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Die erste Seite N Prof. Dr. Joachim Scherer 657 Haftung von Ratingagenturen gegenɒber Anlegern? Dr. Gerhard Wildmoser, Dr. K. Jan Schiffer und Dr. Bernd Langoth 669 Die internationale ZustȨndigkeit fɒr Insolvenzanfechtungsklagen Prof. Dr. Peter Mankowski und Dr. Charlotte Willemer 679 Vollharmonisierung im europȨischen Verbraucherrecht Dr. Stefan Arnold 685 Von der Verwechslungsgefahr zum Rufschutz im Markenrecht der Vereinigten Staaten N Professor Dr. Olaf Sosnitza 695 Die internationale Durchsetzung von Geldforderungen nach brasilianischem Recht Dr. Beat W. Rechsteiner 701 Haftungsrisiko fɒr Exporteure: die franzɆsische „action directe en responsabilitȖ“ als Fallbeispiel fɒr ein kaufvertragliches Durchgriffsrecht N Dr. Sebastian Jungemeyer 706 Stellungnahme zum Entwurf der „VerwaltungsgrundsȨtze – Funktionsverlagerungen“ des BMF vom 17.7.2009 Prof.Dr. Bert Kaminski und Prof.Dr. Gɒnther Strunk 719 EuGH: Deliktsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO: „Ort, an dem das schȨdigende Ereignis eingetreten ist“ 723 EuGH: Teilweiser Verstoß der Regelungen zur „Riester-Rente“ gegen die Arbeitnehmerfreizɒgigkeit 733 BFH: BeschrȨnkter Sonderausgabenabzug fɒr GrenzgȨnger trotz vollstȨndiger Besteuerung der Altersrente infolge DBA 55. Jahrgang Seiten 657–736 10/2009

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Die erste Seite N Prof. Dr. Joachim Scherer

657 Haftung von Ratingagenturen gegen�ber Anlegern?Dr. Gerhard Wildmoser, Dr. K. Jan Schiffer und Dr. Bernd Langoth

669 Die internationale Zust�ndigkeit f�r InsolvenzanfechtungsklagenProf. Dr. Peter Mankowski und Dr. Charlotte Willemer

679 Vollharmonisierung im europ�ischen VerbraucherrechtDr. Stefan Arnold

685 Von der Verwechslungsgefahr zum Rufschutz im Markenrecht derVereinigten Staaten N Professor Dr. Olaf Sosnitza

695 Die internationale Durchsetzung von Geldforderungen nachbrasilianischem RechtDr. Beat W. Rechsteiner

701 Haftungsrisiko f�r Exporteure: die franz�sische „action directe enresponsabilit�“ als Fallbeispiel f�r ein kaufvertraglichesDurchgriffsrecht N Dr. Sebastian Jungemeyer

706 Stellungnahme zum Entwurf der „Verwaltungsgrunds�tze –Funktionsverlagerungen“ des BMF vom 17.7.2009Prof. Dr. Bert Kaminski und Prof. Dr. G�nther Strunk

719 EuGH: Deliktsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO:„Ort, an dem das sch�digende Ereignis eingetreten ist“

723 EuGH: Teilweiser Verstoß der Regelungen zur „Riester-Rente“gegen die Arbeitnehmerfreiz�gigkeit

733 BFH: Beschr�nkter Sonderausgabenabzug f�r Grenzg�nger trotzvollst�ndiger Besteuerung der Altersrente infolge DBA

55. Jahrgang Seiten 657–73610/2009

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Recht derInternationalen

WirtschaftRIW Heft 10 N Oktober 2009 N 55. Jahrgang

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Dr. Gerhard Wildmoser, Rechtsanwalt, Linz/Wien, Dr. K. Jan Schiffer, Rechtsanwalt, Bonn, undDr. Bernd Langoth, LL.M., Rechtsanwaltsanw�rter, Linz/Wien

Haftung von Ratingagenturen gegen�berAnlegern?

Finanzdienstleister, Banken und Ratingagenturenstehen sp�testens sei der „Lehman-Angelegenheit“im Fokus zahlreicher Betrachtungen der Fach- undAnlegerwelt. Es werden neue Rechtsregeln und bei-spielsweise eine „Produkthaftung f�r Finanzpro-dukte“ gefordert (vgl. z.B. Beaucamp, ZRP 2009,121). Die Autoren des folgenden Beitrages zeigeneinen anderen Weg auf – einen Weg, wie gesch�digteAnleger �ber bereits geltende Gesetze zu ihremRecht und zu Schadensersatz kommen sollten.

I. Fragestellung

Im Zuge der Ursachenforschung der US-Hypothekenkrisegelangen immer wieder internationale Ratingagenturen inden Mittelpunkt der Kritik. Ratingagenturen beurteilen dieKreditw�rdigkeit von Unternehmen, Finanzprodukten undStaaten, indem sie Aussagen �ber die Wahrscheinlichkeit,dass Unternehmen, Emittenten oder Staaten ihre Verbind-lichkeiten nicht begleichen k�nnen, machen. Ihre Gutachten(„Ratings“) spielen auf den Finanzm�rkten eine große Rolle.Zum einen haben Bonit�tseinsch�tzungen erhebliche Aus-wirkungen auf die Kreditkonditionen eines kreditsuchendenUnternehmens, da den Risikobewertungen der Banken �bli-cherweise externe Ratings zugrunde liegen. Zum anderengeben Ratings den Investoren �ber die Risikotr�chtigkeitbzw. Sicherheit von Finanzprodukten Aufschluss und flie-ßen daher maßgeblich in Investitionsentscheidungen ein.Den Ratingagenturen wird h�ufig vorgeworfen, durch zugute Ratings von Emittenten oder Finanzprodukten bzw.durch zu sp�te Anpassungen an Verschlechterungen desMarktes wesentlich zur Finanz- und Wirtschaftskrise beige-tragen zu haben.1 Kern der Kritik ist die rechtlich problema-tische Stellung der Ratingagenturen als Vertragspartner derzu beurteilenden Emittenten einerseits und als Bonit�tspr�-fer der Emittenten sowie der von diesen emittierten Finanz-produkten andererseits.

Wie prominente Beispiele der Vergangenheit zeigen, wurdedie Bonit�t von Finanzprodukten und Emittenten mehrmalszu positiv eingestuft, obwohl Umst�nde bekannt waren, dieeine derartige Einsch�tzung nicht mehr vertretbar erschei-nen ließen.2 Da der Markt in der Regel den Ratings der inter-nationalen Ratingagenturen folgt, investierten so mancheAnleger im Vertrauen auf die vermeintlich gute Bonit�t intats�chlich zweifelhafte Papiere und erlitten dadurch erheb-lichen Schaden. Vermittelnde Banken rechtfertigen sich zu-meist damit, keine Beratungsfehler begangen zu haben, da

sie sich auf gute bzw. sichere Ratings der Ratingagenturenst�tzen konnten.3 Liegt die Verantwortung daher bei den Ra-tingagenturen? Gegenstand des folgenden Beitrages ist es,potentielle Haftungsgrundlagen f�r gesch�digte Investorengegen�ber Ratingagenturen aufzuzeigen.4

II. Rolle der Ratingagenturen auf denFinanzm�rkten

1. Ratingagenturen als gewinnorientierteUnternehmen

Ratingagenturen sind private, gewinnorientierte Unterneh-men, die ihren Ursprung im angloamerikanischen Raum ha-ben. Obwohl weltweit mittlerweile zahlreiche Ratingagentu-ren existieren, teilen sich im Wesentlichen drei große Agen-turen den gesamten internationalen Ratingmarkt auf. Es han-delt sich dabei um die US-Ratingagenturen Standard &Poor’s Corporation und Moody’s Investors Service, beide mitSitz in New York, sowie um Fitch Ratings mit Sitz in Lon-don.5 Diese drei Ratingagenturen weisen zusammen einenMarktanteil von �ber 90% auf, sodass von einem oligopolis-tisch strukturierten Wettbewerb gesprochen werden kann.6

2. Ratingagenturen als „gate keeper“ derFinanzm�rkte

Ratingagenturen werden h�ufig als „gate keeper“ der Fi-nanzm�rkte bezeichnet. Dies resultiert aus dem Umstand,

1 So bspw. Pressemitteilung der EU-Kommission IP/09/629 vom 23. 4.2009 sowie Pressemitteilung der EU-Kommission MEMO/08/691 vom12. 11. 2008, beide abrufbar unter: www.europa.eu; Weber, Eine Kriseund viele V�ter, in: Die Presse vom 13. 2. 2009, abrufbar unter:www.diepresse.com; Hoffmann, Kontrolle f�r die T�rsteher, in: S�d-deutsche Zeitung vom 18. 6. 2008, abrufbar unter: www.sueddeutsche.de.

2 Zu den Beispielen siehe unten IV.3 Eine Inanspruchnahme der vermittelnden Banken erscheint vor diesem

Hintergrund daher mehr als fraglich. Vielmehr w�rde gerade die Nicht-beachtung eines Ratings im Zuge der Anlageberatung einen Beratungs-fehler darstellen; siehe dazu das „Bond-Urteil“ des BGH, NJW 1993,201.

4 Haftungsgrundlagen gegen�ber dem Emittenten werden im vorliegen-den Beitrag nicht behandelt; siehe dazu bspw. Habersack, Rechtsfragendes Emittenten-Ratings, ZHR 2005, 185, 202 ff. m. w. N.; �llinger, DieHaftung f�r Ratings, 2005, S. 93 ff.

5 Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch haben zudem auch in Deutsch-land Niederlassungen eingerichtet.

6 Zum Ratingmarkt im Detail siehe Blaurock, Verantwortlichkeit von Ra-tingagenturen – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht, ZGR2007, 603, 605.

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dass Emittenten nur dann effektiven Zugang mit ihren Fi-nanzprodukten zu den weltweiten Finanzm�rkten erhalten,wenn sie �ber ein oder mehrere Ratings internationaler Ra-tingagenturen verf�gen. Dies deshalb, da RatingagenturenInvestoren bei der Vielzahl an Finanzprodukten durch ihrRating, welches durch Ratingsymbole der jeweiligen Ra-tingagentur dargestellt wird, eine einheitliche Vergleichsba-sis bieten. Die von den Ratingagenturen vergebenen Ra-tingsymbole reichen von „AAA“ (f�r h�chste Bonit�t) bis„D“ (f�r Insolvenz), wobei die Ratingskalen der Rating-agenturen geringf�gig differieren.7 Investoren greifen beiInvestitionsentscheidungen daher regelm�ßig auf Ratingsder internationalen Ratingagenturen zur�ck. Hinzu kommt,dass manche Investoren Veranlagungsbeschr�nkungen un-terliegen und nur solche Finanzprodukte in ihr Portfolio auf-nehmen d�rfen, die ein entsprechendes Rating (zumeist imBereich des „investment grade“) aufweisen.8 Ohne eine guteRating-Beurteilung ist es f�r Emittenten daher nahezu un-m�glich, ihre Finanzprodukte erfolgreich am Kapitalmarktzu platzieren. Hinzu kommt der Umstand, dass nicht gerate-te Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung mit einem Risi-koaufschlag verglichen mit Unternehmen, die ein Bonit�ts-rating aufweisen, rechnen m�ssen. Ratings spielen daher inder Finanzierung von Unternehmen sowohl im Wege desklassischen Bankkredites als auch im Wege der Kapitalbe-schaffung auf den Kapitalm�rkten eine erhebliche Rolle. Inder Regel beauftragen daher Emittenten selbst Ratingagen-turen mit der Durchf�hrung einer Bonit�tspr�fung („solici-ted rating“).9

3. Aufsichtsrechtliche Funktion

Ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei Ratingagentu-ren um private, gewinnorientierte Unternehmen handelt,kommt zu ihrer faktischen Bedeutung am Kapitalmarkt aucheine zwingende, aufsichtsrechtliche Funktion hinzu.Die Basel II-Vorschriften, gemeinschaftsrechtlich verankertdurch die Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, sehenf�r Kreditinstitute die Verwendung von externen Ratings f�rdie Bemessung des Kreditrisikos ihrer Schuldner vor.10 ZurErmittlung der Eigenkapitalanforderungen von Kreditinsti-tuten haben diese verpflichtend Ratings heranzuziehen, wo-bei neben externen Ratings auch interne Ratings verwendetwerden k�nnen. Wollen Banken bei Ermittlung der Eigen-mittelquote externe Ratings heranziehen, sind sie demnachverpflichtet, Ratings anerkannter Ratingagenturen zu ver-wenden. Ratingagenturen haben somit einen zwingendenrechtlichen Stellenwert und eine tats�chliche aufsichtsrecht-liche Funktion bei der Ermittlung der Eigenmittelquote vonKreditinstituten.

III. Rechtliche Rahmenbedingungen vonRatingagenturen

Bevor auf die Frage nach potentiellen Haftungsgrundlagenvon Ratingagenturen eingegangen wird, ist zun�chst zu er�r-tern, welche rechtlichen Rahmenbedingungen f�r Rating-agenturen bestehen. Ein kurzer Blick in die maßgeblichenRechtsordnungen l�sst schnell erkennen, dass sich Rating-agenturen großteils in einem – was die eigentliche Ratinger-stellung angeht – ungeregelten Bereich bewegen.

1. IOSCO Code of Conduct

Die internationale Vereinigung nationaler B�rsenaufsichts-beh�rden IOSCO (International Organization of Securities

Commissions) hat im Jahr 2004 freiwillige Verhaltensregelnf�r Ratingagenturen aufgestellt.11 Dabei handelt es sich umden unverbindlichen „Code of Conduct Fundamentals forCredit Rating Agencies“.12 Dieser will Ratingagenturen zueiner Selbstregulierung verpflichten, die neben Neutralit�tund Objektivit�t auch neuralgische Themen wie die Siche-rung der Qualit�t und Integrit�t der Ratingagenturen an-spricht. Obwohl der „Code of Conduct Fundamentals forCredit Rating Agencies“ freiwilliger Natur ist, haben, wieUntersuchungen des Committee of European Security Re-gulators (CESR) zeigen, die großen Ratingagenturen dieRichtlinien des IOSCO Code of Conduct zum gr�ßten Teilin eigenen Codes of Conduct umgesetzt und sich selbst alsVerpflichtungen auferlegt.13 Macht sich eine Ratingagenturin dieser Weise derartige Ratinggrunds�tze zu Eigen undnimmt sie diese in ihr Leistungsangebot auf, hat sie ihr Ra-tingverfahren auch danach auszurichten. Im Falle einer Ver-letzung der vertragsgem�ß geschuldeten Ratingstandardsw�rde das Rating folglich von seiner Sollbeschaffenheit ab-weichen und damit fehlerhaft sein.14

Inhaltliche Verpflichtungen, wie Ratings zu erstellen sind,enth�lt der Code of Conduct freilich nicht. Vielmehr stelltder IOSCO Code of Conduct gewisse, jedoch sehr allgemeingehaltene organisatorische Mindestanforderungen an dieQualit�t, die �berwachung und die Anpassung von Ratingsauf. Ebenso werden Maßnahmen zur Gew�hrleistung vonUnabh�ngigkeit, Transparenz und die Vermeidung von In-teressenskonflikten statuiert. Zudem sind nach dem IOSCOCode of Conduct die angewendeten Ratingmethoden undProzesse schriftlich niederzulegen. Eine Aufsicht �ber die(freiwillige) Einhaltung dieser Anforderungen des Code ofConduct besteht allerdings nicht. Neben der freiwilligenSelbstbindung der großen Ratingagenturen kommt demIOSCO Code of Conduct insofern Bedeutung zu, als seineRegelungen inhaltlich zum gr�ßten Teil Eingang in die erstk�rzlich vom Europ�ischen Parlament und Rat verabschie-dete Ratingagentur-Verordnung gefunden haben.15

2. Rahmenbedingungen in den USA

Lange Zeit sahen die USA lediglich ein informelles Aner-kennungsverfahren von Ratingagenturen vor. Ratingagentu-ren wurden auf informellem Wege von der US-SEC (B�r-senaufsicht) als „Nationally recognized statistical rating or-

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7 Zu den Ratingskalen der Ratingagenturen Standard & Poors, Moody’sund Fitch Ratings im Detail siehe Eisen, Haftung und Regulierung inter-nationaler Rating-Agenturen, 2007, S. 402.

8 Dies betrifft vor allem Versicherungen, Kapitalanlagefonds und Pensi-onsfonds, aber auch Banken.

9 Demgegen�ber handelt es sich beim „unsolicited rating“ um ein eigen-initiativ erstelltes Rating der Ratingagentur; zum eigentlichen Rating-Prozess siehe Ackermann/J�ckle, Ratingverfahren aus Emittentensicht,BB 2006, 878; Vetter, Rechtsprobleme des externen Ratings, WM 2004,1701, 1702 ff.

10 Richtlinie 2006/48/EG des Europ�ischen Parlaments und des Rates vom14. 6. 2006 �ber die Aufnahme und Aus�bung der T�tigkeit der Kredit-institute, ABl. L 177, S. 1; Richtlinie 2006/49/EG des Europ�ischen Par-laments und des Rates vom 14. 6. 2006 �ber die angemessene Eigenka-pitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. L177, S. 201.

11 Siehe dazu im Detail Habersack, ZHR 2005, 185, 191 ff.12 Mitglieder der IOSCO sind unter anderen die US-SEC und die BaFin;

Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, abrufbarunter: www.iosco.org.

13 Siehe bspw. Rating Services Code of Conduct von Standard & Poor’s un-ter: www.standardandpoors.com; siehe ebenso CESR’s Second Reportto the European Commission on the compliance of credit rating agencieswith the IOSCO Code, May 2008, abrufbar unter: www.cesr.eu.

14 Lemke, Handbuch Rating, 2007, S. 616.15 Siehe dazu unten III. 3.

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ganization“ (NRSRO) eingestuft. Ratings von NRSROswurden von den Beh�rden ohne Einw�nde akzeptiert. Ob-wohl die Anerkennung als NRSRO freiwilliger Natur warund grunds�tzlich keine rechtliche Marktzugangsvorausset-zung bildete, stellte das Anerkennungsverfahren eine starkefaktische Marktzugangsbarriere dar, da die Anerkennungdie Akzeptanz der Ratingagentur am Markt voraussetzte,was selbstverst�ndlich die Position der bereits am Marktetablierten drei großen Ratingagenturen st�rkte.16

Durch den Credit Rating Agency Reform Act 2006 wurdesogar ein formelles Akkreditierungsverfahren eingef�hrt.Die verpflichtende Anerkennung wurde auf eine rechtlicheGrundlage gestellt und verlangt nunmehr die Verpflichtungzu gewissen Grunds�tzen, wie Offenlegung des Ablaufs desRatingverfahrens bzw. der Ratingmethoden zur Geheimhal-tung von sensiblen Unternehmensdaten sowie die Offenle-gung von Interessenskonflikten.17 Das eigentliche Rating-verfahren, dessen Methodik sowie die Haftung f�r fehler-hafte Ratings ist nach wie vor jedoch nicht geregelt. Die nor-mierten Registrierungsvoraussetzungen beinhalten zudemkeine �berwachungskompetenz f�r die Richtigkeit von Ra-tings; ebenso wenig schreiben diese die Anwendung von be-stimmten Ratingmethoden vor.

3. Rahmenbedingungen in der EU

a) Basel II-Vorschriften

Neben der bislang schon faktisch bestehenden Bedeutungvon Ratingagenturen als Grundlage f�r Anlegerentscheidun-gen, gewannen Ratingagenturen zunehmend durch die BaselII-Vorschriften (RL 2006/48/EG und RL 2006/49/EG) anBedeutung und wurden in Umsetzung dieser Richtlinien nunauch zwingend in die nationalen europ�ischen Rechtsord-nungen implementiert. Banken k�nnen zur Ermittlung ihrerEigenmittelquote auf internen Ratings basierende Ans�tze(IRB-Ansatz) verwenden oder Ratings anerkannter externerRatingagenturen heranziehen. Will ein Kreditinstitut ein ex-ternes Rating im Rahmen der Basel II-Vorschriften nutzen,muss die herangezogene Ratingagentur als solche offiziellvon den Aufsichtsbeh�rden anerkannt sein und sich gewis-sen Kardinaltugenden wie notwendige Sachkenntnis, Sorg-falt und Gewissenhaftigkeit, Neutralit�t und Objektivit�t un-terwerfen.18 Nach den Basel II-Vorschriften muss eine Ra-tingagentur, um als solche anerkannt zu werden, nachstehen-de Kriterien erf�llen:19

– Objektivit�t (nachvollziehbare Bewertung und laufende�berwachung),

– Unabh�ngigkeit,

– Transparenz (Bewertungsmethoden �ffentlich zug�nglich),

– Offenlegung (der Methoden, Definitionen, Bedeutung einesRatings),

– Quellen (ausreichende Quellen zur Erstellung des Ratings),

– Glaubw�rdigkeit (Nachweis durch Vertrauen der Investorenauf Ratings).

Die Umsetzung der Basel II-Vorschriften erfolgte inDeutschland durch die Solvabilit�tsverordnung (SolvVO).20

Die §§ 52ff. SolvVO normieren die Voraussetzungen derAnerkennung als Ratingagentur im Sinne der Basel II Vor-schriften in Deutschland. In �sterreich wurden die Voraus-setzungen der Anerkennung als Ratingagentur im Sinne derBasel II-Vorschriften in § 21b Bankwesengesetz (BWG)normiert. Die Anerkennung von externen Ratingagenturen

f�r Zwecke der Zuordnung von Forderungsbetr�gen zu Bo-nit�tsstufen im Kredit-Risikostandardsatz gem�ß § 22aAbs. 4 BWG oder zur Bestimmung der Forderungsbetr�gevon Verbriefungen gem�ß § 22c Abs. 1 BWG hat nach denin § 21b Abs. 1 BWG normierten Kriterien zu erfolgen. Ra-tingagenturen wurden in �sterreich indirekt gem�ß § 21bAbs. 4 BWG �ber die Anerkennung in einem anderen Mit-gliedstaat als externe Ratingagentur auf der Grundlage derArt. 81 und Art. 97 der RL 2006/48/EG anerkannt. DieAnerkennung von externen Ratingagenturen erfolgt inDeutschland durch die BaFin, Zulassungsbeh�rde in �ster-reich ist die Finanzmarktaufsicht (FMA).

Im vorliegenden Zusammenhang sind aus den in§ 53 Ziff. 1 bis 8 SolvVO normierten Anerkennungsvo-raussetzungen die Verpflichtung zur sorgf�ltigen, systemati-schen und stetigen Vergabe von Bonit�tsbeurteilungen so-wie zur laufenden Validierung gem�ß § 53 Ziff. 1 SolvVOund die Verpflichtung zur laufenden �berpr�fung der Boni-t�tsbeurteilungen sowie Anpassungen bei Ver�nderungender finanziellen Situation des Beurteilten gem�ß § 53 Ziff. 4SolvVO hervorzuheben.21 Zu den in Deutschland f�r Zwe-cke der Basel II-Risikogewichtung anerkannten Ratingagen-turen z�hlen die bereits genannten drei gr�ßten AgenturenStandard & Poor’s, Moody’s Investors Service Ltd. und FitchRatings sowie Dominion Bond Ratings Services und JapanCredit Rating Agency Ltd.22

b) „Ratingagentur-Verordnung“ des Europ�ischenParlamentes und des Rates

Bislang bestand �berwiegend die Auffassung, dass derMarkt den bestehenden Interessenskonflikt der Ratingagen-turen als Bonit�tspr�fer ihrer Auftraggeber vorbeugen w�r-de, da Gef�lligkeitsratings durch sinkende Glaubw�rdigkeitam Markt sanktioniert werden w�rden.23 Davon sind das Eu-rop�ische Parlament und der Rat nunmehr abgegangen, in-dem sie Ratingagenturen aufsichtsrechtlichen Mindestan-forderungen unterstellten. �hnlich den US-Aufsichtsbe-stimmungen sieht die im April diesen Jahres verabschiedete„Ratingagentur-Verordnung“ des Europ�ischen Parlamentesund des Rates ein formelles Registrierungsverfahren in Eu-ropa vor.24 Ratingagenturen, die sicherstellen m�chten, dassihre Ratings von Kreditinstituten, Wertpapierh�usern, Le-bens- und Nichtlebensversicherern, Organismen f�r gemein-same Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und Einrichtungen

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16 Demnach gab es in den USA nur f�nf NRSROs, n�mlich Standard &Poor’s, Moody’s, Fitch Ratings, Dominion Bond Rating Service und A.M. Best.

17 Siehe dazu umfassend v. Schweinitz, Rating Agencies: Their Business,Regulation and Liability under U.S., U.K. and German Law, 2007,S. 68 ff.; ebenso Blaurock, ZGR 2007, 603, 615.

18 Art. 81 der RL 2006/48/EG.19 Anhang VI Teil 2 der RL 2006/48/EG.20 Solvabilit�tsverordnung vom 14. 12. 2006, BGBl. I S. 2926.21 Die Anerkennungsvoraussetzungen entsprechen im Wesentlichen den

Bestimmungen der von der CEBS (Komitee der europ�ischen Ban-kenaufsicht) 2006 herausgegebenen „Guidelines on the recognition ofExternal Credit Assessment Institutions“; siehe CEBS, Report „Guide-lines on the recognition of External Credit Assessment Institutions“ of20 January 2006, abrufbar unter: http://www.c-ebs.org/Publications/Standards-Guidelines.aspx.

22 Die anerkannten Ratingagenturen sind von den Aufsichtsbeh�rden zuver�ffentlichen; Liste abrufbar unter: www.bafin.de.

23 Siehe Ackermann/J�ckle, BB 2006, 878, 883.24 Verordnung des Europ�ischen Parlamentes und des Rates hinsichtlich

Ratingagenturen, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/agencies/index_de.htm; im Detail siehe Pressemitteilung derKommission IP/09/629 vom 23. 4. 2009, abrufbar unter: www.europa.eu.

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der betrieblichen Altersversorgung in der Europ�ischen Uni-on verwendet werden k�nnen, m�ssen sich registrieren las-sen. Zwar werden auch weiterhin Ratings inhaltlich nicht�berpr�ft und die Ratingmethoden keinen inhaltlichen Re-gelungen unterworfen, doch sieht die Verordnung organisa-torische Maßnahmen der Agenturen sowie ein gemein-schaftsweites Aufsichtssystem vor. So sollen Interessens-konflikte der Agenturen beseitigt, eine ausreichende Quali-t�t der Ratingmethoden gew�hrleistet und Ratingverfahrenals solche transparent gestaltet werden.

Durch Implementierung der Basel II-Vorschriften einerseitsund durch die Verabschiedung der „Ratingagentur-Verord-nung“ andererseits wurden auch in Europa gemeinschafts-rechtlich determinierte Mindestanforderungen f�r Rating-agenturen verankert. Neben prim�r organisatorischen Min-destanforderungen sind insbesondere die Basel II-Verpflich-tungen zur sorgf�ltigen, systematischen, stetigen Vergabevon Bonit�tsbeurteilungen sowie die Verpflichtung zur lau-fenden �berpr�fung und erforderlichen Anpassung der Bo-nit�tsbeurteilungen, die auch der IOSCO Code of Condcutvorsieht, hervorzuheben.25 Wie sich zeigen wird, kann einVerstoß gegen gerade diese Verpflichtungen einen Ansatz-punkt f�r ein potentiell haftungsbegr�ndendes Fehlverhaltenvon Ratingagenturen darstellen.

IV. Sorgfaltswidriges Fehlverhalten anhanddes bestehenden Regelwerkes

1. Gesch�ftsgeheimnis

Festzuhalten ist, dass die Ratingagenturen betreffendenRechtsvorschriften keinerlei inhaltliche Anforderungen andie Erstellung von Ratings vorsehen, sondern lediglichGrunds�tze f�r die angewendeten Ratingmethoden und f�rdie Durchf�hrung des Ratingverfahrens festlegen. Wie einRating tats�chlich zustande kommt, ist ein gut geh�tetes Ge-sch�ftsgeheimnis der Ratingagenturen und daher von außennur schwer nachvollziehbar. Einen Sorgfaltsverstoß nach in-haltlichen Gesichtspunkten auszumachen ist daher kaumdenkbar, zumal Außenstehende tats�chlich keinerlei Ein-blick in das Zustandekommen von Ratings bzw. in Entschei-dungsprozesse der Agenturen erhalten.26

2. Sorgfaltswidriges Verhalten

Ankn�pfungspunkt f�r sorgfaltswidriges Verhalten der Ra-tingagenturen k�nnen nur die f�r die Ratingerstellung nor-mierten (meist verfahrensrechtlichen) Grunds�tze sein. An-kn�pfungspunkt kann z.B. die im IOSCO Code of Conduct(Punkt 1.9 und 1.10) sowie in den Anerkennungsvorausset-zungen als externe Ratingagentur gem�ß Basel II (§ 53Ziff. 4 SolvVO) normierte Verpflichtung einer laufenden�berwachung (Monitoring) sowie bei Ver�nderung einernotwendigen Anpassung (Updating) von Ratings sein.27

Auch wenn die Basel II-Vorschriften und deren Anerken-nungsvoraussetzungen sich nur auf die Ermittlung der Ei-genmittelquote beziehen, ist dennoch anzunehmen, dassdiese Verpflichtung auf das gesamte Ratinggesch�ft aus-strahlt.28 Zudem bekennen sich die großen Ratingagenturenweitgehend zur Einhaltung des IOSCO Code of Conduct,der eine derartige �berwachungs- und Anpassungsver-pflichtung vorsieht.

Wie die Praxis zeigt, haben es Ratingagenturen in der Ver-gangenheit mehrmals vers�umt, gerade diese Verpflichtun-gen einzuhalten. Insbesondere das Vorgehen der drei großen

Ratingagenturen im Zusammenhang mit der Insolvenz derLehman Brothers Holding Inc. l�sst erkennen, dass die er-forderliche �berwachung und Anpassung erstellter Ratingsnicht vorgenommen wurde. Die Bonit�t der Lehman Bro-thers Holding Inc. wies bis zum Tag der Anmeldung desGl�ubigerschutzverfahrens (am 15. 9. 2008) hervorragendeRatings auf (Standard & Poor’s: A, Moody’s: A2, Fitch:A+).29 Die Ratings wiesen somit allesamt auf eine gute Zah-lungsf�higkeit im Bereich des investment grade hin. Erst amTag der Insolvenzer�ffnung (am 15. 9. 2008) haben die dreigroßen Ratingagenturen ihre Ratings entsprechend herabge-stuft. Zwischen den bis zur Insolvenzer�ffnung bestehendenRatings, die eine hohe Zahlungsf�higkeit auswiesen, undder tats�chlichen Insolvenzer�ffnung klafft eine derart gro-ße L�cke im Hinblick auf die tats�chliche Bonit�tslage derLehman Brothers Holding Inc., dass der Vorwurf des sorg-faltswidrigen Verstoßes gegen die �berwachungs- und An-passungspflicht schon deshalb naheliegt.

Hinweise, dass es um die Bonit�t des Unternehmens nichtgut bestellt war, gab es schon lange vorher. So war schon En-de Mai 2008 bekannt, dass eine Rekordverschuldung desUnternehmens von rund 613 Mrd. Dollar bestand. Ebensobekannt war, dass aufgrund der Finanzlage bis zur Insol-venzer�ffnung (allerdings vergeblich) versucht wurde, einenInvestor zu finden.30

Ratingagenturen m�ssen sich somit den Vorwurf gefallenlassen, viel zu sp�t reagiert zu haben. Gerade im Fall Leh-man wird deutlich, dass keine sorgf�ltige laufende �berwa-chung und Anpassung der Ratings stattgefunden hat, da biszur Insolvenzverfahrenser�ffnung die sehr guten Ratingsnicht ge�ndert wurden, sondern bis dahin �ber Monate un-ver�ndert blieben.

Auch im Zusammenhang mit der Enron-Insolvenz einigeJahre zuvor haben es Ratingagenturen vers�umt, entspre-chend auf die bevorstehende Insolvenz hinzuweisen. Sowies Enron nur vier Tage vor der Insolvenz noch Ratings imBereich investment grade auf, w�hrend der KapitalmarktEnron-Anleihen bereits als Junk-Bonds handelte.31 Auchdort gab es zuvor deutliche Hinweise, die auf enorme Risi-ken schließen ließen.32 Die Liste derartiger Beispiele ließesich fortsetzen.33

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25 § 53 Ziff. 1 und 4 SolvVO sowie das �sterreichische Pendant § 21 bAbs. 1 Ziff. 1 und 3 �BWG; siehe auch Punkt 1.9 und 1.10 IOSCO Codeof Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies.

26 Vetter, WM 2004, 1701, 1706.27 So Kr�mer, in: de Gruyter, Internes und Externes Rating, 2005, S. 33 ff.28 So auch Blaurock, ZGR 2007, 603, 622.29 Siehe dazu Hierl�nder/Stern, Ratingagenturen: Die Allm�chtigen, in:

Die Presse vom 18. 4. 2009, abrufbar unter: www.diepresse.com; sieheauch bspw. Kundeninformation der Sparkasse Hannover zum StatusLehman Brothers vom 24. 9. 2008.

30 Pressetext vom 15. 9. 2008, abrufbar unter: www.pressetext.at.31 Siehe Ackermann/J�ckle, BB 2006, 878, 883; Blaurock, ZGR 2007, 603,

612.32 Siehe v. Schweinitz (Fn. 17), S. 67.33 Bspw. Worldcom, Parmalat, IKB-Bank oder Bear Stearns. So hatte sich

die IKB-Bank mit US-Immobilienkrediten verspekuliert. Im Zuge derUS-Immobilienkrise wurden die Probleme dieser Investitionen deutlich.Im Sommer und gegen Ende 2007 waren bereits zwei Rettungspaketef�r die Bank geschn�rt. Dennoch wurde die IKB-Bank �ber den Som-mer 2007 mit Aa3 (somit starke Zahlungsf�higkeit) gerated. Erst am4. 1. 2008 erfolgte eine Herabstufung auf Baa3 (mittlere Qualit�t, Gren-ze zu speculative grade); siehe dazu bspw. Wirtschaftsblatt vom 15. 2.2008, abrufbar unter: www.wirtschaftsblatt.at. Ein anderer Fall betrifftdie Investmentbank Bear Stearns. Im November 2007 senkte Standard &Poor’s das Rating von Bear Stearns von A+ auf A. Dieses Rating, dassich immer noch im Bereich investment grade befand und somit einegute Qualit�t als Schuldner bescheinigte, hatte bis kurz vor dem Beina-he-Zusammenbruch der Bank Bestand, obwohl sich auch diese Krise be-

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3. Ratings ohne spezifische Erfahrung

Abgesehen davon ist festzuhalten, dass hervorragende Ra-tings auch an kompliziert strukturierte Finanzprodukte ver-geben wurden, obwohl Ratingagenturen keine ausreichen-den spezifischen Erfahrungen mit derartigen Produktenhatten. Erst k�rzlich hat Lutter in einem Artikel zur Organ-haftung im Zusammenhang mit der Bankenkrise anschau-lich die Problematik der f�r die Finanzkrise mitverantwort-lichen Investments in hypothekarbesicherte Wertpapiere(sog. „mortgage backed securities“) beschrieben.34 Krediteamerikanischer Hausk�ufer wurden in Zweckgesellschaf-ten geb�ndelt. Diese gaben zur Finanzierung Wertpapierean Investoren aus, die an den hypothekarisch gesichertenKredit- und Zinsr�ckzahlungen mitpartizipieren sollten.Problematisch dabei war, dass keine Haftung der emittie-renden Zweckgesellschaften bestand, sondern allein dieKreditschuldner f�r die R�ckzahlung verantwortlich warenund die emittierenden Zweckgesellschaften zudem berech-tigt waren, einzelne Kredite aus dem B�ndel herauszuneh-men und durch andere zu ersetzen (Stichwort „gute raus,schlechte rein“). Nach Ansicht Lutters hatten Ratingagen-turen keinerlei Erfahrungen mit derartigen Finanzinstru-menten (Rating von Darlehen einzelner Hausk�ufer/Ver-braucher), was letztendlich zu katastrophalen Fehleinsch�t-zungen der Agenturen f�hrte, auf die sich weltweit Anle-ger verließen.35

Auch Weber hat j�ngst �berzeugend dargelegt, dass Ra-tingagenturen f�r die Immobilienkrise mitverantwortlichseien, da diese hypothekargesicherte Wertpapiere auf einsehr gutes Bonit�tsrisiko eingestuft hatten, diese Einstu-fungen allerdings v�llig intransparent und nach außennicht nachvollziehbar erfolgten.36 Vor diesem Hintergrundist ernsthaft fraglich, ob Ratingagenturen ein seri�ses Ra-ting �ber derart strukturierte Finanzprodukte �berhaupt ab-geben konnten. Lutter ist zuzustimmen, wenn er ausf�hrt,dass ein AAA geratetes Wertpapier einer nicht haftendenZweckgesellschaft �ber Forderungen gegen�ber einer Viel-zahl unbekannter Dritter einen anderen Wertgehalt habenmuss als ein AAA Rating eines einzeln gerateten und haf-tenden Unternehmens.37 Eine Differenzierung der Ratingsw�re daher nicht nur naheliegend, sondern erforderlich ge-wesen. So gelangte auch die Europ�ische Kommission zurAuffassung, dass Ratingagenturen nicht imstande waren,die in komplizierten Finanzinstrumenten enthaltenen Risi-ken richtig zu bewerten.38 Die Kommission identifizierteden bestehenden Interessenskonflikt zwischen Gewinnstre-ben, unzul�nglicher Transparenz sowie Mangel an �ber-wachung als Ursachen f�r die Fehleinsch�tzungen der Ra-tingagenturen.39

Obwohl es angesichts dieser Zusammenh�nge angebrachtw�re, besteht, wie ausgef�hrt, kein inhaltliches Regelwerk,wie Ratingagenturen ihre Ratings zu erstellen haben undwelche Ratingmethoden anzuwenden sind, sodass ein dies-bez�glicher Sorgfaltsverstoß nur schwer argumentierbarsein wird. Die Tatsache allein, dass sich eine Ratingprog-nose nicht bewahrheitet hat, reicht f�r die Begr�ndung einerHaftung allerdings nicht aus.40 Anhand des bestehenden or-ganisatorischen Regelwerkes k�nnen die oben geschildertenUnterlassungen der gebotenen Aufsicht und Anpassung vonRatings aber als sorgfaltswidriges Fehlverhalten qualifiziertwerden und, wenn die �brigen generellen Haftungsvoraus-setzung vorliegen, zu einer Haftung von Ratingagenturenf�hren.41 Die Pflicht der Ratingagenturen beinhaltet somit

zwar nicht, dass sich ein Rating bewahrheitet, aber sehrwohl, dass ihre Ratings methodengerecht erstellt und ange-passt werden.42

V. Prozessuale Haftungsvoraussetzungen

Das Ratinggesch�ft ist ein internationales Gesch�ft, bei demdie Akteure (Ratingagentur, Emittent und Anleger) in allerRegel in verschiedenen Staaten ans�ssig sind. Es ist daherzun�chst zu kl�ren, vor welchem Gericht Schadenersatzan-spr�che gegen Ratingagenturen geltend zu machen und nachwelcher Rechtsordnung etwaige Haftungsanspr�che zu be-urteilen sind.

1. Gerichtsstand

a) Deutschland oder USA?

Bei der Beantwortung der Frage der internationalen und �rt-lichen Zust�ndigkeit der Gerichte f�r die Geltendmachungvon Schadenersatzanspr�chen gegen Ratingagenturen istzun�chst zu unterscheiden, ob eine internationale Rating-agentur mit Sitz in den USA selbst oder eine ihrer weltwei-ten Niederlassungen gehandelt hat.43

Wie bereits angesprochen, haben die drei großen Rating-agenturen (Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch) allesamtrechtlich selbstst�ndige Niederlassungen in Deutschland.44

Hat somit eine deutsche Tochtergesellschaft gehandelt, sokommt f�r Haftungsanspr�che der allgemeine Gerichtsstandam Sitz des deutschen Tochterunternehmens in Betracht.45

Hat hingegen eine US-Muttergesellschaft gehandelt, sokann diese jedenfalls an ihrem Sitz in den USAverklagt wer-den. Die Vergangenheit hat allerdings gezeigt, dass Klagengegen Ratingagenturen in den USA bislang aus verschiede-nen Gr�nden erfolglos blieben.46 Folglich wird ein gesch�-digter Anleger in Deutschland eher davor zur�ckschrecken,Anspr�che in den USA geltend zu machen. Es stellt sich so-mit die Frage, ob auch ein deutscher Gerichtsstand f�r Haf-tungsanspr�che gegen US-Ratingagenturen begr�ndet wer-den kann.

Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen Heft 10/2009 RIW 661

reits im vierten Quartal 2007 abzeichnete. Erst nach durchgef�hrten Ret-tungsaktionen erfolgte eine Herabstufung; siehe dazu ausf�hrlich Arti-kel in: Finanzen.net vom 11. 5. 2008, abrufbar unter: www.finanzen.net.

34 Lutter, Bankenkrise und Organhaftung, ZIP 2009, 197.35 Lutter, ZIP 2009, 197, 198.36 Weber, Eine Krise und viele V�ter, in: Die Presse vom 13. 3. 2009, ab-

rufbar unter: www.diepressse.com; zum Rating von hypothekarbesi-cherten Wertpapieren (mortgage backed securities) siehe ausf�hrlichLowenstein, Triple-A Failure, in: The New York Times vom 27. 4. 2008,abrufbar unter: www.nytimes.com.

37 Siehe Lutter, ZIP 2009, 197, 199.38 Siehe Memo der Europ�ischen Kommission, IP/08/1684 vom 12. 11.

2008, abrufbar unter: www.europa.eu.39 Die Kommission spricht sogar von „schlechten Leistungen“ der Rating-

agenturen; siehe dazu Memo der Europ�ischen Kommission, IP/08/1684 vom 12. 11. 2008, abrufbar unter: www.europa.eu.

40 Blaurock, ZGR 2007, 603, 627.41 So auch bereits Habersack, ZHR 2005, 185, 199.42 v. Schweinitz, WM 2008, 953, 957.43 Da sich dieser Beitrag ausschließlich mit Haftungsanspr�chen von An-

legern befasst und somit nur außervertragliche Schadenersatzanspr�cheer�rtert, kommen Gerichtsstandsvereinbarungen nicht in Betracht.

44 Bei den deutschen Niederlassungen der drei großen Ratingagenturenhandelt es sich um The McGraw-Hill Companies GmbH (Standard &Poor’s), Moody’s Deutschland GmbH sowie Fitch Deutschland GmbH,allesamt mit Sitz in Frankfurt.

45 Siehe Z�ller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 17 Rdnr. 1 ff.46 Siehe v. Schweinitz (Fn. 17), S. 94 ff.; ders., WM 2008, 953, 954.

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b) Besondere Gerichtsst�nde

Die ZPO sieht neben dem allgemeinen Gerichtsstand der ju-ristischen Person am Sitz der juristischen Person gem�ß § 17ZPO auch mehrere besondere Gerichtsst�nde vor, zwischendenen der Kl�ger w�hlen kann. § 32 ZPO begr�ndet f�r Kla-gen aus unerlaubten Handlungen die Zust�ndigkeit jenesGerichts, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde.Nimmt man nun das oben angef�hrte Beispiel eines sorg-faltswidrigen Handelns, n�mlich die nicht rechtzeitige He-rabstufung eines Ratings als Ausgangspunkt, findet dieHandlung – oder genauer gesagt, das sorgfaltswidrige Unter-lassen der Herabstufung des Ratings – am Sitz der Rating-agentur statt. Sofern es sich um ein Rating einer US-Rating-agentur handelt, wird dies am Sitz der Agentur in den USAsein. § 32 ZPO kann demnach in aller Regel nicht zur Be-gr�ndung eines Gerichtsstandes in Deutschland herangezo-gen werden.

§ 21 ZPO normiert den besonderen Gerichtsstand der Nie-derlassung. Als Niederlassungen der US-Ratingagenturenz�hlen auch deren deutsche Tochtergesellschaften.47 Nachdem Wortlaut betrifft § 21 ZPO solche Anspr�che, die in ei-nem Zusammenhang mit einer Niederlassung stehen. DieKlage muss sich somit direkt auf den Gesch�ftsbetrieb derNiederlassung beziehen.48 Dies wird dann nicht der Fall sein,wenn es sich um das Rating einer US-Ratingagentur handelt.Jedenfalls solange die deutsche Niederlassung nicht die Ver-pflichtung zur laufenden �berwachung trifft, vermag auch§ 21 ZPO einen deutschen Gerichtsstand grunds�tzlich nichtzu begr�nden.49

Abhilfe k�nnte der Verm�gensgerichtsstand (§ 23 ZPO)schaffen. Dieser sieht vor, dass bei Klagen wegen verm�-gensrechtlicher Anspr�che gegen eine Person, die im Inlandkeinen Wohnsitz hat, das Gericht zust�ndig ist, in dessenSprengel sich Verm�gen derselben befindet. Durch die Er-richtung von Tochtergesellschaften in Deutschland verf�genalle drei großen Ratingagenturen �ber Verm�gen inDeutschland, sodass die Voraussetzungen des Verm�gensge-richtsstandes nach § 23 ZPO erf�llt sind.50 Eine gerichtlicheGeltendmachung von Haftungsanspr�chen in Deutschlandist somit auch gegen Ratingagenturen mit Sitz in den USAm�glich.51

Was ausl�ndische europ�ische Ratingagenturen, wie z.B.die in London ans�ssige Ratingagentur Fitch betrifft, so sindzur Beurteilung des Gerichtsstandes ausschließlich dieEuGVVO-Bestimmungen, und nicht nationales Prozess-recht, ausschlaggebend. Da die EuGVVO keinen Verm�-gensgerichtstand kennt, kommt neben dem allgemeinen Ge-richtsstand am Sitz der beklagten Gesellschaft vorliegend le-diglich der Gerichtsstand des Schadensortes in Betracht.52

Art. 5 Ziff. 3 EuGVVO sieht n�mlich einen Wahlgerichts-stand bei Anspr�chen aus unerlaubten Handlungen am Ortdes Schadenseintrittes vor. Ist der Schaden in Deutschlandeingetreten, so ließe sich nach dieser EuGVVO-Bestim-mung ein Gerichtstand in Deutschland nur dann begr�nden,wenn es sich um keinen vertraglichen Anspruch handelt.

2. Anwendbares Recht

Neben der Frage des Gerichtsstandes ist die kollisions-rechtliche Frage zu beantworten, nach welchem Recht sichSchadenersatzanspr�che richten. Ratingvertr�ge zwischenUS-Ratingagenturen und Emittenten sehen h�ufig eineRechtswahl (zumeist US-Recht) mit großz�gigen Haf-tungsausschl�ssen vor. Allerdings ist eine zunehmende

Praxis zu verzeichnen, bei Vertr�gen mit deutschen Emit-tenten deutsches Recht zu vereinbaren.53 Da es sich bei derHaftung der Ratingagenturen gegen�ber Anlegern, wienachfolgend noch n�her dargelegt wird, nicht um einenvertraglichen Anspruch, sondern um einen Anspruch ausdem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zuGunsten Dritter und somit um einen im Zwischenbereichzwischen Vertrags- und Deliktshaftung liegenden An-spruch handelt, kommt eine vertragliche Rechtswahl zwi-schen Ratingagentur und Emittenten gegen�ber dem ge-sch�digten Dritten f�r das in diesem Verh�ltnis anwendba-re Recht nicht zum Tragen.54

Wie Koziol zum �sterreichischen, aber auch zum deutschenRecht ausf�hrt, kann eine den gesetzlichen Wertungen ent-sprechende Behandlung der in einer solchen Zwischenzonebestehenden verschiedenen Interessenslagen sachgerechtnur so erfolgen, dass in diesem Zwischenbereich je nach ge-forderter Interessenlage die Kollisionsregelungen des einen(Vertrag) oder des anderen Kernbereiches (Delikt) angewen-det werden oder dass beide Regelungen kombiniert werden.Es w�rde nicht der Gesetzeswertung entsprechen, wenn hierohne R�cksicht auf die bestehenden verschiedenen Interes-senslagen mehr oder weniger willk�rlich nur das f�r delikti-sche oder nur das f�r Vertragsverletzungen geltende Kollisi-onsrecht angewendet w�rde.55

In der �sterreichischen Literatur ist zum Kollisionsrecht desVertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ganz herr-schende Auffassung, dass Anspr�che aus Vertr�gen mitSchutzwirkung zu Gunsten Dritter als außervertragliche, de-liktische Anspr�che anzusehen sind.56 Nicht anders ist dieSicht in der deutschen Fachliteratur. So f�hrt z.B. Krameraus, dass es sich um ein gesetzliches Schuldverh�ltnis, umeine dritte Spur zwischen Delikts- und Vertragshaftung

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47 So bereits BGH, 20. 4. 1993, NJW 1993, 2683.48 Siehe Hartmann (Fn. 46), § 21 Rdnr. 10.49 A. A. offenbar Eisen, der einen Bezug zum Gesch�ftsbetrieb der Nieder-

lassung grunds�tzlich annimmt; siehe Eisen (Fn. 7), S. 214.50 So auch Eisen (Fn. 7), S. 214; ein Verm�gensgerichtsstand besteht je-

doch nicht hinsichtlich der in London ans�ssigen Ratingagentur Fitch,da diesbez�glich die EuGVVO-Bestimmungen greifen, die einen Ver-m�gensgerichtsstand nicht vorsehen.

51 Auch die �sterreichische Rechtsordnung kennt den Verm�gensgerichts-stand (§ 99 JN). Ausgehend davon, dass die großen Ratingagenturen we-der Tochtergesellschaften noch Niederlassungen haben, ließe sich einVerm�gensgerichtsstand in �sterreich nur mit bestehenden Forderungender Ratingagenturen gegen�ber �sterreichischen Schuldnern (bspw. ausRatingvertr�gen mit gerateten Emittenten wie Banken, Versicherungenb�rsennotierte Unternehmen etc.) begr�nden. Allerdings darf das Ver-m�gen (die Forderung) nicht unverh�ltnism�ßig geringer sein als derWert des Streitgegenstandes; dazu ausf�hrlich Simotta, in: Fasching, Zi-vilprozessgesetze, 2. Aufl. 2000, 1. Band, § 99 JN Rdnr. 50 ff.

52 Der Gerichtsstand der Zweigniederlassung gem�ß Art. 5 Ziff. 5 EuGV-VO setzt �hnlich der deutschen Bestimmung § 21 ZPO eine Streitigkeitaus dem Betrieb der Zweigniederlassung voraus, die im Fall des Han-delns der ausl�ndischen Muttergesellschaft nicht gegeben sein wird;zum Gerichtsstand der Zweigniederlassung gem�ß Art. 5 Ziff. 5 EuGV-VO siehe ausf�hrlich Simotta (Fn. 51), 5. Band, 1. Teilband, Art. 5EuGVVO Rdnr. 362 ff.

53 So v. Schweinitz (Fn. 17), S. 151 m. w. N.; ebenso Eisen (Fn. 7), S. 180.54 So z. B. Koziol, �sterreichisches Haftpflichtrecht I, 3. Aufl. 1997,

Rdnr. 19/13 m. w. N. ders., Delikt, Verletzung von Schuldverh�ltnissenund Zwischenbereich, Juristische Bl�tter (JBl) 1994, 209.

55 Koziol (Fn. 54), Rdnr. 4/44; ders., JBl 1994, 209, 215.56 Koziol (Fn. 54), Rdnr. 19/13; ders., JBl 1994, 209. Vergleichbar hat

Schwimann zur Produkthaftung, als diese noch nicht gesetzlich geregeltwar und nur auf das Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zu GunstenDritter gest�tzt werden konnte, ausgef�hrt, es sei international unbestrit-ten, dass die Produkthaftung bei der Auslegung kollisionsrechtlicherNormen als außervertragliche Haftung zu qualifizieren sei. Siehe Schwi-mann, Das Deliktsstatut des § 48 Abs. 1 IPR-Gesetz, �sterreichische Ju-ristenzeitung (�JZ) 1981, 478.

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handle.57 �hnlich spricht Jagmann hier von aus fremdenVertr�gen abgespaltenen Forderungsrechten.58 Anspr�cheaus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Drittersind mithin nicht als rein vertragliche Anspr�che zu qualifi-zieren. Dem entsprechend hat j�ngst der �sterreichischeOGH ausgef�hrt, dass Anspr�che aus Vertrag mit Schutz-wirkung zu Gunsten Dritter nicht als vertragliche Anspr�cheim Sinne des Art. 5 EuGVVO zu werten sind.59 Der hier an-gesprochene Zwischenbereich zwischen Vertrag und Deliktmit einem eigenen Schutzpflichtverh�ltnis zu Gunsten desDritten gibt eine eigenst�ndige Haftungsgrundlage60, worausdifferenzierend eine fließende Anwendung von einerseitsvertraglichen und andererseits deliktischen Regeln je nachder zugrunde liegenden Interessenlage abzuleiten ist.

Eine Ankn�pfung an die im Ratingvertrag enthalteneRechtswahl w�rde schließlich zu keinem sachgerechten Er-gebnis f�hren, da der Anleger, anders als die Vertragspartei-en, eben nicht auf die Vertragsgestaltung Einfluss nehmenkann und somit Emittent und Ratingagentur maßgeblichdurch Rechtswahl die Rechtsstellung des Anlegers willk�r-lich beschneiden k�nnten. Dies gilt, obwohl das Ratinghaupts�chlich der Information des Anlegers dient und dieSchutzpflichten aus dem Ratingvertrag gerade den Anlegersch�tzen sollen. Eine von den Vertragsparteien willk�rlichgetroffene Rechtswahl k�nnte diesen Schutzzweck vonvornherein unterwandern. Gerade dies w�rde Sinn undZweck der Schutzpflichten vereiteln. Wegen der Schutz-pflichten gegen�ber Dritten kann die anwendbare Rechts-ordnung f�r Anspr�che des Anlegers gegen�ber Rating-agenturen somit nicht an das willk�rliche Vertragsstatut desRatingvertrages gebunden sein, sondern ist gesondert nachallgemein kollisionsrechtlichen Bestimmungen der außer-vertraglichen Haftung zu bestimmen.

Diesen �berlegungen entsprechend ist Art. 40 EGBGB zuverstehen, der sich auf den ersten Blick nur auf „unerlaubteHandlungen“ bezieht. Diese deutsche Kollisionsnorm ver-wendet den Begriff der „unerlaubten Handlung“ in einemumfassenderen Sinn, als das deutsche Recht ansonsten die-sen Begriff materiellrechtlich versteht, d.h. er umfasst diegesamte außervertragliche Schadenshaftung, weshalb nachdeutschem Kollisionsrecht solche außervertraglichen An-spr�che, wie sie hier in Frage stehen, unter Art. 40 EGBGBfallen. Sie unterliegen folglich dem Recht jenes Staates, indem der Ersatzpflichtige gehandelt hat.61 Der Gesch�digtekann jedoch verlangen, dass anstelle dieses Rechtes, dasRecht jenes Staates herangezogen wird, in dem der Erfolgeingetreten ist.62

Zieht man das obige Beispiel der sorgfaltswidrigen Unterlas-sung der notwendigen �berwachung bzw. Anpassung er-stellter Ratings heran, so wird der Ort der sch�digendenHandlung der Sitz der US-Ratingagentur, sofern nicht einedeutsche Niederlassung der Ratingagentur gehandelt hat,sein, was zur grunds�tzlichen Anwendbarkeit US-Rechtsf�hren w�rde. Da Art. 40 EGBGB dem Gesch�digten jedochein Wahlrecht einr�umt, das Recht jenes Staates zu w�hlen,in dem der Schaden eingetreten ist, kann somit auch deut-sches Recht zur Anwendung gelangen, sofern der Schaden inDeutschland eingetreten ist.63 Daraus folgt, dass Haftungsan-spr�che f�r Sch�den, die in Deutschland eingetreten sind, beientsprechender Wahl des Gesch�digten nach deutschemRecht zu beurteilen sind. Diese Rechtslage gilt f�r alle Scha-densereignisse, soweit sie vor dem Inkrafttreten der Rom II-Verordnung (Rom II-VO) am 11. 1. 2009 eingetreten sind.64

Was alle nach dem 11. 1. 2009 eintretenden schadensbe-gr�ndenden Ereignisse betrifft, ist darauf hinzuweisen, dassdiese Sachverhalte unter den Anwendungsbereich der RomII-VO fallen. Die Rom II-VO gilt nach ihrem Wortlaut(Art. 1 Abs. 1) f�r außervertragliche Schuldverh�ltnisse, dieeine „Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufwei-sen“. Dass es sich dabei um einen EU-Mitgliedstaat handelnsoll, ist hingegen nicht gefordert. Die Rom II-VO beschr�nktsich somit nicht auf die Schaffung von Kollisionsnormennur f�r binnenmarktbezogene Sachverhalte, sondern greiftauch im Fall eines Auslandsbezugs mit Drittstaaten.65 DerBegriff des außervertraglichen Schuldverh�ltnisses i.S.d.Rom II-VO ist autonom auszulegen. Wie oben ausgef�hrt,ist bei der Frage des anwendbaren Rechts der Vertrag mitSchutzwirkung zu Gunsten Dritter als außervertraglicherAnspruch zu qualifizieren.66 Anders als Art. 40 EGBGBr�umt Art. 4 Rom II-VO bei Anspr�chen aus unerlaubtenHandlungen dem Gesch�digten kein Wahlrecht ein, sondernnormiert, dass das Recht jenes Staates anwendbar ist, in demder Schaden eingetreten ist. Daraus folgt, dass Schadener-satzanspr�che auch nach der Neuregelung des Kollisions-rechts durch die Rom II-VO nach deutschem Recht zu beur-teilen sind, wenn der Schaden in Deutschland eingetretenist.

3. Verj�hrungsfrist

§ 195 BGB sieht eine allgemeine Verj�hrungsfrist von dreiJahren vor. Diese Dreijahresfrist gilt auch f�r die Geltend-machung von Schadenersatzanspr�chen.67 Nach § 199 BGBbeginnt die Frist mit Schluss des Jahres zu laufen, in demder Anspruch entstanden ist und der Gl�ubiger die den An-spruch begr�ndenden Umst�nde und die Person des An-spruchsgegners kannte oder grob fahrl�ssig nicht kannte.68

Haben Anleger im Vertrauen auf ein gutes Rating in be-stimmte Wertpapiere investiert, obwohl bei sorgf�ltiger Pr�-

Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen Heft 10/2009 RIW 663

57 Kramer, in: M�nchner Kommentar zum B�rgerlichen Gesetzbuch,5. Aufl. 2007, Einl. § 241 BGB Rdnr. 81 a. E., 83.

58 Jagmann, in: Staudinger, BGB, Bearb. 2004, § 328 Rdnr. 85.59 OGH vom 7. 8. 2008 – 6 Ob 133/08i; in diesem Verfahren ging es um

die Auslegung des Begriffes vertraglicher Anspruch i. S. d. Art. 5 EuGV-VO.

60 Jagmann (Fn. 58), § 328 Rdnr. 91 m. w. N.61 Siehe Junker, in: M�nchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2006,

Art. 40 Rdnr. 9.62 Siehe dazu ausf�hrlich Heldrich, in: Palandt, B�rgerliches Gesetzbuch,

68. Aufl. 2009, Art. 40 EGBGB Rdnr. 1 ff.63 Demgegen�ber normiert bspw. �sterreichisches Kollisionsrecht (§ 48

IPRG), dass außervertragliche Schadenersatzanspr�che nach dem Rechtdes Staates zu beurteilen sind, in dem das den Schaden verursachendeVerhalten gesetzt worden ist. Besteht jedoch f�r die Beteiligten eine st�r-kere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates, so ist die-ses Recht maßgebend. �sterreichisches Recht stellt daher prim�r aufdas Recht der sch�digenden Handlung ab. Dies w�re, wie bereits ausge-f�hrt, das Recht am Sitz der Ratingagentur. Nach �sterreichischemRecht k�me man somit zur Anwendung von US-Recht.

64 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europ�ischen Parlaments und desRates vom 11. 7. 2007 �ber das auf außervertragliche Schuldverh�ltnis-se anzuwendende Recht; dazu ausf�hrlich Leible/Lehmann, Die neueEG-Verordnung �ber das auf außervertragliche Schuldverh�ltnisse an-zuwendende Recht („Rom II“), RIW 2007, 721.

65 Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 724.66 Siehe dazu, wie oben erw�hnt, die vergleichbare Auslegung zum ver-

traglichen Anspruch nach Art. 5 EuGVVO bei OGH vom 7. 8. 2008 – 6Ob 133708i.

67 Heinrichs, in: Palandt (Fn. 62), § 195 Rdnr. 1 ff.68 F�r den Fall, dass keine Kenntnis oder fahrl�ssige Unkenntnis derartiger

Umst�nde vorliegt, sieht § 199 Abs. 3 BGB unabh�ngig von der Kennt-nis oder fahrl�ssigen Unkenntnis der Schadensumst�nde eine Maximal-frist von 10 Jahren ab Entstehung des Anspruches und von 30 Jahren abdem schadensausl�sendem Ereignis vor; siehe Heinrichs (Fn. 67), § 199Rdnr. 1 ff.

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fung die Ratingagentur ihr Rating zu diesem Zeitpunkt nachunten h�tte berichtigen m�ssen, und ist ihnen hierdurch einSchaden entstanden, so beginnt die dreij�hrige Verj�hrungs-frist mit Schluss des Jahres, in dem einzelne Anleger Kennt-nis oder fahrl�ssige Unkenntnis der Schadensumst�nde er-langte. Dies w�re allenfalls im Zeitpunkt des Bekanntwer-dens von Umst�nden, aufgrund derer die Ratingagentur imZeitpunkt des Investments eben wegen dieser ge�ndertenVerh�ltnisse eine Berichtigung ihres Ratings h�tte vorneh-men m�ssen. Wann das tats�chlich der Fall ist, kann nur an-hand des Sachverhaltes im konkreten Einzelfall entschiedenwerden.

VI. Haftungsgrundlagen

1. Allgemeines

Grunds�tzlich fordert die allgemeine Verschuldenshaftungdas Vorliegen eines ersatzf�higen Schadens, eines rechts-widrigen Fehlverhaltens des Sch�digers, einer Kausalit�tzwischen Fehlverhalten und Schaden sowie eines Verschul-dens des Sch�digers. Das rechtswidrige Fehlverhaltenk�nnte, wie ausgef�hrt, in der Verletzung der �berwa-chungs- und Anpassungspflicht liegen. Das Rating muss zu-dem kausal f�r die Verm�gensdisposition des Anlegers, dieletztendlich zum Verm�gensschaden gef�hrt hat, gewesensein. Erfasst werden daher jedenfalls solche Anleger, die imVertrauen auf ein Rating Verm�gensdispositionen get�tigthaben. Schließlich muss die Ratingagentur schuldhaft ge-handelt haben.69 Der Anleger hat seinen Schaden, den Sorg-faltsverstoß der Ratingagentur und die Kausalit�t zwischenSorgfaltsverstoß und Schaden zu beweisen. Eine Inan-spruchnahme aufgrund eines Vertrages mit Schutzwirkungzu Gunsten Dritter vorausgesetzt gilt f�r die Ratingagenturbei der Frage nach dem Verschulden eine Beweislastumkehr,weil der Anleger in aller Regel keinen Einblick in die Orga-nisationsstruktur der Ratingagentur und das Vorgehen derAgentur bei ihren Ratings hat.70 Die Agentur muss darlegenund beweisen, dass sie kein Verschulden trifft. Der gesch�-digte Anleger hat nur einen Sorgfaltsverstoß substantiiert zubehaupten, was im Hinblick auf die vorstehenden Ausf�h-rungen in der Regel gelingen d�rfte.

Bei der Frage nach der Haftungsgrundlage kommen vertrag-liche und deliktische Haftungsnormen in Betracht. Eine di-rekte vertragliche Inanspruchnahme der Ratingagenturdurch Anleger scheitert grunds�tzlich an der fehlenden Ver-tragsbeziehung zwischen Anleger und Ratingagentur.71

Eine deliktische Inanspruchnahme von Ratingagenturennach deutschen Haftungsnormen ist zwar grunds�tzlichdenkbar, wird in der Praxis aber regelm�ßig an dem Um-stand scheitern, dass es an der vors�tzlichen Sch�digung ge-m�ß § 826 BGB oder am strafrechtlich relevanten Fehlver-halten der Ratingagenturen gem�ß § 823 Abs. 2 BGB man-gelt.72 Folglich l�sst sich eine klassische vertragliche oderdeliktische Haftung nach herk�mmlichen deutschen Haf-tungsnormen in der Praxis kaum begr�nden. In den bislanggegen Ratingagenturen angestrengten Prozessen in denUSA griffen US-Gerichte auf �hnliche rein deliktische Haf-tungsnormen zur�ck, gelangten allerdings, soweit ersicht-lich, noch nie zu einer Haftung der Ratingagenturen. Zumeinen scheiterten die Kl�ger am fehlenden Nachweis derarglistigen bzw. betr�gerischen Sch�digung. Andere Ent-scheidungen wiesen auf den Schutz der Ratingagenturennach dem „First Amendment“ hin, welches die Meinungs-

und Pressefreiheit der Ratingagenturen, �hnlich wie beiJournalisten, sch�tzt.73 In einer weiteren Entscheidungf�hrte ein US-Gericht aus, dass der im Rating ausgef�hrteDisclaimer, wonach es sich beim Rating um keine Empfeh-lung zum Kauf handle, eine Verantwortlichkeit der Rating-agentur ausschließe.74 US-Gerichte sind daher geneigt, keineHaftung von Ratingagenturen zu attestieren.

Da eine klassische vertragliche ebenso wie eine deliktischeHaftungsgrundlage in aller Regel nicht in Betracht kommt,wird – wie bereits angedeutet – eine Inanspruchnahme vonRatingagenturen aufgrund eines Vertrages mit Schutzwir-kung zu Gunsten Dritter diskutiert.75

2. Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter

Haftungsgrundlage k�nnte das von der deutschen Recht-sprechung entwickelte Institut des Vertrages mit Schutzwir-kung zu Gunsten Dritter darstellen.76 Der Vertrag mitSchutzwirkung zu Gunsten Dritter gibt eine besondere Haf-tungsgrundlage im Zwischenbereich zwischen vertraglicherund deliktischer Haftung. Zur dogmatischen Herkunft desVertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter wirdvertreten, dass dieser aus § 328 Abs. 1 i.V.m. § 311Abs. 3 BGB, § 241 Abs. 2 BGB stammt.77 Es handelt sichum eine von der Rechtsprechung vornehmlich aus Treu undGlauben (§ 242 BGB) entwickelte Haftungsgrundlage,78 dieseit 2002 in § 311 BGB ausdr�cklich kodifiziert ist.79

Grundlage ist in dem hier zu betrachtenden Zusammenhang

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69 Ratingagenturen weisen in Disclaimern in aller Regel darauf hin, keineAnlageempfehlung abzugeben und bezwecken damit, jegliche Kausali-t�t zu Anlagesch�den zu vermeiden; de facto haben Ratings allerdingsEmpfehlungscharakter; siehe dazu unten VI. 3.

70 Gem�ß § 282 BGB gilt analog die Beweislastumkehr auch beim Vertragmit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter; �llinger (Fn. 4), S. 222 m. w. N.

71 Anleger, die einen Abonnementvertrag mit der Ratingagentur geschlos-sen haben, wie bspw. Banken, k�nnen hingegen eine vertragliche Haf-tung aus dem Abonnementvertrag geltend machen; siehe auch �llinger(Fn. 4), S. 155 ff. und 191.

72 Siehe �llinger (Fn. 4), S. 185; �hnlich die Rechtslage in �sterreich, da§ 1295 Abs. 2 ABGB eine vors�tzlich sittenwidrige Sch�digung Dritterverlangt bzw. gem�ß § 1311 Satz 2 2. Fall ABGB die Verwirklichung ei-nes strafrechtlich relevanten Betrugstatbestandes f�r die deliktischeHaftungsbegr�ndung verlangt wird.

73 Kritisch hierzu Grais/Katsiris, Why the First Amendment does notshield the Rating Agencies from Liability for Over-Ratings CDOs, Arti-kel in: Bloomberg Law Reports, November 2007.

74 Sack/Juris, Rating Agencies: Civil Liability Past and Future, New YorkLaw Journal 2007, Volume 238–No. 88; Eisen (Fn. 7), S. 266 ff.;v. Schweinitz, WM 2008, 953, 954.

75 In der Literatur umstritten; daf�r bspw. v. Schweinitz, WM 2008, 953,956 ff.; ders. (Fn. 17), S. 189; Witte/Hrubesch, Rechtsschutzm�glichkei-ten beim Unternehmens-Rating, ZIP 2004, 1346, 1351; �llinger (Fn. 4),S. 205; Grimm, Die Haftung der Rating Agenturen, in: Die Presse vom10. 9. 2007, abrufbar unter: www.diepresse.com; Wildmoser, Rating-agenturen haften f�r ihre Ratings, in: Wirtschaftsblatt vom 3. 5. 2009,abrufbar unter: www.wirtschaftsblatt.at; grunds�tzlich bef�rwortendauch Blaurock, ZGR 2007, 603, 632; Eisen (Fn. 7), S. 347; dagegenbspw. Habersack, ZHR 2005, 185, 205 m.w. N.; Vetter, WM 2004, 1701,1711; Schaffer, Ratingagenturen: Haftung ausgeschlossen, in: Wirt-schaftsblatt vom 25. 3. 2009, abrufbar unter: www.wirtschaftsblatt.at.

76 Aktuell und grundlegend zum Vertrag mit Schutzwirkung zu GunstenDritter Zenner, NJW 2009, 1030.

77 Siehe dazu v. Schweinitz, WM 2008, 953, 956; seit 1. 1. 2002 ist inDeutschland �ber § 311 Abs. 3 und § 241 Abs. 2 BGB gesetzlich gere-gelt, dass R�cksichtspflichten auch gegen�ber Personen bestehen k�n-nen, die nicht Vertragsparteien werden. F�r die Dritthaftung fordert diedeutsche Rechtsprechung, dass der Dritte bestimmungsgem�ß mit derHauptleistung in Ber�hrung kommt, der Kreis der Gesch�tzten demSchuldner subjektiv erkennbar und objektiv abgrenzbar ist und einSchutzbed�rfnis des Dritten besteht.

78 Zenner, NJW 2009, 1030 m. w. N. (institutionelles Konzept).79 Gem�ß § 311 Abs. 3 BGB ist gesetzlich geregelt, dass R�cksichtspflich-

ten i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB auch gegen�ber Personen bestehen k�nnen,die nicht Vertragsparteien sind. Andere vertreten weiterhin die Auffas-sung, dass der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter seine

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der Vertrag der Ratingagentur mit dem beurteilten Emitten-ten.80 Der Rechtsschutz aus einem Vertrag mit Schutzwir-kung zu Gunsten Dritter erstreckt sich nach der Rechtspre-chung auch auf reine Verm�genssch�den.81 Die Haftungnach dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter giltbeispielsweise auch f�r Wertentscheidungen von Gutach-tern.82

In dieselbe Richtung geht die Rechtsprechung des BGH zurHaftung des Wirtschaftspr�fers gegen�ber Dritten. Nach die-ser Rechtsprechung k�nnen Personen, die �ber eine besonde-re, vom Staat anerkannte Sachkenntnis verf�gen und in dieserEigenschaft ein Gutachten, wie etwa Wirtschaftspr�fer, abge-ben, Dritten gegen�ber haften.83 Auch der �sterreichischeOGH judiziert in st�ndiger Rechtsprechung, dass, obwohl derWirtschaftspr�fer nur zur gepr�ften Gesellschaft in einemVertragsverh�ltnis steht, ihn auch Schutz- und Sorgfalts-pflichten gegen�ber (potentiellen) Gl�ubigern der Gesell-schaft treffen. Vernachl�ssigt der Wirtschaftspr�fer dieseSorgfalt und stellt er deshalb schuldhaft einen unrichtigen Be-st�tigungsvermerk aus, wird er einem Dritten, der im Vertrau-en auf die Verl�sslichkeit dieses Best�tigungsvermerks dis-poniert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig.84

Die Verantwortung der Ratingagenturen ist u. E. gleich gela-gert. Sowohl Wirtschaftspr�fer als auch Ratingagenturen ha-ben ihr Produkt (Gutachten) lege artis zu erstellen, da sie sicham Markt als Experten mit besonderer Fachkunde gerieren.Sogar noch deutlicher als Wirtschaftspr�fer und deren Pr�f-berichte haben Ratingagenturen eine von allen Vertragspar-teien beabsichtigte Drittwirkung durch ihre Ratings, denndiese schaffen nach deren ausdr�cklichen Sinn und Zweckeine Vertrauensbasis f�r Anleger und eine Entscheidungs-grundlage f�r deren Anlageentscheidungen.85 Was f�r Wirt-schaftspr�fer gilt, muss erst recht f�r Ratingagenturen gel-ten, da sich Ratingagenturen bewusst sind, dass das von ih-nen erstellte Rating gegen�ber Dritten (insbesondere zuEmissionszwecken am Markt) offengelegt wird und Anlegeraufgrund der dadurch geschaffenen Vertrauenslage Verm�-gensdispositionen t�tigen.86 Es ist schließlich gerade derZweck eines Ratings, am Markt gegen�ber Anlegern ver�f-fentlicht zu werden und diesen eine Entscheidungsgrundlagef�r wesentliche Verm�gensdispositionen zu bieten.87 Die zurHaftung f�r erstellte Gutachten gegen�ber Dritten ergangeneRechtsprechung muss somit auch bei Ratingagenturen grei-fen, vorausgesetzt, dass das schuldhafte Fehlverhalten derRatingagentur (z.B. ein unberichtigtes Rating) auch tats�ch-lich kausal f�r die Verm�gensdisposition des Dritten war.88

Der BGH hat folgende Elemente als wesentliche Vorausset-zungen des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritterfestgehalten89:

– Der Dritte muss bestimmungsgem�ß mit der Hauptleistung inBer�hrung kommen (Leistungsn�he).

– Der Vertragspartner muss an der ordnungsgem�ßen Leistungnicht nur ein eigenes, sondern auch ein berechtigtes Interessezu Gunsten des Dritten haben (Gl�ubigern�he).

– Es muss ein Schutzbed�rfnis des Dritten bestehen, und essollte ein Einbeziehungsinteresse des Vertragspartners vor-handen sein (Schutzbed�rfnis).

– Der Kreis der gesch�tzten dritten Personen muss dem Schuld-ner subjektiv erkennbar sein und der Personenkreis muss ob-jektiv abgrenzbar sein (Personenkreis).

Da es gerade dem Zweck des Ratings entspricht, am Marktver�ffentlicht zu werden und Dritten als wesentliche Ent-

scheidungsgrundlage zu dienen, ist sowohl Leistungs- alsauch Gl�ubigern�he des Dritten zu dem aus dem Ratingver-trag erstellten Rating (solicited rating) zweifelsfrei gegeben.Die Schutzbed�rftigkeit der Anleger ergibt sich aus demUmstand, dass gerade diese – viel mehr als der Emittentselbst – dem Risiko eines fehlerhaften Ratings ausgesetztsind. Es ist daher davon auszugehen, dass der Emittent seineAnleger vom Schutzbereich mitumfasst wissen will. Diesgilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine klassischevertragliche Haftung sowie eine deliktische Haftung nicht inBetracht kommen. Dieser Umst�nde sind sich Ratingagentu-ren auch bewusst.

Umstritten ist allerdings die Frage, wie der gesch�tzte Perso-nenkreis bei Ratingvertr�gen zu fassen ist. Der gesch�tztePersonenkreis ist grunds�tzlich aufgrund objektiver Ausle-gung des Vertrages zu bestimmen.90 Der BGH f�hrt in seinerRechtsprechung zur Haftung des Wirtschaftspr�fers zur�ck-haltend aus, dass die Einbeziehung einer unbekannten Viel-zahl von Gl�ubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbernin den Schutzbereich des Pr�fungsauftrages regelm�ßignicht der Absicht des Wirtschaftspr�fers entspricht.91 DerPr�fbericht des Wirtschaftspr�fers wird in der Tat beispiels-weise grunds�tzlich nicht in der Presse ver�ffentlicht undf�r Werbeaussagen genutzt. Das ist bei einem Rating jedochgerade anders.

Der Personenkreis muss nach der BGH-Rechtsprechung zuden Wirtschaftspr�fern indessen nicht namentlich bekanntsein, es reicht vielmehr aus, wenn der Dritte zum Kreis der-jenigen z�hlt, die typischerweise auf Best�tigungsvermerkevon Wirtschaftspr�fern vertraut und sie zur Grundlage ver-

Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen Heft 10/2009 RIW 665

Grundlage in der erg�nzenden Vertragsauslegung hat. Siehe dazu L�-wisch, in: Staudinger, BGB, Bearb. 2005, § 311 Rdnr. 161 m. w. N.

80 Es ist davon auszugehen, dass sowohl der Vertragspartner (emittierendeGesellschaft), als auch der Dritte (Anleger) ein gleiches Interesse, n�m-lich die Erstellung eines ordnungsgem�ßen, richtigen und guten Ratingszur Risikoeinsch�tzung haben. Eine Problematik gegenl�ufiger Interes-sen scheint sich konkret nicht zu stellen, wenn es Zweck des Gutachtensist, dem Dritten gegen�ber eine gewisse Vertrauenslage zu schaffen. Im�brigen f�hrte der BGH aus, dass die Gegenl�ufigkeit der Interessenvon Vertragspartner und Drittem eine Schutzwirkung zu Gunsten desDritten nicht ausschließt; siehe dazu BGH, NJW 2002, 1197; Gottwald,in: M�nchner Kommentar zum B�rgerlichen Gesetzbuch, 5. Aufl. 2007,§ 328 Rdnr. 114; so auch v. Schweinitz (Fn. 17), S. 178.

81 Gr�neberg, in: Palandt (Fn. 62), § 328 Rdnr. 15; siehe auch v. Schweinitz(Fn. 17), S. 170; auch der �sterreichische OGH f�hrt aus, dass beiPflichtverletzungen, die nur verm�gensm�ßige Auswirkungen habenk�nnen, auch das Verm�gen des Dritten in den Schutz einbezogen ist;siehe dazu Harrer, in: Schwimann, ABGB, 3. Aufl. 2006, § 1295Rdnr. 121 m. w. N.; �llinger (Fn. 4), S. 206 m.w. N.

82 BGH, WM 2004, 1869.83 Rechtsprechung zur Haftung des Abschlusspr�fers: BGH, NJW 2004,

3420; BGH, WM 1986, 711; BGH, JZ 1998, 1013; siehe auch v. Schwei-nitz (Fn. 17), S. 175 m. w. N.; Gr�neberg, in: Palandt (Fn. 62), § 328Rn. 34 ff.; �llinger (Fn. 4), S. 213.

84 �sterreichischer OGH in st�ndiger Rspr.: 5 Ob 262/01t; 4 Ob 236/02p; 6Ob 39/06p; 5 Ob 123/06h; 7 Ob 269/07w.

85 A. A. offenbar Blaurock, ZGR 2007, 603, 632; der von Blaurock ausge-machte Unterschied, wonach Ratingagenturen nicht in gleichem Aus-maß Akteneinsicht erhalten wie Wirtschaftspr�fer, besteht u. E. nicht,da Ratingagenturen bei solicited ratings vom Emittenten die erforderli-chen Unterlagen und Informationen in ausreichendem Maß erhalten.

86 �llinger (Fn. 4), S. 194.87 Siehe dazu die eingangs dargestellte Funktion der Ratings am Kapital-

markt (oben II.); zu dem von Ratingagenturen nach außen kommunizier-ten, aber nicht der Praxis entsprechenden Selbstverst�ndnis als reineMeinungs�ußerung, die Anleger ihrer Anlageentscheidung nicht zu-grunde zu legen haben, siehe unten VI. 3.

88 �llinger (Fn. 4), S. 205 m.w. N. sowie v. Schweinitz (Fn. 17), S. 176m.w. N.

89 Dazu ausf�hrlich Jagmann (Fn. 58) § 328 Rdnr. 96 ff.; siehe auch v.Schweinitz (Fn. 17), S. 174; ders., WM 2008, 953, 956 m. w. N.

90 Siehe Harrer (Fn. 81), § 1295 Rdnr. 108.91 BGH, JZ 1998, 1013.

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m�genswirksamer Entscheidungen macht.92 F�r die Einbe-ziehung von Anlegern in den Schutzbereich des Ratingver-trages spricht hier, dass es gerade Sinn und Zweck des Ra-tings ist, dieses Dritten zug�nglich zu machen, sodass Drittediese Information bei ihrer Verm�gensdisposition mitbe-r�cksichtigen k�nnen. Konsequenterweise m�ssen dahernach Sinn und Zweck des Ratings auch potentielle Investo-ren zum gesch�tzten Personenkreis z�hlen.93 Entsprechenddiesen �berlegungen hat der �sterreichische OGH in einerGrundsatzentscheidung zur Haftung des Abschlusspr�fersgegen�ber Dritten zum gesch�tzten Personenkreis jeden po-tentiellen Kapitalgeber gez�hlt, f�r den der Best�tigungsver-merk erkennbar eine Entscheidungsgrundlage darstellenkann.94 F�r Ratings und Anlegerentscheidungen gilt nichtsanderes. Konkrete Gerichtsurteile dazu liegen allerdings bis-her noch nicht vor.

Wesentlicher Hintergrund f�r eine etwaige Zur�ckhaltungbei der Fassung des gesch�tzten Personenkreises ist die Kal-kulierbarkeit des Haftungsrisikos f�r den Schuldner, hier dieRatingagenturen. Wie aber bereits Eisen zutreffend ausge-f�hrt hat, sind Bedenken im Hinblick auf eine ausuferndeHaftung der Ratingagenturen jedenfalls bei dem typischenFall eines Emissionsratings ausger�umt, da Emissionsra-tings die F�higkeit des Schuldners wiedergeben, Zins undTilgung einer auch nur der H�he nach bestimmten Schuld-verschreibung zu bedienen. Durch den Nominalbetrag dermit einem Rating versehenen Schuldverschreibung ist dieHaftung der Ratingagentur begrenzt, sodass in diesem Falleine Kalkulierbarkeit des Haftungsrisikos sehr wohl gege-ben ist. Daraus folgt, dass aber zumindest beim Emissionsra-ting aufgrund der Kalkulierbarkeit des Risikos von einerEinbeziehung der Anleger in den Schutzbereich des Rating-vertrages sehr wohl auszugehen ist.95

Selbst wenn man eine zur�ckhaltende Position hinsichtlichdes gesch�tzten Personenkreises einn�hme, stellt der Ra-tingvertrag aufgrund der Erf�llung der von der Rechtspre-chung geforderten Voraussetzungen den klassischen Falleines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter dar,sodass basierend auf dieser Haftungsgrundlage Schadener-satzanspr�che gegen�ber Ratingagenturen wirksam durch-gesetzt werden k�nnen.

3. Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen

Ratingagenturen weisen in der Regel in Ratingvertr�genund Ratings darauf hin, dass sie ihre Ratings als reineMeinung verstanden wissen wollen und keine Garantief�r die Richtigkeit ihrer Beurteilungen abgeben.96 Zudemwird stets darauf hingewiesen, dass ihre Beurteilungenkeine Empfehlung an Anleger zum Kauf, Verkauf oderHalten von Wertpapieren darstellt und sie daher f�r Sch�-den der Anleger aus Verm�gensdispositionen nicht zu haf-ten h�tten.97 Demnach sollen Anleger eigenverantwortlichFinanzprodukte pr�fen und ihre Verm�gensdispositionenaufgrund eigener Pr�fung t�tigen. Welche Rolle spielensolche allumfassende Haftungsfreizeichnungen (Disclai-mer) der Ratingagenturen?

Gleichg�ltig, wie Ratingagenturen Zweck und Funktion ih-rer Ratings verstanden wissen wollen, kann die besagte Ein-schr�nkung nur insofern wirken, als diese auch der tats�ch-lichen Praxis entspricht.98 Maßgeblich ist immer der nachaußen tretende Vertrauenstatbestand. Dazu ist erneut hervor-zuheben, dass Ratingagenturen aufgrund ihrer quasi auf-sichtsrechtlichen Stellung (als anerkannte Ratingagenturen

nach den Basel II-Vorschriften) ein erh�htes Vertrauen amMarkt genießen. Anleger treffen ihre Investitionsentschei-dungen daher in einem wesentlichen Ausmaß aufgrund ver-�ffentlichter Ratings der großen Ratingagenturen. Die(Schutz-)Behauptung, Anleger w�rden aufgrund eigenerPr�fungen ihre Anlageentscheidungen treffen, geht an derWirklichkeit vorbei. Es w�re zudem sinnwidrig, wenn Ban-ken aufgrund der Basel II-Bestimmungen Ratings anerkann-ter Ratingagenturen verwenden m�ssen, der einzelne Anle-ger aber bei Investitionen nicht auf Ratings der anerkanntenRatingagenturen vertrauen darf, sondern ausschließlichselbst eine Risikobeurteilung auf Basis eines Bruchteiles anInformationen vorzunehmen hat. Ihm fehlt in aller Regelschon jene Dichte an Informationen, die f�r eine umfassendeBonit�tsanalyse erforderlich w�re, sodass eine solche Pr�-fung durch den einzelnen Investor faktisch gar nicht m�glichist.99 Im �brigen hat der BGH bereits im Jahr 1993 zum The-ma Anlageberatung ausgef�hrt, dass die schuldhafte Nicht-beachtung einer Ratingherabstufung ein Beratungsverschul-den des Anlageberaters darstellen kann.100 Dem Ratingkommt daher nach Ansicht des BGH sehr wohl eine (zumin-dest mittelbar) entscheidungsrelevante und vertrauensbil-dende „beratende Funktion“ zu.

Dass Ratings in der Praxis maßgebliche Entscheidungs-grundlage von Investitionsentscheidungen sind, zeigt sichauch daran, dass sie h�ufig von gerateten Emittenten zuWerbezwecken verwendet werden, um aufgrund eines posi-tiven Ratings einer anerkannten Ratingagentur einen Werbe-effekt am Markt zu erzielen und somit einen Anreiz f�r eineInvestitionsentscheidung zu geben. So wird regelm�ßig inProduktflyern von Wertpapieren mit Ratings der Agenturengeworben.101 Obwohl Ratingagenturen in Disclaimern Ge-genteiliges andeuten, stellen Ratings Entscheidungsgrundla-

666 RIW Heft 10/2009 Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen

92 �llinger (Fn. 4), S. 213 m. w. N.93 Kritisch hierzu bspw. Rohe, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im

Rating, 2005, S. 143 ff., der eine Haftung nur gegen�ber einem erkenn-baren und �berschaubaren Personenkreis als durchsetzbar erachtet.

94 Siehe das „Rieger Bank“-Urteil des �sterreichischen OGH, 5 Ob 262/01t; auch v. Schweinitz sieht bei Ratingvertr�gen eine ausreichende Be-stimmbarkeit des gesch�tzten Personenkreises im Falle von Anlegernals gegeben an; dazu v. Schweinitz, WM 2008, 953, 957.

95 Siehe Eisen (Fn. 7), S. 353.96 Bspw. enthalten Moody’s-Ratings folgenden Disclaimer: „Under no

circumstances shall Moody’s have any liability to any person or entityfor (a) any loss or damage in whole or in part caused by, resulting from,or relating to, any error (negligent or otherwise) or other circumstancesor contingency within or outside the control of Moody’s or any of itsdirectors, officers, employees or agents in connection with the procure-ment, collection, compilation, analysis, interpretation, communication,publication or delivery of any such information, or (b) any direct, indi-rect, special, consequential, compensatory or incidental damages what-soever (including without limitation, lost profits), even if Moody’s isadvised in advance of the possibility of such damages, resulting fromthe use of or the inability to use, any such information.“

97 Weiterhin enthalten Moody’s-Ratings folgenden Disclaimer: „CreditRatings do not constitute investment or financial advice, and credit ra-tings are no recommendations to purchase, sell or hold particular secu-rities.“

98 So auch �llinger (Fn. 4), S. 215.99 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass strukturierte Finanzprodukte, wie

bspw. asset backed securities, auch nach den Vorgaben der Ratingagen-turen strukturiert werden, um ein bestimmtes Rating zu erhalten. DerInsidervorteil der Ratingagenturen wird Anlegern in Form des Ratingsweitergegeben; siehe dazu Eisen (Fn. 79), S. 66.

100 „Bond-Urteil“ des BGH, NJW 1993, 201.101 Anschauliches Beispiel sind die von der Citibank vertriebenen Leh-

man-Zertifikate. Diese wiesen in Produktflyern und Verkaufsprospek-ten deutlich auf die durchwegs guten (zumeist A1/A+/AA und somitallesamt investment grade) Ratings der Ratingagenturen (S&P, Moo-dy’s und Fitch) hin, um somit Investoren zu signalisieren, dass es sichdabei um sichere Veranlagungen handelte; siehe Beschreibung der Zer-tifikate auf der Website der Citibank, abrufbar unter: www.citibank.de.

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gen f�r Investoren und de facto eine Empfehlung f�r Investi-tionsentscheidungen dar.102 Die bloß formale Schutzbehaup-tung der Ratingagenturen, keine Kaufempfehlung oderEmpfehlung f�r eine Investitionsentscheidung abzugeben,kann keine wirksame Haftungsfreizeichnung begr�nden,wenn der Emittent mit Wissen der Ratingagentur mit Ra-tings gegen�ber Anlegern wirbt und diese in der Folge aufdie Ratingbeurteilung vertrauen. Die Schutzbehauptung wi-derspricht auch dem tats�chlichen besseren Wissen der Ra-tingagenturen, die nat�rlich ihr Gesch�ft sehr wohl sehr gutkennen. Die Aussage der Agenturen, Ratings seien mangelsEmpfehlungscharakter f�r Verm�gensdispositionen nichtkausal, entspricht somit weder Sinn und Zweck des Ratings,noch der gehandhabten Praxis am Markt. Die Schutzwir-kung f�r Dritte aus dem Ratingvertrag ergibt sich letztlichaus Treu und Glauben.103 Es w�re widersinnig, wenn dieserTreu und Glauben-Schutz durch eine treuwidrige Schutzbe-hauptung aufgehoben werden k�nnte; schon deshalb ist derVertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht dis-ponibel.104

Vorsorglich ist in diesem Zusammenhang noch auf die Gren-zen einer etwaigen Haftungsfreizeichnung hinzuweisen. Sieliegen in Deutschland da, wo es um eine grob fahrl�ssigeund vors�tzliche Pflichtverletzung geht. Ein Haftungsaus-schluss f�r grobe Fahrl�ssigkeit ist aufgrund des Vertrags-zweckes unzul�ssig, da Sinn und Zweck des Ratings geradedarin besteht, sich auf die besondere Sachkunde der Rating-agentur zu st�tzen. Auch die Branchen�blichkeit der anderslautenden formalen Haftungsausschlusserkl�rungen �ndertnichts an deren rechtlicher Beurteilung.105 Unter Umst�ndenkann sogar bereits eine Haftungsfreizeichnung f�r leichteFahrl�ssigkeit den Vertragszweck gef�hrden.106

Ein Haftungsausschluss f�r leichte Fahrl�ssigkeit ist je-denfalls im Hinblick auf wesentliche Vertragspflichten(„Kardinalpflichten“) unwirksam; die sorgf�ltige Ratinger-stellung ist aufgrund der oben dargelegten besonderenVertrauensstellung der Ratingagentur eine solche wesentli-che Vertragspflicht.107 Es w�re widerspr�chlich, die Haf-tung f�r zurechenbares Fehlverhalten ausgerechnet beidenjenigen Aufgaben und Pflichten einschr�nken zu k�n-nen, deren sorgf�ltige Erf�llung gerade Inhalt des Rating-vertrages ist.108

Zusammengefasst gilt, dass eine umfassende Haftungsfrei-zeichnung der Ratingagenturen unwirksam ist. Die Grenzeder Zul�ssigkeit besteht grunds�tzlich in der Einschr�nkungder Haftung bei leichter Fahrl�ssigkeit, doch kann bei Ver-letzung von Kardinalpflichten auch ein Haftungsausschlussf�r leichte Fahrl�ssigkeit unwirksam sein.109 Gegebenenfallshaften Ratingagenturen daher bereits f�r leichte Fahrl�ssig-keit.

VII. Zusammenfassung der Ergebnisse

1. Die im Zuge der US-Hypothekenkrise und deren Nach-wirkungen an Ratingagenturen h�ufig ge�bte Kritik, Risi-ken nicht ausreichend erkannt und viel zu sp�t reagiert zuhaben, wirft zunehmend die Frage auf, ob Ratingagenturenf�r eine ordnungsgem�ße Ratingerstellung einzustehen undbei vorwerfbaren Verst�ßen zu haften haben. Eine Haftungf�r sorgfaltswidriges Verhalten erscheint hier auch rechtspo-litisch legitim. Ratingagenturen haben mit ihren Ratingseine besondere faktische Bedeutung am Kapitalmarkt. Siesind formell durch die europ�ischen Aufsichtsbeh�rden an-erkannt, und es besteht durch Basel II die Verpflichtung, Ra-

tings der anerkannten Ratingagenturen zu verwenden. DieRatingagenturen haben sich zu „gate keeper“ der Kapital-m�rkte entwickelt, die ein erh�htes Vertrauen am Markt ge-nießen. Aus diesem besonderen Vertrauen schlagen Rating-agenturen insofern Profit, als Emittenten zum Zwecke derAbsatzf�rderung ihrer Finanzprodukte diese mit besonde-rem Vertrauen ausgestatteten anerkannten Ratingagenturenmit der Erstellung von Ratings beauftragen, um bei Investo-ren eine Vertrauensbasis und einen Investitionsanreiz zuschaffen, da ansonsten ein erfolgreicher Zugang zum Kapi-talmarkt nur schwer m�glich ist.

2. Ungeachtet ihrer bedeutenden Stellung f�r Investoren undEmittenten sucht man allerdings vergebens nach rechtlichenVorgaben, wie Ratings tats�chlich zu erstellen sind. Dies istund bleibt ein gut geh�tetes Gesch�ftsgeheimnis der Rating-agenturen, sodass auch eine von außen nachvollziehbare�berpr�fung der Ratingergebnisse mangels Transparenzscheitert. In den USA und in Europa wurden lediglich orga-nisatorische Rahmenbedingungen im Zusammenhang miteinem verpflichtenden Anerkennungsverfahren f�r Rating-agenturen geschaffen. Zudem normieren weder der freiwilli-ge Verhaltenskodex des IOSCO noch die erst k�rzlich verab-schiedete europ�ische „Ratingagentur-Verordnung“ inhaltli-che Anforderungen an die eigentliche Ratingerstellung, dasich auch diese auf organisatorische Maßnahmen beschr�n-ken. F�r ein haftungsbegr�ndendes Fehlverhalten ist bei ei-nem Verstoß gegen eine dieser organisatorischen Vorgabenoder Verfahrensgrunds�tze anzusetzen. Wie oben dargelegt,ist die im IOSCO Code of Conduct sowie in den Basel II-Vorschriften normierte Verpflichtung hervorzuheben, Ra-tings jedenfalls laufend zu �berwachen und gegebenenfallsbei Ver�nderung anzupassen. Ein Verstoß gegen geradediese Verpflichtungen l�sst sich, wie die in diesem Beitraggeschilderten Beispiele der Vergangenheit, allen voran dieLehman Insolvenz, zeigen, in der Praxis nachvollziehbarund anschaulich darlegen. Als haftungsbegr�ndender Sorg-faltsverstoß ist somit die fehlende oder versp�tete Anpas-sung von Ratings heranzuziehen, wenn Anleger ihrer Inves-titionsentscheidung ein positives Rating zugrunde gelegt ha-ben, obwohl im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung eineAnpassung (Herabstufung) des Ratings erforderlich gewe-sen w�re und dies zu einem Schaden des Anlegers gef�hrthat.

3. Die in den USA gegen Ratingagenturen angestrengtenHaftungsprozesse blieben f�r die Kl�ger allerdings bis-lang erfolglos. In den USA wird anders als in �sterreichund Deutschland nach den bisherigen Entscheidungen einvors�tzlich sch�digendes oder ein betr�gerisches Verhal-ten verlangt, sodass amerikanische Gerichte geneigt sind,keine Haftung von Ratingagenturen zu sehen. Auf denersten Blick lassen diese Umst�nde eine wirksame Haf-

Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen Heft 10/2009 RIW 667

102 So bspw. auch Vetter, WM 2004, 1701, 1702; a. A. Habersack, ZHR2005, 185, 199 und 205, der Ratings keinen Empfehlungscharakter zu-sprechen will, darin allerdings kein Haftungshindernis sieht.

103 Siehe oben VI. 2.104 So generell auch Zenner, NJW 2009, 1030, 1033.105 So Rohe (Fn. 93), S. 140.106 �llinger (Fn. 4), S. 224.107 Vetter, WM 2004, 1701, 1707; Blaurock, ZGR 2007, 603, 629 m. w. N.108 Im Ergebnis �hnlich v. Schweinitz, der eine Haftungsfreizeichnung

zwischen Ratingagentur und Emittent im Hinblick auf die Drittverwen-dungsabsicht des Ratings als unangemessen und somit sittenwidrig ein-stuft, da der einzige Gesch�digte der fehlerhaften Bewertung der Anle-ger ist; siehe dazu v. Schweinitz, WM 2008, 953, 957; ders. (Fn. 17),S. 168 unter Hinweis auf BGH, NJW 2004, 3034.

109 So Rohe (Fn. 93), S. 141 m.w. N.; ebenso v. Schweinitz (Fn. 17),S. 167 ff.

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tung von Ratingagenturen auch in Deutschland als zwei-felhaft erscheinen. Obwohl in Deutschland Rechtspre-chung zur Haftung von Ratingagenturen bislang nicht vor-liegt, bestehen allerdings, wie aufgezeigt, grunds�tzlichgute Gr�nde zur Annahme, dass deutsche Gerichte basie-rend auf der Rechtsprechung des BGH zur Haftung derWirtschaftspr�fer durch Heranziehung des Rechtsinstitutesdes Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zueiner Haftung von Ratingagenturen gegen�ber Anlegernkommen w�rden.110 Die Stellung der Ratingagenturen alsExperten ist jener der Wirtschaftspr�fer durchaus ver-gleichbar, sodass bei Erf�llung der er�rterten Vorausset-zungen haftungsbegr�ndende Schutzpflichten gegen�berAnlegern bestehen. Zudem ist die beabsichtigte Drittwir-kung von Ratings viel st�rker ausgepr�gt als bei Wirt-schaftspr�fern, was umso mehr f�r eine Haftung der Ra-tingagenturen spricht. Auch f�r die Einbeziehung s�mtli-cher potentieller Anleger in den Schutzbereich des Ra-tingvertrages bestehen gute Gr�nde, insbesondere, da esgerade Sinn und Zweck des Ratings entspricht, Ratingsgegen�ber potentiellen Anlegern zu ver�ffentlichen, so-dass davon auszugehen ist, dass Emittenten ihre Anlegerin den Schutzbereich des Ratingvertrages einbeziehenwollen. Die allumfassenden Haftungsfreizeichnungen derRatingagenturen sind unwirksam, sodass bei Verletzungvon Kardinalpflichten bereits leichte Fahrl�ssigkeit zurHaftung der Ratingagentur f�hren kann. In der Praxisk�nnte der Kausalit�tsbeweis zwischen Rating und Inves-titionsentscheidung, der dem Kl�ger obliegt, Probleme be-reiten. Anleger haben schließlich nachzuweisen, dass dasRating f�r das Investment entscheidend war, doch kannsich auch aus den Umst�nden eine Kausalit�tsvermutungergeben.111 Eine entsprechend nachvollziehbare Dokumen-tation empfiehlt sich daher, doch spricht schon die be-stehende faktische Bedeutung von Ratings bei Investiti-onsentscheidungen daf�r, dass auch vor Gericht der Kau-salit�tsbeweis gelingen kann.

4. Da es sich beim Vertrag mit Schutzwirkung zu GunstenDritter um einen Anspruch zwischen vertraglicher und de-liktischer Haftung handelt und dieser demnach differen-ziert zu beurteilen ist sowie Sinn und Zweck der Schutz-pflichten des Ratingvertrages im Hinblick auf die kollisi-onsrechtliche Behandlung des Anspruches f�r eine Quali-fizierung als außervertraglicher Anspruch spricht, l�sstsich die Anwendbarkeit deutschen Rechts �ber Art. 40EGBGB und auch nach Inkrafttreten der Rom II-VO ge-m�ß Art. 4 Rom II-VO selbst dann begr�nden, wenn nichteine deutsche Niederlassung einer ausl�ndischen Rating-agentur, sondern eine Ratingagentur mit Sitz in den USAgehandelt hat.

5. Obwohl sich ein Gerichtsstand f�r Schadenersatzan-spr�che gegen Ratingagenturen gem�ß § 23 ZPO inDeutschland begr�nden ließe, ist fraglich, inwieweit Ra-tingagenturen in Deutschland �ber ausreichendes Verm�-gen verf�gen, um im Falle der Erwirkung eines Schaden-ersatztitels auch hohe Schadensbetr�ge, die am Kapital-markt rasch entstehen k�nnen, abdecken zu k�nnen. Diesist allerdings mehr eine praktische Frage der Vollstre-ckung als eine rechtliche Frage. Die grunds�tzliche Be-gr�ndung eines Haftungstatbestandes f�r sorgfaltswidrigesHandeln w�rde allerdings eine starke Lenkfunktion f�rRatingagenturen darstellen, sich gem�ß den selbst aufer-legten Codes of Conduct zu verhalten und umgehend aufVer�nderungen am Markt zu reagieren und Ratings ent-

sprechend zeitnah anzupassen/herabzustufen. In einer Ge-samtbetrachtung erscheint daher die Lenkfunktion einerpotentiellen zivilrechtlichen Haftung wichtiger als die tat-s�chliche Abdeckung von Sch�den einzelner gesch�digterInvestoren.112 Dies insbesondere deshalb, da das h�chsteGut von Ratingagenturen ihr Ruf am Markt ist, welcherdurch eine gerichtliche Verurteilung zur Zahlung vonSchadenersatzanspr�chen an einzelne Gesch�digte, in wel-cher H�he auch immer, erheblich beeintr�chtigt w�re. So-bald sich Ratingagenturen nicht mehr in Sicherheit vorderartigen Schadenersatzanspr�chen wiegen k�nnen, wer-den sie stark daran interessiert sein, ihre eigenen, sichselbst freiwillig auferlegten Codes of Conduct streng ein-zuhalten und ihre Objektivit�t und Unabh�ngigkeit zust�rken. Die zivilrechtliche Haftung ist daher ein maßgeb-licher Motor zur Einhaltung der organisatorischen undaufsichtsrechtlichen Grunds�tze. Nur so scheint es m�g-lich, die problematische Doppelstellung der Ratingagentu-ren als Bonit�tspr�fer und Auftragnehmer von Emittentenin einem in Einklang zu bringen.

668 RIW Heft 10/2009 Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen

Dr. Gerhard WildmoserJahrgang 1946. Rechtsanwalt in der Rechts-anwaltskanzlei Wildmoser/Koch & PartnerRechtsanw�lte GmbH, Linz/Wien (www.wildmoser-koch.com), ist seit Jahrzehnten in wirt-schaftsrechtlichen Bereichen t�tig und �bt eineReihe von Funktionen in der Industrie, im

Bank- und Versicherungswesen in der Republik �sterreich aus.Dar�berhinaus ist er inverschiedenenFunktionen imForschungs-bereich t�tig. Er ist Tr�ger hoher, auch wissenschaftlicher Aus-zeichnungen.Kontakt: [email protected].

Dr. K. Jan SchifferJahrgang 1958. Wirtschaftsanwalt seit 1987,Partner der Rechtsanwaltskanzlei SP§P –Schiffer & Partner, Bonn (www.schiffer.de)und seit 2005 St�ndiger Mitarbeiter des BB.Er ber�t Unternehmen, Unternehmerfamilien,verm�gende Privatpersonen, Banken und

Institutionen in wirtschaftsrechtlichen Fragen. Beirats- und Stif-tungsratsmitgliedschaften, Leiter des Praxisinstituts f�r Haf-tungs- und Risikofragen in Unternehmen, Bonn, Wien, Z�rich,M�nchen (www.haftung-und-risiko.de); Fachdozent und Verfas-ser zahlreicher Fachb�cher und -schriften. Kontakt: [email protected].

Dr. Bernd Langoth, LL.M.Jahrgang 1979. Rechtsanwaltsanw�rter derRechtsanwaltskanzlei Wildmoser/Koch &Partner Rechtsanw�lte GmbH, Linz/Wien(www.wildmoser-koch.com) seit M�rz 2009,davor seit 2005 Rechtsanwaltsanw�rter inrenommierten Wirtschaftsrechtskanzleien in

Wien und Linz. Er ist seit mehreren Jahren in der kapitalmarkt-rechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und zivilrechtlichen Bera-tung t�tig. Kontakt: [email protected].

110 Siehe auch v. Schweinitz (Fn. 17), S. 182.111 Siehe v. Schweinitz, WM 2008, 953, 959.112 In diese Richtung auch Blaurock, ZGR 2007, 603, 641.