ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER...

28
ROMÉO JULIETTE ET

Transcript of ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER...

Page 1: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

ROMÉOJULIETTE

ET

Page 2: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

VERONA SAH DEREINST ZWEI FEINDLICHE FAMILIEN,DIE MONTAGUES UND DIE CAPULETS

Page 3: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

1

ROMÉO ET JULIETTEOper in fünf Akten von Charles GounodLibretto von Jules Barbier und Michel Carré nach der Tragödie von William ShakespeareKonzertante AufführungIn französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

VERONA SAH DEREINST ZWEI FEINDLICHE FAMILIEN,DIE MONTAGUES UND DIE CAPULETS

Juliette ULIANA ALEXYUKRoméo ELEAZAR RODRIGUEZFrère Laurent AVTANDIL KASPELICapulet NICHOLAS BROWNLEEMercutio Ks. ARMIN KOLARCZYKTybalt JAMES EDGAR KNIGHTStéphano ALEXANDRA KADURINAGrégorio Ks. EDWARD GAUNTTGertrude ARIANA LUCASLe duc YANG XUPâris KONSTANTIN INGENPAß a. G.Benvolio CÉSAR DEL RÍO FUENTES / MANUEL OSWALD

Musikalische Leitung DANIELE SQUEOChorleitung ULRICH WAGNERDramaturgie DEBORAH MAIER

BADISCHE STAATSKAPELLEBADISCHER STAATSOPERNCHOR

PREMIERE 11.2.18 GROSSES HAUSAufführungsdauer 3 Stunden, 1 Pause

Page 4: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

2

DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG!

Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische Assistenz & Einstudierung FRANÇOIS SALIGNAT, JULIA SIMONYAN Studienleitung IRENE-CORDELIA HUBERTI Choreinstudierung MARIUS ZACHMANN Übertitel DEBORAH MAIER Inspizienz GABRIELLA MURARO

Technische Direktion IVICA FULIR, RALF HASLINGER Bühneninspektor RUDOLF BILFINGER Bühne RUDOLF BILFINGER, MARGIT WEBER Leiter der Beleuchtungsabteilung STEFAN WOINKE Leiter Ton- und Videotechnik STEFAN RAEBEL Ton / Video HUBERT BUBSER, JAN PALLMER Leiter der Requisite RALF HASLINGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG

Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/-in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, HELENA WACHAUF Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS MAHLER, NICOLE EYSSELE, VALENTIN KAUFMANN Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Kostümbearbeitung ANDREA MEINKÖHN Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske SABINE BOTT, PETRA MÜLLER

WIR DANKENder Privatbrauerei Hoepfner GmbH für die Unterstützung der Premierenfeier.

Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.

Page 5: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

3James Edgar Knight, Nicholas Brownlee

DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG!

Page 6: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

4

ZUM INHALT

1. Akt

In Verona leben zwei verfeindete Familien: die Capulets und die Montagues. Im Hause der Capulets findet ein Maskenball statt. Außer dem Familienoberhaupt sind sein Neffe Tybalt, Pâris und Capulets Tochter Juliette anwesend. Unter die Gäste haben sich unbemerkt drei Fremde gemischt: Roméo aus dem Hause Montague sowie dessen Freunde Mercutio und Stéphano. Während Mercutio immer übermütiger wird, drängt Roméo ihn, das Fest zu verlas-sen. Sein Traum von letzter Nacht lässt ihm keine Ruhe. Mercutio erzählt von Königin Mab, der Herrin der Träume. Doch Roméos Wehmut bleibt. Mercutio glaubt, er habe Liebeskummer, weil seine Angebetete Rosalinde nicht auf dem Ball ist, und will ihn durch die Bekanntschaft mit anderen Frauen ablenken. Jedoch Roméo hat nur Augen für eine, die er in der Menge ent-deckt: Juliette.

Juliette und ihre Amme Gertrude spre-chen über die Zukunft. Juliette träumt davon, ihre Jugend und Lebensfreude so lange wie möglich zu genießen. Roméo gelingt es, die Amme Gertrude und den Diener Grégorio loszuwerden, und unter vier Augen mit Juliette zu sprechen. Die beiden flirten miteinander. Als Juliettes Cousin Tybalt auftaucht, erfährt Roméo, dass sie eine Capulet ist und zu den Feinden seiner Familie gehört. Schockiert zieht er sich zurück. Im Nachhinein er-kennt Tybalt Roméo als Montague und schwört Rache. Juliette ist verzweifelt. Lieber will sie sterben, als Roméo zu ver-gessen. Noch während des Festes treffen Pâris und Tybalt auf Roméo und Mercutio. Bevor Tybalt auf Roméo losgehen kann, eröffnet der Hausherr Capulet das Fest. Die Montagues verlassen das Haus.

DENNNIEMALSGAB ES SO EIN

LOSHERBES

Page 7: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

5

2. Akt

In derselben Nacht schleicht Roméo sich in den Garten der Capulets und sieht Ju-liette durch das Fenster ihres erleuchteten Zimmers. Sie erscheint auf dem Balkon. Beide gestehen sich ihre Liebe und ver-sprechen einander morgen zu heiraten.

3. Akt

Am nächsten Tag besuchen Roméo und Juliette, in Begleitung von Gertrude, Frère Laurent und bitten ihn, sie zu trauen. Der Priester gibt den beiden seinen Segen und hofft auf baldigen Frieden zwischen den verfeindeten Familien.

Stéphano sucht auf dem Gelände der Capulets nach Roméo, dessen Schicksal er ahnt. Als Grégorio und weitere Diener ihn entdecken und angreifen wollen, sind die Montagues Mercutio und Benvolio zur Stelle, um ihrem Freund zu helfen. Tybalt und Pâris eilen herbei und Tybalt fordert Mercutio heraus. Roméo ermahnt die Beteiligten, Frieden zu schließen. Doch zwischen Tybalt und Mercutio kommt es zu einem Kampf, den Mercutio nicht überlebt. Um seinen Freund zu rächen, tötet Roméo Tybalt und wird infolgedessen vom Herzog aus Verona verbannt. Die Menge beklagt das unheilvolle Ende des Tages.

4. Akt

In der Nacht besucht Roméo Juliette in ihrem Zimmer und berichtet ihr von den Ereignissen: Juliette vergibt ihm seinen Mord an Tybalt. Sie schwören einander ewige Liebe und verbringen ihre Hoch-zeitsnacht.Das Morgengrauen erinnert das Paar an die Wirklichkeit und Roméo verlässt die Stadt. Kurz darauf verkündet Juliettes Vater, er werde Tybalts letzten Wunsch erfüllen, und sie noch heute mit Pâris verheiraten. In ihrer Verzweiflung wen-det sich Juliette an Frère Laurent und bittet ihn um Hilfe. Er gibt ihr ein Mittel, das sie für wenige Stunden in einen to-desähnlichen Schlaf versetzen soll und verspricht, Roméo zu ihr zu bringen. Trotz ihrer Todesangst nimmt Juliette den Trank zu sich.

5. Akt

Man hat Juliette bestattet, da sie alle au-ßer Frère Laurent für tot halten. Der durch einen folgenschweren Zufall unwissende Roméo weint verzweifelt an Juliettes Grab und vergiftet sich. In diesem Augenblick erwacht Juliette. Doch es ist zu spät. Sie tötet sich und stirbt mit Roméo.

Page 8: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

6

Südfrankreich, Côte d’Azur, Frühling in Saint-Raphaël. Sonnige Tage, Spaziergänge am Strand, laue Abende. Charles Gounod konnte sich keinen paradiesischeren Ort für die Arbeit an seinem Herzensprojekt vorstellen: die Oper Roméo et Juliette. Was wie ein Geniestreich wirkt, schien dem Komponisten leicht zu fallen. Er vollendete die fünf Akte in nur wenigen Wochen. Die Kombination aus Umgebung und Sujet war ihm pure Inspiration. Nachdem er vor allem die Balkonszene in Windeseile geschrieben hatte, notierte er im Mai 1865 nach der Fertigstellung des dritten Duetts im vierten Akt: „Das Werk feuerte mich an! Das tut es immer noch! Es entstand aus Ehrlichkeit. Kurzum: Ich glaube fest daran!“.

Endlich hatte Gounod wieder etwas, woran er glauben konnte. Nachdem der Komponist mit Mireille Schiffbruch erlitten und den Faust-Erfolg damit schon fast wieder ver-gessen hatte, war er unsicher geworden. Vielleicht entschied er sich unter anderem deshalb für das populärere Thema, als er 1864 die Wahl zwischen zwei Libretti

hatte: das Angebot von Ernest Legouvé, die Komödie Les Contes de la Reine de Navarre zu adapatieren oder das Libretto seiner langjährigen Weggefährten Jules Barbier und Michel Carré Roméo et Juliet-te zu vertonen. Der Reichtum an diversen Versatzstücken und literarischen Juwelen wie Mercutios Erzählung der Königin Mab, Frère Laurents Predigten oder das Morgen-gedicht über Nachtigall und Lerche mögen ein wirkungsmächtigeres Kapital für die französische Oper abgegeben haben. Den-noch ist Gounods persönliches Interesse an Shakespeares Sujet nicht außen vor zu las-sen. Seit seiner Jugend übte die tragische Liebesgeschichte und die Rivalität zweier Familien eine immense Faszination auf den Komponisten aus. 1839, im Alter von 21 Jahren, hörte er Berlioz‘ Symphonie, die ihn während eines Aufenthalts in der Villa Me-dici bei Florenz zwei Jahre später zu einem Entwurf einer italienischen Oper um Romeo und Julia inspirierte. Weitere 20 Jahre später sollte er also endlich die Gelegenheit bekommen, für das Liebespaar schlechthin eine Oper zu schreiben. Nach dem großen

ZUM STÜCK

DER LANGEDER

ATEMLIEBE

Page 9: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

7

Erfolg mit Faust und dem anschließenden Misserfolg mit Mireille galt es nun, wieder eine Erfolgsoper zu präsentieren. Gounod stand unter enormem öffentlichen und privaten Druck. Vielleicht entschied er sich deshalb für jenen Aufenthalt an der Côte d’Azur, der ihm die benötigte Leichtigkeit im Umgang mit Text und Musik ermöglich-te. Er entwickelte eine innige Beziehung zu den Charakteren, lebte regelrecht mit ihnen, war im produktiven Sinn nahezu besessen von ihrer Geschichte. In seinen Aufzeichnungen ist zu lesen: „Julia hat mich mit ihrem seidenen Faden gefangen genommen, mit dem sie auch schon Romeo umwunden hat.“Als der Komponist 1865 mit der Arbeit be-gann, war er 47 Jahre alt und notierte wäh-rend dieser Zeit, er fühlte sich wieder wie 20. Und wirklich, obwohl er sich nach Erfolg und Anerkennung sehnte und beruflich Grund zur Sorge hatte, ist er aus heutiger Perspektive gemessen an Roméo et Ju-liette weit von Midlife crisis und Zynismus entfernt. Komponiert hat Gounod hingegen jugendliche Sorglosigkeit im besten Sinn, Aufrichtigkeit, Hoffnung und einen tiefen Glaube an die Liebe. Noch als 70-Jähriger soll er gesagt haben, die Liebe sei Mittel-punkt seines Lebens und seiner Arbeit. Seine große Liebesoper ist dafür der beste Beweis.

Im August 1866 war es soweit. Gounod nahm all seinen Mut zusammen und schick-te die Partitur an den Mann, der nun über Sieg oder Niederlage urteilen sollte: Léon Carvalho, Operndirektor des Théâtre Ly-rique und Ehemann der Primadonna des Hauses. Marie Miolan, die besser unter dem Künstlernamen Caroline Carvalho be-kannt war, sollte die weibliche Titelpartie singen. Die Carvalhos lobten Gounods Ar-beit zuerst: „Der erste Akt schließt brillant,

der zweite Akt verläuft zärtlich-verträumt, der dritte kühn und bewegt mit den Duetten und der Verbannung Roméos, der vierte dramatisch und der fünfte tragisch. Es ist ein fein ausgewogener Aufbau.“ Jedoch hatten die erfahrenen und selbstbewussten Carvalhos bald Änderungswünsche. Auf dringenden Wunsch der Primadonna fügte Gounod beispielsweise eine zusätzliche Bravour-Arie, „Je veux vivre“ (Ich will le-ben) ein, in der Madame Carvalho ihre vir-tuose Gesangstechnik präsentieren konnte. Außerdem musste sich der Komponist in der Diskussion um gesprochene Dialoge oder Rezitative zugunsten der Rezitative geschlagen geben, die Monsieur Carvalho bevorzugte. Einige Szenen wurden ausge-dehnt, andere gekürzt oder gestrichen. Und im Laufe der Proben verging Gounod bei-nahe seine anfängliche Euphorie. Und nicht nur der Komponist, auch der Operndirektor war in Sorge wegen ungünstiger Terminpla-nung des Premierendatums. Denn das Jahr der Uraufführung von Roméo et Juliette war auch das Jahr der Weltausstellung in Paris. Bei der Disposition der Premiere hat-te man den Ball mit anschließendem Emp-fang im Rahmen der Ausstellung vergessen. Zum Glück verstand sich Carvalho vortreff-lich auf Werbestrategien und machte aus der Not eine Tugend. Der Vorhang fiel so, dass das Opernpublikum die guten Kritiken anschließend gleich auf dem Ball kundtun konnte. Die Uraufführung am 27. April 1867 am Théâtre Lyrique war ein voller Erfolg.

Dieser Ruhm war verschiedenen Faktoren zu verdanken. Einer davon war selbstre-dend die Primadonna Carvalho, die mit ihrer Virtuosität die Zuschauer in ihren Bann zog. Ein zweiter wesentlicher war allerdings das bestechend gute Libretto des Faust-Duos Barbier und Carré, dem Gounod wie sich herausstellte zu Recht Vertrauen geschenkt

Page 10: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

8

Page 11: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

9Uliana Alexyuk, Eleazar Rodriguez

Page 12: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

10

hatte. Der Text folgte, im Gegensatz zu Bellinis I Capuleti et i Montecchi, Shake-speares literarischer Vorlage einerseits und entsprach dem Zeitgeist des französischen Opernpublikums im 19. Jahrhundert ande-rerseits. Die Librettisten domestizierten Shakespeare sozusagen für das Pariser Publikum des Théâtre Lyrique. Sie behielten die Struktur sowie liebenswerte Details des Stücks bei, ließen dem Liebespaar und vor allem der Musik durch die Anlage der vier Duette viel Raum, und büßten trotzdem nicht an Handlung und Dramatik ein. Jedoch wählten Barbier und Carré einen klaren inhaltlichen Schwerpunkt, der Gounod besonders gefallen haben mochte: die Liebe zwischen Romeo und Julia und die Entwicklung ihrer Beziehung von der ersten Begegnung bis zum gemeinsamen Tod. Die gesellschaftliche Unordnung, die Ungerechtigkeit, die Sinnlosigkeit der Fa-milienrivalitäten – all das rückt in der Oper im Vergleich zu Shakespeare in den Hinter-grund. Neben Romeo und Julia gibt es keine Hauptfiguren. Mercutio, Tybalt, Benvolio und so weiter werden zu Nebencharakteren degradiert. Der Fokus liegt einzig und allein auf dem Liebespaar, Gounods Schwerpunkt manifestiert sich in den Liebesduetten – vier an der Zahl, ein jedes von enormer Dau-er, jedes für sich ein individuelles Juwel, zusammengenommen eine Hommage an die Liebe über den Tod hinaus. Denn – und auch das ist ein Unterschied zu Shakespeare – im Finale des fünften Aktes muss Julia na-türlich noch ein letztes Mal erwachen, um ein Abschiedsduett mit ihrem Liebsten zu singen, bevor beide sterben.

Zwar gewinnen die Duette durch die Her-vorhebung von Barbier, Carré und Gounod in der Dramaturgie der Oper als Handlungs-elemente noch an Bedeutung, doch gehen sie in ihrer Anlage natürlich auf die Dialoge

von Shakespeare zurück. Der Unterschied zur Oper ergibt sich durch die zeitliche Ausdehnung, die dem Wachsen der Liebe des Paares entspricht. Das erste Duett, „Ange adorable“ (Süßer Engel) markiert das erste Kennenlernen von Romeo und Julia auf dem Maskenball. Niemand weiß, wer der andere ist. Man stellt einander Fragen, gibt Antworten, ist mitunter verlegen oder kokett und genießt die entgegengebrachte Aufmerksamkeit und Zuneigung. Die Unbe-schwertheit und die Neugier dieses Duetts, wie wir sie auch bei Julias „Je veux vivre“ erleben, ist hier nur möglich, weil die beiden Jugendlichen noch nicht wissen, in wen sie sich da gerade verlieben. Die Balkonszene im zweiten Akt steht für das erste Date. Romeo wartet unter Julias Balkon auf sie, um mit ihr zu sprechen. Es ist Nacht, man läuft Gefahr, erwischt zu werden. Das Fra-ge-Antwort-Spiel des ersten Duetts ist zu einem wahrhaftigen Dialog geworden. Die Situation ist ernst, beide wissen jetzt um die Brisanz ihrer Verbindung. Julia, im ersten Duett noch bescheiden und schüchtern, fordert jetzt von Romeo ein Zugeständnis, macht ihm sogar einen Heiratsantrag. Nur schwer können die beiden sich trennen, für die Hochzeit bis morgen warten zu müssen, scheint unerträglich.

Wer genau mitgezählt hat, wird es schon bemerkt haben: fünf Akte, vier Liebesdu-ette. Der dritte Akt, mit Romeos und Julias Hochzeit, mit Mercutios und Tybalts Tod der Akt der Liebe und des Todes, kommt zwar mit viel Dramatik, aber ohne Liebesduett aus. Warum? Der zu erwartende Moment für solch ein Duett, die Trauung, wurde für die Oper als Terzett und Quartett konzipiert: Im Mittelpunkt stehen Romeo und Julia, die Trauung vollzieht Frère Laurent, Zeugin ist die Amme Gertrude. Der Schwerpunkt liegt nicht auf der Liebe, sondern auf dem

Page 13: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

11

religiösen Bund, den die beiden miteinander eingehen, personifiziert durch Frère Lau-rent, der die Predigt hält. Die Figur des Prie-sters vergleicht der Komponist übrigens mit der Weisheit und Güte eines Sarastros aus der Zauberflöte. Gounod lässt Lorenzo zu Beginn des Trios mit „Dieu, qui fit l’homme à ton image!“ (Gott, der den Menschen nach seinem Abbild schuf) Mozarts „In diesen heil’gen Hallen“ zitieren, als der um Liebe und Frieden für das Brautpaar bittet. Im anschließenden Quartett danken alle Gott. Gounods Entscheidung, der Religion an dieser Stelle in der Oper so viel Bedeutung beizumessen, erklärt sich durch die Biogra-phie des Komponisten.

Gounod wuchs als Sohn eines Malers und einer Pianistin in seiner Geburtsstadt Paris auf. Er genoss eine katholische Erziehung, hegte großes Interesse für Theologie und war tief gläubig. Zeit seiner Jugend war er zwischen der Faszination hin- und hergeris-sen, die Kirche und Theater abwechselnd auf ihn ausübten. So studierte er nicht nur Musik am Pariser Konservatorium, sondern auch an Saint-Sulpice. Zwischenzeitlich arbeitete er als Kirchenkapellmeister und Organist in Paris und leitete einige Jahre den Orphéon de la Ville de Paris, den größ-ten Männerchor der Stadt. Als er Paris im Zuge des Deutsch-Französischen Krieges verlassen musste und nach London emi-grierte, gründete er dort den sogenannten Gounod’s Choir, aus dem sich später die Royal Choral Society entwickelte. In seinem Werkverzeichnis finden sich neben einigen bekannten Opern vor allem Oratorien und Messen. Populär wurde das Ave Maria von Bach und Gounod, genauer gesagt seine Méditation sur le premier prélude de Bach, eine Melodie für Bachs Präludium in C-Dur des ersten Teils seines Wohltemperierten Klaviers mit dem Text des Ave Maria. Die

Nähe zur Religion und zur Kirche wurde mit Gounods Alter immer intensiver. Als der Komponist 1893 starb, arbeitete er gerade an einem Requiem. Gounods Religiosität zeigt sich in Roméo et Juliette besonders durch die Wichtigkeit des Pfarrers, der den beiden Verliebten eine moralische wie prak-tische Stütze ist, und den intimen Moment eines Ja-Worts letztlich sogar zum Terzett macht. Im Vordergrund steht nicht die junge Liebe, sondern die Verbindlichkeit des reli-giösen Ehebundes durch Gottes Segen.

Das Vorspiel zum dritten Liebesduett im vierten Akt zeigt, dass dem jungen Paar jetzt erst die eigentliche Bewährungspro-be bevorsteht. Das zuletzt am Ende des Prologs erklungene Cellomotiv erscheint wieder, jedoch im Andantino und viel schwermütiger. Die Liebe zwischen Romeo und Julia ist nicht mehr so unbeschwert wie zu Beginn, sondern steht jetzt auf dem Prüfstand. Denn es gibt mehr als schlechte Nachrichten. Romeo hat Julias Cousin Tybalt getötet, nachdem der seinen besten Freund Mercutio ermordet hat. Und Julia? Ihre ersten Worte des Duetts sind: „Je t’ai pardonnée“ (Ich habe dir vergeben). Julia erkennt, dass Romeo keine Schuld trifft. Anschließend erleben die beiden ihre Hochzeitsnacht. Und am nächsten Morgen folgt die spielerische und zugleich tragi-sche Diskussion um Nachtigall und Lerche, die das Ende der Nacht ankündigt und Romeo ins Exil schickt. Trotz der Spielerei spürt man, dass die Beziehung gereift ist. Während „Nuit d’hyménée“ (Hochzeits-nacht) singt das Liebespaar zuerst parallel miteinander, dann sind ihre Phrasen ver-setzt, schließlich singt sogar jeder seine eigene Melodie, der Abstand allerdings wird nie größer als einen Takt. Dreimal wiederholt sich die Hoffnung „Non, ce n’est pas le jour.“ (Nein, es ist noch nicht

Page 14: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

12

Tag), zweimal von Julia, das letzte Mal von Romeo gesungen, immer einen Ton höher, erst in B-Dur, dann in H-Dur, zum Schluss in C-Dur. Doch die Realität lässt sich nicht leugnen. Das Duett endet mit dem sehn-suchtsvollen Motiv, mit dem es begonnen hat. Die Liebe hat einen längeren Atem als die Lerche.

Für das letzte Duett im fünften Akt am Grab Julias haben Gounod und seine Librettisten Shakespeare wirklich opern-fähig gemacht. Anders als in der literari-

schen Vorlage, erwacht Julia – just nach-dem Romeo, über ihren vermeintlichen Tod verzweifelt, das Gift getrunken hat. Jetzt singen sie die letzten Zeilen des vorheri-gen Hochzeitsquartetts nur zu zweit „Dieu de bonté! Dieu de clémence! Sois béni par deux cœurs heureux!“ (Gott der Güte! Gott der Milde! Nimm den Dank zweier glückli-cher Herzen!). Doch ihre Vereinigung auf Erden ist nur noch Utopie. Romeo stirbt und Julia mit ihm. Das Nachspiel hebt ihre Liebe mit unbeirrbarem forte und in ent-schiedenem Es-Dur aus dieser Welt.

DAS HERZ ERGIBT SICH DER LIEBE, UND DAS GLÜCK IST AUF UND DAVON

Page 15: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

13Badische Staatskapelle, Badischer Staatsopernchor

Page 16: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

14

ZUR MUSIK

Dirigent Daniele Squeo im Gespräch mit Dramaturgin Deborah Maier.

Analog zu Shakespeares Schauspiel eröff-net ein Prolog Gounods Oper, der die ge-samte Handlung vorwegnimmt. Was liegt in diesem Beginn?

Eigentlich wird schon alles erzählt. Man erfährt von der Feindschaft der Capulets und Montagues, der Liebe zwischen Romeo und Julia und ihrem tragischen Ende. Was theoretisch eine nüchterne Zusammen-fassung sein könnte, ist das verdichtete Portrait aller Emotionen, die diese Ge-schichte vereint: Gefahr, Ohnmacht, Tod und vor allem Liebe. Der Prolog beginnt mit einem leeren Akkord. Orchestration und Dynamik wirken bedrohlich und kündigen die Tragödie bereits an. Die durchdringen-den Triolen der Posaunen und Trompeten erinnern an Beethovens fünfte Sinfonie. Das Schicksal klopft an. Anschließend ist ein Fugato-Thema zu hören, das Gounods Verehrung für Johann Sebastian Bach und sein Interesse für den Umgang mit Formen

wie dem Kontrapunkt wiederspiegelt. Für mich persönlich repräsentieren die sich umrankenden Linien in der Musik die Fehde zwischen den verfeindeten Familien Capu-let und Montague. Nach dieser Fuge hört man einen Trauermarsch. Erneut erklingt die Triole, anfangs noch schicksalhafte Ahnung, jetzt bittere Realität. Das Ende des Prologs gestaltet ein Motiv, das sich durch die gesamte Oper zieht. Gounod selbst nannte es „Petite ritournelle assez tendre et passionnée“ (Kleines Ritornell, ziemlich zärtlich und leidenschaftlich).

Ritornell, weil es im Balkonduett und spä-ter im Finale wiederkehrt?

Mehr noch. Es handelt sich um ein Liebes-motiv, das für die Verbindung zwischen Romeo und Julia steht und damit als Motto für die gesamte Oper gelten könnte. Gou-nod lässt es von den Celli spielen, die wie kein anderes Instrument sehnsuchtsvolle, romantische und leidenschaftliche Liebe ausdrücken und gleichzeitig die Vereini-gung zweier Menschen, zweier Stimmen,

DIE IST EINENACHTIGALL

LIEBE

Page 17: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

15

imitieren können. Trotz seines positiven Ausgangs ist der Prolog von einem Wechsel zwischen aufkeimender Hoffnung und gna-denloser Enttäuschung durchzogen. Dieser aufreibende Kontrast zwischen Illusion und Desillusionierung symbolisiert die irdische Unmöglichkeit dieser jungen Liebe. Schon die Harmonien, in denen der Chor über Julia und anschließend Romeo singt, sind grundverschieden. Gounod lässt uns hören, wie weit die beiden Welten voneinander entfernt sind. Eigentlich ist mit dem Prolog alles erzählt und die Oper könnte enden. Doch ähnlich wie bei La traviata beginnt hier die Ge-schichte auch mit einem großen Ball, der die Betroffenheit des Zuhörers erst einmal verdrängt, der Gegenwart Platz macht und die Handlung in Gang setzt.

Dass emotionale Situationen durch rationa-le Vorgänge unterbrochen werden, ist nicht selten in dieser Oper. Auch in der Balkon-szene unterbricht die Amme Gertrude immer wieder die Intimität zwischen Julia und Romeo. Nach ihrer Hochzeitsnacht ist es die Lerche als Ankündigung der Dämme-rung, die das Paar an ihre bevorstehende Trennung erinnert.

Die spielerische Diskussion um Nachtigall oder Lerche, wie man sie auch von Shake-speare kennt, sehe ich als Metapher für das Paradox, in dem Romeo und Julia sich befinden. Dieses Paradox liegt in der Glori-fizierung von Tag und Nacht gleichzeitig. In seiner Arie „Lève-toi, soleil!“ (Geh auf, Son-ne!) vergleicht Romeo Julia mit der Sonne und ersehnt ihren Aufgang, ihr Erscheinen. Interessanterweise ist es genau dieses Sonnenlicht des anbrechenden Tages, das Romeo später nach seiner Nacht mit Julia Angst macht. Erst preist er die Dunkelheit vor ihrem Fenster mit den Worten „Ô nuit

divine“ (Oh, himmlische Nacht), später beschwört er sie regelrecht, als er sich am nächsten Morgen wünscht, es sei die Nach-tigall und nicht die Lerche. Die Beziehung spielt sich eigentlich nur nachts ab, an Ju-lias Balkon oder in ihrem Zimmer. Die Nacht gehört den beiden als eine Oase fernab aller Widrigkeiten. Das von Romeo anfangs he-raufbeschworene Tageslicht wird im Verlauf der Oper zu einer Bedrohung. Die vier Duet-te steigern sich zwar von Akt zu Akt an Dra-matik und Intensität, der spannende Aspekt liegt für mich allerdings eher in der existen-ziellen Angst vor und der überbordenden Begierde nach Tag und Nacht zugleich. Während Julia im vierten Akt die treibende Kraft ist, wenn es darum geht, den Tag zu verleugnen, „Ce n’est pas le jour“ (Es ist noch nicht Tag), bedient sich Romeo im letz-ten Akt derselben Worte, um Julia zu trö-sten, wenn er singt „Ce n’est pas le jour, ce n’est pas l’alouette! C’est le doux rossignol, confident de l’amour!“ (Es ist nicht der Tag, es ist nicht die Lerche! Es ist die Nachtigall, verschwiegene Zeugin der Liebe!). Am deutlichsten werden diese ambivalenten Sehnsüchte, wenn Romeo nachts an Julias Balkon die Sonne heraufbeschwört. Ein einziges Paradox. Die Unvereinbarkeit ihrer Liebe liegt in der Unvereinbarkeit von Tag und Nacht.

Gounod komponierte für das Liebespaar vier Duette. Wie beurteilst Du ihre Ent-wicklung?

Die Duette werden immer dialogischer, aufrichtiger, intimer. Das erste Duett „Ange adorable“ (Süßer Engel), ein Madrigal, wirkt im Vergleich zu den folgenden förm-lich und offiziell. Romeo weiß, wie man eine Frau umwirbt. Das Duett basiert auf einem neckischen Frage-Antwort-Spiel. Erst gegen Ende, als Romeo und Julia sich

Page 18: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

16

Page 19: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

17Ks. Armin Kolarczyk, Eleazar Rodriguez

Page 20: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

18

verabschieden, singen sie unisono, sind musikalisch also vereint. Das zweite Duett am Balkon wird von dem besagten Liebes-motiv umrahmt. Im dritten Duett findet die Hochzeitsnacht „Nuit d’hyménée“ statt. Deren Ende – die Diskussion um Nachtigall und Lerche – kann man als Metapher für das Hin- und Hergerissensein zwischen Tag und Nacht verstehen. Das vierte Duett ist ihr letztes. Romeo tritt mit einem langen Monolog auf. Seine Phrase „O ma femme, ma bien aimée“ (Meine Frau, meine Ge-liebte) begleitet dasselbe Motiv, das wir schon aus dem Prolog und aus der Balkon-szene kennen, das Liebesmotiv der Celli. Während Julias Erwachen wiederholt sich Frère Laurents Motiv, das erklingt, als er Julia den Trank anbietet, der sie zum Schein sterben lässt. Das Nachlassen der Wirkung ist komponiert. Der gemeinsame Gesang „Fuyons au bout du monde“ (Lass uns fliehen ans Ende der Welt) erinnert in seiner Leidenschaft an den Beginn des dritten Aktes in Tosca, wenn Floria Tosca und Cavaradossi laut libretto „con grande entusiasmo“ (mit großer Begeisterung) „Trionfal, di nova speme l‘anima freme in celestial crescente ardor“ (Triumphierend, neue Hoffnung schöpfend erbebt die Seele in göttlicher, wachsender Glut) singen. Die enthusiastische Steigerung, das sich gegenseitige Aufstacheln ist in beiden Musiken enthalten.

Trotz des doppelten Todes endet die Oper also hoffnungsvoll?

Sie endet vor allem rätselhaft, überirdisch. Religion und Liebe scheinen zu verschmel-zen. Die letzte Bitte des Paares richtet sich an Gott, der ihnen vergeben möge. Romeo und Julia müssen sterben, ihre Liebe aber ist unsterblich. Sie kann in dieser Welt nicht sein, aber vielleicht in einer anderen. Das

ist ein religiöser und unter Umständen hoff-nungsvoller Gedanke. Die Oper endet also tragisch und tröstlich zugleich.

Die große Liebe, die sogar den Tod über-windet, schlägt bei Romeo und Julia ein wie der Blitz. Bis sie einander begegnen, sind sie eigentlich gar nicht an der Liebe interessiert.

Weder Romeo noch Julia wissen, was Liebe ist – jedoch vor unterschiedlichen Hinter-gründen. Romeo kennt die Frauen, gerade plagt ihn Liebeskummer wegen Rosalinde. Sein Freund Mercutio plant, ihn auf dem Maskenball abzulenken. Wir lernen Romeo als Casanova kennen. Julia hingegen will von den Männern nichts wissen. Ihrer Amme erzählt sie, dass sie nicht im Traum daran denke zu heiraten. Das Madrigal des ersten Aktes könnte Romeo auch mit einer anderen Frau singen. Er greift auf eine alt-bewährte, konventionelle Flirtstrategie zurück. Die folgenden Duette spielen sich allerdings wirklich zwischen den beiden ab, sind persönlich und individuell.

Einen dieser persönlichen Momente, die gemeinsame Hochzeit, komponiert Gounod nicht als Duett, sondern als Terzett.

Ja, der Priester Frère Laurent traut die beiden. Und doch würde ich sagen, ist die Hochzeit eher ein Duett als ein Terzett. Denn Frère Laurent ist eigentlich keine irdische, sondern eine geistliche Figur, die für Gottes Segen, im Grunde für die Religion steht. Zu den essenziellen Fragen des Priesters an Romeo und Julia, nämlich ob sie einander zu Mann und Frau nehmen wollen, komponiert Gounod eine Begleitung mit leeren, stehenden Quinten, lässt das Orchester also nahezu verstummen und fokussiert sich auf das Eheversprechen.

Page 21: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

19

In der Partie des Priesters zeigt sich Gou-nods Fähigkeit, überirdische Vorgänge durch eine menschliche musikalische Sprache zu vermitteln. Laurents lyrische Melodien vereinen religiöse Autorität und menschliche Nähe. Gounod war Katholik durch und durch. Ursprünglich wollte er Priester werden. Frère Laurent ist eine Art religiöser Vater des Paares.

Zu ihrem eigentlichen Vater, dem Grafen Capulet, hat Julia kaum eine Beziehung. Ihr Vertrauen schenkt sie ihrer Amme Gertru-de. Im Gegensatz zu Julias Vater kann sie dem jungen Paar eine Chance geben.

Ja, weil sie Juliette liebt – wahrscheinlich wie eine Mutter. Der Vater stellt sozial-gesellschaftliche Ansprüche an seine Tochter. Julia und ihr Vater singen eigent-lich nie zusammen, der Text identifiziert sie als Vater und Tochter, aber Gounod komponiert sie musikalisch als Fremde. Ihre einzige wirkliche Interaktion besteht in Capulets Forderung an seine Tochter, Paris zu heiraten. Das ist eine interessante Auffassung von Liebe.

Eine Figur, die Gounod und seine Libret-tisten nicht dem Shakespeare-Text ent-nommen haben, ist Stéphano, ein Freund

Romeos und Musiker. Vor dem tödlichen Kampf im dritten Akt hat Gounod ihm einen Chanson komponiert, in dem er um die junge Liebe fürchtet. Wie „Je veux vivre“ oder Mercutios Lied der Königin Mab wirkt die-ses Lied wie ein Fremdkörper in der Oper, der Irritation und Faszination zugleich hervorruft.

Während „Je veux vivre“ später auf Drän-gen der Primadonna der Uraufführung hinzugefügt wurde, sind Mercutios und Stéphanos Lieder von Gounod geplant gewesen. Mercutios rätselhafte Ausfüh-rungen über die Königin der Träume, Mab, entstammen allerdings im Grunde Shake-speares Feder, wohingegen Stéphanos Chanson Gounods Erfindung war. In seiner Fremdartigkeit im Kontext der restlichen Oper erinnert er mich an einen Arien-Typus des Belcanto, die Aria di sorbetto. Gemäß ihrem Namen reichte man dem Publikum währenddessen Eis. Die Funktion dieser musikalischen Form bestand darin, Dar-stellern und Zuschauern vor dem nächsten dramatischen Handlungsschritt, in unserem Fall der tödliche Kampf zwischen Mercutio und Tybalt, die Möglichkeit zum Innehalten und Durchatmen zu geben. Und in der Tat ist der Chanson eine Art musikalische wie inhaltliche Insel im Meer der Dramatik.

DAS UNSELIGE LICHT IST NICHTS ALS SÜSSER WIDERSCHEIN DER STERNE

Page 22: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

20

DANIELE SQUEO Musikalische Leitung

Daniele Squeo studierte Klavier und Chor-leitung in Italien sowie Orchesterleitung in Weimar. Der Preisträger internationaler Wettbewerbe arbeitete mit der Neuen Philharmonie Westfalen, den Philharmoni-kern von Jena und Essen, den Symphoni-kern von Nürnberg und Bochum sowie dem Orchester des Teatro Lirico Sperimentale Spoleto zusammen. Er besuchte Meister-kurse bei Steven Sloane, Sir Roger Nor-rington und Sylvain Cambreling. Operndiri-gate führten ihn mit La traviata nach Rom, Spoleto und Assisi. 2013/14 war er Stu-dienleiter und Kapellmeister am Theater Nordhausen, bevor er 2014 ans STAATS-THEATER wechselte, wo er seit 2015/16 Erster Kapellmeister ist. Hier leitete er I Capuleti e i Montecchi, Der Liebestrank und The Riot of Spring, Repertoirevorstel-lungen, Sinfoniekonzerte und 2017/18 Anna Bolena. Einladungen führen ihn u. a. mit La Cenerentola nach Basel und mit dem Bar-bier von Sevilla nach Bregenz.

ULRICH WAGNER Chorleitung

Ulrich Wagner studierte an der Musik-hochschule Köln Komposition bei Krzysztof Meyer und Mauricio Kagel sowie Dirigie-ren bei Volker Wangenheim. 1995 wurde er als Solorepetitor, später Studienleiter und Kapellmeister ans Theater Krefeld-Mönchengladbach engagiert. 2003 wech-selte er ans STAATSTHEATER und war dort zunächst als Studienleiter, Kapell-meister und Leiter des Opernstudios tätig. Seit 2003 leitet er dort die Kinderkonzerte und die Konzertreihe NachtKlänge. Seit Herbst 2009 ist er neben seinen dirigenti-schen Aufgaben Direktor des BADISCHEN STAATSOPERNCHORES und des Extra-chores. Seit 2005 ist er Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik Karlsruhe, seit 2013 Musikalischer Leiter bei den Volksschauspielen Ötigheim. In der Spiel-zeit 2017/18 leitet er u. a. die Wiederauf-nahme der Zauberflöte und dirigiert die Operette Die lustigen Nibelungen.

Page 23: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

ULIANA ALEXYUK JulietteDie ukrainische Sopranistin war im Förderprogramm des MoskauerBolschoi-Theaters und im Opernstudio der Houston Grand Opera. Nach Gastengagements in New York und Paris kam sie 2015/16 ans STAATS-THEATER, wo sie in der Spielzeit 2017/18 u. a. als Waldvogel in Siegfried, Woglinde in Rheingold und Erste Dame in der Zauberflöte zu erleben ist.

ELEAZAR RODRIGUEZ RoméoRodriguez studierte in seiner Heimat Mexiko und den USA. Seit 2011 gehört er dem STAATSTHEATER-Ensemble an, wo er bisher u. a. Tebal-do in I Capuleti e i Montecchi und Nemorino im Liebestrank sang. Gast-spiele führten ihn als Almaviva in Il barbiere di Siviglia nach London und Graz. In der Spielzeit 2017/18 singt er u. a. Meisterjünger in Wahnfried.

AVTANDIL KASPELI Frère LaurentDer georgische Bass studierte in Tiflis und München, wo er als Sparafucile in Rigoletto debütierte. Am Prinzregententheater war er Komtur in Don Giovanni. Seit 2011/12 ist er am STAATSTHEATER engagiert. Hier singt er die großen Verdi- und Puccinipartien, Sarastro in der Zauberflöte, Fafner in Rheingold und Siegfried und Fiesco in Simon Boccanegra.

Ks. ARMIN KOLARCZYK MercutioDer in Trento aufgewachsene Bariton gehörte zehn Jahre dem TheaterBremen an, bevor er ans STAATSTHEATER wechselte. Hier gestaltete erdie großen Mozart- und Wagner-Partien. Zuletzt war er als Gunther in der Götterdämmerung und in der Titelpartie in Simon Boccanegra zu erleben. 2017 debütierte er bei den Bayreuther Festspielen.

ALEXANDRA KADURINA StéphanoKadurina studierte in ihrer Geburtsstadt Kiew an der Nationalen Musik-akademie und war anschließend im Young Artists Programme des Mos-kauer Bolschoi-Theaters. Seit der Spielzeit 2017/18 ist sie Ensemblemit-glied des STAATSTHEATERS, wo sie u. a. als Wellgunde im Rheingold, Ino in Semele sowie Smeton in Anna Bolena zu erleben ist.

NICHOLAS BROWNLEE CapuletDer amerikanische Bass-Bariton studierte an der Rice University Houston und zählt Titelpartien in Die Hochzeit des Figaro und Herzog Blaubarts Burg zu seinem Repertoire. Seit der Spielzeit 2017/18 ist er Ensemble-mitglied am STAATSTHEATER, wo er u. a. Paolo Albiani in Simon Boccanegra, Melisso in Alcina und Enrico VIII in Anna Bolena singt.

JAMES EDGAR KNIGHT TybaltDer Australier und Juilliard School-Absolvent ist seit 2015 Ensemblemit-glied des STAATSTHEATERS. Hier sang er u. a. Fenton in Falstaff, Macduff in Macbeth, Alfredo in La traviata, Maurizio in Adriana Lecouvreurund Froh in Das Rheingold. In der Spielzeit 2017/18 ist er außerdem als Gabriele Adorno in Simon Boccanegra zu hören.

Page 24: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

KONSTANTIN INGENPAß a. G. PârisKonstantin Ingenpaß kommt aus Osnabrück und studierte zunächst an der Musikhochschule für Musik Detmold, wo er später einen Master in Liedgestaltung in der Klasse von Prof. Manuel Lange absolvierte. Der-zeitig studiert er Operngesang im Masterstudium an der Hochschule für Musik Karlsruhe bei Prof. Friedemann Röhlig.

Ks. EDWARD GAUNTT GrégorioEdward Gauntt studierte in seiner Heimat Texas sowie in Wien. Seit 1985ist er Ensemblemitglied am STAATSTHEATER. 2006 wurde ihm der Titel„Kammersänger“ verliehen. In der Spielzeit 2017/18 ist er u. a. als Dulca-mara in Donizettis Liebestrank, Baron Douphol in La traviataund Dankwart in Die lustigen Nibelungen zu erleben.

YANG XU Le ducDer chinesische Bassbariton absolvierte sein Studium in Peking. Von2013 bis 2015 war er Mitglied des Karlsruher OPERNSTUDIOS, seit 2016ist er fest am STAATSTHEATER engagiert. Hier singt er in der Spielzeit2017/18 u. a. Fasolt in Das Rheingold, Pietro in Simon Boccanegra, Som-nus in Semele und Lord Rochefort in Anna Bolena.

MANUEL OSWALD BenvolioDer Tenor absolvierte ein Gesangspädagogikstudium an der Wiesba-dener Musikakademie sowie das Masterstudium Operngesang an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Nach einigen Engagements u. a. am Theater Hildesheim ist er seit der Spielzeit 2016/17 festes Mitglied im BADISCHEN STAATSOPERNCHOR.

CÉSAR DEL RÍO FUENTES BenvolioDer Tenor kommt aus Santiago de Chile, studierte zunächst Tontechnik und anschließend Gesang in Chile und Essen. Nach Gastengagaments in Gelsenkirchen und Münster wurde er 2012 Mitglied des Opernchores in Osnabrück, wo er als Don Curzio in der Hochzeit des Figaro zu erleben war. Seit 2016 ist er Mitglied des BADISCHEN STAATSOPERNCHORES.

ARIANA LUCAS GertrudeAriana Lucas wurde in Kalifornien geboren. 2011 schloss sie ihr Gesangs- studium am San Francisco Conservatory of Music ab und zog nachDeutschland. Nach ihrem Debüt als Erda in Wagners Rheingold 2016 undeinem Gastengagement als Schwertleite in der Walküre gehört sie seitder Spielzeit 2017/18 zum Ensemble des STAATSTHEATERS.

Page 25: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

Daniele Squeo

Page 26: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

24

BILDNACHWEISE

TITEL Felix GrünschloßPROBENFOTOS Felix Grünschloß

Die Bilder entstanden während einer Bühnenprobe im KLEINEN HAUS.

IMPRESSUM

HERAUSGEBER BADISCHES STAATSTHEATERKARLSRUHE

GENERALINTENDANT Peter Spuhler

KAUFMÄNNISCHER DIREKTORJohannes Graf-Hauber

VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier

CHEFDRAMATURG Jan Linders

OPERNDIREKTOR Michael Fichtenholz

REDAKTIONDeborah Maier

KONZEPT DOUBLE STANDARDS BERLIN www.doublestandards.net

GESTALTUNGRoman Elischer

DRUCK medialogik GmbH, Karlsruhe

BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE 2017/18 Programmheft Nr. 432www.staatstheater.karlsruhe.de

TEXTNACHWEISAlle Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.

MEIN BRAUTBETT SEI MEIN SARG!

Page 27: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

25Uliana Alexyuk

Page 28: ROMÉOET JULIETTEspielzeit17-18.staatstheater.karlsruhe.de/...pgh_romeo_et_juliette_we… · 2 DER RAUSCH DER JUGEND DAUERT NUR EINEN TAG! Spielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische

TRÖSTE DICH, MEINE SEELE, DER TRAUM WAR ZU SCHÖN!