Rezension Nübling: Historische Sprachwissenschaft des Deutschen.

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Rezension Rezensionstitel: D. Nübling et al., Historische Sprachwissenschaft des Deutschen. Eine Einführung in die Prinzipien des Sprachwandels. 3. Auflage Autor: Dr. Sascha Bechmann, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Rezension: Damaris Nübling, Professorin für Historische Sprachwissenschaft an der Universität Mainz, präsentiert in der nunmehr 3. Auflage mit ihrem Buch „Historische Sprachwissenschaft des Deutschen“ einen Klassiker des Studienbuchs für Sprachwissenschaftler. Das Buch richtet sich in erster Linie an fortgeschrittene Studierende der Germanistischen Linguistik und benachbarter Disziplinen und eignet sich hervorragend, um einen tieferen Einblick in die Prinzipien des so genannten Sprachwandels zu bekommen. Dieses sprachwissenschaftliche Teilgebiet der historischen Linguistik ist wohl einer der spannendsten Bereiche sprachwissenschaftlicher Forschung und wartet mit einer mehr als hundertjährigen Tradition auf; die Frage nach den Prinzipien des Sprachwandels ist so alt wie die Sprachwissenschaft selbst. Unter historischer Sprachwissenschaft lassen sich eine ganze Reihe hochinteressanter Fragestellungen subsumieren. So werden darin spannende Aspekte wie der Lautwandel oder der syntaktische Wandel ebenso behandelt wie die Frage nach dem Wandel von Wortbedeutungen oder dem Wandel von Schriftsystemen (graphematischer Wandel). Nüblings Studienbuch beschäftigt sich sehr intensiv mit der gesamten Bandbreite sprachhistorischer Fragestellungen im Deutschen und sollte daher im Bücherregal eines Germanistikstudenten auf keinen Fall fehlen. Das Buch versteht sich dabei aber weder als Einführung in die Sprachgeschichte noch als Wissenschaftsgeschichte, sondern behandelt sprachhistorische Phänomene mit dem Fokus auf den sprachlichen Wandel in all seinen Facetten. Wer sich für Sprachgeschichte im Allgemeinen interessiert, sollte daher eher zu anderen Einführungen greifen. Der interessierte Leser gewinnt in diesem Studienbuch sowohl tiefe Einblicke in die Bereiche Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik, Lexik, Pragmatik, Graphematik als auch Einblicke in übergreifende Aspekte wie etwa die sprachgeschichtliche Entwicklung von Ablaut und Umlaut oder das gegenwärtig sehr im Fokus stehende Forschungsfeld der Grammatikalisierung. Dabei werden die sprachhistorischen Fakten nicht nur gebündelt präsentiert und zusammengeführt, sondern es werden an vielen Stellen auch theoretisch fundierte Erklärungen für den jeweiligen sprachlichen Wandel entworfen. Darin unterscheidet sich Nüblings Einführung von anderen Studienbüchern zur Sprachgeschichte oder zum sprachlichen Wandel; es handelt sich nicht allein um eine Sammlung von Daten und Fakten, sondern vielmehr um eine wissenschaftliche Einführung, die, da sie diesem hohen Anspruch gerecht werden will, zwingend ein gewisses linguistisches Vorwissen sowie Interesse und Konzentration beim Leser voraussetzt. Während viele andere Einführungen eher deskriptiven Charakter besitzen (z.B. G. Wolff:

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Rezension

Rezensionstitel: D. Nübling et al., Historische Sprachwissenschaft des

Deutschen. Eine Einführung in die Prinzipien des

Sprachwandels. 3. Auflage

Autor: Dr. Sascha Bechmann, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Rezension: Damaris Nübling, Professorin für Historische Sprachwissenschaft an der Universität

Mainz, präsentiert in der nunmehr 3. Auflage mit ihrem Buch „Historische Sprachwissenschaft des

Deutschen“ einen Klassiker des Studienbuchs für Sprachwissenschaftler. Das Buch richtet sich in

erster Linie an fortgeschrittene Studierende der Germanistischen Linguistik und benachbarter

Disziplinen und eignet sich hervorragend, um einen tieferen Einblick in die Prinzipien des so

genannten Sprachwandels zu bekommen.

Dieses sprachwissenschaftliche Teilgebiet der historischen Linguistik ist wohl einer der spannendsten

Bereiche sprachwissenschaftlicher Forschung und wartet mit einer mehr als hundertjährigen Tradition

auf; die Frage nach den Prinzipien des Sprachwandels ist so alt wie die Sprachwissenschaft selbst.

Unter historischer Sprachwissenschaft lassen sich eine ganze Reihe hochinteressanter

Fragestellungen subsumieren. So werden darin spannende Aspekte wie der Lautwandel oder der

syntaktische Wandel ebenso behandelt wie die Frage nach dem Wandel von Wortbedeutungen oder

dem Wandel von Schriftsystemen (graphematischer Wandel).

Nüblings Studienbuch beschäftigt sich sehr intensiv mit der gesamten Bandbreite sprachhistorischer

Fragestellungen im Deutschen und sollte daher im Bücherregal eines Germanistikstudenten auf

keinen Fall fehlen. Das Buch versteht sich dabei aber weder als Einführung in die Sprachgeschichte

noch als Wissenschaftsgeschichte, sondern behandelt sprachhistorische Phänomene mit dem Fokus

auf den sprachlichen Wandel in all seinen Facetten. Wer sich für Sprachgeschichte im Allgemeinen

interessiert, sollte daher eher zu anderen Einführungen greifen. Der interessierte Leser gewinnt in

diesem Studienbuch sowohl tiefe Einblicke in die Bereiche Phonologie, Morphologie, Syntax,

Semantik, Lexik, Pragmatik, Graphematik als auch Einblicke in übergreifende Aspekte wie etwa die

sprachgeschichtliche Entwicklung von Ablaut und Umlaut oder das gegenwärtig sehr im Fokus

stehende Forschungsfeld der Grammatikalisierung. Dabei werden die sprachhistorischen Fakten nicht

nur gebündelt präsentiert und zusammengeführt, sondern es werden an vielen Stellen auch

theoretisch fundierte Erklärungen für den jeweiligen sprachlichen Wandel entworfen. Darin

unterscheidet sich Nüblings Einführung von anderen Studienbüchern zur Sprachgeschichte oder zum

sprachlichen Wandel; es handelt sich nicht allein um eine Sammlung von Daten und Fakten, sondern

vielmehr um eine wissenschaftliche Einführung, die, da sie diesem hohen Anspruch gerecht werden

will, zwingend ein gewisses linguistisches Vorwissen sowie Interesse und Konzentration beim Leser

voraussetzt. Während viele andere Einführungen eher deskriptiven Charakter besitzen (z.B. G. Wolff:

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Deutsche Sprachgeschichte), geht Nübling einen Schritt weiter und erklärt (wo möglich) die Prinzipien,

die hinter den mannigfachen Wandelphänomenen zu vermuten sind. Dass sich eine solche Einführung

für den ungeübten Leser ohne die Kenntnis linguistischer Grundbegriffe eher mühevoll liest, versteht

sich von selbst. Wer etwa die grammatischen Grundkategorien nicht kennt oder mit den Begriffen

Phonologie, Morphologie, Semantik und Pragmatik nichts anfangen kann, sollte zunächst besser zu

einer allgemeinen Einführung in die Sprachwissenschaft (z.B. H. M. Müller: Arbeitsbuch Linguistik)

greifen. Auch wenn die wichtigsten Begriffe, die für den Sprachwandel im jeweiligen Kontext von

Bedeutung sind, bei Nübling durch Fettdruck hervorgehoben und auch gut erklärt werden, halte ich

eine fruchtbare Lektüre ohne sprachwissenschaftliches Grundwissen für problematisch.

Didaktisch ist das Buch für das Selbststudium konzipiert und mithilfe zahlreicher Abbildungen und

Tabellen sehr gut aufbereitet. Komplexe Zusammenhänge werden auf diese Weise gut anschaulich

und ermöglichen ein tieferes Verständnis. Gerade bei einer Einführung, die sich in einer großen Breite

und Tiefe einem sehr komplexen und vielschichtigen Phänomen wie dem Sprachwandel widmet, ist

die graphische Aufbereitung der Inhalte sehr wichtig und hier stringent und sinnvoll umgesetzt. Zudem

sind die einzelnen Kapitel und Abschnitte optisch gut gegliedert und überfordern den Leser auch vom

Umfang her nicht. Der bereits erwähnte Fettdruck wichtiger Begriffe erleichtert zum einen die Lektüre

und gliedert den Text anschaulich. Zum anderen lassen sich beim späteren Lesen oder Nachschlagen

bestimmte Themen und Fragestellungen leichter auffinden. Ein Sachverzeichnis am Ende des Buches

erfüllt diese Aufgabe ebenfalls und muss hier lobend erwähnt werden. Ebenfalls ein besonderes Lob

verdient der Umstand, dass den Kapiteln jeweils eine Textbox mit Empfehlungen zum Weiterlesen

angefügt ist. Außerdem runden Übungsaufgaben das didaktische Konzept des Buches ab. Einziger

Wermutstropfen, wie bei vielen anderen Studienbüchern: Antworten oder Musterlösungen sucht man

hier vergeblich. Um diesen Kritikpunkt aber angemessen zu relativieren: Die Fragen sind sehr offen

formuliert und dienen in erster Linie der Erprobung des Gelernten mithilfe weiterführender Literatur. In

dieser Form sind Übungsaufgaben durchaus sinnvoll und in dieser Einführung mit Sinn und Verstand

entwickelt. Anstatt dass der Leser irgendwelche konstruierten Fragen beantworten muss, wird er hier

behutsam an die Problemlösung mittels linguistischer Standardwerke, Lexika, u.ä. herangeführt. Die

Formulierung von Musterlösungen wird dadurch (in den meisten Fällen) hinfällig.

Insgesamt eine hervorragende Einführung in die vielfältigen und hochinteressanten Themen und

Fragestellungen zum Sprachwandel im Deutschen, die aufgrund ihrer breiten Datenbasis und

wissenschaftlichen Güte überzeugt und jedem Studenten uneingeschränkt ans Herz gelegt werden

kann.