- und Umweltorientierung miteinander vergleichen.48 Darüber hinaus werden aber auch gefühlsmäßige, affektive Einstellungen deut-lich. Dies ist etwa der Fall, wenn Organisationen in unterschiedlicher 44 Durant/Legge (2002). 45 Festinger (1957). 46 Meffert u.a. (2008), S. 121. 47 Triandis (1971). 48 Dimap/VKU (2008); Forsa/dbb (2007) u. (2008); Poister/Henry (1994).

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Trägerschaft in Kategorien wie Gerechtigkeit49, Gemeinwohl- versus Gewinnorientierung50 oder (Un-)Gleichbehandlung beurteilt oder unter dem Gesichtspunkt des Schutzes, den sie gegen die als bedrohlich empfundenen Kräfte der Globalisierung bieten51, betrachtet werden. Die Einstellungsforschung würde Möglichkeiten für eine vertiefte Analyse der verbreiteten Präferenz der Bürger für öffentliche Wirtschaft bieten. Dies gilt zum einen in konzeptioneller Hinsicht, da die Einstellungsfor-schung u.a. nach der Einstellungsstruktur und -intensität, den Einstel-lungsfunktionen, dem Erwerb von Einstellungen, etwa im Rahmen von Lernprozessen, der Einstellungsänderung oder auch dem Zusammen-hang von Einstellung und Verhalten fragt.52 Zum anderen würden sich auch in methodischer Hinsicht neue Möglichkeiten ergeben, da in der Einstellungsforschung ein breites Repertoire an qualitativen und quanti-tativen Methoden zur Einstellungsmessung entwickelt worden ist.53 IV. Präferenzen für öffentliche Wirtschaft und Verhalten Für die öffentliche Wirtschaft ist in hohem Maße relevant, inwieweit Ein-stellungen bzw. Präferenzen das tatsächliche Verhalten der Bürger, z.B. das Anbieterwahlverhalten von Haushaltskunden oder ihre Zahlungs-bereitschaft, bestimmen. In der wissenschaftlichen Literatur werden Einstellungen vielfach als Bestimmungsgrößen des Handelns von Individuen betrachtet. Bereits in der Unterscheidung verschiedener Komponenten von Einstellungen durch Triandis54 ist dies angelegt, da sich die kognitive und die affektive Komponente in Verhaltensabsichten niederschlagen können (konative Komponente). Auch in der Theory of Reasoned Action und der Theory of Planned Behavior werden Einstellungen als eine zentrale Einflussgröße auf Verhaltensabsichten, die ihrerseits das Verhalten von Individuen determinieren, betrachtet. Beide Theorien unterstellen damit, dass Men-schen entsprechend ihrer Einstellungen handeln und sich bei Kenntnis der Einstellungen einer Person ihr späteres Verhalten besser prognosti-zieren lässt.55

49 Erdmeier (1998). 50 Schäfer (2008). 51 Forsa/dbb (2008). 52 Bohner (2002). 53 Bortz/Döring (2006). 54 Triandis (1971). 55 Ajzen/Fishbein (1980), S. 5 ff.; Ajzen (1991).

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In beiden Theorien sind die Einstellungen allerdings nicht die einzige verhaltensbestimmende Einflussgröße. In der Theory of Reasoned Action tritt zusätzlich die subjektive Norm, in der Theory of Planned Behavior des Weiteren die wahrgenommene Verhaltenskontrolle hinzu. Die subjektive Norm bringt zum Ausdruck, wie die jeweils betrachtete Person den sozialen Druck, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen oder nicht zu zeigen, wahrnimmt. Dabei ist sowohl von Belang, wie die beob-achtete Person die Meinung Dritter einschätzt, als auch, wie hoch die Motivation ist, dieser Meinung gerecht zu werden.56 Die wahrgenom-mene Verhaltenskontrolle wiederum erfasst, als wie leicht bzw. schwierig die Ausführung einer bestimmten Handlung durch die handelnde Person empfunden wird. Die Variable spiegelt sowohl Einschätzungen des Indi-viduums hinsichtlich kontrollrelevanter interner Faktoren (z.B. Mangel an Fähigkeiten) als auch externer Variablen (beispielsweise fehlende finan-zielle Ressourcen oder andere Hindernisse) wider. Verhalten wird damit nicht als ausschließlich unter willentlicher Kontrolle stehend und damit von den Einstellungen des handelnden Individuums abhängig, sondern auch als durch weitere interne und externe Faktoren determiniert betrachtet.57 Die Einschätzung von Einstellungen als einer unter mehreren verhal-tensbestimmenden Einflussgrößen ist auch im Marketing verbreitet. Das Stimulus-Organismus-Response-(S-O-R-)Modell beispielsweise nimmt an, dass Einstellungen, aber auch eine größere Zahl weiterer Lernkon-strukte wie Emotionen, Risikoneigung, Kenntnisse, Involvement und Zufriedenheit Bestimmungsgrößen des Kaufverhaltens sind. Die Ein-stellungen sowie die anderen im S-O-R-Modell berücksichtigten latenten Konstrukte wiederum unterliegen selbst dem Einfluss von Inputvariablen wie Produktqualität, Preis und Informationen.58 Aus positiven Einstellungen der Bürger zu öffentlicher Wirtschaft kann daher auch eine entsprechende Anbieterwahl resultieren, doch muss dies nicht der Fall sein. Ist ein Bürger z.B. mit einem privaten Anbieter zufrieden, ist ein öffentlicher Anbieter vor Ort z.B. als Folge einer mate-riellen Privatisierung nicht verfügbar oder unterliegt der Kunde engen Budgetrestriktionen, so ist es möglich, dass er auch entgegen seiner Einstellung einen privaten Anbieter wählt bzw. nicht zu einem öffent-lichen Anbieter zurückwechselt. Positive Einstellungen der Bürger eröff-nen öffentlichen Unternehmen und Verwaltungen somit Chancen, die es erst noch zu nutzen gilt. 56 Ajzen (1979), S. 174 ff.; Ajzen (1989), S. 251. 57 Jonas/Doll (1996). 58 Houston/Rothschild (1978); Bodenstein/Spiller (1998).

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Neben dem Verhalten bei der Anbieterwahl ist aus Sicht öffentlicher Leistungsanbieter insbesondere auch die Preisbereitschaft der Bürger von Interesse. Mit Preis- oder Zahlungsbereitschaft wird im Marketing der maximale Preis bezeichnet, den ein Kunde zu zahlen bereit ist; die-ser Preis wird auch Reservationspreis genannt.59 In der Ressourcenöko-nomie sind Zahlungsbereitschaftsanalysen in jüngerer Zeit zudem ver-stärkt zur Bewertung nicht-marktfähiger Güter, etwa des Arten- oder Habitatschutzes, eingesetzt worden.60 Zahlungsbereitschaftsanalysen können in direkter oder indirekter Form durchgeführt werden. Bei direk-ten Verfahren würde man Kunden bzw. Bürger beispielsweise unmittel-bar danach fragen, wie viel sie für die Erlangung einer bestimmten Leis-tung oder eines bestimmten Nutzens zu zahlen bereit sind (Willingness-to-Pay-Methode).61 Indirekte Verfahren versuchen demgegenüber, vorliegende (Markt-)Informationen zur Abschätzung von Zahlungsbereit-schaften zu nutzen, z.B. durch Ermittlung ggf. existierender Preisunter-schiede zwischen öffentlichen und privaten Anbietern. Die Kenntnis darüber, wie viel Bürger ggf. bereit sind, (mehr) für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen durch öffentliche Anbieter zu zahlen, wäre sowohl für die Entscheidungsträger in öffentlichen Unter-nehmen und Verwaltungen als auch für Politiker, die über Privatisierun-gen (oder Rekommunalisierungen) zu entscheiden haben, von erheb-lichem Interesse. Gegenwärtig liegen entsprechende Untersuchungen jedoch kaum vor. Eine der ganz wenigen Studien zu dieser Frage stammt von Vuori, Kingsley und Savolainen, die die Präferenzen wie auch die Zahlungsbereitschaft finnischer Bürger für eine öffentliche und eine private Gesundheitsversorgung analysiert haben.62 Die Ergebnisse sind aus Sicht öffentlicher Leistungsanbieter ernüchternd: Zwar zeigen die Bürger insgesamt eine starke Präferenz für eine öffentliche Gesund-heitsversorgung, doch ist die Bereitschaft der Befragten, für die Behandlung durch einen im öffentlichen Dienst angestellten Arzt zu zahlen, recht gering. Mehr als 60 % der Befragten sind nach dieser Untersuchung nicht bereit, mehr als 20 € zu zahlen, um die Behandlung durch einen privaten Arzt zu vermeiden (Tabelle 4).

59 Koschate (2003), S. 39. 60 Marggraf et al. (2005); Liebe (2007). 61 Meffert/Bruhn (2006), S. 329. 62 Vuori u.a. (2007).

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Öffentlicher Arzt

Privater Arzt

0 > 20 > 40 > 60 >100 > 180 Gesamt

2007 ,4%

1.44853,6%

77428,7%

1997,4%

261,0%

532 ,0%

2 .701100%

80 3%

58922,1%

55420,8%

1274,8%

1224,6%

803 %

2 .669100%

Tabelle 4: Zahlungsbereitschaft finnischer Bürger für öffentliche und private Gesundheitsversorgung

Nach Vuori, Kingsley und Savolainen 2007. Als weiteres Zwischenfazit kann somit festgehalten werden, dass mit Blick auf die Bedeutung der Präferenzen der Bürger für öffentliche Wirt-schaft für ihr tatsächliches Handeln eine erhebliche Forschungslücke sichtbar wird. Angesichts der schon geringen Kenntnisse über die Präfe-renzstrukturen und die Gründe für die beobachtete Einstellung zu öffent-licher Wirtschaft ist dies nicht überraschend. Geschlossen werden kann die Forschungslücke nur durch den Einsatz komplexerer Methoden; die bislang vorrangig eingesetzten Umfragen stoßen bei der Suche nach den Ursachen und den Auswirkungen bestimmter Einstellungen schnell an ihre Grenzen. V. Schlussfolgerungen für das Management öffentlicher Anbieter

und die weitere Forschung Aus den vorgestellten Untersuchungsergebnissen zu den Präferenzen der Bürger für öffentliche Wirtschaft ergeben sich interessante Implika-tionen für das Management öffentlicher Unternehmen und Verwaltungen. Am offensichtlichsten sind die Auswirkungen auf die Außendarstellung. Wenn Bürger öffentliche Unternehmen für die aus ihrer Sicht in aller Regel preisgünstigere und qualitativ bessere Alternative halten, dann sollten öffentliche Anbieter die darin sichtbar werdende kognitive Ein-stellungskomponente auch adressieren. Kosten-, Qualitäts- und andere aus Bürgersicht relevante Vorteile öffentlicher Leistungsanbieter sollten dokumentiert und in Werbung und Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wer-den. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Rechnungslegung für diesen Zweck schon immer ausreichend leistungsfähig ist oder ob sie – etwa im Sinne einer gesellschaftsbezogenen Rechnungslegung63 –weiterentwickelt werden muss. 63 Schauer (2007); Mühlenkamp (2007) sowie bereits Eichhorn (1974).

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Darüber hinaus deuten die vorliegenden empirischen Befunde auch auf die Relevanz der affektiven Komponente hin. Einstellungen zu öffent-licher Wirtschaft haben – dies ist bislang kaum beachtet worden – eine emotionale Seite und spiegeln die Gefühle der Bürger wider. Hierin liegt vor allem für Stadtwerke und andere öffentliche Unternehmen mit star-kem lokalem Bezug eine besondere Chance, da sie u.a. als gemein-wohlorientiert und vor Ort tätig wahrgenommen werden, während die Veräußerung öffentlicher Unternehmen an private, oft multinationale (Groß-)Unternehmen die Globalisierungsängste der Bürger schürt. Im Sinne eines Emotionsmanagements müssen öffentliche Anbieter ein Gespür für die Bedürfnisse, Ängste, Sehnsüchte, Sorgen usw. ihrer aktuellen und potentiellen Kunden entwickeln und die entsprechenden Emotionen bedienen, beispielsweise durch Vermittlung eines besonde-ren Gefühls der Sicherheit. Die Sparkassen haben dies bereits erkannt und sehen sich als beständigen Faktor gegen die Globalisierungsängste ihrer privaten und gewerblichen mittelständischen Kunden.64 Darüber hinaus müssen die unter emotionalen Gesichtspunkten relevanten Eigenschaften öffentlicher Anbieter für die Bürger erlebbar gemacht wer-den. Ein Tag der offenen Tür oder die konsequente Förderung lokaler Vereine und Initiativen sowie die umfassende Kommunikation entspre-chender Maßnahmen sind dann mehr als nur eine nette Geste oder das übliche Sponsoring, sondern können als Teil eines umfassenden Managements der Einstellungen der Bürger zu öffentlicher Wirtschaft betrachtet werden. Voreilig wäre es jedoch, wenn öffentliche Leistungsanbieter aus positi-ven Einstellungen der Bürger zu ihren Organisationen den Schluss zie-hen würden, dass sie gegenüber privaten Anbietern automatisch einen Wettbewerbsvorteil im Sinne z.B. einer stärkeren Kundenbindung oder einer höheren Zahlungsbereitschaft der Bürger für die angebotenen Dienstleistungen hätten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Einstel-lungen zu bzw. Präferenzen für öffentliche Anbieter nur eine Determi-nante des Verhaltens der Bürger sind – und nicht immer muss es sich im Einzelfall um die wichtigste Einflussgröße handeln. Positive Einstellun-gen zu öffentlicher Wirtschaft eröffnen öffentlichen Unternehmen und Verwaltungen Chancen, die sie ergreifen müssen, nicht zuletzt durch attraktive Angebote für die Bürger und ein professionelles, kundenorien-tiertes Management. Aus Sicht öffentlicher Leistungsanbieter ist es darüber hinaus sinnvoll, die Umsetzung der beobachteten Bürgerpräferenzen in entsprechende politische Beschlüsse zu unterstützen. Repräsentative Demokratien wer- 64 Schubert (2009).

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den in (polit-)ökonomischen Arbeiten heute oftmals als mehrstufige Prin-zipal-Agenten-Beziehungen modelliert. In Wahlen treffen die Bürger nach dieser Vorstellung als oberste Prinzipale eines Gemeinwesens eine Auswahl zwischen alternativen Agenten und delegieren an diese die Ausführung der jeweils präferierten Politik. Die Politik delegiert ihrerseits Teile der ihr übertragenen Aufgaben an öffentliche Unternehmen und Verwaltungen.65 Die Existenz von Zieldivergenzen und Informations-asymmetrien gehört zu den grundlegenden Annahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie.66 Es ist daher nicht selbstverständlich, dass politische Entscheidungsträger stets richtig über die Präferenzen der Bürger infor-miert sind oder sich immer im Sinne dieser Präferenzen verhalten wol-len. Für öffentliche Unternehmen und Verwaltungen ist es vor diesem Hintergrund sinnvoll, durch Kommunikationsmaßnahmen eventuell bestehende Informationsdefizite der Politik abzubauen und auf diese Weise dazu beizutragen, dass Bürgerpräferenzen auch in entspre-chende politische Programme und Beschlüsse umgemünzt werden. Schließlich ist es im Sinne der Beeinflussung sowohl von Einstellungen als auch von politischen Entscheidungen für öffentliche Anbieter sinnvoll, sich aktiv am öffentlichen Diskurs über die Zukunft der öffentlichen Wirt-schaft zu beteiligen. Im öffentlichen, überwiegend über die Massen-medien ausgetragenen Diskurs werden Wirklichkeitsdefinitionen und Problemdeutungen sozial verfügbar und lassen sich interaktiv aushan-deln; als einmal objektivierte Sinnstrukturen orientieren sie sowohl Wahrnehmungs- als auch Entscheidungs- und Handlungsprozesse und können somit soziale Geltungskraft erlangen.67 Der öffentliche Diskurs hat Einfluss auf die Meinungsbildung aller Beteiligten, da er ein wichtiges Forum für den Informations- und Meinungsaustausch sowie die Artikula-tion von Ansprüchen und Kritik bildet. Eine aktive Diskursteilnahme durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit bietet die Möglichkeit, Einfluss auf den für die öffentliche Wirtschaft relevanten Meinungsbildungspro-zess zu nehmen. Die Diskursteilnahme ist besonders dann wichtig, wenn sich öffentliche Anbieter aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen in schwierigem Fahrwasser befinden, da eine Krise Bedingungen schaffen kann, die die Transformation von Diskursen, z.B. in Richtung Privatisie-rung, bewirken können.68 Die Darstellung des Stands der Forschung hat die Notwendigkeit ver-stärkter Forschungsanstrengungen deutlich werden lassen. So ist der

65 Theuvsen (2001), S. 256 ff. 66 Eisenhardt (1989). 67 Berger/Luckmann (1993). 68 Habermas (1995).

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Einsatz eines deutlich breiteren Spektrums qualitativer und quantitativer Methoden beispielsweise aus dem Bereich der Einstellungsforschung erforderlich, um die tieferen Gründe für die in Umfragen geäußerten Präferenzen besser zu verstehen. Auch die Wirkungen der Präferenzen, z.B. auf das Anbieterwahlverhalten oder die Zahlungsbereitschaft, ver-dienen eine vertiefte Untersuchung, etwa unter Nutzung fortgeschrittener Methoden der Marktforschung wie der Conjoint- oder der Discrete-Choice-Analyse. Schließlich verspricht eine Diskursanalyse tiefer-gehende Einsichten in (Veränderungen der) Wahrnehmungsmuster und Problemdeutungen in Bezug auf öffentliche Unternehmen. Für diesen Zweck eignet sich vor allem eine Medienanalyse, da Massenmedien ein breites Publikum erreichen und vielfältige Teil-Diskurse in sich vereinen. Sie werden zudem stark von Entscheidungsträgern, die in besonderem Maße auf die Legitimierung ihrer Handlungen angewiesen sind, bei-spielsweise Politiker, beachtet. Durchgesetzt hat sich in Medienanalysen die Auswertung von Qualitätszeitungen, da diese Publikationsorgane von wichtigen Entscheidungsträgern besonders stark rezipiert werden. Ana-lysiert werden können im Rahmen von Medienanalysen u.a. die Akteure und ihr Standing im Diskurs sowie die von ihnen repräsentierten Positio-nen und verwendeten Deutungsmuster (Frames).69 Insgesamt erweist sich – dies haben die Ausführungen deutlich gemacht – die Analyse der Präferenzen der Bevölkerung für öffentliche Wirtschaft als eine facettenreiche und für öffentliche Unternehmen und Verwaltungen außerordentlich bedeutsame, bislang aber nur unzurei-chend untersuchte Problemstellung. Bringing the State Back In war ein vielbeachteter, bereits 1985 erschienener Sammelband betitelt,70 der da-für plädierte, den Staat als Akteur wieder ernst zu nehmen.71 Die Zukunft wird zeigen, ob dies auch für den Staat als Unternehmer gilt oder ob es sich bei dem hier skizzierten, für öffentliche Anbieter recht erfreulichen Bild von den Einstellungen der Bürger nur um eine Momentaufnahme handelt. Literaturverzeichnis

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Martin Ahbe* Kommunen und kommunale Selbstverwaltung im Lichte des Reform-Vertrags von Lissabon I. Einführung Das diesjährige Symposium des Bundesverbandes Öffentliche Dienst-leistungen findet zu einem Zeitpunkt statt, bei dem sowohl die Wahl eines US-amerikanischen Präsidenten gänzlich neuen Zuschnitts wie auch die politischen Entwicklungen im deutschen Bundesland Hessen die Lebendigkeit und Beweglichkeit von Politik auf nationaler wie inter-nationaler Ebene sehr eindrücklich vor Augen führen. Es findet zudem zu einem Zeitpunkt statt, wo die sich abzeichnenden nationalen wie internationalen Reaktionen auf die globale Finanzkrise die Frage nach dem sinnvollen Ausmaß des staatlichen Engagements in der Wirtschaft auf neue Weise zu stellen scheinen. Darüber hinaus haben die Preisentwicklungen für Lebensmittel und Rohöl das Vertrauen vieler Bürger in das ordnungsgemäße Funktionie-ren von sozialer Marktwirtschaft erheblich vermindert. Und dies bis zu einem Punkt, der ganz grundsätzliche Fragen hinsichtlich des europä-ischen Wirtschafts- und Sozialmodells als politischem Leitbild für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufwirft. Das diesjährige Symposium des Bundesverbandes Öffentliche Dienst-leistungen stellt deshalb die Frage nach der Rolle des öffentlichen En-gagements auf kommunaler Ebene nicht nur zum richtigen Zeitpunkt, sondern wird darüber hinaus auch von den breiteren politischen Ent-wicklungen deutlich positiv befördert. Der Diskussionsprozess zur Rolle der Kommunen und der kommunalen Wirtschaft ist dabei durchaus nicht neu. Auch seine europäische Dimen-sion hat sich seit nun etwa zehn Jahren mit zunehmender Deutlichkeit manifestiert. Es kann deshalb nicht verwundern, dass diese Diskussion auch ihren Niederschlag im Entwurf des Verfassungsvertrags sowie im Reformvertrag von Lissabon gefunden hat.

* Dr. Martin Ahbe ist im Generalsekretariat der Europäischen Kommission, Brüssel, mit Fragen der

politischen Koordinierung im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik befasst.

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Vor diesem Hintergrund wirft die recht breite Themenstellung dieses Vortrags natürlich im engeren Sinne zunächst ganz unmittelbare Fragen, wie z.B. zur Bezahlbarkeit und zur Zugänglichkeit von Dienstleistungen im allgemeinen Interesse auf. Im weiteren Rahmen stellt sie gleichwohl insbesondere auch auf Fragen ab, inwiefern sich die Rolle der Kommu-nen verändert, auch im Verhältnis zu nationaler und europäischer Ebene, insbesondere vor dem Hintergrund der großen Politik bestim-menden Faktoren wie dem technologischen Wandel, der Globalisierung und der demographischen Herausforderung. Die Kommunen selbst sehen nahe liegender Weise die Europäische Union und ihr Handeln vielfach eher aus der Perspektive einer begrenz-ten Zahl von Politikbereichen wie z.B. der Umweltpolitik, der Wett-bewerbspolitik oder auch des Vergaberechts. Naturgemäß sehen dieje-nigen, die im europäischen Kontext arbeiten, in der EU nicht nur den Gestalter einer Vielzahl von Gemeinschaftspolitiken, sondern auch viel breiter den Motor für unerlässliche Strukturreformen sowie auch den Ort für Erfahrungsaustausch in den unterschiedlichsten Bereichen. Vor diesem Hintergrund mögen die folgenden drei Kernfragen für diese kleine politische Gedankenskizze angemessen erscheinen: 1. Welche Rolle spielen Kommunen und kommunale Wirtschaft aus

europäischer Sicht heute (Teil II)? 2. Hat sich diese Rolle in jüngster Zeit wesentlich verändert, insbeson-

dere auch mit Blick auf den Reformvertrag von Lissabon (Teil III)? 3. Können solche Veränderungen im Sinne einer Renaissance der

Kommunalwirtschaft interpretiert werden (Teil IV)? II. Kommunen und kommunale Wirtschaft in europäischer

Perspektive 1. Zur Rolle von Kommunen und kommunaler Wirtschaft

aus europäischer Sicht Einige grundsätzliche Zahlen und Fakten belegen recht schlagend die Bedeutung von Kommunen und kommunaler Wirtschaft in der heutigen Europäischen Union1:

1 Umfassendes Datenmaterial zu Städten findet sich im sog. Urban Audit, einer regelmäßigen Erhe-

bung zur Lebensqualität in großen und mittleren Städten im Auftrag der Europäischen Kommission (derzeit über 300 Städte erfasst).

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� Fast die Hälfte der Bevölkerung Europas lebt heute in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern.2

� Städte spielten und spielen für die Entwicklung Europas eine entscheidende Rolle, insbesondere durch ihr großes Angebot an Arbeitsplätzen sowie durch ihre Unternehmen und höheren Bildungs-einrichtungen.

� Städte sind heute Wachstumsmotoren der globalen Wirtschaft und beherbergen einen großen Teil des Reichtums, des Wissens und der Technologie Europas: fast 85 % des Bruttoinlandsprodukts der EU werden dort erstellt.3

� Die kommunale Wirtschaft hat eine zentrale Rolle im Prozess des strukturellen Wandels, der zu Innovation, unternehmerischer Initiative und Unternehmenswachstum führt. Hierbei stehen die Wirtschaft der Unternehmen in einer Kommune und die politische und wirtschaft-liche Tätigkeit ihrer politischen Vertretung in enger Wechselwirkung.

� Fast alle zentralen Herausforderungen unserer Zeit wie z.B. Globali-sierung und Demographie, aber auch das Bemühen um nachhaltige Entwicklung, schlagen sich positiv wie negativ unmittelbar in den Städten nieder.

2. Eine städtische Dimension der Gemeinschaftspolitik? Die skizzierte Bedeutung der Kommunen und ihrer Wirtschaft hat sich im Zeitablauf zunehmend in einer eigenständigen städtischen Dimension der Gemeinschaftspolitik niedergeschlagen.4 Hierbei waren die folgen-den Schritte im Einzelnen maßgeblich: � Die Entstehung einer städtischen Dimension europäischer Politik be-

ginnt vor etwa 20 Jahren (im Gefolge des Beitritts von Griechenland gefolgt von Spanien und Portugal) auf Grundlage der Entwicklung einer integrierten Methode zur Fokussierung von Investitionen in Infrastrukturen (als Pilotprojekte auf Basis von Art. 10 der Verordnung zum Europäischen Regionalfonds).

2 EU-Kommission (2003), Partnerschaft mit Städten. Die Gemeinschaftsinitiative URBAN, Bro-

schüre, Luxemburg (Amt für Amtliche Veröffentlichungen), Vorwort. 3 EU-Kommission (2007), Grünbuch: Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt, Brüssel,

25.09.2007, S. 3. 4 Die Darstellung der städtischen Dimension der Gemeinschaftspolitik lehnt sich an an: Europäische

Kommission. Dienststellenübergreifende Arbeitsgruppe für Stadtentwicklung, Die Städtische Dimension der Gemeinschaftspolitik im Zeitraum 2007 – 2013. Leitfaden, Brüssel.

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� In 1994 wird URBAN als Gemeinschaftsinitiative zur Städtischen Regeneration verabschiedet (ab 2000 folgt URBAN II). Vor dem Hintergrund der mit URBAN als einzelner Gemeinschaftsinitiative mit begrenzten Mitteln gemachten Erfahrungen kommt es zum mainstreaming urbaner Fragen: Seit der Förderperiode 2007 bis 2013 müssen z.B. alle Programme zur Kohäsionspolitik auch urbane Fragen ansprechen.5

� Dieses Mainstreaming äußert sich heute auch in den Konvergenz-programmen für die am wenigsten wohlhabenden Regionen der EU, in den Programmen im Rahmen des Wettbewerbsfähigkeits- und Beschäftigungsziels für den Rest Europas, in den Koopera-tionsprogrammen wie INTERREG6 sowie auch in URBACT7 als dem spezifischen Austauschprogramm für Städte.

� Erstmals haben jetzt alle europäischen Städte Zugang zur Finanzierung aus europäischen Mitteln und nicht mehr nur solche, die Teil eines bestimmten Fördergebiets sind. Entsprechen wird ein großer Teil der Regionalfonds-Ausgaben in den Städten veraus-gabt.

� Zunehmend wird die territoriale Diversität als entscheidender Fak-tor in die europäische Politikgestaltung aufgenommen: Als Folge ist die urbane Komponente der europäischen Politiken heute wesent-lich sichtbarer als noch vor zehn oder zwanzig Jahren.8

Die politisch-strategischen Implikationen einer solchen gewachsenen Rolle der Städte werden mit Blick auf die Lissabon-Strategie als zentraler strategischer Plattform der Europäischen Union im Bereich der Wirt-schafts-, Sozial- und Umweltpolitik unmittelbar anschaulich. Vor dem Hintergrund des Ziels der Lissabon-Strategie, Europa im weltweiten Ver-gleich wettbewerbsfähiger und dynamischer zu machen und dabei Wachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen sowie größerer sozia-ler Kohäsion zu verbinden, wird rasch klar, dass Städte im Rahmen einer solchen Strategie notwendigerweise eine zentrale Rolle einnehmen müssen, und zwar aus folgenden Gründen:

5 Nähere Details zur Gemeinschaftsinitiative URBAN in: Europäische Kommission, Partnerschaft mit

Städten. Die Gemeinschaftsinitiative URBAN, Broschüre, Luxemburg (Amt für Amtliche Veröffent-lichungen) 2003.

6 Die Europäische Gemeinschaftsinitiative INTERREG ist ein Programm der Europäischen Union für die grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit.

7 URBACT ist ein Programm der Europäischen Union, welches den Erfahrungsaustausch zwischen europäischen Städten über die Errichtung thematischer Netzwerke fördert.

8 Nähere Details hierzu in: EU-Kommission (2008), Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt: Territoriale Vielfalt als Stärke, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Parlament, den Aus-schuss der Regionen und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss v. 06.10.2008 (SEK(2008)2550).

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a) weil sie als Motoren für wirtschaftliches Wachstum in Europa fungieren und als Orte, in denen Innovation, Ausbildung, etc. stattfinden, b) weil sie diejenigen Orte sind, in denen zuallererst z.B. Umweltvor-schriften umgesetzt werden und nachhaltiger Verkehr organisiert wird und c) weil in ihnen nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltiger Konsum praktisch realisiert werden können.9

Die gewachsene Rolle der Städte ist aber auch bei negativen wirtschaft-lichen und sozialen Entwicklungen in der Regel sehr wichtig, weil sie einen zentralen Beitrag zur Integration verschiedenster Gruppen in die Gesellschaft leisten: Diese Integrationskraft der Städte ist auch Ausdruck des europäischen Sozialmodells, das für das politische Handeln in der EU maßgeblich ist und bleibt. Es ist daher im allgemeinen Interesse, dass Städte nicht nur Plätze des sozialen Zusammenhalts bleiben, son-dern auch gute Lebensbedingungen für alle Bürger schaffen und schließ-lich ihre integrative Rolle weiter spielen können. 3. Die Rolle der Dienste von allgemeinem Interesse im Rahmen

der kommunalen Wirtschaft Nach einer über zehnjährigen Diskussion über die Rolle der EU in die-sem Feld gibt es heute einen weitgehenden Konsens über die beson-dere Rolle der Dienste von allgemeinem Interesse. Sie sind in ihrer Rolle als wichtiger Ausdruck unseres europäischen Sozialmodells mit Blick auf die gemeinsamen Werte der Union anerkannt. Dies hat insbesondere die folgenden Implikationen: � die Anerkennung gemeinsamer Wesensmerkmale der Dienstleistun-

gen von allgemeinem Interesse wie auch der Bedeutung von Rechts-sicherheit für diese Dienstleistungen

� das gemeinsame Interesse an einer Anwendung der europäischen Vorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, das klar und vorhersehbar ist. Das Altmark-Paket von 200610, das kleine

9 Nähere Details zum Beitrag der Städte zu Wachstum und Beschäftigung in: EU-Kommission

(2006), Die Kohäsionspolitik und die Städte: Der Beitrag der Städte zu Wachstum und Beschäf-tigung in den Regionen, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Brüssel, 13.07.2006 (KOM(2006) 385 endg.)

10 EuGH (2003), Pressemitteilung N. 64/03 v. 24.07.2003, Urteil des Gerichtshofes in dem Vorabent-scheidungsverfahren C-280/00 (Altmark Trans GmbH, Regierungspräsidium Magdeburg/Nahver-kehrsgesellschaft Altmark GmbH).

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Anbieter solcher Dienstleistungen von der Anmeldepflicht nach den Beihilferegeln ausnimmt, ist hierfür ein Beispiel. Das Paket wird der-zeit überprüft, und die Kommission wird 2009 ihre Schlussfolgerun-gen hierzu vorlegen

� Die Anerkennung des weiten Ermessensspielraums der öffentlichen Hand.11

III. Die Rolle von Kommunen in der Perspektive jüngster

Entwicklungen und insbesondere vor dem Hintergrund des Reformvertrags von Lissabon

1. Die steigende Bedeutung der Rolle der Kommunen in Europa

allgemein Die Betrachtung der in Teil II diskutierten Bestimmungsgründe für die Bedeutung der Städte in Europa zeigt recht rasch, dass auch in der näheren Zukunft eher mit einem weiteren Bedeutungszuwachs für die Städte als mit dem Gegenteil gerechnet werden muss. So scheint es gegenwärtig keinen Hinweis darauf zu geben, dass es zu einer signifi-kanten Abwanderung aus den Städten kommen könnte oder etwa dar-auf, dass sich die Rolle der Städte im wirtschaftlichen Innovations- und Produktionsprozess Europas deutlich verändern könnte. Kommunen gewinnen andererseits aber auch dadurch an Bedeutung, vor allem in Gestalt von politischer Visibilität, dass sie auf diese wachsenden Herausforderungen reagieren und eigenständige politische Plattformen bilden über die sie vielfältige gemeinsame Interessen verfolgen (z.B. in den Bereichen Verkehr, Umwelt, Mobilität, etc.). 2. Aufnahme des lokalen Bezugs in den Reformvertrag von

Lissabon Mit Blick auf diese Entwicklung war die Aufnahme eines lokalen Bezugs in den Reformvertrag von Lissabon nur folgerichtig. Der unbestreitbare Bedeutungszuwachs der Städte findet damit eine rechtliche Absiche-rung. Dies insbesondere zum einen durch die Anerkennung der kommu- 11 Im Einzelnen hierzu: EU-Kommission (2007), Mitteilung der Kommission an das Europäische

Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistun-gen: Europas neues Engagement, Begleitdokument zu der Mitteilung "Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts", Brüssel, 20.11.2007 (KOM(2007) 725 endg.). Siehe auch Art. 1, erster Gedankenstrich des dem Lissabonvertrag beigefügten Protokolls über Dienste von allgemei-nem Interesse.

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nalen Selbstverwaltung (Art. 4, Abs. 2, EU-Vertrag) sowie zum anderen durch den Bezug zu den Kommunen durch eine Aufnahme der Referenz zur lokalen Ebene in den Subsidiaritätsartikel (Art. 5, Ziff. 3, Abs. 1, EU-Vertrag). Im weiteren Sinne spricht dafür auch die Stärkung des Aus-schusses der Regionen (trotz dessen bekanntermaßen großer Hetero-genität). Bei näherer Betrachtung darf mithin ohne weiteres konstatiert werden, dass eher die gewachsene Bedeutung der Kommunen für ihre Aufnahme in den Lissabon-Vertrag gesorgt hat als die Aufnahme in diesen Vertrag für eine gewachsene Bedeutung der Kommunen. 3. Die Entwicklung im Bereich der Dienstleistungen im

allgemeinen Interesse Auch die Aufnahme der Dienstleistungen im allgemeinen Interesse in den Reformvertrag von Lissabon kann als Zeichen des Bedeutungs-zuwachses der Kommunen angesehen werden. Der Vertrag erkennt diese Dienstleistungen als unabdingbar für die soziale und regionale Kohäsion in der EU an. Das dem Vertrag anliegende Protokoll Nr. 2612 definiert darüber hinaus die Grundlinien auf die die EU sich für die wei-tere Gestaltung und Beurteilung dieser Leistungen stützen soll. Artikel 14 des Lissabonvertrags sieht schließlich eine spezielle Rechtsgrundlage für den Erlass von Verordnungen im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vor.

Darüber hinaus legt die Grundrechts-Charta als Teil des Lissabon-Ver-trags fest, dass die Union das Recht auf Zugang zu wirtschaftlichen Dienstleistungen im allgemeinen Interesse entsprechend nationaler Rechtsprechung und Praxis akzeptieren muss, um die soziale und terri-toriale Kohäsion in der Union zu fördern. Die Kommission hat die Neuerungen des Lissabonvertrags ausdrücklich begrüßt. Mit dem rechtlich verbindlichen Protokoll wurde aus ihrer Sicht auf Vertragsebene ein Rahmen geschaffen, der die Erbringung und Weiterentwicklung hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen entspre-chend den jeweiligen Bedürfnissen und Gegebenheiten in den Mitglied-staaten ermöglicht und fördert. 12 Der gesamte Text des Lissabonner Reformvertrags einschließlich des hier erwähnten Protokolls

Nr. 26 ist abgedruckt in: Amtsblatt der Europäischen Union, C 115/308 v. 09.05.2008.

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Exkurs: Stand der Ratifikation des Lissabonner Reformvertrags (Oktober 2008)

Es ist kaum möglich, sich zu Kommunen und ihrer Selbstverwaltung im Lichte des Reformvertrags von Lissabon zu äußern, ohne auch etwas zum viel diskutierten Prozess der Ratifizierung dieses Vertrags zu sagen. Dieser Exkurs erläutert deshalb zunächst den aktuellen Stand des Ver-fahrens, dann mögliche Auswirkungen einer Verzögerung des Ratifizie-rungsverfahrens und schließlich die Lage in Irland als dem einzigen ver-bleibenden Mitgliedstaat der EU mit einem signifikanten Ratifizierungs-problem. 1. Zentrale Details zum gegenwärtigen Stand des Ratifizierungspro-

zesses: � Der Europäische Rat vom Juni 2008 entschied, dass der Ratifizie-

rungsprozess auch nach dem negativem Referendum in Irland förmlich fortgeführt wird.

� 24 Mitgliedstaaten der EU haben den Lissabon-Reformvertrag bereits gebilligt qua parlamentarischer Zustimmung, nur Irland hat sich qua Referendum dagegen ausgesprochen13.

� Der Ratifizierungsprozess steht noch aus in Schweden (wo keine Probleme zu erwarten sind) und der Tschechischen Republik (wo das Urteil des Verfassungsgerichts noch aussteht, ob der Lissa-bon-Vertrag in Übereinstimmung mit der tschechischen Verfassung steht). Die tschechische Regierung hat gleichwohl die Absicht, das Ratifizierungsverfahren vor Beginn der bevorstehenden tschechi-schen Ratspräsidentschaft im Januar 2009 abzuschließen.

� Die Unterschrift der Ratifizierungsgesetze ist in zwei EU-Mitglied-staaten gegenwärtig blockiert: zum einen in Polen (wo Präsident Kaczynski unterschreiben will, sobald die Situation in Irland geklärt ist), und zum anderen in Deutschland (wo die Verfassungs-beschwerde der MdBs Gauweiler und Dehm wegen behaupteter mangelnder demokratischer Legitimität noch anhängig ist). Bundespräsident Köhler ist institutionell gehalten, auf diese Entscheidung zu warten, hat aber erklärt, nach der Entscheidung unterschreiben zu wollen.14

13 In einem zweiten Referendum hat Irland am 02.10.2009 dem Vertrag zugestimmt. 14 Mittlerweile liegen die Unterschriften der beiden Präsidenten vor. Das Bundesverfassungsgericht

hat in seiner Entscheidung vom 30.06.2009 den Vertrag als konform mit dem Grundgesetz beschieden.

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2. Mögliche Auswirkungen einer Verzögerung im Ratifizierungsprozess im Einzelnen: � Ernennungen zu den durch den Lissabonner Reform-Vertrag neu

zu schaffenden Spitzenpositionen müssen verschoben werden (z.B. Präsident des Europäischen Rates, Hoher Vertreter, General-sekretär des Rates). Ebenso verschoben werden müssen auch die vorgesehenen Entscheidungen zur Einführung des Europäischen Auswärtigen Dienstes.

� Falls die Ratifizierung des Lissabonner Reformvertrags nicht rechtzeitig erfolgt, muss die bevorstehende Wahl zum Euro-päischen Parlament auf Grundlage des gegenwärtig gültigen Vertrags von Nizza stattfinden. Dies hat im Vergleich zur An-wendung des Lissabonner Reform-Vertrags erhebliche Auswir-kungen sowohl auf der Zahl der Sitze pro Mitgliedstaat wie auch auf die Zusammensetzung der neuen Kommission in 2009 (Zahl der Kommissare bei Lissabon-Regime: normalerweise 20 aber Möglichkeit eines politischen Einvernehmens zugunsten beste-hender Regelung mit einem Kommissar pro Mitgliedstaat, bei Nizza-Regime muss die Zahl der Kommissare kleiner sein als die Zahl der Mitgliedstaaten; eine nähere Festlegung soll dann durch einstimmige Ratsentscheidung vor Arbeitsaufnahme der neuen Kommission erfolgen).

� Mögliche Auswirkungen einer (temporären?) Nicht-Ratifizierung des Lissabonner Reformvertrags auf die kommunale Ebene wären in erster Näherung: a) die Entscheidung des Europäischen Rats vom Dezember 2007 zugunsten des Vertrags reflektiert einen politisch stabilen Konsens auf Ebene der Staats- und Regierungschefs zur Rolle und Bedeutung der Kommunen in Europa. Dieser würde durch eine Ratifizierung bestätigt; b) gleichzeitig sind diejenigen Vertragsteile, die sich auf die Rolle der Kommunen beziehen, von bislang diskutierten möglichen Änderungen nicht tangiert, mit denen man versuchen könnte, den Iren eine Zustimmung zu erleichtern; c) der Konsens zur neuen Rolle der Kommunen scheint im Wesentlichen nicht allein vom Lissabon-Vertrag abhängig zu sein, sondern dürfte vielmehr tiefer liegende Bestimmungsfaktoren reflektieren wie oben ausgeführt.

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3. Zur Situation in Irland (als einzigem Mitgliedstaat mit einem verblei-benden signifikanten Ratifikationsproblem): � Die Ablehnung des Lissabon-Reformvertrags in Irland erfolgte mit

53,4 % zu 46,6 % bei 53,1 % Wahlbeteiligung. � Als Gründe für die Ablehnung wurden angeführt: Mangel an Infor-

mation, Verlust von Einfluss und Souveränität (Vetorecht), zu wenig Bürgernähe, Verlust eines festen irischen Kommissars, Sorge wegen irischer Neutralität und irischer Körperschaftsteuer, Sorge wegen irischer Abtreibungsregelung, zu geringe Befassung mit Arbeitnehmerrechten.

� Eine Entscheidung zur weiteren Vorgehensweise wird voraus-sichtlich auf dem Europäischen Rat im Dezember 2008 gefällt werden. Dabei dürfte das Ergebnis des kürzlich eingerichteten Unterausschusses zur Zukunft Irlands in der Europäischen Union eine zentrale Rolle spielen (Bericht dieses Ausschusses wird bis 28. November 2008 erwartet).

IV. Schlussfolgerung: Eine Renaissance der Kommunalwirtschaft? Kommunen und kommunale Wirtschaft durchlaufen gegenwärtig u.a. deshalb eine Renaissance, weil die zentralen Faktoren, die ihre Bedeu-tung ausmachen, sicherlich in näherer Zukunft eher an Bedeutung ge-winnen als verlieren werden. So ist z.B. nicht damit zu rechnen, dass die Bevölkerung in den Städten allgemein schrumpfen wird oder dass die Städte schon bald ihre zentrale Rolle als Wachstumsmotoren der glo-balen Wirtschaft verlieren werden. Auch eine Verminderung der Pro-bleme, die aus Globalisierung, Demographie und technologischen Wan-del resultieren, steht wohl kaum zu erwarten. Darüber hinaus ist ein Teil des Bedeutungszuwachses der Kommunen sicherlich auch einem er-höhten Bewusstsein und Differenzierungsvermögen für regionale Diver-sität auf allen Ebenen geschuldet. 1. Blick in die Zukunft der Kommunen aus europäischer Sicht

allgemein Nicht für alle Politikbereiche wissen wir bereits jetzt, was im Einzelnen auf die Kommunen in Zukunft zukommen wird. Im Bereich der Regional-politik als einem der Bereiche mit unmittelbarem Bezug zu den Kommu-nen allerdings ist der weitere Weg bereits relativ klar: Reflexionen für die Förderperiode post-2013 haben bereits begonnen mit klarem Fokus auf

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die Rolle der Städte; die zentralen Stichworte hierbei sind: Klimawandel und Umweltschutz einschließlich Mobilität und Energieeffizienz, Energie-versorgung (ökologieorientiertes Leben in Städten), demographischer Wandel (Wanderungsbewegungen älterer Menschen in Städte mit bes-serer Infrastrukturversorgung als in ländlichen Gegenden), Wanderungs-bewegungen von Migranten und ihre Integration. 2. Blick auf die Zukunft der Dienstleistungen im allgemeinen

Interesse Auf der Grundlage des sich im Protokoll zum Lissabon-Vertrag kristalli-sierenden Konsenses, wird die Arbeit im Wesentlichen in drei Punkten weiter gehen: � Weitere Klärung allgemeiner Rechtsfragen (Interaktiver Informations-

dienst als besonderes Hilfsmittel) � Entwicklung bzw. Reform sektorspezifischer Maßnahmen � Überwachung und Evaluierung. Klar ist auch, dass die Renaissance der Kommunen und der kommuna-len Wirtschaft unter anderem davon abhängen wird, ob es den Kommu-nen auch in Zukunft gelingen wird, überzeugende Lösungen für ihre Bür-ger zu entwickeln. In einer Zeit die geprägt wird durch eine Finanzmarkt-krise, steigende Energie- und Lebensmittelpreise sowie eine beginnende Rezession weltweit werden die Bürger in Europa erwarten, dass die Politik auf allen Ebenen den Begriff des Europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells mit glaubwürdigem Inhalt füllen wird. Die Dienstleistungen im allgemeinen Interesse sind konstitutiver Bestandteil dieses Wirt-schafts- und Sozialmodells und sollten so auch politisch propagiert wer-den. Für die weitere Entwicklung der Dienstleistungen im allgemeinen Inter-esse baut die Europäische Kommission auch in Zukunft auf ein enges partnerschaftliches Verhältnis mit den betroffenen Kommunen sowie den sie vertretenden Verbänden. Literaturverzeichnis

EuGH (2003): Europäischer Gerichtshof, in: Pressemitteilung N. 64/03 vom 24.07.2003, Urteil des Gerichtshofes in dem Vorabentscheidungsverfahren C-280/00 (Altmark Trans GmbH, Regierungspräsidium Magdeburg/Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH, 2003.

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EU-Kommission (o.J.): Europäische-Kommission (Hrsg.) Urban Audit, Regelmäßige Erhe-bung zur Lebensqualität in großen und mittleren Städten, Brüssel.

EU-Kommission (o.J.): Europäische Kommission, Die Städtische Dimension der Gemein-schaftspolitik im Zeitraum 2007 – 2013, Leitfaden, Brüssel.

EU-Kommission (2003): Europäische Kommission, Partnerschaft mit Städten. Die Gemein-schaftsinitiative URBAN, in: Amt für Amtliche Veröffentlichungen, Luxemburg 2003.

EU-Kommission (2006): Europäische Kommission, Die Kohäsionspolitik und die Städte: Der Beitrag der Städte zu Wachstum und Beschäftigung in den Regionen, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Brüssel, 13.07.2006 (KOM (2006) 385 endg.)

EU-Kommission (2007): Europäische Kommission, Grünbuch: Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt, Brüssel 2007, S. 3.

EU-Kommission 2007: Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Euro-päische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Ein-schluss von Sozialdienstleistungen: Europas neues Engagement, Begleitdokument zu der Mitteilung "Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts", Brüssel, 20.11.2007 (KOM(2007) 725 endg.).

EU-Kommission (2008): Europäische Kommission, in: Amtsblatt der Europäischen Union,

EU-Kommission (2008): Europäische Kommission, Grünbuch zum territorialen Zusammen-halt: Territoriale Vielfalt als Stärke, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Parlament, den Ausschuss der Regionen und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 06.10.2008 (SEK(2008)2550).

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Wilhelm Georg Hanss* Gibt es objektive Gründe für eine Renaissance? Wenn wir über die Renaissance der Kommunalwirtschaft reden, hat dies nichts mit Nostalgie, wohl aber mit dem Sicherheitsbedürfnis der Bürge-rinnen und Bürger zu tun. Es hat aber auch damit zu tun, dass die Bür-ger registriert haben, dass den früheren und auch heute noch von den Fundamental-Privatisierern vorgetragenen Argumenten „Private sind immer besser“ oder „Private sind immer kostengünstiger“ nicht mehr Glauben geschenkt werden kann. Richtig ist, die Privatisierungsdebatte hat auch Dampf in die Kessel der öffentlichen Unternehmen gebracht. Enorm hohe Effizienzsteigerungen durch Reduzierung der Betriebskosten, massive Produktivitätssteigerun-gen und Kundenorientierung haben die Effektivität der Unternehmen in öffentlicher Hand extrem gesteigert. Allein der deutliche Anstieg des Kostendeckungsgrades der Verkehrsunternehmen von früher 45-50 % auf heute nahezu 75 % zeigt diese Veränderung sehr deutlich. Auch die zunehmende Zahl der städtischen Holdings bzw. Querverbundsunter-nehmen, die den Zuschussbedarf des ÖPNV alleine abdecken, sind Beleg für diese Entwicklung. Die öffentlichen Unternehmen haben für sich erkannt, dass der Kosten-vorteil der Privaten überhaupt nichts bedeutet, wenn dieser Vorteil in die Taschen der Privaten Eigentümer fließt und keinerlei Preisvorteil für den Nutzer, den Kunden, entsteht. Auch der Vorteil für die Kommune muss nachhaltig sein! Es geht folglich um den Wettbewerb der Vorteile. Die Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft haben sich diesen Heraus-forderungen gestellt, sie angenommen, und sie entwickelten Unterneh-menskonzepte, um sich in diesem Wettbewerbsumfeld zu behaupten. Dabei sind sehr erfolgreiche Beispiele für eine hervorragende Unterneh-mensführung entstanden. Den Kunden bzw. Bürgern konnte aufgezeigt werden, dass ihre Erwartungen auch durch gut geführte öffentliche Unternehmen erfüllt werden können. Mit innovativen Konzepten zur Effi-zienzsteigerung, Kundenorientierung und Flexibilisierung ist es öffent- * Wilhelm Georg Hanss ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB)

GmbH und Erster Vizepräsident des BVÖD.

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lichen Unternehmen gelungen, vergleichbare Leistungen anzubieten und sie vor allem zu garantieren, ohne dabei ihren spezifischen Charakter aufzugeben. Natürlich lassen sich die ordnungspolitischen Befürworter der Privatisie-rung davon nicht überzeugen, es sei denn, die bitteren Erfahrungen las-sen sich nicht mehr verschweigen. Wir alle kennen Beispiele, bei denen sich diese Hoffnungen erfüllt haben. Wir alle kennen aber auch genügend Beispiele, bei denen diese Erwartungen im Widerstreit zwischen Renditeerwartung und den Grund-prinzipien der Daseinsvorsorge (allgemeine Zugänglichkeit, Verfügbar-keit und Bezahlbarkeit von öffentlichen Basisdienstleistungen in guter Qualität) komplett implodiert sind. Bezeichnenderweise sind es derzeit die früheren Vorreiter der Marktlibe-ralisierung, die die Privatisierungs- und Liberalisierungsexzesse der achtziger und neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts korrigieren. Sei es die Stromversorgung in Kalifornien, die U-Bahn in London oder die britische Wasserversorgung, die wieder reguliert und verstaatlicht wer-den. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich zunehmend wohler und vor allem sicherer, wenn ihnen Daseinsvorsorge durch gute und sichere öffentliche Unternehmen garantiert wird. Auch die zunehmende Zufrie-denheit mit den erbrachten Leistungen zeigt die positive Entwicklung. Besonders deutlich wird dies an zwei Beispielen: (1) Die Europäische Kommission hat 2007 eine Meinungsumfrage zur Lebensqualität in 75 europäischen Städten durchgeführt. Einer der abgefragten Punkte war dabei die Zufriedenheit der Bürger dieser Städte mit dem öffentlichen Nahverkehr. Im Ergebnis befanden sich unter den ersten zehn Städten acht, bei denen ein kommunales Unternehmen für den Betrieb von Bus und Bahn verantwortlich ist. Wesentlich dabei ist jedoch die damit validierte Erkenntnis, dass die kommunalen Unternehmen hinsichtlich des absolut wesentlichsten Krite-riums, der Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Leistung der Daseinsvorsorge, nicht nur mithalten, sondern sogar Standards setzen können.

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(2) Die Forderungen in den letzten Jahren nach einer Reform des Spar-kassensektors und der Abkehr vom dreigliedrigen Bankensystem hin zu einer Öffnung für Großbanken und einhergehender Privatisierung waren groß. Durch die geforderte Renditeorientierung und die Streichung der öffentlichen Gewährsträgerhaftung sollte der deutsche Bankensektor gestärkt und die Leistungsfähigkeit erhöht werden. Aber gerade die Sparkassen erweisen sich in den rauen Zeiten der vor-herrschenden Finanzkrise als relativ sichere Finanzinstitute, insbeson-dere dann, wenn sie gerade nicht mit Privatbanken oder Landesbanken gemeinsam versuchten, „am großen Rad zu drehen“. Sie können auf-grund der starken regionalen Verwurzelung und des solideren Geschäftsmodells jetzt umso mehr ihrem Auftrag der Stärkung von wirt-schaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen vor Ort nachkommen. Denn durch das Regionalprinzip der Sparkassen erfolgte der Einsatz von erzielten Gewinnen zur Förderung kommunaler Strukturen unter Vermei-dung von ausschließlicher Renditeorientierung. Viele weitere Beispiele zeigen, dass die hohen Erwartungen, die an pri-vate Unternehmen bei der Erbringung von Leistungen der Daseinsvor-sorge, aber auch bei der Erfüllung kommunalwirtschaftlicher Betätigung gestellt wurden, oft nicht erfüllt werden konnten. Beispiele, wie in Hamm-Uentrop in Nordrhein-Westfalen, wo ein Bündnis kommunaler Stadt-werke ein Gaskraftwerk errichtet, um sich von der Monopolstellung der großen Versorger zu befreien, lassen aufhorchen. Auch in anderen infrastrukturgeprägten Bereichen zeichnen sich derartige Trends ab. So konnten nach der Rekommunalisierung der Müllabfuhr in Bergkamen die Kosten um 30 Prozent gesenkt werden und in zwei Gebührensenkungen an die Bürger weiter gegeben werden. Die Stadt Dresden ist einen anderen Weg gegangen. Der Verkauf des kommunalen Wohnungseigentums hat zunächst zur völligen Entschul-dung des Stadthaushaltes geführt. Viele Indikatoren der letzten Monate sprechen allerdings gegen die Annahme, dass es sich dabei um einen guten Weg gehandelt haben könnte. Denn damit ist Dresden ein wesentliches Instrument genommen worden, steuernd Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu nehmen. Einer Stadt wie München wäre es vermutlich völlig fremd gewesen, so zu handeln. Denn der wahre Wert kommunalwirtschaftlicher Steuerung beweist sich erst im Ernstfall. Dieser tritt genau dann auf, wenn der Markt nicht willens, bereit oder fähig ist, die kommunalen Bedürfnisse adäquat zu bedienen.

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Daseinsvorsorge bedeutet die Sicherung von lebenswichtigen Bedürfnis-sen der Bevölkerung und ist somit zentrale kommunale Aufgabe. Nur so kann die Sicherheit geboten werden, einen flächendeckenden und bezahlbaren Zugang zu einwandfreiem Wasser und umfassender Mobi-lität zu haben oder bezahlbaren Wohnraum und ein vielseitiges kulturel-les Angebot vorzufinden. Dieser Wert wird insbesondere in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen deutlich. Genau dies ist auch das Anliegen wachsender Teile der Bevölkerung, die sich in zunehmendem Maße mit dem Mittel des Bürgerentscheides gegen die Privatisierung kommunaler Unternehmen stellen. Beispiele dafür finden sich nicht nur anhand des im Januar 2008 erfolgreichen Bürgerentscheids in Leipzig, sondern überall in Deutschland. So bei-spielsweise in Freiburg im Breisgau oder Heidelberg, wo mehrheitlich für den Verbleib von städtischem Wohnungseigentum in öffentlicher Hand gestimmt wurde. In Mühlheim an der Ruhr war eine klare Mehrheit für das grundsätzliche Verbot der Privatisierung von Bereichen der Daseinsvorsorge vorhanden. Was ist der Grund dafür? Öffentliche Unternehmen sind, insbesondere wenn es sich um kommunale Gesellschaften handelt, anderen Bedin-gungen ausgesetzt als Private. Sie sind örtlich verwurzelt, werden als Gemeinbesitz betrachtet und sind – da zumeist mit öffentlichen Dienst-leistungen befasst – sehr präsent im täglichen Leben. Sie unterliegen politischer Einflussnahme und einer hohen Erwartungshaltung der Bevölkerung an ihr Unternehmen. Im Gegensatz zu den vorwiegend anonymen globalen Großkonzernen, welche durch Strategien zur Renditesteigerung und schnellen Wachstum geprägt sind, besteht kommunale Wirtschaft durch die vorhandene Transparenz aus bürgernahen und für jedermann erfahrbaren Unter-nehmen mit Strategien zur nachhaltigen Entwicklung. Wie am Beispiel der Sparkassen oder der kommunalen Versorgungs-unternehmen deutlich wird, setzen öffentliche Unternehmen ihre Gewinne direkt zum Nutzen der Bürger vor Ort ein, sei es durch die För-derung von kulturellen oder gesellschaftlichen Aktivitäten, durch die Unterstützung im steuerlichen Querverbund oder als Beitrag für den kommunalen Haushalt. Es wäre jedoch fatal, angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen die Augen vor den Aufgaben zu verschließen, die jetzt vor der kommunalen Wirtschaft liegen.

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Das Rollenverständnis von Privatwirtschaft, Staat und öffentlicher Wirt-schaft muss neu evaluiert, tariert und ausgeprägt werden. Jeder dieser Stakeholder hat Stärken, die in das Wirtschaftssystem eingebracht wer-den sollten. Der Staat, einschließlich seiner Länder, Kommunen, Behörden und Ämter, verwaltet den ordnungspolitischen Rahmen und ist verantwortlich für die langfristige Sicherung des Gemeinwohls und der Grundwerte. Eben diese Verwaltung impliziert auf der anderen Seite seine Schwäche. Verwalten bedeutet feste Strukturen und Prozesse. Diese Bürokratie nimmt ihm jedoch zugleich die Fähigkeit, flexibel und kurzfristig zu agie-ren. Hier kommen wiederum die Stärken der Privatwirtschaft zum Tra-gen. Die öffentliche Wirtschaft ist in der Lage, diese gegensätzlichen Strö-mungen auszugleichen und zu nutzen. Sie sollte weiter nach Wett-bewerbsfähigkeit streben und zugleich ihrer besonderen gesellschaft-lichen Verantwortung gerecht werden. Vor allem das Management der öffentlichen Unternehmen ist in diesem Spannungsfeld von Ökonomie, Ökologie und Sozialorientierung aufgefordert, neue, innovative Antworten zu finden. Hier liegt der Schlüssel für das erfolgreiche Agieren kommunaler Unter-nehmen als ein im kommunalen Interesse handelndes Wirtschaftssub-jekt. Ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit sind Werte, die öffentliche Unternehmen schon per Auftrag verkörpern. Schon lange bevor zum Beispiel die Corporate Social Responsibility als allgemeine Notwendigkeit der Wirtschaftstätigkeit postuliert wurde, hat die öffent-liche Wirtschaft dies gelebt. Wenn wir heute zu Recht von einer Renaissance der öffentlichen Wirt-schaft sprechen, dann gerade weil sie weit mehr als ein einfaches Kon-strukt der Daseinsvorsorge ist, das Wasser aus dem Hahn fließen lässt, Strom aus der Steckdose bereitstellt oder Straßenbahnen durch die Stadt fahren lässt. Es ist vielmehr der Wesensgehalt kommunalwirtschaftlichen Engage-ments, der diesen Prozess bei erfolgreicher Weiterentwicklung legiti-miert. Somit lässt sich festhalten, dass nicht die Rendite, sondern das Bürger-interesse an erster Stelle steht.

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Workshop 1: Energiesektor

Referenten:

Gert de Block Verstärkte Einbindung von Kommunen in Infrastrukturen: Europäischer Trend oder belgische Ausnahme?

Wolfgang Bühring Wege aus der Energie- und Klimafalle?!

Herbert Reul Europäische Rahmenbedingungen

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Gert de Block* Verstärkte Einbindung von Kommunen in Infrastrukturen: Europäischer Trend oder belgische Ausnahme? I. Kurzvorstellung CEDEC1 Vom Sitz in Brüssel aus vertritt CEDEC die Interessen der kommunalen Energieunternehmen bei den europäischen Institutionen, insbesondere dem Parlament und der Kommission. CEDEC organisiert einen Erfah-rungsaustausch über die Liberalisierung des Energiemarktes. Dieser Austausch bezieht sich auf die Art und Weise, wie Beziehungen mit Regulatoren, Gesetze, die Problematik der Netztarife usw. aufgebaut sind. Die Zusammenarbeit im Hinblick auf nationale oder internationale Unterstützung ist auch ein ganz wichtiges Thema für CEDEC. Vor allem in den Jahren, als die nationalen Gesetze zur Marktöffnung entwickelt wurden und im Licht der Marktöffnung selbst war dieses Thema von gro-ßer Wichtigkeit und CEDEC hat in dieser Angelegenheit eine wesent-liche Rolle gespielt. Als europäische Organisation vereinigt CEDEC nationale Verbände und auch einzelne Unternehmen. Der Verband zählt insgesamt etwa 2000 Elektrizitäts- und Gasversorgungsunternehmen. Innerhalb von CEDEC ist der Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) das größte Mitg-lied. Erwähnenswert ist auch die Mitgliedschaft im Florenz-Forum für Strom und im Madrid-Forum für Gas. Auch im Londoner Citizen’s Energy Forum, das den Fokus auf den Endverbraucher legt, ist CEDEC seit sei-ner ersten Tagung Ende Oktober 2008 vertreten. Diese Foren werden von der Kommission organisiert. Alle nationalen Regulatoren, die Ver-treter der Elektrizitäts- und Gasindustrie, CEDEC, Eurelectric, Eurogas, die Großverbraucher (IFIEC, CEFIC) und die Energiehändler treffen sich in diesen Foren und versuchen zusammen Lösungen zu den verschie-denen Problemen, die sich im Markt stellen, zu finden. Auch wenn die Verhandlungen oft sehr langsam voranschreiten – und die Verhandlun-gen manchmal nur zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und der Kommission stattfinden – ist die Anwesenheit von CEDEC bei diesen Foren von wesentlicher Bedeutung. Demzufolge führt CEDEC direkte Verhandlungen mit der Kommission und ERGEG, dem europäischen

* Gert de Block ist Generalsekretär von CEDEC, Brüssel. 1 European Federation of Local Energy Companies.

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Verband der nationalen Regulatoren im Energiebereich. Dieser Verband gewinnt immer mehr an Wichtigkeit, er erfasst regelmäßig Berichte und berät die Kommission. Dank der Verhandlungsposition von CEDEC sind wir in der Lage im europäischen regulativen Bereich, als auch auf natio-naler und regionaler Ebene Einfluss zu nehmen. Ferner organisiert CEDEC auch Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen, Seminare und Untersuchungen. II. Tendenzen in der Energiewirtschaft der EU Ganz allgemeine Themen in der europäischen Energiewirtschaft sind die große Debatte über die Entflechtung der regulierten und netzgebunde-nen Aktivitäten sowie der Übertragung einerseits und kommerzieller Tätigkeiten wie Erzeugung, Gaseinfuhr und Versorgung anderseits. Diese Entflechtung setzt sich immer weiter durch. Sie hat zuerst mit einer Diskussion über die Trennung der Buchhaltung angefangen und hat sich anschließend zur funktionellen inneren und äußeren Organisa-tion ausgedehnt, für die bisher oft noch keine deutliche Lösung gefunden wurde. Letztendlich hat sie sich sogar bis zur Trennung der juristischen Einheiten ausgebreitet. III. Folgen des neuen Rahmens Auf nationaler Ebene wird die Zusammenarbeit zwischen den kommu-nalen Unternehmen gestärkt – dies ist ein positiver Punkt. Die Unter-nehmen bemühen sich um die Ausführung von Verbundvorteilen und die Erschließung von Synergiepotenzialen. Mithin finden aber auf europäischer Ebene auch immer mehr Fusionen und Übernahmen zwischen den dominanten ehemalig etablierten Unter-nehmen bzw. den großen national Champions statt. Sie versuchen ihre ursprünglichen Nationalmonopolgewinne via Oligopolgewinne auf euro-päischer Ebene wiederherzustellen. Der Trend ist deutlich in diese Rich-tung. Die große Herausforderung besteht darin, dieser Entwicklung ent-gegentreten zu können. Der Markt hat die erhofften Ergebnisse bisher nicht erbracht. Weder im Bereich der Investitionen, wo fast alle Erzeuger nur eine abwartende Haltung eingenommen haben – je weniger sie investieren, desto höher werden die Preise –, noch im Kundenbereich. Den Kunden ist die Wahl zwischen einem um 20 % oder 25 % höheren Preis gelassen. Ist das

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wirklich eine Wahl? Ziehen die Kunden aus diesem Unterschied einen Vorteil? Auch auf der Ebene der konkurrenzfähigen Preisbildung taucht ein Problem auf. Die Kosten basieren nicht mehr auf durchschnittlichen Er-zeugungskosten, sondern auf den marginalen (deshalb teuersten) An-lagen. Demzufolge legen alle player die hohen Preise fest. Im Dienstleistungsbereich sollte der Markt auch nur Vorteile bringen. Aber in bestimmten Märkten wurden die Kundengeschäfte massiv ge-schlossen. Die Kundendienstleistung findet nur noch über ein Callcenter oder das Internet statt. Menschen ohne Internetzugang haben dadurch fast keine Möglichkeit auf eine Kundendienstleistung. Dieses Problem wird u.a. im dritten Energiepaket erörtert. IV. Das dritte Energiepaket Mit dem 3. Vorschlag über eine neue Strom- und Gasrichtlinie im Herbst 2007 wurde die Debatte wieder eröffnet. Der Richtlinienvorschlag der Kommission sieht eine stärkere Trennung zwischen den regulierten und nichtregulierten Geschäften vor. Für regulierte Tätigkeiten möchte man ein level playing field, nicht auf Marktebene, sondern auf Regulierungs-ebene schaffen, mit stärkeren nationalen Regulatoren und einem euro-päischen Regulator (Agentur), der sich nur mit grenzüberschreitenden Fragen beschäftigen soll. Es ist jedoch nicht klar, wie weit diese Agentur ihren Einfluss in der Zukunft auch auf nationaler Ebene ausüben könnte. Ein ganz wichtiger Faktor ist auch, dass die im Richtlinienvorschlag ent-haltene eigentumsrechtliche Entflechtung nicht für die Verteilungsnetz-betreiber gilt. Die Öffnung dieser Debatte konnte verhindert werden, da sie schon durch den Richtlinienvorschlag der Kommission geschlossen wurde, d.h. nicht aufgenommen wurde. Es wird keine weitere Entflechtung der Verteilungsnetzbetreiber geben, sondern eine Stärkung der Kontrolle der europäischen Wettbewerbs-behörden und nationalen Regulatoren. Letztlich hat die Kommission den Anfang der Vertragsverletzungsverfahren für die nächsten Wochen an-gekündigt. Dieser Anfang wurde erst off the record gemeldet, ist aber trotzdem in den Schlussfolgerungen des London-Forums eingeschlos-sen, so dass die Kommission ihre Ziele, die in den Richtlinienvorschlä-gen vom September 2007 enthalten waren, auch in einem anderen Bereich erreichen kann.

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Im Juni 2008 hat der Europäische Rat den Kompromiss des sogenann-ten dritten Weges angenommen. Dieser Kompromiss sieht weder eine eigentumsrechtliche Entflechtung noch den ISO (Independent System Operator), sondern den ITO, den Independent Transport Operator vor. Der ITO erinnert an den single buyer aus der ersten Richtlinie. Auch die-ser Kompromiss wurde damals angenommen, aber nicht angewendet, weil er in der Praxis zu kompliziert erschien. Im Juni und Juli 2008 hat das Europäische Parlament über fünf Berichte abgestimmt: drei Berichte über den Strom- und Gasmarkt sowie die Agentur und zwei technische Berichte über Strom und Gas. Ursprünglich sind mehr als 1000 Änderungsanträge zu den Richtlinienvorschlägen verfasst worden, so dass die Bewertung, also die Erkennung der für CEDEC interessanten Änderungsanträge, eine riesige Arbeit war. Anschließend gab es noch eine beschränkte Anzahl von Kompromiss-änderungsanträgen. In der Abstimmung dieser letzten Anträge hat das Parlament für den Strombereich nur der eigentumsrechtlichen Entflech-tung des Übertragungsnetzes zugestimmt, also kein ISO oder ITO, son-dern nur eine sehr strenge eigentumsrechtliche Entflechtung. Im Gasbe-reich dagegen, hat das Parlament zwei Wochen später die eigentums-rechtliche Entflechtung und den ITO-Kompromiss angenommen. Ein anderer wichtiger Änderungsantrag sieht vor, dass die eigentums-rechtliche Entflechtung überflüssig ist, wenn das Unternehmen einen Mitgliedstaat oder eine öffentliche Institution als Aktionär hat. In diesem Fall reicht eine von zwei unterschiedlichen öffentlichen Institutionen aus-geübte Kontrolle. Für diesen Änderungsantrag hatte man sich von Nor-wegen, wo ein Ministerium zuständig für die Erzeugung und ein anderes für das Übertragungsnetz ist, inspirieren lassen. Diese Lösungsalterna-tive wurde auch vom Parlament befürwortet. Die Debatte über einen Kompromiss zur eigentumsrechtlichen Entflech-tung hat so an Bedeutung verloren. In Frankreich kann die Kontrolle über EDF-Transport und EDF-Erzeugung von zwei verschiedenen Ministerien ausgeübt werden. Der französische Staat hat das Problem der eigen-tumsrechtliche Entflechtung also auf diese Weise gelöst. Dieser Entwicklung zufolge wird CEDEC in einer eventuellen zukünftigen Debatte über eigentumsrechtliche Entflechtung auf Verteilerebene sofort die gleiche Formulierung für die kommunalen Unternehmen fordern. Wenn das Wort Mitgliedstaat durch Kommunen ersetzt wird, dann wird CEDEC dieselben Forderungen stellen. Verteilungsnetzbetreiber dürfen gegenüber Übertragungsnetzbetreibern nicht diskriminiert werden.

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Im Bereich der kommerziellen Tätigkeiten hat das Parlament wenig Ver-trauen zum Markt gezeigt. Normalerweise werden die Marktpreise von Angebot und Nachfrage bestimmt. Aber hier wurde das Prinzip des Rechtes auf kostenbasierte Preise wieder eingeführt. Auch die Möglich-keit der progressiven Preisen, die für die Gesellschaft an sich gut sind, wurde vorgesehen. In einer normalen Verkaufssituation gilt folgende Regel: Je höher die Menge, desto besser der Preis. Hier wurde aber bestimmt, dass die Regulatoren oder der Staat progressive Preise auf-erlegen können. Das heißt, dass sich der Preis pro Kilowattstunde erhöht, wenn mehr Strom verbraucht wird. Auch Höchstpreise sind kurz-fristig möglich. Das bedeutet, dass das Parlament der Profitmaximierung, die nun den Markt bestimmt, einen Grenzwert auferlegt hat. Den regulierten Tätigkeiten, wie der langfristigen Netzleistung, werden glücklicherweise wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Zurzeit gibt es zu viel Druck seitens der Regulatoren, um kurzfristig zu denken. Darum ist es sehr wichtig, dass das Parlament diese Akzente wieder in die Debatte hineingebracht hat. Auch zur Energieeffizienz und zu den intelli-genten Netzen gab es verschiedene vom Parlament angenommenen Änderungsanträgen. Im Oktober hat der Energieministerrat eine Einigung erreicht. Es ist zu hoffen, dass noch vor der nächsten Europawahl im Juni 2009 ein Kom-promiss gefunden wird. Die Frage ist nur, inwieweit der französische Präsidentschaftsvorsitz noch für dieses Energiepaket eine Lösung finden möchte. Vielleicht möchte er nur das Klimapaket annehmen. Es bleibt zu hoffen, dass mehr Klarheit in die jetzige Situation gebracht wird. V. Strategiefragen für kommunale Anteilseigner Gibt es eine Vergrößerung des Marktrisikos? Die gibt es sicher. Vorher war alles reguliert, jetzt nicht mehr. Dadurch besteht nun die Möglichkeit, dass die oft risikoscheuen öffentlichen Behörden nichtkommerzielle, also eher regulierte und netzgebundene Tätigkeiten bevorzugen werden. Interessieren sich die Kommunen noch an regionalen oder nationalen Aktivitäten oder nicht? Oder ziehen sie sich eher zurück auf örtliche Geschäftstätigkeiten? Wenn die Städte und Gemeinden Geldmittel für andere politisch-wirt-schaftliche Bereiche, wie den öffentlichen Nahverkehr oder für andere Sachen außerhalb dem Energiebereich benötigen, dann könnten sie natürlich Interesse an den gewinnbringenden Verkauf von Energieakti-

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vitäten haben. Vielleicht gibt es auch manche örtliche Behörde, die ihre eigene Rolle nur auf die der Markterleichterer ohne Eigentum beschrän-ken möchte. In diesem Fall wird demzufolge in Zukunft nur noch eine äußere Kontrolle ausgeübt werden. Dass die Kommunen in diesem Bereich dann überhaupt keinen Einfluss mehr haben werden, ist gefähr-lich. Noch einmal zurück zum Risiko eines eventuell erzwungenen Verkaufs. In den letzten Jahrzehnten ist die politisch-ideologische Idee, dass die Anwesenheit von öffentlichen Behörden im Energiebereich nicht not-wendig sei, vorangetrieben worden. Nun besteht aber auch das Risiko einer vollständigen Privatisierung der Energieversorgung, sowie einer Verstärkung des sich heute im kommerziellen Markt bildenden europä-ischen Oligopols. Die Debatte über den ISO und ITO ist im Augenblick nicht so wichtig für die Verteilungsnetzbetreiber. Kommt sie in Zukunft wieder auf den Tisch, dann darf nicht aus den Augen verloren werden, dass ein Aktionär bei einer ISO- oder ITO-Struktur mindestens genauso viel Risiko hält wie im Fall einer eigentumsrechtlichen Entflechtung. In beiden Situationen handelt es sich nämlich um Eigentum ohne Verfü-gungsrecht. Ein weiteres Risiko ist auch, dass der Netzbetrieb selbst in die Hände des kleinen Clubs der großen Player kommt. VI. Einbindung von Kommunen in die Netzinfrastruktur Die belgische Erfahrung ist ein schönes Beispiel der Einbindung von Kommunen in die Netzinfrastruktur. Natürlich sind den Anforderungen der ersten Energiebinnenmarkt-Richtlinie zufolge auch in Belgien auf belgisch-nationaler (föderaler) Ebene und auf regionaler Ebene neue Gesetze verfasst worden. So gibt es in Belgien vier Regulatoren: einen nationalen und einen pro Region. Die Regionalbehörden und die Kom-munen haben teilweise unterschiedliche Beschlüsse im Rahmen des Netzeigentums gefasst. Bei allen muss aber die Erhöhung des Anteils der Kommunen an allen belgischen Verteilungsnetzbetreibern innerhalb eines gesetzlich festgelegten Zeitrahmens stattfinden. In Flandern und in der Region Brüssel hielten die Kommunen vor der Marktöffnung durch-schnittlich weniger als 50 % des Anteils in ihren Händen. Die Marktöff-nung, die bis 2003 in der Region Flandern durchgeführt wurde, hat die Kommunen dazu verpflichtet, einen Eigentumsanteil von 70 % zu errei-chen. Bis 2018 müssen alle Verteilernetze 100 %-iges Eigentum der Kommunen werden. In Wallonien kann schon jetzt der gleiche Trend beobachtet werden: von durchschnittlich weniger als 50 % im Jahr 2003, auf mehr als 50 % im Jahr 2007 und mindestens 75 % im Jahr 2018.

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Das heißt, dass die nun an vielen Verteilerunternehmen beteiligten Pri-vatunternehmen oder Privatpartner als Aktionär aus dem Verteilnetz ver-schwinden werden oder nur einen Minderheitsanteil von 25 % haben werden. Der gemeinsame Anteil aller belgischen Gemeinden an den Übertra-gungsnetzbetreibern ist bei der Marktöffnung im Jahr 2003 – aus eige-nen Überlegungen – vergrößert worden. Dies war aber auch der Fall, da es keine nationale oder regionale Initiativen gab. Demzufolge wurde mit den kommunalen Holdings zusammen beschlossen in dieses Netzunter-nehmen einzusteigen. Die Föderalregierung hat diesen Einstieg auf poli-tischer Ebene ermöglicht. Nun gibt es auch gesetzliche Initiativen die darauf abzielen, den Anteil der dominanten privaten Aktionäre (Suez-Electrabel) an den Übertragungsnetzen zu beschränken – sogar bis unter die Grenze des Minderheitsaktionärs von 25 %. So ist der Anteil der Gemeinden an dem von Elia betriebenen Strom-transportnetz im Jahr 2003 auf 30 % festgelegt worden. Die Gemeinden sind 2008 mit 35 % (und mit dem Teil von Suez-Gaz de France beschränkt auf 25 %) zum größten Anteilseigner geworden. Auch am von Fluxys betriebenen Gastransportnetz haben die Gemein-den einen Anteil, nämlich durch Publigas. Diese Holding war 2003 mit 25 % Minderheitsaktionär. Mit 45 % befindet Publigas sich zurzeit auf gleicher Ebene mit Suez-Gaz de France. 2010 wird Publigas zum größ-ten Anteilseigner mit einem Anteil von 51 %. Der Höchstanteil für Suez-Gaz de France soll auf 39 % beschränkt werden. „Höchst“, weil es nun doch eine gesetzliche Initiative gibt um den Anteil von Privatgruppen unter 25 % herunterzubringen. Bei der Strom- und Gasversorgung oder -verkauf, haben die Kommunen ihren Anteil aus eigenen Überlegungen beschränkt. In den Gebieten, in denen Electrabel an den Verteilerunternehmen beteiligt war, haben die Kommunen ihren Anteil in dem kommerziellen Unternehmen Electrabel Costumer Solutions stark begrenzt. In den rein kommunalen Unterneh-men haben die Kommunen immer noch einen Anteil von 49 % an ihren selbstgegründeten kommerziellen Stromtöchtergesellschaften. Die Kommunen haben auch einen Anteil an Distrigas2, das jetzt an ENI verkauft wurde. Es stellt sich die politische Frage ob die Anwesenheit der Kommunen in gasverkaufenden Unternehmen weiterhin sichergestellt

2 Größtes belgisches Gasverkaufsunternehmen.

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werden muss oder nicht? Die Bürgermeister und Kommunen haben natürlich Interesse an großen Mengen Geld die sie plötzlich aus dem Gasbereich bekommen können. Derzeit haben die Kommunen noch einen Anteil von 31 % von dem sie wahrscheinlich noch einen Teil verkaufen werden. Ziel ist zugleich den Anteil der Kommunen am Gastransportnetz zu erhöhen. Einige Kommunalbehörden sind auch mit 100 % an der Erzeugung er-neuerbarer Energien beteiligt. Jedoch sieht das Gesetz eine ziemlich starke Trennung zwischen den netzbetreibenden, stromverkaufenden und stromerzeugenden Unternehmen vor. VII. Schlussfolgerungen Wenn wir Wettbewerb nicht als ein Ziel betrachten, sondern als ein Mittel um den Kunden die Wahlmöglichkeit und dadurch bessere Preise und Dienstleistungen zu sichern, dann braucht der Markt eine Vielfalt von Marktteilnehmern – großen, kleinen, privaten und öffentlichen. In der ganzen Debatte über Entflechtung ist es wichtig, dass diese Tat-sache immer wiederholt wird. Eigentumsentflechtung, ISO und ITO sind gefährlich, wenn sie im Verteilerbereich angewendet werden. In diesem Bereich riskiert man dadurch die Privatisierung von kommerziellen Ener-gietätigkeiten und die Reduzierung der Marktteilnehmer. Aus welchem Grund müssen die Kommunen Anteilseigner bleiben? Sie sind notwendig um die Zielsetzung eines Gleichgewichts zwischen Kosteneffizienz und den allgemeinen Interessen zu erreichen. Double digit-Renditen sind nicht notwendig, eine Optimierung des Gewinns reicht aus. Die Anwesenheit der Kommunen als Anteilseigner erhöht die Achtung für soziale Ziele und Umweltziele, sichert die Qualität der Dienstleistung der Strom- und Gasnetze und garantiert auch in länd-lichen Gebieten eine langfristige Versorgungssicherheit.

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Wolfgang Bühring* Wege aus der Energie- und Klimafalle?! Anhand des Beispiels der Stadtwerke Speyer erörtert der Geschäfts-führer, wie sich ein kommunales Unternehmen der Umweltverantwortung aktiv stellen kann. Er identifiziert 10 Erfolgsfaktoren und nennt die 10 wichtigsten Energieleitlinien der Stadtwerke Speyer. I. Erfolgsfaktoren 1. Knowhow über regenerative Anlagen im Unternehmen aufbauen 2. Verständnis über zukünftigen Nutzen der Anlage und Preisunter-

schied durch hohe Anfangsinvestitionen schaffen. Konzeptkommunikation, WP-Testat, Öffentlichkeitsarbeit, Beratung

3. Vertrauen durch serviceorientiertes und kundenfreundliches Han-deln schaffen.

4. Nur schrittweise, dem Baufortschritt entsprechend investieren 5. Modernste Wärmenetz und Wärmetauschertechnologie einsetzen 6. Speichereinsatz 7. Anlagenplanung muss mit dem Ist-Zustand (Bedarfszustand) iden-

tisch sein. 8. Identität zwischen städtebaulicher Planung (WohnNutzflächen) und

anschließender Bebauung vor Investition herstellen 9. Leitwartenmonitoring aller Anlagen und Bauteile um Erzeugungs-

einbußen zu vermeiden, Störungen schneller zu erkennen, Perso-nalkosten auf ein Minimum zu reduzieren und Energieberichte daraus abzuleiten

10. Günstiger Komponenteneinkauf mit Partnern zum richtigen Zeit-punkt

* Wolfgang Bühring ist Geschäftsführer der Stadtwerke Speyer GmbH.

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II. SWS aktiv für Klimaschutz- und Energieleitlinie 1. Die Nutzung von vorhandener Kraftwerks- und Industrieabwärme

soll Vorrang vor der Errichtung neuer Wärmeerzeugungsanlagen haben.

2. Das vorhandene Fernwärmenetz ist auf weitere Verdichtungsmög-lichkeiten zu untersuchen.

3. Es ist nach weiteren Standorten zu suchen, an denen aus regenera-tiven Einsatzstoffen Wärmebedarf gedeckt werden kann.

4. An allen Wärmebedarfsstandorten ist zu prüfen, ob eine Kraft ge-koppelte Wärmeerzeugung (KWK) wirtschaftlich zum Einsatz kom-men kann.

5. Die Nutzung der Sonnenenergie durch Solarthermieflächen soll weiter ausgebaut werden.

6. Die Nutzung der Sonnenenergie zur Stromerzeugung ist weiter aus-zubauen.

7. Es soll weiterhin nach wirtschaftlich geeigneten Windkraftstandorten gesucht werden.

8. Die Erzeugung von Wärme aus oberflächennaher Geothermie, Was-ser oder Luft mit Wärmepumpensystemen soll ausgebaut werden.

9. Die Straßenbeleuchtung soll mit modernen, Strom sparenden Leuchtmitteln ausgerüstet werden.

10. Zur Steigerung der Energieeffizienz sind gezielte Energieberatungs-aktionen durch die SWS zu organisieren.

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Herbert Reul* Europäische Rahmenbedingungen Energiepolitik ist zunehmend europäisch geworden. So gibt es in der europäischen Politik seit 2007 zwei große Blöcke an Beschlussfassun-gen. Der erste umfasst alles, was mit dem dritten Binnenmarktpaket zusammenhängt.1 Der zweite Block umfasst das Paket, das noch in die-sem Jahr zum Abschluss gebracht werden soll, das Energie- und Klima-paket vom 23. Januar 2008.2 Das zweite Paket ist für kommunale Unter-nehmen im ersten Moment vielleicht noch nicht von größter Bedeutung. Trotzdem sei kurz zumindest der Hinweis darauf erlaubt. Die Kernfrage der Energiepolitik lautet auch auf europäischer Ebene: Wie bekommen wir ausreichend Energie zu günstigen Preisen und wie schaffen wir es gleichzeitig noch, dass die Energienutzung und Energie-herstellung die Umwelt nur in begrenztem Maße beeinflusst? Diese drei großen energiepolitischen Zielsetzungen sind seit 2007 viel zu einseitig diskutiert worden. Seit 1 ½ Jahren wird nur noch über Klimapolitik, aber kaum noch über Versorgungssicherheit diskutiert, obwohl die Frage viel bedeutsamer ist. Der Klimawandel ist der Renner der Saison und dieser steht im Fokus aller Diskussionen. Darauf konzentrieren wir alle politischen und finan-ziellen Ressourcen. Man muss kein Prophet sein, aber es wäre nicht verwunderlich, wenn in wenigen Jahren ein Aufschrei des Entsetzens zu hören sein und hinterfragt wird, ob das aktuell Beschlossene wirklich klug war. Möglicherweise sagen das dann dieselben Leute, die das Ganze in Gang gesetzt haben, und fragen dann, "habt ihr eigentlich die Ressourcen richtig eingesetzt und was war eigentlich der Ertrag dieser ganzen Veranstaltung?" Im Zusammenhang dieser beiden großen Pakete ist natürlich für die Kommunalwirtschaft das erste von größter Bedeutung. Im letzten Jahr wurde relativ viel Zeit damit erbracht, die Frage der eigentumsrechtlichen Entflechtung anzupacken. Aus heutiger Perspektive wurde zu viel Zeit damit verschwendet, die Kommission daran zu hindern, ihren dicken

* Herbert Reul ist Mitglied des Europäischen Parlaments, Brüssel. 1 Siehe Beitrag von Herrn de Block, S. 61 bis 68 in diesem Heft. 2 Das Klima- und Energiepaket wurde im Dezember 2008 verabschiedet und das dritte Binnenmarkt-

paket im April 2009.

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Kopf durchzusetzen. Dass sie ihn am Ende doch nicht würde durchset-zen können, war von Anfang an erkennbar. Vor allem auch, weil die Daten-Fakten-Lage falsch dargestellt wurde. Die Kommission hatte versprochen, dass nach der Trennung von Netz und Vertrieb günstigere Preise kommen und damit zugleich ein wichtiger Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet würde. Der Industrieaus-schuss des Europäischen Parlaments hat darauf hingewiesen, dass anhand eines kleinen Beispiels wie Großbritannien das Gegenteil bewie-sen werden kann. Doch das wurde nicht akzeptiert. Im politischen Bereich wurden dann im Parlament bei Strom Beschlüsse gefasst, die nicht zufriedenstellend waren. Bei Erdgas hat sich das Europäische Parlament schon ein bisschen geöffnet und auch eine dritte Option zugelassen. Der Rat hat natürlich dann einfach gesagt, "wir wollen die dritte Option bei Strom und Gas". Das ist nun im politischen Kompromiss auch fest-geschrieben worden. Das Parlament muss sich jetzt irgendwann ent-scheiden, ob es auf diesen Kompromiss eingehen oder ob es eine Eini-gung blockieren will. Wahrscheinlich wird die im Rat gefundene Einigung angenommen. Auf jeden Fall wird es am Ende unterschiedliche Optionen geben.3 Das ist auch klug so, weil die Ausgangslagen verschiedenen sind. Damit wird übrigens keine der wichtigen Fragen gelöst. Vor allem nicht die Frage, wie eigentlich günstigere Preise geschaffen werden können. Diese Frage ist und bleibt von höchster Bedeutung. Währenddessen hat sich das Parlament bei dem zweiten großen Paket angestrengt, politi-sche Entscheidungen zu treffen, die die Preise massiv hochtreiben. So wird der Emissionshandel, um nur ein Beispiel herauszugreifen, nach dem Willen der Mehrheit sowohl im Industrie- als auch im Umweltaus-schuss, die Stromkosten in Deutschland bis 2020 um bis zu 50 Prozent erhöhen. Am Ende wird wieder keiner die Verantwortung hierfür getragen haben wollen. Aber so ist das heute in der Energiepolitik: Während auf der einen Seite die Kostensteigerung beklagt und so mancher schon nach Sozialtarifen für Strom und Gas ruft, werden auf der anderen Seite zu-gleich Maßnahmen beschlossen, die, wie das Energiewirtschaftliche

3 Tatsächlich setzte sich der Rat in diesem Punkt gegenüber dem Europäischen Parlament durch.

Der Endkompromiss sieht den so genannten dritten Weg als Option in der Strom- und in der Gas-richtlinie vor.

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Institut an der Universität Köln errechnet hat, zu einer Erhöhung der Strompreise um 50 Prozent führen werden. Genau dies ist zutiefst beunruhigend, weil in der Energiefrage ein gigan-tisches Problem zu lösen ist. Wie kann eigentlich auf lange Dauer aus-reichend Energie gesichert werden? Wie kann dies zu günstigen Preisen erfolgen? Und natürlich auch die Frage, wie dies mit einer möglichst geringen Belastung der Umwelt zu realisieren ist. Das sind nicht ganz leicht zu beantwortende Fragen. Bedauerlicherweise kann man solch schwierige Fragen auch nicht mit einer einfachen Hopplahopp-Antwort beantworten. Das ist einfach so und das wissen wir im Grunde auch. Vielleicht ist es der gute Teil der Botschaft, dass das Ownership Unbundling beim Fernleitungstransport nicht als Verpflichtung für alle durchgekommen ist. Dadurch wird der Spielraum etwas größer. Der nächste Schritt der Europäischen Kommission hätte sonst auch die Ver-teilerebene und damit in Deutschland die Kommunen getroffen. Denn die Kommission, insbesondere die in hohem Maße ideologisierte General-direktion Energie, geht, Versprechen hin oder her, wenn es sein muss, durch Wände. So schnell hören die nicht auf, auch wenn sie sich ver-rannt haben. Insofern ist die Schlacht um die eigentumsrechtliche Ent-flechtung vorerst gewonnen. Das ist wichtig. Das ist wichtig, weil wir damit Spielräume gewinnen. Und dann gibt es ja noch ein Thema, das vielleicht etwas vom Gegen-stand des Vortrags abweicht, vielleicht aber auch nicht. Es war in den letzten Tagen sehr aktuell, wenn es auch ein anderes Feld betrifft: Die Finanzwirtschaft in der Welt – ein Erlebnis der besonderen Art. Die Krise führt plötzlich dazu, dass alle nachdenklich werden, ob Wettbewerb und Privatisierung die einzigen Wege sind, mit denen Probleme gelöst wer-den können. Ob es nicht klug sein kann, auch kommunalen Unterneh-men eine stärkere Rolle zukommen zu lassen. Eine kurze Anmerkung in Klammern: Dass bei dem ganzen Ownership Unbundling interessanterweise die staatlichen Energiekonzerne unan-getastet geblieben wären, ist die absolute Verrücktheit dieser Veranstal-tung gewesen. Hier hätte es nach dem Willen der Europäischen Kom-mission ausgereicht, die Zuständigkeit für die Erzeugung und den Ver-trieb auf zwei unterschiedliche Ministerien zu verteilen. Die Staaten, die ihre Unternehmen verstaatlicht haben, sollten auch in Zukunft weitermachen wie bisher, während diejenigen, die auf dem Wege der Privatisierung weiter gekommen sind, dafür bestraft werden

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sollten. Lange Rede kurzer Sinn: Die Chance für mehr Wettbewerb ist da, und die Antwort kann nur dadurch gegeben sein, dass man eine ordentliche Wettbewerbskontrolle realisiert. Bei den Agenturen und Kartellbehörden ist die entscheidende Frage, ob die finanzielle und personelle Ausstattung ausreichen wird, um dafür zu sorgen, dass andere große, kleine, mittlere, staatliche, private Unter-nehmen die Möglichkeit haben werden, auf dem Markt zu entstehen und zu bestehen, damit zum Nutzen des Verbrauchers am Ende das Beste herauskommt. Gerade die Tatsache, dass es nicht eine Antwort gibt, sondern einen Pluralismus, zeichnet eine offene Gesellschaft aus. Und dass die Kommunalwirtschaft einen neuen Stellenwert bekommen hat, kann man spätestens an der Rolle der Sparkassen in den letzten Wochen und Monaten ablesen. Das sind ganz interessante Entwicklun-gen, die aber auch nicht dazu führen dürfen, nun zu glauben, dies wäre die einzige Lösung. Das ist genau so unsinnig. Es kommt entscheidend auf die richtige Mischung an. Auch die großen Player sind notwendig. Und: Zu diesen großen Playern in der Energie-wirtschaft, zur Wirklichkeit der Energiewirtschaft gehören auch die gro-ßen deutschen Player. Denn wenn es die großen deutschen Player nicht gibt, dann gibt es demnächst nur einen großen französischen Player und gar keine deutschen mehr. Das geht auch. Aber damit ist ja das Problem auch nicht gelöst. Ein paar große deutsche Player sind begrüßenswert, neben den kom-munalen Unternehmen und den anderen. Es muss aber auch dafür gesorgt werden, dass die Unternehmen aus den anderen Ländern auf dem deutschen Markt anbieten können. Munterer Wettbewerb hat noch nie geschadet. Er muss nur fair sein. Das bedeutet, dass die Bedingun-gen stimmen müssen. Und deshalb ist viel entscheidender, wie mehr Kapazitäten aufgebaut und der grenzüberschreitende Energiefluss aus-gebaut wird. Die Frage der Interkonnektoren ist zum Beispiel viel bedeutsamer als die nach der eigentumsrechtlichen Entflechtung. Wie bekommt man genug Netzkapazitäten? Wer baut die Netze? Wer hat denn Lust, noch Netze zu bauen, wenn er nichts dabei verdient? Ist gewollt, dass einzelne, auch ausländische, Unternehmen oder Fonds nur in die Netze investieren? Der Vorschlag der Europäischen Kommission, nur mit Verboten zu rea-gieren, vor allem in Form der Dritt-Staaten-Klausel, wird wohl schon

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daran scheitern, dass er rechtlich gar nicht zu realisieren ist. Das wusste jeder vorher. Es war nur die Beruhigungspille, damit dann einige Mit-gliedstaaten, insbesondere aus Osteuropa, überhaupt beim Ownership Unbundling mitmachen. Damit sollten einige Parlamentarier zur Zustim-mung bewegt werden und jetzt wird die Sache aufgelöst über den Rat, weil jeder sieht, dass dies ein Irrweg ist. Interessant ist die Frage, wie Investitionen angestoßen werden können. Investitionen, die an unterschiedlichen Stellen, nämlich im Netz- und im Kraftwerksbereich, dringend benötigt werden. Die Frage des Preises ist wahrscheinlich weniger abhängig davon, ob irgendein deutscher oder sonstiger Politiker die Energiewirtschaft auffordert, die Preise endlich zu senken, sondern hängt mehr davon ab, ob neue Kraftwerkskapazitäten entstehen. Durch die Erhöhung der erzeugten Strommenge erhöhen sich die Chancen, die Preise etwas günstiger zu gestaltet. Wird investiert? In Deutschland gibt es einige Kraftwerksprojekte, doch werden hier vorwiegend alte Kapazitäten ersetzt, die vom Netz genom-men werden. Mit den aktuellen Plänen der Kommission besteht tatsäch-lich die Gefahr, dass künftig keine Investitionen in Netze und Kraftwerke mehr getätigt werden. Das ist ein dramatisches Problem. Natürlich wird die Welt nicht zusammenbrechen, wenn außerhalb Deutschlands in Kraftwerke investiert wird und der Strom dann importiert wird. Aber das ist für Deutschland nicht das Richtige, allein schon aufgrund der länge-ren Strecken, die überwunden werden müssen, und der damit verbunde-nen Leistungsverluste. Dass in diesem Konzert die Kommunalwirtschaft einige Vorteile haben, weil sie dezentral, näher am Verbraucher, spontaner, kurzfristiger und damit schneller reagieren kann, ist klar. Das Beispiel aus Speyer war interessant.4 Aber auch da muss man aufpassen. Das ganze Energiepro-blem der Zukunft wird vermutlich nicht durch den Einsatz erneuerbarer Energien befriedigend gelöst werden können. Natürlich ist der Ausbau erneuerbarer Energien jetzt möglich, weil mit dem Instrument des EEG5 eine sehr hohe Finanzierung vorhanden ist. Und dieses Instrument muss auch benutzt werden, solange es diese Förderung gibt. Dennoch muss die Politik die Frage stellen: Ist es das richtige Förder-system? Bei erneuerbaren Energien sollte doch die Frage entscheidend sein, ob nicht ein anderer Weg, zum Beispiel ein Zertifikatehandel in der gesamten EU, nicht der bessere wäre. Doch dafür gibt es in Brüssel lei- 4 Siehe Beitrag von Herrn Bühring, S. 69 bis 70 in diesem Heft. 5 Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 29.03.2000.

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der keine Mehrheiten. Die Kommission hat, das ist nicht oft der Fall, einen klugen Vorschlag gemacht. Der Vorschlag hätte möglicherweise dazu führen können, dass in die erneuerbaren Energien dort investiert wird, wo der höchste Effekt erzielt werden kann. Sonnenenergie in südli-chen Ländern scheint etwas intelligenter als in Finnland. Auch, dass in Deutschland mehr in Windenergie investiert wird als in Großbritannien, wo nicht nur der Wind deutlich schärfer bläst, sondern auch die Küste um ein Vielfaches länger ist, ist nicht so besonders intelligent. Das heißt nicht, dass nichts gemacht werden soll, sondern es heißt, dass dafür gesorgt werden muss, das Geld möglichst effektiv eingesetzt wird. Noch eine Anmerkung um zu zeigen, warum die kommunale Wirtschaft hier ein wichtiges Betätigungsfeld hat. Ein gigantisches Problem wird im Bereich der Steigerung der Energieeffizienz liegen. Die Menschen wer-den nicht dazu veranlasst, sparsam mit Energie umzugehen oder sie effektiver einzusetzen, indem dies verordnet wird. Im Europäischen Par-lament wurde bisher eine drei Seiten umfassende Liste mit Beschlüssen gefasst, wie viel Prozent von wie vielen Menschen wann eingespart wer-den sollen. Das hat die Leute überhaupt nicht interessiert. Allerdings hat zum Beispiel die Klassifizierung der „Weißen Ware“, diese A-B-C-Klas-sen, dazu geführt, dass die Leute beim Neukauf nicht nur auf den Anschaffungspreis achten, sondern auch auf die Folgekosten durch den Verbrauch. Offensichtlich braucht man also keine Verbote, sondern einen anderen Mechanismus. Eine wichtige Hilfe dabei ist eine Beratung, ein Sich-Kümmern um den Verbraucher. Die Schornsteinfegermeister haben auf die Frage, wie die Leute ihre Heizkessel auswählen, oder auch auf die, ob sie sie erneuern, mehr Einfluss als alle Politik dieser Welt. Weil sie nahe am Verbraucher sind und weil sie einen hohen Vertrauensbonus genießen. Hierin liegt auch ein Riesenvorteil für die Kommunalwirtschaft. Hier kann eine Menge bewirkt werden, und zwar an vielen kleinen Stellen, die in der Summe eine Menge ausmachen, weil die Einsparkapazitäten nicht primär in Neubauten liegen, das weiß jeder, sondern natürlich im Gebäudebestand, der modernisiert werden muss. Dies ist ein Feld, das wahrscheinlich erst in Ansätzen behandelt wurde. Hier liegt ein giganti-sches Potenzial, übrigens auch ein wirtschaftliches Potenzial, das auch

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bei der Beantwortung der Frage nach dem vernünftigen Umgang mit Energie hilft.6 Soweit die Zuspitzung in wenigen Sätzen auf das, was vielleicht für die Debatte der nächsten Monate noch spannend sein kann. Denn das Ende ist noch lange nicht erreicht. Dadurch, dass die Finanzkrise den einen oder anderen etwas nachdenklich gemacht hat, haben wir ein bisschen Zeit gewonnen, so ist zumindest zu hoffen. Es ist heute klarer als zuvor, dass man nicht einfach so weitermachen kann, sondern schauen muss, ob das vielleicht alles so richtig gewesen ist. Wenn man dieses Zeit-fenster jetzt nutzt, um nochmals neu zu justieren, wo welche Schwer-punkte sind, und auf welche Regelungsmechanismen der Staat setzen muss, dann könnte man ein Stückchen weiter kommen. Noch ein winziges Beispiel für die Verrücktheit der heutigen Debatten. Damit hat die Kommunalwirtschaft nichts zu tun, die Energiepolitik aber schon. Natürlich ist es bei der Frage, weniger CO2 zu produzieren, auch klug, ja, sogar zwingend notwendig, darüber nachzudenken, wie man bei Kohlekraftwerken neue Technologien finden kann, um CO2 abzuschei-den, also CCS-Technologie. Ob es allerdings richtig ist, dass die Politik, und am besten noch das Europäische Parlament, beschließt, von wel-chem Jahr an, wie viel dieser neuen Technologien, und zwar genau die-ser Technologien, eingesetzt werden müssen, das ist indiskutabel. Dies ist nicht der Job von Politikern. Der Job der Politik ist, rechtlich die Rahmenbedingungen zu ändern, damit dann, wenn die Technologie ausgereift ist oder Investitionsentscheidungen ausgereift sind, die Indus-trie auch investieren kann. Dazu gehört auch, keine utopischen Vorstel-lungen zu vermitteln. Das führt nur zu Protesten gegen jegliche Form der Energieerzeugung: Kernenergie? Nein danke! Kohlekraftwerke? Nein danke! Windräder? Nicht in meiner Nähe! Wenn gegen alles protestiert wird, wird am Ende gar nichts mehr gebaut. Wir sind jetzt alle dafür, diese CO2-Abscheidung und -Speicherung zu organisieren. Doch wenn die entsprechenden Pipelines gebaut werden sollen, wird es massiven Widerstand von der Bevölkerung geben. Die Ankündigung von RWE, im Rhein-Main-Gebiet ein Kraftwerk zu bauen und in Schleswig-Holstein möglicherweise CO2 einzulagern, hat ja schon zu einer größeren Aufregung quer durch die halbe Republik geführt. 6 Die Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2002 über das

Energieprofil von Gebäuden wird derzeit überarbeitet und soll im Gebäudebereich noch stärkere Effizienzsteigerungen erbringen.

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Der Job von Politikern ist es, dafür zu sorgen, dass Forschungsgelder investiert werden, damit Innovationen und die Markteinführung neuer Produkte erleichtert werden, weil es in diesen Bereichen eben Zeitdruck gibt. Das ist eine Aufgabe, die Politik zu erfüllen hat. Das kleine Beispiel soll nur ein wenig dafür werben oder Verständnis wecken, dass in der Frage, worauf Politik Einfluss hat, man sich auf die zentralen Aspekte konzentrieren und auch nicht falsche Erwartungen bei den Bürgern wecken sollte, die nachher nicht zu erfüllen sind. Ein Beispiel hierfür ist, wie mancher Politiker mit großem öffentlichem Getöse auf die großen Energiekonzerne eindrischt, weil das so leicht ist, und jeder meint, das wäre die Lösung des Problems. Das eigentliche Problem der Preisentwicklung liegt aber woanders. Wenn man sich anschaut, wie sich weltweit die Nachfrage entwickelt, in China, in Indien und in den anderen Staaten, wird das eine fröhliche Veranstaltung werden. Vor allem, wenn diese Staaten nur ansatzweise an die Energienachfrage kommen würden, die wir schon heute pro Kopf erreichen. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Davon zu reden, dass mor-gen die Welt untergeht, hilft in der Regel auch nicht, sondern es hilft eigentlich nur, wenn man das eigene Gehirn anstrengt, um Lösungen zu finden, die differenziert sind, denn diese sind in der Regel die besseren. Differenziert heißt auch, dezentral Energie zu produzieren. Aus kommu-nalpolitischer Sicht und mit Blick auf die Energieversorgung ist dies durchaus sinnvoll und wichtig.

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Workshop 2: Abfall- und Abwassersektor

Referenten:

Thomas Lorenz Kommunalisierung der Abfallwirtschaft im Rhein-Hunsrück-Kreis

Norbert Schmidt Wasserwirtschaft in kommunaler Hand muss wettbewerbsfähig werden

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Thomas Lorenz* Kommunalisierung der Abfallwirtschaft im Rhein-Hunsrück-Kreis I. Einleitung In den letzten Monaten wird häufig der Begriff Rekommunalisierung im Zusammenhang mit der Übernahme von ursprünglich an private Dritte vergebene Aufgaben strapaziert. Handelt es sich dabei wirklich um eine Rekommunalisierung oder müsste es bei genauerem Hinschauen nicht heißen: Selbsterledigung von bereits seit langem hoheitsrechtlich über-tragenen Aufgaben. Um diese Frage beantworten zu können, lohnt es sich die Entwicklung der Abfallwirtschaft näher zu betrachten. Die geordnete Abfallentsorgung, wie wir sie heute kennen, ist im Ver-gleich zur Zivilisation des Menschen recht kurz. So hatten weitgehend alle Gemeinden und Städte bis ins 20. Jahrhundert hinein so genannte Müllkippen, Schuttlöcher etc., wo der gesamte Abfall landete und ver-scharrt wurde. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts noch sehr viele Gegenstände repariert, um-gebaut oder an folgende Generationen weitergegeben wurden und somit das Müllaufkommen deutlich geringer war als heutzutage. Erst mit dem Wirtschaftswunder setzte eine Wegwerfwelle ein, die 1972 in Deutsch-land erstmals zu einem Gesetz zur Beseitigung von Abfällen führte. Zum 1. Januar 1973 wurde die Abfallbeseitigung auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen. Die Verantwortung der Abfallentsorgung liegt somit seither in den Händen der Kommunen. Rekommunalisierung heißt das neue Schlagwort, unter dem viele etwas anderes verstehen, als es eigentlich bedeutet. Denn die Abfallentsor-gung wird nicht wieder von den Kommunen zurückgenommen, sondern operative Aufgaben, die überwiegend an Dritte sozusagen als Erfül-lungsgehilfen vergeben waren, werden von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern vermehrt in eigener Verantwortung selbst ausge-führt.

* Thomas Lorenz ist kaufmännischer Vorstand der Rhein-Hunsrück Entsorgung AöR.

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Die Entscheidung, die einige Kommunen nach intensiven Diskussionen und Begutachtungen dazu brachte, die Abfallsammlung in die eigenen Hände zu nehmen, liegt oftmals darin begründet, den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin stabile Gebühren anbieten zu können. Die entstan-dene Marktsituation bzw. -konzentration auf einige wenige privaten Marktteilnehmer hat die Kommunen veranlasst, marktregulierend einzug-reifen. Als weiterer Entscheidungsfaktor spielt der Umgang mit Mitarbei-tern, denen ein sicherer Arbeitsplatz zu sozialen Bedingungen und ein tarifrechtlich gesichertes Einkommen geboten werden kann, eine bedeutende Rolle. Auch das Einhalten von Umweltstandards für eine nachhaltige Entwicklung wird von der Öffentlichkeit sehr genau beob-achtet und hat sich bereits seit der Einführung einer geordneten Abfall-wirtschaft und der hoheitlichen Übertragung auf die Kommunen bewährt. Denn schließlich dient eine Abfallwirtschaft auf hohem ökologischem Niveau auch dem Grundwasserschutz. Gerade an dieser Einstellung werden die öffentlich-rechtlichen Entsorger stark gemessen. Die Aus-lastung der eigenen Entsorgungsanlagen kann ebenfalls als Grund für die Übernahme der operativen Geschäfte genannt werden. Viele Kom-munen können mit der selbständigen Durchführung der Abfallsammlung und des -transports die Wirtschaftlichkeit ihrer Entsorgungsanlagen sichern. Wichtig im Gesamtzusammenhang ist, dass bei den öffentlich-recht-lichen Entsorgungsträgern die Dienstleistung für den Kunden im Mittel-punkt steht (Citizen Value) und nicht der sogenannte Shareholder Value, bei dem die Rendite und Gewinnmaximierung im Vordergrund steht und von dem in der Regel nur wenige profitieren. Die Gründe aus denen die Kommunen nunmehr auch das operative Geschäft der Abfallentsorgung in den eigenen Aufgabenbereich integrie-ren sind also sehr vielfältig. II. Realisierung im Rhein-Hunsrück-Kreis Der Rhein-Hunsrück-Kreis mit ca. 106.000 Einwohnern, verteilt auf 132 Ge-meinden, wich als erster Landkreis in Rheinland-Pfalz von der bisherigen Vergabepraxis ab. Die Hintergründe dafür lagen insbesondere beim gestiegenen Kosten-druck durch die vor allem im Jahr 2005 geänderten gesetzlichen Rah-menbedingungen. Die Anforderungen an die Abfallbehandlung und Abfallbeseitigung sind ab dem 1. Juni 2005 so enorm gestiegen, dass

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eine Senkung der Gesamtkosten zur Vermeidung einer drohenden 15- bis 20-prozentigen Gebührenerhöhung unbedingt herbeigeführt werden musste. Deshalb wurden bereits 2003 Überlegungen angestellt, wie die Entsor-gung der Abfälle zukünftig weiterlaufen sollte. Eine Kooperation auf dem Gebiet der Restabfallbehandlung mit den Nachbarkreisen Neuwied und Bad Kreuznach leitete die Neuorientierung ein. Der Verbund regelt für die kommenden 20 Jahre die gemeinsame Nutzung einer mechanisch -biologischen Abfallbehandlungsanlage sowie die Ablagerung der vorbe-handelten Restabfälle in Form eines Deponieschließungsprogramms. Dabei werden die vorhandenen Deponien der drei Landkreise in den nächsten Jahren nicht mehr parallel, sondern nacheinander verfüllt. Ins-gesamt führten die deutlich gestiegenen gesetzlichen Anforderungen bei der Restabfallbeseitigung trotz dieser kostengünstigen Kooperation zu zusätzlichen Belastungen des Gebührenhaushaltes, so dass weitere Einsparpotentiale eruiert werden mussten. Da auch durch weitere Optimierungen des Abfallwirtschaftskonzeptes, das schon seit Jahren auf höchstem Niveau im Rhein-Hunsrück-Kreis mit Nachdruck vorangetrieben wurde, keine nennenswerten Finanz-reserven zu realisieren waren, galt das Hauptaugenmerk den bisher fremd vergebenen Logistikleistungen. Der Vertrag mit dem langjährigen privaten Entsorgungsunternehmen lief zudem zum 31.12.2005 aus. Zunächst wurde eine externe Marktpotential- und Wettbewerbsanalyse in Auftrag gegeben, worin eine erste Einschätzung zur vorliegenden regio-nalen Situation erfolgte. Schon hier bestätigte sich die hohe Wahrschein-lichkeit, dass eine Ausschreibung zum damaligen Zeitpunkt zu einem wirtschaftlich ungünstigen Ergebnis führen könnte. Dieses Risiko, dass die Mechanismen des jeweils relevanten Marktes nicht funktionieren und die Ausschreibung nicht die aktuellen und zu erwartenden niedrigeren Marktpreise hervorbringen würden, wurde im Rhein-Hunsrück-Kreis sehr hoch eingeschätzt. Außerdem hatte man bereits 1995 schlechte Erfah-rungen bei einer Ausschreibung im Bereich der Bioabfallverarbeitung sowie 2003 bei der Logistikausschreibung des Dualen Systems Deutschland (DSD) gemacht. Gleichzeitig wurde im Rahmen einer Sollkostenrechnung und unter Zuhilfenahme von bundesweiten Kennzahlenvergleichen des Verbands der kommunalen Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (VKS) ermittelt, zu welchen Kosten die bisher fremd vergebenen Leistungen in eigener Regie erbracht werden können. Die Sollkostenrechnung beinhaltet eine

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umfangreiche Kalkulation der notwendigen Fahrzeuge, Behälter, Infra-struktur etc. sowie des einzusetzenden Personals und den damit ver-bundenen Kosten. Das dabei prognostizierte Einsparvolumen von ca. 30 % der Fremdkosten, rund 1 Mio. Euro jährlich, bei eigener Durchfüh-rung der Sammlung von Sperrmüll, Restabfall, Bioabfall und Papier über-zeugte die politischen Entscheidungsträger. 1. Politische Entscheidung Der Kreistag beschloss daher nach eingehenden Beratungen im Früh-jahr 2004 mit breiter Mehrheit die Sammlung der kommunalen Abfälle in eigener Regie zu übernehmen. Das Projekt war damals einmalig in Rheinland-Pfalz und stellte unter Beweis, dass öffentliche Körperschaf-ten durchaus bereit sind, neue zum Teil schwierige Wege zu beschrei-ten. Die Ziele und konkreten Vorgaben an den Vorstand der Rhein-Hunsrück Entsorgung (RHE) waren klar definiert. Grundsätzlich sollten die anfal-lenden Kosten für die Logistik deutlich gesenkt und das jährliche Ein-sparvolumen von 1 Mio. Euro realisiert werden. In Folge dessen sollten trotz gestiegener Entsorgungskosten Gebührenerhöhungen vermieden werden. Arbeitsplätze in der Region sollten auch durch den sozialver-träglichen Übergang des Personals vom bisherigen Drittbeauftragten soweit wie möglich erhalten bleiben. Weiterhin sollte ein Qualitätssiche-rungs-System bei der Rhein-Hunsrück Entsorgung eingeführt werden. 2. Wahl der geeigneten Rechtsform In einem ersten Umsetzungsschritt galt es die optimale Rechtsform für die künftige neue Aufgabenerfüllung zu ermitteln. Unter Zugrundelegung verschiedener Entscheidungskriterien wie z.B. Steuerliche Optimierung, Flexibilität der Personalwirtschaft oder der Steuerungs- und Kontrollmög-lichkeiten durch den Kreis, wurden die Organisationsformen Eigen-betrieb, GmbH und Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) mit Hilfe einer Nutzwertanalyse gutachterlich bewertet. Dabei zeigte sich, dass die AöR mit Abstand die geeignetste Rechtsform für die künftige operative Auf-gabenerfüllung darstellt. Demzufolge wurde am 1. März 2005 eine An-stalt des öffentlichen Rechts – die Rhein-Hunsrück Entsorgung – gegründet, die aus einem Eigenbetrieb des Landkreises hervorging.

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3. Projektmanagement Der Zeitraum zur Umsetzung des höchst anspruchsvollen Vorhabens war mit rund 21 Monaten Vorlaufzeit eng bemessen und musste detail-liert geplant und durchgeführt werden. Daher galt es zusammen mit dem Beratungsunternehmen Ökon GmbH aus Worms, ein entsprechendes Logistik- und Leistungskonzept für die anstehende Übernahme der Ab-fallsammlung zu entwickeln. Dabei mussten die notwendigen Bescha-ffungsvorgänge wie z.B. für die Müllfahrzeuge oder die Abfallbehälter, aber auch die Personalrekrutierung sowie die Baumaßnahmen für ein Sozialgebäude und für die LKW-Unterstellplätze optimal aufeinander abgestimmt werden. Eng mit dem zukünftigen Personalkonzept war die Frage nach einer neuen rechtssicheren Aufbau- und Ablauforganisation innerhalb der RHE verknüpft. Um das groß angelegte Projekt erfolgreich durchzuführen, mussten in den verschiedenen Aufgabenbereichen Optimierungsprozesse eingelei-tet werden, damit von Anfang an die neu eingeführten Prozesse best-möglich ablaufen konnten. Ein wichtiger Baustein während der Umsetzungsphase war zunächst die Entscheidung über den zukünftigen Standort des Fuhrparks. Dabei kris-tallisierte sich relativ schnell das kreiseigene Gelände der Kreismüllde-ponie in Kirchberg heraus, das zum einen bereits über die notwendige Infrastruktur verfügte und zum anderen verkehrstechnisch in die Ge-samtkonzeption passte. Der dort notwendige Bau eines neuen Sozial-gebäudes für die rund 30 neuen Mitarbeiter konnte schnell und mit einem Investitionsvolumen von 320.000 Euro kostengünstig realisiert werden. Als vorteilhaft erwies sich, dass für die Unterstellung der Müll-fahrzeuge eine ehemalige halboffene Halle ohne allzu große Umbauauf-wendungen benutzt werden kann. Weiterhin mussten bezüglich der Übernahme des Personals vom ehe-maligen Drittbeauftragten intensive Verhandlungen geführt werden. Im Vorfeld war allen Beteiligten klar, dass die betroffenen Bediensteten des ehemaligen Vertragspartners weitgehend übernommen werden sollten. Aufgrund des vorhandenen Erfahrungsschatzes der Müllwerker und vor dem Hintergrund eines möglichst reibungslosen Übergangs, hat der Vor-stand der RHE dies gerne berücksichtigt und dann auch umgesetzt. Die Verpflichtung der Mitarbeiter konnte trotz der hohen Erwartungen des zu übernehmenden Personals einvernehmlich durchgeführt werden. Dabei wurde vereinbart, dass die neuen Mitarbeiter tarifgerecht nach dem neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt werden.

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So konnte ein vielerorts praktiziertes Lohndumping trotz des geplanten Einsparvolumens von 1 Mio. Euro pro Jahr vermieden werden. Durch den Wegfall der bisherigen Überstundenpraxis sind darüber hinaus zusätzlich fünf Arbeitsplätze geschaffen worden. Für den Bereich der Fahrzeuglogistik wurde frühzeitig ein konkretes Anforderungsprofil erstellt, indem die genauen Vorgaben zur Anschaf-fung der notwendigen Fahrzeuge festgeschrieben wurden. Die regiona-len Eigenarten, wie zum Beispiel sehr enge Straßen und schwierige Wendemöglichkeiten, wurden hier ebenso berücksichtigt wie notwendige Wartungsverträge für die Fahrzeuge im Full-Service. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass bei einer LKW-Flotte von 10 Fahrzeugen die Ein-richtung und Unterhaltung einer eigenen Werkstatt sich wirtschaftlich nur schwer darstellen lässt. Die verschiedenen Planungsbereiche wurden so zusammengeführt und integriert, dass die Fuhrparkausstattung mit den Gestaltungsmöglichkei-ten der Arbeitszeitaufteilung verknüpft werden konnte. Die Fahrzeuge sollten in lediglich zwei verschiedenen Ausführungen angeschafft wer-den, wobei auf hohen Bedienkomfort geachtet wurde, damit die Mitar-beiter variabel eingesetzt werden können. Gleichzeitig sollten die Fahr-zeuge zwecks gleichmäßiger Beanspruchung rollierend eingesetzt wer-den können. Daneben galt es die neuen Gestaltungsmöglichkeiten des TVöD zu nutzen. Insbesondere die Einrichtung eines 4 in 5 Arbeits- zeitmodells (4 Tage à 9,625 Stunden und 1 freier Tag statt 5 Tage à 7,7 Stunden) führte zu deutlichen Vorteilen bei den täglichen Maschi-neneinsatzzeiten und dem insgesamt notwendigen Fahrzeugbestand. Mit diesem speziell angepassten Arbeitszeitmodell können Überstunden bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden, wie im öffentlichen Dienst üblich, weitgehend vermieden werden. Die Fahrzeuge sind 48,1 Stunden pro Woche im Einsatz und damit nahezu optimal ausgelastet. Das hier vorgestellte Modell bietet gegenüber den klassischen Modellen ein Ein-sparvolumen von ca. 10 bis 20 %. Durch die sehr konsequent aufeinander abgestimmten Einsätze von Maschinen und Personal konnte somit eine optimal angepasste Touren-planung entwickelt werden, so dass an 5 Wochentagen Abfallsammlun-gen durchgeführt werden können, obwohl die einzelnen Personal-Teams von je 2 Mitarbeitern nur 4 Tage in der Woche arbeiten. Die Beschaffung der notwendigen 10 kommunalen Müllfahrzeuge für rund 1,7 Mio. Euro, bestehend aus Fahrgestell, Aufbau und Schüttung,

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inklusive eines Full-Service-Wartungsvertrages, wurde Anfang 2005 europaweit ausgeschrieben. Der Bestbieter, ein Unternehmen aus Rheinland-Pfalz, erhielt im Sommer 2005 den Zuschlag und lieferte am 21. Dezember 2005 fristgerecht die Fahrzeuge an die RHE aus. Die Übernahme der Abfallbehälter, die sich bis dahin noch im Eigentum des ehemaligen, beauftragten Drittunternehmens befanden, konnte sei-tens der Rhein-Hunsrück Entsorgung kostengünstiger als geplant vollzo-gen werden, da auf die Neuanschaffung verzichtet werden konnte. Posi-tiver Nebeneffekt hierbei war, dass dadurch keine aufwendigen Ton-nentauschaktionen bei den Bürgerinnen und Bürgern notwendig wurden. Außerdem konnte das seit Jahren bestehende chip-gesteuerte Tonnen-erfassungssystem IMES ohne Übergangsschwierigkeiten weiter genutzt werden. Für die RHE war dies ein wichtiger Faktor, weil zusätzliche Kosten eingespart werden konnten. 4. Erfolgreicher Start zum 2. Januar 2006 Der Start der eigenen Sammellogistik zum 2. Januar 2006 verlief auf-grund der sorgfältigen Vorbereitung nahezu problemlos. Die verschiede-nen Teams sammelten mit der neuen Fahrzeugflotte trotz winterlicher Bedingungen pünktlich und zuverlässig die Abfälle ein. Dem Grunde nach hatte sich durch die Personalübernahme außer den neuen LKW-Modellen und –Farben bei einer leicht angepassten Tourenplanung rela-tiv wenig geändert. Die vielfache Aussage aus der Bevölkerung, wir haben gar nichts von einem Wechsel gemerkt, war für die RHE das größte Kompliment und die Bestätigung eines gelungenen Übergangs der Abfallsammlung von der privaten in die öffentliche Hand. Dass auch die Rechnung aufgeht, zeigte eine erste Bilanz nach einem Jahr Betriebserfahrung. Die tatsächlichen Gesamtkosten der Abfallsammlung 2006 für Personal, Fahrzeuge, Kraftstoff, Wartungen und Reparaturen, etc., lagen um fast 1,4 Mio. Euro niedriger im Vergleich zu einer fiktiven Fortführung des bisherigen Vertrages mit dem Drittbeauftragten. Die Mittelrheinische Treuhand GmbH, Koblenz, eine unabhängige Wirt-schaftsprüfungsgesellschaft, hat dieses Ergebnis im Rahmen eines Son-dergutachtens im Frühjahr 2007 testiert. Damit konnte das geplante Ein-sparvolumen von rund 1 Mio. Euro jährlich deutlich übertroffen werden. Auch die Kostenrechnungen der Jahre 2007 und 2008 (vorläufig) bestä-tigen im Übrigen dieses Ergebnis. Zurückzuführen sind die deutlichen Kostenunterschiede unter anderem auf die nicht notwendigen Gewinn-zuschläge, bessere Kreditkonditionen (Kommunalkredit), geringere Gemeinkosten, die vorhandene Infrastruktur sowie die steuerlichen Vor-

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teile. Daneben ergaben sich im Bereich der Papiervermarktung durch die Abfuhrlogistik in eigener Regie weitere wirtschaftliche Vorteile, da nun-mehr 100 % der Papiermengen eigenständig vermarktet werden konnten und die DSD GmbH ein zusätzliches Entgelt für die Mitbenutzung des Systems zahlte. Die Bürgerinnen und Bürger des Rhein-Hunsrück-Kreises konnten an der erfolgreichen Umsetzung des Projektes eigenständige Abfallentsor-gung ab dem 1. Januar 2007 ebenfalls beteiligt werden. Aufgrund der eingangs geschilderten gestiegenen gesetzlichen Anforderungen, die seit 2005 erhebliche Mehrkosten verursachen, drohte dem Grunde nach 2007 eine Gebührensteigerung um durchschnittlich 15 bis 20 %. Daher ist es umso erfreulicher, dass nach über 12 Jahren Gebührenstabilität die Rhein-Hunsrück Entsorgung die Gebühren der Privathaushalte sogar ab 2007 um durchschnittlich 4 % senken konnte, und dies trotz Mehr-wertsteuererhöhung, Energiepreisverteuerung und allgemeiner Preis-steigerungen. Gleichzeitig konnten sozialverträgliche Arbeitsplätze, ohne ein anderenorts zunehmend zu beobachtendes Lohndumping, geschaf-fen werden. Dies war nur möglich durch die Einsparungen im Rahmen der Übernahme der Abfalllogistik ab 2006. III. Fazit Als Fazit lässt sich feststellen, dass für den Rhein-Hunsrück-Kreis die Übernahme der Abfallsammlung und des -transports der richtige Schritt war. Der Zeitpunkt der Umstellung lag günstig und konnte optimal genutzt werden. Das Ziel war von Anfang an klar. Der Weg dorthin war neu und mit Unwägbarkeiten versehen, die keiner im Vorfeld genau abschätzen konnte. Trotzdem konnte die Rhein-Hunsrück Entsorgung die Vorgaben erfüllen. Es wurde viel an personellem und materiellem Einsatz investiert, der sich letztendlich auch für die Bürgerinnen und Bürger des Rhein-Hunsrück-Kreises gelohnt hat. Insbesondere hat sich am Beispiel des Rhein-Hunsrück-Kreises gezeigt, dass kommunale Unternehmen mindestens genauso wirtschaftlich Dienstleistungen erbringen können wie Privatunternehmen. Daher soll-ten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger mehr Mut zeigen und vor der Ausschreibung von abfallwirtschaftlichen Leistungen und unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort sorgfältig prüfen, ob eine Aufgabenerbringung in eigener Regie nicht wirtschaftlich vorteilhafter ist.

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Ist die Entscheidung für eine Durchführung durch ein kommunales Abfallwirtschaftsunternehmen gefallen, müssen sich diese ständig und flexibel den vielfältigen Anforderungen stellen, um langfristige Entsor-gungssicherheit bei bestmöglichem Service, hohem ökologischen Niveau und sozialverträglichen Gebühren sicherzustellen.

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Norbert Schmidt* Wasserwirtschaft in kommunaler Hand muss wettbewerbsfähig werden In der heutigen Zeit wäre es deutlich einfacher zu sagen: Wir sind in ei-ner Wirtschaftskrise. Einen besseren Beweis benötigt man nicht, um aus dem Titel dieses Symposiums1 das Fragezeichen in ein Ausrufezeichen zu ändern. So einfach darf man es sich aber nicht machen. Dass z.B. öffentliche Betriebe automatisch besser wären als private, ist zumindest in Berlin keine These, die man so stehen lassen kann. Ein öffentliches Unternehmen kann gewiss alles genauso gut, wie ein privates Unternehmen. Man muss die Öffentlichen nur lassen; dies bedeutet, sie müssen dürfen. Viele kommunale Unternehmen dürfen gar nicht das, was sie wollen und könnten. Allerdings ist es manchmal schwierig festzustellen, dass kommunale Unternehmen, insbesondere als natürlicher Monopolist, immer wirklich wollen. Ein natürliches Monopol wie Wasser zu privatisieren ist vielleicht nicht die intelligenteste Idee. Nichtsdestotrotz kann man es sich nicht so ein-fach machen, weil am Ende des Tages der Kunde die Rechnung bezahlt. Es bezahlt nicht der Geschäftsführer oder irgendein Verband, sondern der Kunde zahlt den Wasserpreis hier in Berlin und sicherlich auch woanders. Deswegen werden im Nachfolgenden die sechs ausgewähl-ten Thesen ein Stück weit aus Sicht der Kunden beleuchtet. Thesen 1. Solange sauberes Trinkwasser knapp ist, solange wird man versu-

chen, mit der Ressource Wasser Geld zu verdienen. 2. Die aktuelle Wirtschaftskrise wird weltweit die Privatisierung der

Wasserwirtschaft vorantreiben. 3. Eine Diskussion um die Privatisierung in diesem Bereich wird auch

in Deutschland mittelfristig erneut geführt.

* Norbert Schmidt ist Vorstandmitglied der Berliner Wasserbetriebe AöR. 1 Renaissance der Kommunalwirtschaft?

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4. Die bundesweit geltenden Vorschriften und Regeln der Wasserwirt-schaft müssen ergänzt und erweitert werden, insbesondere in Richtung Nachhaltigkeit.

5. Die grundsätzliche Einstellung von Eignervertretern, Gewerkschaf-ten und Geschäftsführern zum öffentlichen Dienst muss sich ändern.

6. Die kommunalen Unternehmen müssen sich mit privaten Unterneh-men vergleichen lassen.

Eine 7. These sei hier bewusst weggelassen. Diese wäre das Problem Brüssel und Wasserwirtschaft, denn schon allein über Themen wie das Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse2, die Aus-schreibungsthematik etc. könnten separate stundenlange Vorträge gehalten werden. Im Nachfolgenden wird die Tatsache im Vordergrund stehen, dass Was-ser ein rares Gut ist, und solange ein rares Gut vorhanden ist, wird es auch Menschen geben, die damit Geld verdienen wollen. Mit der These 2 werden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Wasser-wirtschaft anhand von ein, zwei Punkten diskutiert. These 3 wird sich dann in Richtung Ausrichtung Bundesrepublik Deutschland (BRD) bewe-gen. Zu den Thesen 4 und 5 gibt es ein paar spezielle Punkte zum Thema Wasserpolitik und Rahmenbedingungen – die hier zumindest an-gerissen werden sollen – über die großen politischen Rahmenbedingun-gen hin zu dem Blick der Stakeholder, hier in Berlin, aus Paris anhand einiger Beispiele. These 6 gibt ein paar Empfehlungen an die Akteure, einschließlich der eigenen Person. Denn noch lange ist nicht das erfüllt, was gleich aufgezeigt wird und notwendig ist, aber es muss daran gear-beitet werden. These 1 verdeutlicht noch einmal, ganz abgesehen von politischen Slo-gans, die Tatsache, dass nur 3,5 % des vorhandenen Wassers Süßwas-ser ist und somit verwendbar für unseren Genuss. Allerdings ist das meiste davon im „ewigen Eis“ gebunden – obwohl wir ja daran „arbeiten“ dies zu ändern. Aber im Augenblick sind für uns nur 0,02 % wirklich zu-gänglich. Die Zahlen: 1 Mrd. Menschen haben keinen Zugang zu saube-rem Wasser und jedes Jahr sterben über 4 Mio. Menschen an ver-schmutztem Trinkwasser. Das sind Angaben der Vereinten Nationen! Man kann also gerne in der BRD Diskussionen gegen eine private Was-serversorgung führen, man sollte aber daran denken, dass man nicht

2 EU-Kommission, Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (KOM(2004) 374

endg.).

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aufhören wird über dieses Thema zu diskutieren, so lange diese Zahlen vorhanden sind. Bis dato haben sich die Unternehmen in der deutschen Wasserwirtschaft als Opfer von Privatisierungsdiskussionen empfunden, das heißt, sie mussten immer wieder irgendwelche Gedanken von Eig-nern, diese Wasserbetriebe zu privatisieren, abwehren. Dieser Weg ist verkehrt. Die öffentlichen Unternehmen müssen sich in Richtung Deutschland im Markt ausweiten und insbesondere auch international, dann kommt man nämlich von einer Opferrolle hin zu einer gestaltenden Rolle. In der Bundesrepublik gibt es nur sehr, sehr wenige Wasserunter-nehmen, die national tätig sind, und ganz, ganz wenige, die international tätig sind. Die Berlinwasser International AG (BWI) ist auf Platz 9 der Top Ten, ansonsten gibt es kein weiteres Unternehmen, das diese Grö-ßenordnung erreicht hat. Die BWI ist ein sehr kleines Unternehmen, das heißt, dass man die Abstände deutlich erkennen kann zwischen den französischen Unternehmen und der Berlinwasser International AG. Aber der Markt ist gigantisch. Wenn man einmal das Thema „das muss auch bezahlbar sein“ ein Stück weit beiseite lässt, hat sich die BWI natürlich auf die Staaten beschränkt, in denen unheimlich viel Geld vorhanden ist. In diesen Staaten (z.B. Saudi Arabien) geht man von über 120 Mrd. Euro Bedarf an Wasseraufbereitung, Kläranlagen u.ä. aus. Es gibt viele Leute mit Geld, aber es gibt wenige Leute mit Know-How. Das ist der Vorteil der deutschen Wasserwirtschaft. Das Know-How ist vorhanden, es wird nur leider zu wenig vermarktet. Wenn sich allerdings die deutsche Was-serwirtschaft mit ihrem Know-How mit den Partnern, die das Geld haben, zusammensetzen würde, könnte ein Bedarf gedeckt werden und eine Win-Win-Situation geschaffen werden. Dann wird aus einem kommuna-len Unternehmen kein Opfer, sondern ein Unternehmen, das durchaus auch Geld verdienen kann mit dem Thema Wasser. An dieser Stelle soll auch noch einmal deutlich gemacht werden, dass es auch bezahlbar sein sollte. Dies ist ein Riesenvorteil von kommunalen Unternehmen: sie können etwas anders den Preis gestalten, wenn sie denn am Markt tätig sind. Erste Anfänge sind erkennbar mit German Water Partnership, da sind ungefähr 173 Unternehmen Mitglied, wobei gerade einmal 15 davon wirklich Wasser/Abwasser betreiben. Die Auf-träge, die bis dato darüber gekommen sind, sind im Augenblick noch im Anfangsstadium. Es ist aber zu hoffen, dass dies sich ändert und sich die Partnerschaft aktiver gestaltet. Die meisten sind der festen Überzeugung, dass die jetzige Wirtschafts-krise die Privatisierung reduzieren wird. Sie kann aber auch mittel- bis langfristig genau den gegenteiligen Effekt haben. Dies sei anhand von

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ein oder zwei Punkten deutlich gemacht. Bis dato gab es eine Rendite-erwartung von Unternehmen, die aus der Strombranche kamen, die zu-fälligerweise auch Miteigentümer der Berliner Wasserbetriebe (BWB) sind, die lag ungefähr bei 15-25 %. Man brauchte also nicht irgendeine Idee entwickeln und dort hingehen, wenn man gleichzeitig nicht nachwei-sen konnte, dass dieses Geschäft mittelfristig auch 15-25 % Rendite erbringt. Viele Projekte sind daran gescheitert, wenn diese Rendite-erwartungen nicht realisierbar sind. In anderen Bereichen wurden diese Geschäfte gemacht. Das sind aber genau die Punkte, die in der Vergan-genheit oft dazu geführt haben, dass es Interessenkonflikte gab zwi-schen denjenigen, die miteinander Geschäfte gemacht haben. Die Ren-diteerwartung wurde teilweise künstlich heruntergerechnet und auf der anderen Seite wurde diese Erwartung trotzdem noch aufrechterhalten. Im Nachgang wurden dann Spielchen miteinander getrieben, um zu schauen, wie über das Thema Qualität, Quantität, Personalabbau etc. diese Renditeerwartung wieder zu erwirtschaften ist. Das hat an der einen oder anderen Stelle nicht unbedingt zum Erfolg geführt, so dass dies z.B. in Potsdam zur Rekommunalisierung geführt hat. Die momentane Situation ist so, dass es international an der einen oder anderen Stelle zu Verwerfungen kommt, die zunächst nicht vorstellbar waren. So hat die Stadt Paris den Vertrag mit Veolia und Suez nicht verlängert. Das heißt Veolia und Suez verlieren ihr Kerngeschäft in der Hauptstadt ihres Kernlandes. Wobei es dabei nur um 1,8 Mio. Einwohner in der Innenstadt geht, Paris mit den großen Bezirken hat ungefähr 10 Mio. Einwohner. Aber diese 1,8 Mio. sind vorläufig verloren für Veolia und Suez, die anderen stehen im Jahr 2010 zur Disposition. Es kann mit Spannung verfolgt werden, ob dies auch schief geht. Wer jetzt aber glaubt, dass Veolia und Suez sich hinstellen und sagen, wir haben ver-standen, dass Kommunale besser sind, verzichten auf unser Geschäft und lösen uns in Luft auf, der wird darauf lange warten müssen. Sie werden versuchen an Alternativen zu denken, sie werden versuchen andere Geschäfte zu machen und sie werden versuchen, das, was sie verloren haben, an anderer Stelle wieder gut zu machen. Dazu ist auch ein Stückweit die Wirtschaftskrise ein Punkt, der sich anders entwickeln wird, als in der Vergangenheit. Viele Investoren sind heute bereit ein Geschäft zuzusagen, wenn jemand ein Geschäft mit sicheren und langfristig garantierten 5-10 % Rendite anbietet. Was vor ein paar Jahren noch völlig undenkbar war, denn alles unter 20 % Rendite war Teufelszeug. Das wird man heute aber vorfin-den. Man wird heute in der Wasserwirtschaft über andere Renditen sprechen und dementsprechend auch das Thema Privatisierung insge-

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samt international, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland letzt-endlich wieder nach oben bringen. Warum auch in der Bundesrepublik, wird gleich in zwei Punkten erläutert. Die Privatisierung wird in Zukunft in der Bundesrepublik sicherlich etwas intelligenter und anders ablaufen. Bereits heute existiert das Problem, dass die kommunalen Unternehmen die Arbeit, die sie machen müssen, gar nicht mehr selbst machen kön-nen. Auch die BWB sind gar nicht in der Lage sämtliche Arbeiten selber zu machen und wollen es zukünftig auch nicht, sondern sie bedienen sich schon Dritter. Viele Unternehmen arbeiten für die BWB, z.B. Unter-nehmen, die Kanäle reinigen, oder Unternehmen, die Klärwerke und Wasserwerke planen. Das Problem ist also die Frage nach dem eigentlichen Beginn der Privatisierung, Man könnte die ketzerische Frage stellen: Ist ein Unternehmen dann noch öffentlich, wenn der Geschäftsführer, die Sek-retärin, der Fahrer und der Betriebsrat noch Beschäftigter der Kommune sind – ist das noch ein öffentliches Unternehmen oder wann fängt eine Privatisierung an? Dieses Thema wird in der Zukunft noch heikler, weil der demografische Wandel zumindest in öffentlichen Unternehmen nicht so intensiv durchgeführt wird, wie er eigentlich durchgeführt werden müsste. Die Leute, die die Arbeit machen können, sind schon gar nicht mehr vorhanden, insbesondere nicht die für hochqualifizierte Arbeiten. Die BWB haben ungefähr 60 % Angestellte und 40 % Arbeiter und unterscheiden sich deshalb ein Stück weit von den Kolleginnen und Kollegen, die aus der Abfallwirtschaft kommen oder aus dem Nahver-kehr, dort ist dieses Verhältnis in der Regel 80 % Arbeiter und 20 % An-gestellte. Diese 60 %, die die BWB in der Wasserwirtschaft hat, sind in der Regel alles Leute ab Entgeltgruppe 123, das heißt eigentlich mit wissenschaftlichem Hochschulabschluss. Doch die meisten haben diesen nicht, sie sind über die Jahre im öffent-lichen Dienst dorthin eingruppiert worden. Die BWB stellt jetzt schon fest, dass die Planungsaufgaben zum Teil gar nicht mehr selbst gemacht werden können und muss Planung schon fremd vergeben. So planen andere Ingenieurbüros für die BWB zum Teil die Wasserwerke und Klärwerke. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

3 Die Entgeltgruppen des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst werden mit 1 bis 15 bzw. E 1 bis

E 15 durchnummeriert.

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Die Berliner Wasserbetriebe werden nach groben Schätzungen im Jahre 2015 soweit sein, dass sie ihre langfristig angestrebte Zahl von rund 3.700 Beschäftigten erreicht haben werden – ausgehend von 7.000. Diese 3.700 Beschäftigten mit einem Altersdurchschnitt von derzeit 48 Jahren führen dazu, dass ab 2015 rund 100 Beschäftigte jährlich ein-gestellt werden müssen, nur um diese Zahl zu halten. Wo die BWB dann jedes Jahr 60 Ingenieure herbekommen, ist offen. Natürlich muss man ein Stück weit Automatisierung, Rationalisierung u. ä. berücksichtigen. Aber es zeigt ganz deutlich, dass das Thema nicht einfach wird und bis dato diskutieren viele Kollegen nach dem Motto: „Dann vergeben wir doch den Auftrag nach Draußen, wenn wir es selber nicht mehr können“. Das Problem ist allerdings, dass auch die Privaten dann kaum noch Ingenieure bekommen werden, auch wenn sie im Augenblick relativ stark den Markt abgreifen und sich schon jetzt die eine oder andere Person für die Zukunft sichern. Das Riesenproblem Privatisierung ist nicht mehr so einfach wie früher. Es kann nicht mehr nur gesagt werden, da kommt jemand und gibt Geld, dann ist das Unternehmen weg. Die Privatisierung wird ein Stück weit schleichend stattfinden, indem Teilaufgaben des öffentlichen Dienstes gar nicht mehr von den Öffentlichen selber gemacht werden, sondern diese von Fremdunternehmen und von privaten Unternehmen ausgeführt werden. Außerdem wird aufgrund der Wirtschaftskrise die Politik der klammen Kassen die Diskussion wieder neu aufflammen lassen. Jeder der glaubt, das wird nicht passieren, möge sich seinen Glauben erhalten. Wenn die Krise so weiter geht, wird jedoch das Thema Finanzknappheit die eine oder andere Diskussion in der einen oder anderen Kommune bestim-men. Es gibt viele die durchaus ihre Hausaufgaben gemacht haben, da wird es nicht zum Riesenproblem. Es gibt aber durchaus einige, die darunter zu leiden haben werden, und die Privatisierungsdiskussion wird wieder neu beginnen. Denn die Politik der klammen Kassen hat nichts mit Vernunft zu tun, sondern mit Überlebenswillen von einigen Politikern. Ein zusätzlicher Schwerpunkt in der Diskussion ist der riesige Investi-tionsbedarf in der Wasserwirtschaft im Kanalbereich. Die Bundesrepublik Deutschland schafft sich selbst eine tickende Zeitbombe, indem sie deutlich zu wenig Geld in die Kanalsanierung investiert. Die Kanalsanie-rungsquoten in der Bundesrepublik liegen ungefähr bei 0,3-0,5 %. Das heißt umgerechnet, dass unser Kanalnetz alle 400 Jahre ausgetauscht wird. Fachleute errechnen in dem Bereich einen Investitionsbedarf von Minimum 45-58 Mrd. Euro. Es müssten also pro Jahr in der Bundesrepu-

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blik 4-5 Mrd. Euro ausgeben werden. Real wurden aber in 2007 nur 1,8 Mrd. Euro investiert. Mit dieser Erneuerungsquote von 0,3-0,5 % wird es irgendwann ein echtes Problem geben. Bei den BWB ist beispiels-weise nur für den Kanal ein Investitionsbedarf von 1,35 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020 notwendig. Diese Summen werden nicht viele Kommu-nen schaffen und schultern können. Als natürlicher Monopolist gelingt es den BWB immer wieder den Kun-den davon zu überzeugen, dass er trotzdem bezahlen muss. Aber es wird eine riesen Herausforderung werden dem Kunden klar zu machen, dass, wenn man einen ordentlichen Kanal haben will, dafür auch mehr bezahlt werden muss. Der Ausgang dieser Diskussion ist spannend – sagt man dann, „das schafft schon jede Kommune“, oder ist man wieder in der Diskussion „braucht man dafür nicht im weitesten Sinne Partner statt feindlicher Übernahme“, das heißt, man arbeitet mit Privaten zusammen. Es gibt ein weiteres Thema, das ein Stück weit hausgemacht ist. Das Thema Klärwerke. Es gibt Vorschriften aus Brüssel und es gibt Punkte in Berlin und Brandenburg, wo in den Klärwerken in den nächsten Jahren bis 2020 ein Regelbedarf von 500-700 Mio. Euro vorhanden ist. Wenn das so weiter geht mit den Diskussionen, die in Berlin und Brandenburg hausgemacht sind, dann müssen zusätzlich 150-350 Mio. Euro aufge-bracht werden, weil z.B. Brüssel sagt, wenn man 70 % seiner Stickstoff-fracht rausholt, ist es ausreichend für Brüssel. In der Bundesrepublik gibt es eine Alternative zu sagen 13 mg/l müssen herausgeholt werden. Heißt eine Alternative, man kann sich das aussuchen? In der Bundes-republik wird natürlich nicht die Vorschrift aus Brüssel genommen, son-dern gesagt 13 mg/l sind genau das Richtige. Dies bedeutet einen zusätzlichen Investitionsbedarf für unsere Klärwerke in Berlin und Bran-denburg von mindestens 150 Mio. Euro. Dabei sind sich Berlin und Brandenburg noch nicht einmal darüber einig, wie die Ablaufwerte aus-sehen sollten. Brandenburg setzt auf Stickstoff, Berlin setzt auf Phos-phor. Beides ist von der Technik her nicht miteinander kompatibel, so dass der Investitionsbedarf nicht bei 150 Mio. Euro Schluss machen wird, sondern wahrscheinlich bei 350 Mio. Euro zusätzlich liegen wird. Dies zeigt, dass noch hausgemachte Probleme für den öffentlichen Dienst dazukommen, wenn man sich an der Stelle vorstellt, dass sich Länder nicht einigen. Ein weiteres kurzes Stichwort ist das Thema Verursacherprinzip. Ein sehr ärgerliches Beispiel ist das Thema der Röntgenkontrastmittel. Es macht aber auch deutlich, wo eigentlich das Problem liegt. Überspitzt

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formuliert werden sehr viele Röntgenkontrastmittel in Kliniken und Praxen verteilt, die Menschen schlucken sie, lassen eine schöne Auf-nahme von sich machen und gehen danach dreimal auf die Toilette. So einfach ist dies aber nicht abgetan. Die BWB hat danach lange damit zu tun, diese Röntgenkontrastmittel wieder aus dem Berliner Wasser raus-zukriegen. Was teilweise nicht ganz gelingt, es wird aber weiterhin daran gearbeitet. Es wird auch versucht, mit den Krankenhäusern oder mit den Praxen über Alternativen zu reden, z.B. gibt es „Trockengelpinkelbehäl-ter“. Sie würden einen Großteil des Problems lösen. So ein Behälter kostet nur 5 Euro. Allerdings weigern sich die Krankenhäuser und Praxen bis dato alle auch nur ansatzweise darüber nachzudenken, ob eine Einführung nicht sinnvoll wäre. Aber das ist ein Problem, das dann im öffentlichen Dienst besteht. Andere „pinkeln“ uns was ins Wasser und sagen mit einer reinen Selbstverständlichkeit „ihr als Wasserunterneh-men habt das jetzt rauszuholen“. Wenn man dann sagt, das kostet aber Geld, wird man wieder zum schlechten Unternehmen. Außerdem gibt es unterschiedliche Vorschriften, die dringend in Deutschland überarbeitet werden müssten. In dem Zusammenhang bil-den Antibiotikaresistenzen ein weiteres Thema für sich, worüber auch mindestens eine halbe Stunde referiert werden könnte. Die nordischen Länder machen es da intelligenter. In der kompletten Tiermast dürfen Antibiotika nicht mehr eingesetzt werden und zusätzlich verbieten sie mindestens ein Antibiotikum, um nicht an diesem Punkt noch weitere Resistenzen zu bilden. Das heißt, wenn sie eine Krise haben, können sie zumindest auf ein Antibiotikum zurückgreifen. In Deutschland ist man der Meinung, dass dies im Augenblick noch kein Problem sei, doch man müsste sich eigentlich dringend darum kümmern. Die Beispiele zeigen, es kommen viele Probleme auf die deutsche kom-munale Wasserwirtschaft zu. Es müssen Antworten darauf gefunden werden, und wenn man diese nicht findet, hat man ein echtes Problem – auch als kommunales Unternehmen. Es ist teilweise unmäßig, wie der ein oder andere Politiker über kommu-nale Unternehmen reden. Man kann nicht ein kleines Wasserwerk mit einem Global Player wie Suez oder Veolia vergleichen, denn die haben ganz andere Möglichkeiten. Ein kleines Unternehmen darf in der Regel aufgrund des Örtlichkeitsprinzips gar nicht aus seiner Kommune heraus. Es darf gar kein Geld verdienen, es wird immer in Richtung Kosten-deckungsprinzip arbeiten müssen. Wenn dann ein Großer ankommt und sagt, dass er besser und preiswerter ist, ist das durchaus möglich, weil der Kleine gar nicht anders darf. Nichtsdestotrotz gibt es auch Punkte,

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bei denen die Kleinteiligkeit der deutschen Wasserwirtschaft dringend angegangen werden muss. Auch ein Grund dafür, dass die Wirtschaftlichkeit der deutschen Was-serwirtschaft im kommunalen Bereich vielleicht nicht ganz so vergleich-bar ist wie im privaten Bereich, liegt wie bereits erwähnt daran, dass an der einen oder anderen Stelle die Aufgaben am Territorium der Kom-mune enden und nicht weiter diskutiert werden. In Berlin ist eine große Diskussion über die Rekommunalisierung der BWB im Gange. Selbst CDU und FDP sind der festen Überzeugung, man sollte es machen. Dies ist ja auch gut. Der Grund dafür ist jedoch durchweg der Wunsch nach einer Senkung der Wasserpreise. Dies lässt nur staunen. RWE und Veolia haben über 1,6 Mrd. Euro für Ihre Anteile bezahlt, die sie natürlich mindestens wieder haben wollen. Dafür ist ein Teil des Gewinnes also schon weg. Die Politiker wollen aber auch nicht auf den Anteil des Lan-des – ca. 200 Mio. Euro sind das jedes Jahr – verzichten, um damit die Wasserpreise zu senken. Die einen möchten Schulen davon renovieren, die anderen wollen irgendetwas anderes mit dem Geld machen. Das Geld kann also nicht das Thema sein, der Preis kann nicht gesenkt wer-den. Wenn man dann fragt, warum soll rekommunalisiert werden, was klappt dann besser, gibt es keine Antwort – und dies seit mehreren Jah-ren. Wenn man diese Fragen nicht beantworten kann, hat man aber ein ech-tes Problem. Denn dann ist man in der Diskussion der Privatisierung bzw. Nicht-Rekommunalisierung. Aber diese Frage muss man beantwor-ten! Ein Teil der Antwort wird gleich noch gegeben. Es gibt sicherlich positive Beispiele für kommunalisierte Unternehmen, z.B. Gelsenwasser. Dort haben Kommunen den richtigen Schritt gemacht. Sie haben Gelsenwasser gekauft und verdienen ordentliches Geld damit. Dieses Geld wandert in den kommunalen Haushalt und wird hoffentlich sinn-vollen Sachen zugeführt. Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind hierfür ein schönes Bei-spiel. So stellt etwa die Gewerkschaft ver.di die Forderungen, welche in Richtung private Wirtschaft gehen – RWE und E.ON haben Tarifverträge und die wollen die Kollegen in der deutschen Wasserwirtschaft auch. Wenn man dann als Vertreter der kommunalen Arbeitgeber sagt, also gut dann nehmen wir aber das weg, was vom öffentlichen Dienst übrig ist, so z.B. den Bestandsschutz, dann heißt es: nein. Einerseits will man die Tarifverträge der privaten Wirtschaft, andererseits will man natürlich auch den kompletten Besitzstand des öffentlichen Dienstes. Im Ergebnis der Tarifverhandlungen hat dies dazu geführt, dass der Abschluss im

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öffentlichen Dienst dieses Jahr bei 5,1 % und nächstes Jahr bei 3,55 %, also zusammen bei 8,65 % liegt. Bei RWE lag er in diesem Jahr bei 2,9 %. Das soll hier noch nicht einmal verurteilt werden, Tarifverhand-lungen sind dafür da, dass Gewerkschaften für die Beschäftigten Tarif-verträge abschließen. Allerdings muss man sich darüber bewusst sein, dass bei einem natürlichen Monopolisten wie den BWB automatisch durch die Tarifverträge dann der Preis steigt, denn die privaten und öffentlichen Anteilseigner werden nicht auf ihre Gewinne verzichten. Das bedeutet, der Kunde muss mehr bezahlen an sein teilöffentliches und privates Unternehmen. Gleichzeitig setzt er das Management unter Druck weitere Rationalisierungsmaßnahmen einzuleiten. Denn dieses kann natürlich nicht sagen ’lieber Kunde zahl mal nen bisschen mehr’ sondern versucht, die Belastung, die auf den Kunden zukommt, ein Stück weit auch durch Rationalisierungen zu reduzieren. Was wiederum dazu führt, dass weniger Arbeit selbst gemacht wird und insbesondere die einfachen Arbeiten nach draußen gegeben werden. Damit stellt sich erneut die Frage: Wann fängt eigentlich Privatisierung an, wann hört sie auf? Wenn kein Markt besteht – Abfallwirtschaft ist anders, da gibt es einen Markt – dann muss man sich mindestens einem Zwangsbenchmark unterziehen. Es gibt Ansätze wie AQUABENCH, wo ein bisschen „rum-gebenchmarkt“ wird und es gibt auch durchaus die eine oder andere gute Entwicklung die daraus hervorgeht. Aber es gibt keine Verpflichtung für alle öffentlichen Unternehmen sich an einem Benchmark zu beteili-gen. Es ist unheimlich schwierig ein vergleichbares Benchmark hinzube-kommen, weil allein vollkommen unterschiedliche geografische Voraus-setzungen dazu führen, dass der eine eine Pumpe stellen muss und dabei Strom verbraucht und beim anderen fließt das Wasser den Berg runter. Nichtsdestotrotz: Den Versuch zu starten und zu sagen „ich möchte meinem Kunden als öffentliches Unternehmen beweisen, wie gut ich eigentlich im Durchschnitt dastehe“, ist notwendig. Der Kunde hat nämlich nicht die Chance zu sagen, wenn du nicht gut bist, gehe ich zu jemand anderem, sondern er muss bleiben. Deswegen ist es zwingend notwendig ein Benchmark einzuführen, obwohl der ein oder andere es nicht besonders schön findet. Hier sei eine weitere provokative Idee eingeworfen – jedes öffentliche Unternehmen sollte Kundenumfragen durchführen und daraus sollten sich Konsequenzen ergeben. Bei der ersten Kundenumfrage, die schlecht ausfällt, sollte es ein Mitarbeitergespräch mit dem Geschäftsführer geben, bei der zweiten schlechten Umfrage das Gehalt reduziert werden, beim dritten Mal wird man noch mehr Geld abnehmen

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und beim vierten Mal wird man sich von diesem Geschäftsführer verab-schieden müssen, weil es ihm nämlich nicht gelungen ist, über Jahre hinweg dem Bürger und den Kunden klar zu machen, was er eigentlich an Vorteilen an seinem kommunalen Unternehmen hat. An dieser Stelle wäre das ein adäquater Marktersatz, wo sich Geschäftsführer/Vorstände, die viel Geld verdienen wollen, stellen müssen. Der Vorschlag ist sicher-lich sehr provokativ und wird dem ein oder anderen nicht gefallen. Außerdem sollte jedes öffentliche Unternehmen eine Rendite erwirt-schaften und sie an den kommunalen Haushalt abgeben. Das führt näm-lich zu folgendem: Herr Sarrazin hat vorgestern4 die Beteiligungsergeb-nisse des Landes Berlin veröffentlicht. 433 Mio. Euro Netto-Gewinn. Ein erheblicher Anteil kam übrigens aus den BWB. Der Finanzsenator war glücklich, dass er diesen Gewinn verkünden konnte. Er ist also nicht aus moralischen Gründen der festen Überzeugung, dass kommunale Unter-nehmen richtig sind, sondern er hat verstanden – als Finanzsenator –, dass kommunale Unternehmen für ihn wichtig sind. Er kann nicht auf sie verzichten, weil sie ihm nämlich Geld bringen, wovon er das ein oder andere dann wieder ausgeben kann. Wenn ein Finanzsenator wie Herr Sarrazin sagt, „das sind meine kom-munalen Unternehmen“ und dann noch die Gehälter der Vorstände der kommunalen Unternehmen lobt, dann braucht man vor einer Privatisie-rung zukünftig sehr wenig Angst haben.

4 Der Vortrag wurde am 07.11.2008 gehalten.

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Workshop 3: ÖPNV

Referenten:

Reiner Metz Der neue rechtliche Ordnungsrahmen für den ÖPNV

Walter Reinarz Kölner Verkehrs-Betriebe AG — Kommunaler Mobilitätsdienstleister für Köln

Dr. Hans-Jörg von Berlepsch traffiQ auf dem Frankfurter Weg

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Reiner Metz* Der neue rechtliche Ordnungsrahmen für den ÖPNV Nach über zehnjähriger Diskussion auf der Ebene der Europäischen Union (EU) einigten sich Rat, Kommission und Europäisches Parlament (EP) im Juni 2007 auf einen Kompromiss zur Regelung des Marktzu-gangs im ÖPNV. Dieser Kompromiss wurde am 3. Dezember 2007 als Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrs-dienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 im Amtsblatt der EU veröf-fentlicht.1 Die neue Verordnung wird am 3. Dezember 2009 in Kraft tre-ten. Der Kompromiss anerkennt im Kern die heute anzutreffende Vielfalt der Organisation und Finanzierung des ÖPNV in Europa. Die Gebietskörper-schaften dürfen danach weiterhin selbst entscheiden, ob sie den ÖPNV selbst erbringen oder mit eigenen oder anderen Unternehmen durchfüh-ren lassen. Wenn dabei förmlich ausgeschrieben wird, bleibt es im Wesentlichen bei dem heutigen vergaberechtlichen Status quo. Im Hin-blick auf Gestaltungen, für die das förmliche Vergaberecht nicht gilt, bringt der gefundene Kompromiss neue und europaeinheitliche Spiel-regeln. Das bedeutet für die Praxis, dass ausgeschriebene Verkehre denselben Regeln folgen wie bisher. Für nicht ausgeschriebene Verkehre muss nach Inkrafttreten der Verordnung am 3. Dezember 2009 der neue Rechtsrahmen beachtet werden, wobei die in ihrem Artikel 5 enthaltenen Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge schrittweise innerhalb weiterer 10 Jahre anzuwenden sein werden. Der Kompromiss bringt eine Reihe förmlicher Voraussetzungen, v.a. Veröffentlichungs- und Berichtspflichten, und formuliert Mindeststandards an die Mitglied-staaten zur Gewährleistung von Rechtsschutz. Darüber hinaus werden einheitliche Regeln für die Gewährung von Zu-schüssen aus öffentlichen Kassen gesetzt. Auf Druck der Mehrheit im EP wurde die Freiheit der Gebietskörperschaften und Verkehrsunternehmen, Nachunternehmer zuzulassen bzw. einzusetzen, erheblich beschränkt. * Reiner Metz ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer ÖPNV des Verbandes Deutscher Verkehrsunter-

nehmen e.V. 1 ABl. L 315 v. 03.12.2007, S. 1.

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Artikel 4 Absatz 7 der Verordnung 1370/2007 sieht vor, dass in den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen transparent anzugeben ist, ob und in welchem Umfang eine Vergabe von Unteraufträgen in Frage kommt; in den Fällen einer zugelassenen Unterauftragsvergabe ist der ausge-wählte Betreiber der Personenverkehrsdienste qua Verordnung 1370/2007 verpflichtet, einen bedeutenden Teil bzw. in den Fällen von Direktvergaben an interne Betreiber sogar den überwiegenden Teil der Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen.2 Der Kompromiss revidierte die Folgen der EP-Ausschussempfehlungen vom März 2007, die das Gesetzgebungsprojekt auf den Stand von Juli 2000, als die Kommission ihren ersten Vorschlag präsentiert hatte, zurückgedreht hätten, verschlechtert aber die Ausgangsbasis des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom Dezember 2006. Die aus Sicht der ÖPNV-Branche durch die Einigung der Verkehrsminister im Juni 2006 erreichten praxisgängigeren Direktvergabemöglichkeiten wur-den weitgehend wiederhergestellt. Das Ergebnis ist trotz einiger neuer Hürden, unbestimmter Rechts-begriffe und bürokratischer Hindernisse für die ÖPNV-Branche tragfähig. Es ist vor allem deutlich besser als das, was vonseiten der Europäischen Kommission ursprünglich vorgelegt worden war. Betrachtet man deren ersten förmlich vorgelegten Vorschlag vom Juli 2000, der im Ergebnis eine praktisch ausnahmslose Ausschreibungspflicht von ÖPNV-Leistun-gen vorsah – auch gegen den Willen von Gebietskörperschaften, den ÖPNV selbst oder mit einem eigenen Unternehmen zu erbringen –, so haben die Gebietskörperschaften und ihre Unternehmen jetzt erheblich mehr Gestaltungsoptionen. Insbesondere enthält die neue Verordnung praxistaugliche Direktvergabeoptionen. Auch wenn eine EU-Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt, also ohne eine weitere konkretisierende Rechtsetzung in den Mitglied-staaten, so sind doch Anpassungen des nationalen Rechtsrahmens erforderlich. Änderungsbedarf besteht vor allem für das Personenbeför-derungsgesetz (PBefG). Dieses Gesetz wurde mit seiner Anfang 1996 wirksam gewordenen Novelle an die Verordnung (EWG) 1191/693, zu-letzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1893/914, angepasst, die lediglich in Bezug auf gemeinwirtschaftliche Linienverkehre ab 1996 in der Bundesrepublik Deutschland anwendbar gemacht wurde, während die europäische Verordnung für (unbezuschusste und bezuschusste) 2 Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe e. 3 ABl. L 156 v. 28.06.1969, S. 1. 4 ABl. L 169 v. 29.06.1991, S. 1.

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eigenwirtschaftliche Linienverkehre nicht gelten sollte (so genannte Teil-bereichsausnahme). Schlüsselbegriffe der Verordnung 1191/69 – wie z.B. das Ziel „geringste Kosten für die Allgemeinheit“ oder die Abgren-zung des Anwendungsbereichs der Verordnung über die weite Definition der „Eigenwirtschaftlichkeit“ – wurden seinerzeit zum Bestandteil des Genehmigungsrechts im PBefG. In der EU-Verordnung 1370/07 dagegen gibt es indes – anders als in der jetzigen Verordnung 1191/69 – keine Befugnis der Mitgliedstaaten mehr zu Ausnahmen von der Anwendung im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr. Darüber hinaus fordert die neue Verordnung nicht die „geringsten Kosten für die Allgemeinheit“, sondern verlangt im Hinblick auf die Höhe möglicher Zuschüsse aus öffentlichen Kassen eine Orientierung an den in wesentlichen Teilen in die Verord-nung übernommenen vier Kriterien des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in der Rechtssache „Altmark Trans“ vom 24. Juli 20035. Wegen des Vorrangs des EU-Rechts vor dem nationalen Recht darf das Genehmigungsrecht im PBefG also weder den heutigen Nichtanwen-dungsbereich der Verordnung determinierenden Begriff der „Eigenwirt-schaftlichkeit“ unverändert aufrechterhalten noch diejenigen Vorschriften, die den Begriff „geringste Kosten für die Allgemeinheit“ des jetzigen Ver-ordnungstextes konkretisieren, also § 13a PBefG und die hierzu erlassene Verordnung des Bundesverkehrsministeriums (so genannte „Geringste-Kosten-Verordnung“). Mit der europarechtlich notwendigen Aufhebung dieser Vorschriften wird zugleich eine klare und rechtssichere Trennung zwischen Genehmigungsrecht und Beihilferecht erreicht. Für das Genehmigungsrecht sollten weiterhin Genehmigungsbehörden verantwortlich bleiben und für das Beihilferecht diejenigen Stellen, die den ÖPNV aus öffentlichen Kassen mitfinanzieren. Es gibt Stimmen in der Rechtsliteratur, die Liniengenehmigungen nach dem PBefG mit star-ken Argumenten nicht als „ausschließliches Recht“ im Sinne der neuen Verordnung sehen. Hieraus ergibt sich, dass genehmigte Verkehre, die nicht aus öffentlichen Kassen mitfinanziert werden, außerhalb des Anwendungsbereichs der neuen Verordnung lägen. Hiergegen gibt es auch stichhaltige Gegenargumente. Weiterentwicklungen im PBefG und deren europarechtliche Konformität dürfen aber im Interesse einer rechtssicheren künftigen Handhabung der Verordnung nicht von solchen Interpretationen und damit letztlich von Richtersprüchen abhängig sein. Deshalb müssen alle Vorschläge zur Änderung des PBefG auch dann rechtlich tragen, wenn ein höchstes Gericht in einigen Jahren zu der Auf-

5 Rechtssache C-280/00, Slg. 2003, I-7747.

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fassung gelangen sollte, Liniengenehmigungen nach dem PBefG seien doch ausschließliche Rechte im Sinne der neuen Verordnung. Außerdem sollte bei der Anpassung des PBefG an die neue Verordnung 1370/2007 im straßengebundenen ÖPNV mit Bussen und Straßenbah-nen im Sinne des PBefG auch in Zukunft eine Liniengenehmigung mit denselben Rechtswirkungen wie heute erforderlich bleiben; ansonsten drohten Wildwestszenen im Kampf um die Fahrgäste und das Absterben weniger lukrativer Linien. Die Genehmigungsbehörden bliebe damit wei-ter zuständig für die gewerberechtliche Prüfung (insbesondere Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebs, Zuverlässigkeit und fachliche Eig-nung des Unternehmers) und – im Zusammenwirken mit den Aufgaben-trägern und mit den Verkehrsunternehmen – für die Wahrung der öffent-lichen Verkehrsinteressen (insbesondere Integration der Verkehrsbedie-nung und Berücksichtigung von Nahverkehrsplänen). Welche Behörden Genehmigungsbehörden werden oder bleiben sollen, liegt nach dem Grundgesetz in der Regelungskompetenz der Länder. Maßgebend für jede etwaige Zuständigkeitsveränderung muss eine mög-lichst bürokratiearme Erbringung von Verwaltungsaufgaben sein. Das kann in großen Flächenländern eine Mittelbehörde sein, in anderen Län-dern eine zentrale Landesstelle oder eine kommunale Behörde. Dabei muss der gewerberechtliche Grundansatz des PBefG aufrecht-erhalten werden. Dieser besagt, dass der einzelne ÖPNV-Unternehmer das Recht zur Ausübung seines Gewerbes selbst innehat, und zwar auf der Basis der grundrechtlich geschützten Gewerbefreiheit. Das bedeutet: Der Straßenpersonenverkehrsunternehmer hat das Recht, er bekommt es nicht von einer staatlichen oder kommunalen Stelle, die es hat, auf Zeit verliehen. Dieses Prinzip hat sich in Deutschland über Jahrzehnte bewährt und darf nach der neuen Verordnung aufrechterhalten bleiben. Dort, wo eine Gebietskörperschaft nicht unter Berufung auf die neue EU-Verordnung im ÖPNV interveniert – was nach den Länder-ÖPNV-Geset-zen das gute Recht von Aufgabenträgern ist, weil es sich danach beim ÖPNV bzw. dessen Sicherstellung um eine freiwillige Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt –, darf es weiter einen Wettbewerb um Linien-genehmigungen zwischen Verkehrsunternehmen geben. Hierzu sollten einige kleinere Nachbesserungen im PBefG vorgenommen werden, die ein faires und diskriminierungsfreies Verfahren absichern. Dort indes, wo Gebietskörperschaften im Hinblick auf die Verkehrsgestaltung und/oder deren Finanzierung eine qualifizierte Entscheidung aufgrund der unmittelbar in der neuen Verordnung enthaltenen Ermächtigungsgrund-

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lagen treffen – sei es ein wettbewerbliches Vergabeverfahren (Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung) oder seien es die Selbsterbringung bzw. die Direktvergabe an einen internen Betreiber (Artikel 5 Absatz 2) oder in Bagatellfällen (Artikel 5 Absatz 4) bzw. in den Fällen der „Notvergabe“ (Artikel 5 Absatz 5) – müssen die Genehmigungsbehörden die Grund-lagenentscheidungen der zuständigen Behörden zur Auswahl des Betrei-bers bei ihren Genehmigungsentscheidungen beachten. Ansonsten würde das unmittelbar für die kommunalen Gebietskörperschaften gel-tende Europarecht genehmigungsrechtlich konterkariert. Im Hinblick auf die ÖPNV-Finanzierungsinstrumente fordert die neue EU-Verordnung nicht, dass in Deutschland alles im Sinne eines Paradigmen-wechsels auf den Kopf gestellt werden muss. Im Gegenteil: Die Verord-nung 1370/2007 regelt detailliert, ob und unter welchen Voraussetzungen zuständige Behörden Verkehrsunternehmen Ausgleichsleistungen für ge-meinwirtschaftliche Verkehrsdienste gewähren dürfen. Die inhaltlichen Anforderungen der neuen Verordnung bestehen im Wesentlichen in dem, was der EuGH schon in der Rechtssache „Altmark Trans“ 2003 ausgeur-teilt hatte. Die Kriterien des Urteils gelten heute schon für den Großteil des straßengebundenen ÖPNV in Deutschland. Auch die Länder-ÖPNV-Gesetze werden zu ändern sein, etwa in Bezug auf die Klarstellung, welche „zuständigen Behörden“ Maßnahmen auf dem Gebiet des ÖPNV ergreifen dürfen. Dabei können die wesentlichen Bestandteile des bewährten ÖPNV-Rechtsrahmens in Deutschland auf-rechterhalten bleiben. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat am 27. August 2008 den Ländern und Verkehrsverbänden einen noch nicht endgültig ressortabgestimmten Referentenentwurf zur Ände-rung des PBefG zur Stellungnahme vorgelegt. Darin wird der Versuch unternommen, solche Verkehre aus dem Anwendungsbereich der neuen Verordnung herauszudefinieren, die nicht auf spezifische unternehmens-bezogene Zuschüsse aus öffentlichen Kassen angewiesen sind. Ferner soll den kommunalen Gebietskörperschaften untersagt werden, Gestal-tungen nach der neuen EU-Verordnung vorzunehmen, „wenn eine aus-reichende Verkehrsbedienung durch kommerzielle Verkehre vorhanden und auch künftig gewährleistet ist“. Damit wird die Interventionsschwelle für Gestaltungen seitens der kommunalen Gebietskörperschaften gegen-über derjenigen der neuen EU-Verordnung erheblich erhöht. Die Ver-bände, die die öffentliche Verkehrswirtschaft (mit)repräsentieren (wie der VDV), sowie die kommunalen Spitzenverbände haben darauf hingewie-sen, dass mit dem BMVBS-Vorschlag die Gefahr so genannter „Rosinen-

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pickerei“ entstünde: Verkehrsunternehmen könnten sich aus Netzen mit wirtschaftlich guten und schlechten Linien die guten herausgreifen und kommerziell erbringen, während für die Kommunen nur die wirtschaftlich uninteressanten Linien übrig blieben. Die Folgen wären: zersplitterte Netze, erhöhter Koordinierungsaufwand und per saldo Mehrbelastungen insbesondere der kommunalen Haushalte bzw. Einschränkungen des Verkehrsangebotes. Die Verbände der privaten Verkehrsunternehmen sehen den BMVBS-Entwurf ebenfalls kritisch, allerdings aus umgekehr-ter Richtung. Sie befürchten, dass die Gebietskörperschaften über das Instrument des Nahverkehrsplans die ausreichende Verkehrsbedienung so definieren könnten, dass der von ihnen geforderte Vorrang der kom-merziellen Verkehre leerlaufen könnte. Die Länder konnten sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Sollte auch die Ressort-abstimmung auf Bundesebene weiter ohne Einigung bleiben, so besteht – wegen des kleinen Zeitfensters der Legislaturperiode auf Bundesebene – die Möglichkeit eines Scheiterns der Anpassung des PBefG.

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Walter Reinarz* Kölner Verkehrs-Betriebe AG — Kommunaler Mobilitätsdienstleister für Köln Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) ist kommunale Daseinsvor-sorge. Die Kommunen haben die Aufgabe, ein angemessenes Mobili-tätsangebot zu angemessenen Preisen sicherzustellen und befinden sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen Gemeinwohlorientierung einer-seits und finanziellen Chancen der Marktliberalisierung andererseits. Vor dem Hintergrund finanziell begrenzter öffentlicher Haushalte bedeutet dies für kommunale Verkehrsunternehmen, sich zu wettbewerbsfähigen Mobilitätsdienstleistern entwickeln zu müssen und sich bei ihren Auf-gabenträgern entsprechend zu positionieren. Denn nur eine positive Akzeptanz bei den Auftraggebern bietet die Chance, weiter mit der Erbringung der öffentlichen Verkehrsdienstleistungen betraut zu werden und damit die Existenz des Unternehmens sichern zu können. I. Ordnungspolitischer Rahmen Der Öffentliche Personennahverkehr in Deutschland ist gekennzeichnet durch einen engen ordnungspolitischen Rahmen, der die Organisation und den Wettbewerb im ÖPNV regelt. Neben dem Personenbeförde-rungsgesetz (PBefG), den ÖPNV-Gesetzen der Länder und dem Kom-munalrecht (Gemeindeordnung) ist insbesondere die EU-Verordnung 1370/2007 relevant und in den letzten Monaten in den Fokus der Dis-kussionen zur wirtschaftlichen und rechtssicheren Gestaltung des ÖPNV-Marktes in Deutschland gerückt. Die am 3. Dezember 2007 ver-öffentlichte Verordnung 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrs-dienste auf Schiene und Straße hebt die bisherigen Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 auf und wird am 3. Dezem-ber 2009 in Kraft treten. Sie stellt nach über zehnjähriger Diskussion auf der Ebene der EU einen Kompromiss zur Regelung des Marktzugangs im ÖPNV dar, der die Vielfalt und Heterogenität der Organisation und der Finanzierung des ÖPNV in Europa berücksichtigt. Grundsatz der Verordnung ist, dass öffentliche Dienstleistungsaufträge im Nahverkehr im Wege eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens zu

* Walter Reinarz ist Mitglied des Vorstands der Kölner Verkehrs-Betriebe AG.

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vergeben sind. Aus der Perspektive der Gebietskörperschaften und ihrer kommunalen Verkehrsunternehmen ist dabei von erheblicher Bedeu-tung, dass die Verordnung folgende Ausnahmen zulässt, nach denen die zuständige Behörde auf ein wettbewerbliches Vergabeverfahren ver-zichten kann: � Selbsterbringung oder Direktvergabe an einen internen Betreiber � Direktvergabe in Bagatellfällen � Direktvergabe oder Auferlegung in Notfällen � Direktvergabe im Eisenbahnverkehr Dies bedeutet, dass die Gebietskörperschaften weiterhin selbst ent-scheiden dürfen, ob sie den ÖPNV selbst erbringen oder mit eigenen oder anderen Unternehmen durchführen lassen. Für alle Verkehre, die nicht ausgeschrieben werden, muss ab dem 3. Dezember 2009 der neue Rechtsrahmen beachtet werden. Die Verordnung enthält jedoch Über-gangsbestimmungen zur schrittweisen Anwendung der Vorschriften in den ersten 10 Jahren nach 2009. Obwohl die EU-Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt, sind doch Anpassungen des nationalen Rechtsrahmens erforderlich – in Deutschland insbesondere beim Personenbeförderungsgesetz. Das PBefG regelt, ob für Verkehre auf Antrag Linienverkehrsgenehmigungen vergeben werden oder ob sie ausgeschrieben werden müssen. Kriterium hierfür ist bisher die Unterscheidung in eigenwirtschaftliche und gemeinwirtschaftliche Verkehre. Zu den erforderlichen Änderungen aufgrund der EU-Verordnung 1370/2007 liegt bereits ein – noch nicht endgültig ressortabgestimmter – Referentenentwurf vor, der zurzeit in den kommunalen Spitzenverbänden und den Verbänden der Verkehrs-wirtschaft intensiv diskutiert wird. II. Privatisierung oder Rekommunalisierung Im Zuge der Liberalisierung des ÖPNV-Markts in Deutschland und des Kostendrucks der Kommunen werden auf der einen Seite zunehmend Forderungen zur Privatisierung bisher kommunal erbrachter Verkehrs-dienstleistungen laut. Auf der anderen Seite ist in vielen Branchen ein Trend zur Rekommunalisierung festzustellen. Die Renaissance der Kommunalwirtschaft ist in aller Munde und erhält durch die Auswirkun-gen der aktuellen Finanzmarkt- und Bankenkrise weiteren Auftrieb.

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Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern finden sich im deut-schen ÖPNV bisher nur vereinzelt privatisierte oder im Rahmen einer Public Private Partnership teilprivatisierte kommunale Verkehrsunter-nehmen. Die Erfahrungen unserer europäischen Nachbarn stimmen allerdings nachdenklich. In Großbritannien und Skandinavien haben rapide Konzentrationsprozesse zur Marktbereinigung und der Herausbil-dung von Oligopolen mit in der Regel zwei bis drei, zumeist privaten, transeuropäisch tätigen Unternehmen geführt. Insbesondere in unren-tablen Streckenbereichen v.a. im ländlichen Raum kam es zu einer drastischen Reduzierung der Versorgungsqualität und -intensität sowie einer bedenklichen Verschlechterung der Infrastruktur aufgrund unterlas-sener Investitionen. Anfängliche Preissenkungen hatten nur temporären Charakter. Mit Ausnahme von London, wo ein kontrollierter Wettbewerb herrscht, sind die Fahrgastzahlen im ÖPNV in Großbritannien stark zurückgegangen. Bei einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen war zudem die Lohnentwicklung rückläufig. Die zunehmende Beteiligung an bzw. Übernahme von kommunalen Verkehrsunternehmen durch Pri-vate führte zu einem Demokratieverlust auf kommunaler Ebene. Inzwi-schen steigen bei Ausschreibungen die Angebotspreise für die Erbrin-gung der ÖPNV-Dienstleistungen wieder an und viele private Unterneh-men nehmen aufgrund geringer Gewinnmargen nicht mehr an Aus-schreibungsverfahren teil. Die derzeitige Finanzmarktkrise zeigt ganz aktuell und überdies deutlich, dass eine Deregulierung nicht immer funktioniert – Vater Staat musste stabilisierend eingreifen. Dies führt inzwischen zu einer Teilverstaat-lichung von Banken und zu einer strengeren Regulierung der Finanz-märkte. Die in kommunaler Hand befindlichen Sparkassen dagegen haben sich in der aktuellen Krise als Stabilitätsanker im Finanzmarkt bewährt. Seit einiger Zeit bestehende Überlegungen, auch die Sparkas-sen für Private zu öffnen, werden in jüngster Zeit zunehmend kritischer gesehen. III. Risiken der Privatisierung Die Kommunen sehen sowohl den Verlust ihrer Einflussmöglichkeiten als auch die Nichteinhaltung bisheriger Leistungs- und Qualitätskriterien als größte Risiken bei der Einbindung privater Anbieter oder Investoren (s. Grafik). Im ÖPNV liegen die Risiken bei einer Privatisierung kommunaler Verkehrsunternehmen

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� in einer sinkenden Qualität im Falle eines reinen Kostenwettbewerbs, � im Lohn-, Umwelt- und Sozialdumping aufgrund des Kostenwett-

bewerbs, � in der Existenzbedrohung für Klein- und Mittelunternehmen durch

Konzentrationsprozesse (Oligopole, Teil-Monopole), � in der Zerschlagung bisher gut funktionierender Verkehrsanbieter und

Verbundsysteme auf kommunaler Ebene und � in der Zerstörung komplexer Verkehrsstrukturen, die z.T. über Jahr-

zehnte aufgebaut wurden. Grafik: Private Anbieter – Probleme und Risiken aus Sicht der

Kommunen

„Wo sehen Sie grundsätzliche erhebliche Probleme oder Risiken bei der Einbindung privater Anbieter oder Investoren?“

Nichteinhaltung bisheriger Leistungs- und Qualitätskriterien

19

Verlust pol. Gestaltungsmöglichkeiten

8

Insolvenz der Partner bzw. Investoren

5

Negative Stimmung in der Öffentlichkeit

3

Komplexität des Prozesses

2

Abbau von Arbeitsplätzen

2

Keine Kosteneinsparungen/ Effizienzsteigerungen

2

Transaktionskosten

1

Sonstige

4

Angaben in Prozent

Mehrfachnennungen möglich

Quelle: Studie von Ernst & Young (2007) „Privatisierungen und ÖPP als Ausweg?“ IV. Vorteile kommunaler Verkehrsunternehmen Kommunen dagegen können von den Vorteilen integrierter, kommunaler Verkehrsunternehmen im ÖPNV profitieren (s. Tabelle 1) – insbesondere, wenn sich diese durch Restrukturierungen zu höherer Wettbewerbsfähigkeit entwickeln. Viele öffentliche Verkehrsunternehmen in Deutschland befinden sich mit Energieversorgungsunternehmen im

0 5 10 15 20

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kommunalen Querverbund, z.B. unter dem Dach eines Stadtwerkekonzerns. Durch den hiermit möglichen Verlustausgleich können steuerlichen Vorteile wahrgenommen und der städtische Haushalt entlastet werden. Eine direkte Einflussnahme sowie die laufende Umsetzung strategischer und politischer Zielvorgaben kann die öffentliche Kontrolle zum Vorteil der Gemeinwohlorientierung erhalten. Die Kommune tritt nicht nur als Auftraggeber auf, sondern steuert über ihre Funktion als Gesellschafter. Tabelle 1: Vorteile integrierter, kommunaler Verkehrsunternehmen im

ÖPNV � Nutzung der steuerlichen Vorteile des

kommunalen Querverbunds

� Erhalt der öffentlichen Kontrolle

� Steuerungsmöglichkeit der Kommune als Gesellschafter

� Ggf. Wahrnehmung von Konzern-interessen

� Beitrag zur Wertschöpfung für die Kommune

� Übernahme städtischer Aufgaben bei Ausbau und Erhaltung der Infrastruktur und damit finanzielle Entlastung der Kommune

� Nutzung von Synergien durch Aufgabenbündelung

� Unternehmensziel ist Kostendeckung, nicht Gewinnmaximierung

� Vermeidung der Privatisierung von Gewinnen bei gleichzeitiger Sozialisierung von Verlusten

� Wirtschaftliche Vorteile fließen in die Attraktivierung des Leistungsangebots

� Vermeidung von Remanenzkosten im Falle von Ausschreibungen

� Wahrnehmung öffentlicher Interessen wie z. B. Umweltschutz

effiziente Umsetzung des ÖPNV unter Berücksichtigung der Daseins-vorsorge, um Belastungen für die Bürger (z. B. Tarife) vertretbar zu gestalten

� Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen im ÖPNV im Bereich der Infrastruktur, der Regie und des Tarifs sowie bei Leistungsangeboten, die über die Mindeststandards hinausgehen

� Aktive, direkte Gestaltung der kommunalen Verkehrspolitik

� Zusatzverkehre bei städtischen Groß-veranstaltungen ohne Gegenleistung

� bewährte, kooperative Zusammen-arbeit mit dem Aufgabenträger

� Reduzierung von Schnittstellen

� Einfache, transparente Abstimmungs-prozesse

� Verinnerlichung des öffentlichen Auftrags zur Daseinsvorsorge

� Kundennähe mit jahrzehntelanger Erfahrung

� Traditionsreiche Unternehmen mit gewachsenem Know-how

� Intensive Kenntnisse der lokalen Mentalität

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V. Ausschreibung versus Direktvergabe Privatisierung und Ausschreibung öffentlicher Dienstleistungen sind zu-meist verbunden mit der Erwartung sinkender Kosten, höherer Effizienz, besserer Qualität, geringerer Preise für die Nutzer und Entlastung der öffentlichen Kassen. Nach erfolgten Privatisierungen hat sich jedoch ge-zeigt, dass private Anbieter in Bezug auf Qualität, Kontinuität und Kosten nicht in jedem Fall günstiger sind als kommunale Betriebe. Für den ÖPNV wurde dieser Aspekt in einer wissenschaftlichen Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht.1 Im Vergleich der Systeme Ausschreibung in Frankfurt/Main sowie Direktvergabe in Bochum/Gelsenkirchen und Stuttgart war die Direkt-vergabe in dem untersuchten Zeitraum von 1995 bis 2006 sowohl bei der Verkehrsleistung (Entwicklung der Fahrgastzahl und der Produktivität) als auch bei der wirtschaftlichen Effektivität deutlich erfolgreicher. Ent-scheidender Grund für die besseren wirtschaftlichen Daten der ÖPNV-Systeme mit Direktvergabe sind die so genannten Transaktionskosten. Diese Kosten zur Organisation des Ausschreibungswettbewerbs liegen höher als die erreichten Kostensenkungen durch die Vergabe der Fahr-leistungen im Wettbewerb. Bei dem Ausschreibungssystem entstehen zusätzliche Kosten durch Doppelaktivitäten (z.B. bei Marketing- und Qualitätssicherungsleistungen). Einsparungen wurden primär über Lohn-senkungen durch niedrigere Tarifverträge erreicht. Bei den Systemen mit Direktvergabe war die durchgeführte Restrukturierung effektiver. Auch hier sind Lohnanpassungen vorgenommen worden. Allerdings wird bei der Direktvergabe eine höhere Konsensfähigkeit sowie größere Motiva-tion und Kreativität angenommen. Die Systeme mit Direktvergabe ver-fügen aufgrund der größeren Homogenität bei gleichzeitiger Flexibilität und einer besser austarierten Balance zwischen verkehrspolitischer Steuerung und verkehrs- wie wirtschaftlicher Verantwortung der Unter-nehmen über eine höhere Effektivität. Die Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu dem Fazit: „Das wettbewerbliche ÖPNV-Gesamtsystem in seiner jetzigen Ausprägung führt zu höheren Kosten als in vergleichbaren ÖPNV-Gesamtsystemen mit einer direkten Ver-gabe.“ Frühere Gutachten zum Thema kamen zwar zu anderen Ergeb-nissen. Diese konnten jedoch durch diese neuerliche Studie, die jeweils die Gesamtsysteme einschließlich aller am ÖPNV-Angebot befassten Institutionen betrachtet, widerlegt werden.

1 Direktvergabe oder Ausschreibungen in ÖPNV-Systemen - Aktualisierung der vergleichenden

Studie zu Produktions- und Transaktionskosten aus 2004 um die Jahre 2005 und 2006, April 2008.

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VI. KVB auf dem Weg zum wettbewerbsfähigen Mobilitätsdienstleister

Die Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) gehört mit über 800.000 Fahr-gästen an jedem Werktag zu den großen Nahverkehrsunternehmen in Deutschland. Sie ist Teil der Stadtwerke Köln GmbH (SWK) und befindet sich zu 100% in kommunaler Hand. Tabelle 2: Die KVB in Zahlen

2007

Mitarbeiter 3.214

Fahrgäste 252 Mio.

Umsatzerlöse 188,6 Mio. €

Stadtbahnlinien 11 (237 km Linienlänge)

Buslinien 44 (521 km Linienlänge)

Bahnen 381

Busse 306

Die KVB hat in den letzten Jahren viele neue Wege, um sich zu einem wettbewerbsfähigen, professionellen und kundenorientierten Mobilitäts-dienstleister zu entwickeln. Sie verfolgt dabei konsequent das Ziel, mit möglichst geringen öffentlichen Zuschüssen im Wettbewerb bestehen zu können. Hierzu erfolgte seit 2001 eine umfassende Restrukturierung des Unternehmens. Auf Basis der internen Wertschöpfungskette wurden kla-rere Organisationsstrukturen geschaffen und die Effizienz in allen Berei-chen nachhaltig gesteigert. Unter der Prämisse, dass die Bereitstellung von Mobilitätsangeboten dem öffentlichen Auftrag der Daseinsvorsorge Rechnung tragen muss, wurden die Nahverkehrsangebote konsequent an der Nachfrage ausgerichtet und optimiert. Dieses Restrukturierungs-programm führt zu jährlichen Einsparungen in Höhe von 27,6 Mio. Euro, die bis Ende 2009 umgesetzt sein werden. Dieses mit der Stadt Köln vor Jahren vorausschauend vereinbarte Programm ist gleichzeitig Grundlage der aktuellen Betrauung der KVB mit der Erbringung der öffentlichen Verkehrsleistungen in Köln. Parallel zur Restrukturierung hat die KVB einen Strategieprozess mit einer konsequenten Marktausrichtung des Unternehmens durch interne Konsolidierung und Wachstum zur Verbes-serung der Wirtschaftlichkeit und Ertragskraft in Gang gesetzt. Auf der Basis aktueller Marktdaten wird die Angebotsqualität für die Kunden kontinuierlich gesichert und gesteigert.

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VII. Betrauung bis zum Jahr 2019 Die marktorientierte Unternehmensentwicklung der KVB und die damit erzielten Erfolge der letzten Jahre lassen den ehemaligen Vorsprung nationaler und internationaler privater Verkehrsunternehmen zunehmend schrumpfen. Um der KVB die Möglichkeit einzuräumen, sich auf den zu erwartenden Wettbewerb einzustellen, hat der Rat der Stadt Köln die Betrauung der KVB mit der Erbringung der öffentlichen Verkehrsleistun-gen in Köln bis zum Jahr 2019 verlängert. Flankierend wurde eine zweite Restrukturierung mit weiteren Produktivitätssteigerungen vereinbart, um den Prozess der Erreichung der Wettbewerbsfähigkeit transparent zu machen. VIII. Fazit Der ordnungspolitische Rahmen räumt den Aufgabenträgern weiterhin die Möglichkeit von Direktvergaben ein. Dabei kann der Betrieb des ÖPNV durch kommunale Verkehrsunternehmen wirtschaftlich effektiver sein als eine Vergabe an Private im Wettbewerbssystem. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Vorteile der engen Verknüpfung mit der Kommunalpolitik mit einer strikten und nachhaltigen wirtschaftlichen Ausrichtung in den kommunalen Unternehmen verbunden werden. Viele kommunale ÖPNV-Unternehmen sind auf gutem Wege, wettbewerbs-fähig zu werden. Sie erhalten somit den Kommunen Handlungsspiel-räume zur Gewährleistung einer bezahlbaren und erreichbaren Daseins-vorsorge und sind wichtiger Vermögenswert für die Kommunen und die Allgemeinheit. Die Umsetzung von an der Privatwirtschaft orientierten, effizienten Strukturen und Strategien sowie wirkungsvolles Marketing steigert die Wirtschaftlichkeit und die Qualität. Nach dem Motto wirtschaften wie Private, denken wie Öffentliche werden kommunale Verkehrsunternehmen die attraktivere Alternative für die Kommunen sein. Die Kölner Verkehrs-Betriebe AG hat mit diesem Weg sowohl das Vertrauen der Kunden als auch der Stadt Köln gefunden und ist auch die nächsten elf Jahre mit der Erbringung der öffentlichen Verkehrsleistungen in Köln betraut.

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Hans-Jörg von Berlepsch* traffiQ auf dem Frankfurter Weg Die Aufgabenträgerorganisation traffiQ nimmt seit nunmehr über acht Jahren im Sinne des hessischen ÖPNV-Gesetzes die Regie-Aufgaben im ÖPNV der Stadt Frankfurt am Main wahr und setzt die verkehrspoliti-schen Ziele der städtischen Gremien um. Dazu gehören im Einzelnen � Planung, � Ausarbeitung des Nahverkehrsplans (NVP), � Bestellung von Verkehrsleistungen, � Marketing und Kundenbetreuung, � Finanzierung, � Qualitätsmanagement. Neben dem klassischen Aufgaben im Verkehrsmanagement (Netz- und Fahrplanung) und den Kernaufgaben der Kundeninformation, des Marketings und der Mobilitätsforschung umfasst das Aufgabenspektrum auch die Abwicklung der komplexen Bereiche sowohl der lokalen als auch regionalen Einnahmenaufteilung. Es handelt sich dabei um Aufgaben, die im Wesentlichen aus dem bestehenden städtischen Verkehrsunternehmen, der Verkehrsgesell-schaft Frankfurt (VGF), ausgelagert wurden. Keine neue Bürokratie also, sondern eher das Gegenteil: eine kleinere, leistungsfähige, flexible Regieeinheit. traffiQ handelt im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main, deren politische Gremien dann viel unmittelbarer als in der Vergangen-heit Einfluss auf das Geschehen im öffentlichen Nahverkehr nehmen können. Der „Frankfurter Weg“, den die Stadt Frankfurt am Main mit der Ausgrün-dung der traffiQ eingeschlagen hat, bedeutet neben der Trennung des Bestellers, der Lokalen Nahverkehrsgesellschaft traffiQ, vom Ersteller, der VGF, auch das Bekenntnis zum Wettbewerb im ÖPNV. Diesen zu organisieren ist ein weiterer Aufgabenbereich für traffiQ. Der Wettbewerb * Dr. Hans-Jörg von Berlepsch ist Geschäftsführer der traffiQ - Lokale Nahverkehrsgesellschaft Frank-

furt am Main mbH.

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erfolgt als europaweite Ausschreibung lokaler Busverkehre der Stadt Frankfurt. Wo gestern noch alle ÖPNV Aufgaben bei der VGF lagen, werden heute Qualität, Leistung und Kosten durch ein Wettbewerbsver-fahren bestimmt - und das mit großem Erfolg. traffiQ gibt einen hohen Standard für den ÖPNV in Frankfurt vor und kauft diesen zu den gering-sten Kosten für die Allgemeinheit am Markt ein. Der „Frankfurter Weg“ führt also über die konsequente Trennung von Besteller und Ersteller in den kontrollierten Wettbewerb (durch öffentliche Ausschreibung) und damit in eine sichere Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge für die Mobilität der Frankfurter Bürgerinnen und Bür-ger. Ein leistungsfähiger ÖPNV wird unter der Regie der Stadt erbracht und damit Planungssicherheit für die beteiligten Unternehmen gewähr-leistet. Die Steuerung und das Controlling des ÖPNV behält sich der Aufgabenträger, also der Besteller und Bezahler der Leistungen vor. Damit werden erstmals auch die Kosten des ÖPNV den politischen Instanzen der Stadt transparent, denn sie haben über Neubestellungen zu beschließen, die jeweils mit Kosten hinterlegt sind. Damit ist nicht nur ein Zwang zur Wirtschaftlichkeit gegeben, es wird auch eine in der alten Struktur nicht erreichbare Qualitätssicherung und -steigerung bewirkt. Das Land Hessen hat in seinem ÖPNV-Gesetz die Trennung von Besteller und Ersteller vorgegeben, die Stadt Frankfurt hat diese Vor-gabe konsequent umgesetzt. Dabei ergibt sich eine profilierte Neuord-nung von Zuständigkeiten und Funktionen auf drei Ebenen: (1) In der ersten Ebene befinden sich die Aufgabenträger (Land Hes-sen, kreisfreie Städte, so genannte Sonderstatusstädte, Kreise). Sie be-finden über die Grundsätze einer ausreichenden ÖPNV-Bedienung sowie der Planung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV. (2) Die zweite Ebene ist die der Aufgabenträgerorganisationen, also z. B. von traffiQ für den Lokalverkehr Stadt Frankfurt am Main und dem Rhein-Main Verkehrsverbund RMV (für den Regionalverkehr). Hier wird der ÖPNV gestaltet, also die Planung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV nach Vorgaben der politischen Gremien umgesetzt sowie Bestellung der Verkehre ausgeführt. (3) In der dritten Ebene sind die Verkehrsunternehmen angesiedelt, die als kommunale oder private Betreiber lokale und regionale Bus- und Schienenverkehre erbringen. Sie sollen als Unternehmen agieren, effi-zient die Dienstleistung erbringen und unternehmerischen Gewinn erwirt-schaften.

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Kern des lokalen 3-Ebenen-Modells in Frankfurt am Main ist die in 2001 umgesetzte Herauslösung der gesamten Regieabteilung aus dem kom-munalen Verkehrsunternehmen, der VGF, und die Überführung deren Aufgaben in die neue Aufgabenträgerorganisation (ATO) traffiQ. Hinzu kamen neue Aufgabenbereiche wie beispielsweise die Leistungsbestel-lung. Damit hat sich im Frankfurter ÖPNV eine neue Verteilung der Kompetenzen und Aufgaben ergeben:

Erste Ebene: Stadt Frankfurt Ziele: Setzung verkehrspolitischer Ziele wie der Sicherung einer ausrei-chenden Mobilität, der Optimierung der Raumordnung, den Umwelt-schutz und die Reduzierung des Finanzierungsbedarfs. Kompetenzen: Beschluss des Generalverkehrsplans und Nahverkehrs-plans sowie des Investitionsplans ÖPNV. Zweite Ebene: traffiQ - Lokale Nahverkehrsgesellschaft Ziele: Umsetzung verkehrspolitischer Ziele im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main, Steigerung des ÖPNV-Marktanteils (Modal Split) und der Ein-nahmen. Kompetenzen: Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt über den Aufgaben-übertragungs- und Beleihungsvertrag (AÜBV) mit der Stadt Frankfurt am Main für die Bereiche Planung, Organisation, Marketing, Kundenbetreu-ung und Finanzierung des ÖPNV aus Bus und Schiene in Frankfurt.

Dritte Ebene: Verkehrsunternehmen Ziele: Erzielung einer Rendite aus gewerblichem Betrieb. Kompetenzen: Operative Tätigkeit durch die Erbringung der Verkehrs-leistung. Die Beauftragung und Beleihung von traffiQ erfolgt durch den Aufgaben-übertragungs- und Beleihungsvertrag (AÜBV) mit der Stadt Frankfurt am Main. Hierin sind die Kernaufgaben von traffiQ festgelegt. Diese gestal-ten sich wie folgt: � Produktgestaltung (Leistungsplanung)

u.a. Entwicklung verkehrsträger- und betreiberübergreifender Pro-dukte, Planung integrierter Leistungsangebote, Festlegung von Qua-litätsstandards, Infrastrukturplanung

� Leistungsbestellung und -überwachung u.a. Einkauf der lokalen Betriebsleistungen, Koordination der Betrei-ber, Qualitätskontrolle, Abrechnung mit den Leistungserstellern

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� Kommunikation (Vermarktung) u.a. Entwicklung von ÖPNV-Leitlinien und einem Marketing-Konzept, Betreiberübergreifende Öffentlichkeitsarbeit, ÖPNV-Werbung, Fahr-gastinformation und Mobilitätsberatung

� Distribution (Vertrieb) u.a. Rahmenvorgaben für den Fahrausweisvertrieb und die Ver-triebsinfrastruktur, Übergreifendes Beschwerdemanagement

� Finanzierung und Einnahmenmanagement u.a. Sicherung der Finanzierung, Budgetplanung und Koordinierung der Mittelflüsse, Sicherung der Verkehrseinnahmen, Lokale Einnah-menaufteilung

� Preis- bzw. Tarifgestaltung u.a. Mitwirkung bei der Weiterentwicklung des Verbundtarifs im RMV, Definition lokaler Tarifangebote

Da traffiQ gegründet wurde, um den Wettbewerb im ÖPNV für die Stadt Frankfurt am Main zu organisieren - und damit auch heute noch, acht Jahre nach der Gründung, unter allen Großstädten in Deutschland ein-zigartig ist - gilt diesem Aufgabenbereich auch besonderes Interesse. Vorauszuschicken ist, dass entgegen allen interessengeleiteten und ideologischen Unterstellungen seitens ver.di und der Hans-Böckler-Stif-tung die Abteilung „Vergabe und Vertragsmanagement“ nur fünf beschäf-tigte umfasst und jährlich einen Kostenaufwand von etwa 250 Tsd. € erfordert. In der Vorbereitung des Wettbewerbs im großstädtischen ÖPNV konnte traffiQ auf keine Vorbilder zurückgreifen, sondern musste vieles neu erfinden. Zuerst war da die Linienbündelung. Das Frankfurter Busnetz wurde in fünf Linienbündel aufgeteilt. Grundprinzip der Aufteilung war es, aus verkehrlicher und verkehrswirtschaftlicher Sicht etwa gleich gewich-tige Bündel zuzuschneiden (Zusammensetzung aus „guten“ und „schlechten“ Linien). Die Aufteilung des Netzes erhöht vor allem die Chancen mittelständischer Unternehmen und Bietergemeinschaften im Wettbewerb. Jedes der Bündel repräsentiert eine Leistungsgröße von rund drei Millionen Fahrplankilometern. Zum zweiten musste lokale bündelspezifische Einnahmenaufteilung errechnet werden, die schließlich auch mit in die Überlegungen zu einem Marktvergleichspreis eingebettet wurde. Dies war notwendig, weil man der VGF die Möglichkeit einräumte, sich schrittweise auf den Wett-bewerb vorzubereiten.

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Dazu wurden der VGF zur Vorbereitung der Ausschreibungen die Bus-verkehre auferlegt und mit einem Marktvergleichspreis (Benchmark) statt einer Kostenerstattung vergütet. Somit konnte in Verbindung mit der Unterteilung des Busnetzes in fünf Bündel die Grundlage dafür geschaf-fen werden, den Übergang in den Wettbewerb schrittweise zu vollziehen und Erfahrungen auswerten zu können. Am 13.05.2004 beschloss die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung den Start der europaweiten Ausschreibung von Frankfurter Busverkehren. Neben der Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung und der Begrenzung der finan-ziellen Belastung der Stadt wollte man auch eine Steigerung der Attrakti-vität durch hohe Qualität und damit auch eine Steigerung der Fahrgast-zahlen erreichen. Wettbewerb ist kein Selbstzweck. Er erschließt einer-seits Einsparpotentiale, schafft andererseits aber leistungsfähigere Ver-kehre sowie eine bessere Akzeptanz des ÖPNV. So wird der öffentliche Verkehr im Wettbewerb mit dem Auto gestärkt. Nach dem Vorlauf mit einem so genannten Bündelchen (sechs Midi-busse im Stadtteil Sachsenhausen) kam es im Dezember 2006, gut fünf Jahre nach der Auferlegung der Busverkehre zugunsten der VGF, zum Start des ersten im Wettbewerb vergebenen Bündels. Tatsächlich gelang es der VGF-Tochter In-der-City-Bus GmbH (ICB) diese Bündel D zu gewinnen. Es folgte 2007 die Alpina Bad Homburg GmbH für das Bündel A, die Firma Sippel für das Bündel C im Dezember 2008 und ein Jahr später beim Bündel B wiederum die ICB. Die Ausschreibung des Bün-dels E wird im Jahr 2009 erfolgen. Damit liegen nun die Erfahrungen aus fünf öffentlichen Ausschreibungen im Frankfurter Busverkehr vor. Die Grafik auf der nächsten Seite zeigt den aktuellen Stand der Aus-schreibungen im lokalen Frankfurter Busverkehr. Die Leistungen werden im Offenen Verfahren nach den Vorgaben der Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A (VOL/A), 2. Abschnitt, und der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VGV) vergeben. Der Verkehrsvertrag ist so konzipiert, dass der Gewinner der Ausschrei-bungen die volle Verantwortung für seine Leistungen trägt. Er ist Träger aller gesetzlichen Verpflichtungen und unmittelbarer Vertragspartner des Kunden bzw. Fahrgasts, keineswegs ein Lohnkutscher, wie böse Zungen unterstellen.

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Grafik: Stand der Ausschreibungen im lokalen Frankfurter Busverkehr

E >> Dez. 2010 >> ?

B >>Dez. 2009 >>ICB (VGF)

C >> Dez. 2008 >> Sippel (Arriva)

A >> Dez. 2006 >> Alpina (Veolia)

D >> Dez. 2005 >> ICB (VGF)

F „Bündelchen“ >> Dez. 2004 >> RKH (DB) - Neuverkehr

Juni 2001Start

Auferlegung

Dezember 2005Auslaufen des

ersten auferlegtenBusbündels (D)

Dezember 2010Auslaufen des

letzten auferlegtenBusbündels (E)

VGF

VGF

VGF

VGF

VGF

AuferlegungBusverkehr

Die Ausschreibungen in Frankfurt am Main basieren auf einer konstrukti-ven Leistungsbeschreibung mit Anreizsystem (Bonus-Malus-System). Die konkreten Vorgaben der Leistungsbeschreibung sind notwendig, da die Einbindung der Verkehre in den hochgradig vernetzten gesamtstädti-schen Nahverkehr und dessen Einbindung in einen Verkehrsverbund den unternehmerischen Möglichkeiten der einzelnen Unternehmen natürliche Grenzen setzen. Außerdem sollte das Qualitätsniveau der ausgeschriebenen Verkehre auf keinen Fall das jetzige Niveau unter-schreiten. Deshalb müssen z. B. vorgegeben werden: das gesamte Betriebsprogramm, Fahrpläne, Bestimmungen zu zentralem Vertrieb, Fahrgeldsicherung, Marketing, Kundenbetreuung, Beschwerdemanage-ment, Fahrausweisprüfung, Fundbüro u.a.m. Bei den Qualitätsmerkmalen legt traffiQ besonderen Wert auf die Ausbil-dung der Busfahrer. Damit wird dem Kundenbedürfnis nach kompetenter Beratung und sicherer Beförderung Rechnung getragen. Jeder von den Verkehrsunternehmen eingesetzte Fahrer wird von traffiQ geprüft. Und dies geschieht nicht nur in punkto vollständiger Vorschriftenkenntnis, umfangreicher Ortsnetz- und Streckenkenntnisse und Kenntnisse des Tarif- und Fahrkartensortiments, es spielen auch die Beherrschung der deutschen Sprache, Kundenfreundlichkeit, besonderer Hilfsbereitschaft gegenüber in der Mobilität eingeschränkten Fahrgästen, Besonnenheit, Verantwortlichkeit, gepflegtem Erscheinungsbild sowie Stressbewälti-gungs- und Konfliktlösungskompetenz eine wichtige Rolle. So stellt traffiQ sicher, dass die vom Anbieter zugesicherten Eigenschaften auch tatsächlich eingehalten werden.

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Wird beim Personal also darauf großer Wert gelegt, dass sich der ÖPNV unter marktwirtschaftlichen Bedingungen besonders positiv präsentiert, so wird beim Fahrzeugeinsatz ein weiterer Vorbehalt gegen den Wett-bewerb, er führe zum Einsatz veralteter und minderwertiger Fahrzeuge, ad absurdum geführt. Höchste Qualitätsanforderungen an die Fahr-zeuge, wie zum Beispiel der obligatorische Einsatz von klimatisierten Niederflurfahrzeugen, maximale Umweltstandards und bestmögliche Kundeninformation werden vorausgesetzt. Die Ausschreibungsvorgaben legen außerdem detailliert fest, in welcher Weise den besonderen Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Fahrgästen Rechnung zu tragen ist. Wie Innovation durch Wettbewerb durchgesetzt werden kann, zeigt sich in der Realisierung anspruchsvoller Umweltstandards bei den Fahrzeu-gen. Beim Bündel D wurde der Abgasstandard so festgelegt, dass er der Euro-Norm 3 + CRT-Filter entspricht. Beim Bündel A forderte traffiQ optional ausdrücklich dazu auf, den derzeit höchsten Abgasstandard EEV anzubieten, mit dem Erfolg, dass alle Anbieter EEV vorsahen. Danach, ab Bündel C, war der Betrieb mit EEV-Fahrzeugen dann obli-gatorisch für alle. Qualität kann durch den Ausschreibungswettbewerb bewusst gesteuert und merklich verbessert werden. Der ÖPNV leistet dadurch auch seinen zusätzlichen Beitrag zur Luftreinhaltung und Lärmminderung in der Stadt. Die Fahrzeugindustrie hat ebenfalls auf die Nachfrage nach hochwertigen Fahrzeugen reagiert, so dass die Pilot-ausschreibung Bündel A den Systemwettbewerb der Fahrzeughersteller (Erdgas versus EEV-Diesel) intensiviert hat. Was vorher als möglich bezeichnet wurde, nämlich EEV beim Dieselmotor zu erreichen, ist inzwischen die Norm geworden. Um die hohen Anforderungen während der gesamten Vertragslaufzeit sicherzustellen, hat traffiQ ein eigenes Qualitätsmanagement entwickelt. Vertragsbestandteil ist ein Bonus-Malus-System, das eine systematische Überprüfung der Qualität durch Messung bestimmter Qualitätsmerkmale beinhaltet. Durch Anreize (Bonuszahlungen) soll eine Steigerung der Qualität erreicht werden. Sanktionen haben das Ziel, den Auftragnehmer zu einer schnellen Abstellung von Mängeln zu bewegen. Das Bonus-Malus-System soll zu einer Qualitätssicherung und somit zu einer höhe-ren Kundenzufriedenheit beitragen. Die Qualitätserfassung und Qualitätskontrolle zur Messung und Sanktio-nierung mittels Bonus-Malus erfolgt für objektive A-Kriterien und subjek-tive B-Kriterien. Als objektive A-Kriterien werden die Richtigkeit und Funktionsfähigkeit der Fahrgastinformation am Fahrzeug außen und im

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Inneren des Fahrzeugs, das einheitliches Erscheinungsbild des Perso-nals, der Verkauf von Fahrscheinen sowie die Tarif- und Ortskenntnisse des Fahrpersonals ermittelt und bewertet. Unter den subjektive B-Krite-rien werden die Bewertungen für Pünktlichkeit, persönliche Sicherheit im Fahrzeug, Temperatur im Fahrzeug, Sauberkeit des Fahrzeugs, Qualität der Auskünfte, Fahrstil, Freundlichkeit/Hilfsbereitschaft, äußeres Erscheinungsbild ermittelt. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Ausschreibungen einen überzeugenden Erfolg brachten. Der erzielte Preis lag etwa ein Viertel unter dem für die auferlegten Verkehre gezahlten Marktvergleichspreis. Wahrscheinlich werden zu den Verkehren in Zukunft keine oder nur sehr geringe direkte Zuschüsse aus dem Haushalt der Stadt Frankfurt am Main erforderlich sein. Das jährliche Einsparpotential für den Haushalt der Stadt ist damit erheblich. Die Aufgabenträger übernehmen in der „neuen Welt“ des ÖPNV Auf-gaben und Kompetenzen, die bisher bei den Verkehrsunternehmen angesiedelt waren. Damit gewinnen die Städte wieder ihre ÖPNV-Kom-petenz zurück. Die kommunalen Unternehmen müssen ihrerseits lernen, sich auf ihre Kernkompetenz, nämlich das Organisation und Abwicklung betrieblicher Leistungen zu konzentrieren. Die neue Rolle der Aufgabenträgerorganisation im ÖPNV entspricht einem zeitgemäßen Staats- und Verwaltungsverständnis, das in der Neufassung vieler Gemeindeordnungen und den Diskussionen um die Verwaltungsstruktur der Zukunft zum Ausdruck kommt: Leistungen wer-den nicht mehr vom Staat bzw. den Kommunen selbst erbracht, die Gebietskörperschaften beschränken sich vielmehr auf eine steuernde Funktion durch schlanke, kompetente und bewegliche Verwaltungsein-heiten. Sie gewährleisten darin die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, kaufen Leistungen ein, setzen Standards und überwachen deren Ein-haltung. Die Ausführung und gegebenenfalls Teile der Ausgestaltung können in vielen Fällen Dritten überlassen werden. Der Forderung nach einer Daseinsvorsorge, die von der öffentlichen Hand zu verantworten ist, widerspricht dies nicht. Im Gegenteil: Die Leistungen der Daseinsvor-sorge werden verbessert und effizient sowie effektiv bereitgestellt. Für ein solches Verständnis steht der „Frankfurter Weg“ mit seiner ein-deutigen Erfolgsbilanz: � Wettbewerb führt zu einer höheren Transparenz über ÖPNV-Aufwen-

dungen.

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� ÖPNV unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ermöglicht erst den Einsatz neuer Technologien, um die Belastung der Umwelt zu redu-zieren (EEV-Standards im ÖPNV, Feinstaubreduktion).

� Er sorgt für eine bessere Steuerungsfähigkeit des ÖPNV-Gesche-hens, u.a. durch Trennung von Besteller und Ersteller.

� Der Einfluss des Aufgabenträgers wird gestärkt. Steuerung und Con-trolling des ÖPNV erfolgt durch den Bezahler/Besteller.

� Sicherstellung und Steigerung der Qualität im ÖPNV sind vertraglich festgelegt (Bestnoten für ausgeschriebene Leistungen)

� Angebotsverbesserungen sind haushaltsneutral möglich. Eine deutli-che Zunahme der Nachfrage und der Erlöse kann erzielt werden.

� Kein Dumpinglohn! traffiQ verpflichtet die Verkehrsunternehmen, die in Frankfurt am Main Busdienstleistungen erbringen wollen, den Tarif für das private Busgewerbe in Hessen anzuwenden.

� Marktwirtschaft im ÖPNV führt zu Einsparungen, die als Wettbewerbsdividende in die Weiterentwicklung und Kapazitätsaus-weitung investiert werden kann, um den modal-split zu Gunsten des ÖPNV zu verändern.

� Durch marktwirtschaftliches Verhalten wird die ÖPNV-Daseinsvor-sorge gesichert. Die öffentliche Hand gewährleistet Daseinsvorsorge, erbringt sie aber nicht selbst.

� Eine hohe Wettbewerbsintensität schützt vor Monopolen und Oligopolen.

Auch im Rhein-Main-Verkehrsverbund, wird konsequent auf Wettbewerb gesetzt und analog zur Frankfurter Entwicklung durchweg mit Erfolg. Gegen ein landläufiges Vorurteil gewinnen im regionalen Verkehr auch mittlere und kleinere Busunternehmen Ausschreibungen. Richtig ange-wendet stärkt der Wettbewerb im ÖPNV mittelständische Unternehmen, wie sich hier zeigt. Ein Modellvergleich mit weiteren Aufgabenträgerorganisationen in Deutschland aus Berlin, Essen, Hamburg, Hannover, Leipzig, München und Stuttgart zeigt darüber hinaus, dass nirgendwo ein direkterer Ein-fluss der politischen Gremien des Aufgabenträgers auf das ÖPNV-Geschehen besteht als in Frankfurt am Main. Ein weiteres Indiz für dafür, dass der „Frankfurter Weg“ die richtige Richtung eingeschlagen hat.

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Workshop 4: Krankenhaussektor

Referenten:

Georg Baum Trägervielfalt unter Wettbewerbsbedingungen

Alfred Dänzer Blickwinkel Krankenhaussektor

Manfred Greiner* Chancen und Risiken der kommunalen Kliniken im Wettbewerb

* Siehe Anhang.

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Georg Baum* Trägervielfalt unter Wettbewerbsbedingungen Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist der Dachverband aller Krankenhäuser und vertritt alle Trägergruppen. Trägervielfalt zu achten und zu bewahren hat für die DKG konstitutiven Rang. Das bedeutet Neutralität in den Diskussionen, in denen es um strittige Themen im Wettbewerb der Trägergruppen geht. Die DKG bezieht aber Position im Hinblick auf das Prinzip der Trägervielfalt. Hier ist die DKG Befürworter aus Überzeugung. Medizinische Versorgung ist etwas hoch Persön-liches. Das Nebeneinander von öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Krankenhausträgern gewährleistet, dass persönliche Präferen-zen mit freien Wahlentscheidungen belegt werden können. Die Vielfalt der Trägerorganisationen macht es damit möglich, dass Motivationen aus sehr unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft in das deutsche Gesundheitswesen eingebracht werden können – ein unschätzbarer Wert. Aus verbandspolitischer Sicht kommt noch hinzu, dass der DKG die großen gesellschaftlich und politisch anerkannten Gruppen und Organisationen, die Städte, die Kreise, die Bundesländer, die Kirchen, die sozialen Organisationen und große private Unternehmen politisches Gehör verschaffen. Auch wenn es viele in der Politik gibt, die glauben, man müsse mehr Wettbewerb im Krankenhausbereich einführen – im Krankenhauswesen gibt es massiven Wettbewerb, der immer weiter zunimmt. Diesem Wett-bewerb muss sich jedes Krankenhaus stellen, unabhängig vom Träger. Die Aufgabe der DKG als Verband liegt darin, allen Häusern Bedingun-gen zu verschaffen, damit sie in diesem wettbewerblichen Umfeld über-leben können und darüber hinaus Zukunftsperspektiven und Optionen haben. Dies ist natürlich umso leichter auszufüllen, je größer und weiter der unternehmerische Freiraum ist. Die Loslösung vom engen Band kommunalpolitischer Entscheidungswege ist für die öffentlichen Häuser von zentraler Bedeutung.1 Die Vor- und Nachteile, die in einzelnen Trägerstrukturen liegen, können nicht ausgeglichen werden. Allerdings kann für Fairness bei den allgemeinen Bedingungen gesorgt werden. Der bisherige Weg der

* Georg Baum ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. 1 Siehe auch Beitrag von Herrn Dänzer, S. 132 bis 137 in diesem Heft.

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Weiterentwicklung des DRG-Systems2 ist hierfür ein gutes Beispiel. Die Maximalversorger und hier vornweg die Universitäten und großen kom-munalen Krankenhäuser hatten berechtigt Aufwertungsbedarf im oberen Leistungssegment geltend gemacht. Diese notwendige Ausdifferenzie-rung im DRG-System war nur über Umverteilungseffekte realisierbar. Dass darüber in der Gemeinschaft aller Krankenhäuser Konsens gefun-den wurde, spricht für die Bereitschaft zur Fairness. Auch im Kampf um eine bessere Vergütung der Krankenhausleistungen gibt es einen gemeinsamen Standpunkt: � Der Deckel muss weg. � Die Grundlohnratenbegrenzung muss weg. Die Vergütungsbedingungen müssen einem Krankenhaus bei wirtschaft-licher Betriebsführung ein Überleben ermöglichen. Das ist definitiv nicht der Fall, wenn beliebig Vergütungen zur Konsolidierung von Kranken-kassen gekürzt werden. In diesem Kontext ist ein gesetzliches Defizit-ausgleichsverbot durch den Träger schwer verständlich, wenn der Staat selbst die Träger massenhaft in Defizitsituationen schickt. Alle Träger brauchen Ausgleich für die Kostensteigerungen, insbeson-dere Tarifkosten. Auch in der aktuellen Diskussion über einheitliche Ver-gütungen und in der Abwehr von Selektivverträgen für Elektivleistungen und in der Abwehr von Rabattverträgen findet eine trägerübergreifende Rücksichtnahme statt. Die, die von Rabatten sprechen, haben hier Leis-tungen vor Augen, die von spezialisierten Krankenhäusern häufig er-bracht werden. Über die Träger hinweg herrscht Einigkeit in der Verfolgung des Ziels einer besseren Verzahnung von ambulanten und stationären Leistungen. Das ambulante Leistungsspektrum des § 116 b SGB V für alle Kliniken so weit wie möglich zu öffnen, ist das gemeinsame Ziel. Gleichwohl dürften angesichts der Strukturqualitätsanforderungen, insbesondere der Mindestmengen, größere Krankenhäuser leichter Zugang haben. Selbst in den sensiblen Fragen des Kartellrechts wird gerade versucht, gemeinsame Positionen zu formulieren. Dabei geht es um die Stärkung der gesundheitspolitischen, der medizinischen Aspekte, die die DKG bei

2 Diagnosis Related Groups (Diagnosebezogene Fallgruppen) bezeichnen ein ökonomisch-medizini-

sches Klassifikationssystem, bei dem Patienten anhand ihrer Diagnosen und der durchgeführten Behandlungen in Fallgruppen klassifiziert werden, die nach dem für die Behandlung erforderlichen ökonomischen Ressourcenverbrauch unterteilt und bewertet sind.

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der bislang doch sehr abstrakt marktbezogenen Betrachtung im Kartell-verfahren vorrangig berücksichtigt haben will. Auch wenn der Wettbewerb zwischen den Häusern und Trägern weit-gehend ein Wettbewerb um Qualität ist, ist es richtig, Qualitätssiche-rungsaktivitäten nicht der Zufälligkeit zu überlassen, sondern alle Kran-kenhäuser mitzunehmen und alle Häuser in die Lage zu versetzen, die gesetzlichen Pflichtvorgaben bezüglich Qualität zu erfüllen. Sei es die Pflicht zu den Qualitätsberichten alle zwei Jahre, die Mitwirkung an den externen Qualitätsvergleichen im BQS-Verfahren und eben auch die Akzeptanz von Strukturqualitätsvorgaben bis hin zu Mindestmengen – die Verpflichtung aller mitzumachen, verhindert, dass Qualitätswett-bewerb zu einem ruinösen Wettbewerb wird. Renaissance der Kommunalwirtschaft? Hinsichtlich Betten und Patienten und Wertschöpfungsanteil sind die öffentlichen Krankenhäuser nach wie vor vorne.3 Sie müssen ihre Exis-tenzberechtigung nicht besonders begründen. Wenn sich öffentliche Trä-ger aus dem Betrieb eines Krankenhauses zurückziehen, dann tun sie dies in der Regel aus wirtschaftlichen Überlegungen. Akzeptanzprobleme für die Versorgung aus der öffentlichen Hand bei den Bürgern sind weder für die öffentlichen noch für alle anderen Träger wahrzunehmen. Richtig dürfte aber auch sein, dass die aktuelle Finanzkrise und die damit einher gehende Vertrauenskrise den bislang vorherrschenden Zeitgeist, der die öffentliche Leistungserbringung in eine subsidiäre Rolle zurückgedrängt hat, kritisch hinterfragt. Wenn öffentliche Banken wieder als unverzicht-barer Teil der monetären Daseinsversorgung definiert werden, dürfte die Sicherstellung der medizinischen Leistungen durch öffentliche Träger ebenfalls eine explizite Begründung nicht erfordern.

3 Siehe auch Beitrag von Herrn Dänzer, S. 132 bis 137 in diesem Heft.

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Alfred Dänzer* Blickwinkel Krankenhaussektor I. Vorbemerkung Das Universitätsklinikum Mannheim kann als Unikat in der Kranken-hauslandschaft bezeichnet werden. Träger des Krankenhauses und damit alleiniger Gesellschafter der GmbH ist die Stadt Mannheim. Das Land Baden-Württemberg / die Universität Heidelberg unterhält in Mann-heim die Medizinische Fakultät Mannheim dieser Universität, die damit über 2 Medizinische Fakultäten, eine in Mannheim und eine in Heidel-berg verfügt. Forschung und Lehre, also Hochschulmedizin, klinische Forschung auf der einen Seite und Krankenversorgung auf der anderen Seite werden gemeinsam unter einem Dach von zwei unterschiedlichen Trägern verantwortet und finanziert. Das Ganze ist geregelt in privat-rechtlichen dreiseitigen Verträgen zwischen Land Baden-Württemberg, Universität Heidelberg und der Klinikum GmbH mit komplexen Informa-tionsregeln und Benehmens- und Einvernehmensregelungen. Mannheim war die Blaupause für die Regelungen zwischen dem privaten Rhön-Kli-nikum AG und dem Land Hessen bezogen auf die Beschreibung der jeweiligen Verantwortlichkeiten. Der Autor ist also in zwei Welten parallel zu Hause und kann und darf daher für den öffentlichen Bereich einschließlich der Universitätsklinika eine Beurteilung vornehmen. II. Einleitung Renaissance der Kommunalwirtschaft und dabei im speziellen Fokus den Krankenhaussektor als Frage formuliert unterstellt in der Fragestel-lung bereits einen Tatbestand, der als solcher – wie im Nachfolgenden versucht wird zu beweisen – nicht zutrifft. Gerade im Umfeld der stationären Versorgung klaffen die Wahrnehmung von Presse und sonstiger Öffentlichkeit und die Fakten deutlich aus-einander. Der öffentliche Sektor der Gesundheitswirtschaft startete seine Professionalisierung später als der private Sektor. Dieses Delta ist wie

* Alfred Dänzer ist Geschäftsführer der Klinikum Mannheim GmbH.

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an der rückläufigen Zahl der materiell zu privatisierenden Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft abzulesen ist, überwiegend ausgeglichen. III. Bedeutung der öffentlichen Krankenhäuser in der BRD Nimmt man die Anzahl der Krankenhäuser für das Jahr 2006 (n = 2104) und ihre Verteilung auf den öffentlichen (n = 614) und privaten Sektor (n = 503) und setzt diese Zahlen in Relation, ergibt dies in der Tat einen prozentualen Anteil von 29 % öffentliche Trägerschaft und 24 % private Trägerschaft. Abbildung 1: Krankenhäuser nach Trägern 2006

Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG).

Die Krankenhauslandschaft in der BRD (alte BL) war über Jahrzehnte geprägt von einer Krankenhausplanung der Länder, die bei allen regio-nalen Unterschieden sich an einem dreistufigen System, der Grund- und Regelversorgung, der Zentralversorgung und der Maximalversorgung orientierte. Träger der Maximalversorgung waren und sind weit überwie-gend die Kommunen oder die Länder für die Universitätsklinika. Zu nen-nen sind hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – z.B. als große kom-munale Einrichtungen Vivantis in Berlin, die kommunalen Kliniken in Nürnberg, München, Stuttgart, Dortmund, Kassel oder Karlsruhe, Lud-wigshafen/Rhein oder das Universitätsklinikum in Mannheim. Ein wesentlich besserer Parameter als die Anzahl der Häuser zur Beur-teilung der Bedeutung der öffentlichen Träger versus private Träger sind die Patientenzahlen. Im Jahr 2006 wurden rund 16,8 Mio. Patienten insgesamt behandelt. Im kommunalen/öffentlichen Bereich 8,4 Mio. und im privaten Bereich 2,1 Mio. Patienten. Die prozentuale Verteilung zeigt 50 % im öffentlichen Bereich und 13 % bei den privaten Trägern.

2104

614

503

0 500 1000 1500 2000

1

Krankenhäuser privat

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Abbildung 2: Krankenhäuser nach Fallzahlen 2006

Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Über diesen Gesichtspunkt hinaus sind die öffentlichen kommunalen Träger mit hohen Anteilen in der Maximalversorgung engagiert und sind in vielen Fällen gemeinsam mit den Universitätsklinika sozusagen „last resort“. Die Daten sind der nachstehenden Abbildung 3 zu entnehmen. Abbildung 3: Anteil der öffentlichen kommunalen Träger an der

Maximalversorgung

Quelle: Eigene Daten.

Diese ihre Bedeutung lässt sich auch am Umfang der Notfallversorgung ablesen. Hierzu eine Übersicht mit Daten des Universitätsklinikums Mannheim.

0 5.000.000 10.000.000 15.000.000 20.000.000

1

Krankenfälle privatKrankenfälle öffentlichKrankenhausfälle Gesamt

Krankenfälle privat 2.111.817

Krankenfälle öffentlich 8.435.751

KrankenhausfälleGesamt

16.832.883

1

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

A B C D E MA F G H I J K L M N O P Q R

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Abbildung 4: Notfallbehandlungen

Quelle: Eigene Daten.

IV. Fehler öffentlicher Träger Öffentliche (kommunale) Krankenhäuser wurden bis weit in die 1990ziger Jahre von ihren Trägern wie Ämter der Zentralverwaltung geführt, sie waren Regie- oder Eigenbetriebe, also unselbständige Ein-heiten. Ihre Führungsgremien waren überwiegend mit Personen besetzt, die ihre Aufgaben im Verwalten, nicht aber im eigenständigen Gestalten verstanden. Kommunale Krankenhäuser wurden in dem Sinne nicht gemanagt. Die Entscheidungen wurden in öffentlich tagenden Gremien diskutiert und viel zu oft nicht getroffen. Die Delegationstiefe der Entscheidungs-freiheiten des Krankenhauses war gering. Selbst Personalentscheidun-gen von Mitarbeitern in operativen Linienpositionen waren zustimmungs-pflichtig durch die Gremien, die Wirtschaftpläne hatten sich nach den globalen Vorgaben der Verwaltung zu richten und orientierten sich selten an den Leistungen und Erlösen des Krankenhauses. Die Investitionsmittel außerhalb der Zuweisungen nach KHG/LKHG1 wur-den in Konkurrenz zu anderen öffentlichen (politisch motivierten) Vor-haben i.d.R. nur bescheidenem Umfang zur Verfügung gestellt und deckten in keiner Weise den nach betrieblichen Erfordernissen und im Wettbewerb mit anderen Trägern notwendigen Bedarf. Der Investitions-

1 Krankenhausfinanzierungsgesetzt/Landeskrankenhausgesetz.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Gesamt 39873 42490 43708 40481 49019 54465 32847 40096 39714 40547

Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

25.00027.00029.00031.00033.00035.00037.00039.00041.00043.00045.00047.00049.00051.00053.00055.00057.000

Gesamt

Jahr

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stau durch mangelnde Investitionsförderung der Länder hat damit sein Pendant auch auf der kommunalen Trägerseite. Kommunale Häuser, die noch in diesen Strukturen verharren haben keine Zukunft und werden mit Sicherheit materiell privatisiert. Die Ver-antwortung für diese Entwicklung liegt bei den Trägern, die nicht verste-hen oder akzeptieren, dass es zum Modell Unternehmen Krankenhaus keine Alternative gibt. Erfolg oder Misserfolg ist nicht trägerspezifisch. Die wesentlichen Vor-teile privater Krankenhäuser oder Ketten liegt nicht in den besseren Managementfähigkeiten sondern überwiegend in den schnellen Ent-scheidungswegen und der ausschließlichen Orientierung an den Erfor-dernissen von Markt und Unternehmen im Gegensatz zu den zu oft kommunalpolitischen Mikrointeressen von einzelnen Gemeinderäten oder Fraktionsteilen, also der persönlichen Imagepflege. Der größere Teil der kommunalen Träger hat die Entwicklung zum Unternehmen Krankenhaus frühzeitig aktiv gestaltet, etwa durch Umwandlung in gemeinnützige GmbHs oder zeitgemäß analog einer ausgegliederten GmbH gestalteter Satzungen. Dieser Prozess begann von Mitte der 1990ziger Jahre bis in die Jahre 2000/2002 und ist nun weitgehend abgeschlossen. Es vollzog sich ein Prozess der Abkopplung im Finanz- und Personalwesen. Die Aufsichtsräte tagen nicht öffentlich, haben sich in wesentlichem Umfang entpolitisiert und sind auf Interessen des Betriebes ausgerichtet. Zwei Drittel aller deutschen Krankenhäuser schreiben ausgeglichene Jahresergebnisse oder gar positive Ergeb-nisse. Das gilt auch für die Kommunalen. V. Kommunaler Versorgungsauftrag Die Daten der Maximalversorgungsanteile zeigen, dass kommunale (öffentliche) Krankenhäuser im Verhältnis zum Durchschnitt der deut-schen Krankenhäuser überproportional im Bereich der Maximalversor-gung engagiert sind. Diesem Versorgungsauftrag sowohl im stationären als auch z.B. in der ambulanten Notfallversorgung stellen sich die kom-munalen/öffentlichen Krankenhäuser. Es stehen die Versorgung und nicht der Shareholder Value im Fokus. Der Sicherstellungsauftrag für die stationäre Versorgung wurde von den Ländern via Landesrecht auf die Kommunen verlagert. Dieser ist umfas-send und nicht begrenzt auf sich rechnende Fallpauschalen.

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Die ausschließlich auf Ökonomie orientierte Sicht von Krankenversor-gung und Medizin wird in den Medien und der Politik weitgehend kritiklos hingenommen oder sogar akzeptiert. Ein Unternehmen Krankenhaus steht auf drei Pfeilern, dem umfäng-lichen Versorgungsangebot, der Qualität der erbrachten Leistungen und der strengen Nebenbedingung der Ökonomie. Dagegen ist nichts einzu-wenden, die ordnungs- und gesundheitspolitische Frage muss aber schon erlaubt sein, ob es denn allgemein akzeptiert oder gar richtig ist, die Ware Gesundheit allein nach Markt- und Wettbewerb zu organisie-ren. Im Rahmen einer Diskussion zur Problematik öffentlicher Beihilfen (Stichwort Monti-Paket) hat ein Beamter der EU-Kommission unumwun-den eingeräumt, dass Wettbewerb im Gesundheitswesen in Europa fast ausschließlich auf den deutschen Markt begrenzt ist. Alle anderen Staa-ten setzen dieses Feld mit Recht nicht ausschließlich den Marktgesetzen aus. Die erfolgreichen amerikanischen Krankenhäuser sind non-for-profit Unternehmen, darauf sei noch hingewiesen. Die Bedeutung des Gesundheitswesens für jeden Bürger ist zu groß, um es allein den Marktkräften zu überlassen. Die Kommunen sind sicherlich gut beraten, sich ihres Aufträge der Daseinsvorsorge zu Besinnen und Krankenhäusern den Freiraum der Gestaltung einzuräumen, den sie benötigen um erfolgreich im Wettbewerb zu bestehen.

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Anhang

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Anhang Dieser Band der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ hat einen Anhang mit einer Powerpoint-Präsentation. Aufgrund technischer Probleme kann der Beitrag von Herrn Greiner nicht in bewährter Form veröffentlicht werden. Seine Präsentation finden Sie nachstehend. Die Herausgeber

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Manfred Greiner* Chancen und Risiken der kommunalen Kliniken im Wettbewerb

Chancen und Risiken der kommunalen Kliniken im Wettbewerb

Manfred GreinerVorsitzender der Geschäftsführung

Städtisches Klinikum München GmbH

Klinikum Bogenhausen

Klinikum Harlaching

Klinikum Neuperlach

Klinikum Schwabing

Klinik Thal-kirchner Straße

* Manfred Greiner ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Städtisches Klinikum Mannheim GmbH.

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ca.

600 Mio. €Gesamtumsatz

127.371Fälle vollstationär

ca. 11.000Fälle teilstationär

3.356Betten

261tagklinische

Plätze

ca.

6.800Vollkräfte

Stand: 2007 Stand: 2007

Grundlage des kommunalenVersorgungsauftrages

Zuständigkeit für die stationäre Krankenhausversorgung

die Landkreise gem. Art. 51 Bayr. Landkreisordnung

die kreisfreien Städte gem. Art. 9 Bayr. Gemeindeordnung

(entsprechende Regelungen in den anderen Bundesländern)

Der Versorgungsauftrag bleibt – unabhängig von der tatsächlichen Trägerschaft durch Dritte - bei der kreisfreien Stadt/beim Landkreis)

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Rahmenbedingungen für Krankenhäuserin privater Trägerschaft

Private Träger betreiben Krankenhäusersolange dies ökonomisch interessant ist.

Dies gilt

für die Struktur des medizinischen Angeboteseines Krankenhauses

für den Standort eines Krankenhauses

Tendenziell unterschiedliche Ausrichtungzwischen kommunalen und privaten Kliniken hinsichtl. Leistungsangebot/Patientenstruktur

fachliche Breite des Versorgungsangebotes

Anteil Altersgruppen u. Versichertenstatus

Anteil Notfallpatienten/elektive Patienten

Vorhaltung Notfallversorgung nachts/Wochenende

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Chancen kommunaler Kliniken

hohe Akzeptanz in der Bevölkerung für stationäre Versorgung in kommunaler Trägerschaft

keine überzogenen Renditeverpflichtungen

Wettbewerbsfähigkeit bei konsequentem wirtschaftl. Handeln

Risiken kommunaler Kliniken

Krankenhausfinanzierungssystem

EU-rechtliche Rahmenbedingungen

Gewerkschaften messen mit zweierlei Maß

überzogene Erwartungen der Öffentlichkeit

kommunalpolitische Vorgaben

zu geringe strukturelle Flexibilität

mangelnde Investitionskraft

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Fazit (1)

Bei konsequenter Anpassung der Unternehmens-entwicklung an die Rahmenbedingungen habenkommunale Kliniken gute Chancen, sich im Wett-bewerb zu behaupten

Kommunale Trägerschaft von Krankenhäusern darf nicht auf die Bereiche zurückgedrängt werden,die private Träger nicht übernehmen wollen

Fazit (2)

Fehlentwicklungen im Europarecht müssen korrigiert werden

DRG-System muss weiterentwickelt werden insbe-sondere hinsichtl. angemessener Finanzierung von

älteren, multimorbiden Patienten

24-h-Notfallversorgung von akut behandlungs-bedürftigen Patienten

Patienten mit extrem hohen Behandlungs-kosten

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Die Teilnehmer des Symposiums Dr. Martin Ahbe, Europäische Kommission, Brüssel Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen Dr. Arnt Baer, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Berlin Günther Bareis, Stadtwerke Weißenfels GmbH Andrè Barna, InvestitionsBank des Landes Brandenburg, Potsdam Georg Baum, Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V., Berlin Bernd Bleck, IFTEC GmbH & Co. KG, Leipzig Steffen Bilger, MVV Energiedienstleistungen GmbH, Mannheim Horst Bliese, Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein, Kiel Karl-Ludwig Böttcher, Städte- und Gemeindebund Brandenburg, Potsdam Ulrich Braatz, Scharbeutz Prof. Dr. Helmut Brede, Universität Göttingen Marlis Bredehorst, Stadt Köln Dr. Peter Breitenstein, GESA GmbH, Bonn Dr. Christiane Büchner, Universität Potsdam Wolfgang Bühring, Stadtwerke Speyer GmbH Jörg Bünning, Deloitte Consulting GmbH, Berlin Olaf Buske, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG, Hamburg Roberto Claußner, BVO Verkehrsbetriebe Erzgebirge GmbH, Annaberg-Buchholz Prof. Dr. Dr. Giacomo Corneo, Freie Universität Berlin Martina Cremer, Deutsche Bahn AG, Berlin Peter Daft, Stadt Köln Alfred Dänzer, Klinikum Mannheim GmbH Gert de Block, CEDEC, Brüssel Kai Doering, Zeitschrift: DEMO Die Demokratische Gemeinde, Berlin Karl Heinz Ecker, Energieverband Saar, Saarbrücken Phillip Erdle, RheinEnergie AG, Köln Klaus Evertz, VKS im VKU-Förderverein, Krefeld Birgit Flehmig, Auftragsberatung Brandenburg e.V., Cottbus Johann Forster, Energate Dr. Heribert Gisch, Entsorgungsverband Saar, Saarbrücken Andreas Goldmann, Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH, Leipzig Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Universität Göttingen Gerhard Greiner, Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs,

Wien Manfred Greiner, Städtisches Klinikum München GmbH, Joachim Haas-Feldmann, Beteiligungsholding Hanau GmbH Wilhelm Georg Hanss, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH Simone Hartmann, Landeshauptstadt Potsdam Heiner Hellfritzsch, Stadtwerke Döbeln GmbH Barbara Helten, Veolia Wasser GmbH, Berlin Thomas Herbing, ver.di Bundesverwaltung, Berlin Albert Herzmann, Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH Sylvia Hils, Universität Bremen Rolf Horenburg, Landeshauptstadt Stuttgart

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Kornelia Hülter, Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover KöR, Hannover Christiane Jansen, NRW.BANK, Düsseldorf Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut W. Jenkis, Universität Dortmund Dr. Joachim Keck, Investitionsbank Schleswig-Holstein, Kiel Dr. Thomas Klöckner, Berliner Stadtreinigungsbetriebe AöR Sabine Köhler, Region Hannover, Hannover Maren Kohrsmeyer, Ruhr-Universität Bochum Wieland Kramer, Journalist, Erkrath Jutta Krauth, Landratsamt Nordhausen Dr. Holger Krawinkel, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., Berlin Michael Krebs, Kommunaler Arbeitgeberverband Niedersachsen e.V., Hannover Detlev Kruse, Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH Pranab C. Lahiri, India Press, Berlin Rikta Lahiri, Alipur Barta (Wochenzeitung), Berlin Günther Langer, Abfallwirtschaftsbetrieb München Wolf Leetz, Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen - Deutsche Sektion des CEEP e.V.,

Berlin Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig Dr. Klaus Letzgus, Nomos Verlag, Baden-Baden Axel Linke, Stadt Salzgitter Christine Loeben, Auftragsberatung Brandenburg e.V., Cottbus Dr. Jürgen Löwe, Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH Thomas Lorenz, Rhein-Hunsrück Entsorgung AöR, Simmern/Hunsrück Ivo Lormes, Universität Potsdam Andreas Lüdtke, Rostocker Straßenbahn AG Wolfgang Marks, BVO Verkehrsbetriebe Erzgebirge GmbH, Annaberg-Buchholz Kathrin Materlik, Landratsamt Nordhausen Reiner Metz, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V., Köln Andreas Meyer, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Berlin Prof. Dr. Holger Mühlenkamp, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Richard Müllejans, Dürener Service Betrieb Herbert Müller, Dimap consult GmbH, Bonn Wolfgang L. Müller, SPD-Bundestagsfraktion, Berlin Dr. Georg Napp, Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main Holger Neumann, Stadtwerke Potsdam GmbH Prof. Dr. Werner Noll, Universität Würzburg Rainer Plaßmann, Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft, Brüssel Jürgen Pott, Zeitung für kommunale Wirtschaft, München Wolfgang Prangenberg, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Berlin Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen Hans-Joachim Reck, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Berlin Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam Wolfgang Reichel, Landeshauptstadt Mainz Walter Reinarz, Kölner Verkehrs-Betriebe AG Dirk Reitemeier, Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg, Potsdam Dr. Ralf Resch, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) AöR Herbert Reul, Europäisches Parlament, Brüssel/Bergisch Gladbach Britta Reuter, Deutsche Post AG, Berlin

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Hans Reuter, Tönisvorst Oliver Rottmann, Universität Leipzig Günter Rümmler, Landratsamt Nordhausen Prof. Dr. Christina Schaefer, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Bernd Schenke, P.T.-Magazin, Berlin Norbert Schmidt, Berliner Wasserbetriebe AöR Roman Schneider, SMM Managementberatung GmbH, Düsseldorf Michael Schöneich, Rechtsanwaltskanzlei GGSC, Berlin Nadine Schulte, Veolia Wasser GmbH, Berlin Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität zu Köln Carsten Schwettmann, Oberbürgermeister a.D, Kanzlei Becker Büttner Held, Köln Cristian Steiner, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH Dr. Matthias Stoffregen, Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH, Berlin André Tegtmeier, Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Universität Göttingen Dr. Knuth Thiel, Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg, Frankfurt (Oder) Steffen Tippach, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH Manfred Vogel, Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin Dr. Hans-Jörg von Berlepsch, traffiQ – Lokale Nahverkehrsgesellschaft Frankfurt am Main

GmbH Alfred Wälte, Stadtverwaltung Jena Peter Welling, thp threuhandpartner GmbH, Krefeld Norbert Wesling, Stadt Stendal Jeannette Wetterling, Landeshauptstadt Mainz Beatrix Widmer, Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen - Deutsche Sektion des

CEEP e.V., Berlin Karsten Wiedemann, Zeitschrift: DEMO Die Demokratische Gemeinde, Berlin Friedhelm Wirges, Dürener Service Betrieb Reinhard Zerge, Stadtwerke Döbeln GmbH Peter Karl Ziwny, Österreichischer Wirtschaftspressedienst, Wien Manfred zur Mühlen, KPMG Prüfungs- und Beratungsgesellschaft für den öffentlichen

Sektor AG, Köln

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Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft Bisher sind erschienen: Heft 30 Renaissance der Kommunalwirtschaft? Referate eines Symposiums

des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und des Deutschen Städtetages (2009)

Heft 29 Regulierung. Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat des Bundes-verbandes Öffentliche Dienstleistungen veranstalteten Tagung (2009)

Heft 28 Trennung von Infrastruktur und Betrieb – Königsweg öffentlicher Aufgabenerledigung? Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleis-tungen – Deutsche Sektion des CEEP, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und des Deutschen Städtetages (2008)

Heft 27 Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, des Deutschen Städtetages und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt (2008)

Heft 26 Auswirkungen der Globalisierung auf die öffentlichen Banken. Tren-nung von Infrastruktur und Betrieb. Referate einer vom Wissenschaft-lichen Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft am 21./22. Februar 2007 veranstalteten Tagung (2008)

Heft 25 Tendering or Direct Awarding of Public Services – Plea for the Right (E) to Choose for Territorial Authorities. On the Need for Legal Provi-

sions on the In-house Concept in the European Union, Statement of the Scientific Council of the Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft

Heft 25 Ausschreibung oder Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungen – Plädoyer für ein Wahlrecht der Gebietskörperschaften. Zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung des Inhouse-Begriffs in der Europäischen Union, Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (2007)

Heft 24 Die Zukunft der öffentlichen Dienstleistungen. Referate einer vom Wis-senschaftlichen Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft veran-stalteten Tagung (2007)

Heft 23 Öffentliche Dienstleistungen für die Bürger. Wege zu Effizienz, Quali-tät und günstigen Preisen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunter-nehmen und des Deutschen Städtetages (2006)

Heft 22 Öffentliche Dienstleistungen zwischen Eigenerstellung und Wett-bewerb. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes

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der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unter-nehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und der Gesell-schaft für Sozialen Fortschritt (2005)

Heft 21 Public Private Partnership: Formen – Risiken – Chancen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen und des Deutschen Städtetages (2004)

Heft 20 Ausschreibungswettbewerb – obligatorisch für alle öffentlichen Dienstleistungen? Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, des Verbandes kommunaler Unternehmen und des Deutschen Städtetages (2003)

Heft 19 Rollenwechsel kommunaler Unternehmen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft. (2002)

Heft 18 Die öffentliche Wirtschaft in Deutschland – Bestandsaufnahme zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Dokumentation der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) (2001)

Heft 17 Sparkassen und Landesbanken in der Wettbewerbs- und Privatisie-rungsdiskussion. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Ge-sellschaft für öffentliche Wirtschaft (1998)

Heft 16 Öffentliche Unternehmen – eine Alternative zur Privatisierung. Refe-rate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Sachsen (1996)

Heft 15 Europa, Wettbewerb und öffentliche Dienstleistungen. Bericht des CEEP und Vorschläge zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Euro-päischen Gemeinschaft sowie für eine Europäische Charta der Dienst-leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (1996)

Heft 14 Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb und Gemeindewirt-schaftsrecht. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1995)

Heft 13 Privatisierungsdogma widerspricht Sozialer Marktwirtschaft. Stellung-nahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1994)

Heft 12 Eigenbetrieb, Kapitalgesellschaft, Anstalt des öffentlichen Rechts – Rechtsformänderung bei den Berliner Eigenbetrieben? Referate eines Workshops der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und des Senators für Verkehr und Betriebe von Berlin (1993)

Heft 11 Die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft in der Europäischen Gemein-schaft. Referate einer Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für öffent-liche Wirtschaft (1992)

Heft 10 Die Auswirkungen der EG-Richtlinien zum öffentlichen Auftrags-wesen auf die öffentlichen Unternehmen – Bestandsaufnahme und Verbesserungsvorschläge. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Bei-rats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Rudolf Eiermann (1992)

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Heft 9 Die Unternehmen der Deutschen Bundespost als juristische Perso-nen des öffentlichen Rechts – Alternativ-Vorschläge zur Post-reform II. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Helmut Cox (1992)

Heft 8 Die Unternehmen der öffentlichen Energieversorgung der Bundes-republik Deutschland im europäischen Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Paul Münch (1991)

Heft 7 Die öffentlichen Eisenbahnen in der Bundesrepublik Deutschland an-gesichts der Vollendung des EG-Binnenmarktes. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Achim von Loesch (1991)

Heft 6 Öffentliche Kreditinstitute in der Bundesrepublik Deutschland und EG-Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Peter Eichhorn (1990)

Heft 5 Öffentliche Unternehmen und soziale Marktwirtschaft – Aktueller Handlungsbedarf im Umstrukturierungsprozeß der DDR. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Dietrich Budäus (1990)

Heft 4 Abfallentsorgung und ihre Finanzierung als Aufgaben öffentlicher Unternehmen. Referate und Diskussionsbericht einer Vortrags- und Dis-kussionsveranstaltung der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1989)

Heft 3 Gemischtwirtschaftlichkeit und öffentliche Aufgabe. Referate und Dis-kussionsbeiträge einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der Ge-sellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft (1988)

Heft 2 Thesen zur künftigen Struktur der Deutschen Bundespost. Stellung-nahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft zur Neuordnung der Deutschen Bundes-post, Federführung: Helmut Cox (1988)

Heft 1 Peter Eichhorn: Forschung und Entwicklung und öffentliche Unter-nehmen (1986)