Risikokommunikation und die Risiken der Kommunikation ... · Risiken der Kommunikation...

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Risikokommunikation und die Risiken der Kommunikation wissenschaftlichen Wissens Zum gesellschaftlichen Umgang mit Nichtwissen Gotthard Bechmann * und Nico Stehr ** Das Sichtbare der Welt eröffnet uns die Schau ins Unsichtbare. Anaxagoras [1] , 500-428 v. Chr. I n den letzten Jahren scheint unser Ver- ständnis von und der Umgang mit Ri- siken in der Gesellschaft sich gewan- delt zu haben und differenzierter geworden zu sein. Diese geänderte Einstellung ist nicht zuletzt durch die wissenschaftliche Risikodebatte herbeigeführt worden. Unter den bisherigen Ergebnissen sind hervorzuheben: (1) Die erfolgreiche kon- zeptuelle Unterscheidung zwischen den Begriffen Risiko (oder genauer: Entschei- dungsrisiko) und Gefahr, und (2) die Un- terscheidung zwischen der Selbsteinschät- zung von Risiken und der Fremdeinschät- zung durch andere Akteure. Abgesehen jedoch von diesen Einsichten bleibt das Wissen über die Frage der Konstruktion und Kommunikation von Risiken in der modernen Gesellschaft noch umstritten. In diesem Aufsatz wollen wir Ergebnisse der neueren Risikodiskussion im Zusam- menhang mit den Entwicklungen diskutie- ren, die zur Herausbildung eines neuen Typs von Gesellschaft führen. Der Wissens- gesellschaft. Es soll gezeigt werden, daß so- wohl dem Risiko als auch der Wissensge- sellschaft eines gemeinsam ist: die Themati- sierung der zunehmenden Kontingenz der modernen Gesellschaft. Eine solche Unter- suchung erfordert erstens einen Bezug auf die Struktur moderner Gesellschaften und einige ihrer Hauptmerkmale. Die moderne Gesellschaft kann am besten als Wissensge- sellschaft verstanden werden. Zweitens be- ziehen wir uns auf das neu entstehende Ver- ständnis der Philosophie und der Soziologie der Wissenschaft des wissenschaftlichen Handelns: Das Verständnis, daß wissen- schaftliches Wissen im wesentlichen ein kontingenter Prozeß ist. Drittens werden wir uns im Detail auf den Stand und den Status der Risikoanalyse in den Sozialwissen- schaften beziehen und dabei sowohl die Fortschritte, die dabei erzielt wurden, als auch die hartnäckigen Schwierigkeiten her- vorheben, die es bezüglich der Abschätzung und Kommunikation von Risiken in moder- nen Gesellschaften noch gibt. 1. Wissensgesellschaften Im ersten Teil diskutieren wir kurz die These, daß die heutige Gesellschaft – oder präziser die Art von Gesellschaft, die im Entstehen begriffen ist, während die Indu- striegesellschaft zurückweicht – am besten als „Wissensgesellschaft“ beschrieben wird. [2, 3] Unsere Verwendung dieses Be- griffs, den wir als fruchtbarer betrachten als konkurrierende Begriffe wie Informati- onsgesellschaft [4] , Netzwerkgesellschaft [5] oder postmoderne Gesellschaft [6] , erfordert einige Rechtfertigung. Die heutige Gesellschaft kann als Wis- sensgesellschaft beschrieben werden, da sie in all ihren Bereichen von wissenschaft- lichem und technischem Wissen durchdrun- gen wird. Im Ablauf des historischen Prozesses ist das Auftauchen von Gesell- schaftsformationen, die wir als „Wissensge- sellschaften“ analysieren, nicht etwa eine plötzliche Erscheinung, also in diesem Sin- ne auch keine revolutionäre Entwicklung. Diese umgreifenden gesellschaftlichen Ver- änderungen müssen vielmehr als ein evolu- tionärer Prozeß verstanden werden, in des- sen Verlauf sich das die Gesellschaft bestimmende Strukturmerkmal ändert bzw. ein neues hinzukommt. In der Regel sind Ende und Entstehung eines Gesell- schaftstyps gleich langwierige Prozesse. Wissensgesellschaften sind nicht Ergeb- nis eines einfachen, eindimensionalen ge- sellschaftlichen Wandlungsprozesses. Ob- schon neuere Entwicklungen in der Kommunikations- und Transporttechnik etwa dazu beitragen, daß die einstige Di- stanz zwischen Gruppen und Individuen aufbricht, bleibt die erhebliche Isolation zwischen Regionen, Städten und Dörfern erhalten. Die Welt öffnet sich zwar, Werte Waren und Personen zirkulieren sehr viel Es ist an der Zeit für eine neue Sicht gesellschaftlicher Realitäten. Der vorliegende Aufsatz untersucht die neuartigen Möglichkeiten der modernen Gesellschaft und ihrer Akteure in einem Übergangsstadium. Das Zeitalter der Industrialisierung, der sozialen Ordnung der Industriegesellschaft und der Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nötig waren, um es zu bewältigen, steht vor dem Ende seiner Aufgaben. Die Grundlagen der sich am Horizont abzeichnenden Gesellschaftsordnung basieren auf Wissen. Sachlich und sozial nimmt gleichzeitig die Bedeutung des Nichtwissens für die Handelnden zu. Die Reflexion auf diese komplexen Sachverhalte muß nicht auf Relativismus oder Beliebigkeit des Wissens hinauslaufen, sie macht aber bewußt, in welchem Maß die Wissenschaft selbst riskant geworden ist, indem sie zunehmend zum Lieferanten politischer Probleme wird, und dies in einer Gesellschaft, die gar nicht anders kann, als sich Risiken zu leisten. Abstract & Keywords p. 159 Risiken der Kommunikation 113 GAIA 9 (2000) no. 2 *Postadresse: Forschungszentrum Karlsruhe; Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) Karlsruhe; Germany **Postal address: Sustainable Development Research Institute, University of British Columbia, Vancouver, British Columbia, Canada

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Risikokommunikation und dieRisiken der Kommunikationwissenschaftlichen WissensZum gesellschaftlichen Umgang mit NichtwissenGotthard Bechmann * und Nico Stehr **

Das Sichtbare der Welt eröffnet uns dieSchau ins Unsichtbare.

Anaxagoras[1], 500-428 v. Chr.

I n den letzten Jahren scheint unser Ver-ständnis von und der Umgang mit Ri-siken in der Gesellschaft sich gewan-

delt zu haben und differenzierter gewordenzu sein. Diese geänderte Einstellung istnicht zuletzt durch die wissenschaftlicheRisikodebatte herbeigeführt worden.

Unter den bisherigen Ergebnissen sindhervorzuheben: (1) Die erfolgreiche kon-zeptuelle Unterscheidung zwischen denBegriffen Risiko (oder genauer: Entschei-dungsrisiko) und Gefahr, und (2) die Un-terscheidung zwischen der Selbsteinschät-zung von Risiken und der Fremdeinschät-zung durch andere Akteure. Abgesehenjedoch von diesen Einsichten bleibt dasWissen über die Frage der Konstruktionund Kommunikation von Risiken in dermodernen Gesellschaft noch umstritten.

In diesem Aufsatz wollen wir Ergebnisseder neueren Risikodiskussion im Zusam-menhang mit den Entwicklungen diskutie-ren, die zur Herausbildung eines neuenTyps von Gesellschaft führen. Der Wissens-gesellschaft. Es soll gezeigt werden, daß so-

wohl dem Risiko als auch der Wissensge-sellschaft eines gemeinsam ist: die Themati-sierung der zunehmenden Kontingenz dermodernen Gesellschaft. Eine solche Unter-suchung erfordert erstens einen Bezug aufdie Struktur moderner Gesellschaften undeinige ihrer Hauptmerkmale. Die moderneGesellschaft kann am besten als Wissensge-sellschaft verstanden werden. Zweitens be-ziehen wir uns auf das neu entstehende Ver-ständnis der Philosophie und der Soziologieder Wissenschaft des wissenschaftlichenHandelns: Das Verständnis, daß wissen-schaftliches Wissen im wesentlichen einkontingenter Prozeß ist. Drittens werden wiruns im Detail auf den Stand und den Statusder Risikoanalyse in den Sozialwissen-schaften beziehen und dabei sowohl dieFortschritte, die dabei erzielt wurden, alsauch die hartnäckigen Schwierigkeiten her-vorheben, die es bezüglich der Abschätzungund Kommunikation von Risiken in moder-nen Gesellschaften noch gibt.

1. Wissensgesellschaften

Im ersten Teil diskutieren wir kurz dieThese, daß die heutige Gesellschaft – oderpräziser die Art von Gesellschaft, die imEntstehen begriffen ist, während die Indu-

striegesellschaft zurückweicht – am bestenals „Wissensgesellschaft“ beschriebenwird.[2, 3] Unsere Verwendung dieses Be-griffs, den wir als fruchtbarer betrachtenals konkurrierende Begriffe wie Informati-onsgesellschaft[4], Netzwerkgesellschaft[5]

oder postmoderne Gesellschaft[6], erforderteinige Rechtfertigung.

Die heutige Gesellschaft kann als Wis-sensgesellschaft beschrieben werden, da siein all ihren Bereichen von wissenschaft-lichem und technischem Wissen durchdrun-gen wird. Im Ablauf des historischenProzesses ist das Auftauchen von Gesell-schaftsformationen, die wir als „Wissensge-sellschaften“ analysieren, nicht etwa eineplötzliche Erscheinung, also in diesem Sin-ne auch keine revolutionäre Entwicklung.Diese umgreifenden gesellschaftlichen Ver-änderungen müssen vielmehr als ein evolu-tionärer Prozeß verstanden werden, in des-sen Verlauf sich das die Gesellschaftbestimmende Strukturmerkmal ändert bzw.ein neues hinzukommt. In der Regel sindEnde und Entstehung eines Gesell-schaftstyps gleich langwierige Prozesse.

Wissensgesellschaften sind nicht Ergeb-nis eines einfachen, eindimensionalen ge-sellschaftlichen Wandlungsprozesses. Ob-schon neuere Entwicklungen in derKommunikations- und Transporttechniketwa dazu beitragen, daß die einstige Di-stanz zwischen Gruppen und Individuenaufbricht, bleibt die erhebliche Isolationzwischen Regionen, Städten und Dörfernerhalten. Die Welt öffnet sich zwar, WerteWaren und Personen zirkulieren sehr viel

Es ist an der Zeit für eine neue Sicht gesellschaftlicher Realitäten. Der vorliegende Aufsatz untersucht dieneuartigen Möglichkeiten der modernen Gesellschaft und ihrer Akteure in einem Übergangsstadium. Das Zeitalter

der Industrialisierung, der sozialen Ordnung der Industriegesellschaft und der Fähigkeiten und Fertigkeiten, dienötig waren, um es zu bewältigen, steht vor dem Ende seiner Aufgaben. Die Grundlagen der sich am Horizont

abzeichnenden Gesellschaftsordnung basieren auf Wissen. Sachlich und sozial nimmt gleichzeitig die Bedeutungdes Nichtwissens für die Handelnden zu. Die Reflexion auf diese komplexen Sachverhalte muß nicht auf

Relativismus oder Beliebigkeit des Wissens hinauslaufen, sie macht aber bewußt, in welchem Maß dieWissenschaft selbst riskant geworden ist, indem sie zunehmend zum Lieferanten politischer Probleme wird, und

dies in einer Gesellschaft, die gar nicht anders kann, als sich Risiken zu leisten. Abstract & Keywords ➭ p. 159

Risiken der Kommunikation 113GAIA 9 (2000) no. 2

*Postadresse: Forschungszentrum Karlsruhe; Institut für Technikfolgenabschätzung undSystemanalyse (ITAS) Karlsruhe; Germany

**Postal address: Sustainable Development Research Institute, University of BritishColumbia, Vancouver, British Columbia, Canada

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intensiver, aber die Mauern zwischen denÜberzeugungen darüber, was heilig istund als identitätsbildend angesehen wird,bleiben bestehen.

Bis vor kurzem wurde die moderne Ge-sellschaft hauptsächlich durch die BegriffeEigentum und Arbeit bestimmt. Auf Grunddieser Attribute konnten – oder mußten –Individuen und Gruppen ihre Mitgliedschaftin der Gesellschaft definieren. Während dietraditionellen Attribute Arbeit und Eigentumgewiß nicht völlig verschwunden sind, wirdein neues Prinzip „Wissen“ hinzugefügt,das Eigentum und Arbeit als die konstituti-ven Mechanismen der Gesellschaft heraus-fordert und transformiert.

Gerade diese zunehmende soziale, poli-tische und ökonomische Bedeutung vonWissenschaft und Technik in der moder-nen Gesellschaft erfordert eine Analyseder Funktion des Wissens. Natürlich hatWissen von jeher eine Rolle für dasmenschliche Zusammenleben gespielt.Man kann geradezu von einer anthropolo-gischen Konstanten sprechen: sozialesHandeln, soziale Interaktionen oder diesoziale Rolle sind wissensgeleitet, und so-ziale Gruppierungen sind nicht bloß Her-denbildung, sondern sie sind symbolischvermittelt, das heißt, sie beruhen auf Wis-sen. Alle Beziehungen zwischen Individu-en beruhen grundsätzlich darauf, daßMenschen etwas voneinander wissen.Auch Herrschaft hat sich stets nicht nurauf physische Gewalt gestützt, sondernsehr häufig auch auf einen Wissensvor-sprung. Und schließlich ist die gesell-schaftliche Reproduktion nicht nur einephysische, sondern beim Menschen auchimmer eine kulturelle, das heißt Repro-duktion von Wissen.

Das Phänomen Wissen und die Größeder Gruppen von Individuen, deren sozialerEinfluß und soziale Kontrolle auf Wissenbasieren, werden in vielen Gesellschafts-theorien, in denen sie eine prominente Rol-le spielen, in der Regel eher restriktiv kon-zipiert. Man begnügt sich typischerweisemit dem anscheinend für unproblematischgehaltenen Verweis auf die gesellschaftli-che Funktion der als besonders zuverlässiggeltenden und von der Scientific Communi-ty ratifizierten objektiven wissenschaftli-chen Erkenntnis. Dieser in manchen Theo-rien der modernen Gesellschaft oft mitgroßer Selbstverständlichkeit vorgetrageneund von uns als oberflächlich charakteri-sierte Wissensbegriff ist in dieser Form kei-neswegs von gesellschaftlicher Belanglo-sigkeit. Im Gegenteil, der eng begrenzteWissensbegriff hat eine nicht unerheblicheöffentliche Bedeutung und ebensolchenpolitischen Einfluß. Er verbindet die An-nahme einer sozusagen konkurrenzlosenpraktischen Effizienz mit der in der Wis-

senschaft produzierten Erkenntnis. Gleich-zeitig ist er der sowohl in der Öffentlichkeitals auch in der Wissenschaft bevorzugteoder vorherrschende Wissensbegriff. Damitsetzt er auf den umfassenden Kredit undden großen Autoritätsbonus, deren sich ins-besondere Naturwissenschaftler in der Ge-sellschaft erfreuen.[7]

Ökologische Überlegungen appellierenoft stark an moralische und ästhetischeNaturbegriffe als Quelle ihrer Überzeu-gungskraft: Die pragmatischen Folgensolcher Überzeugungen berufen sich dannjedoch typischerweise auf wissenschaftli-che Definitionen und Informationen: Toxi-zität von Chemikalien, Funktion derOzonschicht usw.[8] In der voranschreiten-den Verwissenschaftlichung des Alltags,zum Beispiel im Gesundheitswesen oderder Bewertung von Risiken aller Art, ma-nifestieren sich der kulturelle Vorrang unddie gesellschaftliche Übermacht einer be-stimmten Wissenskonzeption, die wieder-um in der Mehrzahl der gängigen Theori-en der modernen Gesellschaft ihreEntsprechung findet.

Eine der unmittelbaren Folgen der Ent-stehung von Wissensgesellschaften für dieRisikodebatte ist die Beobachtung, daßWissensgesellschaften soziale Systemesind, in denen Ereignisse nicht einfachstattfinden, sondern produziert werden.Wissensgesellschaften sind zunehmendvon Menschen erzeugte Realitäten. Mitanderen Worten, der Bestand und der Zu-stand moderner Gesellschaften und ihreZukunft sind demnach zunehmend ent-scheidungsabhängig. Und mit Entschei-dungen entstehen Risiken.

2. Wissen über WissenWissen und Information, um vorläufig

bewußt relativ allgemeine und ambivalen-te Bezeichnungen zu benutzen, sindhöchst merkwürdige „Entitäten“ mit ganzanderen Eigenschaften als zum BeispielGüter, Waren oder auch geheime Bot-schaften. Werden sie verkauft, so gehensie an den Käufer über und bleiben dochauch Eigentum ihres ursprünglichen Pro-duzenten. Außerdem verliert man in ei-nem Tauschprozeß nicht die Verfügungs-gewalt über das Wissen. Wissen hat keine

Nullsummeneigenschaften. Im Gegenteil,Wissen ist ein Positivsummenspiel: allekönnen gewinnen. Allerdings ist diegleichgewichtige Verteilung des Gewinnskeineswegs garantiert. Für viele Bereichedes Lebens mag es durchaus vernünftig, jasogar notwendig sein, Wachstumsgrenzenzu setzen; für das Wissen scheint das nichtzu gelten. Dem Wachstum des Wissenssind praktisch keine Grenzen gesetzt.

Daß die „Wissensschöpfung“ oder dieWissensproduktion voll Ungewißheitensteckt, daß man sie kaum vorhersagenoder planen kann, ist seit langem bekannt.Die Überzeugung, daß die Wissensnut-zung weitgehend risikolos sei und derWissenserwerb Unsicherheit zu reduzie-ren helfe, hat man dagegen erst sehr vielspäter aufgegeben. Daß Wissenschaftnicht mehr nur Zugangsmöglichkeit undSchlüssel zum Geheimnis der Welt ist,sondern das Werden einer Welt mitbe-stimmt, hat man ebenfalls erst vor kurzembegriffen. Ebenso wie man erst in jüngsterZeit zur Überzeugung kam, daß wissen-schaftliche Erkenntnisse trotz ihres gegen-teiligen Rufs oft recht strittiger Natur sind,nicht unbedingt Lösungen bieten, sondernwenn sie einmal zu Grundlagen von Ent-scheidungshandeln werden, Problemebzw. Risiken aufwerfen und Unentschie-denheiten produzieren. Wissen ist fast im-mer anfechtbar. Diese Eigenschaft giltzwar im Kontext bestimmter wissen-schaftstheoretischer Positionen als Beson-derheit wissenschaftlicher Erkenntnisseund als Tugend; in pragmatischen Kontex-ten wird diese prinzipielle Anfechtbarkeitder wissenschaftlichen Erkenntnis aberhäufig verdrängt.

Wir möchten Wissen als Fähigkeit zumsozialen Handeln (Handlungsvermögen)definieren, als die Möglichkeit etwas in„Gang zu setzen“. Unsere Begriffswahlstützt sich unmittelbar auf Francis Baconsberühmte und faszinierende These „scientiaest potentia“ oder, wie diese Formulierunghäufig, aber irreführend, übersetzt wurde:Wissen ist Macht. Bacon behauptet, daß derbesondere Nutzen des Wissens sich vonseiner Fähigkeit ableitet, etwas in Gang zusetzen. Der Begriff potentia, die Fähigkeit,umschreibt hier die „Macht“ des Wissens.

Wissen erfüllt gewiß nur dort eine „akti-ve“ Funktion im gesellschaftlichen Hand-

Wir verstehen Wissen als Handlungsvermögen, als die Möglichkeit, etwas in „Gang zu set-zen“. Unsere Begriffswahl stützt sich unmittelbar auf Francis Bacons berühmte These„scientia est potentia“, oder wie diese Formulierung häufig, aber irreführend, übersetzt wur-de: Wissen ist Macht. Bacon behauptet, daß sich der besondere Nutzen des Wissens vonseiner Fähigkeit ableitet, etwas in Gang zu setzen. Wissen als symbolisches System struk-turiert die Realität. Wissen ist ein Modell für die Wirklichkeit. Wissen illuminiert. Es ist poten-tiell in der Lage, die Realität zu verändern. Der Begriff potentia, die Fähigkeit, umschreibthier die „Macht“ des Wissens. Wissen ist Entstehen und damit ist Wissen mehr als Kenntnisund „bekannt“ sein.

Wissen

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lungsablauf, wo Handeln nicht nach imwesentlichen stereotypisierten Mustern(Max Weber) abläuft oder ansonsten weit-gehend reguliert ist, sondern wo es Ent-scheidungsspielräume oder -notwendig-keiten gibt. Für Karl Mannheim[9] beginntsoziales Handeln deshalb auch erst dort,wo der noch nicht rationalisierte Spiel-raum anfängt, wo nicht regulierte Situatio-nen zu Entscheidungen zwingen.

Darüber hinaus und im Gegensatz zudem, was die klassische funktionalistischeDifferenzierungstheorie nahelegt, gibt esgerade in vielen kritischen Fragen über dasWirken natürlicher und gesellschaftlicherProzesse keine kognitive Gewißheit. Dasheißt, die Wissenschaft kann keine Wahr-heiten (im Sinne von bewiesenen Kausal-ketten oder gar universellen Gesetzen) lie-fern, sondern nur mehr oder weniger gutbegründete Vermutungen, Szenarien undWahrscheinlichkeiten. Statt Quelle von ge-sichertem Wissen und Gewißheit zu sein,ist die Wissenschaft damit Quelle von Un-sicherheit. Und anders als es rationalisti-sche Wissenschaftstheorien vorschlagen,ist das Problem nicht dadurch zu lösen,daß man zwischen „guter“ und „schlech-ter“ Wissenschaft (oder zwischen Pseudo-wissenschaft und richtiger Wissenschaft)unterscheidet. Wer sollte dies unter Bedin-gungen der Unsicherheit auch tun können?

Der besondere, ja geradezu herausra-gende Stellenwert des wissenschaftlichenund technischen Wissens in der modernenGesellschaft resultiert nicht aus der Tatsa-che, daß wissenschaftliche Erkenntnis im-mer noch weitgehend als ein wahrhaftiger,objektiver, das heißt realitätskonformerMaßstab oder als eine unstrittige Instanzwahrgenommen oder behandelt wird – an-gesichts dessen Rufs viele Gruppen undIndividuen in unzähligen alltäglichen Si-tuationen bereit sind, ihre Zweifel und Be-denken zurückzustellen.

Der besondere soziale, aber vor allemökonomische Stellenwert ergibt sich dar-aus, daß wissenschaftliches Wissen mehrals jede andere Wissensform kein stati-

sches Wissen repräsentiert und permanentzusätzliche Handlungsmöglichkeiten er-zeugt und konstituiert. In der modernenÖkonomie erhält neues Wissen ähnlichwie im Wissenschaftssystem einen beson-deren, lohnenden Stellenwert, nicht zuletztindem zusätzliches Wissen in die Nähe ei-ner Ware rückt und Wettbewerbsvorteileverspricht.[10-12] Wissenschaftliche Erkennt-nis repräsentiert somit Handlungsmög-lichkeiten, die sich ständig ausweiten undverändern, indem neuartige Hand-lungschancen produziert werden, die,wenn auch nur vorübergehend, „privat ap-propriiert“ werden können.

Hebt man die (gedachte) Trennung vonWissen und Handeln wieder auf, so signali-siert die Definition von Wissen als Hand-lungsvermögen zudem, daß die Realisie-rung oder die Anwendung von Wissenimmer unter bestimmten sozialen und ko-gnitiven Rahmenbedingungen stattfindet.Und insofern die Realisierung von Wissenvon bestimmten Bedingungen abhängig ist,haben wir gleichzeitig einen wichtigen Ver-weis auf die Relation von Wissen undMacht. Die Kontrolle der für die Implemen-tation von Wissen notwendigen sozialenund kognitiven Bedingungen erfordert ei-nen bestimmten Grad von Macht. Je größerzum Beispiel der Umfang des zu realisie-renden praktischen Projektes, desto größerdie notwendige Macht, um die sozialen undkognitiven Rahmenbedingungen, die dieRealisierung des Wissens als Handlungsver-mögen erlauben, kontrollieren zu können.

3. Wissenschaft und die neueUnsicherheit in derGesellschaft

Wissenschaft erzeugt nicht nur neuesWissen, sondern auch neue Unsicherheiten.Durch wissenschaftliche Entdeckung wer-den gleichzeitig neue Handlungsmöglich-keiten eröffnet und komplexere Entschei-dungslagen erzeugt. Dadurch entstehenGefahren und Risiken für die Gesellschaft.Die Folgen wissenschaftlicher Erkenntniskönnen in den Anwendungssystemen kon-struktiv und destruktiv sein. Gerade UlrichBeck hat nie nachgelassen, auf diesenAspekt des wissenschaftlichen Fortschrittsvehement hinzuweisen (zuletzt sieheBeck[13], Seite 276f.). Mit Hilfe des Wert-freiheitspostulats hat sich die Wissenschaftvon den verursachten Schäden selbst frei-gesprochen, indem sie sich Indifferenz ge-genüber ihren gesellschaftlichen Auswir-kungen verordnet hatte. Angesichts des inden letzten Jahrzehnten dieses Jahrhundertsmassiv entstandenen und gesellschaftsweitverbreiteten Risikobewußtseins scheint die-

se Abschottung langsam brüchig zu wer-den. Die Wissenschaft wird aufgefordert,die von ihr erzeugten Folgen und Risikenfür die Gesellschaft mitzubedenken (sieheJanasoff und Wynne[14] S. 24ff.).

Das Entstehen und das rasche Wachs-tum von Technologiefolgen- und Risiko-forschung zeigt, daß das Wissenschaftssy-stem die Herausforderung angenommenhat. Diese Forschung hat sich am Randedes Wissenschaftssystems etabliert, so alsob es sich um ganz normale Forschunghandeln würde. Dabei wird leicht überse-hen, daß die Wissenschaft in reflexiverEinstellung selbst über sich forscht. Gera-de der Risikodialog macht die Selbstbe-züglichkeit dieser Art des wissenschaftli-chen Handelns bewußt.

Damit ist nicht so sehr gemeint, daß auchwissenschaftliches Forschen Risiken undGefahren beinhaltet, die auf Grund der hy-pothetischen Basis jeglichen wissenschaftli-chen Arbeitens entstehen. Man kann z.B.falschen Hypothesen nachgehen und stattWahrheit Unwahrheit erzeugen. Oder eswird viel Geld in die Konstruktion einerTheorie gesteckt, die dann von jemand ande-rem ohne großen Aufwand entwickelt wird.Das Telos der Wissenschaft, neues Wissenzu produzieren, das sich im Dauerbetrieb derWissensproduktion und heute im verstärktenMaß in der Anwendung bewähren muß, istimmer mit dem zunehmenden Risiko desScheiterns belastet. Dies sind, um mit Per-row[15] zu sprechen, ganz normale Risikendes wissenschaftlichen Arbeitens.

Neuartige Probleme hingegen stellensich für die Wissenschaft bei der Erfor-schung unerwünschter Folgen wissensba-sierter Technologien, die in der Natur undGesellschaft auftreten. Die Wissenschaftwird mit Fragen konfrontiert, die nicht ih-rer eigenen Sicht- und Arbeitsweise ent-stammen. Wie Alvin M. Weinberg[16] schonsehr früh beobachtet hat, wird sie mit Fra-gen konfrontiert, die sie nicht beantwortenkann. Kein Wunder, daß in diesem Zusam-menhang transdisziplinäre Erkenntnis oderzumindest transdisziplinäre Forschung ge-fordert wird, die aber gleichwohl mit denMethoden und nach den Rationalitätskrite-rien der Wissenschaft produziert werdensoll. Transdisziplinarität findet nicht außer-halb und als Alternative zur Wissenschaftstatt, sondern ist selbst Wissenschaft.[17-19]

Wissenschaft ist gezwungen, über ihreeigenen Anwendungsbedingungen undAnwendungsfolgen zu reflektieren – undsie kann dies nicht anders als mit Hilfewissenschaftlicher Methoden.[20] Über dieRiskanz der Risikoforschung und über dieFolgen der Folgenforschung in Politik undWirtschaft werden heute schon Expertisenangefertigt und in den wissenschaftlichenArbeitsprozeß eingespeist.

Relativität, von Maurits Cornelis Escher

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Indem die Wissenschaft sich mit Risi-kolagen und gesellschaftlichen Unsicher-heiten beschäftigen muß, wandeln sichwissenschaftlich garantierte Sicherheitenin Unsicherheiten. Der WissenschaftlicheBeirat der Bundesregierung Globale Um-weltveränderungen (WBGU) hat versucht,aus diesem Dilemma mit einer Risikoty-pologie gravierender Gefahren einen Aus-weg zu suchen.[21] Nun haben solche Klas-sifikationen immer etwas Provisorischesund Voluntaristisches an sich. Eine neueKatastrophe, ein unbekanntes Virus, schonmuß das Schema erweitert werden. Auchwird es kaum der Dynamik der Gefahren-lagen gerecht, die im Laufe ihrer Entwick-lung mehrere Typen durchlaufen können.Um die neuartigen Probleme der Gefähr-dungen, denen sich die Wissenschaft heu-te gegenübergestellt sieht, in ihrer Strukturbesser erfassen zu können, gehen wir voneiner Analyse der gesellschaftlich erzeug-ten Unsicherheit aus und fragen, warumgerade heutzutage die Risikosemantikweltweit eine führende Rolle erhalten hat,wenn die Zukunft der Gesellschaft thema-tisiert wird.[22]

Westliche Industriegesellschaften zeich-nen sich – im historischen Vergleich ge-sehen – durch ein hohes Maß an sozialerSicherheit aus, die durch die unterschied-lichsten Versicherungssysteme gewährlei-stet wird. Hinzu kommt, daß die Lebens-erwartung der Bevölkerung ständig steigt,weil durch ein umfassendes Gesundheits-system Seuchen, Epidemien und vieleKrankheiten entweder verhindert oder inihren Wirkungen stark gemildert werden.In einer Gesellschaft, die seit Jahrzehntenkeine ernstlichen Kriegsgefahren kennt,muß es verwunderlich erscheinen, daß Zu-kunftsfurcht zu einem öffentlichen Themaund Anlaß zu Protesten gegen neue Tech-nologien geworden ist.[23] Wie kommt es,so kann man fragen, daß die Zukunft heu-te wesentlich unter dem Aspekt des Risi-kos und nicht mehr des Fortschritts inter-pretiert wird?

Mindestens in drei Diskursen der Ge-sellschaft wird die Gefährdung der Gesell-schaft durch sich selbst thematisiert:[24]

a) Zum einen handelt es sich um dieFolgen der Anwendung sogenannterHochtechnologien. Mögen diese nun aufwissenschaftlichen Grundlagen der Phy-sik, Chemie oder Biologie beruhen, in je-dem Fall sind diese Technologien mit ei-nem hohen Katastrophenpotential belastet.Kommt es zu Störfällen oder gar zumvollständigen Versagen, so stehen dieSchäden in keinem Verhältnis mehr zudem Nutzen und Zweck der Technik. Dar-über hinaus versagen auch die bestehen-den Kompensationsmöglichkeiten mittelsder Haftung durch die Betreiber, insofern

das Schadensausmaß so verheerend ist,daß es jenseits der Versicherbarkeit liegt.[25]

Für Hochtechnologien ist charakteri-stisch, daß die katastrophalen Folgen durchnicht mehr kontrollierbare Störungen ent-stehen, da ihre Struktur eine so hohe Kom-plexität aufweist, sowohl in bezug auf dieKopplung der Elemente als auch in bezugauf die Kompliziertheit der in ihnen ablau-fenden Prozesse, daß es keine vollständigeBeherrschung geben kann.[15] Unglücksfällekönnen nur noch unwahrscheinlich ge-macht, aber nicht mehr ausgeschlossenwerden. Genau dies macht auch das hoheKonfliktpotential aus, mit dem diese Tech-nologien belastet sind. Wenn sich die Kata-strophenträchtigkeit nur eindämmen, abernicht beseitigen läßt, verwandelt sich dastechnische Problem der Sicherheitsmaß-nahmen in das soziale Problem der Akzep-tanz von möglichen menschlich erzeugtenKatastrophen.

b) Im Laufe der Risikodebatte hat sichgezeigt, daß, wie man z.B. bei der Gen-technologie beobachten kann, neben demmit ihrem möglichen Katastrophenpotenti-al verbundenen Risiko noch eine weitereDimension von Unsicherheit gesellschaft-lich produziert wird. In der Auseinander-setzung geht es nicht nur um die möglicheungewollte und unkontrollierte Verbreitungvon gefährlichen Produkten genetischerManipulation, sondern an der Gentechno-logie wird schlagartig das zunehmendeMißverhältnis von Handlungsabsichtenund Folgewirkungen technisch bedingterHandlungen bewußt. Mit Hilfe der Gen-technologie kann der Mensch die Bedin-gungen seiner eigenen Evolution zu mani-

pulieren versuchen. Gentechnologie greift,gerade weil sie die sich selbstproduzieren-den Mechanismen der biologischenGrundlagen des Lebens dem Zugriff desMenschen zugänglich macht, tief in daskulturelle Selbstverständnis und die Iden-tität des Menschen ein.[26]

c) Ein dritter Typ von Unsicherheits-produktion entsteht bei den völlig unspek-takulären Folgen alltäglicher Handlungen.Gemeint sind damit die langfristigen öko-logischen Veränderungen durch tagtägli-ches Handeln und Entscheiden, sei es derAutoverkehr, die CO

2-Produktion, das Ab-

holzen der tropischen Regenwälder oderauch der massenhafte Verbrauch vonWaschmitteln. Die Folgen dieses Verhal-tens schlagen sich nieder im Waldsterben,der möglichen Klimaveränderung oder inder irreversiblen Verschmutzung unseresGrundwassers. Kennzeichnend für dieseArt millionenfacher täglicher Gefahrenla-gen ist zum einen, daß eine längere Zeitdi-stanz zwischen Ursachen und Wirkungenliegt, zum anderen, daß bei den Folgen ex-trem viele Faktoren mitwirken (Waldster-ben, Klimaveränderung). Weiterhin istcharakteristisch, daß die Wirkungen nurnoch mittels des Einsatzes von Wissen-schaft und Technik überhaupt wahrge-nommen werden können und daß Hand-lung, Folgen und Verursacher so weitauseinandertreten, daß keine eindeutigeBeziehung mehr festzustellen ist. Letzte-res gilt insbesondere, da ja nicht nur einVerursacher Schuld an dem erzeugtenSchaden hat, sondern die Gefährdung undSchädigung nur durch das Zusammenwir-ken vieler entsteht, manchmal sogar auf

Tabelle 1. Die wissensbasierte Ökonomie, 1995/1996

Wissen (Sachwerte) WissensökonomieItalien 6,1 (18,0) 41,3Japan 6,6 (28,5) 53,0 Australien 6,8 (22,6) 48,0Deutschlandc 7,1 (21,4) 58,6OECD 7,9 (20,1) 50,9EU 8,0 (19,0) 48,4USA 8,4 (16,9) 55,3Großbritannien 8,5 (16,3) 51,5Frankreich 10,2 (17,9) 50,0Schweden 10,6 (14,6) 50,7Kanada 8,8 (16,9) 51,0

Investitionen in Wissen und Anteil der WertschöpfungSachwerte in Prozent des wissensintensiverBruttosozialprodukts (1995)a Unternehmen an der

gesamten privaten Wert-schöpfung 1995 bzw. 1996b

a Die Gesamtsumme der Ausgaben für Forschung- und Entwicklung (minus der Aufwendungen für Anla-gen, Geräte etc.), des staatlichen Schul- und Hochschulwesens, sowie der Ausgaben für Software (aus-chließlich der von privaten Haushalten).

b Die OECD zählt in dieser Untersuchung soziale Dienstleistungsunternehmen, Kommunikationsunter-nehmen, den Finanz- und Versicherungssektor, Unternehmen des Herstellungssektor, die durch einehoch- bzw. eine mittlere technologische Ausstattung gekennzeichnet sind, zu den wissensbasierten Un-ternehmen des Herstellungs- und Dienstleistungssektors.

c Westliche BundesländerQuelle: OECD[45]

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Generationen verteilt. Dies alles bewirkt,daß es schwerfällt und vielleicht sogar un-möglich ist, Grenzwerte anzugeben, abwelchem Zeitpunkt eine Schädigung be-ginnt, mit welchen Maßnahmen sie zubekämpfen ist oder wer eigentlich zur Ver-antwortung zu ziehen sei.

Neben der Langfristigkeit bereitet auchzusehends die Globalität der kumulativenFolgen ökologischer Gefährdungen Pro-bleme beim Ergreifen rechtzeitiger Ab-wehrmaßnahmen.[27] Es geht ja nicht nurum die Feststellung des Ursachenmecha-nismus, was bei vielen Umweltschädigun-gen selten gelingt, sondern hinzukommenmuß, daß diese Schäden als solche auchanerkannt werden, um entsprechend han-deln zu können. Die wechselseitige Bezie-hung von Erkennen und Anerkennenmacht das eigentliche Problem der Früher-kennung oder Vorsorge aus.[28]

Diese drei Bereiche der Selbstgefähr-dung der Gesellschaft erzeugen die Unsi-cherheit in Wissensgesellschaften. So ver-schieden auch die angeführten Beispielesein mögen, eines haben sie gemeinsam:daß es sich bei ihnen um Deutungen han-delt, wie jeweils die Zukunft zu gestaltensei: denn, darauf hat Franz-Xaver Kauf-mann[24] hingewiesen, wie groß die Gefahrwirklich ist, kann keiner heute mit Sicher-heit voraussagen.

Die Moderne zeigt im Blickwinkel derRisikothematik eine „unaufhebbare Ambi-valenz“.[29] Dies sei kurz an den drei FällenHochtechnologie, Gentechnologie undökologische Folgen demonstriert.

Die Entwicklung von Hochtechnologienhat zu komplexen und schwer kontrollier-baren technischen Gebilden geführt, wobeidie Gefahr besteht, daß deren eigentlicheZwecksetzung, Energie, Werkstoffe usw.zu erzeugen, durch ihre damit verbunde-

nen Nebenfolgen (Auswirkungen aufMensch und Natur) zunehmend überwu-chert wird. Nicht nur, daß durch zuneh-mende Sicherheitsmaßnahmen die Techniknicht nur nicht sicherer wird, sondern essteigt, wie empirische Studien zeigen, beiweiteren Sicherheitsvorkehrungen dieKomplexität des Gesamtsystems und da-mit auch dessen Störanfälligkeit.[30] In derGesellschaft wird bewußt, daß die tech-nisch erzeugten Risiken nicht beseitigt,sondern bestenfalls in eine andere Art derUnsicherheit überführt werden können.[31]

Und genau dieser Sachverhalt führt zu ei-nem weitverbreiteten Kontingenzbewußt-sein dergestalt, daß sowohl bewußt wird,daß auch andere Entscheidungen möglichwären, als auch, daß die Katastrophe vonniemandem ausgeschlossen werden kann,so minimal ihre Eintrittswahrscheinlichkeitauch bestimmt werden mag.

Das Beispiel Gentechnologie belegt, daßim Risiko auch die Chance mitgegeben istzu gestalten. Erst wenn man Gefahren derDenaturalisierung des Menschen in Risi-ken verwandelt, also ohne Rücksichtnah-me auf metasoziale Regeln (Religion, Tra-dition) die Chancen und Nachteile einesEingriffs in die Evolution zu kalkulierenbeginnt, kann man wissenschaftlich-expe-rimentell in den Leben erzeugenden biolo-gischen Mechanismus eingreifen. Je mehrman in den Gestaltungsbereich menschli-ches Handeln einbezieht, um so rascherändern sich die gesellschaftlichen Struktu-ren, d.h. sie werden entscheidungsabhängi-ger, gleichzeitig nehmen aber auch dienichtvorhergesehene Handlungsfolgen zu,und, was vielleicht ausschlaggebend ist,die Zukunft wird unbestimmbarer, da diesedann auf Entscheidungen beruht, die sooder auch anders ausfallen können.[32] DasNichtwissen wird in seiner Bedeutung für

Entscheidungen mit Zukunftscharakterkonstitutiv.[33]

Das schwierigste Problem jedoch dürf-ten die ökologischen Folgeprobleme sein.Veränderungen der Natur, aber auch dervon Menschen erzeugten zweiten und drit-ten „Natur“ geschehen in schneller oderlangsamer Art, plötzlich oder schleichend.Sie werden durch kaum erkennbare Ursa-chen oder durch Massenhandeln ausgelöst.Veränderungen des Ökosystems lassensich weder linear noch kausal interpretie-ren. Sie sprengen somit alle bisher bekann-ten klassischen Analysemodelle und anKausalitätsvorstellungen gebundene Rea-litäts- und Handlungsrahmen. Sie machendie Komplexität und Kontingenz der Weltin großem Maßstab bewußt, da die syner-gistischen Effekte gerade durch das Han-deln vieler Menschen erzeugt werden. Hierwird Unsicherheit durch Zurechnung ge-schaffen. Zum einen ist man unsicher, obdie erforschten Kausalitäten für das entste-hende Problem wirklich Geltung haben(Waldschaden) oder ob nicht ganz andereFaktoren eine Rolle spielen. Zum anderenwerden immer mehr Folgen und Auswir-kungen dem Menschen zugerechnet (Kli-makatastrophe), ohne genau zu wissen, obnicht vielmehr bisher noch nicht beeinfluß-bare Bedingungen der Naturevolution fürdie Veränderungen verantwortlich zu ma-chen sind. Gesteigerte Verantwortlichkeitbei zunehmender Ungewißheit könnte mandiesen Sachverhalt nennen.[34]

Die Risikosemantik signalisiert somiteine neue Unsicherheit in der Gesell-schaft, die in der bewußt als kontingentwahrgenommenen Zukunft liegt. Risikounter diesem gesellschaftstheoretischenAspekt meint damit, daß mögliche Schä-den auf das Entscheidungsverhalten schonheute zugerechnet werden, wobei Wissenüber das Ausmaß der Schädigung, denEintritt des Schadens und ob es überhauptzur Schädigung kommen wird, nicht ge-wonnen werden kann. Das Nicht-Wissen(Unkalkulierbarkeit der Entscheidungsfol-gen) wird zum Bestandteil der Entschei-dung. Nur eines ist gewiß, es mußentschieden werden; da keine gesell-schaftliche Instanz sichtbar ist, der mandie zukünftigen Schäden zurechnen kann,bleibt nur die Entscheidung unter Unsi-cherheitsbedingungen.

4. Die Verwissenschaftlichungder Risikothematik

Seit Beginn der Risikoforschung war esihr erklärtes Ziel, Risiken einer rationalenKalkulation zu unterwerfen. Hierfür wur-de aus den unterschiedlichsten Disziplinen

Verantwortlicher Umgang mit Nicht-Wissen – dazu gehört auch, sich über den Charakterdieses Nicht-Wissens klarzuwerden. Man kann hier vier Typen unterscheiden

(1) Ein prinzipielles Nicht-Wissen als „Wissen, das wir nicht wissen können“. Dies betrifftbeispielsweise letztbegründende Antworten auf die Fragen nach dem Sinn des menschli-chen Lebens und ähnliches.

(2) Noch nicht »bereitgestelltes« Wissen, das aber im Prinzip erworben werden kann; auchwenn wir noch nicht darüber verfügen, kann als wahrscheinlich gelten, daß spätere Genera-tionen dieses Wissen haben werden.

(3) Wissen, das zwar vorhanden ist, auf einen bestimmten Einzelfall aber noch nicht ange-wendet wurde; hier ist Denken in Metaphern und Analogien gefragt, um Gemeinsamkeitenzu entdecken, die bisher nicht gesehen wurden, oder um bereits bekannte Bereiche neu zusortieren und zu organisieren.[46]

(4) Der Standardtyp des Nicht-Wissens: Ein Sachverhalt ist bereits bekannt, lediglich einebestimmte Person oder Gruppe weiß dies (noch) nicht. Dieses Nicht-Wissen kann durch zu-sätzliche Informationen, durch Lernen ausgeglichen werden. Auf die Technikbewertung be-zogen, bedeutet der vierte Typ: Das Wissen um die Folgen einer bestimmten Technik liegtzwar bereits vor, ist denjenigen, die über den Einsatz dieser Technik im konkreten Fall zuentscheiden haben, aber nicht bekannt. Dieses Informationsdefizit läßt sich im Zuge einesTechnikbewertungsverfahrens ausgleichen, bei dem Fachleute unterschiedlicher Disziplinenund Betroffene zusammenkommen.

Aus: W. Zimmerli: „Informationstechnologie und kreative Kompetenz“ in: Management 93.Ein Lesebuch, Gabler, Wiesbaden (1992) S. 23–33

Nicht-Wissen

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Anleihen gemacht. Zur traditionellen stati-stischen Behandlung von Risikokalkula-tionen traten wirtschaftswissenschaftlichorientierte Analysen, spieltheoretischeKalkulationen und entscheidungstheore-tisch inspirierte Überlegungen, die mit Er-wartungen und Präferenzen rechneten.Erst später traten sozialwissenschaftlicheForschungen hinzu, die zeigten, daß der„reale“ Mensch anders Risiken kalkulierteals es die Wissenschaft mit ihren formalenModellen von ihm verlangte (siehe denÜberblick von Banse und Bechmann[35]).Diese Bemühungen resultierten in demVorschlag, Risiko als Produkt aus derSchadenshöhe und dem Wahrscheinlich-keitsgrad des Eintritts des Schadens zu be-stimmen. Damit meinte man ein univer-selles Maß des Risikos gefunden zuhaben. In den daran anschließenden Kon-troversen wurde diese Risikobestimmungjedoch ihrer so eleganten formalen Formentkleidet. Die Kritik des formalen Risi-kobegriffs führte zu einer inhaltlichen Be-stimmung von Risikokonflikten, wie imfolgenden gezeigt wird.

4.1. Kritik am formalen Risikobegriff

In den Anfängen wurde die Risikofor-schung durch die Unterscheidung subjek-tives versus objektives Risiko beherrscht.Als subjektives Risiko bezeichnete mandas vom einzelnen Individuum wahrge-nommene Risiko, während objektives Ri-siko das von der Wissenschaft als exakt er-mittelte und nach formalen Prinzipienkalkulierte Risiko bedeutete. Die Diffe-renz subjektives/objektives Risiko fandihren Ausdruck in der Debatte über die Ri-sikoformel. Erklärtes Ziel dieser For-schung war es, ein universell gültiges Risi-komaß zu entwickeln, mit dessen Hilfeman die unterschiedlichsten Risikotypenvergleichbar machen konnte. Man hoffte,daß es dadurch möglich würde, eine ratio-nale Klärung der Akzeptierbarkeit der un-terschiedlichsten Risiken zu erreichen, jenach Grad ihrer Wahrscheinlichkeit undder Schwere ihrer Schäden. Kern dieserÜberlegungen bildete die aus der Versi-cherungswirtschaft entliehene Formel,wonach das Risiko (R) gleich dem Pro-dukt der Wahrscheinlichkeit (W) und desSchadensausmaßes (S) ist. Sie ist immerdann anwendbar, wenn sich quantitativeMaße anbieten, auf die verschiedenartigeNutzen- und Schadensaspekte projiziertwerden können. Ein einheitliches Maß fürNutzen und Schäden konnte nicht gefun-den werden. Auch für Schäden allein wardies nicht möglich. Selbst die Umrech-nung der unterschiedlichsten Schäden inGeldeinheiten führte zu willkürlichen undstark umstrittenen Ergebnissen.

Bei der zweiten Komponente, derWahrscheinlichkeitsberechnung, gerietman an die Grenzen des objektiv Wißba-ren, wie das Beispiel der Kernreaktor-schmelze zeigt. Solange keine zureichen-den empirischen Fälle vorliegen, kannman nur subjektive Wahrscheinlichkeitenangeben, bei denen bei genauer Betrach-tung Wunschdenken des jeweiligen Schät-zers eine erhebliche Rolle spielt.[36]

Die Formel R = W x S sollte ein Modellfür rationale Entscheidungen liefern, weilman hier die Möglichkeit sah, unter-schiedliche Aktivitäten und potentielleSchäden miteinander in Beziehung zu set-zen. Durch die Formalisierung wollte mandie unterschiedlichen Risikoquellen nacheinem formalen Kalkül, unabhängig vonpersönlichen oder sozialen Interessen zubewerten. Die Abstraktion von qualitati-ven Differenzen innerhalb der Schadens-dimension und die Enthistorisierung derZeitdimension durch die Wahrscheinlich-keitsrechnung sind der Preis für ein allge-meingültiges und universelles Risikomaßzur Abschätzung der gesellschaftlich er-zeugten Risiken (kritisch dazu Rapo-port[37]).

Die Krise des objektiven Risk-Assess-ment begann mit zwei Einsichten: daß esselbst in den Sicherheitswissenschaftenkeinen einheitlichen Risikobegriff gebenkann und daß die aus der Kaufmannsspra-che geborgte Formel von R = S xW geradedann in der Öffentlichkeit nicht verstandenund akzeptiert wurde, wenn es sich um einenormes Gefährdungspotential durch neuetechnische Anlagen handelte.[38]

4.2. Zur Differenz Entscheider undBetroffener

Die Verwandlung von Gefährdungstat-beständen in formale Kalkulationen birgtsozialen Konfliktstoff. Gerade bei Risiken,die nicht allein individuelle Handlungsop-tionen betreffen, sondern die BetroffenheitDritter einbeziehen, ist die Entscheidungüber Risiken von der Schädigungszumu-tung gegenüber anderen nicht von der ei-gentlichen formalen Kalkulation zu tren-nen. Dies vor allem nicht, wenn über denerwartbaren Schadensumfang keine ein-deutigen Aussagen möglich sind. Die Fra-ge nach der Sozial- und Umweltverträg-lichkeit, einem normativen Kriterium, istsomit unweigerlich mitgegeben. Ebensowie bei der Grenzwertbestimmung gibt esauch hier keine objektive Grenze, die fest-legt, ab welchem Wert eine Sache schädli-che Auswirkungen hat oder ab wann sie alsunbedenklich für die Gesundheit der Men-schen angesehen werden kann. Vielmehrstellen Risikofestlegungen und GrenzwerteErgebnisse von Konsens/Dissens-Prozes-

sen dar, bei denen widerstreitende Interes-sen ausgeglichen werden müssen. Mit derEntwicklung und Implementierung neuerTechnologien und der zunehmenden Zahlirreversibler Eingriffe in die Umwelt ent-steht eine neue Konfliktlinie, die Entschei-der und Betroffene trennt und die durch dieUnterscheidung Risiko/Gefahr als Streit-thema symbolisiert wird. Luhmann hatdies durch die theoretische Ausarbeitungder Differenz von Risiko und Gefahr be-grifflich auf den Punkt gebracht. Um Risi-ken handelt es sich immer, wenn etwaigekünftige Schäden auf die eigene Entschei-dung zurückgeführt werden; um Gefahrenhandelt es sich dagegen bei von außenkommende Schäden, die der Betroffenenicht beeinflussen kann (siehe Luhmann[33]

S. 30/31).Obwohl heute alle Gefährdungen tech-

nischer oder ökologischer Art durch Han-deln und Entscheiden verursacht werden –nichts anderes besagt die These von derGefährdung der Gesellschaft durch sichselbst – werden die technologisch-ökologi-schen Bedrohungen von den einen als Ri-siken, von den anderen als Gefahren wahr-genommen, und – es wird entsprechendgehandelt. Dies hat mehrere Gründe:

– Bei technisch-ökologischen Risikenfallen Kosten und Nutzen auseinander bzw.sind diese nicht auf eine Person bezogen,so daß eine Kosten/Nutzen-Kalkulation fürdie Entscheidung nicht mehr instruktiv ist.Viele, die durch neue Technologien beson-ders gefährdet sind, wie z. B. Anwohnervon Kernkraftwerken, Bewohner bestimm-ter industrialisierter Regionen oder Nach-barn von chemischen Großanlagen, müssenüberproportionale Nachteile ertragen,während der Nutzen auf alle verteilt wird.

– Zweitens sind heute Risikoverursa-cher oder genauer Risikoentscheider prin-zipiell von den Risikobetroffenen unter-schieden. Dies ist sicher zum einen Folgeder Ausdifferenzierung der Gesellschaftmit ihren Funktionssystemen: Entschei-dungen und Entscheidungsfolgen fallennicht mehr räumlich, zeitlich und sozialzusammen, da die Handlungs- und Wir-kungsketten ungemein verlängert wordensind. Zum anderen lassen sie sich ohnewissenschaftliche Meßgeräte kaum wahr-nehmen und auf Grund ihrer Komplexitätnur schwer den Verursachern zurechnen.[39]

– Drittens: Technisch-ökologische Ge-fährdungen sind soziale Risiken. Sie wer-den einem aufgelegt, man geht sie nichtfreiwillig ein. Ob nun ökologische Risikendurch das Handeln vieler verursacht wer-den (Waldsterben) oder technische Risikendurch die Entscheidungen weniger entste-hen, eines ist sicher: Der Einzelne hat sieweder gewollt, noch konnte er über die Be-dingungen, unter denen sie eingegangen

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wurden, mitentscheiden. Sie werden gewis-sermaßen ohne sein Wissen, Wollen undMitwirken in die Welt gesetzt. Angesichtsdieser Lage bleibt dem Einzelnen nurübrig, sich den Gefahren zu entziehen, sichdamit abzufinden – oder zu protestieren.

Mit anderen Worten: Sobald riskanteEntscheidungen auf dem Gebiet der Öko-logie oder Technik getroffen werden, ent-steht die Differenz Entscheider/Betroffe-ner. Entscheidend ist nun, daß dieseDifferenz nicht mehr Personen trennt,nicht mehr klassenspezifisch diskriminiertoder soziale Unterschiede macht. DieTrennung Entscheider/Betroffener zieltauf Funktions- und Machtaufteilung. Werentscheiden darf und wer Betroffener ist,stellt somit eine soziale Zurechnungsfrageder Selbst- und Fremdzuschreibung dar,die auf individueller, organisatorischerund gesellschaftlicher Ebene entschiedenwird. Die Differenz ist mit den Funktio-nen der Teilsysteme mit institutionalisiert.Hier liegt übrigens auch ein Grund dafür,daß sich der ökologische Protest soschlecht auf Dauer organisieren läßt: Erläuft in die Fallstricke der gesellschaftli-chen Differenzierung.

Entsprechend sind auch die Perspektivendifferent. Aus der Entscheidungsperspekti-ve stellt sich die Bedrohung als ein Risikodar, aus der Betroffenenperspektive als eineGefahr. Der Entscheider versucht, die Ent-scheidung mit Hilfe von Kalkulationen,Abschätzungen, Szenarien usw. zu rationa-lisieren. Er geht sogar soweit, die Sicht desBetroffenen mit zu berücksichtigen, indemer die Frage der Akzeptanz einkalkuliertund sogar Aufklärung über das Risiko be-treibt. Die Entscheidung über mögliche Ri-siken mag noch so komplex und vorausset-zungsreich angelegt sein, eines kann sienicht: das Risiko als Gefahr sehen und da-mit auf Betroffenheit umschalten.

Umgekehrt nimmt der Betroffene dieFolgen der riskanten Entscheidung als Ge-fahren wahr. Der Betroffene sieht sich ei-ner Gefahr ausgesetzt, über deren Entste-hung er nicht mitentschieden hat, die ernicht kontrollieren kann, der er ausgeliefertist und von der er nur weiß, daß sie aus derSicht des Verursachers ein Risiko darstellt– es bleibt ihm die Unsicherheit und Angst.

Führt man sich diese wechselseitigeAusschließlichkeit von Gefahrenstand-punkt und Risikostandpunkt vor Augen,so kann man sehen, daß hier ein neuerKonflikt entstanden ist, der bei jeder öf-fentlichen, aber auch privaten Entschei-dung aufbrechen kann, sobald Risiko imSpiel ist. Es ist schwer absehbar, nachwelchen Metakriterien dieser Antagonis-mus zu regulieren ist.

Als Ergebnis der Debatte kann man dreiwesentliche Erkenntnisse festhalten:

– Erstens hat analog zum Entstehen desWissenskonzepts, das wir oben diskutierthaben, die lebhafte akademische Debatte inder Risikoforschung gezeigt, daß es keinobjektives oder kontextfreies Risikokon-zept gibt. Es gibt keine Risikodefinition, dieuniversell akzeptiert wird und sich grundle-gend von einem Alltagskonzept auf der Ba-sis des gesunden Menschenverstandes un-terscheidet. Statt dessen wird Risiko alssoziales Konstrukt betrachtet, welches un-terschiedliche Bedeutung hat und nur unterBezug auf spezifische soziale Kontexte undZwecke verstanden werden kann.[40]

– Zweitens hat man gelernt, daß die Ri-sikokommunikation in der modernen Ge-sellschaft eine neue Struktur des gesell-schaftlichen Konflikts erzeugt hat, dermöglicherweise sozial und politisch mehrSprengstoff in sich bergen kann als sämtli-che alten Verteilungskämpfe des Wohl-fahrtsstaates. Bisher gibt es noch keine all-gemeinen Regeln, Verfahren oderInstitutionen, die diesen Konflikt regulie-ren können.[41]

– Drittens, und dies ist besonders her-vorzuheben, gibt es eine Rückkehr dergrundlegenden Unsicherheit in die Gesell-schaft – falls sie sich jemals wirklich vonihr verabschiedet hatte – und diejenige In-stitution, die solche Unsicherheit mitpro-duziert, ist die Wissenschaft. Gleichzeitigsieht man aber, das diese Unsicherheitnicht durch besseres oder sicheres Wissenzu beseitigen ist, sondern die Wissenschaftund Politik haben sich auf ein Risikoma-nagement unter Unsicherheitsbedingun-gen einzustellen.[42]

5. Entscheidungsrisiken imKontext fragilen Wissens

Versucht man, einige Schlußfolgerungenaus dem bisher Gesagten zu ziehen, sodrängt sich zunächst der zentrale Stellen-wert auf, den das Nicht-Wissen in der Risi-kosemantik einnimmt. Positive oder nega-tive Folgen aus Entscheidungen in bezugauf Technologien oder ökologische Verän-derungen sind mit hohen Unsicherheitenbelastet, so daß letztlich nur mehr oder we-niger plausible Meinungen darüber existie-ren, womit man in Zukunft zu rechnen hat.Und dies gilt auch für die Wissenschaft.Gerade weil man unsicher ist, möchte mandurch wissenschaftlich erzeugtes WissenSicherheit erlangen. Wissenschaft, so MaxWeber, bedeutete Entzauberung der Weltunter dem Aspekt der Berechenbarkeit.Universalität wissenschaftlicher Erkennt-nis heißt nicht, daß alle Entscheidungen inder Moderne auf Grund wissenschaftli-chen Wissens getroffen werden, sondern,

daß man, wenn man nur wolle, alle Dingedurch Berechnung beherrschen könne. Ge-nau dieser Glaube wird durch die Risiko-problematik unterminiert. Dies geschiehtsowohl in sachlicher als auch sozialer undzeitlicher Hinsicht.

In sachlicher Hinsicht steht Risikowis-sen unter dem Damoklesschwert der Hy-pothetizität. Gemeint ist damit, daß dasTrial-and-error-Verfahren, d.h. die suk-zessive Anpassung technischer Systemean situative Erfordernisse, in vielen Fällenersetzt wird durch eine wissenschaftlichausgearbeitete Langfristplanung und pro-babilistische Risikoanalysen, die nur nochhypothetische Annahmen über die Wirk-lichkeit machen können.

Praktische Erfahrungen und empirischeForschung werden zunehmend durch Mo-delle, Szenarien, Idealisierungen ersetzt.Empirisches Wissen wird durch subjektiveWahrscheinlichkeitskalküle verdrängt,Schadenspotentiale und Schadenswahr-scheinlichkeiten können nicht mehr durchErfahrungen, durch Versuch und Irrtumermittelt, sondern müssen gedanklich anti-zipiert werden, da Tests nicht im ausrei-chenden Maße durchgeführt, Beobachtun-gen oder Experimente nicht beliebigwiederholt werden können oder nicht ein-mal durchgeführt werden dürfen.

Sozial zeigt sich, daß die Wissenschaftihre Autorität durch den Expertenstreit ein-büßt. An den fortgeschrittenen Produktender Technik macht sich zunehmend ein ge-sellschaftsrelevantes Syndrom aus Mißtrau-en und Unsicherheit fest, das politischenKonfliktstoff in sich birgt. Bei jedem neuenUnglücksfall entladen sich die aufgestautenSpannungen und lassen die öffentlicheMeinung explodieren. Das technische Risi-ko ist in den letzten zwanzig Jahren zumKristallisationspunkt gesellschaftlicher Un-sicherheiten und Ängste geworden. DerFortschrittsglaube selbst ist an seine Grenzegestoßen und schlägt um in Mißtrauen ge-genüber den tragenden Institutionen derwissenschaftlich-technischen Welt.

Mit der Abnahme verläßlichen Wissensauf der Basis eigener Erfahrung zugunstenwissenschaftlich erzeugten, hypotheti-schen und jederzeit revidierbaren Wissenswird die Glaubwürdigkeit staatlicher Ent-scheidungen bedroht. Diejenigen, die nachunseren Verfassungsnormen legitimiertsind, im Namen des Allgemeinwohls zuentscheiden, hängen in ihrer Meinungsbil-dung von Expertengremien ab; diejenigen,die Entscheidungswissen besitzen, sindnicht legitimiert, solche Entscheidungenzu treffen. Ergebnis dieses Prozesses istder Verlust einer klar geschnittenen Ver-antwortungsstruktur, der es bei Fehlent-scheidungen unmöglich macht, die Ver-antwortung eindeutig zuzurechnen.

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In zeitlicher Hinsicht erzeugt der wis-senschaftlich-technische Fortschritt einenBedarfsüberhang nach Wissen gegenüberder faktischen Wissenserzeugung. In demMaß, in dem sich die technische Entwick-lung beschleunigt und laufend Änderun-gen verursacht, bedarf jede Entscheidung– bedingt durch die vermehrte Beteiligungunterschiedlicher Instanzen und bedingtdurch die Einbeziehung immer weiterer,komplexer Nebenfolgen – zunehmendmehr Zeit.

Während diese Zeit verstreicht, ändernsich die Daten, aufgrund derer überhauptein Entscheidungsbedarf entstanden ist.Will man trotzdem zum Abschluß des Ent-scheidungsprozesses kommen, muß manzum großen Teil diese Daten ignorieren.Die Entscheidung wird auf der Basis fikti-ver Tatsachen getroffen. Marquard siehthierin einen allgemeinen Zug unserer tech-nischen Kultur: die Zunahme des Fikti-ven.[43]

Der Umgang mit Nicht-Wissen wird sozur entscheidenden Variable bei Entschei-dungen. Da wir die Zukunft nicht kennenkönnen, ist es um so wichtiger, wie diesesNicht-Wissen in öffentlichen Entschei-dungssystemen prozessiert wird; daß dieseProblemlage noch relativ neu ist, erkenntman daran, daß es bisher hierfür noch kei-ne ausgearbeiteten Theorien gibt, ge-schweige denn sich schon Verfahren oderRoutinen abzeichnen, die diese neuen Un-sicherheiten bewältigen können.[33]

Eine Risikotheorie der Moderne mußsich aber diesen Problemen stellen, wie aufGrund basaler Unsicherheit Lernprozessezu organisieren und Entscheidungen unterUngewißheit in hochorganisierten Sozial-systemen zu treffen sind. Daß dies faktischschon immer geschieht, zeigt, daß auch dieWissenschaft nur eine Perspektive auf dieRisikoproblematik unter vielen ist.

6. Wissenschaft undNichtwissen

Als Schlußfolgerung kann man eine wi-dersprüchliche Einsicht festhalten. Diewachsende Bedeutung der Wissenschaftund ihre vielfältige gesellschaftliche An-wendung haben dazu geführt, daß sie inentwickelten Gesellschaften ein weitge-hendes Monopol auf die Produktion ge-sellschafts-relevanten Wissens besitzt, dasihr weder durch die Religion, noch durchdie Politik und schon gar nicht durch dieAlltagserfahrung streitig gemacht werdenkann. Sie ist in ihrer Funktion, Neues zuerforschen und dadurch den Entschei-dungs- und Handlungsspielraum in derGesellschaft zu erweitern, durch nichts er-

setzbar. Sofern man gesichertes und akzep-tiertes Wissen erhalten möchte, gibt es inder Gesellschaft keine andere Adresse alsdie des Wissenschaftssystems. Gleichzeitigmuß sie dieses Wissens als hypothetischespräsentieren, das in Zukunft auch andersaussehen könnte. Die Wissenschaft erzeugteine eigene Art der Unsicherheit, indem je-des neue wissenschaftlich gewonnene Wis-sen auch neue Bereiche des Nichtwissensmarkiert, ohne das ein Fortschreiten derWissenschaft nicht möglich wäre.[44]

Alles, was wir heute über möglicheökologische oder technische Gefährdun-gen wissen, wissen wir nur auf Grundwissenschaftlicher Untersuchungen. Dawir aber auch wissen, wie dieses Wissenproduziert wurde, sehen wir auch das da-mit verbundene Nichtwissen, sehen dieAusblendungen und die Vorläufigkeit die-ses Wissens. Die Wissenschaft hat geradeauf Grund dieses Mechanismus insofern

ihre Legitimation verloren, als sie nichtmehr als Vertreterin des gesellschaftlichenFortschritts oder als Sprecherin der Ver-nunft auftreten kann. Sie ist nicht die In-stanz, bei der man das Richtige oder Wah-re einfordern kann. Der zentrale Punktdürfte sein, daß die Kontingenz des wis-senschaftlich gewonnenen Wissens be-wußt geworden ist und in der Gesellschaftals Nichtwissen kommuniziert wird.

Mit der Auflösung der Fiktion, daß dieWissenschaft sicheres Wissen produziert,droht ein Verlust an Glaubwürdigkeit undAutorität in der Öffentlichkeit. Das durch-aus Neue der gegenwärtigen Situation kannman darin sehen, daß die Kritik an der Wis-senschaft nicht von außen als Moral, Reli-gion oder Ideologiekritik daherkommt,sondern als Wissenschaft formuliert wird.Die Wissenschaft spricht über sich selbstwie über etwas Drittes (Luhmann). Unddieses Wissen wird wieder in Entscheidun-gen eingespeist als Wissen über Bedingun-gen, Kontexte und Folgen des Handelns,

das auch hätte anders ausfallen können.Genau aus diesem Grunde wird man durchmehr Forschung nicht mehr Sicherheit er-warten können, sondern mehr Unsicher-heit, da der Alternativenreichtum des Ent-scheiders reflexiv gesteigert wird.

Hinzu kommt, daß der nachgefragteWissensbedarf nicht mehr allein in Rich-tung technisch zu realisierender Zweckeliegt, sondern auf dem Gebiet der uner-wünschten Nebenfolgen. Damit wird dieZukunft zu einem entscheidenden Para-meter des Wissens. Offensichtlich bestehteine direkte Beziehung zwischen den vor-hergesehenen und den nichtvorhergesehe-nen Folgen des Handelns. Je weiter sichder Zeithorizont des Entscheiders in dieZukunft hinausschiebt, desto wahrschein-licher nehmen die unvorhergesehenen Fol-gen zu. Sachlich und sozial nimmt damitdie Bedeutung des Nichtwissens für dieHandelnden zu. Der Anteil des Handelns,von dem nur noch im Modus des Wahr-scheinlichen bzw. Unwahrscheinlichengewußt werden kann, wächst, und die Ent-scheidung selbst enthält als Basis eine nurfiktiv gesicherte Realität.

Eine Reflexion auf diese Sachverhaltemuß nicht auf Relativismus oder Beliebig-keit des Wissens hinauslaufen, sie machtaber bewußt, in welchem Maß die Wissen-schaft selbst riskant geworden ist, indemsie zunehmend zum Lieferanten politi-scher Probleme wird, und wie Wissen-schaft dadurch zu immer komplexerenKonstruktionen getrieben wird. Und diesin einer Gesellschaft, die gar nicht anderskann, als sich Risiken zu leisten.

Das Entscheidende einer Wissenspolitikin der Wissensgesellschaft ist darin zu se-hen, daß trotz aller Unsicherheit der Wis-sensproduktion die Wissenschaft der ein-zig legitime Weg ist, Wissen in dermodernen Gesellschaft zu erzeugen. Nichtdie Verkündung gesicherten Wissens istihre Aufgabe, sondern Management vonUnsicherheit. Kern dieser Sichtweise istdie Kommunikation über die Unsicherheitund die Revidierbarkeit der eigenen Wis-sensproduktion im Austausch mit Öffent-lichkeit und Politik.

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„Restrisiko“

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[32] G. Bechmann: „Frühwarnung – dieAchillesferse von Technikfolgenabschätzung(TA)?“ in : H. Grunwald, H. Sax (Hrsg.):Technikbeurteilung in der Raumfahrt.Anforderungen, Methoden, Wirkungen,Berlin (1994) S. 88-100.

[33] N. Luhmann: „Ökologie des Nichtwissens“,in: Ders.: Beobachtungen der Moderne,Opladen (1992) S. 186.

[34] J. Adams: Risk, London (1995) S. 29ff.[35] G. Banse, G. Bechmann: Interdisziplinäre

Risikoforschung – eine Bibliographie,Opladen (1998) S. 5ff.

[36] P. Kuhbier: „Vom nahezu sicheren Eintreteneines fast unmöglichen Ereignisses – oderwarum wir Kernkraftwerksunfällen auchtrotz ihrer geringen Wahrscheinlichkeit kaumentgehen werden“, Leviathan 24 (1986) 606-614.

[37] A. Rapoport: „Risiko und Sicherheit“,Leviathan 16 (1988) 123-136.

[38] H.C. Binswanger: „Neue Dimensionen desRisikos“, Zeitschrift für Umweltpolitik 6(1990) 103-118.

[39] Ch. Lau: „Risikodiskurse: GesellschaftlicheAuseinandersetzungen um die Definition vonRisiken“, Soziale Welt 40 (1989) 418-436.

[40] V. Tacke: „Das Risiko der Unsicherheitsab-sorption. Ein Vergleich konstruktivistischerBeobachtungsweisen des BSE-Risikos“, Zeit-schrift für Soziologie 29 (1999) 83-102.

[41] A. Giddens: “Risk Society: The Context ofBritish Politics”, in: J. Franklin (Hrsg.): ThePolitics of Risk Society, London (1998) S. 54-66.

[42] C. Miller, S. Janasoff et al.: “ShapingKnowledge, Defining Uncertainty: TheDynamic Role of Assessments”, in: GlobalEnvironmental Assessment Project (Hrsg.): ACritical Evaluation of Global EnvironmentalAssessments: The Climate Experience,Calverton, MD (1997) S. 233-298.

[43] O. Marquard: „Zeitalter der Weltfremdheit?Beitrag zur Analyse der Gegenwart“, in:O. Marquard: Apologie des Zufälligen,Stuttgart (1986) S. 76-97.

[44] K.P. Japp: „Die Beobachtung vonNichtwissen“, Soziale Systeme 3 (1997) 289-312.

[45] Organisation for Economic Co-Operationand Development: Science, Technology andIndustry Scoreboard 1999. BenchmarkingKnowledge-Based Economies, OECD, Paris(1999).

[46] F. Hesse: Analoges Problemlösen, Beletz,Weinheim (1991).

Weitere Literatur:G. Bechmann, R. Coenen, F. Gloede:Umweltpolitische Prioritätensetzung. Verständi-gungsprozesse zwischen Wissenschaft, Politik undGesellschaft, Stuttgart (1994).

A. Hahn: „Risiko und Gefahr“, in: G. v.Graevenitz, O. Marquard (Hrsg.): Kontingenz,München (1998) S. 49-54.

N. Luhmann: Soziologie des Risikos, Berlin-NewYork (1991).

N. Luhmann: „Gefahr und Risiko, Solidarität oderKonflikt“, in: R. Königswieser, M. Haller, P. Maas,A. Jarmai (Hrsg): Risiko-Dialoge – Zukunft ohneHarmonieformel, Köln (1996) S. 38-46.

Gotthard Bechmann, wissenschaftlicher Angestellter ForschungszentrumKarlsruhe, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse(ITAS). Studium der Rechtswissenschaften, Politikwissenschaft,Soziologie in Frankfurt/M und Berlin. Lehrbeauftragter an der TU-Karlsruhe für Umwelt-, Technik- und Risikoforschung; Mitglied desVorstandes der „Internationalen Akademie für Nachhaltige Entwicklungenund Technologien“ an der Universität Karlsruhe; Gastprofessuren an denUniversitäten in Bremen, Moskau, San Sebastian, Tampere;Mitherausgeber des Jahrbuchs „Technik und Gesellschaft“. Arbeits- undVeröffentlichungsgebiete: Technik- und Umweltforschung,Risikoforschung, Innovationsforschung, Wissenschaftssoziologie,Gesellschaftstheorie.

Nico Stehr, geboren 1942 in Berlin, seit mehr als drei JahrzehntenProfessor für Soziologie in Kanada. Zur Zeit Senior Research Associate,

Sustainable Development Research Institute, University of BritishColumbia, Vancouver, British Columbia, Canada und Fellow im Hanse

Wissenschaftskolleg. Er ist Fellow der Royal Society of Canada undHerausgeber des Canadian Journal of Sociology. Seine

Forschungsinteressen befassen sich mit den sozialen, ökonomischenund kulturellen Folgen der Transformation der modernen Gesellschaft in

eine Wissensgesellschaft, sowie der Beziehung von Klima undGesellschaft (zum Beispiel Klima, Mensch und Gesellschaft, mit Hans

von Storch, 1999), den Verwendungszusammenhängen vonwissenschaftlichen Erkenntnissen (z.B. Praktische Erkenntnis (1994) und

der Frage der Praxis der Interdisziplinarität (zum Beispiel PracticingInterdisciplinarity, mit Peter Weingart, 2000). E-mail: [email protected]