RUBRIKENTITEL UNTERRUBIKENTITEL NR .34,19 AUGUST2013 MIGROS...

2
RUBRIKENTITEL | UNTERRUBIKENTITEL | NR. 34, 19. AUGUST 2013 | MIGROS-MAGAZIN | 26 | Dusty und Mikey starten ein neues Leben Manchmal üben Saskia Stäuble und Michael Odermatt nach Rücksprache in Hotels – wie hier im Hotel Eden au Lac in Zürich.

Transcript of RUBRIKENTITEL UNTERRUBIKENTITEL NR .34,19 AUGUST2013 MIGROS...

  • RUBRIKENTITEL | UNTERRUBIKENTITEL | NR. 34, 19. AUGUST 2013 | MIGROS-MAGAZIN |26 |

    Dusty undMikey

    startenein neues

    Leben

    Manchmal üben Saskia Stäuble undMichael Odermatt nach Rücksprache in Hotels –wie hier imHotel Eden au Lac in Zürich.

  • | MIGROS-MAGAZIN | NR. 34, 19. AUGUST 2013 | MENSCHEN | PORTRÄT| 27

    V iele Jahre lang hatte die gebürtigeBaslerin Saskia Stäuble (31) eineVision: Siewolltemit ihrer Stim-me die Herzen der Menschen berühren.Singen war immer ihre grosse Leiden-schaft; schon als Sechsjährige trat sie inChören und Theaterhäusern auf, mit14 Jahren war sie in einer Girlgroup.Doch ihrLebennahmvieleWendungen,bevor sie an ihr grosses Ziel gelangte.

    IneinemVier-Sterne-Hotel inRhein-feldenAGabsolvierte sie eineKochlehre,arbeitetedanach inZürichund«rutsch-te» in zwei längere Beziehungen. In derzweiten Beziehung kam es zu Gewalt-tätigkeiten, die junge Frau hörte auf zusingen. Erst nach der Trennung wandtesie sich wieder der Musik zu. «Ich wardrei Jahre lang alleine und mussteden Schmerz verarbeiten. Aber meineStimme gab mir immer wieder Kraft»,erzählt SaskiaStäuble—ehrlich,warm-herzig, feinfühlig und verletzlich zu-gleich. Ihr Künstlername «Dusty» (aufDeutsch «staubig») leitet sich vonihremNachnamen ab.

    Danach arbeitete sie im Service undging eine neue Beziehung ein. Sie lebtein einer schönen Wohnung in LuzernundhattegenügendGeld.Und trotzdemsagte ihr eine innereStimme,dass etwasnicht gut sei. Ihr Gefühl wurde immerstärker, dass sie nicht das machte, wassiewirklichwollte.«Voranderthalb Jah-ren ging ich in die Küche und wollte dieKatzen füttern. Plötzlich brach ichzusammen,die linkeGesichtshälftewargelähmt, die Zunge konnte ich nichtmehr bewegen. Ich lag am Boden undweinte nur noch», erzählt Dusty. DieÄrztediagnostizierteneinenHirnschlag,

    Als Saskia Stäublemit nichteinmal 30 Jahren einenHirnschlag erleidet,weiss sie:Es ist Zeit, etwas zu verändernim Leben. Sie erfüllt sich ihrenTraumundwird Sängerin. DurchdieMusik lernt sieMichaelOdermatt kennen.Als DustyundMikeywollen die beiden dieHerzen der Zuhörer erobern.

    die Neurologen konnten sich keinenReim darauf machen. Sie hingegenschon: Sie wusste, dass sie nicht ihrrichtiges Leben lebte. Darauf habe derKörper reagiert.

    Dusty handelte, beendete ihre Bezie-hung und sagte zu ihrer Chefin: «Ichmuss Sängerin werden.» Sie suchteBands zur Kooperation, nahm bei derSendung «Die grössten SchweizerTalente»desSchweizerFernsehens teil,wo Juror DJ BoBo meinte, ihr Talentreiche für Schweizer Bühnen nicht aus.«Ich wusste, ich muss enorm an mirarbeiten.»

    Als sie sich trafen, zeichnete sichamHorizont ein Regenbogen abImSommer2012 reiste sie erstmalsnachNewYork.Als sie amFlughafen JFK lan-dete, brach sie in Tränen aus und sagtesich: «Endlich bin ich zu Hause an-gekommen.» Sie bildete sich bei einerGesangslehrerin weiter und arbeitete ineiner Garderobe, um sich über Wasserzu halten. Zurück in der Schweiz, tratMichael Odermatt (23) in ihr Leben.DieSängerin hörte von jemandem, der NewYorkebenfalls liebtundPianist ist.«Wirhabenunsam15.Juli 2012amBahnhof inLuzerngetroffen.Als er die Sonnenbrilleabnahm, sah ich das Feuer in seinenAugen», erinnert sich Dusty. Sie sagteihm, sie möchte wieder nach New Yorkreisen. Und just in dem Moment, alsMichael sie bat, ein Lied vorzusingen,zeichnete sich am Horizont ein Regen-bogenab.Er erzählt:«Als ich ihrenSonghörte, wusste ich sofort: Das ist es. Ichwurde nervös.»

    AusMichael wurdeMikey, oder «MyKey», mein Schlüssel. Sängerin Dustyund Klavierspieler Mikey trafen sichwieder, stellten fest,dass sie inLuzern indengleichenRestaurantsundCafésver-kehrten, ohne sich je begegnet zu sein.Sie traute ihren Ohren kaum: «Ich habe25 Jahre lang Melodien in mir getragen,und alsMikeymir seine KompositionenaufdemPianovorspielte,hörte ichmei-neeigenenLieder auf einemInstrumenttranskribiert!» Die beiden flogen 2012für einen Monat nach New York undgaben in der Piano-Bar «Don’t TellMama» ihr erstesgemeinsamesKonzert.

    Mikey, der nach der kaufmännischenAusbildung inderGemeindeverwaltungvon Emmen LU in einer Filmvertriebs-firma inderBuchhaltunggearbeitethat-te,entschiedsich,mitDustydiesenMärzerneut fürdreiMonatenachNewYorkzureisen. Sie verkauften Goldvreneli undalles aus ihren Haushalten, das sie inGeld umwandeln konnten, nur um sich

    Manhattan für einpaar zusätzlicheTageleisten zu können. «Meine Familie undmeine engsten Freunden haben amwe-nigstenanmichgeglaubt», räumtMikeyein. «Aber dank der Musik vertrautenwir uns gegenseitig.» Die zwei sind inihrer eigenenWelt angekommen, in dersie immer zu leben wünschten, in derWeltderMusik.«Ichwolltebewusst ausder Komfortzone Schweiz ausbrechenundmeinenHorizont erweitern.Endlichhabe ich einenMenschen gefunden, dergenau gleich denkt wie ich», sagt er.Heute sind Mikey und Dusty nicht nurauf der Bühne ein Paar.

    InNewYork schriebensie einMusicalüber ihre Lebensgeschichte, mietetenStudios,wo sie 20Songs komponierten.Sie mussten 43 Mal ihre Unterkunftwechseln,weil sie sichHotelsnicht leis-ten konnten. Sie übernachteten oft beiEinheimischen, von denen sie spontaneingeladenwurden.Undsiegabenmeh-rereKonzerte.Dusty sagt: «Wir stelltenfest, dass unsere Musik die Menschenund ihre Seelen berührt.» Sie sei früherAussenseiterin gewesen, weil ihr gesagtwurde, ihre Stimme sei zu stark, dieStimmfarbe passe in kein Schema.«Heute bin ich stolz darauf.» UndMikey weiss, dass er mit seinen Piano-klängen die Herzen der Zuhörer öffnenkann. Schon als kleiner Junge spielte erKlavier.

    Die Fansmehren sich, und dochwird dasGeld langsamknappInzwischen hat das Duo auf Facebooküber64000Fans,viele zwischen 14und25 Jahre alt. Rund ein Viertel der Fanswohnt inTunesien,«weil dieEinheimi-schen dort noch mehr mit dem Herzenleben». Für die beiden Herzensmen-schen ist es deshalb nur logisch, insnordafrikanische Land zu reisen. «Wirwerden imSeptembernachTunis fliegenund mehrere Konzerte in einem Hoteloder in einem kleinen Theater geben»,sagt Dusty. Sie sind daran, die Reise zuorganisieren — wohl wissend, dass esohne Sponsoren nicht geht. Denn mo-mentan lebtdasPaarnochvomGeldausdem Verkauf ihrer Habe. Langsam gehtes ihnen aber aus. «Wir sind tapfer undglauben, dass sich für uns und unsereMusik irgendwo eine Tür öffnet», sagtMikey. Text: Reto E.Wild

    Bild: Tanja Demarmels

    Das nächste Konzert in der Schweiz:1. September 2013 ab 14 Uhr in Gelfingen/Hitz-kirch LU im Festsaal des Schlosses Heideggwww.dustofsoul.com