Rundfunk-Gebühr, Programm-Entgelt oder Audiovisions-Steuer"

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RUNDFUNKRECHT 267 medien und recht 5/09 . Einleitung „0,72 Euro pro Tag verbleiben dem ORF“ vom sogenann- ten Programmentgelt. Die nicht nur von anderen Medien oft thematisierte Frage der Finanzierung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks und der dadurch aufgebaute Rechtfertigungsdruck veranlassen den ORF im Wege seiner mit der „Einhebung der Gebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte“ betrauten Tochtergesellschaft Gebühren Info Service GmbH (GIS) 1 ) regelmäßig anhand derartiger Rechenbeispiele begreifbarer zu machen, wie „günstig“ die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags tatsächlich ist 2 ) und dass der Anteil des Einzelnen im europäischen Vergleich im unteren Bereich angesiedelt ist. In der weitaus überwiegenden Anzahl europäi- scher Staaten existiert „öffentlich-rechtlicher“ Rundfunk oder eine diesem Begriff nahekommende Einrichtung. Allen diesen Einrichtungen ist gemeinsam, dass die Art ihrer Finanzierung und dabei insbesondere die Höhe der Beiträge mit sicherer Regelmäßigkeit Gegenstand tages- politischer Diskussionen ist. Zur Finanzierung und dabei insbesondere bei der Finanzierung durch „staatliche Mittel“ und der Art deren Einhebung bestehen in Europa unterschiedlichste Modelle. Das Einhebeverfahren findet zum Beispiel in Großbritannien und Dänemark durch die öffentlich- rechtliche Rundfunkanstalt selbst statt. In Österreich, Deutschland und der Schweiz sind für das Gebührenin- kasso beauftragte Gesellschaften zuständig. Im Wege einer Steuer werden sie u.a. in Spanien, Portugal, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Frankreich eingezogen. Selbst der Europäische Gerichtshof für Men- schenrechte hatte sich schon in einer Entscheidung mit der Frage der Rundfunkgebühren in Form einer geräte- bezogenen Steuer zu beschäftigen: Dabei hat er das Ver- siegeln eines Fernsehgerätes als legitime Maßnahme angesehen, um die Bürger (Italiens) davon abzuhalten ihr „Abonnement“ des öffentlich-rechtlichen Fernse- hens zu beenden. Ein System, mit dem (vorausgesetzt dies ist technisch möglich) ausschließlich private Kanäle verfolgt würden, ohne die „licence fee“ zu bezahlen, würde die Steuer ihrer Zielsetzung berauben, da es sich um einen Beitrag zu einem „community service“ handelt und nicht um den im Austausch für ein spezifisches Pro- gramm gezahlten Preis. 3 ) Der vorliegende Artikel soll sich daher mit eini- gen Fragestellungen zum Themenkomplex der „Rund- funkgebühren“ auseinandersetzen und überblicksartig einige Ideen zur aktuellen Diskussion beisteuern. II. Historie, Fakten, Daten 1. Verpflichtung Die Österreicher verdanken es dem Rundfunkgebühren- gesetz (RGG) 4 ), dass sie – wenn von ihnen eine soge- nannte „Rundfunkempfangseinrichtung“ betrieben oder auch nur betriebsbereit gehalten wird – „Gebühren“ zu entrichten haben. Diese Verpflichtung hat eine lange Tradition. Mit dem RGG wurde nämlich nur die in Geset- zesrang stehende sogenannte Rundfunkverordnung 5 ) mit ihrer Bewilligungspflicht für Rundfunk-Empfangs- anlagen zugunsten einer bloßen Meldepflicht abgelöst. Im selben Atemzug ist die Zuständigkeit zur Einhebung der Gebühren von der gestrengen Post- und Telegra- phenverwaltung („Rundfunkamt“) 6 ) auf die nunmehr auf Information statt Kontrolle setzen[de]7 ) GIS über- gegangen. Unverändert übernommen wurde aber, dass der Besitz eines (Fernseh)Rundfunkempfangsgeräts (wie die den Konsum ermöglichende technische Vorrichtung damals bezeichnet wurde) die Verpflichtung zur Entrich- tung unterschiedlicher „Gebühren“ und Abgaben eben- so begründete wie die Verpflichtung zur Leistung des dem ORF zugute kommenden „Programmentgelts“ 8 ). Rundfunk-Gebühr, Programm-Entgelt oder „Audiovisions-Steuer“ Horror oder Vision? Ein Diskussionsbeitrag von Michael R. Kogler Mag. Michael Kogler ist stellvertretender Leiter der Medienabteilung im Bundeskanzleramt/ Verfassungsdienst. Der Aufsatz gibt ausschließ- lich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder. 1) § 5 Rundfunkgebührengesetz, BGBl. I Nr. 159/1999 in der Fas- sung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003. 2) http://www.orf-gis.at/?kategorie=gebuehren&thema=tabelle_tv (Stand 20.8.2009) und die dort abrufbare Aufstellung, wonach die Höhe der „Gesamtgebühren“ je nach Bundesland zwischen 18,61 Euro und 23,71 Euro schwankt. 3) EGMR, Décision sur la recevabilité de la requête no 33/04 de Bruno Antonio Faccio contre Italie, 31.3.2009. 4) BGBl. I Nr. 159/1999 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003. 5) Stammfassung BGBl. Nr. 333/1965; vgl dazu Twaroch/Buchner, Rundfunkrecht in Österreich 4 , 1992, Seite 138f. 6) Vgl. Art VI des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/1997, wonach der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr der PTA die Erteilung von Rundfunkbewilligungen und der Einhebung übertragen kann. 7) So zumindest deren Geschäftsführer vgl http://www.orf- gis.at/index.php?kategorie=news&artikel=2680 (Stand 20.8.2009). 8) In § 31 ORF-G, davor in § 20 RFG, BGBl. Nr. 379/1984.

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RUNDFUNKRECHT 267

medien und recht 5/09

. Einleitung

„0,72 Euro pro Tag verbleiben dem ORF“ vom sogenann-ten Programmentgelt. Die nicht nur von anderen Medienoft thematisierte Frage der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der dadurch aufgebauteRechtfertigungsdruck veranlassen den ORF im Wegeseiner mit der „Einhebung der Gebühren und sonstigerdamit verbundener Abgaben und Entgelte“ betrautenTochtergesellschaft Gebühren Info Service GmbH(GIS)1) regelmäßig anhand derartiger Rechenbeispielebegreifbarer zu machen, wie „günstig“ die Erfüllung desöffentlich-rechtlichen Auftrags tatsächlich ist2) und dassder Anteil des Einzelnen im europäischen Vergleich imunteren Bereich angesiedelt ist.

In der weitaus überwiegenden Anzahl europäi-scher Staaten existiert „öffentlich-rechtlicher“ Rundfunkoder eine diesem Begriff nahekommende Einrichtung.Allen diesen Einrichtungen ist gemeinsam, dass die Artihrer Finanzierung und dabei insbesondere die Höhe derBeiträge mit sicherer Regelmäßigkeit Gegenstand tages-politischer Diskussionen ist.

Zur Finanzierung und dabei insbesondere beider Finanzierung durch „staatliche Mittel“ und der Artderen Einhebung bestehen in Europa unterschiedlichsteModelle. Das Einhebeverfahren findet zum Beispiel inGroßbritannien und Dänemark durch die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt selbst statt. In Österreich,Deutschland und der Schweiz sind für das Gebührenin-kasso beauftragte Gesellschaften zuständig. Im Wegeeiner Steuer werden sie u.a. in Spanien, Portugal,Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Frankreicheingezogen.

Selbst der Europäische Gerichtshof für Men-schenrechte hatte sich schon in einer Entscheidung mitder Frage der Rundfunkgebühren in Form einer geräte-bezogenen Steuer zu beschäftigen: Dabei hat er das Ver-siegeln eines Fernsehgerätes als legitime Maßnahmeangesehen, um die Bürger (Italiens) davon abzuhaltenihr „Abonnement“ des öffentlich-rechtlichen Fernse-hens zu beenden. Ein System, mit dem (vorausgesetztdies ist technisch möglich) ausschließlich private Kanäleverfolgt würden, ohne die „licence fee“ zu bezahlen,würde die Steuer ihrer Zielsetzung berauben, da es sichum einen Beitrag zu einem „community service“ handeltund nicht um den im Austausch für ein spezifisches Pro-gramm gezahlten Preis.3)

Der vorliegende Artikel soll sich daher mit eini-gen Fragestellungen zum Themenkomplex der „Rund-funkgebühren“ auseinandersetzen und überblicksartigeinige Ideen zur aktuellen Diskussion beisteuern.

II. Historie, Fakten, Daten

1. Verpflichtung

Die Österreicher verdanken es dem Rundfunkgebühren-gesetz (RGG)4), dass sie – wenn von ihnen eine soge-nannte „Rundfunkempfangseinrichtung“ betrieben oderauch nur betriebsbereit gehalten wird – „Gebühren“ zuentrichten haben. Diese Verpflichtung hat eine langeTradition.

Mit dem RGG wurde nämlich nur die in Geset-zesrang stehende sogenannte Rundfunkverordnung5)mit ihrer Bewilligungspflicht für Rundfunk-Empfangs-anlagen zugunsten einer bloßen Meldepflicht abgelöst.Im selben Atemzug ist die Zuständigkeit zur Einhebungder Gebühren von der gestrengen Post- und Telegra-phenverwaltung („Rundfunkamt“)6) auf die nunmehr„auf Information statt Kontrolle setzen[de]“7) GIS über-gegangen.

Unverändert übernommen wurde aber, dass derBesitz eines (Fernseh)Rundfunkempfangsgeräts (wie dieden Konsum ermöglichende technische Vorrichtungdamals bezeichnet wurde) die Verpflichtung zur Entrich-tung unterschiedlicher „Gebühren“ und Abgaben eben-so begründete wie die Verpflichtung zur Leistung desdem ORF zugute kommenden „Programmentgelts“8).

Rundfunk-Gebühr, Programm-Entgelt oder„Audiovisions-Steuer“Horror oder Vision? Ein Diskussionsbeitrag

von Michael R. Kogler

Mag. Michael Kogler ist stellvertretender Leiterder Medienabteilung im Bundeskanzleramt/Verfassungsdienst. Der Aufsatz gibt ausschließ-lich die persönliche Auffassung des Verfasserswieder.

1) § 5 Rundfunkgebührengesetz, BGBl. I Nr. 159/1999 in der Fas-sung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003.

2) http://www.orf-gis.at/?kategorie=gebuehren&thema=tabelle_tv(Stand 20.8.2009) und die dort abrufbare Aufstellung, wonachdie Höhe der „Gesamtgebühren“ je nach Bundesland zwischen18,61 Euro und 23,71 Euro schwankt.

3) EGMR, Décision sur la recevabilité de la requête no 33/04 deBruno Antonio Faccio contre Italie, 31.3.2009.

4) BGBl. I Nr. 159/1999 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.I Nr. 71/2003.

5) Stammfassung BGBl. Nr. 333/1965; vgl dazu Twaroch/Buchner,Rundfunkrecht in Österreich4, 1992, Seite 138f.

6) Vgl. Art VI des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/1997, wonachder Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr der PTA dieErteilung von Rundfunkbewilligungen und der Einhebungübertragen kann.

7) So zumindest deren Geschäftsführer vgl http://www.orf-gis.at/index.php?kategorie=news&artikel=2680 (Stand20.8.2009).

8) In § 31 ORF-G, davor in § 20 RFG, BGBl. Nr. 379/1984.

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2. Rundfunkgebühr, Landesabgabe, Kunstförde-rungsbeitrag, Programmentgelt

Unter der im allgemeinen Sprachgebrauch üblichenBezeichnung „Rundfunkgebühren“ werden – wie aus dernachstehenden Aufschlüsselung in finanziellen Detailsersichtlich – Beiträge aufgrund unterschiedlicher gesetz-licher Regelungen eingehoben. Tatsache ist, dass dieSteirer mit monatlich derzeit 23,06 Euro (für eine kombi-nierte Meldung) am Meisten, die Vorarlberger undOberösterreicher mit 18,61 Euro9) am „Wenigsten“ zu„gemeinnützigen“ Zwecken (einschließlich der Erhal-tung eines dem § 4 ORF-G entsprechenden [öffentlich-rechtlichen] Programmangebots) beitragen müssen:

Die in diesem Betrag enthaltene, gemäß § 3RGG eingehobene sogenannte Radiogebühr in derHöhe von 0,36 Euro und die Fernsehgebühr in der Höhevon 1,16 Euro fließt dabei dem allgemeinen Bundeshaus-halt zu. Aus diesen Einnahmen hat der Bund seinerseitsrund 21 Millionen Euro für zumindest dem Medienbe-reich nahestehende Sachzwecke in Form unterschiedli-cher Fonds zur Verfügung zu stellen.10)

Der nach dem Kunstförderungsbeitragsgesetz11)eingehobene Beitrag für Zwecke der Kunstförderung inder Höhe von 0,48 Euro wird als gemeinschaftliche Bun-desabgabe zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.12)Derzeit ergibt dies eine Aufteilung zwischen Bund, Län-dern und Gemeinden im Verhältnis von 67,765 : 20,524 :11,711.13)

Die als Landesabgabe den Bundesländern (ebenmit Ausnahme Oberösterreichs und Vorarlbergs)zufließenden Erträge werden von diesen für Musikschu-len14) ebenso verwendet wie z.B. für den Betrieb von Bil-dungszentren und von Festspielen15), Kinoförderung,Denkmalschutz16), Unterstützung von Kriegsopfern,Landesarchive17), Sport(stätten)förderung, Büchereiwe-sen, Lichtbildwesen, Heimat- und Brauchtumspflege18),Altstadterhaltung oder die Förderung neuer Medien.19)

3. „Gebühren“-Aufkommen und -verteilung

Per 31.12.2008 betrug die Anzahl der „Rundfunkge-bührenteilnehmer“ 3.403.407 (bei insgesamt rund 3.56Millionen Haushalten), davon waren im Jahr 2008323.139 Teilnehmer rundfunkgebührenbefreit20).

Die Schwarzseherquote umfasst nach den Anga-ben der GIS in privaten Haushalten 2,5 %. Das „Trans-aktionsvolumen“ der GIS für die AnspruchsberechtigtenORF, Bund und Länder betrug im Jahr 2008 724,2 MioEuro (gegenüber 682,5 Mio Euro im Jahr 2007).

Für die jeweiligen Berechtigten wurden im Jahr2008 somit folgende Summen eingehoben: (Tabellenebenstehend)

III. Programmentgelt – Wann und wofür ?

Die Verpflichtung zur Entrichtung von Rundfunkge-bühren und dabei insbesondere auch das im Gegenzugvom ORF gestaltete Angebot sind immer wieder Gegen-stand kontroversieller Diskussionen nicht nur in unter-schiedlichsten Diskussionsforen21). Das Thema beschäf-

tigt vielmehr aus unterschiedlichsten Gründen regel-mäßig im Wege von Entschließungsanträgen auch denNationalrat22) oder führt (nicht nur in Österreich) immerwieder zu „Petitionen“ unterschiedlichster politischerProvenienz.23)

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medien und recht 5/09

Aufkommen aus Rundfunkgebühren, dem Programm-entgelt und den gebührenabhängigen Bundes- und

Landesabgaben im Jahr 2008:

Bund 51.332.279,54

ORF*) 546.771.925,74

Kunstförderung 16.690.983,27

Burgenland 2.813.468,53

Kärnten 10.456.460,11

Niederösterreich 26.600.582,15

Oberösterreich 0,00

Salzburg 6.786.156,04

Steiermark 23.300.075,22

Tirol 8.900.036,66

Vorarlberg 0,00

Wien 30.497.231,60

Total 724.149.198,86

*) incl. USt.

9) Quelle GIS Stand 1. Juni 2008.10) Von den diesbezüglichen Mitteln „wandern“ 13,5 Millionen in

die Fernsehfilmförderung, 5 Millionen in die „kommerzielle“Privatrundfunkförderung, 1 Million in die „nichtkommerzielle“Rundfunkförderung, 500.000 in die Digitalisierung der Rund-funkübertragung, 150.000 in der Förderung der Selbstkontrolleder Presse und 50.0000 Euro in die Förderung der Selbstkon-trolle im Bereich der kommerziellen Kommunikation (vgl. die§§ 9a, 9f, 9i, 9j, 9m KOG und § 12a PrFG jeweils in der Fassungdes Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2009).

11) Vgl BGBl. Nr. 573/1981 i.d.F. BGBl. I Nr. 34/2005.12) Vgl § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 FAG 200813) Vgl. die Verordnung des BMF über die Prozentsätze für die

Verteilung der Ertragsanteile im FAG 2008 für die Jahre 2008bis 2010, BGBl. II Nr. 349/2008.

14) Kärntner Landesmusikschul-Förderungsbeitragsgesetz, LGBl.Nr. 92/2005.

15) Burgenländisches Kulturförderungsbeitragsgesetz StF LGBl.Nr. 37/2002.

16) Salzburger Rundfunkabgabegesetz StF LGBl. Nr. 26/2000.17) Steiermärkisches Rundfunkabgabegesetz, StF LGBl. Nr.

36/2000.18) Tiroler Kulturförderungsabgabegesetz, LGBl. Nr. 86/2005

durch einen Verweis auf das Tiroler KulturförderungsgesetzLGBl. Nr. 35/1979.

19) Wiener Kulturförderungsbeitragsgesetz LGBl. Nr. 23/2000.20) Vgl http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/

haushalte_familien_lebensformen/index.html) Die (teilweise)Refundierung dieses Gebührenausfalls wird derzeit heftig in derVorbereitung einer Novelle zum ORF-G diskutiert.

21) Vgl z.B. http://derstandard.at/?url=/?id=2556962%26sap=2%26_seite=7 mit mehr als 700 Eintragungen innerhalb wenigerStunden (Stand 20.8.2009).

22) Vgl. zuletzt Entschließungsantrag betreffend „Rundfunkge-bühren-Reformpaket“ 453/AE, XXIV. GP; davor ua. 326/AEXXIV. GP, 300/AE XXIII. GP, 360/AE, XXII.GP.

23) http://www.gebuehrenzahler.at/petition.php; http://www.weg-mit-den-orf-gebuehren.at/index.php?option=com_content&task=view&id=85&Itemid=46.

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1. Austauschbeziehung

Gerade in jüngerer Zeit ist der Themenkomplex derRundfunkgebühren aber vor allem durch die Befassungder beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in dieSchlagzeilen geraten.

So hat sich zu dieser Frage im Herbst des letztenJahres der Verwaltungsgerichtshof zu Wort gemeldet24).Konsequenz der Entscheidung vom 4. September 2008Zl. 2008/17/0059 ist es, dass bestimmte Haushalte „künf-tig die Wahl haben (…) der Pflicht zur Entrichtung desFernseh-Programmentgelts zu entgehen“25), wenn nuranaloge Satellitenanlagen und digitale Satellitenreceiverohne ORF-Smart-Card betrieben werden und auch keinanaloger oder (mittels DVB-T Modul) digitaler terrestri-scher Empfang möglich ist.

Schon die Überschrift vor § 31 ORF-G (‚Pro-grammentgelt‘) legt nach der knapp gehaltenen Begrün-dung des VwGH nahe, dass eine „Austauschbeziehungzwischen dem Empfang der Programme des ORF unddem dafür zu leistenden Entgelt besteht“ und von der ineinem Austauschverhältnis stehenden Pflicht zur Ent-richtung des Programmentgeltes aber die Art und Weisederen Entrichtung zu unterscheiden ist.

Nach geltender Rechtslage im Lichte der Inter-pretation durch den Verwaltungsgerichtshof genießendamit rund 54% der Rundfunkteilnehmer26) ein potenti-elles „Wahlrecht“, auf den Empfang der ORF-Program-me zu verzichten und damit der ORF-Programmentgelt-pflicht zu entgehen. Der Einnahmenausfall beträgt proTeilnehmer für den ORF rund 130,– Euro jährlich.Nähme man an, dass die Unzufriedenheit der Konsu-menten über das Gebotene steigt und damit eine Zunah-me der Abmeldungen zu verzeichnen wäre, so wäre zurBeseitigung des Problems der Gesetzgeber nicht nur ininhaltlicher Hinsicht beim ORF-G sondern auch bei derFrage der Finanzierung dringend gefordert. Bislang dürf-ten die Folgen noch überschaubar sein, denn die GIS hatvon März bis Juni 2009 insgesamt 6862 „Aussteiger“ regi-striert.27)

Auch der Verfassungsgerichtshof hatte sichschon mit dem Fall eines Klubdirektors einer Landtags-fraktion in Tirol, der angeblich mangels Ausstattung miteiner für den Empfang von digitalem terrestrischen Fern-sehen geeigneten Box den ORF nicht empfangen kann,zu befassen.28),29) Der VfGH hat allerdings die Be-schwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten30),da „spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen zurBeurteilung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellensind“. Dazu verwies der VfGH auf das zuvor dargestellteErkenntnis des VwGH und auf seinen eigenenBeschluss, wonach die Regelung zum Programmentgeltnicht Anwendung findet, wenn einer Person aus techni-schen Gründen jeglicher Empfang der ORF-Programmeunmöglich ist.31)

2. Rundfunkempfangseinrichtung

Das RGG knüpft für die Verpflichtung zur Entrichtungvon Gebühren und damit verbundener Abgaben undEntgelte an das Vorliegen einer „Rundfunkempfangs-

einrichtung“ an. Nach der Gesetzesdefinition liegt einesolche bei technischen Geräten vor, „die Darbietungenim Sinne des Artikels I Abs. 1 des Bundesverfassungsge-setzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rund-funks, BGBl. Nr. 396/1974, unmittelbar optisch und/oderakustisch wahrnehmbar machen.“ Nach den Materiali-en32) zu dieser Regelung soll es auf eine bestimmte Gerä-tekonstellation nicht ankommen, „entscheidend ist, dassder Rundfunkkonsum ermöglicht wird“.

Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit genügtdie Darstellung, dass darunter unabhängig von der jewei-ligen Verbreitungs-/Empfangstechnik (Terrestrik, Kabeloder Satellit) Fernseh- und Radiogeräte mit einem Tunerfallen. Genauso ist ein PC, über den „tatsächlich mittelsRundfunktechnologien verbreitete Programme“ emp-fangen werden können, als solche zu betrachten, wennder Empfang „etwa durch eine TV- oder Radiokarteoder einen DVB-T Stick“ möglich ist.33)

IV. Rundfunk und Online

Die Verbreitung audiovisueller Inhalte über den „klassi-schen“ Fernsehapparat wirft für die Frage der Verpflich-tung zur Entrichtung von Gebühren samt Entgelt (abge-sehen von der vom VwGH vorerst abschließend geklär-ten Frage) keine spezifischen Probleme auf. Wohl aberstellt die technische Weiterentwicklung die Rechtswis-senschaft ebenso auf den Prüfstand wie die damit einher-gehende Ausstattung der „Gebührenhaushalte“ mit PCdie Diskussion über die Bereitschaft zur Entrichtung vonGebühren neu entfacht.

69% der Haushalte hatten im Jahr 2008 Zugangzum Internet. Der Anteil der Haushalte, die sich inÖsterreich für einen Breitbandanschluss entschiedenhaben, lag im Jahr 2008 bei 55%.34) Einer EuropäischenErhebung zufolge nutzen Anfang 2007 bereits 10,4 %

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24) Das Erkenntnis fiel für manche zwar überraschend aus, späte-stens seit dem Beschluss des VfGH vom 10.10.2001, G 66/00konnte diese Sichtweise zumindest die Fachkreise nicht völligüberraschen. Vgl dazu Kogler/Traimer/Truppe, aaO.

25) Verkürzt aus Truppe, Rundfunkgebühren und Programment-gelt im digitalen Fernsehzeitalter, MR 2008, 323 ff.

26) So hoch ist die Anzahl der Satellitenhaushalte: die 7% analogenHaushalte können den ORF nicht empfangen, die 47% digitalenkönnten theoretisch ihre den Empfang der ORF-Programmeermöglichende Smartcard zurückschicken. http://mediarese-arch.orf.at/index2.htm?fernsehen/fernsehen_heimel.htm(Stand 20.8.2009)

27) Standard 13. August 2009 „Höchstgericht kostete 6862 TV-Gebühren-Zahler“.

28) http://www.anwaltaktuell.at/anwalt/artikel415.html (Stand20.8.2009).

29) Der VfGH hat sich in seinem Beschluss vom 10.10.2001, B 66/00bereits einmal damit auseinandergesetzt, dass Programmentgeltdann nicht zu bezahlen ist, wenn überhaupt keine technischeVersorgung mit Programmen des ORF stattfindet. Vgl dazunäher Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgeset-ze2, 143.

30) B 1500/07 vom 15. 12.2008.31) Vgl Fn 24.32) IA 1163/A, 2039 BlgNR, XX. GP.33) Vgl. dazu auch Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rund-

funkgesetze2, 581.

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Personen mit Internetzugang diesen zum Konsum vonWeb-Radio und von Web-Fernsehen.35)

Dem technologischen Fortschritt entsprechendentwickelten sich im Internet auch ausschließlich aufaudiovisuelle Inhalte spezialisierte Abruf-Angebote vonTageszeitungen, klassischer „elektronischer“ Medienun-ternehmen, Unternehmen aus dem Telekombereichoder der „Computer- und Softwarebranche“. Auch dasEuropäische Parlament und der Papst bieten mittlerwei-le „Online“-TV36)37) an. Schließlich umfasst das Ange-bot vieler klassischer Rundfunkveranstalter auch Strea-ming bzw. Webcasting, sodass im Wege einer bidirektio-nalen Verbindung zu einem Server Radio38)- oder Fern-sehprogramme39) in Echtzeit über einen PC oder ein son-stiges Gerät mit Internetanschluss abgerufen werdenkönnen, ja bisweilen Programme sogar ausschließlichüber Internet verbreitet werden. In technischer Hinsichtbeschreibt Streaming Media den Oberbegriff für Strea-ming Audio und Streaming Video (bekannt als Web-Radio und Web-TV).40)

Die nicht unumstrittene Frage im gegebenenZusammenhang ist, ob auch der „Empfang“ von Web-TV die Verpflichtung zur Entrichtung von Gebührenauslöst, konkret ob es sich bei einem PC mit Internetan-schluss (ob mobil oder kabelgebunden) um eine Rund-funkempfangseinrichtung im Sinne des RGG handelt.Diese Diskussion beschäftigt die Rechtswissenschaft unddie Vollzugspraxis nun schon seit geraumer Zeit. Trotzder Ähnlichkeit mancher Onlinemedien mit dem „Rund-funk“ liegt aber zu dieser mittlerweile offenkundigenAbgrenzungsfrage noch keine Judikatur der Gerichtshö-fe des öffentlichen Rechts vor.

1. Online = Rundfunk ?

In aller Kürze kann zu den Hauptaspekten der Diskussi-on Folgendes festgehalten werden.41) Die Kernfrage be-steht darin, ob (wenn schon nicht alle, so allenfalls be-stimmte) Onlinemedien unter den bundesverfassungsge-setzlich vorgegebenen Begriff des Rundfunks fallen.Gemäß Art I Abs 1 BVG-Rundfunk handelt es sich bei„Rundfunk“ um die für „die Allgemeinheit bestimmteVerbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton undBild unter Berücksichtigung elektrischer Schwingungenohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels einesLeiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen,die diesem Zweck dienen.“ Nach der Judikatur des Ver-fassungsgerichtshofes darf aber „Rundfunk nur aufgrundeiner bundesgesetzlichen Ermächtigung betriebenwerden“, da die Bestimmung garantieren wolle, dassRundfunk nach (…) Prinzipien der Objektivität und Mei-nungsvielfalt42) betrieben wird.

Folgte man nun einer streng am Wortlaut orien-tierten Sichtweise43) wäre jegliche Aktivität im Internet,sei es eine simple Website oder auch mittlerweile selbst-verständlich gewordene Live-Streams auf Mobiltelefo-nen, mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig.

Diese in der Rechtswissenschaft unterschiedlichkommentierte Konsequenz44) hat in Literatur und Ver-waltungspraxis zu diversen Eingrenzungsversuchen ge-

führt, um das dargestellte rechtspolitisch unerwünschteErgebnis nach Möglichkeit zu vermeiden.

Schon aus Sachlichkeitsüberlegungen überzeugtmE dabei die Auffassung, wenn überhaupt, dann nur sol-che elektronischen Inhaltedienste unter den Rundfunkzu subsumieren, „die mit dem herkömmlichen Rundfunkvergleichbar sind, also insbesondere eine dem herkömmli-chen Rundfunk gleichkommende meinungsbildende Rele-vanz haben.“45) Freilich ist dabei zuzugestehen, dassMeinungsbildungsrelevanz „so gut wie alle Inhalte“haben können, sodass eine weitere Differenzierungerforderlich sein wird. Dies ist aber hier nicht das Thema.

2. Rundfunkgebühren und Programmentgelt fürOnline-Medien

Die Diskussion um den Rundfunkbegriff wurde durchdie Nutzung des Internet zur Massenkommunikationauch deswegen belebt, weil damit die Frage der Ver-pflichtung zur Entrichtung von Programmentgelt einher-geht. Vielleicht gerade deswegen ergeben sich daher beider Interpretation der gesetzlichen Grundlagen imZusammenhang mit dem das Gebührenaufkommenregelnden Rundfunkgebührengesetz besondere Unter-schiede zwischen Vollzugspraxis und Literatur und ins-besondere natürlich zwischen Vollzugspraxis und denvon dieser Praxis betroffenen Rechtsunterworfenen.

Insofern darf nicht unerwähnt bleiben, dass inder Literatur46) und der Verwaltungspraxis im Ringenum eine sachgerechte Eingrenzung auch die Auffassungvertreten wird, dass es mit „klassischen“ Rundfunkange-boten zumindest dem Äußeren nach vergleichbarenInhalteangeboten im Internet (noch) an der Erfüllungdes Erfordernisses der „Verbreitung an die Allgemein-

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34) http://www.statistik.gv.at/web_de/statistiken/informationsge-sellschaft/ikt-einsatz_in_haushalten/index.html (Stand20.8.2009).

35) Vgl Statistik Austria, Europäische Erhebung über den IKT-Ein-satz in Haushalten und von Personen 2007 – unterhttp://www.statistik.gv.at/web_de/dynamic/services/publikatio-nen/17/publdetail?id=17&listid=17&detail=444 (Stand29.12.208).

36) Vgl http://www.europarltv.europa.eu/StartPage.aspx (Stand5.3.2009).

37) Vgl http://www.youtube.com/vatican (Stand 5.3.2009).38) Vgl http://orf.at/live_oe3/index.html (Stand 2.1.2009).39) Vgl z.B. http://www.phoenix.de/721.htm# (Stand 2.1.2009).40) Vgl dazu näher Kogler, Rundfunk und Onlinemedien, JRP

2008, Heft 2, S 72 ff: Streaming bezeichnet aus einem Rechner-netz empfangene und gleichzeitig (also ohne „Abspeichern“)wiedergegebene Audio- und Videodaten. Den Vorgang derDatenübertragung selbst nennt man Streaming und gestreamteProgramme werden als Livestream bezeichnet.

41) Vgl zu dieser Frage im Detail Kogler (FN 40).42) Vgl. Art. I Abs. 2 des BVG-Rundfunk, BGBl. Nr. 396/197443) Vgl Korinek, Konvergenz der Medien – Konsequenzen für die

staatliche Regulierung – Verfassungsrechtliche Rahmenbedin-gungen staatlicher Regulierung der Medien vor dem Hinter-grund der Konvergenz, JRP 2000, 129.

44) Vgl die Zitate bei Kogler (FN 37).45) Vgl Holoubek/Damjanovic/Ribarov in Holoubek/Potacs,

Öffentliches Wirtschaftsrecht, 1223.46) Vgl Truppe, Rundfunkgebühren und Programmentgelt im digi-

talen Fernsehzeitalter, MR 2008, 323.

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heit“ mangeln würde. Bei einem Abruf von Programmenaus dem (globalen) Internet sei (noch) nicht gesichert ist,dass genügend Serverkapazitäten bereitstehen, um einegleichzeitige, unbeschränkte Abrufbarkeit der Pro-grammangebote durch alle potentiellen Empfänger unddamit die für den Rundfunk typische Multicast-Fähigkeitzu gewährleisten.47) Sofern dieses Argument nicht schontechnisch überholt ist48), bleibt es nur mehr eine Frageder Zeit, bis diese an technologiebedingten Einschrän-kungen orientierte Argumentation ihre Überzeugungs-kraft endgültig verliert49).

3. Vollzugspraxis

Die für die Einhebung zuständige GIS legt ihrer Einhe-bungstätigkeit die Auffassung zugrunde, dass zwischendem Empfang von Radio- und Fernsehprogrammen zuunterscheiden ist.50) Fernsehprogramme würden überInternet „noch nicht als kontinuierlicher Live-Streamübertragen“, sodass keine Gebührenpflicht bestünde51).Demgegenüber seien Radioprogramme des ORF überInternet unmittelbar wahrnehmbar. Eine eventuelleGebührenpflicht für einen „Internet-PC“ bezöge sichdemnach nur auf den Empfang von Radioprogrammen.Angesichts der Tatsache, dass bereits Programme alskontinuierlicher Livestream übertragen werden52), kanndie Aussage der GIS nur dahingehend verstanden wer-den, dass sie – nur solange die für Österreich relevantenProgramme nicht gestreamt werden – von einer Einhe-bung von Gebühren absieht.

Soweit sie in faktischer Hinsicht für Radio davonausgeht, dass bereits eine Gebührenpflicht besteht, mages einem wichtigen (finanziellen) Interesse entsprechen,dass jedes technische Gerät, bei dem vereinfachendgesagt „irgendwie Programme rauskommen“, auch einRundfunkempfangsgerät ist, unbestritten ist dies aberwie dargestellt keinesfalls.

Qualifizierte man nämlich tatsächlich jeden PCmit Internetanschluss als Rundfunkempfangsgerät,sobald er gestreamte Programme wahrnehmbar machenkann, so muss man – um konsequent zu bleiben – das soWahrnehmbare auch als „Rundfunk“-Programm qualifi-zieren. Zu dieser Veranstaltung von Rundfunk bedürftees aber – wie oben dargelegt – einer gesetzlichen Er-mächtigung.

Die zugegebenermaßen verwaltungsökonomi-sche, weil einfache Formel, dass alles ein Rundfunkemp-fangsgerät ist, was Radio hörbar oder Fernsehen sichtbarmacht, vermag jedenfalls nicht vollständig zufriedenzu-stellen und es bedürfte auch in dieser Hinsicht einergesetzgeberischen Entscheidung53).

V. Problemkind Rundfunkgebühr

Die Verpflichtung zur Entrichtung von Programmentgeltan den ORF steht nunmehr im Lichte der vorstehendenÜberlegungen und des oben erwähnten Erkenntnissesdes VwGH in mehrerlei Hinsicht auf dem Prüfstand. Eserscheint daher angebracht, die weiteren Problemkreisekurz darzustellen.

1. Programmentgelt nur für Programm? Online = Programm?

Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfasstdie Bezeichnung „Programm“ nicht automatisch auchdas Online-Angebot eines TV Senders. Abgesehen vondieser sprachlichen Analyse lässt sich aber die Argumen-tation des VwGH der „Nicht-Empfangbarkeit“ vonFernsehprogrammen und des zugrundeliegenden Aus-tauschverhältnisses ohne weiteres auch auf die mangeln-de Möglichkeit des Konsums des Online-Angebots über-tragen. Immerhin verfügen im österreichischen Durch-schnitt nur 69 % der Haushalte über einen Internetan-schluss. Damit stellt sich aber das Problem, dass eine indieser Hinsicht nicht differenzierende Programmentgelt-pflicht in § 31 ORF-G möglicherweise dem verfassungs-rechtlichen Sachlichkeitsgebot widerspricht.

Schon in anderem Zusammenhang wurde daherin der Literatur Kritik daran laut, dass das Programment-gelt unabhängig vom Nutzungsverhalten zu entrichtenist, was sachlich nicht gerechtfertigt sei.54), 55)

2. Praxistauglichkeit der Regelungen

Nicht zuletzt deshalb, weil nunmehr die Judikatur zurFeststellung zwingt, welche Programme der Konsumenttatsächlich verfolgen kann, sondern schon im Lichte der

RUNDFUNKRECHT 271

medien und recht 5/09

47) Vgl Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkge-setze2, 581 f.

48) Vgl. www.blm.de/inter/de/pub/radio___tv/tv_programme/inter-net_tv.cfm (Stand 20.8.2009) und die dritte Kategorie vonAngeboten mit „mehr als 10.000 zeitgleichen Zugriffen“.

49) Dies gilt auch für das Argument, dass bei Live-Streamingjeweils ein „interaktiver Akt“ notwendig ist, was eine Qualifika-tion als Rundfunk ausschließe. Aus der Rezipientensicht ist(trotz technischer Unterschiede) kein Unterschied zur Anwahleiner einzelnen Seite des Teletexts (der aber Rundfunk dar-stellt) zu erkennen.

50) http://www.orf-gis.at/index.php?kategorie=news&arti-kel=14439 (Stand 20.8.2009).

51) Die Auffassung dürfte sich in jüngerer Zeit geändert haben: Vglhttp://derstandard.at/?url=/?id=1216325539994%26_seite=1(Stand 20.8.2009).

52) z. B. www.n-tv.de/mediathek/livestream oder http://edition.cnn.com/live/ (Stand 20.8.2009).

53) In Deutschland seit dem 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag(Vgl die Begründung zum „Neunten Rundfunkänderungssaats-vertrag“ unter B. I. 2. Zu Nummer 4 http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl16/drucks/1000/drucksache-16-1046.pdfStand 20.8.2009) davon auszugehen, dass unter den Rundfunk„der herkömmliche Rundfunk, Livestreaming (zeitgleicheÜbertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über dasInternet) und Webcasting (ausschließliche Übertragung vonRundfunkprogrammen über das Internet) fallen“. Es bestehtauch eine eigene Regelung für „neuartige Rundfunkempfangs-geräte“ wie PCs und Notebooks, die Programme ausschließlichüber das Internet empfangen ebenso wie bei „PDAs undMDAs/Smartphones, die Rundfunk ausschließlich über dasInternet oder UMTS empfangen“ - vgl http://www.gez.de/gebu-ehren/internet_pcs/ (Stand 20.8.2009).

54) Buchner in ecolex, 2009, 271 ff.55) Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass auch die Mög-

lichkeit seh- und hörbehinderter Menschen die Programme desORF zu verfolgen, dieses Austauschverhältnis berührt. Einedetaillierte Auseinandersetzung mit dieser Frage muss für dieZwecke dieser Arbeit allerdings unterbleiben; vgl aber dazunäher VfGH 16.3.2006, G 85,86/05.

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technologischen Entwicklungen wirft die generelleAnknüpfung an die Betriebsbereitschaft eines Geräts füreinen sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigenVollzug der gesetzlichen Bestimmungen erhebliche Pro-bleme auf. So muss zukünftig jedenfalls ein Nachweiseiner ORF-Empfangsmöglichkeit am Standort des Teil-nehmers möglich sein. Sofern nämlich nach der Judika-tur des VwGH56) jemand „die Programme des ORF [...]nicht konsumieren möchte, stünde es ihm frei, durch Ver-zicht auf den Betrieb einer Empfangseinrichtung, mit wel-cher die Programme des ORF empfangen werden können,die Entgeltpflicht zu vermeiden.“

Allein für die Frage des ORF-Empfangs müsstedie GIS konkret den Gerätetyp, die Ausstattung, allfälligvorhandene Zusatzvorrichtungen und die technischeVersorgungssituation eingehend prüfen. Ein dem Amts-wegigkeitsgrundsatz entsprechende Überprüfung, wennnoch dazu für die Überprüfung der Gebührenpflichtoder zu dieser erstatteter Angaben erst die örtlichzuständige Bezirksverwaltungsbehörde57) angefordertwerden muss, ist nicht realisierbar.58)

Schließlich zeigen die Beispiele aus Deutschland,dass auch die Qualifikation von PCs als „neuartigesRundfunkgerät“ nur bedingt praxistauglich sein dürfte,wenn es etwa um die Frage der beruflichen Nutzung vonPCs geht.59) Angesichts der technischen Konvergenzent-wicklung wurde daher in Deutschland die Anknüpfungan das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätesgenerell „in Frage“ und die Gebührenfinanzierung imHinblick auf alternative Finanzierungsmodelle „auf denPrüfstand“ gestellt.60) Aus diesem Grund wird auch inDeutschland bereits seit längerem die Möglichkeit derEinführung einer „Haushalts-“ oder „Unternehmensab-gabe“ unabhängig vom Bereithalten eines Geräts disku-tiert und als Zeithorizont das Jahr 2013 genannt.61)

VI. Handlungsbedarf und Handlungsoptionen

Die vorstehenden Problembereiche lassen ein Überden-ken der geltenden Regelungen und insbesondere desZusammenspiels zwischen dem ORF-Gesetz und demRundfunkgebührengesetz in der Frage der Bereitstel-lung staatlicher Mittel für einen öffentlich-rechtlichenInhalteanbieter geboten erscheinen.

1. Vorbemerkung

Für eine allfällige Neuregelung des Themenbereichs ste-hen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung,deren Einsatz letztlich davon abhängt, welcher zeitlicheDruck besteht und wie groß der immer wieder von unter-schiedlichsten Seiten eingemahnte „politische Gestal-tungswille“ ist. Für einen „Systembruch“ weg vom jahr-zehntelang bestehenden „österreichischen Unikum derfingierten vertraglichen Beziehung zwischen ORF undTeilnehmer“62) bedürfte es auch angesichts der mit dieserLösung verbundenen Aufgabe der bisherigen Finanzau-tonomie des Österreichischen Rundfunks, bei der derStiftungsrat allein über die Höhe des Finanzbedarfs unddamit des Programmentgelts entscheidet, eines beson-ders guten Willens. Hinzu tritt die (rechts)politische

Dimension, dass neue Steuern – selbst wenn sich imErgebnis für den Einzelnen nichts ändern würde – niepopulär sind. Es wird daher in dieser Frage zu erwartensein, dass die „neuen Regierungsspitzen Werner Faymannund Josef Pröll sich gegen höhere oder neue Steuerngewandt“63) wissen wollen. Nicht nur in formaler Hin-sicht (und abseits der politischen Dimension eines derar-tigen Vorhabens) wären der gemäß Teil 2 A. 10 derAnlage zu § 2 BMG für Medien zuständige Bundeskanz-ler und der Bundesminister für Finanzen, dem nach Teil2 D. 1 der Anlage zu § 2 BMG die Wahrnehmung der„Angelegenheiten der Finanzverfassung einschließlichdes Finanzausgleichs“ obliegt, für eine Neuordnung desSystems auf einander angewiesen.

2. Bloße „Reparatur“

Eine rasche gesetzliche „Korrektur“ der relevanten Be-stimmungen ist nicht ohne weiteres möglich. Jedenfallswird es nicht genügen, der Bestimmung über die Pro-grammentgeltpflicht etwa durch bloße Umbenennungein neues „Design“ zu verleihen. Wollte man etwa – imWege einer Novelle – den Verwaltungsgerichtshof ge-setzlich „überstimmen“ und für die Programmentgelt-pflicht auf eine bloß potentielle ORF-Versorgung desRundfunkteilnehmers abstellen, so liefe dies letztlich aufdie Frage der Zumutbarkeit der Anschaffung vonZusatzvorrichtungen hinaus. Die damit einhergehendepauschale Gleichbehandlung aller Teilnehmer unabhän-gig von den tatsächlichen Möglichkeiten des Empfangsder ORF-Programme wird nicht unerheblichen Beden-ken im Hinblick auf die durch den Gleichheitssatz gezo-genen verfassungsrechtlichen Grenzen begegnen.64) Vorallem könnte dazu problematisiert werden, dass Rund-funkteilnehmer mit nachweislich fehlender ORF-Emp-fangsmöglichkeit (obwohl eine „ORF-Versorgung“ inForm der Bereitstellung des Signals vorliegt) gleichbehandelt würden wie jene mit ORF-Empfangsgeräten,

272 RUNDFUNKRECHT

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56) VwGH 20.03.2009, 2009/17/0018.57) Vgl. § 6 Abs. 5 RGG.58) Buchner, RfR 2009, 559) Vgl. Verwaltungsgericht Berlin vom 17.12.2008 – 27 A 245.08,

wonach aus dem bloßen Besitz von multifunktionalen Rechnernnicht automatisch auf ein Bereithalten zum Rundfunkempfanggeschlossen werden kann; ähnliche Auffassung VG Braun-schweig 17.7.2008, Az. 4 149/07 vgl. auch http://www.heise.de/resale/news/meldung/print/137343 (Stand 20.8.2009) – gegentei-lige Auffassung Verwaltungsgericht Würzburg 27.1.2009 – W 1K 08.1886 oder OVG Rheinland Pfalz vom 26.3.2009 AZ 7 A10959/08; OVG Nordrhein Westfalen vom 26.5.2009 zu 8 A2690/08 und 8 A 732/09 – eine Revision an das Bundesverwal-tungsgericht in Leipzig wurde wegen der grundsätzlichenBedeutung der Frage zugelassen.

60) So ausdrücklich der „Medien- und Kommunikationsbericht“der deutschen Bundesregierung, Drucksache 16/11570, Seite 80.

61) http://www.die-topnews.de/ab-2013-allgemeine-haushaltsabga-be-statt-gez-gebuehr-39240 (Stand 20.8.2009).

62) Vgl Truppe, Rundfunkgebühren und Programmentgelt im digi-talen Fernsehzeitalter, MR 2008, S 323 ff.

63) Vgl etwa http://oe1.orf.at/inforadio/99490.html (Stand20.8.2009).

64) So Truppe, Flüchtige Geistheiler, legale Schwarzseher undmobile Fernseher – Rundfunkrecht 2008, Öffentliches Recht,Jahrbuch 2009 (im Erscheinen).

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die das Signal auch tatsächlich nutzen können. Auch bie-tet diese Variante keine Lösung für das Problem dernicht empfangbaren ORF-Online-Dienste, weil diesenatürlich jetzt schon potentiell überall im Netz vorhan-den sind und es einigermaßen zynisch erschiene, allenHaushalten die Anschaffung eines internetfähigen PCzuzumuten.

3. Neugestaltung

Die Ausgestaltung der ORF-Finanzierung im Wegeeines direkten „Leistungsaustausches“ zwischen Rund-funkteilnehmer und ORF stellt europaweit einen Aus-nahmefall dar. Nicht zuletzt deshalb stellt sich die Frage,ob nicht einer umfassenden Neugestaltung des Systemsder Vorzug gegeben werden sollte. Ob es dazu kommt,stellt letztlich eine primär rechtspolitische Frage dar.Nähme man den erst jüngst einhellig in einer Sondersit-zung des Nationalrates zum ORF von allen politischenParteien bekundeten Willen nach einem „starkenORF“65) beim Wort, so müssten die Chancen gut stehen,um dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als institutio-neller Ausprägung des allgemeinen gesellschaftspoliti-schen Anliegens, Medienfreiheit und Pluralismus imLichte bestehender oder zu befürchtender Marktdefizitezu gewährleisten66) die finanzielle Basis zu sichern. Soläge es dann jedenfalls nahe, die „öffentliche Aufgabeauch insgesamt durch die Allgemeinheit zu finanzieren[…]“. Der Weg ins Steuerrecht, bei der es zu einer Durch-brechung des Prinzips Leistung und Gegenleistung käme,„scheint […] vorgezeichnet“67).

a) Prüfschema zur Einführung

Abgesehen von der politischen Dimension der Ein-führung einer neuen Steuer oder dem Ausbau der beste-henden Steuer ist mit jeder Lösung in diese Richtungauch eine Aufgabe der Finanzautonomie des Öster-reichischen Rundfunks, bei der der Stiftungsrat alleinüber die Höhe des Finanzbedarfs und damit des Pro-grammentgelts entscheidet, verbunden.

Jedenfalls wäre zunächst zu prüfen, ob es sich beider Geldleistung um eine Abgabe im Sinne der Finanz-verfassung oder um eine materienspezifische Geldlei-stung handelt. Der Unterschied besteht darin, dassAbgaben im Sinne des F-VG nicht an die Kompetenzver-teilung nach Art. 10-15 B-VG gebunden sind. Bei einermaterienspezifischen Geldleistung ist somit stets zu hin-terfragen, ob die Kompetenztatbestände ausreichen, umeine Bundeskompetenz zu begründen.

Generell liegt nach der ständigen Rechtspre-chung des Verfassungsgerichtshofes68) eine Abgabe imSinne des F-VG vor, wenn

eine Geldleistungan eine Gebietskörperschaftkraft öffentlichen Rechtszur Deckung des Finanzbedarfs

erhoben wird.Nach der Judikatur des VfGH kommt es darauf

an, ob die Ertragshoheit, d.h. die primäre Verfügungsbe-rechtigung über den Ertrag der Geldleistung, bei einer

Gebietskörperschaft liegt. Die primäre Verfügungsbe-rechtigung kann vom Träger der Ertragshoheit auch inForm einer generellen Vorausverfügung, insbesondereeiner gesetzlichen Zweckbindung, zum Ausdruck kom-men. Die die weitere Mittelverwendung regelnden Vor-schriften seien demnach nicht mehr entscheidend. Wemdie Geldleistung letztlich wirtschaftlich zugute kommt,ist dabei nicht entscheidend. Die Widmung für einenbestimmten Zweck führt jedenfalls nicht dazu, dass dieRegelung der Geldleistungsverpflichtung kompetenz-rechtlich dem aus der Zweckwidmung abzuleitendenMaterienbereich zuzurechnen ist, vielmehr ist einegesetzliche Zweckwidmung für die rechtliche Qualitäteiner Geldleistung ohne Bedeutung.69) Gleichwohl kanndie Zweckwidmung auch (aber nicht ausschließlich) diesachliche Rechtfertigung der Abgabe darstellen.

Der Abgabengesetzgeber kann schließlich unterdem Erfordernis der Deckung des Finanzbedarfs nichtnur fiskalische Zwecke verfolgen70), wobei sich kompe-tenzrechtliche Probleme nur dann ergeben, wenn dieMaterienkompetenz bei einem anderen Gesetzgeberliegt als die Abgabenkompetenz71).

Als formale Voraussetzung für eine Abgabe istauch die Zuordnung zu einer Abgabentype iSd § 6 F-VGnotwendig, d.h. die Ertragshoheit festzulegen, was nichtnotwendigerweise im FAG geregelt werden muss.

Die Einführung einer neuen Abgabe ist schließ-lich und vordringlich im Lichte des Gleichheitssatzes(„Steuergerechtigkeit“) zu prüfen, wobei hier insbeson-dere die Frage der Sachgerechtigkeit des Belastungsge-genstandes ebenso zu beurteilen ist wie der Kreis derAbgabepflichtigen. Zwar ist davon auszugehen, dassgrundsätzlich ein weiterer rechtspolitischer Gestaltungs-spielraum besteht, was aber nicht völlig von einerBetrachtung unter Sachlichkeitsgesichtspunkten befreit,wenngleich sich eindeutige und strenge Sachlichkeitskri-terien schon für die Ausübung des Abgabenerfindungs-rechts in der verfassungsgerichtlichen Judikatur „bishernicht herausgebildet“ haben.72)

RUNDFUNKRECHT 273

medien und recht 5/09

65) Vgl http://www.parlament.gv.at/PG/PR/JAHR_2009/PK0270/PK0270.shtml (Stand 20.8.2009).

66) Vgl dazu Hoffmann-Riem, Kann und soll der öffentliche Rund-funk eine Staatsaufgabe sein, in Donges/Puppis (Hrsg), DieZukunft des öffentlichen Rundfunks, S 29 ff.

67) Vgl Truppe (Fn 62), wonach dann auch das vom Verfassungsge-richtshof zu den kommunalen Benützungsgebühren entwickelteÄquivalenzprinzip (vgl VfSlg 5028/1965, 5945/1969, 7583/1975,8847/1980, 9889/1983, 11.294/1987, 11.559/1987) insoweit keinenAnwendungsbereich hätte.

68) Vgl VfSlg 16454/2002 und die dortigen Nachweise.69) Vgl. die vorstehende FN 65.70) Vgl. Doralt-Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts

II, 5. Auflage, RZ 341.71) Es ist nicht ersichtlich, dass sich hier im Hinblick auf die Frage

der Finanzierung des ORF einander widerstreitende Kompe-tenzen ergeben könnten, wenn schon die Kompetenz desGesetzgebers zur (Organisations)Privatisierung einer Aufgabeim Rundfunkbereich auch die Zuständigkeit zur Regelung derFinanzierung des dafür geschaffenen Rechtsträgers umfasst –Vgl VfSlg. 17.326/2004.

72) Vgl Ruppe in FS Adamovich, 2002, 693, 697 f, der vom„gelockerten Sachlichkeitsmaßstab“ spricht.

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Letztlich spielt für die Beurteilung der Abgabeim Lichte der verfassungsrechtlichen Prämissen dieHöhe der Abgabe (samt allfälligen Obergrenzen oderSteuerbefreiungen) ebenso eine Rolle, wenngleich keinestrenge „Deckelung“ durch die tatsächlichen Aufwen-dungen unmittelbar geboten ist. Zwar ist bislang eineAufhebung von Steuergesetzen wegen Verstoßes gegendie Eigentumsgarantie nicht erfolgt, dennoch wird vomVfGH gelegentlich geprüft, ob die Erhebung der konkre-ten Abgabe auch im öffentlichen Interesse gelegen sei.73)

Unter diesen Bedingungen lassen sich als zumin-dest in finanzieller Hinsicht gleichwertige Alternativenu.a. folgende Modelle überlegen, um dem ORF künftigMittel im Umweg des Budgets zukommen zu lassen:

b) Einheitliche Rundfunkgebühr

Als erste Variante könnte angedacht werden, eine ein-heitliche Bundesabgabe74) auf Rundfunkempfangsein-richtungen einzuheben und (flankiert durch eine absch-ließende Zweckwidmung oder Bedarfszuweisung aufgesetzlicher Ebene) dazu das ORF-Programmentgelt indie bestehenden Rundfunkgebühren gemäß § 2 Abs. 1RGG „einfließen“ zu lassen. Finanzwissenschaftlichbetrachtet sind die bestehenden Rundfunkgebührenoder auch der Kunstförderungsbeitrag (vgl. oben) alsSachsteuern auf betriebsbereite Empfangseinrichtungenzu beurteilen75). Für den österreichischen Haushaltergäbe dies eine „Gebühr“ von rund 16 Euro monatlichfür Fernsehen und Radio76) oder 4 Euro nur für Radio.Ein vergleichbares System findet sich in Deutschlandoder Großbritannien77).

Es ist nicht strittig, dass der Bundesgesetzgeberdamit jeweils zulässigerweise von seinem Abgabenerfin-dungsrecht im Sinne der Typologie des § 6 F-VG Ge-brauch gemacht hat. Auch sind mE keine prinzipiellenZweifel im Hinblick auf die Sachlichkeit des Anknüp-fungspunktes zu erkennen78).

Hinsichtlich der Rundfunkgebühr geht auch derVfGH davon aus, dass es sich dabei um eine Form einer(nutzungsunabhängigen) Abgabe auf den Betrieb oderdie Betriebsbereitschaft einer Rundfunkempfangsein-richtung handelt und diese unabhängig davon anfällt, obdas Gerät tatsächlich benützt wird, ob damit Programmedes ORF oder ausschließlich privater (ausländischer)Rundfunkanbieter empfangen werden sowie von derNutzung des Fernsehgerätes innerhalb eines bestimmtenZeitabschnitts. Daher ist für das Entstehen der Ge-bührenpflicht die Wahrnehmbarkeit oder Nicht-Wahr-nehmbarkeit von Rundfunkprogrammen, die verschie-dene Ursachen haben kann, nicht maßgeblich.79)

Solange daher entsprechende Befreiungstatbe-stände80) bestehen bleiben, erscheint mE auch das soerhöhte Ausmaß der Rundfunkgebühr nicht per se pro-blematisch, auch wenn der VfGH im vorstehend genann-ten Erkenntnis nur die bisherige Höhe als „relativgeringfügige finanzielle Belastung“ bewertet hat.

Das oben unter IV. dargestellte Problem derInternet-PCs ließe sich (unter der Voraussetzung manqualifizierte sie tatsächlich als Rundfunkempfangsgerät)entweder über den Weg einer Ausnahme in Form einer

„Steuerbegünstigung“ lösen oder aber durch eine ent-sprechende Aufnahme in die Gebührenpflicht mit gege-benenfalls geringerer Abgabenhöhe.

Der Vorteil dieser Variante bestünde darin, dassim Ergebnis die Belastung pro Haushalt gleich bleibt.Auch die Art der Einhebung über die GIS müsste nichtweiter angetastet werden. Dies erfordert allerdings wei-terhin die Kontrolle des Wahrheitsgehalts (nicht) abge-gebener Meldungen und die allfällige Information von (= Ausforschung der) „Schwarzsehern“.81)

Bei dieser Variante würde allerdings weiterhindas Problem ungelöst bleiben, dass derzeit 30 % derHaushalte keinen Zugang zu Online-Angebot haben,was mE erhebliche Zweifel an der Sachlichkeit einer der-artigen Abgabe aufwirft.

c) Haushaltsabgabe

Als vollständigen Systemwechsel könnte aber genausoein Modell einer geräteunabhängigen Haushaltsabgabeüberlegt werden.82)83)

Wesentliches Kennzeichen einer Haushalts-Ab-gabe ist eine tatbestandliche Ausgestaltung, die,

die Abgabepflicht ausschließlich an die Innehabungeines Haushalts (einer Betriebsstätte) bindet,

274 RUNDFUNKRECHT

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73) Vgl Doralt-Ruppe (FN 67).74) Bei dieser Lösung bleiben Landesabgaben und der Kunstförde-

rungsbeitrag weiterhin unberührt.75) Vgl. die Einteilung der Steuern in Doralt-Ruppe, Grundriss des

österreichischen Steuerrechts I, 9. Auflage, RZ 16.76) Radiogebühr 0,36 Euro + Fernsehgebühr 1,16 Euro + 15,10 Pro-

grammentgelt (Fernsehen inkl. Radio) oder Radiogebühr 0,36Euro + Programmentgelt für Radio 4,20 Euro jeweils unterAbzug der USt.

77) Die Einhebung in Großbritannien erfolgt durch von der BBCmit der Administration und der Durchsetzung der Gebüh-reneinhebung beauftragte Unternehmen unter der auf die BBCregistrierten Marke „TV Licensing“. Teil 4 („Licensing of TV-Reception) des „Communications Act 2003“ definiert in Sec-tion 363 ff den Begriff „Fernsehgerät“, an den die Gebührenpf-licht anknüpft und ermächtigt die BBC zur Einhebung.

78) So schon Truppe (Fn 62).79) VfSlg. 17.807/2006.80) Vgl. dazu die §§ 47 bis 49 der Fernmeldegebührenordnung

abgedruckt bei Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rund-funkgesetze2, 586f.

81) Ca. 140.000 Haushalte bzw. rund 60 Millionen Euro an Einnah-menentgang vgl http://www.orf-gis.at/files/48_GIS_Pressemap-pe_Mrz09.pdf (Stand 20.8.2009).

82) Rechtspolitisch betrachtet könnte auch eine Pauschale wie eineKopfsteuer erwogen werden, wobei schon jetzt der Umstand,dass für mehrere Nutzer an einem Standort mit mehreren Gerä-ten nur eine Gebühr, für einen Nutzer an zwei Standorten aberein Mehrfaches an Gebühren anfällt als „unsoziale Kopfsteuer“kritisiert – Vgl Buchner (FN 54).

83) Vgl. dazu erneut Buchner (FN 54), der an der Standortanknüp-fung festhaltend an eine verbrauchsabhängige Ersatzabgabe aufleitungsgebundene Energiezufuhr verbunden mit einerDeckelung, um Großverbraucher nicht mehr als bisher zu bela-sten, denkt. Die Standortbezogenheit sei adäquat, wenn es umBeaufsichtigung der Anlagen gehe, nicht jedoch zur Erfassungdes Nutzungsverhaltens. Wie das Nutzungsverhalten konkreterhoben werden könnte und Großverbraucher festzustellenwären, bleibt unklar. Es ist nicht anzunehmen, dass Buchnervon einem den Konsum feststellenden Zähler ausgeht, sondernmöglicherweise von einer Differenzierung nach der Möglichkeitdes Empfangs.

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von jeglichem Gegenleistungsbezug im Sinne einergebühren- oder beitragsrechtlichen Legitimation löstunddie bisherige Differenzierung zwischen Radio undFernsehen zugunsten einer einheitlichen Abgabe auf-gibt.

Der Anknüpfungspunkt Haushalt und Betriebs-stätte stellt mE sicher, dass eine weitgehende Kongruenzzwischen Abgabepflichtigen und Nutznießern des Ange-bots gegeben ist. Unabdingbar ist dabei eine konkreteDefinition, was als Haushalt bzw. Betriebsstätte und werin der Folge als Abgabenschuldner zu betrachten ist.

Schon derzeit findet sich in fast jedem Haushalt(Betrieb) zumindest ein Gerät84), weswegen es auchsachlich erscheint, zukünftig an den Haushalt anzuknüp-fen. Verkürzt könnte man sagen, dass mit der Festlegungeiner Haushaltsabgabe eine Rechtslage normiert würde,die im Ergebnis schon jetzt der derzeitigen Faktenlageentspricht.

Es ist in dieser Hinsicht auch nicht erkennbar,dass mit einer Haushaltsabgabe unsachlicher Weise nurein kleiner, eingeschränkter Personenkreis für einInhaltsangebot aufkommen würde, das eigentlich derAllgemeinheit zukommen soll.

Mit einer Umstellung wären allerdings konse-quenter Weise Änderungen bei der Zahl der Abgabe-pflichtigen verbunden, da auch solche erfasst würden, diebislang (angeblich) auf Radio und Fernsehen verzichtethaben.85) Demgegenüber würde anderseits die Saisonal-meldung an Zweitwohnsitzen gemäß § 3 Abs. 3a RGGentfallen. Ob daher in dieser Hinsicht die faktischenAuswirkungen in der Zahl der Haushalte besondersbedeutsam wären, ist zu bezweifeln. Dem Gesetzgeberist es aber in dieser Hinsicht erlaubt, einfache und leichthandhabbare Regelungen zu treffen86) und der Gleich-heitssatz hindert den Gesetzgeber auch nicht, bei derRegelung von Lebensbereichen von einer Durchschnitts-betrachtung auszugehen und zu typisieren. Die mit einersolchen Typisierung verbundenen Differenzierungensind somit, auch wenn sie zu Härten führen, grundsätz-lich unbedenklich87). Andererseits könnte argumentiertwerden, dass durch die praktikable Anknüpfung eineffektiver Vollzug gesichert ist, was angesichts der (zwarim internationalen Vergleich niedrigen) Schwarzseher-quote zu mehr Vollzugsgerechtigkeit führen würde.

Die geräteunabhängige Audiovisionsabgabeböte zusätzlich den Vorteil der Vermeidung von Rechts-streitigkeiten über die Gebührenpflicht einzelner techni-scher Geräte. So ließe sich im Wege einer allgemeinen„Haushaltsabgabe“ zugleich die in Zukunft angesichtsder technischen Entwicklung im Lichte der Konvergenzimmer drängendere Frage der Gebühren- und Pro-grammentgeltpflicht von PCs mit Internet-Anschluss(siehe dazu oben Punkt 4.1.) lösen. Wie dargestellt würdemit diesem Modell eine Kontrolle des Besitzes einesbetriebsbereiten Geräts obsolet, was die Administra-tion88) einer derartigen Abgabe erheblich erleichternwürde. Ungeachtet der Leistungen der GIS als „moder-nes Dienstleistungsunternehmen“89) ergäbe dies ein Ein-sparungspotential im Umfang der durch § 3 Abs. 4 RGG

vorgesehenen 3,25% Einhebungsvergütung (zu berech-nen von dem einleitend genannten Transaktionsvolumender GIS). Auch die in dieser Hinsicht angestellten ver-waltungsökonomischen Überlegungen können dahermE für die Umstellung des Systems zur weiteren sachli-chen Rechtfertigung herangezogen werden90).

Was die Höhe der Abgabe betrifft (vgl. dazu dieerrechneten Beträge unter 6.4) so sind diese zwar nichtmehr nur relativ geringfügig, berücksichtigt man aktuellallerdings die sonstigen Lebenshaltungskosten, so ergibtsich daraus andererseits im Regelfall keine finanzielleÜberbelastung. Bei dieser Überlegung gilt es anderer-seits zu berücksichtigen, dass gewisse Befreiungstatbe-stände nach Art der §§ 47 ff Fernmeldegebührenord-nung91) jedenfalls erhalten bleiben müssen, um die Sach-lichkeit des Abgabentatbestands insgesamt zu rechtferti-gen. Diesbezüglich erscheinen im Hinblick auf eine so(gegenüber dem derzeitigen Ausmaß der Rundfunkge-bühr nach § 3 RGG) erhöhte Abgabe unter Berücksichti-gung der Judikatur des VfGH zur Gebührenbefreiungfür Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen92)auch spezifische Regelungen (etwa in einer Steuerbegün-stigung) für unsere hör- oder sehbehinderten Mitmen-schen erforderlich.

Soweit man die Abgabe schließlich am durch dieZweckwidmung zum Ausdruck gebrachten Ziel der(Mit-)Finanzierung messen wollte, d.h. prüft, ob dieAbgabe im öffentlichen Interesse gelegen ist, ergibt sichmE gerade aus dem oben zitierten BVG-Rundfunk aberauch implizit aus der Judikatur des Verfassungsgerichts-hofes, dass die Sicherstellung einer pluralen Medienland-schaft und die Gewährleistung der Objektivität undUnparteilichkeit93) der Berichterstattung sowie der Un-abhängigkeit der mit der Aufgabe betrauten Organe unddabei auch die Erhaltung eines mit einem entsprechen-den öffentlich-rechtlichen Kernauftrag versehenen In-haltanbieters (in welcher konkreten organisatorischen

RUNDFUNKRECHT 275

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84) Vgl http://mediaresearch.orf.at/index2.htm?fernsehen/fernse-hen_heimel.htm (Stand 20.8.2009), wonach davon auszugehenist, dass 96% der Haushalte über ein TV-Gerät verfügen.

85) Diese Zahl kann allerdings nicht sehr hoch sein. Auszugehen istinsgesamt von rund 3.5 Millionen Haushalten (http://www.stati-stik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/haushalte_familien_lebensformen/index.html) von denen mit Ende des Jahres 2008laut GIS 3.403.407 registriert waren.

86) Vgl. VfSlg 11.616/1988 oder 13.659/1993.87) Vgl. Doralt-Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts

II, 5. Auflage RZ 389.88) In Großbritannien kann man die „TV-Licence“ (für Farbfernse-

hen oder Schwarz-Weiß Fernsehen) online beantragen undsamt Zahlung erhalten vgl http://www.bbc.co.uk/info/licence-fee/#information (Stand. 20.8.2009).

89) Pressemappe der GIS http://www.orf-gis.at/files/48_GIS_Pres-semappe_Mrz09.pdf (Stand 20.8.2009).

90) Vgl. dazu auch die Diskussion in Deutschland über eine „Ver-schlankung des Systems“ um den Prüfbedarf der GEZ (demPendant der GIS) einzuschränken und eine „höhere Zustim-mung bei den Gebührenzahlern zu erreichen“ in „Rundfunk imHerbst“ Fankfurter Allgemeine, 10. Juni 2009, Seite 34

91) Etwa mit der Anknüpfung an den Ausgleichszulagenrichtsatzim Hinblick auf das Haushaltsnettoeinkommen.

92) Vgl. FN 79.93) Vgl. VfSlg 13.336, 17.082/2003.

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Ausgestaltung auch immer) als im öffentlichen Interesseliegend betrachtet werden kann.94)

Ob allerdings eine derartige Neugestaltung desSystems durch zB. Umgestaltung in eine gemeinschaftli-che Bundesabgabe (unter Einbeziehung des Kunstförde-rungsbeitrags) erfolgen könnte, bleibt höchst zweifelhaft.Abgesehen davon, dass sich neue Steuern schwer „ver-kaufen“ lassen, bedürfte es hier auch zusätzlich einesGleichklangs zwischen Bund und Ländern, weil die Lös-lösung vom Gerätebezug – soweit es den „Bundesanteil“betrifft – nur dann gangbar ist, wenn auch die einzelnenLänder sich von dieser Bezugnahme trennen. Angesichtsdes Selbstverständnisses der Länder eine derartige Ver-einheitlichung zu erwägen, grenzt wohl an maßlosenOptimismus.

Hinzu tritt, dass die Zurverfügungstellung vonMitteln aus dem Bundeshaushalt von einer entsprechen-den Überprüfung des Finanzbedarfs zur Verhinderungeiner Überkompensation begleitet sein muss.95)

d) Kurzexkurs in andere Länder

Wie bereits einleitend angedeutet ist auch die Art derFinanzierung öffentlich-rechtlicher Inhalteanbieter inden einzelnen Ländern höchst unterschiedlich. Lediglichzur Vervollständigung kann daher kurz auf folgende Bei-spiele hingewiesen werden:

In Frankreich wird die Rundfunksteuer („contri-bution à l'audiovisuel public“) anknüpfend an den Besitzeines Fernsehgeräts an die Wohnungssteuer gekoppeltund somit gleichzeitig mit dieser durch die normalenSteuerbehörden eingezogen. Der Entfall an Einnahmendurch die mittlerweile beschlossene schrittweise Ab-schaffung der Werbung96) soll durch neue Steuern kom-pensiert werden, indem eine Steuer auf Werbeeinnah-men des Privatfernsehens und eine Steuer auf die Umsät-ze der Telekomunternehmen erhoben werden soll.

In den Niederlanden werden über die Einkom-mensteuer und etwa in Griechenland und Zypern übereinen Aufschlag auf die Stromrechnung97) über denStrombezug die jeweiligen Einnahmen lukriert. JüngstenMedienberichten ist zu entnehmen, dass auch Finnlandspätestens für das Jahr 2011 eine „TV-Steuer“ einführenwill und damit die Bürger unabhängig vom Besitz einesFernsehgerätes „zur Kasse gebeten werden sollen“.98)Genauso wird man in Spanien Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk völlig abschaffen, dafür aber kom-merzielle Veranstalter und Telekomunternehmen mitneuen Abgaben belegen (3% des Umsatzes bei Free-TV-Anbietern, 1,5% des Umsatzes bei Pay-TV-Anbieternund 0,9% der Bruttoeinnahmen bei Telekombetreibern).Das Gesetz wurde vom Kongress am 8. Juli 2009 be-schlossen, mit der Zustimmung des Senats wird gerech-net 99)100). Auch in Polen sieht ein im Juni vorgelegterGesetzesentwurf die Abschaffung der Rundfunkgebührund die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Pro-gramme aus dem Staatshaushalt vor101).

Derartige Diskussionen erspart sich Kanada, dadort die Fernsehstationen direkt durch die Regierunggefördert werden. Einer Information der BroadcastingFee Association102) zufolge gibt es u.a. auch in Andorra,

Australien, Ägypten, China, Estland, Indien, Iran, Lich-tenstein, Luxemburg, Malaysia, Neuseeland, dem Oman,Spanien, Syrien, den USA oder Russland keine Rund-funkgebühren.

VII. Schluss

Die vorstehenden Überlegungen sollten zeigen, dass imKontext der „Rundfunkgebühren“ einige höchst unter-schiedliche Rechtsfragen der Lösung harren, die aberauch einigen politischen „Sprengstoff“ in sich bergen.Insoweit ist anzunehmen, dass die Überlegungen zurUmwandlung in eine Abgabe auch längerfristig nur einTraumbild, eine Halluzination (wie „Vision“ bisweilenerklärt wird) bleiben werden. Schreckerfüllter Schaudervor dieser Frage erscheint aber ebenso wenig ange-bracht. Die aufgezeigten Alternativen sind auch keines-wegs die einzig verbleibenden Möglichkeiten, sondernsollen einer grundsätzlichen Diskussion als Beitrag die-nen. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass dievorstehenden Überlegungen auch nicht weiter daraufeingehen konnten, dass an einer effizienten Überprüfungder Verwendung der dem ORF zukommenden „staatli-chen Mittel“ schon im Lichte des derzeit laufenden bei-hilfenrechtlichen Prüfungsverfahrens kein Weg vorbeiführen wird. Die Umgestaltung vom Programmentgelt zueiner Audiovisionsabgabe würde zwar an der Qualifika-tion als staatliche Behilfe nichts ändern103). Eine Umstel-lung auf ein Abgabenmodell wäre aber wohl im Lichtedes EG-Behilfenrechts als „neue“ Beihilfe notifikations-pflichtig, selbst wenn man argumentierte, dass sich an derBelastung für die Haushalte gegenüber dem bisherigenSystem nichts ändert. So können nämlich Änderungenbestehender Beihilfen gemäß Artikel 1 (c) der Verfah-rensverordnung (VO (EG) Nr. 659/1999) „neue Beihil-fen“ darstellen. Gemäß Artikel 4 Abs. 1 der Durch-führungsverordnung (VO (EG) Nr. 794/2004 der Kom-mission) zur Verfahrensverordnung ist die „Änderungeiner bestehenden Beihilfe“ im Sinne der vorgenanntenBestimmung jede Änderung, mit Ausnahme von Ände-

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94) Vgl. dazu den bestehenden Programm- und Versorgungsauftragin §§ 3 und 4 ORF-G sowie die Ausführungen in der Erl. 634BlgNR, XXI. GP.

95) Eine Anforderung, die in naher Zukunft ohnehin als Konse-quenz aus dem beihilfenrechtlichen Prüfungsverfahren zurRechtslage nach dem geltenden ORF-G resultieren wird müs-sen.

96) Vgl dazu im Detail Papsch, Reform der Rundfunkfinanzierungin Frankreich, MR-Int 1/09, 26.

97) Ähnlich offenbar zumindest in der Einziehung durch die Ener-gieversorger in Korea, der Türkei, Jordanien, Namibia, Paki-stan um nur einige Beispiel zu nennen.

98) Vgl. die Aussendung der APA0451 5 AA 0188 WA/MA vonDo, 23.Apr 2009, 14:55.

99) Vgl http://support.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4105&Alias=wzo&cob=412561 (Stand 20.8.2009).

100) Vgl auch http://www.lehofer.at/blog/index.htm Eintrag vom18. Juli 2009

101) http://www.infoseite-polen.de/newslog/?p=1395102) www.broadcastingfee.com (Stand. 20.8.2009).103) Vgl. dazu die Ansicht der EK im sogenannten Artikel 17-

Schreiben unter http://images.derstandard.at/20080131/EUFi-nancingofORF.pdf (Stand 20.8.2009) RZ 88 ff.

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rungen rein formaler oder verwaltungstechnischer Art,die keinen Einfluss auf die Würdigung der Vereinbarkeitder Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markthaben kann.

Freilich könnte ferner wie in Deutschland pro-blematisiert werden, ob eine Abgabenlösung mit demUnabhängigkeitsgebot des Rundfunks in Konflikt gera-ten würde, weil die Gelder ins Bundesbudget fließen undder ORF durch die Zuweisung aus dem Haushalt zueinem „Kostgänger“ des Staates werden würde.104) Indiesem Sinne müssten konsequenter Weise Schutzme-chanismen etabliert werden, die davor bewahren, dassEntscheidungen über die Finanzierung zu Einflussnah-men missbraucht werden. Andererseits existiert in Öster-reich noch keine Judikatur wie in Deutschland, wonach

die grundrechtliche Rundfunkfreiheit den Staat dazuverpflichtet, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finan-ziell so auszustatten, dass er seinen verfassungsrechtlichgebotenen Aufgaben nachkommen kann.105)

Horror droht bei dieser Frage keineswegs. Die(juristische und rechtspoltische) Debatte würde sich imGegenteil mehr nüchterne Sachlichkeit und Vision ver-dienen.

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medien und recht 5/09

104) Vgl zu den unter dem Titel „Staatsferne des Rundfunks“ erho-benen verfassungsrechtlichen Einwänden gegen eine Finan-zierung aus dem steuerfinanzierten Staatshaushalt BVerfGE31, 314 (337, 344), Sondervotum Geiger, Rinck, Wand

105) Vgl. BverfGE 74, 297 (324 f) oder auch Urteil vom 12.3.2008,Az. 2 BvF 4/03, Rz 88.

Hinweis auf Kulturveranstaltungenim Fernsehen – Werbetatbestand

VwGH 01.07.2009, Zl 2009/04/0079(Belangte Behörde: BKS 19.01.2009, Zl 611.956/0002-BKS/2009) – Hirsche welt-weit/Schauspielhaus Graz

§§ 4, 13 Abs 1 und 7, 14 Abs 2 ORF-G

1. Hinweise auf Kulturveranstaltungen sind als Werbungeinzustufen, wenn sie die Grenze des § 13 Abs 1 ORF-Güberschreiten. Solche Hinweise, wenn sie auch dem Pro-grammauftrag (Kulturauftrag) des § 4 Abs 1 Z 5 bis 7 ORF-G entsprechen sollen (arg: „Vermittlung“ bzw „För-derung“), müssen fast zwangsläufig in einer Weise gestaltetsein, dass der bislang uninformierte oder unentschlosseneZuseher an der Kulturveranstaltung Interesse gewinnt.

2. Gleichen Veranstaltungshinweise äußerlich herkömmli-chen Werbespots und werden sie auch in einem eigenen„Spot“ gesendet, erfüllen sie das Tatbestandselement „Ziel,den Absatz […] zu fördern“ des § 13 Abs 1 ORF-G.

3. Aufgrund der Besonderheit von Hinweisen auf Kultur-veranstaltungen gibt es keinen „üblichen Verkehrsge-brauch“, nach dem der ORF für kulturelle Hinweise in sei-nem Programm ein Entgelt vom Veranstalter des Kulturer-eignisses erhält. Daher ist zur Klärung der Frage des Ent-gelts (und damit zur Klärung, ob Werbung vorliegt) zu prü-fen, ob dem ORF für Veranstaltungshinweise tatsächlichein Entgelt bzw eine Gegenleistung zugekommen ist.

Mit dem bei der belangten Behörde am 5. November 2008eingelangten Schriftsatz erhob die beschwerdeführendePartei Beschwerde gemäß § 36 Abs 1 Z 1 lit d ORF-G undbrachte vor, die mitbeteiligte Partei (im Folgenden kurz:ORF) habe im Fernsehprogramm „ORF 2 Steiermark“ zunäher genannten Zeitpunkten jeweils einen Spot über eineAusstellung des Jagdmuseums Schloss Stainz und überTheateraufführungen im Schauspielhaus Graz ausgestrahlt.Die belangte Behörde möge daher feststellen, dass der

ORF gegen den ersten Satz des § 13 Abs. 7 ORF-G ver-stoßen habe, wonach Werbesendungen in Programmen desFernsehens nur österreichweit zulässig seien. In eventuwurde beantragt, einen Verstoß gegen das Verbot derSchleichwerbung gemäß § 14 Abs. 2 ORF-G festzustellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangteBehörde die genannte Beschwerde gemäß § 37 Abs 1 und § 36 Abs 1 Z 1 lit d iVm § 13 Abs 7 erster Satz und § 14 Abs 2ORF-G ab.

[ ... ]In der Sache nahm die belangte Behörde Einsicht

in die Aufzeichnungen über die gegenständlichen Spots undstellte zu diesen wie folgt fest:

„a) Sonderausstellung ‘Hirsche weltweit’ im Jagd-museum Schloss Stainz:

Am 14.10.2008 sendete der ORF gegen 19.00 Uhrim regionalisierten Programm von ORF 2 Steiermark nacheinem Sendehinweis einen Spot über eine Ausstellung desJagdmuseums Schloss Stainz. Eine Sprecherin sprach fol-genden Text:

‘Jagdkultur in der Steiermark. Die Sonderausstel-lung ‘Hirsche weltweit’ zeigt mehr als 60 Arten vom größtenlebenden Hirschen, dem Elch bis zum kleinsten, dem Pudu.Neben einer beachtlichen Trophäenschau beleuchtet dieAusstellung die kulturgeschichtliche und wildbiologischeBedeutung der Hirsche. Die Sonderausstellung ‘Hirscheweltweit’ ist bis 1. Februar 2009 verlängert. Das Jagdmuse-um am Landesmuseum Joanneum im Schloss Stainz istganzjährig jeden Dienstag bis Sonntag geöffnet.’

Im ca. 50 Sekunden dauernden Spot werden ver-schiedene Exponate der Ausstellung wie Geweihe verschie-dener Art und Größe, Hirschpräparate udgl gezeigt. Dergesamte Spot ist mit Jagdhornbläsern musikalisch unter-legt. Gegen Ende des Spots werden die wesentlichen Infor-mationen zur Ausstellung in schriftlicher Form (‘Hirscheweltweit bis 1.2.2009, Jagdmuseum Schloss Stainz, Dienstagbis Sonntag’) ebenso wie das Logo ORF Steiermark und dieWebadresse steiermark.orf.at eingeblendet.

Der Spot wurde in unveränderter Form auch am18.10.2008 gegen 19.00 Uhr im regionalisierten Programmvon ORF 2 Steiermark gesendet.

b) Theateraufführungen Schauspielhaus Graz:

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