REVIEW - Bluesfestival Baden · von Oswald und des norwegischen Trompeters Nils Petter Molvær...

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REVIEW JAZZ 9 Eine Woche Highlife in Sachen Blues: Das 11. Badener Bluesfestival dürfte die vergan- genen Ausgaben gar noch getoppt haben. Die komplette Truppe des ”Chicago Blues: A Living History”-Projekts sowie die Frank Bey & Anthony Paule Band bestätigten als Headliner die in sie gesetzten Erwartungen vollends. Daneben schafften die Verant- wortlichen auf überzeugende Weise den Spagat zwischen professioneller Organisa- tion und einer lockeren, ja herzlichen Atmo- sphäre. Jahr für Jahr wichtiger geworden im Badener Pro- gramm sind Präsentation, Stellenwert und Akzep- tanz der Beizenkonzerte. Während sich die Stanze- rei beinahe wie ein Juke Joint ausnahm, strahlten das Hirschli oder das Prima Vista den Charme eines Clubs auf Chicagos North Side aus. Gerade die Möglichkeit, an verschiedenen Orten unter der Wo- che ausgewählte Kleinformationen aus dem Gros der Living History-Musiker auftreten zu lassen, ent- puppte sich als cleverer Schachzug. So zum Bei- spiel konnte man in den Genuss des klassischen, frühen Chicago-Blues mit Billy Boy Arnold, Billy Flynn, Johnny Iguana und Kenny Smith, oder tags darauf der raueren, moderneren Variante des Gen- res mit dem Trio John Primer/Billy Flynn/Matthew Skoller kommen. Kein Durchhänger auch bei den anderen Konzerten – in den Beizen, wie im Nordportal: Sowohl Chris- tian Dozzler & Michael van Merwyk als auch Larry Garner mit der Norman Beaker Band stiessen beim Publikum auf grosse Begeisterung. Hervorzuheben gilt auch die bei uns noch kaum bekannte Fiona Boyes. Die handfeste Australierin bewies eine enor- me Bühnenpräsenz, viel Humor und überzeugte gitarristisch wie gesanglich. JT Lauritsen und seine Buckshot Hunters aus Norwegen baten zu einem Ausflug in die Bayous: Getragen vom Zydeco-Accor- deon und der Harmonica ihres Leaders tauchte man tief in die Stimmung von Louisiana ein. Daneben aber nicht vergessen dürfen wir die einheimische Szene: Sowohl Ed Elastic als auch Silver Lining lies- sen nichts anbrennen, Lilly Martin und ihre Band zelebrierten eine eindrückliche Show unter Mithilfe der Gäste Philipp Fankhauser, Richard Koechli, Will G. sowie Walter Baumgartner – und Fabian Ander- hub strotzte wie gewohnt vor Energie und brachte mit seinen Mitstreitern (ganz grossartig: Gitarrist Dominik Rüegg) den Saal zum Kochen. Bey & Paule Zu den heimlichen Stars des Festivals entwickel- ten sich im Laufe der Woche der Sänger Frank Bey und der Gitarrist und Bandleader Anthony Paule. Mit einer Frische sondergleichen lebten sie ihren Southern Soul. Dazu ist Bey mit einer wunderbaren Stimme und emotionsgeladener Gabe gesegnet, die es ihm ermöglicht, jeden Song zu adaptieren, ihm seinen Stempel aufzudrücken und zu einem eigenen zu machen. Schon im Feierabendkonzert im Club Joy, wo ihn neben seiner Truppe auch die Routiniers von Rotosphere begleiteten, begeisterte er mit einer Kostprobe seines Talents. Sein Set im Nordportal dann gipfelte, nicht zuletzt dank dem ihm ideal auf den Leib musizierten Backing der Anthony Paule Band, in einer knapp zehnminütigen Version von John Lennons ”Imagine”. In Beys Händen geriet dieser Klassiker zu einer regelrechten Hühnerhaut- Gospelnummer. Tags darauf gab es schliesslich noch ein ganz spezielles Zückerchen: Frank Bey, Anthony Paule und ihr Bassist Paul Olguin luden zu einem zweistündigen Workshop in die Gitarrenoase. Dabei erzählten sie in relaxter, ja familiärer Atmo- sphäre Storys über ihre Karrieren und ihre Musik, gaben das eine oder andere herrliche Bonmot zum Besten, spielten Songs, beantworteten Fragen oder gaben Tipps und Anregungen. The Chicago Connection Der würdige Abschluss war dann der Living History Band vorbehalten: Zehn Musiker aus verschiedenen Generationen, die während Jahrzehnten den Sound der Windy City mitgestaltet und geprägt haben. Hut ab vor der Souplesse, mit der die Backing Band um Kenny Smith (dr), Felton Crews (b), Johnny Iguana (keys), Matthew Skoller (harp & Conferencier) und Billy Flynn (g) die Frontmen begleitete. Als da wa- ren: Billy Boy Arnold, knapp 80-jährig, stellte den Living Link zu den ersten Blues-Stars der Stadt Big Bill Broonzy und John Lee ”Sonny Boy” William- son dar, John Primer vertrat den Sound der Muddy Waters-Generation, Billy Branch und Lurrie Bell standen für die jungen Wilden der 80er Jahre, und Carlos Johnson vertrat den modernen, eher soul- beeinflussten Approach. Wobei gerade Johnson, in Europa wenig bekannt, einen extrem dynamischen und mitreissenden Set auf die Bretter legte. Marco Piazzalonga 11. Bluesfestival Baden, 24. – 31.5.2014 Kaum Geld, keine Stilgrenzen, aber höchste Ansprüche, ein internationaler Partner als Gast und die pure Freude an Tönen. So ge- hen die Macher ans XJazz-Festival in Berlin heran. Die Musik soll dort spielen, wo die Leute sind. Wo die Szene lebt. Kann das gut gehen? Dann noch in Berlin? Und auf Büh- nen bislang eher jazzunverdächtiger Clubs in Friedrichshain und Kreuzberg? ”Wenn nicht dort, wo dann?”, fragt der künstleri- sche Leiter des Festivals, der Saxophonist Sebastian Studnitzky, im Vorfeld. Und die Musik spielt dort, wo die Leute sind, zudem tut sie es höchst zahlreich und erfolgreich: Knapp 10'000 Zuschauer sehen und hören 48 Bands in fünf Clubs und einer Kirche. Damit ist XJazz aus dem Stand das grösste Jazzfestival Berlins. Res- pekt! Auch das mit der Stilgrenzenlosigkeit hat wunderbar geklappt. ”Wenn eine Band etwas zu sa- gen hat, ist es komplett egal, ob sie improvisierte Neoklassik, neuen Jazz oder Elektro spielt", hat Se- bastian Studnitzky postuliert. ”Es zählt lediglich, dass die Musik gut ist und Spass macht.” Dafür gab es gleich Beispiele zuhauf. Etwa den Auftritt des stets nachdenklich wirkenden Pianisten Francesco Tristano, der im Radialsystem solo am Flügel Jo- hann Sebastian Bach mit Detroit Techno zusam- menbringt und beides überaus brillant artikuliert. Eine weitere grosse Klangverschmelzung findet im musikalischen Kosmos des Technopioniers Moritz von Oswald und des norwegischen Trompeters Nils Petter Molvær statt. Deren Tonfusion ist so minimal wie perfekt. So perfekt, dass nicht mehr auszuma- chen ist, was von wem kommt, was analog ist, was digital. Wer es komplex mag, der wird vom Trio um den Vibraphonisten Christopher Dell bestens be- dient. Ihm zur Seite stehen Bassist Christian Ra- mond und der grosse Klarinettist Theo Jörgens- mann. Letzterer versteht es aufs Feinste, freie Spiel- weisen in strukturierte Formen einzuarbeiten. Bei ihnen geht es dabei mal bluesig angehaucht zu, um wenig später Anleihen aus der Neuen Musik dar- über zu schichten. Die isländische Samúel Jón Sa- múelsson Big Band (Island ist übrigens das erste Kooperationsland von XJazz), macht Musik, die di- rekt aus dem Bauch und aus Afrika kommt. Nur Is- länder behalten dabei offensichtlich einen kühlen Kopf und können das Ganze auch noch mit einem beeindruckenden Coolnessfaktor versehen. Als im Anschluss daran das britische DJ-Duo Nightmares on Wax ihre schleppenden Downbeats auf die Büh- ne des BiNuu bringen, gibt es kein Halten mehr, und sowohl die Isländer als auch Sebastian Studnitzky und Teile von Jazzanova steigen mit ein. Parallel wurde jeden Abend im FluxBau Hardbob gejammt – und das vor einem Publikum, das man von der Altersstruktur und vom Kleidungsstil her eher in einem Electro Club vermuten würde. Wie sagt doch ein Kollege so schön, bei XJazz gab es Musik für Models und Freaks gleichermassen. Wenn die Musik als solche Spass macht und die Musiker dabei ebenfalls einen Heidenspass haben, kann es nicht ausbleiben, dass diese Funken auf das Publi- kum überspringen. Es ist bei Jazzkonzerten selten, eine solch überschäumende Freude bei den Besu- chern zu spüren. Die muss auf beiden Seiten gleich so gross gewe- sen sein, dass das Festivaldatum 2015 schon fest- steht: Vom 7. bis zum 10. Mai 2015 geht XJazz in die zweite Runde. Seit kurzem wird auch gemunkelt, dass es noch diesen Sommer eine Open-Air-Ausga- be geben könnte. Franz X.A. Zipperer Einen starken Job machen seit längerem die Verantwortlichen der Exbluesive-Reihe im südwestdeutschen Grenzgebiet. Ihnen ge- lingt es immer wieder, bekannte Namen an die Weiler Bluesnächte in den Gewölbekel- ler sowie an die Blue Mondays auf den Berg- gasthof Waldhaus nahe Schopfheim zu lot- sen. Nach Konzerten von Guitar Shorty, Roland Tcha- kounté, Mike Wheeler, Delta Moon und Mitch Kash- mar gipfelte das Frühjahrsprogramm in einem ful- minanten Auftritt von Thorbjörn Risager. Vor gut gefülltem Keller gelang es dem Dänen und seiner dynamischen Truppe, mit dem knisternden T-Bone Walker-Instrumental ”Strollin‘ With Bones”, sofort Stimmung zu erzeugen und diese während zwei Stunden mit einem gut ausgewählten Querschnitt durch ihre sieben Alben hoch zu halten. Bei diesen starken Arrangements, der Spielfreude, den ab- wechslungsreichen Eigenkompositionen durch die ganze Rhythm & Blues-Landschaft, den feinen Soli und der souligen Stimme und Bühnenpräsenz des Leaders konnte nie Langeweile aufkommen. Äus- serst unterhaltsam auch die Zwischenbemerkungen. Risager stellte seine Musiker unter dem Motto ”Je- der darf einmal ansagen” vor und überliess seinen Mitstreitern jeweils das Mikrofon – was einen grossartigen kabarettistischen Touch entwickelte. Im Herbst wird die Konzertreihe weitergehen. Ange- sagt sind bis jetzt: 24 Pesos, Egidio ”Juke” Ingala, Mighty Mo Rogers, The Holmes Bothers, Ian Siegal, Joey Gilmore und R.J. Mischo. www.exbluesive.de Marco Piazzalonga Thorbjörn Risager – Weiler Bluesnacht – 2.5.2014 XJazz – Das neue Festival für Berlin, 8. – 11.5.2014 Chicago Connection – Living History Band Fiona Boyes JT Lauritsen FOTOS: DRAGAN TASIC/NGA.CH George Ease – Nightmares on Wax FOTO: FRANZ X.A. ZIPPERER

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Eine Woche Highlife in Sachen Blues: Das 11. Badener Bluesfestival dürfte die vergan-genen Ausgaben gar noch getoppt haben. Die komplette Truppe des ”Chicago Blues: A Living History”-Projekts sowie die Frank Bey & Anthony Paule Band bestätigten als Headliner die in sie gesetzten Erwartungen vollends. Daneben schafften die Verant-wortlichen auf überzeugende Weise den Spagat zwischen professioneller Organisa-tion und einer lockeren, ja herzlichen Atmo-sphäre. Jahr für Jahr wichtiger geworden im Badener Pro­gramm sind Präsentation, Stellenwert und Akzep­tanz der Beizenkonzerte. Während sich die Stanze­rei beinahe wie ein Juke Joint ausnahm, strahlten das Hirschli oder das Prima Vista den Charme eines Clubs auf Chicagos North Side aus. Gerade die Möglichkeit, an verschiedenen Orten unter der Wo­che ausgewählte Kleinformationen aus dem Gros der Living History­Musiker auftreten zu lassen, ent­puppte sich als cleverer Schachzug. So zum Bei­spiel konnte man in den Genuss des klassischen, frühen Chicago­Blues mit Billy Boy Arnold, Billy Flynn, Johnny Iguana und Kenny Smith, oder tags darauf der raueren, moderneren Variante des Gen­res mit dem Trio John Primer/Billy Flynn/Matthew Skoller kommen. Kein Durchhänger auch bei den anderen Konzerten – in den Beizen, wie im Nordportal: Sowohl Chris­tian Dozzler & Michael van Merwyk als auch Larry Garner mit der Norman Beaker Band stiessen beim Publikum auf grosse Begeisterung. Hervorzuheben gilt auch die bei uns noch kaum bekannte Fiona Boyes. Die handfeste Australierin bewies eine enor­me Bühnenpräsenz, viel Humor und überzeugte gitarristisch wie gesanglich. JT Lauritsen und seine Buckshot Hunters aus Norwegen baten zu einem Ausflug in die Bayous: Getragen vom Zydeco­Accor­deon und der Harmonica ihres Leaders tauchte man tief in die Stimmung von Louisiana ein. Daneben aber nicht vergessen dürfen wir die einheimische Szene: Sowohl Ed Elastic als auch Silver Lining lies­sen nichts anbrennen, Lilly Martin und ihre Band

zelebrierten eine eindrückliche Show unter Mithilfe der Gäste Philipp Fankhauser, Richard Koechli, Will G. sowie Walter Baumgartner – und Fabian Ander­hub strotzte wie gewohnt vor Energie und brachte mit seinen Mitstreitern (ganz grossartig: Gitarrist Dominik Rüegg) den Saal zum Kochen.

Bey & PauleZu den heimlichen Stars des Festivals entwickel­ ten sich im Laufe der Woche der Sänger Frank Bey und der Gitarrist und Bandleader Anthony Paule. Mit einer Frische sondergleichen lebten sie ihren Southern Soul. Dazu ist Bey mit einer wunderbaren Stimme und emotionsgeladener Gabe gesegnet, die es ihm ermöglicht, jeden Song zu adaptieren, ihm seinen Stempel aufzudrücken und zu einem eigenen zu machen. Schon im Feierabendkonzert im Club Joy, wo ihn neben seiner Truppe auch die Routiniers von Rotosphere begleiteten, begeisterte er mit einer Kostprobe seines Talents. Sein Set im Nordportal dann gipfelte, nicht zuletzt dank dem ihm ideal auf den Leib musizierten Backing der Anthony Paule Band, in einer knapp zehnminütigen Version von John Lennons ”Imagine”. In Beys Händen geriet dieser Klassiker zu einer regelrechten Hühnerhaut­Gospelnummer. Tags darauf gab es schliess lich noch ein ganz spezielles Zückerchen: Frank Bey, Anthony Paule und ihr Bassist Paul Olguin luden zu

einem zweistündigen Workshop in die Gitarrenoase. Dabei erzählten sie in relaxter, ja familiärer Atmo­sphäre Storys über ihre Karrieren und ihre Musik, gaben das eine oder andere herrliche Bonmot zum Besten, spielten Songs, beantworteten Fragen oder gaben Tipps und Anregungen.

The Chicago ConnectionDer würdige Abschluss war dann der Living History Band vorbehalten: Zehn Musiker aus verschiedenen Generationen, die während Jahrzehnten den Sound der Windy City mitgestaltet und geprägt haben. Hut ab vor der Souplesse, mit der die Backing Band um Kenny Smith (dr), Felton Crews (b), Johnny Iguana (keys), Matthew Skoller (harp & Conferencier) und Billy Flynn (g) die Frontmen begleitete. Als da wa­ren: Billy Boy Arnold, knapp 80­jährig, stellte den Living Link zu den ersten Blues­Stars der Stadt Big Bill Broonzy und John Lee ”Sonny Boy” William­son dar, John Primer vertrat den Sound der Muddy Waters­Generation, Billy Branch und Lurrie Bell standen für die jungen Wilden der 80er Jahre, und Carlos Johnson vertrat den modernen, eher soul­beeinflussten Approach. Wobei gerade Johnson, in Europa wenig bekannt, einen extrem dynamischen und mitreissenden Set auf die Bretter legte. Marco Piazzalonga

11. Bluesfestival Baden, 24. – 31.5.2014

Kaum Geld, keine Stilgrenzen, aber höchste Ansprüche, ein internationaler Partner als Gast und die pure Freude an Tönen. So ge-hen die Macher ans XJazz-Festival in Berlin heran. Die Musik soll dort spielen, wo die Leute sind. Wo die Szene lebt. Kann das gut gehen? Dann noch in Berlin? Und auf Büh-nen bislang eher jazzunverdächtiger Clubs in Friedrichshain und Kreuzberg? ”Wenn nicht dort, wo dann?”, fragt der künstleri-sche Leiter des Festivals, der Saxophonist Sebastian Studnitzky, im Vorfeld. Und die Musik spielt dort, wo die Leute sind, zudem tut sie es höchst zahlreich und erfolgreich: Knapp 10'000 Zuschauer sehen und hören 48 Bands in fünf Clubs und einer Kirche. Damit ist XJazz aus dem Stand das grösste Jazzfestival Berlins. Res­pekt! Auch das mit der Stilgrenzenlosigkeit hat wunderbar geklappt. ”Wenn eine Band etwas zu sa­gen hat, ist es komplett egal, ob sie improvisierte Neoklassik, neuen Jazz oder Elektro spielt", hat Se­bastian Studnitzky postuliert. ”Es zählt lediglich, dass die Musik gut ist und Spass macht.” Dafür gab es gleich Beispiele zuhauf. Etwa den Auftritt des stets nachdenklich wirkenden Pianisten Francesco Tristano, der im Radialsystem solo am Flügel Jo­hann Sebastian Bach mit Detroit Techno zusam­menbringt und beides überaus brillant artikuliert. Eine weitere grosse Klangverschmelzung findet im

musikalischen Kosmos des Technopioniers Moritz von Oswald und des norwegischen Trompeters Nils Petter Molvær statt. Deren Tonfusion ist so minimal wie perfekt. So perfekt, dass nicht mehr auszuma­chen ist, was von wem kommt, was analog ist, was digital. Wer es komplex mag, der wird vom Trio um den Vibraphonisten Christopher Dell bestens be­dient. Ihm zur Seite stehen Bassist Christian Ra­mond und der grosse Klarinettist Theo Jörgens­mann. Letzterer versteht es aufs Feinste, freie Spiel­weisen in strukturierte Formen einzuarbeiten. Bei ihnen geht es dabei mal bluesig angehaucht zu, um wenig später Anleihen aus der Neuen Musik dar ­über zu schichten. Die isländische Samúel Jón Sa­múelsson Big Band (Island ist übrigens das erste Kooperationsland von XJazz), macht Musik, die di­rekt aus dem Bauch und aus Afrika kommt. Nur Is­länder behalten dabei offensichtlich einen kühlen Kopf und können das Ganze auch noch mit einem beeindruckenden Coolnessfaktor versehen. Als im Anschluss daran das britische DJ­Duo Nightmares on Wax ihre schleppenden Downbeats auf die Büh­ne des BiNuu bringen, gibt es kein Halten mehr, und sowohl die Isländer als auch Sebastian Studnitzky und Teile von Jazzanova steigen mit ein.Parallel wurde jeden Abend im FluxBau Hardbob gejammt – und das vor einem Publikum, das man von der Altersstruktur und vom Kleidungsstil her eher in einem Electro Club vermuten würde. Wie sagt doch ein Kollege so schön, bei XJazz gab es Musik für Models und Freaks gleichermassen. Wenn die Musik als solche Spass macht und die Musiker dabei ebenfalls einen Heidenspass haben, kann es nicht ausbleiben, dass diese Funken auf das Publi­kum überspringen. Es ist bei Jazzkonzerten selten, eine solch überschäumende Freude bei den Besu­chern zu spüren. Die muss auf beiden Seiten gleich so gross gewe ­sen sein, dass das Festivaldatum 2015 schon fest­steht: Vom 7. bis zum 10. Mai 2015 geht XJazz in die zweite Runde. Seit kurzem wird auch gemunkelt, dass es noch diesen Sommer eine Open­Air­Ausga­be geben könnte. Franz X.A. Zipperer

Einen starken Job machen seit längerem die Verantwortlichen der Exbluesive-Reihe im südwestdeutschen Grenzgebiet. Ihnen ge-lingt es immer wieder, bekannte Namen an die Weiler Bluesnächte in den Gewölbekel-ler sowie an die Blue Mondays auf den Berg-gasthof Waldhaus nahe Schopfheim zu lot-sen. Nach Konzerten von Guitar Shorty, Roland Tcha­kounté, Mike Wheeler, Delta Moon und Mitch Kash­mar gipfelte das Frühjahrsprogramm in einem ful­minanten Auftritt von Thorbjörn Risager. Vor gut gefülltem Keller gelang es dem Dänen und seiner dynamischen Truppe, mit dem knisternden T­Bone Walker­Instrumental ”Strollin‘ With Bones”, sofort Stimmung zu erzeugen und diese während zwei Stunden mit einem gut ausgewählten Querschnitt durch ihre sieben Alben hoch zu halten. Bei diesen starken Arrangements, der Spielfreude, den ab­wechslungsreichen Eigenkompositionen durch die ganze Rhythm & Blues­Landschaft, den feinen Soli und der souligen Stimme und Bühnenpräsenz des Leaders konnte nie Langeweile aufkommen. Äus­serst unterhaltsam auch die Zwischenbemerkungen. Risager stellte seine Musiker unter dem Motto ”Je­der darf einmal ansagen” vor und überliess seinen Mitstreitern jeweils das Mikrofon – was einen grossartigen kabarettistischen Touch entwickelte. Im Herbst wird die Konzertreihe weitergehen. Ange­sagt sind bis jetzt: 24 Pesos, Egidio ”Juke” Ingala, Mighty Mo Rogers, The Holmes Bothers, Ian Siegal, Joey Gilmore und R.J. Mischo. www.exbluesive.deMarco Piazzalonga

Thorbjörn Risager – Weiler Bluesnacht – 2.5.2014

XJazz – Das neue Festival für Berlin, 8. – 11.5.2014

Chicago Connect ion – L iv ing H is tory Band

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George Ease – Nightmares on Wax

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