Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

13
(Aus der staatlichen Forschungsabteilung fiir Gewerbehygiene beim Hygienischen Institut der ~Vestf~ilischen Wilhelms-UniversitKt in Miinster. [Direktor: Prof. Dr. K. W. J6tten].) RSntgen.Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen. (4. Mitteilung iiber Untersuehungen mit dem Riintgen-Feinstrukturgeriitl.) Von Dr. Horst Giirtner, ~kssistent am Institut. 5Iit 7 Textabbildungen. (Eingegangen am 16. Mai 1960.) Vor einigen Monaten teilten wir in dieser Zeitschrift Ergebnisse yon Untersuchungen an Steinstaublungen mit und stellten dabei lest, dab sich mit dem R6ntgen-Feinstrukturger~it eine befriedigende Diagnostik durchfiihren l~$t. Es gelang uns damals nicht nur bei den Lungen be- kannter Herkunft eine Gleichheit des Lungenstaubes mit dem :Betriebs- staub festzustellen, sondern darfiber hinaus konnte auch bei einer Reihe unbekannter Lungen eine Diagnose des darin enthaltenen Gesteins durch. gefiihrt werden. Als Mangel muBten wit an unseren friiheren Unter- suehungen erkennen, dal~ unser Lungenmaterial nur Quarzlungen ent- hielt und die anderen Gesteine lediglich als Verunreinigungen vorkamen; nur eine kaolinhaltige Lunge wurde zuf~llig gefunden. Unsere Be- miihungen :Porzellanstaub- und :FluBspatlungen zu erhalten, waren damals vergeblich geblieben. Durch die Liebenswiirdigkeit yon tIerrn Prof. Kirch.Erlangen, der mir Teile yon 11 derartigen Lungen fiberlieB und dem ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche, bin ieh nunmehr in der Lage, die Liicke in dem Material der friiheren Arbeit auszuffillen. Die Ergebnisse der l~6ntgen-Feinstrukturunter- suehung an 10 Porzellanstaublungen und einer :Flul]spatlunge sollen im folgenden vorgelegt werden. Das Auftreten yon Silikosen bei Porzellanarbeitern ist Anlafl zu zahl- reichen Untersuchungefi gewesen, die bier nur ganz kurz gestreift werden kSnnen. Es besteht Einigkeit dariiber, dal] eine erhebliehe Silikose- gefiihrdung ffir diejenigen Arbeiter besteht, die direkt mit der Aufbrei- tung des Materials zu tun haben. Koelsch teilt Untersuehungen von Ho/bauer und Flatzeck mit, die 1339 :Porzellanarbeiter untersuchten und bei Verputzerinnen auf dem Gliihboden 57 %, bei :PorzellandreheI~ 54 %, bei :Putzerinnen in der GieBerei, bei :Formern, GieBern und Garniererinnen 1 1.--3. Mitteilurg: Arch. Gewerbepath. Bd. 9, 1939, S. 377 und 634, Bd. 10, 1940, S. 71. Archly f. Gewerbepath. u. Gewerbehyg. Bd. 10. 11

Transcript of Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

Page 1: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

(Aus der staatlichen Forschungsabteilung fiir Gewerbehygiene beim Hygienischen Institut der ~Vestf~ilischen Wilhelms-UniversitKt in Miinster.

[Direktor: Prof. Dr. K. W. J6tten].)

RSntgen.Feinstrukturuntersuchungen an Porzel lanstaublungen.

(4. Mitteilung iiber Untersuehungen mit dem Riintgen-Feinstrukturgeriitl.) Von

Dr. Horst Giirtner, ~kssistent am Institut.

5Iit 7 Textabbildungen.

(Eingegangen am 16. Mai 1960.)

Vor einigen Monaten teilten wir in dieser Zeitschrift Ergebnisse yon Untersuchungen an Steinstaublungen mit und stellten dabei lest, dab sich mit dem R6ntgen-Feinstrukturger~it eine befriedigende Diagnostik durchfiihren l~$t. Es gelang uns damals nicht nur bei den Lungen be- kannter Herkunft eine Gleichheit des Lungenstaubes mit dem :Betriebs- staub festzustellen, sondern darfiber hinaus konnte auch bei einer Reihe unbekannter Lungen eine Diagnose des darin enthaltenen Gesteins durch. gefiihrt werden. Als Mangel muBten wit an unseren friiheren Unter- suehungen erkennen, dal~ unser Lungenmaterial nur Quarzlungen ent- hielt und die anderen Gesteine lediglich als Verunreinigungen vorkamen; nur eine kaolinhaltige Lunge wurde zuf~llig gefunden. Unsere Be- miihungen :Porzellanstaub- und :FluBspatlungen zu erhalten, waren damals vergeblich geblieben. Durch die Liebenswiirdigkeit yon t Ier rn Prof. Kirch.Erlangen, der mir Teile yon 11 derartigen Lungen fiberlieB und dem ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche, bin ieh nunmehr in der Lage, die Liicke in dem Material der friiheren Arbeit auszuffillen. Die Ergebnisse der l~6ntgen-Feinstrukturunter- suehung an 10 Porzellanstaublungen und einer :Flul]spatlunge sollen im folgenden vorgelegt werden.

Das Auftreten yon Silikosen bei Porzellanarbeitern ist Anlafl zu zahl- reichen Untersuchungefi gewesen, die bier nur ganz kurz gestreift werden kSnnen. Es besteht Einigkeit dariiber, dal] eine erhebliehe Silikose- gefiihrdung ffir diejenigen Arbeiter besteht, die direkt mit der Aufbrei- tung des Materials zu tun haben. Koelsch teilt Untersuehungen von Ho/bauer und Flatzeck mit, die 1339 :Porzellanarbeiter untersuchten und bei Verputzerinnen auf dem Gliihboden 57 %, bei :PorzellandreheI~ 54 %, bei :Putzerinnen in der GieBerei, bei :Formern, GieBern und Garniererinnen

1 1.--3. Mitteilurg: Arch. Gewerbepath. Bd. 9, 1939, S. 377 und 634, Bd. 10, 1940, S. 71.

Arch ly f. G ew er b epa th . u. Gewerbehyg . Bd. 10. 11

Page 2: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

152 Horst Giirtner:

40 46%, bei Massemrillern 25%, bei Kapseldrehern und Schamotte- miillern 17%, bei Brennern 9,3% schwere und mitt lere Staublungen fanden, wenn die betreffenden Arbeiter mehr als 11 Jahre im Betrieb waren. Bei Nebenarbeitern waren h6chstens leichte Sch/~digungen fest- zustellen. Mit dieser Gef/~hrdung durch den Porzellanstaub geht gleich- laufend eine Erh6hung des Tuberkulosebefalls. Die Verst/~rkung der Taberkulose und die Erh6hung des Tuberkulosebefalls durch den Staub wurde yon J6tten auch experimentell nachgewiesen. Nicht einheitlich dagegen beurteilt wird die Frage, ob in der Porzellanindustrie nur der in einem Teil des Materials und in der ersten H/~lfte des Arbeitsvorganges vorhandene Quarz Ursaehe der Seh/idigungen ist, oder ob auch das in vorwiegender Menge vorhandene Kaolin und der Ton, die wegen ihrer geringen Korngr613e besonders an der Staubbildung in den gef~hrdeten Betrieben beteiligt sind, Ursache yon Sehiidigungen sein k6nnen. J6tten und Poppinga haben bereits vor einigen Jahren Untersuchungen zu dieser Frage angestellt. Sie erhielten durch die Bestaubung yon Kaninchen, auch wenn sic bis zu 4 Jahren durchgeffihrt wurden, nicht das Bild einer Silikose. Es fanden sich im wesentlichen nur Staubreaktionen, wie subpleurale Staubansammlungen, geringe Sehwielenbildung an der Pleura und mit Staubzellen und Staub angefrillte Alveolen. Allerdings waren die Trabekel gelegentlieh etwas verdickt und zeigten geringe Bindegewebsvermehrung. Anders war nun das Bild bei den Tieren, die mit Tuberkulose infiziert waren. Dort fand sieh nieht nur die yon J6tten sehon frriher bewiesene Verst/~rkamg der Tuberkulose durch den Staub, sondern umgekehrt aueh eine Silikose mit teilweise typischen Gewebs- bildern. Diese Untersuchungen sind deshalb etwas ausffihrlicher erw/ihnt, weil wir auf die Entstehung yon Staublungen noeh n/~her eingehen wollen. Zuniichst soll aber fiber die eigenen Untersuchungen beriehtet werden.

Unser Material bestand aus 10 Lungen yon Porzellanarbeitern, yon denen einer auch in der Schamotteindustrie gearbeitet hat te und aus einer Flul~spatlunge. Eine pathologisch-anatomische Beschreibung der Lungen kann nicht gegeben werden, da das Material aus kleineren Stricken be- stand, die sieh nicht mehr lokalisieren lieBen. Es fanden sich teilweise groBe kompakte Schwielen, teilweise nut verschieden weir auseinander stehende linsen- bis erbsengrof~e KnStchen. Bei einem Teil der F/~lle bestand aul3erdem aueh noeh eine Tuberkulose. Die anatomische Dia- gnose yon Herrn Prof. Kirch-Erlangen ist den einzelnen F/~llen bei- gefiigt. Die Aufbereitung des Materials erfolgte nach der in der frriheren Arbeit ausfrihrlieh beschriebenen Technik mit Wasserstoffsuperoxyd. N/~here Einzelheiten sind dort naehzulesen. Die Untersuchung der aus den Lungen gewonnenen Staube erfolgte einmal nach der Entfernung der organischen Substanz durch den Wasserstoffsuperoxyd. Die Staube waren dann grau-schwarz bis schwarz. Sie wurden daraufhin ein zweites

Page 3: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

Rfntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen. 153

Mal naeh etwa halbstiindigem Gliihen untersucht. Es waren dann die Reste der orgarrischen Substanz entfernt und die Staube sahen je nach dem darin enthaltenen Eisengehalt graugelb oder gelbbraun aus. Hin- siehtlieh der Technik der RSntgenuntersuchung und der theoretischen Voraussetzungen sei auf die erste VerSffentliehung verwiesen, in der diese Angaben ausfiihrlich zu finden sind. Es wurde mit dem RSntgenger/~t eine einheitliche Belichtungszeit yon 11/2 Stunden gew/~hlt. Die Auswer- tung der Filme erfolgte ebenfalls nach der schon angegebenen Methode. Da sieh ein Vergleich mit den Betriebsstauben bier aus/s Griinden

R7 ~6 A b b . I .

A b b . 2.

A b b . 1 u n d 2. D i a g r a m m u n d S c h e m a d e s L u n g e n s t a u b e s 1. l t a u p t b e s t a n d t e i l : S i l l i n m n i t .

nicht durchffihren lieB, machten wir, um einen Anhalt fiir die RSntgen- Feinstrukturuntersuchung zu haben, von den Stauben, soweit das Ma- terial reichte, chemische Analysen, die wir folgendermal~en vornahmen. Nach dem Gliihen des Staubes wurde 1 g abgewogen und mit verdtinnter Salzs~ture'gelSst. Das Gel5ste wurde auf Si, A1, Fe und Ca untersucht. Den unlSslichen Anteil brachten wir dann mit Natr ium-Kalium-Karbonat zusammen und untersuchten die 15slichen Bestandteile der Schmelze auf dieselben Elemente. Die sogenannte unlSsliche Kiesels/~ure ging dabei in LSsung, soweit sie nicht in kristalliniseher Form vorlag. Es blieb fibrig an praktisch wichtigen Stoffen die kristallinische Kiesels/~ure, die anschliellend mit Flul3saure aufgeschlossen und bestimmt wurde.

Es folgt jetzt die Bespreehung der einzelnen F/~lle.

Lunge 1: Lunge eines 36j~hrigen Arbeiters, der 13 Jahre in der Porzellanfabrik H. in Selb, gearbeitet hat. Pathologisch-anatomische Diagnose: Silikose 3. Gr. Die RSntgendiagramme des geglfihten und ungeglfihten Staubes gleichen sich in den Linien vollkommen. Sie ent- halten die Linien des Sillimanit, das beim Brennen yon Ton und Porzellanwaren entsteht (Abb. 1 und 2). Dazu kommt eine Linie bei 11,0,

11"

Page 4: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

]54 Horst Gs

deren Herkunft als Einzellinie nicht gekl/~rt wurde, obwohl sie ziemlich s tark ausgepr/~gt ist. Die Linien des Quarz liel3en sich auch nicht andeutungsweise nachweisen. Dem entsprieht nun das Ergebnis der chemischen Analyse des yon uns gewoimenen Lungenstaubes. Er ent- hielt in 1 g folgende Bestandteile:

LSslich in Salzs~ure im SodaaufschluB SiO~ 1,6 mg 463 mg Fe~O a 35,6 mg 23 mg Al~O a 36,8 mg 420 mg CaO 5,0 mg 3 mg Nut 15slich in FluBs~ure: 18,0 mg

Man sieht, dal3 nur 18 mg als kristallinische Kiesels/~ure, also wohl in Form yon Quarz vorkamen, w/~hrend sich der grSflte Teil der Kiesel- s/~ure und des Aluminiumoxyds im Alkaliaufschlul3 findet, was zu der Diagnose Sillimanit pa•t. Nach diesem Befund kann mit Recht gesagt werden, dab der Arbeiter vorwiegend an einem Material gearbeitet hat, das dem Sillimanit, also einer gebrannten Erde mit der Formel Al~OaSiO ~ entspricht.

Lunge 2. Lunge eines 52j/~hrigen Arbeiters, der 9a/4 Jahre als Scha- mottebrecher gearbeitet hat . Diagnose: Silikose 3. Gr. (rein). Wieder sind die beiden Diagramme vSllig gleich, abgesehen yon einer diffusen Untergrundschw/~rzung bei dem ungeglfihten Staub; Ursache sind die restlichen organischen Bestandteile. ])as Diagramm zeigt wieder die Linien des Sililmanit mit der Fremdlinie bei 11,0. Es handelt sich also wieder um Ansammlungen eines gebrannten Materials. Quarzlinien finden sich nicht. Die chemische Analyse ergab aueh hier/~hnliehe Werte wie bei Staub 1. Da abet nur sehr wenig Staub zur Verfiigung stand, waren die Werte nicht so efi~deutig, so dal~ sie hier nicht angefiihrt werden. /)as Ergebnis der RSntgenuntersuehung paflt zu der Berufs- angabe Schamottebrecher.

Lunge 3. Lunge eines 53j/~hrigen Arbeiters, der zwisehen 1897 und 1902 in einer Dampfziegelei und dann 28 Jahre bei R. in Selb arbeitete. Diagnose: Silikose 3. Gr. mit geringer Zusatztuberkulose. W/~hrend der ungegliihte Staub Linien des Kaolin und gering die des Quarz und des Sillimanit ergab, t re ten im gegliihten Staub die Linien des SiUimanit mehr hervor. Die Quarzbeimengung bleibt schwach, aber deutlich. Die chemische Analyse best/~tigt den Befund:

LSslich in Salzsaure im SodaaufschluB SiO 2 85 mg 357 mg Fe~O a 50 mg 18 mg hl20 a 120 mg 168 mg CaO 28 mg - - LSslich in Flufls~ure allein 177 mg

Page 5: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

Rfntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen. 155

Bei der Beurteilung ist eindeutig feststellbar, dab Ursache ffir die Silikose sowohl der (~uarz und das Kaolin, wie auch gebranntes Material, das SiUimanit war. Das ist dureh das prim/~re Vorhandensein der Silli- manitUnien zu sehen. Das nachherige l~berwiegen der Sillimanitinter- ferenzen wird dureh den Gliihprozel~ zu erkl/~ren sein.

Lunge 4. Lunge eines 64j/th- rigen Arbeiters, der 42 Jahre in der PorzeUanfabrik H. in Hohen- berg arbeitete. Diagnose : Silikose 3. Gr. mit geringer Tuberkulose links. Das Diagramm des unge- gliihten Staubes enth/tlt die Linien des Kaolin und dazu die des Quarz, dessen Hauptl inien eben erkermbar werden (Abb. 3). I m ~bl). 3. Dia~ramm (le,~ Lungcnstauhe~ 4. Diagramm des gegliihten Staubes Vorwiegcnd Kaolinlinien mit angedeutctcn

Quarz l i n i en (m~lrkicrt) .

sind die Linien des Quarz be- herrschend geworden, w/~hrend die Linien des Kaolin als schwache Linien nur noch teilweise vorhanden sind. Die chemische Analyse best/~tigt den Befund:

Lsslich in Salzsimrc im Sodaaufschlul~ SiO~ 25 mg 359 mg Fe~O a 18 mg 30 mg Al~03 37 mg 337 mg LSslich nur in FluBs~ure 138 nag

Es sind I38 mg alkaliunlSsliche Kiesels/~ure vorhanden, die Ulsache ffir die (~uarzlinien sind (markiert). Der iibrige Befund deutet auf das Kaolin hin. Auf das st/~rkere Hervortreten der Quarzlinien nach denl Gliihen wird beiLunge 7 eingegangen werden.

Lunge 5. Lunge eines 62j/~h- rigen Arbeiters, der 32 Jahre in einem Porzellanbetrieb in Arz- berg und 5 Jahre in einem Betrieb in Selb arbeitete. Diagnose: Sili- kose 3. Gr. Das Diagramm des AI)l). 4. l)iagramm des-Lungenstaul)cs 5.

V o r w i c g c n d Quarz l in ien m i t den Lin ien des ungegltihten Staubes zeigt ein- gcgliihten Kaolin (m~lrkiert) .

deutig die In ter ferenzen des Kaolin, dazu kommen sehwaeh aber deutlieh die Hauptl inien des Quarz. Beim gegltihten Staub treten die Quarzlinien st/~rker hervor, dazu kommen die des gebrannten Kaolin (Abb. 4). Letzteres stellt sich sehr charakteristisch dar durch eine breite verwaschene Linie bei 33,5 und eine /~hnliehe etwas schwiichere Linie bei 23,05. Beide

Page 6: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

156 Horst Gartner:

Linien sind markiert . Das Ergebnis der chemischen Analyse best/~tigt den Befund :

L6slich in Salzs/iure im SodaaufschluB SiO2 17 mg 440 mg Fe~Oa 57 mg 21,5 mg A1203 5 mg 360 mg Lfslich nut in FluBs/~ure 90 mg

Fiir die Beurteilung ist der Befund des ungegliihten Staubes maB- gebend.

Lunge 6. Lunge eines 60jahrigen mehreren Fabriken in Selb t/itig war,

A b b . 5. D i a g r a m m des L u n g e n s t a u b e s 7. Re ine Kao l i n l i n i cn .

Arbeiters, der seit 35 Jahren in davon 23 Jahre bei einer Firma. Diagnose: Silikose 3. Gr. mit ge- ringer Zusatztuberkulose. Die Diagramme sind ziemlieh ver- wasehen und deuten auf einen sehr feink6rnigen Staub hin. Un- gegliiht ergibt sich ein fast reines Kaolin-Diagramm, in dem noch die sp/iter bei Fall 10 erw/ihnte und erkl/~rte Kalziumphosphat- Linie bei 15,8 vorhanden ist. Ge- glfiht finden sich die Linien des

Quarz mit denen des Kaolin gemischt, wobei letztere zurtiektreten. Eine Analyse lieB sich in diesem Falle wegen der zu geringen Stanbmenge nicht durchftihren. Wieder ist das Vorhandensein yon Kaolin im un- gegliihten Staub wichtig und aussehlaggebend fiir die Beurteilung.

Lunge 7. Lunge eines 60j/~hrigen Arbeiters, der im ganzen 32 Jahre in der Porzellanindustrie ti~tig war und zwar bei den Firmen R. in Selb and F. in Pl6Bberg. Diagnose : Silikose 3. Gr. (rein). ])as Diagramm des ungeglfihten Staubes zeigt eindeutig die Interfererrzlinien des reinen Kaolin ohne Fremdlinien (Abb. 5). I m gegliihten Staub stellten wit ein- deutig die Quarzlinien mit den fiir eine Beimengung yon Kaolin charakte- ristischen Fremdlinien fest. Bei weiterem sehr starken Glfihen verschwand dieses Diagramm wieder und wir erhielten ein Bild, das dem des gegliihten Kaolin stark/~hnelte (s. Abb. 4). Die chemische Analyse ergab folgendes:

L6slich in Salzs~iure im Sodaaufschlufi SiO~ 2 mg 87 mg Fe~O a 115 mg 3 mg AI~O 3 304 mg 15 mg CaO 12 mg 53 mg Lfslich nur in FluBs~ure 375 mg

Diese ~nderungen im Diagramm beim Glfihen und auch bei verschieden starken Glfihen mull man sich wohl so vorstellen, dab bei der Erh6hung der Temperatur zun/~ehst das Kaolin seine Struktur verliert und die

Page 7: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

Rfntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen. 157

darin enthaltene Kiesels/~ure hervortr i t t , dab bei weiterem Gliihen durch die Schmelze die Kiesels/~ure zerst6rt wird und durch die Schmelz- mittel der Stoff entsteht, dessen Interferenzen wir als geglfihtes Kaolin schon kennen. Begiinstigt wird dieser Vorgang mSglieherweise durch das Vorhandensein der relativ hohen Bestandteile an Kalzium und Eisen, die ja auch in der Ton- und Porzellanindustrie als Schmelzmittel gebraucht werden. Wenn aueh die Deutung der Diagramme in einzelnen F/illen durch diese Umst/inde ersehwert werden kann, so ist in diesen F/tllen doch dureh das Diagramm des ungegliihten Staubes die Deutung mSglich und in unserem speziellen lealle kann als Ergebnis das Vorhandensein des reinen Kaolin als mal~gebend festgehalten werden.

Lunge 8. :Lunge eines 51j/ihrigen Arbeiters, der 27 Jahre in der Porzellanfabrik R. in Kronach arbeitete. Diagnose: Silikose 3. Gr. mit geringer Tuberkulose in beiden :Lungen. Das Diagramm zeigt die Linien des Kaolin und dazu gering die des Quarz. Gegliiht linden sich die des gegliihten Kaolin. Die chemische Analyse ergab:

LSslich in Salzs/~ure im SodaaufschluB SiO2 66 mg 332 mg Fe20 a 36 mg 4 mg Al~O a 332 mg 5 mg CaO 55 mg - - Lbslich nur in Flul3saure 160 mg

Dadurch ist der Diagrammbefund best~tigt. Auffallend ist nur, dal] sich hier das A1203 nicht im AlkaliaufschluB, sondern im Salzs/iure- 16slichen finder. Die 160 mg Kiesels~iure im l~luBs~iureaufschluB sind fiir das Vorhandensein der Quarzlinien verantwortlich.

Lunge 9. Lunge eines 62jiihrigen Arbeiters, der 5 Jahre in der :Firma H. in Selb und 23 Jahre in der Firma Seh. in Arzberg tiitig war. Diagnose: Silikose 3. Gr. Das Diagramm des ungegltihten Staubes zeigt die Linien yon Kaolin und Quarz gemischt; in dem des gegliihten Staubes treten die Quarzinterferenzen stiirker hervor und die des Kaolin sind sehw~eher geworden. Es handelt sich wieder um die schon mehrfach beobachtete Erscheinung, deren LSsung bei ) 'al l 7 versucht wurde. Die chemisehe Analyse best~itigt wieder die Anwesenheit yon Quarz und Kaolin.

Lbslich in Salzsiture Im Sodaaufschlu[~ Si02 56 mg 328 mg Fe~O a 36 mg 32 mg Also a 118 mg 32 mg L6slich nur in FluBs/iure 180 mg

Lunge 10. Lunge eines 54j/~hrigen Arbeiters, der 27 Jahre in der Steatid Magnesia A.G. Hohlenbrunn und in der Firma W. besch/~ftigt war. Diagnose: Silikose 2.--3. Gr. mit gleichzeitiger Tuberkulose. Im

Page 8: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

158 Horst G~rtner:

Diagramm (Abb. 6) sind die Kaolin- und die (~uarzlinien (letztere ein- fach markiert) etwa gleichstark vorhanden, im gegl/ihten Staub treten die Quarzinterferenzen starker hervor. Eine Linie bei 15,8 (doppelt markiert) ist die Hauptlinie des aus den Gewebssalzen s tammenden Kalziumphosphat. Diese Linie, die schon bei Lunge 6 erw~thnt wurde,

kennen wir bereits aus mehreren Untersuchungen an Steinstaublun- gen. Sie kommt im Rfickstand nor- maler Lungen vor und ist ein Zeichen, dab in den untersuchten Lungen wenig fremde Mineralien ~orhanden sind, denn nur dann ist das Erscheinen der Linie m6g- lich, wenn der Anteil der k6rper-

Abb. 6. D i a g r a m m des L u n g c n s t a u b e s 10. Kaol in- und Quarzl inien ( le tz tcre e infaeh eigenen Mineralien stiirker ist, als mark ie r t ) . Doppel t m a r k i e r t e L i n i e a u s dem e s bei Silikosen im allgemeinen

Kalz iumphos l )ha t . der Fall ist. Tats~chlich ist ja

auch in der anatomischen Diagnose gesagt, dab eine Silikose 2. bis 3. Grades vorliegt. Auch hier war wegen zu geringer Staubmengen die Analyse nicht eindeutig durchzufiihren.

Lunge 11. Lunge eines 37js Arbeiters, d e r n u r 6 Jahre in Staub- betrieben arbeitete, unter anderem 3 Jahre bei der Bayr. Landindustrie.

Diagnose : FluBspatsilikose 3. Gr. mit geringer Zusatztuberkulose. I m R6ntgenbild ist der FluBspat nicht fes~zustellen. Es finden sich deutlich in beiden Bildern die Linien des (~uarz und die des Kalziumphosphat , die aus den Ge- webssalzen s tammen (Abb. 7). Letz- tere weisen auch hier wieder darauf

Abb. 7. D i a g r a m m des L u n g c n s t a u b e s 11. Q u a r z - u n d Gewebssalzl inien. hin, dab die Silikose nicht allzu

stark war. Tatsgchlich fanden sich in den yon uns untersuchten Lungenteilen auch nur einzeln stehende Kn6tchen und kleine Sehwielen. Die Analyse des Staubes ergibt:

L6slich in Salzs~ure im SodaaufschluB SiO~ 60 mg 444 mg Fe20 ~ 114 mg - - Al2Oa 37 mg - - CaO 70 mg - - LSslich nur in FluBsfi.urc 38 mg

Die Deutung dieses Falles stellt uns vor einige Schwierigkeiten und ist nicht eindeutig mSglich. Die Unsicherheit wird noch dadurch erhSht, dab die Analyse nur mit sehr geringer Staubmenge durchgeffihrt werden

Page 9: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

Rfintgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen. 15,0

konnte und dadurch nicht ganz sieher ist. Fluffs/iure konnte auch quali- ta t iv nicht nachgewiesen werden, so dab in dem aus der Lunge gewon- nenen Staub FluBspat in grSllerer Menge jedenfaUs nicht mehr vorhanden ist. Naeh dem Diagramm ist der wichtigste Bestandteil der Quarz, den man andererseits in der chemischen Analyse vermfllt, da dort die Kiesel- s/iure alkalilSslich war, also nieht in kristaUinischer Form vorlag. Der hohe Bestandteil an Kalzium kSnnte auf den Flul~spat hindeuten, dieser miiffte dann entweder intravital abgebaut oder aber beim Aufbereitungs- prozeff der Lunge zerstSrt worden sein. Letzteres ist bei der schonenden Methodik allerdings nieht wahrscheinlich. Es w/~re noch zu kl/~ren, ob die freie, nicht kristallinische Kieselsgure ebenfalls das vom Quarz her bekannte Diagramm ergibt. Es ist dies wahrseheinlich, da auch die kolloidale Kiesels~ure dieses Bild zeigt. Die Unklarheiten waren leider an dem geringen Material, das uns nur dutch die besondere Freundlichkeit von Herrn Prof. Kirch iiberlassen werden konnte, nicht zu 15sen, so dal] der Fall teilweise offen bleiben muB. Es 1/ifft sich nur soviel sagen, daff reiehlich unlSsliche Kiesels/~ure nicht kristallinischer Struktur vorhandr ist, die fiir die Silikose best immend gewesen sein mag, und dab der hohe Gehalt an Kalzium auf den :FluBspat oder den hohen Anteil der Gewebs- salze hindeutet. Wiehtig ist, daff mehr als die H/~lfte der Staubprobe in der verdiinnten Salzs/ture 15slich war. Es w/~re daran zu denken, ob nicht die hohe LSslichkeit des Staubes, die eine Besonderheit des fluff- spathaltigen Gesteins sein mag, Ursache seiner Gefiihrlichkeit ist, denn es ist doeh auffallend, dab gerade bei diesem relativ jungen Mann yon 37 Jahren schon nach 6j/ihriger Arbeit im Steinstaubbetrieb der Tod eintrat und sich bereits pathologisch-anatomisch eine schwere Silikose zeigte.

~bersehen wir diese yon uns an den 11 Lungen erhobenen Befundc noch einmal, so 1/~l~t sich dazu folgendes sagen. Die yon uns benutzte Teehnik der Aufbereitung hat sieh auch an diesem aus der Porzellan- industrie s tammenden Material bew/thrt. Hier erwies es sich als yon besonderer Wiehtigkeit, dab der aus der Lunge gewonnene Staub auch schon vor dem Gliihen untersueht wurde. Wir haben schon frfiher auf diesen Punkt hingewiesen und seine Wichtigkeit betont. Bei den friiheren Untersuehungen an Steinstaublungen war der Staub im allgemeinen hitzefest und erwies sich meist als gliihbest~ndig, so dab dort im grSi~eren Tell der F/~lle das Diagramm des gegltihten Staubes wegen seiner grSferen Klarheit ausgewertet wurde. Es ergaben sich aber auch damals F/ille, in denen das Bild des ungegliihten Staubes herangezogen werden muBte. Bei dem jetzigen Material wurde es fast aussehliel31ich benutzt, da sich die Mineralien der Porzellanindustrie, besonders bei der Anwesenheit yon Kalk- und Eisensalzen durch das Gliihen ver/indern. Es erscheinen dann im Diagramm der gegliihten Staube Linien, die bei der Beurteilung des Falles irrefiihren kfnnen. Bei der Besprechung der einzelnen ]~'/~lle ist

Page 10: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

160 Horst Gartner:

mehffach darauf hingewiesen worden, daB fiir uns das Diagramm des un- gegliihten Staubes maBgebend sein muir, da dort der Staub in der Form zu diagnostizieren ist, wie er in der Lunge lagert. Die chemische Unter- suchung des Staubes hier mit herunzuziehen, erwies sich als wertvoll. Es wurden im ullgemeinen die Diagrammbefunde best&tigt. Leider lieB sich wegen der geringen Stuubmengen in den F/illen, in denen Besonder- heiten uuftruten, eine K1/irung nicht durchfiihren. S(~ w/ire es interessant gewesen, festzustellen, wieso z. B. in Fall 8 sich das Aluminiumoxyd im 15slichen Anteil finder, ws in allen anderen F/illen, in denen sich im Diugrumm Kaolin nachweisen lieB, sieh in der chemischen Analyse sowohl das Aluminiumoxyd wie auch die Kiesels/iure im AlkaliaufschluB fanden, wie es der L6slichkeit des Kaolin entspricht. Auch bei Fall 11, der Flul]spatlunge ware eine genauere und weitgehendere Untersuchung des Staubes sieherlieh aussiehtsvoll gewesen. Es h~tte dort z. ]3. gekl/~rt werden miissen, wieso sich hier Quarzinterferenzen im Diagramm linden und die Kieselsi~ure alkalisch ist. DaB diese MSglichkeit besteht, wurde mit Hinweis auf die kolloidale Kiesels/iure schon angedeutet. Auch w/ire eine genauere Untersuchung des 15sliehen Bestandteiles, in dem sieh die Hiilfte des Staubes fund, nStig gewesen; sie liel] sich leider nicht mehr durchfiihren, du im ganzen nur 170 mg Staub zur Verfiigung standen.

Teilen wh' unsere Fiille nun einmal nach den gefundenen Stauben unter, so ergeben sich 2 Gruppen. Lunge 1 und 2 enthalten ein gebranntes Material, das Sillimanit; Lunge 3 enthielt ebenfalls Sillimanit, dazu aber auch Kaolin, bildet also einen ~bergang zur n/iehsten Gruppe. Die F/ille 4 bis 10 zeigen dagegen s/imtlich ein mehr oder weniger sturkes Hervor- treten des Kaolins, das teilweise der einzige festzustellende Bestandteil ist, z. B. in Fall 6 und 7. In allen F/illen aul]er Nr. 1, 2, 6 und 7 sind Quarzlinien in versehiedener St~rke beigemischt. ~be r diese (~uarz- beimischung ist nun noch:Einige~ zu sagen: Wenn man der Ansicht ist, dub die freie kristallinisehe Kiesels/iure der ~einzige"silikoseerzeugende.:; Stoff ist, so miil~ten die Quarzlinien i n erheblich st/irkerer Form vor- kommen, ju sie miiBten in allen F~llen die beherrschenden Lhfien sein, da (~uarz ein sehr ausgesproehenes Diagrumm gibt und im Mischdia- gramm das der Tonbestandteile relativ stark zuriiekdr/ingt. Dies ist uber bei uns in keinem Fulle so. Im Gegenteil, die Quarzlinien sind in allen Fi~llen nur sehr gering vorhanden. Der Anteil an Quarz kann also nur sehr gering gewesen sein. Die chemsiche Analyse lieferte uns eine wert- volle Best~tigung, denn der alkaliunlSsliche Bestandteil, also der Quarz iiberstieg nur einmal 200 rag, betrug also im allgemeinen nicht einmal 20 %. Wenn man nun iiberlegt, dab die Analysen nach starkem Gliihen angefertigt valrden, da fiir die Analyse die Reste der organischen Substanz entfernt werden rauBten, zu einer Zeit also, in der im Diagramm der Quurzanteil, wahrseheinlieh durch Zerfall yon Kaolin, versti~rkt erschien, so besteht die MSglichkeit durchaus, dab auch die Werte der chemisehen

Page 11: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

t~6ntgen-Feinstrukturuntcrsuchungen an Porzcllanstaublungen. 161

Analyse noch zu hoch sind. Wir miissen also feststellen, dab sich in allen unseren Porzellanarbeiterlungen nur ein geringer Quarzbestandteil findet, der im allgemeinen mit Sicherheit unter 20% liegt, wahrscheinlieh aber noch erheblich geringer ist, als die Werte der chemisehen Analyse zu zeigen scheinen.

Unsere erste Gruppe enthielt also in beiden Lungen Sillimanit, was dureh die ehemisehe Analyse best/~tigt ist. Kiesels~ure land sich weder im Diagramm noch in der Analyse. Hier war ein Entstehen yon Kiesel- s/~ure w/~hrend der Aufbereitung ja auch nieht mehr m6glich, da Silli- manit als gebrarmter Stoff hitzebest/indig ist. Ursache ffir die Staub- lungenerkrankung ist also mit Sieherheit das Sillimanit und man kann sagen, dab die beiden Arbeiter an fertig gebranntem Porzellan gearbeitet haben.

Etwas sehwieriger ist die Deutung der 2. Gruppe (Fall 4---10). Die Lungen enthalten s/imtlich Kaolin und teilweise in gewisser 1VIenge auch Quarz. Die H6he der (~uarzbeimengung war nicht festzustellen, ist. aber sicher nieht so hoch, daft die hier gefundenen Werte den Quarz allein als Ursache fiir die Staublungenerkrankung sicherstellen. Teilweise, Lunge 6 und 7, ist vor dem Gliihen ein reines Kaolin-Diagramm vorhanden und wenn sich in Fall 7 sp~ter in der Analyse 37% unl6sliche Kiesels~ure fanden, so ist das wohl mit Sieherheit auf das Gltihen zuriiekzufiihren, das hier besonders stark durchgeffihrt wurde (siehe bei der Besehreibung des Falles). Die betreffenden Arbeiter haben also in allen diesen Fallen an einem Rohmaterial gearbeitet, das vorwiegend Kaolin und in wech- selnden Mengen Kiesels~ure enthielt, sich also noeh vor dem Gliihprozel3 befand.

Bei Fall 3 handelt es sich um einen Arbeiter, der sowohl mit ge.branntem Material wie auch mit ungebranntem gearbeitet hat. Die Wiehtigkeit derartiger Feststellungen, z .B. ffir Begutaehtungen, liegt auf der Hand. Ober Fall 11 wurde sehon vorn geschrieben und ge- zeig~, dal] eine Deutung hier niche eindeutig m6glieh ist.

Die Fiille der 2. Gruppe, bei denen sieh im Diagramm vorwiegend, ja teilweise allein die Interferenzen des Kaolin linden, regen nun an, noch einmal fiber die Rolle dieses Stoffes bei der Entstehung der Silikose naehzudenken. Wenn der Staub, der eingeatmet wurde, demjenigen entspricht, den wir bei der Untersuchung der Lungen fanden, dann mni3 man folgerichtig zu dem Standpunkt kommen, daft die Gewebsver~nde- rungen dutch das Kaolin entstanden sind und die Kiesels~ure hier nur eine helfende und begleitende Rolle spielt. Die einzige M6glichkeit, dab ein anderer als der yon uns gefundene Staub eingeatmet wurde, ist die, dab der Anteil an ffeier kristallinischer Kiesels~ure in der Lunge aus dem Staub herausgel6st worden ist. Nur dann k6nnte die friiher allgemeine Ansicht, ,,ohne freie kristallinische Kiesels/ture keine Silikose", bei der Porzellanlunge noch weiter vertreten werden. Dieser Grundsatz ist nun

Page 12: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

169, Itorst G~rtner:

schon bei der Asbestose und bei der Talkumlunge durchbrochen women, und so liegt ffir uns nahe zu behaupten, dab auch das Sillimanit und das Kaolin, die ja ebenfalls wie Asbest und Talkum Silikate sind, ohne wesent- liche Quarzbeimengung eine Silikose erzeugen k6nnen. Wenn wir uns noeh nicht zu einer so grundlegenden und schwerwiegenden Behauptung entsehlieBen, so hat das seinen Grund zu einem groBen Teil in den anfangs erws Versuchen yon JStten und Poppinga, denen es auch bei 1/ingerer Bestaubung nicht gelang, das vollst~ndige Gewebsbild der Silikose durch Porzellanstaub bei Kaninchen zu erreichen, wahrend das bei Bestaubung mit reinem Quarz in viel kiirzerer Zeit gelang: Wir m6ehten aber fest- stellen, dab flit die MSglichkeit der Silikoseentstehung durch Kaolin und Sillimanit wiehtige Griinde sprechen. Eine so vollst/indige L6slich- keit der Kiesels~ure, die bei unseren Fifllen teilweise zum vollst~ndigen Herausl6sen der SiO~ aus dem Staub gefiihrt h/itte, ware sicher schon eindeutig bewiesen worden. Darm miiBte auch angenommen werden, dal] sich diese starke L6slichkeit auch bei den Steinstaublungen gezeigt h~tte. Dort war aber das Kiesels~urediagramm immer eindeutig fest- zustellen. Eine vollstiindige L6slichkeit der fl'eien kristallinisehen ](iesel- s~ure w~re auch vom Standpunkt des Chemikers aus auffallend, denn es ist nieht einzusehen, warum die sonst leichter 16slichen Silikate bier widerstandsf~thiger als die reine Kiesels~ure gewesen sein sollen. Die L6slichkeit der Kiesels~ure ist die einzigc MSglichkeit, unsere Befunde zu erkl~ren, wenn man auf dem Standpunkt steht, dab die Silikose nicht ohne freie kristallinische Kiesels/iure entstehen kann. Gegen diese vollst~indige L6slichkeit haben wir nun die schon vorgelegten Bedenken. Fiir die Entstehung durch Kaolin und Sillimanit spricht andererseits zweierlei; erstens, dab man sieh ja aueh bei der Asbestose u n d der Talkumlunge gezwungen sah, die alte Ansicht zu durchbrechen trod zweitens einige Angaben aus der Arbeit yon JStten und Poppinga. Dort wird n~mlich mitgeteilt, dab gelegentlich eine geringe Bindegewebs- vermehrung und eine Verdickung der Trabekel festzustellen war. ])as k6m~te man als beginnende silikotische Gewebsproliferation auffassen und sagen, dal] die Bestaubungszeit, obwohl sie fiir einen Tierversuch auBergew6hnlieh lung war, eben doch nicht ausreichte. Ho]bauer und _Flatzek fanden die Silikose der Porzelliner ja auch nur naeh einer Arbeits- zeit yon mehr als 11 Jahren in den angegebenen Prozentzahlen. Die yon JStten und Poppinga angegebene Ents tehung yon Silikosen dureh Por. zellanstaub bei gleichzeitiger Tuberkuloseinfektion w/~ren dann so erkl/irt, dab dureh die Tbe nur eine Beschleunigung eines normalerweise viel langsamer verlaufenden Vorganges erzielt wird. :Die Arbei t yon JStten und Poppinga, die zun~chst gegen die Annahme einer Kaolin- und Silli- mani thmge zu sprechen schien, gibt also doch sehon einige Hinweise, die fiir eine solche Behauptung heranzuziehen witren. Eine Entscheidung ist z. Zt. nicht zu fiillen, eine Bearbeitung dieses Fragekomplexes scheint

Page 13: Röntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen

RSntgen-Feinstrukturuntersuchungen an Porzellanstaublungen. 1~3

aber naeh unseren Befunden mi t dem RSn tge n -Fe in s t ruk tu rge r~ t , d ic bier vorgelegt wurden , unbed ing t nSt ig und wir we rden zu gegebener Zei t versuchen, zu d iesem Prob lem wei tere Un te r suchungen na me n t l i c h aueh expe r imen te l l e r :Natur anzus te l len .

Die hier mitgeteilten Untersuehungen wurden mit Forschungsmitte]n der deutsehen Forsehungsgemeinschalt und des Reichsarbeitsministeriums durchgefiihrt. Wir danken auch an dieser Stelle fiir die liebenswiirdige Unterstiitzung.

Zusammenfassung ,

:Nach e inem Hinweis auf f f i ihere Un te r suchungen a n S t e in s t aub - lungen wird fiber Un te r suchungen a n 10 Porze l l ans taub- und e iner l~lui3- spa t lunge be r ich te t .

Es l a n d sich in 2 Lungen mi t dem R 6 n t g e n . F e i n s t r u k t u r g e r ~ t Silli- mani t , in ande ren Fi t l len ergab sieh eine Mischung yon K a o l i n m i t Quarz, mi t s t a r k e m ~ b e r w i e g e n des e r s t e r e n .

Auf Grund dieser Befunde wi rd die ~ S g l i c h k e i t de r E n t s t e h u n g yon si l ikoses Gewebsver i inderungen sowohl du tch S i l l imani t wie auch durch das reine Kao l in d i sku t i e r t und f fir mSglich geha l ten .

Schri f t tum. G~rtner: Arch. Gewerbepath. 1939, 377, 634; 1949, 71. --Glocker: Material-

priifung mit R6ntgenstrahlen. Berlin: Julius Springer 1936. - - Haft: Zbl. Ge- werbehyg. 1937, 193. - - J611en: Gewerbestaub und Lungentuberkulosc, Tell 3. Berlin: Julius Springer 1932. - - J6tten u. Arnoldi: Gewerbestaub und Lungen- tuberkulose, Tell 1. Berlin: Julius Springer 1927. - - J6tten u. Kortmann: Gewerbe- staub und Lungentuberkulose, Tell 2. Berlin: Julius Springer 1929. - - J6tten u. Poppinga: Med. Welt 19~6, 545. - - Satoriu8 u. J6tten: Arch. f, Hyg. 19:~, 315. - - Udlu/t: Zbl. Gewerbehyg. 193,5, 81.

:Dr. Horst GSrtner, Hyg. Institut der Westfalisclmn Wilhehns.Universit~t Miinster.