RUNDLAGEN DES EUROPARECHTS - Johannes … · o EU als Drei-Säulen-Modell mit dem EG-Vertrag als...

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Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 1 GRUNDLAGEN DES EUROPARECHTS

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Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 1

GRUNDLAGEN DES EUROPARECHTS

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A. Begriff des Europarechts • EuropaR (EuR) im weiteren Sinne: Primär- und SekundärR einer Vielzahl europäischer Institutionen (EU, EAG,

Europarat mit EMRK, EFTA)

• EuR im engeren Sinne: Primär-, Sekundär- und TertiärR der europäischen internationalen Organisationen mit eigener Völkerrechtssubjektivität (EU, EAG)

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B. Historische Entwicklung • 1952: Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) tritt in Kraft (1951

unterzeichnet)

• 1958: Römische Verträge (Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG)) treten in Kraft (1957 unterzeichnet)

• 1978: Einführung des Europäischen Währungssystems (EWS)

• 1979: 1. Direktwahl des Europäischen Parlaments (EP)

• 1987: Einheitliche Europäische Akte (EEA) tritt in Kraft (1986 unterzeichnet)

o Bündelung der Gemeinschaftspolitiken

o Europäischer Rat (ER) und Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) nun vertraglich festgeschrieben

• 1993: Vertrag von Maastricht tritt in Kraft (1992 unterzeichnet)

o EWG wird zur Europäischen Gemeinschaft (EG), die nun über mehr Kompetenzen verfügt

o Intergouvernementale Einrichtungen: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI)

o EU als Drei-Säulen-Modell mit dem EG-Vertrag als Dach und den 3 Säulen (Europäische Gemeinschaften, GASP, ZBJI / später Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS))

• 1999: Vertrag von Amsterdam tritt in Kraft (1997 unterzeichnet)

o mehr Kompetenzen für EG

o mehr Mitspracherecht für das EP

• 1999: Festlegung der Umrechnungskurse zwischen den einzelnen Währung, 2002 dann Einführung des Euro

• 2003: Vertrag von Nizza tritt in Kraft (2001 unterzeichnet)

o Neuregelung der Zusammensetzung von Rat, EK und EP

o Reform des Rechtsschutzsystems

• 2009: Vertrag von Lissabon tritt in Kraft (2007 unterzeichnet)

o einheitliche und rechtsfähige EU, die selbst Trägerin völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ist, tritt an die Stelle der EG >>> Aufhebung der Tempelkonstruktion

o EAG bleibt nebenher bestehen; Beitritt zur EU jedoch notwendig an Beitritt zur EAG geknüpft und andersrum

o Einführung eines Präsidenten des Europäischen Rates, der nunmehr ein Organ des EU darstellt

o Recht des EP, den Kommissionspräsidenten zu wählen

o Neuordnung der Abstimmungsverfahren im Rat

o Grundrechte-Charta wurde mit marginalen Veränderungen in den Primärrechtsstatus erhoben

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C. Europarat und EMRK I. Europarat

• am 5. Mai 1949 mit Sitz in Straßburg gegründet

• von der EU völlig unabhängige, intergouvernemental strukturierte internationale Organisation

o alle Mitgliedstaaten erkennen den Grundsatz der Vorherrschaft des Rechts, die Menschenrechte sowie Grundfreiheiten an, jedoch aufgrund intergouvernementaler Struktur bedarf es stets der Zustimmung jedes einzelnen MSes

• 47 Mitgliedstaaten

• Organe des Europarates: Ministerkomitee, Parlamentarische Versammlung, Sekretariat, (beratender) Kongress der Gemeinden und Regionen Europas

• Zielstellung des Europarates: Engere Vernetzung der Mitgliedstaaten und Förderung des ökonomischen wie sozialen Fortschritts aller Mitgliedstaaten

II. Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) • 1950 unterzeichnet

• Aufnahme in Europarat an die Unterzeichnung und Ratifizierung der EMRK gebunden

• Wertigkeit der EMRK in einzelnen MSen unterschiedlich: teilweise Verfassungsrang, teilweise im Rang eines formellen Gesetzes, teilweise heranzuziehen bei der Auslegung der eigenen Grundrechte (in Deutschland im Rang eines formellen Gesetzes und zunehmende Heranziehung der EMRK bei der Grundrechtsauslegung durch das BVerfG)

• Rechtsschutzsystem zur Gewährleistung der Konventionsrechte mit dem Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) bestehend

o Erhebung von Beschwerden durch Staaten und Individuen mgl

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DIE EUROPÄISCHE UNION

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D. Aufbau und Charakteristika • Supranationalität

o im weiteren Sinne: jede die Staaten unmittelbar verpflichtende Entscheidung internationaler Organisationen oder Gerichte

o im engeren Sinne: trotz lediglich mehrheitlicher Entscheidung als Unionsrecht und nicht als in nationales Recht transformiertes Recht in allen MSen unmittelbar anwendbares und verbindliches Recht, welches Anwendungsvorrang vor nationalem Recht genießt

• Intergouvernementalität: im Konsensverfahren erlassene Rechtsakte, die unmittelbar lediglich zwischenstaatliche Bindungswirkungen auslösen und die zur innerstaatlichen Verbindlichkeit der Transformation im jeweiligen MS bedürfen, wo sie dann keinen Anwendungsvorrang genießen sondern lediglich im Lichte des jeweiligen sekundären Unionsrechtsakts auszulegen sind

I. Vor dem Vertrag von Lissabon: Tempelkonstruktion • 3 Säulen

o EG und EAG

supranationale Säule (MSen hatten ihre Kompetenzen auf die Gemeinschaft als Träger eigener Hoheitsrechte übertragen)

bilden die Grundlage der EU

o GASP

intergouvernementale Säule (keine Kompetenzübertragung seitens der MSen an die Gemeinschaft; MSen haben Kompetenz weiter inne; völkerrechtlich lediglich zur Koordination bei der Ausübung dieser Kompetenzen verpflichtet)

o PJZS

intergouvernementale Säule (keine Kompetenzübertragung seitens der MSen an die Gemeinschaft; MSen haben Kompetenz weiter inne; völkerrechtlich lediglich zur Koordination bei der Ausübung dieser Kompetenzen verpflichtet)

• EU als gemeinsames Dach, die mit dem EU-Vertrag alle 3 Säulen miteinander verknüpft

o keine eigene Rechtspersönlichkeit

II. Nach dem Vertrag von Lissabon • Neugründung einer rechtsfähigen EU (Art. 47 EUV) mit der weitestgehenden Rechts- und Geschäftsfähigkeit

für juristische Personen im jeweiligen MS (Art. 335 AEUV)

o EU hat nunmehr Völkerrechtssubjektivität (Fähigkeit, Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten zu sein)

o gegenüber Drittstaaten Fähigkeit, völkerrechtliche Verträge abzuschließen soweit die Union in diesem Bereich zuständig ist und es demnach vom Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gedeckt ist (Art. 216 AEUV)

ausschließliche Zuständigkeit der EU richtet sich nach Art. 3 II AEUV

geteilte Zuständigkeit nach Art. 2 II AEUV; mglw Abschluss eines gemischten Abkommens, bei denen sowohl EU als auch MSen Vertragsparteien werden

Verfahren richtet sich vorbehaltlich etwaiger Spezialregelungen nach Art. 218 AEUV

o Völkerrechtliche Deliktsfähigkeit:

aktive Deliktsfähigkeit: Haftung der EU nach den Regeln des Völkergewohnheitsrechts für von den EU-Organen begangenen Verletzungen des Völkerrechts, die zu einem Schaden bei anderen Subjekten des Völkerrechts führten

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passive Deliktsfähigkeit: Fähigkeit, durch andere Subjekte des Völkerrechts verursachte Schäden, nach den Regeln des Völkergewohnheitsrechts geltend zu machen

• Grundlage der EU nunmehr der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (Art. 1 III 1 EUV)

• EU als Rechtsnachfolgerin der EG, die deren sämtliche Rechte und Pflichten übernimmt (Art. 1 III 3 EUV); EAG bleibt mit supranationalem Charakter gesondert bestehen; PJZS nunmehr mit supranationalem Entscheidungscharakter; GASP

• MSen übertragen der EU Zuständigkeiten zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele (Art. 1 I EUV); Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung begrenzt jedoch die EU strikt bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nur auf solche, die ihr auch wirklich übertragen wurden (Art. 5 II EUV)

• MSen bleiben auch zukünftig „Herren der Verträge“, da Vertragsänderungen nur durch Ratifikation aller MSen möglich (Art. 48 IV (II) EUV)

• keine Unterscheidung mehr nach Gemeinschafts- und Unionsrecht >>> nur noch Unionsrecht

o Primäres Unionsrecht: EUV (Art. 1 III EUV), AEUV (Art. 1 II AEUV) sowie der dazugehörigen Anhänge und Protokolle (Art. 51 EUV) –

Charta der Grundrechte der EU zugehörig; Rechtsverbindlichkeit durch Art. 6 I (I) EUV festgeschrieben

o Sekundäres Unionsrecht: von der EU aufgrund des primären Unionsrecht gesetzten Normen

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E. Verstärkte Zusammenarbeit der MSen • Möglichkeit für einzelne MSen in Bereichen der nicht ausschließlichen Zuständigkeit der EU mit der

europäischen Integration voranzuschreiten, ohne dabei auf die EU-Organe verzichten zu müssen oder auf die anderen MSen angewiesen zu sein – rechtlicher Rahmen dieser Möglichkeit in Art. 20 EUV, Art. 326-334 AEUV geregelt

• Voraussetzung nach Art. 20 II 1 EUV: letztes Mittel, nachdem der Rat festgestellt hat, das die mit der verstärkten Zusammenarbeit verfolgten Ziele von der EU in Gänze nicht innerhalb eines annehmbaren Zeitraums zu erreichen wären

• Maßnahmen im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit nur für beteiligte MSen verbindlich

• anfallenden Kosten mit Ausnahme der Verwaltungskosten der EU-Organe sind vorbehaltlich anderer Regelungen durch den Rat von den beteiligten MSen zu tragen (Art. 332 AEUV)

• Zulässigkeitsvoraussetzungen

o mind. 9 MSen beteiligt (Art. 20 I (II) 2 EUV)

o Mitarbeit allen MSen jederzeit offen steht (Art. 20 I (II) 2 EUV)

o im Interesse der EU (Art. 20 I (II) 1 EUV)

o im Rahmen der EU-Zuständigkeiten aber nicht im Rahmen der ausschließlichen EU-Zuständigkeit (Art. 20 I (I) EUV)

o Beachtung des EuR (Art. 326 1 AEUV)

o keine Beeinträchtigung des Binnenmarkts sowie des ökonomischen, sozialen bzw. territorialen Zusammenhalts (Art. 326 2 AEUV)

o keine Behinderung / Diskriminierung des zwischenstaatlichen Handels – etwa durch Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen (Art. 326 3 AEUV)

o Beachtung der Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nicht beteiligten MSen (Art. 327 1 AEUV)

• Verfahren in Art. 329 f. AEUV geregelt; Art. 329 II AEUV sieht Sonderregelungen für das Verfahren bei einer verstärkten Zusammenarbeit in Bereichen der GASP vor

o Antrag der MSen an EK unter Nennung des Anwendungsbereichs sowie der Ziele der verstärkten Zusammenarbeit

o EK kann Antrag dem Rat vorlegen

o Rat braucht zur Annahme des Antrags die Zustimmung des EPs

o an der geplanten verstärkten Zusammenarbeit beteiligten MSen beschließen im Rat mit qualifizierter Mehrheit (Art. 238 III AEUV) in Anwesenheit der anderen MSen, die sich nicht beteiligen wollen

o zur Durchführung der verstärkten Zusammenarbeit ergehende Rechtsakte: sekundäre Sonderrechtsakte

gleiche rechtliche Wirkung wie andere Unionsrechtsakte – in ihrer Wirkung jedoch begrenzt auf die an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden MSen

Verhältnis zum regulären Sekundärrecht str, da Norm von verschiedenen Organen erlassen und folglich lex specialis- und lex posterior-Grundsatz unanwendbar

• unstr: Willen der Herren der Verträge, Rechtsakte der verstärkten Zusammenarbeit ins EuR einzufügen

• Vorrangigkeit des regulären Sekundärrechts, da Zulässigkeitsvoraussetzung aus Art. 326 I AEUV statuiert, dass verstärkte Zusammenarbeit nicht dem EuR

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zuwiderlaufen darf bei deren Einsetzung – sollte auch für die Zeit nach deren Einrichtung gelten

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F. EU-Vertragsänderung I. Ordentliches Änderungsverfahren (Art. 48 II-V EUV)

• Antragsberechtigt: Regierungen der MSen, EP, EK

• nach Eingang eines Antrags dem ER sowie den Parlamenten der MSen zu übermitteln

• ER beschließt nach Anhörung des EPs und der EK – bei Währungsfragen auch der EZB, ob er einen Konvent (Art. 48 III (I) EUV) oder eine Regierungskonferenz (Art. 48 III (II) EUV) einberuft

o Ablehnung seitens EP / EK / EZB unbeachtlich für Fortgang des Verfahrens

o beruft ER weder Konvent noch Regierungskonferenz, so ist das Verfahren gescheitert

• Art. 48 III (I) EUV: Konvent

o Konferenz von Vertreten der Parlamente und Regierungen der MSen sowie des EPs und der EK

o Konvent prüft Änderungsantrag und gibt eine Empfehlung an die darauf folgende Regierungskonferenz ab

• Art. 48 III (II) EUV: Regierungskonferenz

o sofortige Einberufung der Regierungskonferenz bedarf der Zustimmung des EPs; thematisch begrenzt auf kleinere Vertragsänderungen

o Regierungskonferenz in ihrer Entscheidung vollkommen frei – insb unabhängig von den Empfehlungen des Konvents

• Vertragsänderung tritt in Kraft, wenn alle MSen entsprechend ihren nationalen Vorschriften die Vertragsänderung ratifiziert haben und die Ratifikationsurkunde gem Art. 54 EUV bei der italienischen Regierung hinterlegt haben

II. Vereinfachte Änderungsverfahren (Art. 48 VI-VII EUV)

1. Vereinfachtes Verfahren nach Art. 48 VI EUV • Änderungsantrag auf 3. Teil des AEUVs begrenzt (Interne Politikbereiche, Art. 26-197 AEUV)

• keine Ausweitung der EU-Kompetenzen zulässig

• Antragsberechtigt: Regierungen der MSen, EP, EK

• ER beschließt nach Anhörung des EPs und der EK – bei Währungsfragen auch der EZB

• Beschluss bedarf der Zustimmung aller MSen entsprechend deren nationalen Regelungen

2. Brückenverfahren nach Art. 48 VII EUV • Gegenstand können sein

o Übergang von der Einstimmigkeit im Rat zur qualifizierten Mehrheit im Rat sein – begrenzt auf den AEUV und Titel V des EUV (Art. 21 – 46 EUV)

o Übergang vom besonderen zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren – begrenzt auf den AEUV; militärische und verteidigungspolitische Beschlüsse ausgenommen

• ER beschließt ein Änderungsverfahren einzuleiten

o BVerfG verlangt für die Zustimmung des deutschen Regierungsvertreters ein Zustimmungsgesetz nach Art. 23 I 2, 3 GG, da vertraglich die Ratifikation durch nationalen Parlamente nicht vorgesehen ist

• Änderungsantrag ist nationalen Parlamenten zu übermitteln; diese können binnen 6 Monaten den vorliegenden Änderungsantrag ablehnen, womit das Änderungsverfahren gescheitert wäre

o in Deutschland sieht das Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG) vor, dass der Bundestag nur in Fällen seiner ausschließlichen Zuständigkeit ablehnen kann – in allen anderen Fällen Bundestag als auch Bundesrat ablehnugsbefugt (§ 10 I Nr. 1, Nr. 2 IntVG)

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• nach Zustimmung der nationalen Parlamente bedarf es noch der Zustimmung des EP

• nach der Zustimmung von nationalen wie EP kann der Rat die Änderung einstimmig beschließen

III. Nichtförmliche Vertragsänderungen nach allgemeinem VölkerR • Staaten können ungeachtet von Art. 48 EUV weiterhin im Konsens die Verträge nach den Maßgaben des

allgemeinen Völkerrechts ändern, da nicht erkennbar, dass MSen ihre völkerrechtliche Kompetenz in diesem Bereich für die Ewigkeit einschränken wollten

• derartige Änderungen zwar unionsrechtswidrig, aber völkerrechtlich wirksam

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G. EU-Beitritt (Art. 49 EUV) I. Voraussetzungen

• europäischer Staat,

o der die in Art. 2 EUV genannten Werte anerkennt und sich für deren Förderung einsetzt

• Berücksichtigung der Kopenhagener Kriterien

o Geographisches Kriterium

europäischer Staat

o Politische Kriterien

rechtsstaatliche Ordnung

demokratische Ordnung

Schutz der Grund- und Menschenrechte

Minderheitenschutz

o Ökonomische Kriterien

funktionsfähige Marktwirtschaft

Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf die Erweiterung des Marktes durch den EU-Beitritt

o Sonstige Kriterien

Identität der Ziele des Staates mit den politischen – insbesondere wirtschafts- und währungspolitischen Zielen der EU

Übernahme des gemeinsamen Besitzstandes der EU (acquis communautaire)

Justiz und Verwaltung fähig zur Anwendung des gemeinsamen Besitzstandes

• das Erfüllen aller Voraussetzungen begründet noch keinen Anspruch; Beurteilungs- und Ermessensspielraum seitens der EU

• gesonderter Beitritt zur EAG oder einzig zur EU nicht mgl

II. Verfahren • Beitritt beim Rat beantragt

• Unterrichtung des EPs und der nationalen Parlamente

• Rat entscheidet nach Anhörung der EK sowie der mehrheitlichen Zustimmung durch das EP einstimmig, OB der Staat aufgenommen wird

• MSen regeln dann, WIE die Aufnahme erfolgt – völkerrechtliche Verträge, die Aufnahmebedingungen und etwaige erforderliche Vertragsanpassungen vorsehen, und, der Ratifikation durch alle MSen sowie des Beitrittskandidaten bedürfen

III. Wirkung • Beitrittsstaat übernimmt vorbehaltlich abweichender Regelungen im Beitrittsvertrag mit sofortiger Wirkung alle

Rechten und Pflichten der EU (Übernahme des acquis communautaire)

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H. Austritt, Ausschluss und Suspendierung I. EU-Austritt (Art. 50 EUV)

• Recht eines jeden MSes unabhängig vom Vorliegen irgendwelcher Voraussetzungen, aus der EU auszutreten – lediglich vorausgesetzt, dass dies im Einklang mit seiner Verfassung steht

• Austrittsabsicht dem ER mitzuteilen

• ER legt Leitlinien fest, nach denen die EU das Austrittsabkommen gestalten soll

• Rat beschließt dann nach Zustimmung des EP mit qualifizierter Mehrheit – austrittswillige Staat soll weder an Beratungen noch an Beschlussfassung teilnehmen

o aktuell Stimmenwägung: 2/3 der MSen müssen zustimmen; qualifizierte Mehrheit der Mitglieder (73,91 %); zustimmenden MSen müssen mind. 62 % der EU-Bevölkerung repräsentieren

o ab 01.11.2014 keine Stimmenwägung mehr: qualifizierte Mehrheit der Mitglieder, wobei jeder MS dann noch eine Stimme hat (72 %); zustimmenden MSen müssen mind. 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren

• Austritt und damit die rechtliche Bindung an die EU wirksam mit dem Inkrafttreten des Austrittsabkommen ODER 2 Jahre nach dem Austrittsersuchen des MSes – Verlängerung dieser 2-Jahresfrist einvernehmlich mgl >>> einseitiges Austrittsrecht

• Austritt schließt erneuten Beitritt nach Art. 49 EUV nicht aus

II. EU-Ausschluss • Ausschluss in Verträgen nicht vorgesehen

• Rückgriff auf die ultima ratio aus Art. 60 II WVK, welcher die Beendigung eines Vertrags mit einer vertragsbrüchigen Partei ermöglicht, durch Art. 7 EUV und das Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH ausgeschlossen,

III. Suspendierung von Mitgliedschaftsrechten (Art. 7 EUV)

1. Vorverfahren • begründeter Vorschlag eines Drittels der MSen, des EPs oder der EK

• Rat beschließt mit 4/5 seiner Mitglieder nach Anhörung des MSes und mit Zustimmung des EPs, dass definitiv eine Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Grundsätze durch einen MS droht, und richtet an diesen MS entsprechende Empfehlungen

2. Suspendierungsverfahren • Voraussetzung

o MS verstößt entgegen seinen Pflichten aus Art. 2 EUV schwerwiegend und anhaltend gegen das Rechtsstaats- oder Demokratieprinzip ODER gewährleistet nicht die zum Schutz der Grund- und Menschenrechte erforderlich Verfahren

schwerwiegend: Grundsatz in seinem Kern- / Wesensgehalt angegriffen

anhaltend: keine einmalige / kurzfristige Verletzung

• Verfahren

o ER stellt auf Antrag eines Drittels der MSen oder der EK nach Anhörung des EPs sowie der Regierung des betroffenen MSes fest, dass obige Voraussetzung erfüllt ist

o Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit über den Entzug mitgliedstaatlicher Rechte, wobei auch das Stimmrecht entzogen werden kann – Pflichten davon unberührt bestehen

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o Abstimmungsmodalitäten in Art. 354 AEUV geregelt

Stimme des betroffenen MSes und Bevölkerung des MSes bleiben bei der Abstimmung unberücksichtigt

qualifizierte Mehrheit richtet sich nach Art. 238 III b AEUV; EP beschließt mit 2/3 und der Mehrheit seiner Mitglieder

• Folgen

o je nachdem, was der Rat beschlossen hat

o Modalitäten für Beschlüsse nach Suspendierung regelt Art. 354 III AEUV

o Rechtsschutz kann der betroffene MS gem Art. 269 AEUV vorm EuGH suchen, der jedoch in seiner Entscheidung auf die Wahrung der Verfahrensvorschriften begrenzt ist

• Aufhebung / Abänderung

o mgl, indem der Rat mit qualifizierter Mehrheit dies beschließt, wenn in der Sache Änderungen festzustellen sind

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I. Institutionelle Struktur der EU I. EU und ihre MSen

• Grundlage der Mitgliedschaft Deutschlands im GG Art. 23 f.

o Strukturklausel (Art. 23 I 1 GG): EU, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist sowie einen dem GG im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet

o Kompetenzübertragungsklausel (Art. 23 I 2 GG): Übertragung von Hoheitsrechten mit der Zustimmung des Bundesrates mgl

o Verfassungsbestandsklausel (Art. 23 I 3 GG iVm Art. 79 III GG): Übertragung von Hoheitsrechten darf nicht dazu führen, dass das GG in seinen Grundfesten (vgl Art. 79 III GG) berührt wird

o Art. 23 III-VI GG: Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten des Bundes erforderlich, um einem möglichen schleichenden Kompetenzverlust mind. zu kompensieren

• Verfassungsrechtliche Grenzen Deutschlands im Hinblick auf die Weiterentwicklung der EU

o Art. 23 I 2 GG: Übertragung nur von hinreichend bestimmten Hoheitsrechten nur mit Zustimmung des Bundesrates und nur durch formelle Bundesgesetze

o Art. 23 I 3 GG: jegliche Änderungen der Grundlagen der EU müssen den Voraussetzungen aus Art. 79 II-III GG genügen (2/3-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat; Ewigkeitsklausel des Art. 79 III GG)

Rechtsakte, die die Kompetenzen der EU ausweiten, regelmäßig an diesem Maßstab zu prüfen, da in die Kompetenzordnung des GGes eingegriffen wird

Grundprinzipien des GGes indisponibel – hier insbesondere

• Souveränität des Staates Deutschlands

o Unzulässig: Aufgabe des Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes zugunsten eines europäischen Bundesstaates (bleibt einzig dem deutschen Volk vorbehalten (Art. 146 GG)); Übertragung von Kompetenz-Kompetenzen; unwiderrufliche Hoheitsrechtsübertragung

• Föderalität der EU

o gleichwohl in der EU nur Deutschland Mitglied ist und die EU insoweit gegenüber den Bundesländern „landesblind“ ist, muss deren Mitwirkung gewährleistet sein (Art. 23 Ia GG: Möglichkeit der Subsidiaritätsklage auch für die Bundesländer; Art. 23 II, IV, V GG: Mitwirkung der Länder prozessual vorgeschrieben – bei der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder obliegt gem Art. 23 VI GG die Vertretung bei der EU gar einem vom Bundesrat benannten Vertreter)

• Wirksamer Schutz der Grundrechte durch die EU

o EU-Grundrecht darf nicht in Gänze unter das Mindestmaß des deutschen Grundrechts absinken

• Demokratische EU

o Demokratie innerhalb der EU, aber auch innerhalb der MSen

o innerstaatliche Wahlen dürfen ihre demokratische Legitimation nicht verlieren: Bundestag muss eigene, politisch wesentliche Aufgaben und Befugnisse weiterhin innehaben

o wesentliche Aufgaben laut BVerfG: Staatsbürgerschaft, staatliche Gewaltmonopol, Haushalt, Bereiche intensiver Grundrechtseingriffe – insb Strafrecht, Kultur iwS (Sprache, gesellschaftliches Zusammenleben, Familie, Bildung, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit)

• Kontrollmechanismen des BVerfGs

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 16

o Identitätskontrolle

Kontrolle dahingehend, ob der unantastbare Kern des GGes aus Art. 79 III GG verletzt wird (Art. 23 I 3 GG iVm Art. 79 III GG)

o ultra-vires-Kontrolle str

Kontrolle, ob unionaler Rechtsakt tatsächlich vom deutschen Zustimmungsgesetz gedeckt ist (Begründung: Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung; Brückentheorie (Brücke = deutsches Zustimmungsgesetz; Brückenpassant = Unionsrechtsakt))

• falls nicht, bleibt dieser Rechtsakt in Deutschland unangewendet

str, weil für den Fall, dass jeder MS selbst über die Anwendbarkeit eines Unionsrechtsakts letztverbindlich entscheidet, gefährdet die Einheit des Unionsrechts, weshalb das BVerfG und alle anderen nationalen Gerichte nur überprüfen können sollen, ob das Zustimmungsgesetz bzw. der Unionsrechtsakt gegen Art. 79 III GG verstößt

II. Recht der EU und der Mitgliedstaaten • Arten der Unionskompetenzen – Auflistung jedoch nicht abschließend

o ausschließliche Zuständigkeit (Art. 3 AEUV)

ausschließlich EU kann verbindliches Recht setzen

MSen dürfen nur tätig werden, sofern von EU hierzu ermächtigt, oder bei entsprechenden Durchführungsmaßnahmen oder im Falle eines Gesetzgebungsnotstandes (Ausbleiben einer Unionsregelung trotz dringenden Bedarfs)

in Art. 3 keine abschließende Aufzählung der ausschließlichen Zuständigkeiten

o geteilte Zuständigkeit (Art. 4 AEUV)

Regelfall außer ausdrücklich ausschließliche Zuständigkeit oder Zuständigkeit für Durchführung explizit genannt

Union und MSen können Recht verbindlich setzen; MSen jedoch nur soweit und sofern die Union noch nicht tätig geworden ist oder nicht mehr tätig ist

in Art. 4 keine abschließende Aufzählung der geteilten Zuständigkeiten

o Zuständigkeit für Koordinierung (Art. 5 AEUV)

o Zuständigkeit für Durchführung (Art. 6 AEUV)

• Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung

o EU und ihre Organe brauchen immer eine zumindest im Wege der Auslegung nachweisbare Rechtsgrundlage im EUV / AEUV und müssen dann, sofern normiert, auch die dort vorgesehenen Form- und Verfahrensvorschriften wahren

o Herren der Verträge fügten jedoch im Bewusstsein, nicht alles regeln zu können, eine Generalklausel in Art. 352 AEUV ein, wonach der Rat immer dann tätig werden kann, wenn das EP zustimmt, und, sofern dies im Rahmen der in den Verträgen normierten Politikbereiche (Ausnahme: GASP) erforderlich ist, um eines der Vertragsziele zu verwirklichen

BVerfG: deutscher Vertreter im Rat bedarf für seine Zustimmung eines Zustimmungsgesetzes iSv Art. 23 I 2, 3 GG

o für das Verhältnis zu den MSen in Art. 5 I 1, II EUV niedergelegt (begrenzte Verbandskompetenz)

o für die EU-Organe in Art. 13 II 1 EUV niedergelegt (begrenzte Organkompetenz)

• Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 III EUV)

o außerhalb der ausschließlichen Zuständigkeit der EU darf sie nur Recht setzen, sofern und soweit die damit verfolgten Ziele weder auf nationaler noch auf regionaler noch auf lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden könnten – Ziele müssen auf unionaler Ebene besser zu regeln sein

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o ergriffene Maßnahmen dürfen jedoch nicht über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinausgehen (Prinzip der Verhältnismäßigkeit aus Art. 5 IV (I) EUV)

o Voraussetzungen für EU-Handeln außerhalb ausschließlicher Zuständigkeit also immer

fehlende Effizienz mitgliedstaatlichen Handelns: keine ausreichende Verwirklichung der Unionsziele auf den unteren Ebenen

Mehrwert europäischen Handelns: Unionsziele können auf Unionsebene besser verwirklicht werden

o Subsidiaritätsrüge: Möglichkeit der MSen mittels begründeter Stellungnahme innerhalb von 8 Wochen nach Übermittlung des Gesetzgebungsvorschlags die Missachtung des Subsidiaritätsprinzips zu rügen

Verfahren in Art. 6, 7 Subsidiaritätsprotokoll ausgestaltet

o Subsidiaritätsklage (Art. 8 Subsidiaritätsprotokoll): Möglichkeit der MSen (und des AdR, sofern seine Anhörung bei dem fraglichen Rechtsakt gesetzlich vorgeschrieben ist) in Form der Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV), die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips vorm EuGH zu rügen

in Deutschland in Art. 23 Ia GG und § 12 IntVG geregelt

• Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 IV EUV)

o gilt für jegliche Handlungsformen der EU

o gebunden sind die EU-Organe gegenüber Individuen und den MSen aber auch die Organe der MSen gegenüber Individuen, sofern sie EuR vollziehen

• Anwendungsvorrang des Unionsrechts

o Voraussetzung des Anwendungsvorrangs: unmittelbare Anwendbarkeit des EuRs

Frage, ob der Norm Tatbestände mit entsprechenden Rechtsfolgen entnommen werden können

Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit des EuRs: unmittelbare Geltung

• Frage der rechtlichen Geltung des EuRs in den MSen

o Einigkeit besteht über die Notwendigkeit des Anwendungsvorrangs für die Einheit des EuR in allen MSen

EuGH: uneingeschränkter Anwendungsvorrang vor nationalem Recht – auch vor Verfassungsrecht

• zur Verwirklichung der Ziele der EU erforderlich

BVerfG: eingeschränkter Anwendungsvorrang vor nationalem Recht kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung aus Art. 23 GG

o Folgen des Anwendungsvorrangs

Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts

• keine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts mgl: Vorrang des EuRs vor nationalem Recht

Pflicht der nationalen Gesetzgeber, keine sich mit dem EuR im Widerspruch befindlichen Normen zu erlassen, und, unionsrechtswidrige Normen aufzuheben

EuR-widrige Verwaltungsakte müssen aufgrund ihrer Rechtswidrigkeit zurückgenommen werden; sofern VA jedoch bestandskräftig, bleibt er bestehen, außer das nationale Recht kennt anderweitige Rücknahmemöglichkeiten oder letztinstanzliches Urteil

• Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit: Pflicht zur Unionstreue (Art. 4 III EUV)

o MSen haben

alle Maßnahmen zu treffen, derer es zur Erfüllung der primär- und sekundärrechtlichen Verpflichtungen bedarf

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EU bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu unterstützen

alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Erfüllung der Verpflichtungen behindern könnten

o EU-Organe haben

mit den MSen loyal zusammenzuarbeiten

o MSen untereinander zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet

• Schutzklauseln

o MSen können auf Antrag und entsprechende Genehmigung durch Rat / EK in einzelnen Fällen für einen vorübergehenden Zeitraum vom EuR abweichen, falls sie ein EuR-konformes Handeln zB aus finanziellen Gründen nicht gewährleisten könnten

• Notstandsklauseln (Souveränitätsvorbehalte)

o falls vitale MS-Interessen betroffen, kann ein MS unter den jeweils genauer bestimmten Voraussetzungen ohne Genehmigung des Rates / der EK vom EuR abweichen

o Art. 346 I, Art. 347 AEUV

o Kontrolle über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen obliegt gem Art. 348 II AEUV EuGH

III. EU-Organe (Art. 13 EUV) • Prinzip der organschaftlichen Einzelermächtigung (Art. 13 II 1 EUV): Handlungen einzelner Organe nur

rechtmäßig, sofern sich das jeweilige Organ auf eine in den Verträgen genau festgelegte Kompetenz berufen kann

• Institutionelles Gleichgewicht

o keine Aufteilung der Organe in Legislative und Exekutive mgl; Verteilung der Kompetenzen daher auf verschiedene Organe, um die Macht bestmgl zu verteilen

o folgt aus dem Prinzip der organschaftlichen Einzelermächtigung

• Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit der Organe (Art. 13 II 2 EUV)

1. Europäisches Parlament (EP) – Art. 14 EUV, Art. 223 ff. AEUV • Zusammensetzung und Organisation

o seit 20.09.1976 allgemeine, unmittelbare Wahl der Mitglieder durch die Bürger der EU

o fünfjährige Legislaturperiode (Art. 14 III EUV)

o MS stellt mind. 6, max. aber 96 Mitglieder des EPs (MdEPs); konkrete Zahl wird nach dem Grundsatz der degressiven Proportionalität und nach einstimmigem Beschluss des ERs festgelegt (Art. 14 II (II) EUV), dem das EP zugestimmt hat

Gleichheit der Wahl damit nicht gegeben, da Zählwert der Stimme nicht gleich Erfolgswert der Stimme

• Wahlrechtsgleichheit stammt historisch betrachtet aus dem Grundsatz der politischen Gleichheit aller Staatsbürger, EU verfügt jedoch über kein Staatsvolk, sondern berücksichtigt den völkerrechtlichen Grundsatz der formalen Gleichheit der souveränen Staaten

o insgesamt max. 750 MdEPs zzgl. EP-Präsident

o Arbeit des EPs erfolgt im Plenum und in Ausschüssen, bei deren Besetzung Fraktionen und MSen proportional berücksichtigt werden sollen

o EP wählt sich aus seiner Mitte einen Präsidenten mitsamt Präsidium (Art. 14 IV EUV)

o 12 Plenartagungen / Monat – Abweichung durch EP-Beschluss unmgl

• Aufgaben

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 19

o wesentliche Aufgabe nach Art. 14 I 1 EUV, gemeinsam mit dem Rat als Legislative der EU zu agieren – jedoch im Wesentlichen kein Initiativrecht seitens EP (Recht, EK unverbindlich aufzufordern, zu einer bestimmten Thematik einen Vorschlag zu unterbreiten (Art. 225 1 AEUV))

o EP muss in vielen Fällen gehört werden – praktisch wird es in allen Fällen angehört, bei einigen Personal- und Sachentscheidungen bedarf es auch der Zustimmung des EPs

Wahl des EK-Präsidenten auf Vorschlag des ERes (Art. 14 III, 17 VII 1 EUV)

Zustimmung vor EK-Ernennung erforderlich (Art. 17 VII (III) EUV)

o Initiativrecht bei der Änderung der Verträge (Art. 48 II 1 / VI (I) EUV)

o legt gemeinsam mit dem Rat den Haushaltsplan fest

o Interpellationsrecht des EPs gegenüber der EK (Art. 230 III AEUV)

o Klagerecht des EPs beim EuGH gegen EK, Rat und EZB (Art. 263 II, Art. 265 I AEUV)

o Petitionsrecht aller Unionsbürger gegenüber dem EP (Art. 24 II AEUV iVm Art. 227 AEUV)

• Beschlussfassung

o soweit nichts anderes vorgesehen, Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 231 AEUV)

2. Europäischer Rat (ER) – Art. 15 EUV, Art. 235 ff. AEUV • Zusammensetzung nach Art. 15 EUV

o Mitglieder: Staats- und Regierungschefs der MSen, ständiger Präsident des ERes, Präsident der EK

Präsident wird vom ER mit qualifizierter Mehrheit für 2,5 Jahre gewählt (Art. 16 V EUV) – einmalige Wiederwahl mgl

o ständiger Gast: Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik

• Aufgaben nach Art. 15 EUV

o allgemeinpolitische Leitlinien entwickeln

o kann im vereinfachten Vertragsänderungsverfahren Gesetzgeber sein (Art. 48 VI / VII EUV)

o stellt schwerwiegende, andauernde Vertragsverletzung einzelner MSen fest (Art. 7 II EUV)

• Beschlussfassung gem Art. 235 f. AEUV

o gem Art. 15 IV EUV grds Konsensverfahren

o Präsident des ERes und der EK bei Abstimmungen ausgeschlossen

3. Rat der Europäischen Union (Rat) – Art. 16 EUV, Art. 237 ff. AEUV • Zusammensetzung

o pro MS je ein Vertreter Mitglied, der für die Regierung verbindlich handelt und ihr Stimmrecht ausübt (Art. 16 II EUV)

Vertreter muss Minister oder Staatssekretär sein – unabhängig davon, ob Landes- oder Bundesminister oder –sekretär

• Aufgaben

o Rechtsetzungsorgan (Art. 16 I EUV) – meist in Zusammenarbeit mit dem EP

o fachpolitische Leitlinien entwickeln (Art. 16 I 2 EUV)

o Haushaltsplan mit dem EP zusammen festsetzen (Art. 16 I 1 EUV)

o Abschluss von Verträgen mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen (Art. 218 II AEUV)

o bestätigt die Liste der Kandidaten für die Mitglieder der EK

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 20

o ernennt die Mitglieder des WSAes (Art. 301 I 2 AEUV), des AdR (Art. 305 II 3 AEUV) und des ERHs (Art. 286 II 2 AEUV)

• Beschlussfassung

o Rat beschließt grds mit qualifizierter Mehrheit – Verfahren jedoch vertraglich in mehrere Phasen aufgeteilt

qualifizierte Mehrheit (bis zum 31.10.2014)

• Fortbestand der alten Regelung aus Art. 205 II EGV gem Art. 16 V EUV iVm Art. 3 III des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen

• Ponderierung der Stimmen

o insgesamt 345 Stimmen seit der letzten Erweiterung

o mindestens 255 Ja-Stimmen

sofern Ratsbeschluss auf Vorschlag der EK einfache doppelte Mehrheit erforderlich: Mehrheit der Mitgliedstaaten

andernfalls qualifizierte doppelte Mehrheit erforderlich: 2/3-Mehrheit der MSen

o Mitglied des Rates oder des ERes kann beantragen, bei einem Beschluss mit qualifizierter Mehrheit zu überprüfen, ob die zustimmenden MSen mind. 62 % der Unionsbevölkerung darstellen

qualifizierte Mehrheit (vom 01.11.2014 bis zum 31.03.2017)

• altes Verfahren wird auf Antrag eines MSes angewandt (Art. 16 V EUV iVm Art. 3 II des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen)

• neues Verfahren verzichtet auf Ponderierung der Stimmen, sodass jeder MS über eine Stimme verfügt

o bei Vorschlag der EK oder des Hohen Vertreters für Außen- & Sicherheitspolitik doppelte Mehrheit erforderlich: mind. 55 % der MSen, die zusammen mind. 65 % der Unionsbevölkerung repräsentieren (Art. 16 IV (I) EUV)

qualifzierte Mehrheit (ab dem 01.04.2014)

• altes Verfahren wird auf Antrag eines MSes angewandt (Art. 16 V EUV iVm Art. 3 II des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen)

• neues Verfahren verzichtet ebenso auf Stimmenwägung; stets eine doppelt qualifizierte Mehrheit erforderlich: mind. 72 % der Mitglieder, die mind. 65 % der Unionsbevölkerung stellen müssen (Art. 16 IV (III) EUV iVm Art. 238 II AEUV)

ab dem 01.04.2017 entfällt die Möglichkeit, die Ponderation der Stimmen zu beantragen

o Beschluss = völkerrechtliche Vereinbarung zwischen den MSen

4. Europäische Kommission (EK) – Art. 17 EUV, Art. 244 ff. AEUV • Zusammensetzung

o Präsident

wird nach einem Beschluss des ERes mit qualifizierter Mehrheit dem EP vorgeschlagen, welches diesen Vorschlag dann annehmen kann mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder (Art. 17 VII EUV) – bei Ablehnung bleibt dem ER ein Monat für einen erneuten Vorschlag

Rat nimmt dann in Abstimmung mit dem EK-Präsidenten eine von den MSen erstellte Liste mit EK-Mitgliedern an, danach kann das EP den Gesamtvorschlag annehmen, im Anschluss

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 21

beschließt der ER mit qualifizierter Mehrheit die Ernennung von EK-Präsident, Hohem Vertreter und EK-Mitgliedern

o EK-Mitglieder

weisungsunabhängig (Art. 17 III (II) EUV)

haben sich jeder Handlung zu enthalten, die mit ihren Aufgaben unvereinbar ist (Art. 17 III (III) 2 EUV, Art. 245 I 1 AEUV)

untersagt, andere entgeltliche / unentgeltliche Tätigkeiten auszuüben (Art. 245 II 1 AEUV)

Amtszeit von 5 Jahren (Art. 17 III (I) EUV), für den Fall des früheren Ausscheidens trifft Art. 246 AEUV entsprechende Regelungen

müssen zurücktreten, sofern vom EK-Präsident dazu aufgefordert (Art. 17 VI (II) EUV)

• Organisation

o Präsident ernennt seine Vizepräsidenten – lediglich Hohe Vertreter ausgenommen (Art. 17 VI (I) c EUV)

o Präsident hat Organisations- und Leitlinienkompetenz (Art. 17 VI EUV)

o EK-Mitglieder dementsprechend ihre jeweilige Ressortkompetenz

• Aufgaben nach Art. 17 I EUV

o Exekutivkompetenzen

in Wettbewerbsfragen (Art. 101-109 AEUV)

Ausführung der vom Rat übertragenen Kompetenzen und Aufgaben

Ausführung des Haushaltsplans und sonstige Verwaltungsaufgaben

Hüterin der Verträge (wacht über die Verträge und alle darauf beruhenden Rechtsakte)

Aushandlung von Verträgen mit Drittstaaten und internationalen Organisationen

Unterhaltung der EU-Außenvertretungen

o Legislativkompetenz

Motor der Integration (hat grds als einziges Organ das Initiativrecht bei Gesetzgebungsverfahren (Art. 17 II EUV))

• Beschlussfassung

o mit einfacher Mehrheit der Mitglieder (Art. 250 I AEUV)

o im Umlauf- / Ermächtigungsverfahren mgl (Art. 12-14 GO EK)

• Hoher Vertreter für Außen- & Sicherheitspolitik (Art. 18 EUV)

o vom ER mit qualifizierter Mehrheit ernannt, wenn EK-Präsident und das EP dem Vorschlag mehrheitlich zugestimmt haben

o führt Vorsitz im Rat für Auswärtige Angelegenheiten

o EK-Vizepräsidentin qua Amt – zuständig für Koordination der Außenpolitik der EU

5. Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) – Art. 19 EUV, Art. 251 ff. AEUV • Judikative der EU -> Aufgabe: Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge

• Aufgabenzuweisung zwischen den verschiedenen Gerichten erfolgt in Art. 256 AEUV

a. Gerichtshof (EuGH) • höchste Instanz – Instanz für gegen Urteile des EuGs eingelegte Rechtsmittel

• jeder MS stellt einen Richter (Art. 19 II (I) 1 EUV)

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 22

o werden von allen MSen einvernehmlich auf 6 Jahre ernannt, nachdem ein Ausschuss die Eignung der Bewerber festgestellt hat (Art. 19 II (III) 2 EUV, Art. 253 I 2 iVm Art. 255 AEUV)

Ausschuss setzt sich aus 7 ehemaligen Richtern des EuGHs, des EuGs, eines obersten nationalen Gerichts oder Juristen von anerkannter Befähigung zusammen, die auf Vorschlag des Präsidenten des EuGHs vom Rat ernannt – ein Mitglied muss jedoch vom EP vorgeschlagen worden sein (Art. 255 II AEUV)

o müssen absolut unabhängig sein und im jeweiligen MS die Voraussetzungen für die höchsten richterlichen Ämter erfüllen (Art. 19 II (III) 1 EUV iVm Art. 253 I 1 AEUV)

o alle 3 Jahre teilweiser Austausch

o Wiederwahl zulässig (Art. 253 II, III AEUV)

• Richter wählen einen Präsidenten aus ihrer Mitte für die Dauer von 3 Jahren – Wiederwahl mgl (Art. 253 III AEUV); dieser leitet die Tätigkeit des Gerichtshofs sowie die Verwaltung

• 8 gegenüber den Richtern unabhängige Generalanwälte unterstützen die Richter bei ihrer Arbeit mit Gutachten

o unabhängig und lediglich dem EuR verpflichtet

o Ernennung, Amtsdauer, Qualifikation entsprechend den Richtern (Art. 253 AEUV)

• Richter und Generalanwälte wählen einen Kanzler für 6 Jahre, welcher die allgemeine Verwaltung unter Aufsicht des Präsidents übernimmt (Art. 253 V AEUV)

b. Gericht (EuG) • zuständig für gegen Urteile der Fachgerichte eingelegte Rechtsmittel (Art. 256 II (I) AEUV) – EuGH kann unter

den in Art. 256 II (II) AEUV genannten Voraussetzungen das Urteil des EuGs in einer solchen Rechtssache nochmals überprüfen

• mind. 1 Richter / MS

o werden durch MSen ernannt nach Anhörung des in Art. 255 AEUV vorgesehenen Ausschusses

• Unterstützung durch Generalanwälte mgl (Art. 254 I 2 AEUV)

• Ausführungen zum EuGH gelten hier iÜ entsprechend

c. Fachgerichte • können vom EP und dem Rat mittels ordentlichem Gesetzgebungsverfahren eingerichtet werden (Art. 257 I 1

AEUV)

• dem EuG beigeordnet

6. Europäische Zentralbank (EZB) – Art. 282 ff. AEUV • eigene Rechtspersönlichkeit gegenüber der EU, sodass ihre Rechtsakte nicht der EU zugerechnet werden und

sie allein haftet (Art. 282 III 1 AEUV)

• Unabhängigkeit der EZB bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und der Verwaltung, die die EU als auch die MSen zu achten haben (Art. 282 III 3, 4 AEUV)

• EZB als auch ihre Mitglieder weisungsunabhängig gegenüber EZB-Externen

• Beschlussorgane

o EZB-Direktorium

Präsident, Vizepräsident sowie 4 weitere Mitglieder gehören diesem an

ER ernennt mit qualifizierter Mehrheit diese auf Vorschlag des Rates (Art. 283 II AEUV), wobei Wiederwahl ausgeschlossen ist

o EZB-Rat

Direktorium und Präsidenten aller nationalen Zentralbanken der MSen, deren Währung der € ist, gehören diesem an (Art. 283 I AEUV)

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 23

o Erweiterter Rat der EZB

Zusammenkunft des Direktoriums mit den Präsidenten der Zentralbanken aller MSen

• Oberstes Ziel: Preisstabilität in den Ländern, deren Währung der € ist (Art. 127 II AEUV)

7. Rechnungshof der Europäischen Union (ERH) – Art. 285 ff. AEUV • setzt sich aus je einem Vertreter / MS zusammen (Art. 286 II AEUV)

o weisungsunabhängig

o müssen Erfahrung im Bereich Rechnungsprüfung vorweisen können (Art. 286 I AEUV)

o Ernennung erfolgt durch Rat mit qualifizierter Mehrheit und nach vorheriger Anhörung des EPs für die Dauer von 6 Jahren, wobei eine Wiederwahl nicht ausgeschlossen ist (Art. 286 II (I) 3 AEUV)

• wählen für die Zeit von 3 Jahren einen Präsidenten aus ihrer Mitte (Art. 286 II (I) AEUV)

• Aufgabe: Rechnungsprüfung, also die Überprüfung aller Einnahmen und Ausgaben der EU auf Recht- & Ordnungsmäßigkeit sowie deren Wirtschaftlichkeit (Art. 285 AEUV)

IV. EU-Institutionen – Art. 300 ff. AEUV • Wirtschafts- & Sozialausschuss (WSA) – Art. 300 ff. AEUV

• Ausschuss der Regionen (AdR) – Art. 305 ff. AEUV

• Europäische Investitionsbank (EIB) – Art. 308 f. AEUV

V. Rechtsetzungsverfahren • Erlass erfolgt meist durch Rat und EP unter Mitwirkung der EK – meist auch des WSAes und des AdR

• Verfahren entsprechend der Vorschrift in der jeweiligen Einzelermächtigung zu wählen

1. Gesetzgebungsverfahren (Art. 289 AEUV) • Gesetzgebungsakte stets auf Einzelermächtigung in Verträgen oder anderem Primärrecht rückführbar, daher

ausschließlich Sekundärrecht

a. Ordentliches Gesetzgebungsverfahren (Art. 294 AEUV) 1. Gesetzesvorschlag (Art. 294 II AEUV)

• Initiativrecht grds bei der EK – am Wohl der gesamten EU ausgerichteter Vorschlag

o Ausnahmen vom Initiativrecht der EK: Einrichtung eines Vermittlungsausschusses (Art. 293 I iVm Art .294 X, Art. 13 AEUV); vertraglich vorgesehen, dass Initiativrecht bei einer Gruppe von MSen, der EZB oder dem EuGH liegt

• Vorschlag ist dem EP und dem Rat zu übermitteln

2. 1. Lesung im EP (Art. 294 III AEUV)

• EP nimmt Stellung zum Entwurf, Änderungsvorschläge durch das EP mgl

• Übermittlung der Stellungnahme an den Rat

3. 1. Lesung im Rat (Art. 294 IV-VI AEUV)

• stimmt der Rat der Stellungnahme des EPs zu, so ist das Gesetz erlassen

• bei (teilweiser) Ablehnung hat der Rat dem EP seinen Standpunkt ausführlich zu begründen

4. 2. Lesung im EP (Art. 294 VII a, b AEUV)

• Gesetz erlassen, sofern EP Stellungnahme des Rates billigt, oder, sofern es binnen 3 Monaten zu keiner Beschlussfassung im EP kam

• bei Ablehnung des Standpunkts des Rats kann das EP mit der Mehrheit seiner Mitglieder Änderungen des Ratsentwurfs vorschlagen, die dann dem Rat und der EK zugeleitet werden

5. Stellungnahme der EK (Art. 294 VII c AEUV)

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 24

• EK äußert sich mittels Stellungnahme zu den Änderungsanträgen des EPs

6. 2. Lesung im Rat (Art. 294 VIII, IX AEUV)

• Gesetz erlassen, sofern der Rat den gesamten Entwurf des EPs binnen 3 Monaten mit qualifizierter Mehrheit bestätigt – lehnt die EK jedoch einzelne Änderungen ab, so bedarf es der Einstimmigkeit des Beschlusses bzgl. dieser einzelnen strittigen Punkte um die Änderungen trotzdem anzunehmen

• bei Ablehnung des Entwurfs des EPs Einberufung eines Vermittlungsausschusses durch den Ratspräsidenten im Einvernehmen mit dem EP-Präsidenten binnen 6 Wochen

7. Beratung im Vermittlungsausschuss (Art. 294 X-XII AEUV)

• paritätische Besetzung mit Mitgliedern des Rats und des EPs EK nimmt beratend an den Gesprächen teil

• bei Einigung auf gemeinsamen Entwurf kommt es zur 3. Lesung im Rat und EP, ansonsten ist das Gesetz gescheitert

8. 3. Lesung in EP und Rat (Art. 294 XIII AEUV)

• Rat muss binnen 6 Wochen mit qualifizierter Mehrheit das Ergebnis des Vermittlungsausschusses beschließen und EP muss binnen 6 Wochen mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen das Ergebnis des Vermittlungsausschusses beschließen, damit das Gesetz erlassen werden kann

b. Besondere Gesetzgebungsverfahren • keine zentralen Verfahrensvorschriften, in der jeweiligen Norm Ausführungen zum Verfahren getroffen

• Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift führt zur Nichtigkeit des Rechtsakts

aa. Anhörungsverfahren • Rechtsakt wird vom Rat nach Anhörung des EPs mittels einstimmigen Beschlusses oder eines Beschlusses mit

qualifizierter Mehrheit erlassen

• teilweise auf Vorschlag der EK, deren Entwürfe dann nur mit Einstimmigkeit durch den Rat abgeändert werden können (Art. 293 AEUV)

bb. Zustimmungsverfahren • 2 Varianten:

o Rat erlässt Rechtsakt mit Zustimmung des EPs

o EP erlässt Rechtsakt mit Zustimmung des Rates

regelmäßig Anhörung der EK erforderlich, teilweise gar deren Zustimmung erforderlich

• zustimmende Organ hat grds keinen Anspruch auf inhaltliche Mitgestaltung des Rechtsakts

2. Sonstige Rechtsetzung • alle Rechtsetzungsverfahren, die keine Gesetzgebungsverfahren iSv Art. 289 AEUV sind (delegierte

Rechtsakte, Durchführungsrechtsakte, Rechtsakte der GASP, ...) – Sekundär- / Tertiärrecht

a. Delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV) • Art. 290 AEUV schafft die Befugnis, dass der Gesetzgeber der EK den Erlass von Rechtsakten gestatten kann

• Voraussetzungen an eine solche Ermächtigungsgrundlage

o Rat / EP muss eine solche Delegierung beschlossen haben

o ausdrückliche Festlegung von Ziel, Inhalt, Geltungsbereich und –dauer

o Gesetzgeber muss wesentlichen Entscheidungen getroffen haben

o Überprüfbarkeit und Widerrufbarkeit der Kompetenzübertragung seitens des Gesetzgebers

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 25

b. Durchführungsrechtsakte (Art. 291 AEUV) • Rechtsakte, die erlassen werden, um die Durchführung von anderen Rechtsakten zu regeln; hierzu wird die EK

oder teilweise auch der Rat mit der Durchführung betraut

• EP und Rat regeln das wesentliche Verfahren im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mittels einer Verordnung

• Verfahrensarten zur Setzung von Durchführungsrechtsakten

o Beratungsverfahren (Art. 3 Komitologie-Beschluss)

o Verwaltungsverfahren (Art. 4 Komitologie-Beschluss)

meist angewandt bei Verwaltungsmaßnahmen mit entsprechendem hohem finanziellen und personellen Aufwand

o Regelungsverfahren (Art. 5 Komitologie-Beschluss)

o Regelungsverfahren mit Kontrolle (Art. 5a Komitologie-Beschluss)

bei Maßnahmen allgemeiner Tragweite, die zu einer Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen eines im ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erlassenen Rechtsakts führen, anzuwenden

o Verfahren bei Schutzmaßnahmen (Art. 6 Komitologie-Beschluss)

3. Beschlussfassung innerhalb der GASP • Erlass von Rechtsakten ausgeschlossen (Art. 24 I (II) EUV)

• Beschlussfassung erfolgt grds einstimmig (Art. 31 I (I) 1 EUV)

o Stimmenthaltungen nur schädlich für das Zustandekommen eines einstimmigen Beschlusses, sofern 1/3 der MSen sich ihrer Stimme enthalten, die 1/3 der Bevölkerung der EU repräsentieren, und dabei erklären, dass der Beschluss für sie keine bindende Wirkung hat

VI. Rechtsquellen der EU • Rechtsnatur str

o einig darüber, dass der Ursprung im Völkerrecht liegt

o Traditionalisten: Primär-, Sekundär- und Tertiärrecht = Völkerrecht

o Autonomisten (ua EuGH): EuR löste sich von seinem Ursprung und bildet nunmehr eine autonome Rechtsordnung >>> uneingeschränkter Vorrang dieser Rechtsordnung vor den nationalen Rechtsordnungen

o BVerfG: Anwendungsvorrang des EuRs leitet sich aus der Verfassung iVm den Zustimmungsgesetzen her, sodass EuR weiterhin verfassungsrechtlichen Grenzen und somit auch der verfassungsrechtlichen Kontrolle des BVerfG unterliegt

• umfassende unmittelbare Geltung, jedoch nur teilweise unmittelbare Anwendbarkeit des EuRs

o Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit

Norm enthält hinreichend bestimmte und unbedingte Verpflichtung oder Berechtigung

1. Primäres supranationales Recht • von MSen geschaffenes Recht (EUV, AEUV, Protokolle sowie Anhänge der Verträge, GrCh) +

primärrechtliches Gewohnheitsrecht + vom EuGH entwickelte allgemeine Rechtsgrundsätze

• Primärrecht gilt im gleichen Rang, daher finden die allgemeinen Kollisionsregeln für Normen gleichen Rangs Anwendung: lex posterior derogat legi priori; lex specialis derogat legi generali

2. Sekundäres supranationales Recht (Art. 288 AEUV) • vom Primärrecht abgeleitetes Recht – von Organen der EU auf Grundlage des Primärrechts erlassenes Recht

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 26

• Sekundärrecht gilt unterhalb des Primärrechts, sodass es mit diesem konform sein muss – innerhalb des Sekundärrechts finden wiederum die allgemeinen Kollisionsregeln für Normen gleichen Rangs Anwendung, vorausgesetzt jedoch, dass die Normen auf den gleichen Normgeber zurückzuführen sind

• grds die in der Norm vorgesehene Art des Rechtsakts zu wählen

o sofern nicht vorgeschrieben liegt es im Ermessen des jeweiligen Organs, welchen Sekundärrechtsakt es wählt – bei Entscheidung Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Art. 5 IV EUV, Art. 296 I AEUV)

• Einordnung eines Sekundärrechtsakts entsprechend der in Art. 288 AEUV genannten Arten erfolgt nicht nach der Bezeichnung sondern dem Inhalt der jeweiligen Norm

• Formvorschriften (Art. 296 f. AEUV)

o Begründungspflicht: Art. 296 II AEUV stellt eine Begründungspflicht für Sekundärrechtsakte auf, deren Missachtung einen Formfehler darstellt und somit zur Nichtigkeit der Norm führen kann; Anforderungen an eine solche Begründung

Bezugnahme auf im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens Vorschläge, Empfehlungen, Stellungnahmen etc.

klare und schlüssige Darstellung der Erwägungen, die zum Erlass der Norm führten

mind. mit Hilfe der Begründung muss die vertragliche Grundlage der Norm bestimmbar sein

o Bekanntgabepflicht: mittels ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zustandegekommene Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse werden gem Art. 297 I 1 AEUV vom EP- und Ratspräsident unterzeichnet und anschließend (nach Möglichkeit binnen eines Monats) im Amtsblatt der EU publiziert; Verordnungen des Rats, Verordnungen der EK und an alle MSen gerichtete Richtlinien ebenfalls im Amtsblatt zu veröffentlichen (Art. 297 II 1 AEUV); andere Sekundärrechtsakte sind den Normadressaten bekanntzugeben – Normadressat muss zumindest die Kenntnisnahme mgl sein

o Inkrafttreten: falls in der Norm nicht anders geregelt, am 20. Tag nach Bekanntgabe; Inkrafttreten vor Bekanntgabe unmgl, lediglich in begründeten Ausnahmefällen mit sofortiger Wirkung (Art. 296 II (II) AEUV)

a. Verordnungen (Art. 288 I, II AEUV) • abstrakt-generelle Regelung (allgemein, in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar grds in allen MSen)

• können horizontale Wirkung entfalten (Wirkung im Verhältnis Bürger-Bürger)

• Art. 261 AEUV gewährt dem Rat das Recht, Verordnungen mit Zwangsmaßnahmen zu verknüpfen

o Zwangsmaßnahmen: Geldbußen, Zwangsgelder

Geldbuße: die einer Person zur Ahndung einer Zuwiderhandlung auferlegte Zahlungsverpflichtung

Zwangsgeld: die einer Person zur Manifestierung ihrer Aufgabe auferlegte Zahlungsverpflichtung

o Zwangsvollstreckung (Art. 299 AEUV)

Möglichkeit bei MSen nach Art. 299 I AEUV ausgeschlossen,

bei Privaten nur unter folgenden Voraussetzungen: Beschluss beinhaltet eine inhaltlich klare, unbedingte und finale Aufforderung zur Zahlung, wobei Währung, Höhe und Zahlungsempfänger exakt benannt werden (Art. 299 II 1 AEUV)

EuGH / EuG befugt die Zwangsvollstreckung auszusetzen (Art. 299 IV 1 AEUV)

b. Richtlinien (Art. 288 I, III AEUV) • verbindlich für alle in der RL adressierten MSen bzgl des Ziels, nicht jedoch in der Wahl des Mittels und der

Form

• MSen aus Art. 4 III EUV zur vollständigen, exakten sowie fristgerechten Umsetzung der RL verpflichtet

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 27

• RL-Umsetzung muss dabei zu verbindlichen innerstaatlichen Vorschriften führen, aus denen für den einzelnen seine Rechte und Pflichten erkennbar werden, um sie vor nationalen Gerichten einklagen zu können

aa. Vorwirkung von RLn gem Art .4 III EUV iVm Art. 288 III AEUV • Frustrationsverbot: Adressaten der RL haben nach Bekanntgabe der RL alle Maßnahmen zu unterlassen, die

geeignet sind, die Erreichung der mit der RL verfolgten Ziele ernstlich zu gefährden

o Gerichte laut BGH bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist bereits dazu angehalten, RL bei der Normauslegung im Rahmen der Auslegung und unter Berücksichtigung der allgemeinen nationalen wie unionalen Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen – kein Eingriff in die Befugnisse des Gesetzgebers, sofern die Auslegungsgrenzen gewahrt werden und der Gesetzgeber ohnehin über keinen Umsetzungsspielraum verfügt

• Annäherungsgebot nach Verlängerung der Umsetzungsfrist: MSen haben über ihre Fortschritte bei der RLn-Umsetzung zu berichten und sich dabei stetig den mit der RL verfolgten Zielen anzunähern

bb. Unmittelbare Anwendbarkeit von RLn • Sachliche Voraussetzungen

o fehlerhafte / fehlende Umsetzung nach Fristablauf

o hinreichend genaue Bestimmtheit der fraglichen Norm

o Unbedingtheit der Norm (MS verfügt über keinerlei Umsetzungsspielraum bei der fraglichen Norm)

• Personelle Voraussetzungen

o vertikale unmittelbare Wirkung (+)

Bürger wird gegenüber dem Staat aufgrund der RL begünstigt, so hat der Staat dem Bürger diese Vergünstigung bereits von Amts wegen zu gewähren

o umgekehrt vertikale unmittelbare Wirkung (–)

RL enthält eine den Bürger belastende, den Staat jedoch begünstigende Norm

mit Verweis auf Möglichkeit zur fristgerechten Umsetzung der Norm und der damit verbundenen Möglichkeit für den Staat die Begünstigung zu erhalten, verneint der EuGH in stRspr eine solche Wirkung

o horizontale unmittelbare Wirkung / unmittelbare Drittwirkung

positive unmittelbare Horizontalwirkung (–)

• Bürger wird durch die RL ein Recht gegenüber einem anderen Bürger gewährt

• Bürger hat keinerlei Einfluss auf die Umsetzung der RL, weshalb er auch nicht für Fehler bei der Umsetzung haften sollte, die sich nicht automatisch für ihn aus der RL ergeben

negative unmittelbare Horizontalwirkung (–)

• Bürger wendet sich gegen Bürger, der sich auf eine nationale Norm stützt, die jedoch gegen die RL verstößt, weshalb sie im Rechtsstreit vom nationalen Gericht unangewendet bleiben muss

• Konsequenz wiederum die Belastung eines Bürgers, der jedoch für Umsetzungsfehlers nicht zu haften hat, die sich nicht automatisch für ihn aus der RL ergeben

o drittbelastende unmittelbare Wirkung (+/–)

Kombination aus vertikaler und umgekehrt vertikaler Wirkung: Bürger hat ein Recht gegenüber dem Staat aus der RL, das dieser nur unter der Belastung eines anderen Bürgers gewähren kann

grds schließt der Grundsatz der Rechtssicherheit eine Belastung von Privaten aus – handelt es sich jedoch um lediglich negative Auswirkungen für Rechte von Dritten und nicht um die

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 28

direkte Verpflichtung eines anderen Bürgers ist eine drittbelastende unmittelbare Wirkung zulässig

o objektive unmittelbare Wirkung

RL unmittelbar anwendbar, jedoch keine Begünstigung / Belastung für den einzelnen Bürger

c. Beschlüsse (Art. 288 I, IV AEUV) • abstrakt- / konkret-individuelle Regelung (für einen zumindest bestimmbaren, nach Erlass nicht mehr

erweiterbaren Kreis von (natürlichen und/oder juristischen) Personen (individualgerichteter Beschluss) oder Staaten (staatengerichteter Beschluss) verbindlich)

• staatengerichtete Beschlüsse wirken auch im Verhältnis Bürger-Staat, sofern sie unmittelbar anwendbar (hinreichend bestimmte und unbedingte Verpflichtung) sind – jedoch keine Horizontalwirkung

• Rechtmäßigkeitskontrolle obliegt dem EuGH: Gültigkeitsklage (Art. 267 I b AEUV), Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV)

d. Empfehlungen und Stellungnahmen (Art. 288 I, V AEUV) • nicht verbindlich für den Adressaten, jedoch zu deren Berücksichtigung angehalten

• können im Rahmen der Rechtsauslegung herangezogen werden

3. Europäisches Gewohnheitsrecht • geht aus einer allgemeinen, fortwährenden Übung (iSv Handeln / Unterlassen / Dulden) maßgeblicher

Rechtssubjektive hervor, die dieser Übung aus der Überzeugung nachkommen, zu einem solchen Verhalten aufgrund einer Norm verpflichtet zu sein

a. Allgemeine Rechtsgrundsätze des EuRs • Grundlage: Recht der EU auch solches Recht, dass in allen MSen in gleicher Weise gilt und deren

Rechtsgedanken auf die unionale Ebene übertragbar sind

• Ermittlung durch den EuGH im Wege wertender Rechtsvergleichung (rechtliche Grundlage für ein solches Vorgehen: Art .19 I 2 EUV)

• Beispiele für (ehemalige) allgemeine Rechtsgrundsätze

o Grundrechte

o Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

o Grundsatz von Treu und Glauben

o Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

o Prinzip der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

o Rückwirkungsverbot

o Grundsatz der Vertraulichkeit der Rechtsberatung

b. Völkergewohnheitsrecht • aufgrund der Völkerrechtsfähigkeit der EU an die auf internationale Organisationen anwendbaren Regeln des

Völkergewohnheitsrechts gebunden

• Bestandteil des Unionsrechts – auch ohne Transformation

o im Innenverhältnis der EU im Rang grds unter dem Primärrecht (Ausnahme: zwingende Regelungen des Völkerrechts), jedoch über dem Sekundärrecht (Erst-Recht-Schluss aus Art. 216 II AEUV)

o im Verhältnis MSen untereinander bzw. im Verhältnis EU-MSen Anwendung str

EuR verdrängt Völkergewohnheitsrecht meist aufgrund der lex-specialis-Regel

Rückgriffe jedoch als ultima ratio für den Fall der fehlenden Regelung durch EuR oder aufgrund fehlender Durchsetzbarkeit des EuRs mgl

o im Außenverhältnis der EU uneingeschränkte Geltung

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 29

c. Völkerrechtliche Verträge • Völkerrechtliche Verträge, deren Vertragspartner ua die EU ist

o werden mit Abschluss Teil des EuRs (im Rang zwischen Primär- und Sekundärrecht) – keine Transformation nötig

EuGH: steht ein Rechtsakt der EU im Widerspruch, so ist dieser ungültig, sofern die völkerrechtliche Norm im entsprechenden Fall unmittelbar anwendbar ist

aA: Völkerrecht steht über dem Sekundärrecht und ist daher immer Maßstab für Sekundärrecht – unabhängig von der unmittelbaren Anwendbarkeit des Völkerrechts im jeweiligen Fall

o Art. 216 II AEUV sieht dann die Bindungswirkung für die EU-Organe und die MSen vor, wobei letztere jedoch nur gegenüber der EU nicht aber den Vertragspartnern der EU verpflichtet sind

• Völkerrechtliche Verträge, deren Vertragspartner ua alle MSen sind

o keine unmittelbare Bindung der EU an diese Verträge, können jedoch im Wege allgemeiner Rechtsgrundsätze der MSen Eingang ins EuRs finden

VII. Vollzug des EuRs

1. Vollzugsformen

2. Verwaltungsverfahrensrecht • bisher kein umfassendes kodifiziertes EU-Verfahrensrecht, daher Rückgriff auf nationales Verfahrensrecht,

sofern kein spezifisches EU-Verfahrensrecht im jeweiligen Fall besteht

• nationales Verfahrensrecht muss laut EuGH folgenden Kriterien gerecht werden

o Effektivitätsgebot: nationales Verfahrensrecht darf Zielverwirklichung nicht faktisch nahezu unmgl machen

o Äquivalenzgebot: nationales Verfahrensrecht darf bei inhaltlich gleichartigen Fällen keine Unterscheidung bzgl unionalen und nationalen Fällen vornehmen

• Problem: nationales Verfahrensrecht sieht die Bestandskraft einer Entscheidung vor, gleichwohl die Entscheidung EuR-widrig ist

Vollzug des EuRs

Indirekter Vollzug durch die MSen

Unmittelbarer indirekter Vollzug (Vollzug von

unmittelbar anwendbarem EuRs)

Mittelbarer indirekter Vollzug (Vollzug von

nationalem Recht, das zur Umsetzung des EuRs

erlassen wurde)

Direkter Vollzug durch die EU

Unionsinterner direkter Vollzug (EU-Organe

untereinander)

Unionsexterner direkter Vollzug (EU-Organ wird gegenüber MSen oder

Personen tätig)

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 30

o Zulässigkeit der Durchbrechung der Bestandskraft bei begünstigenden Maßnahmen richtet sich nach den jeweiligen nationalen Regelungen

in Dtld muss daher mit Blick auf das Effektivitätsgebot die in § 48 IV VwVfG festgesetzte Jahresfrist unangewendet bleiben; ferner steht die Rücknahme nicht im Ermessen der Behörde

o Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Durchbrechung der Bestandskraft bei belastenden Maßnahmen

Rechtswegerschöpfung: fraglicher, bestandskräftiger Rechtsakt stammt von einem letztinstanzlichen Gericht, welches diesen unter Missachtung seiner sich aus Art. 267 III AEUV ergebenden Vorlagepflicht erlassen hat

Belasteter muss sich unmittelbar nach der Kenntnisnahme vom EuGH-Urteil gegen sein Gerichtsurteil wenden

VIII. Klagen vor dem EuGH • Aufgabe gem Art. 19 I 2 EUV: Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des EuRs >>>

Überprüfung der Handlungen der EU und der MSen auf ihre Vereinbarkeit mit dem EuRs (ausgenommen von der Jurisdiktion des EuGHs gem Art. 24 I (II) 6 EUV, Art. 275 I AEUV: GASP-Normen)

• Zuständigkeitsverteilung innerhalb der EU-Jurisdiktion regelt Art. 256 I AEUV iVm Art. 51 EuGH-Satzung

o EuG zuständig für alle nicht an Fachgerichten verhandelten Direktklagen von natürlichen und juristischen Personen; kann auch für Vorabentscheidungsverfahren in bestimmten Sachgebieten zuständig sein (Art. 256 III AEUV); Rechtsmittelinstanz für Entscheidungen etwaiger Fachgerichte

o EuGH zuständig für alle anderen Klagen (insbesondere Klagen der EU sowie der MSen); Rechtsmittelinstanz für EuG-Urteile

1. Vertragsverletzungverfahren (Art. 258-262 AEUV) • Möglichkeit der MSen und der EU zur gerichtlichen Kontrolle von Vertragsverstößen der MSen

a. Aufsichtsklage der EK (Art. 258 AEUV) I. Zulässigkeit

1. Eröffnung der Unionsgerichtsbarkeit

2. Sachliche Zuständigkeit

o EuGH gem Art. 256 AEUV iVm Art. 51 EuGH-Satzung ausschließlich zuständig für Vertragsverletzungsverfahren

3. Parteifähigkeit

a. Aktive Parteifähigkeit

o Fähigkeit, klagende Partei eines Rechtsstreits zu sein

o gem Art. 258 I AEUV ausschließlich EK

b. Passive Parteifähigkeit

o Fähigkeit, beklagte Partei eines Rechtsstreits zu sein

o gem Art. 258 I AEUV ausschließlich MSen, denen aber das Verhalten ihrer staatlichen Organe sowie das der Organe ihrer Gebietskörperschaften zugerechnet wird

4. Ordnungsgemäße Durchführung des Vorverfahrens (Art. 258 I, II AEUV)

o entbehrlich bei Verfahren nach Art. 114 IX und Art. 348 II AEUV; modifiziert bei Verfahren nach Art. 108 II (II) AEUV

a. Mahnschreiben der EK mit folgendem Inhalt:

o Ankündigung der Einleitung des formalen Anhörungsverfahrens

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 31

o Mitteilung jener Tatsachen, die nach Auffassung der EK den Vertragsverstoß begründen unter Nennung der verletzten Normen des EuRs

o Aufforderung zur Stellungnahme innerhalb der von der EK gesetzten Frist

b. Nach Fristablauf: EK gibt begründete Stellungnahme ab unter Setzung einer 2. Frist, innerhalb derer das vertragswidrige Verhalten durch den MS einzustellen ist

c. MS kommt der Aufforderung der EK nicht innerhalb der gesetzten Frist nach

5. Klagegegenstand

o Behauptung der EK, wonach der MS oder ein ihm zurechenbares Verhalten gegen eine Verpflichtung aus dem EuR verstößt

o Erweiterung des Verfahrensgegenstand gegenüber dem Vorverfahren unzulässig

6. Klageberechtigung

o Überzeugung der EK von der Vertragsverletzung in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht

7. Form und Frist

o Form in Art. 21 EuGH-Satzung und Art. 37 f. EuGH-VerfO geregelt

o Frist nicht gesondert geregelt, kommt lediglich eine rechtsmissbräuchliche Verzögerung bei der Einleitung des Verfahrens vor dem EuGH in Betracht

8. Rechtsschutzbedürfnis

o Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn MS der Aufforderung der EK aus I. 4. c. innerhalb der von der EK gesetzten Frist nachkam

o kam der MS der Aufforderung erst nach Fristablauf nach, so ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen, da das Urteil die Grundlage für die Haftung des MSes gegenüber EU, anderen MSen oder Personen sein könnte, Wiederholungsgefahr bestehen könnte oder die zu klärende Frage von grundsätzlicher Bedeutung sein könnte

II. Begründetheit

• Aufsichtsklage ist begründet, wenn die von der EK vorgetragenen Tatsachen zutreffend sind, das beklagte Verhalten dem angeklagten MS rechtlich zurechenbar ist und sich daraus ein Verstoß gegen das EuRs ergibt

III. Urteil

• Feststellungsurteil gem Art. 260 I AEUV, wonach der verurteilte MS zur sofortigen Beseitigung des EuRs-widrigen Zustands verpflichtet ist

• nicht vollstreckbar, kann jedoch ein erneutes Vertragsverletzungsverfahren unter Androhung eines Zwangsgeldes eingeleitet werden (Art. 260 III AEUV), vom Verhalten des MSes Geschädigter kann vom MS Schadensersatz verlangen

b. Staatenklage (Art. 259 AEUV) I. Zulässigkeit

1. Eröffnung der Unionsgerichtsbarkeit

2. Sachliche Zuständigkeit

o EuGH gem Art. 256 AEUV iVm Art. 51 EuGH-Satzung ausschließlich zuständig für Vertragsverletzungsverfahren

3. Parteifähigkeit

a. Aktive Parteifähigkeit

o Fähigkeit, klagende Partei eines Rechtsstreits zu sein

o gem Art. 259 I AEUV ausschließlich MSen

b. Passive Parteifähigkeit

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 32

o Fähigkeit, beklagte Partei eines Rechtsstreits zu sein

o gem Art. 259 I AEUV ausschließlich MSen, denen aber das Verhalten ihrer staatlichen Organe sowie das der Organe ihrer Gebietskörperschaften zugerechnet wird

4. Ordnungsgemäße Durchführung des Vorverfahrens (Art. 259 II, III AEUV)

o entbehrlich bei Verfahren nach Art. 114 IX und Art. 348 II AEUV; modifiziert bei Verfahren nach Art. 108 II (II) AEUV

a. Befassung der EK mit dem Antrag eines MSes, der folgenden Inhalt haben muss:

o Mitteilung der Tatsachen, die nach der Ansicht eines MSes den Vertragsverstoß eines anderen MSes begründen unter Nennung der verletzten Normen des EuRs

o Aufforderung zur Einleitung eines kontradiktorischen Verfahrens nach Art. 259 III AEUV

b. EK gibt beteiligten MSen Gelegenheit zur schriftlichen und mündlichen Äußerung (Art. 259 III AEUV)

c. Klagerecht des rügenden MSes

o vor Ablauf der 3-Monatsfrist nach Abgabe einer Stellungnahme durch die EK

o nach Ablauf von 3 Monaten seit Eingang des Antrags des MSes bei der EK

5. Klagegegenstand

o Behauptung eines MSes, wonach der MS oder ein ihm zurechenbares Verhalten gegen eine Verpflichtung aus dem EuR verstößt

o Erweiterung des Verfahrensgegenstand gegenüber dem Vorverfahren unzulässig

6. Klageberechtigung

o Überzeugung des klagenden MSes von der Vertragsverletzung in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht

7. Form und Frist

o Form in Art. 21 EuGH-Satzung und Art. 37 f. EuGH-VerfO geregelt

o Frist nicht gesondert geregelt, kommt lediglich eine rechtsmissbräuchliche Verzögerung bei der Einleitung des Verfahrens vor dem EuGH in Betracht

8. Rechtsschutzbedürfnis

o Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn MS der Aufforderung der EK aus I. 4. c. innerhalb der von der EK gesetzten Frist nachkam

o kam der MS der Aufforderung erst nach Fristablauf nach, so ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen, da das Urteil die Grundlage für die Haftung des MSes gegenüber EU, anderen MSen oder Personen sein könnte, Wiederholungsgefahr bestehen könnte oder die zu klärende Frage von grundsätzlicher Bedeutung sein könnte

II. Begründetheit

• Aufsichtsklage ist begründet, wenn die von der EK vorgetragenen Tatsachen zutreffend sind, das beklagte Verhalten dem angeklagten MS rechtlich zurechenbar ist und sich daraus ein Verstoß gegen das EuRs ergibt

III. Urteil

• Feststellungsurteil gem Art. 260 I AEUV, wonach der verurteilte MS zur sofortigen Beseitigung des EuRs-widrigen Zustands verpflichtet ist

• nicht vollstreckbar, kann jedoch ein erneutes Vertragsverletzungsverfahren unter Androhung eines Zwangsgeldes eingeleitet werden (Art. 260 III AEUV), vom Verhalten des MSes Geschädigter kann vom MS Schadensersatz verlangen

2. Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV) • Unterscheidung nach Staatennichtigkeitsklage, Organnichtigkeitsklage und Individualnichtigkeitsklage – je

nachdem, wer klagt

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 33

• Funktion: objektive Kontrolle des Sekundärrechts am Maßstab des Primärrechts; subjektiver Individualrechtsschutz gegenüber Rechtsakten der EU

I. Zulässigkeit

1. Sachliche Zuständigkeit

o Zuständigkeitsverteilung zwischen EuGH, EuG und Fachgerichten in Art. 256 iVm Art. 51 EuGH-Satzung geregelt

2. Parteifähigkeit

a. Aktive Parteifähigkeit

o Fähigkeit, klagende Partei eines Rechtsstreits zu sein

o gem Art. 263 II AEUV: MSen, EK, Rat, EP

nationalen Parlamente können gem Art. 8 I des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eine Subsidiaritätsklage in Form einer Nichtigkeitsklage erzwingen, bei der dann der MS als solcher Verfahrenspartei wird

o gem Art. 263 III AEUV: ERH, EZB, AdR

o gem Art. 263 IV AEUV: natürliche und juristische Personen

b. Passive Parteifähigkeit

o Fähigkeit, beklagte Partei eines Rechtsstreits zu sein

o ER, Rat, EK, EP, EZB sowie sonstige Stellen und Einrichtungen

3. Klagegegenstand

o Organ- / Staatenklagen nach Art. 263 I AEUV

Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse sowie alle anderen Maßnahmen der EU-Organe, soweit diese dazu bestimmt waren, Rechtswirkungen nach außen zu entfalten

o gem Art. 275 I AEUV keine Maßnahmen der GASP außer nach Art. 275 II AEUV

o Individualklagen nach Art. 263 IV AEUV

an Kläger gerichtete Handlungen

sonstige Handlungen, die den Kläger unmittelbar und individuell betreffen (Hybrid-Verordnung, -Richtlinie, Schein-Verordnung, -Richtlinie)

Rechtsakte mit VO-Charakter, die den Kläger unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen

4. Richtiger Beklagter

o Klage gegen das EU-Organ zu richten, das den fraglichen Rechtsakt erließ

5. Klageberechtigung

o bei Rat, EK, EP sowie MSen immer ohne Weiteres gem Art. 263 II AEUV gegeben

o bei ERH, EZB, und AdR gem Art. 263 III AEUV nur gegeben, sofern die Klage der Wahrung der eigenen Rechte dient

o bei natürlichen und juristischen Personen gem Art. 263 IV AEUV zu differenzieren

unproblematisch gegeben, sofern sie Adressat der fraglichen Handlung waren

bei anderen Handlungen nur sofern sie unmittelbar und individuell von der fraglichen Handlung betroffen sind – bei Verordnungen, die keine Durchführungsmaßnahmen mehr nach sich ziehen, bedarf es lediglich der unmittelbaren Betroffenheit

• Betroffenheit: Beeinträchtigung eines tatsächlichen Interesses des Klägers

• Unmittelbare Betroffenheit:

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 34

o formelle unmittelbare Betroffenheit: Rechtsakt selbst und nicht erst spätere Durchführungsmaßnahme greift in den Interessenkreis des Klägers ein

o materielle unmittelbare Betroffenheit: bedarf zwar einer Durchführungsmaßnahme, damit der Interessenkreis des Klägers berührt wird, diese wird jedoch mit Sicherheit kommen und der Inhalt selbiger ist ebenfalls bereits sicher

• Individuelle Betroffenheit: fragliche Handlung berührt den Kläger wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller anderen Personen heraushebender Umstände und individualisiert ihn daher in ähnlicher Weise wie den eigentlichen Adressaten der Handlung

6. Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes nach Art. 263 II AEUV

o Kläger muss das Vorliegen eines der folgenden, in Art. 263 II AEUV genannten Nichtigkeitsgründe schlüssig vortragen

Unzuständigkeit der EU bzw eines EU-Organs

Verletzung wesentlicher Formvorschriften

• Verletzung solcher Verfahrens- / Formvorschriften, deren Beachtung möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte

Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Norm

Ermessensmissbrauch

7. Form

o Form in Art. 21 I 2 EuGH-Satzung und Art. 38 EuGH-VerfO bzw. Art 44 EuG-VerfO geregelt

8. Frist

o gem Art. 263 V AEUV binnen 2 Monaten nach Bekanntgabe des Rechtsakts – spätestens aber 2 Monate nach Kenntniserlangung seitens des Klägers

9. Rechtsschutzbedürfnis

o Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn fraglicher Rechtsakt zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits aufgehoben wurde oder man den Mangel anderweitig vollständig beseitigte

o Rechtsschutzbedürfnis trotzdem zu bejahen, wenn das Urteil die Grundlage für die Haftung des MSes gegenüber EU, anderen MSen oder Personen sein könnte, Wiederholungsgefahr bestehen könnte oder die zu klärende Frage von grundsätzlicher Bedeutung sein könnte

II. Begründetheit

• Nichtigkeitsklage begründet, wenn einer der in Art. 263 II AEUV genannten Nichtigkeitsgründe bei dem angefochtenen Rechtsakt zumindest teilweise einschlägig ist

III. Urteil

• Art. 264 I AEUV: angefochtene Handlung wird ex tunc (rückwirkend) und erga omnes (für jeden) nichtig erklärt

• Art. 264 II AEUV: für nichtig erklärte Handlungen können aber vom EuGH aufrechterhalten werden

3. Untätigkeitsklage (Art. 265 AEUV) I. Zulässigkeit

1. Sachliche Zuständigkeit

o Zuständigkeitsverteilung zwischen EuGH, EuG und Fachgerichten in Art. 256 iVm Art. 51 EuGH-Satzung geregelt

2. Parteifähigkeit

a. Aktive Parteifähigkeit

o Fähigkeit, klagende Partei eines Rechtsstreits zu sein

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 35

o gem Art. 265 I AEUV MSen sowie die EU-Organe

o gem Art. 265 III AEUV natürliche und juristische Personen

b. Passive Parteifähigkeit

o Fähigkeit, beklagte Partei eines Rechtsstreits zu sein

o ER, Rat, EK, EP, EZB sowie sonstige Stellen und Einrichtungen

3. Durchführung des Vorverfahrens

a. Befassung des untätigen Organs mittels eines Schreibens, das folgende Angaben mind. enthalten muss

o Bezeichnung jener Maßnahmen, die das EU-Organ ergreifen soll

o Nennung der infolge der Untätigkeit verletzten Normen des EuRs – Normen, aus denen sich entsprechende Handlungspflichten für das EU-Organ ergeben

o Androhung der Klageerhebung im Falle weiterer Untätigkeit

b. keine Stellungnahme des EU-Organs binnen 2 Monaten nach Befassung

o Stellungnahme: positive / negative Entscheidung des EU-Organs bzgl der begehrten Maßnahme

o Stellungnahme seitens des EU-Organs beendet die Untätigkeit und führt dadurch zur Unzulässigkeit der Klage – evtl dann Nichtigkeitsklage

4. Klagegegenstand

o keine Erweiterung des Klagegenstands gegenüber dem Vorverfahren mgl

o Organ- / Staatenklagen

Verletzung des EuRs durch die Untätigkeit eines EU-Organs bzgl eines Beschlusses (Beschluss: alle Maßnahmen, die sich hinreichend genau bestimmen lassen, um Gegenstand eines Vollzugs iSv Art. 266 AEUV werden zu können)

o Individualklagen

nur Untätigkeit bzgl rechtsverbindlicher, individualisierter Rechtsakte

positive Konkurrentenklage mgl (Kläger fordert EU-Organ zum Erlass eines Rechtsakts gegenüber einem Dritten auf)

5. Richtiger Beklagter

o Klage gegen das EU-Organ zu richten, das zum Tätigwerden verpflichtet ist

o im Falle des Kodezisionsverfahrens nach Art. 294 AEUV gegen Rat und EP zu richten, als die EU-Organe, die eine Norm zu erlassen hätten

6. Klageberechtigung

o Kläger grds stets klageberechtigt, sofern er einen statthaften Klagegegenstand vorträgt

o Kläger muss Klageberechtigung nur nachweisen, sofern er mit seiner Klage auf den Erlass eines an den Dritten gerichteten Rechtsakts abzielt – unmittelbare und individuelle Betroffenheit des Klägers idF erforderlich

Betroffenheit: Beeinträchtigung eines tatsächlichen Interesses des Klägers

Unmittelbare Betroffenheit:

• formelle unmittelbare Betroffenheit: Rechtsakt selbst und nicht erst spätere Durchführungsmaßnahme greift in den Interessenkreis des Klägers ein

• materielle unmittelbare Betroffenheit: bedarf zwar einer Durchführungsmaßnahme, damit der Interessenkreis des Klägers berührt wird, diese wird jedoch mit Sicherheit kommen und der Inhalt selbiger ist ebenfalls bereits sicher

Individuelle Betroffenheit: fragliche Handlung berührt den Kläger wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller anderen Personen

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 36

heraushebender Umstände und individualisiert ihn daher in ähnlicher Weise wie den eigentlichen Adressaten der Handlung

7. Geltendmachung einer Verletzung des EuRs infolge der Untätigkeit eines EU-Organs oder eines Ermessensmissbrauchs eines EU-Organs

o Kläger muss das Vorliegen eines der folgenden, in Art. 263 II AEUV genannten Nichtigkeitsgründe schlüssig vortragen

Unzuständigkeit der EU bzw eines EU-Organs

Verletzung wesentlicher Formvorschriften

• Verletzung solcher Verfahrens- / Formvorschriften, deren Beachtung möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte

Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Norm

Ermessensmissbrauch

8. Form

o Form in Art. 21 I 2 EuGH-Satzung und Art. 38 EuGH-VerfO bzw. Art 44 EuG-VerfO geregelt

9. Frist

o gem Art. 265 II AEUV innerhalb von 2 Monaten nach erfolglosem Ablauf der Frist zur Stellungnahme (erfolglos im objektiven Sinne: keine Stellungnahme ergangen, gleich welchen Inhalts)

10. Rechtsschutzbedürfnis

o Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn EU-Organ noch vor Urteilsverkündung tätig wird

II. Begründetheit

• Untätigkeitsklage begründet, wenn das angeklagte EU-Organ es unter Verletzung einer sich aus einer Norm des EuRs ergebenden Handlungspflicht unterließ, einen Beschluss bzw Rechtsakt zu erlassen (Art. 265 I bzw III AEUV)

III. Urteil

• Feststellungsurteil, wonach das EU-Organ es rechtswidrig unterließ, einen Rechtsakt zu erlassen – keine Beseitigung des EuR-widrigen Zustands durch EuGH

• gem Art. 266 AEUV haben verurteilten EU-Organe die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, die nötig sind, um dem EuR-widrigen Zustand Abhilfe zu schaffen

4. Amtshaftungsklage (Art. 268 iVm Art. 340 II, III AEUV) I. Zulässigkeit

1. Eröffnung der Unionsgerichtsbarkeit

o sofern Vollzugsakt eines EU-Organs, Vollzugsakt eines Organs eines MSes, der der EU zurechenbar ist, oder EU-Norm rechtliche Grundlage für den Vollzugsakt einer Behörde eines MSes schadensbegründend wirkte, Gerichtsbarkeit der EU eröffnet

2. Sachliche Zuständigkeit

o EuGH gem Art. 256 AEUV iVm Art. 51 EuGH-Satzung ausschließlich zuständig für Vertragsverletzungsverfahren

3. Parteifähigkeit

a. Aktive Parteifähigkeit

o Fähigkeit, klagende Partei eines Rechtsstreits zu sein

o natürliche und juristische Personen, die gem ihrem Klagevortrag einen Schaden erlitten haben

b. Passive Parteifähigkeit

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 37

o Fähigkeit, beklagte Partei eines Rechtsstreits zu sein

o EU, welche im konkreten Verfahren durch das EU-Organ vertreten wird, welches den Schaden verursacht haben soll

4. Form und Frist

o Form in Art. 21 I 2 EuGH-Satzung und Art. 38 EuGH-VerfO bzw. Art. 44 EuG-VerfO geregelt

o Klage gem Art. 46 1 EuGH-Satzung binnen 5 Jahren nach Eintritt des schädigenden Ereignisses einzureichen

5. Rechtsschutzbedürfnis

o vor Eintritt des schädigenden Ereignisses verpflichtet, mit den zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen den Eintritt des Schadens zu verhindern

o nach Eintritt des schädigenden Ereignisses erst andere, sachgerechtere nationale wie unionale Rechtsmittel zu erschöpfen, sofern dies dem Kläger zugemutet werden kann

Amtshaftungsanspruch gegen EU gegenüber Amtshaftungsansprüchen gegen MSen subsidiär (>>> Grundsatz der Subsidiarität)

II. Begründetheit

• Amtshaftungsklage begründet, wenn ein EU-Organ, die EZB oder ein EU-Bediensteter in Ausübung der Amtstätigkeit eine höherrangige, dem Schutz des einzelnen dienende Rechtsnorm in qualifizierter Weise verletzt und dadurch unmittelbar einen Schaden des Klägers verursachte

III. Urteil

• vollstreckbares Leistungsurteil (Art. 280 iVm Art. 299 II-IV AEUV)

• Feststellungsurteil, sofern nur beantragt wurde, die Haftung der EU für etwaige Schäden festzustellen

5. Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) • Zwischenverfahren im Rahmen eines an einem Gericht eines MSes anhängigen Rechtsstreits, bei dem zur

Klärung von Auslegungs- oder Gültigkeitsfragen bzgl des EuRs der EuGH befragt wird

I. Annahmefähigkeit der Vorlagefrage

1. Zuständigkeit

o Zuständigkeit des EuGHs vorbehaltlich anderweitiger Regelung in Art. 51 EuGH-Satzung

2. Vorlagegegenstand

o Auslegung von EUV oder AEUV bzw EuR (Art. 267 I a bzw b AEUV)

o Gültigkeit von Handlungen der EU-Organe, sonstigen Einrichtungen oder Stellen (Art. 267 I b AEUV)

3. Vorlageberechtigung

o Gerichte der MSen (Begriff des EuRs: unabhängige, durch oder aufgrund eines Gesetzes eingerichtete Instanz, die im Rahmen einer obligatorischen, nicht bloß gewillkürten Zuständigkeit Rechtsstreitigkeiten unter Anwendung von Rechtsnormen bindend entscheidet) vorlageberechtigt

4. Vorlagerecht / Vorlagepflicht

o Vorlagerecht bei Zweifeln bzgl der Gültigkeit oder Auslegung von Normen des EuRs, die dem Gericht für den Fall entscheidungserheblich scheinen (Art. 267 II AEUV)

o Vorlagepflicht bei Entscheidungen, die nicht mehr Rechtsbehelfen des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können (Art. 267 III AEUV)

o Vorlagepflicht, sofern Handlung der EU aufgrund von Zweifeln an deren Gültigkeit unangewendet bleiben soll

o Vorlagepflicht entfällt, wenn

Frage bereits vom EuGH in einem ähnlichen Fall geklärt wurde

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 38

zu diesem Fall eine gesicherte Rspr des EuGHs vorliegt

richtige Auslegung der Norm so offensichtlich, dass kein Raum für vernünftige Zweifel an der Auslegung der Norm verbleibt

o Verstoß gegen Vorlagepflicht bedeutet eine Verletzung des AEUVs, was zu einem von der EK oder einem anderen MS geführtem Vertragsverletzungsverfahren führen kann – in Deutschland ferner Art. 101 I 2 GG verletzt, da der Anspruch auf den gesetzlichen Richter verwährt wurde

5. Vorlagefrage

o Angabe aller relevanten rechtlichen wie tatsächlichen Aspekte sowie Erklärung bzgl der Erwägungen, die zur Vorlage vor dem EuGH führten

o Auslegungsfragen: abstrakt zu formulieren – keine Fragen nach der Vereinbarkeit von nationalem Recht mit EuR

o Gültigkeitsfragen: konkret zu formulieren

6. Form

o Übermittlung des Aussetzungs- sowie Vorlagebeschlusses gem Art. 23 EuGH-Satzung erforderlich, ansonsten keine weiteren Formvorschriften

7. Keine Bestandskraft des Sekundärrechtsakts bei Gültigkeitskontrolle (Ausschluss solcher Fälle, bei denen der Kläger die Bestandskraft mittels Vorabentscheidungsverfahren umgehen will, obwohl er vorher zur Nichtigkeitsklage befugt gewesen wäre)

II. Beantwortung der Vorlagefrage durch EuGH-Urteil

1. Auslegung der entscheidungsrelevanten Normen

2. Urteil über die Gültigkeit der Norm sowie deren Vereinbarkeit mit höherrangigem EuR

III. Vorabentscheidungsurteil

• Bindung des vorlegenden Gerichts (sowie aller weiteren, in der Rechtssache entscheidenden Gerichte) bei der Auslegung der Norm grds mit Rückwirkung – außer EuGH sieht in seinem Urteil etwas anderes vor

• Auslegungsurteile

o eingeschränkte erga omnes-Wirkung, da sie nicht künftige Vorlagen sperrt sondern lediglich einfaches Abweichen unterbindet, weil vor einem Abweichen der jeweilige Richter stets vorlageverpflichtet ist

• Ungültigkeitsurteile entfalten uneingeschränkte erga omnes-Wirkung, da erneute Vorlagen damit ausgeschlossen sind – lediglich bei Gültigkeitsentscheidungen kann bei neuen Zweifeln erneut vorgelegt werden

6. Rechtsmittelverfahren (Art. 256 I (II), Art. 56 f. EuGH-Satzung, Art. 110 ff. EuGH-VerfO)

7. instweiliger Rechtsschutz (Art. 279 2 AEUV, Art. 279 AEUV, Art. 299 AEUV) • Gerichtsverfahren entfalten im EuR keine aufschiebende Wirkung, sodass man verpflichtet ist, während der

Zeit des Verfahrens trotzdem dem angefochtenen Rechtsakt zu befolgen

o Art. 278 2 AEUV: Aussetzung der Durchführung

o Art. 279 AEUV: Erlass einstweiliger Anordnungen

o Art. 299 AEUV: Aussetzung der Zwangsvollstreckung

I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit

o abhängig vom im Hauptverfahren zuständigem Gericht

2. Anhängigkeit des Hauptverfahrens

o Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Hauptverfahren akzessorisch (Art. 83 § 1 EuGH-VerfO, Art. 104 § 1 EuG-VerfO)

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 39

3. Antragsgegenstand

o Konnexität iSe unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Antrags- und Streitgegenstand des Hauptverfahrens erforderlich

4. Antragsberechtigung

o EU-Organe und MSen können einstweiligen Rechtsschutz für sich oder Dritte beantragen

o natürliche und juristische Personen, sofern sie gem Art. 278 2 AEUV darlegen können, dass die Maßnahme, gegen die sich der einstweilige Rechtsschutz richten soll, sie unmittelbar und individuell betrifft, oder nach Art. 279 AEUV eine unmittelbare sowie individuelle Gefährdung eigener Interessen oder Rechte darlegen können

5. Antragsfrist

o keine Antragsfrist, jedoch Antragsmöglichkeit erst mit der Anhängigkeit des Hauptverfahrens gegeben

6. Rechtsschutzinteresse

o einstweilige Anordnung muss zur vorläufigen Sicherung des Rechts oder zur Abwendung des drohenden Schadens geeignet und erforderlich sein

II. Begründetheit

• Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begründet, sofern Antragsteller glaubhaft macht, dass die Anordnung zur Vermeidung eines schweren, irreparablen Schadens unter Abwägung der Rechte der Verfahrensbeteiligten dringend erforderlich ist und der Antragsteller im Hauptverfahren eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat

III. Beschluss

• nach Art. 278 2 AEUV vorläufige Aussetzung der Vollzugsermächtigung bzgl des im Hauptverfahrens angefochtenen Rechtsakts

• nach Art. 279 AEUV Anordnung einer Regelung, die zum vorübergehenden Ausgleich der Interessen erforderlich scheint

• an beide Beschlüsse können Auflagen, Bedingungen etc. geknüpft werden

IX. Klagen vor Gerichten der MSen • Gerichte der MSen aus Art. 4 III EUV zur Anwendung des EuRs verpflichtet

• Grundsatz der nationalen Verfahrensautonomie wird nur durch Art. 19 II EUV eingeschränkt, wonach MSen verpflichtet sind, Klagen für alle Bereiche vorzuhalten, in denen das EuR etwas gewährt, damit diese Gewährungen auch einklagbar sind

o wiederum Effektivitäts- und Äquivalenzgebot zu beachten; bei Verstoß gegen eines dieser Verbote muss nationale Vorschrift unangewendet bleiben

Effektivitätsgebot: nationales Verfahrensrecht darf Zielverwirklichung nicht faktisch nahezu unmgl machen

Äquivalenzgebot: nationales Verfahrensrecht darf bei inhaltlich gleichartigen Fällen keine Unterscheidung bzgl unionalen und nationalen Fällen vornehmen

X. Haftung der EU (Art. 340 AEUV) • vertragliche Haftung iSv Art. 340 AEUV weit auszulegen, demnach Haftung für Nicht-, Schlechterfüllung,

Verletzung von Sorgfaltspflichten oder culpa in contrahendo

1. Vertragliche Haftung (Art. 340 I AEUV) • in Betracht kommen nur solche privatrechtlichen Verträge, die die EU, eines ihrer Organe oder eine ihrer

(unabhängigen) Institutionen mit einer natürlichen oder juristischen Person geschlossen hat (juristische Personen umfasst dabei sowohl Gebietskörperschaften (also Staaten, Bundesländer, Landkreise etc.) als auch internationale Organisationen)

• Haftung richtet sich nach dem jeweiligen auf den Vertrag anzuwendenden nationalen Recht – mittels internationalem Privatrecht zu ermitteln, sofern nicht vertraglich von den Parteien festgeschrieben

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 40

• zuständiges Gericht gem Art. 274 AEUV grds nationales Gericht; EuGH kann jedoch nach Art. 272 AEUV von den Vertragsparteien durch Schiedsklausel für zuständig erklärt werden

2. Außervertragliche Haftung (Art. 340 II AEUV) • Ersatz der von EU-Organen / -Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schäden unabhängig

von deren Verschulden

• Schadensersatz richtet sich nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des EuRs, geltend zu machen durch Amtshaftungsklage vor dem EuGH

• Haftungsvoraussetzungen

o Amtshandlung eines EU-Organs / -Bediensteten / einer (unabhängigen) EU-Institution

Amtshandlung: Verhalten, das in einem inneren Zusammenhang mit EU-Aufgaben steht, und, dem eine Außenwirkung zukommt

o Rechtswidrigkeit dieser Amtshandlung: Amtshandlung verstößt gegen eine Rechtsnorm

o Schutznormverletzung: Verletzte Rechtsnorm muss eine Schutznorm sein, muss also vorrangig den Schutz des Geschädigten zum Ziel haben

bei Amtshaftung für EuR-widrige Rechtsakte bedarf es der Verletzung einer höherrangigen Schutznorm in hinreichend qualifizierter Weise – zu bejahen, sofern

• Verstoß gegen eine Norm mit besonderer Bedeutung

• Schadenseintritt bei einer klar umrissenen und abgegrenzten Personengruppe

• Schaden geht über die Grenzen des normalen wirtschaftlichen Risikos hinaus

o Infolgedessen Schadenseintritt bzw unmittelbar mit hinreichender Sicherheit bevorstehender Schadenseintritt

ersatzfähige Schäden: materielle, immaterielle Schäden sowie Gewinnerzielungsabsichten, sofern diese bereits hinreichend konkret war, die Grundlage für den konkreten Gewinn also regelmäßig schon gelegt war

Kausalität nach der Adäquanztheorie: Schaden nicht kausal, sofern nach allgemeiner Lebenserfahrung der Eintritt des Schadens als völlig unwahrscheinlich gilt – Schaden kausal, sofern Handlung nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise geeignet, einen Schaden wie den eingetretenen zu verursachen

• Rechtsfolge: Ersatz des verursachten Schadens (vorrangig Naturalrestitution sonst Schadensersatz in Geld)

o Schaden ab dem Urteil des EuGHs zu verzinsen (Zinssatz = EZB-Zinsrate für Refinanzierungsgeschäfte + 2 %)

3. Haftung von EU-Bediensteten (Art. 340 IV AEUV) • Haftung von EU-Bediensteten gegenüber der EU richtet sich nach jeweiligen internen Vorschriften (insb Art. 22

EU-Beamtenstatut)

XI. Haftung der MSen für Verstöße gegen EuR • allgemeiner Grundsatz des EuRs, wonach öffentliche Stellen den Schaden zu ersetzen haben, den sie in

Ausübung ihrer Amtstätigkeit durch eine Handlung bzw Unterlassung, die gegen das EuR verstößt, verursachten (Art. 4 III EUV Ausgangspunkt dieser Verpflichtung der MSen)

• Haftungsvoraussetzungen entsprechend den Voraussetzungen von Art. 340 AEUV (siehe I.X.2), wobei es sich grds um ein nationales Verfahren handelt, weshalb auch die nationalen Vorschriften Anwendung finden – immer jedoch unter der Beachtung von Effektivitäs- und Äquivalenzgebot

• Ausgangspunkt des unionalen Staatenbegriffs ist der völkerrechtliche Staatenbegriff, weshalb der MS haftungsrechtlich als Einheit betrachtet wird

o ausgenommen hierbei Haftung der Judikative, welche strengeren Haftungsvoraussetzungen unterliegt

Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-06-29 41

XII. Haushalts- & Personalrecht (Art. 310 ff. AEUV) • EU finanziert sich aus Eigenmitteln sowie sonstigen Mitteln (Art. 311 II AEUV)

o Eigenmittel: Zollabgaben von Drittstaaten, Anteil an der von den MSen erhobenen MwSt, Anteil am Bruttoinlandsprodukt der MSen, Abschöpfungen, Prämien, Zusatz- und Ausgleichsbeträge

o sonstige Einnahmen: Besteuerung von EU-Einkommen, Verwaltungseinnahmen (Geldbußen, Zwangsgelder)

• EU arbeitet mit einem mehrjährigen Finanzplan, welcher die finanzielle Stabilität der EU gewährleisten soll (Art. 312 AEUV)

• Haushaltsgesetzgebung erfolgt durch „besonderes“ Gesetzgebungsverfahren (Art. 314 AEUV)

o alle Einnahmen wie Ausgaben im Haushaltsplan zu erfassen (Art. 310 I AEUV)

o einstimmiger Ratsbeschluss mit EP-Zustimmung erforderlich

o 7-schrittiges Verfahren mit fixiertem Zeitplan

1. Schritt: EK fordert einzelne Organe, Institutionen etc. zur Meldung des Finanzbedarfs auf

2. Schritt: EU-Organe etc. melden ihren Bedarf bei der EK an

3. Schritt: Zusammenfassung des Haushaltsbedarfs durch die EK – nicht an gemeldeten Finanzbedarf der einzelnen Organe etc. gebunden

4. Schritt: EK legt Entwurf dem EP und Rat vor

5. Schritt: Beratung im Rat mit anschließender Weiterleitung der Stellungnahme ans EP

6. Schritt: EP hat 2 Optionen

• Billigung des Ratsentwurfs durch das EP binnen 42 Tagen >>> Erlass des Haushalts

• EP will Änderungen vornehmen, die jedoch vom Rat nicht befürwortet werden >>> Einsetzung eines Vermittlungsausschusses, der sich paritätisch aus EP- und Ratsvertretern zusammensetzt und an dessen Sitzungen die EK beratend teilnimmt >>> Vermittlungsausschuss soll binnen 21 Tagen abschließen, danach haben EP und Rat 14 Tage Zeit, um das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu billigen (sollte es zu keiner Einigung kommen, kann sich das EP gegen den Rat durchsetzen)

7. Schritt: EP-Präsident erlässt offiziell den Haushaltsplan