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THEORETISCHE GRUNDLAGEN EINER WISSENSCHAFT VON DEN INTERNATIONALEN BEZIEHUNGEN

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN EINER

WISSENSCHAFT VON DEN INTERNATIONALEN

BEZIEHUNGEN

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Inhalt

1. Was sind und warum beschäftigen wir uns mit Theorien?

2. Großtheorien der Internationalen Beziehungen – ein Überblick

3. Konsequenzen unterschiedlicher Großtheorien: Verschiedenheit der wissenschaftlichen Weltsichten

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Literaturtipp

Siegfried Schieder/Manuela Spindler (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen. 2. Auflage Opladen 2006. [UTB 2315]

Gert Krell: Weltbilder und Weltordnung. Einführung in die Theorie der internationalen Beziehungen. 4., überarbeitete Auflage Baden-Baden 2009. [Nomos Studienkurs Politikwissenschaft]

Robert Jackson/Georg Sorensen: Introduction to International Relations. Theories and approaches. 4th ed. Oxford 2010.

Tim Dunne/Milja Kurki/Steve Smith (eds.): International Relations Theories. Discipline and Diversity. 2nd ed. Oxford 2010.

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Für ganz Eilige …

Reinhard Meyers, Artikel:Theorien der internationalen BeziehungenKooperationstheorienTheorien internationaler Verflechtung und

Integration alle in: Wichard Woyke (Hrsg.):

Handwörterbuch Internationale Politik. 11. Auflage, Opladen 2008.[UTB 702; auch Bundeszentrale für politische Bildung (2004) unter: http://www.bpb.de/publikationen/V78A5S,0,0,Handw%F6rterbuch_Internationale_Politik.html]

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Was sind und warum beschäftigen wir uns mit

Theorien?

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System von möglichst allgemeinen Aussagen über die Wirklichkeit,

die systematisch geordnet und intersubjektiv

überprüfbar sind!

WISSENSCHAFT

Prognosen über

zukünftige Ereignisse zu

erstellen

Konkrete

Handlungsoptionen aus

einer Menge von

Optionen auszuwählen

und

das diese

Handlungsoptionen

in die Praxis

umsetzende Handeln zu

legitimieren.

Ziel der Wissenschaft ist es, auf Grund dieser Aussagen:

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Prämisse Gesellschaftliches, politisches und auch

wissenschaftliches Handeln ist nicht unmittelbar als Reflex auf die reale Situation zu verstehen, auf die sich dieses Handeln bezieht.

Vielmehr wird es gesteuert durch die Perzeption einer realen Situation und durch die Interpretation, d.h. durch das Bild, das wir uns von der Handlungssituation machen – unabhängig davon, ob die Handlungssituation tatsächlich so beschaffen ist, wie wir sie sehen und interpretieren (Thomas-Theorem).

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Keine Erkenntnis ohne Vorbedingungen

Das Bild der politischen Realität wird nicht durch Informationen und Erfahrungen geprägt, die unmittelbar aus politischen Ereignissen, Krisen und Konflikten stammen.

Sie werden vielmehr vermittelt – gleichsam gefiltert – durch politische und gesellschaftliche Interessen, (Alltags-) Erfahrungen und Traditionen, denen das realitätswahrnehmende Subjekt im Prozess seiner politischen Sozialisation ausgesetzt ist.

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Kognitive Schema

In diesem Prozess bilden sich Schablonen, Muster, Glaubenssätze, Verhaltensmaßstäbe, Urteile und Vor-Urteile – kognitive Schemata –, die die Auswahl aktueller Informationen steuern und ihre Deutung und Bewertung bestimmen.

Die Bedeutung dieser Schemata erhellt nicht zuletzt aus dem Umstand, dass der Mensch tagtäglich einer derart großen Menge an Informationen aus und über seine/(r) Umwelt ausgesetzt ist, dass sein Wahrneh-mungs- und Informationsverarbeitungsvermögen binnen kurzem durch „information overload“ blockiert würde, besäße er nicht die Möglichkeit, unter Rekurs auf kognitive Schemata

die potentiell unendliche Informationsmenge zu begrenzen,

aus ihr auszuwählen und das Ausgewählte nach bestimmten Bezugsmustern zu

ordnen.

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Verschiedenheit der Weltsichten

Ganz besondere Bedeutung haben solche Muster und Schemata in Lebensbereichen, die wie die internationalen Beziehungen der unmittelbaren, alltäglichen Erfahrung des Individuums entzogen sind. Die Vorstellungen des Menschen über die politischen Ziele und Verhaltensweisen anderer Staaten bilden sich nach den in seinem Kopf vorhandenen, im Umgang mit gesellschaftlicher und politischer Realität erworbenen Wahrnehmungs- und Interpretationsmustern. Diese sind nicht für alle Menschen gleich, sondern je nach Qualität, Inhalt und Intensität der politischen Sozialisation des Individuums verschieden.

Die Verschiedenheit der kognitiven Schemata und der von ihnen gesteuerten Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungs-prozesse bedingt auch eine Verschiedenheit der individuellen Weltsichten. Allerdings lässt sich diese durch Konsensbildung – durch die Verabredung mehrerer Individuen dazu, Phänomene einheitlich zu bewerten und zu interpretieren – teilweise überbrücken und in einer verabredeten gemeinsamen Weltsicht aufheben.

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Wissenschaftliche Erkenntnis und Theoriebildung

In stärker abstrahierend-kategorisierender, logisch-formalisierter und insbesondere an das Kriterium der Nachprüfbarkeit

von Aussagen gebundener Formliegt dieser Konsensbildungsprozess auch

der wissenschaftlichen Erkenntnis, vor allem aber auch dem Prozess der wissenschaftlichen Theoriebildung zugrunde.

[ communis opinio doctorum ]

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Was ist eine Theorie?

Theorie ist „[…] das Netz das wir auswerfen, um die Welt einzufangen – um sie zu

rationalisieren, zu erklären und zu beherrschen.”

Karl Popper. Logik der Forschung, 1935: Seite 26.The Logic of Scientific Discovery, London: Hutchinson, 1959.

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Theorie: Funktionen

Eine gute Theorie sollte – so zumindest ein breiterer wissenschaftlicher Konsens – die folgenden Funktionen erfüllen:

Beschreibung, Erklärung, Vorhersage von Phänomenen – positive/positivistische Idee der Theoriebildung

Verifizierung oder (besser) Falsifizierung von (Beobachtungs-) Aussagen (K. Popper) – durch Konfrontation unseres gesammelten Wissens mit der „Wirklichkeit“ – kritisch-rationalistische Idee der Theoriebildung“No matter how many instances of white swans we may have observed, this does not justify the conclusion that all swans are white.”

Karl Popper, The Logic of Scientific Discovery, op. cit.

in sich konsistent, geschlossen und konkludent sein, d.h. den Anforderungen der formalen Logik genügen

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Theorieelemente und -funktionen

1. Begriff Konstrukt Idealtyp Typologie

2. Begriffsschema („conceptual framework“)

Vortheorie („pre-theory“) Untersuchungsansatz („approach“)

3. Vermutung Hypothese Gesetz

4. Axiom Proposition/Theorem/Lehrsatz

5. Modell wissenschaftliches Weltbild Paradigma oder Großtheorie

1. Darstellungsmittel

(ontologische Theorie)

Feststellung dessen,„was eigentlich ist“2. Erklärungsmittel (explanative Theorie)

Feststellung der Gründe:

„Warum ist das eingetre-ten was jetzt

der Fall ist?“

3. Rechtfertigungsmittel (validierende Theorie)

Feststellung der Angemessenheit der Erklärung:

„Warum gilt die Erklärung dessen, was jetzt der Fall ist?“

THEOTHEO RIERIE

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Theoriefunktionen

1. Darstellungsmitte

l (ontologische Theorie)

Feststellung dessen „was eigentlich ist“

2. Erklärungsmittel (explanative Theorie)

Feststellung der Gründe: „Warum ist das eingetre-ten was

jetzt der Fall ist?“3.

Rechtfertigungsmittel (validierende

Theorie)

Feststellung der Angemessenheit der

Erklärung: „Warum gilt die Erklärung dessen, was

jetzt der Fall ist?“

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Theorien – Definitionsversuch

Theorien

sind ganze Systeme von relativ allgemeinen wissenschaftlichen Sätzen (miteinander verbundene Wenn-Dann-Aussagen), die einen bestimmten Ausschnitt der Realität widerspruchsfrei erklären sollen. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Allgemeinheit erscheint es fraglich, ob es in der Sozialwissenschaft überhaupt (noch bzw. schon) echte Theorien gibt. Momentan wird die Forschung klar von den Theorien mittlerer Reichweite, die sich nur auf bestimmte soziale Phänomene in bestimmten Gesellschaften beziehen, dominiert.

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Noch einmal: Funktionen von Theorie

System logisch zusammenhängender Aussagen, die systematisches und (in Grenzen) generalisierbares Wissen ermöglichen

Reduktion komplexer Sachverhalte (oder besser: von komplexen Aussagen über solche Sachverhalte) auf einsehbare Zusammenhänge

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Antithese

Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Sozialwissenschaften, einfache und einsehbare Zusammenhänge auf komplexe Aussagen zu reduzieren …

(Prof. Tünnes Grielächer, Büttenrede, Colonia, 11.11.11)

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Literaturtipp

Johann August Schülein/Simon Reitze: Wissen-schaftstheorie für Einsteiger. Wien 2002. [UTB 2351]

Bruno Heller: Wie entsteht Wissen. Eine Reise durch die Wissenschaftsatheorie. Darmstadt 2005. [wbg]

John Ziman: Wie zuverlässig ist wissenschaftliche Erkenntnis ? Braunschweig 1982.

Robert C. Bishop: The Philosophy of the Social Sciences. An Introduction. London 2007.

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Großtheorien der Internationalen Beziehungen –

ein Überblick

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Einführender Überblick

Die wissenschaftliche Grundtriade (hatten wir schon letzte Woche)

ERKENNTNISINTERESSEERKENNTNISINTERESSE

FRAGESTELLUNGFRAGESTELLUNG

SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES

SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES

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Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse. Jüngste Auflage Frankfurt/Main: Suhrkamp 2001

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Die wissenschaftstheoretische Grundtriade

Theoretische Weltsicht Theoretische Weltsicht

FRAGESTELLUNGFRAGESTELLUNG

SICHT bzw. DEFINITION DES

(ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES

SICHT bzw. DEFINITION DES

(ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES

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Großtheorien Internationaler Beziehungen (I)Die Entwicklung der Lehre von den Internationalen Beziehungen hat – in Reaktion auf außerwissenschaftliche, politisch-gesellschaftliche Krisenphänomene – eine Reihe unterschiedlicher Großtheorien internationaler Beziehungen gezeitigt, die die Phänomene der internationalen Politik

mit je unterschiedlichem Erkenntnisinteresse und davon abhängiger Fragestellung auf der Grundlage je verschiedener anthropologischer, ethisch-normativer und methodischer Vorverständnisse

zu erfassen suchen.

Diese Großtheorien differieren im Blick auf ihre ontologischen, d.h. die Natur des

Erkenntnis-gegenstandes betreffenden Grundannahmen:

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GroßtheorienInternationaler Beziehungen

(II)sie formulieren unterschiedliche Prämissen und Annahmenüber die Beschaffenheit, Qualität und Struktur des internationalen Milieus, d.h. des Handlungs(um)feldes internationaler Akteure;über Beschaffenheit, Qualität und Charakter der in diesem Handlungs(um)feld (überwiegend) handelnden Einheiten, d.h. der internationalen Akteure selbst;über die von diesen verfolgten Interessen und Ziele sowie über die Mittel, die zur Verwirklichung dieser Interessen und Ziele gemeinhin eingesetzt werden.

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Theoriekonkurrenz, nicht Theorienwechsel

Jede Großtheorie zeichnet ein für sie charakteristisches Weltbild internationaler Beziehungen; Großtheorien und wissenschaftliche Weltbilder konkurrieren miteinander, ohne dass letztlich entschieden werden kann, welche dieser Großtheorien und Weltbilder die (einzig) richtige Deutung der internationalen Wirklichkeit darstellt.

Denn dazu würde die Wissenschaft einen archimedischen Punkt über und außerhalb der Konkurrenz ihrer Großtheorien – oder gleichsam eine Meta-Großtheorie – benötigen, die es erlaubte, Kriterien für die Wahrheit oder Falschheit jener Prämissen zu etablieren, auf die die einzelnen Großtheorien ihre Aussagen zurückführen.

Ein solcher archimedischer Punkt ist gegenwärtig nicht in Sicht!

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Über die Disparität bzw. Pluralität internationaler Theorieansätze:

Gründe1. Ergebnis kumulativer Theoriebildung und zunehmender

Professionalisierung des Faches IB2. Kaum mehr überschaubare Adaption von Erkenntnissen

aus verwandten & benachbarten sozialwissenschaftlichen Fächern – IB als Integrationswissenschaft

3. Enges Wechselverhältnis der IB zu ihrem realhistorischen und gesellschaftspolitischen Kontext – IB als Krisenwissenschaft, IB als weltpolitische Ordnungswissenschaft

Konsequenza)mangelnder Konsens über die angemessene begriffliche

und theoretische Fassung des Erkenntnisgegenstandes und der dem Gegenstand adäquaten Methoden

b)ein durch realpolitische Veränderungen angestoßener Wandel des Forschungsgegenstands geht immer mit einer Anpassung des theoretisch-konzeptionellen Instrumentariums der Disziplin einher

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Großtheorien Internationaler Beziehungen

(III)Großtheorie Akteur Milieu Strukturprinzip

Realismus

National

staat

Staatenwelt als anarchischer

(Natur-) Zustand

vertikale Segmentierung,

unlimitiertes Nullsummenspiel

um Macht, Einfluss, Ressourcen

Englische Schule

(Rationalismus)

Staatenwelt als rechtlich verfasste

internationale Staatengesellscha

ft

vertikale Segmentierung, durch Norm und

Übereinkunft geregeltes

Nullsummenspiel

Idealismus Individuum

Weltgesellschaft als internationale Gesellschaft der

Individuen

universalistische Verfassung

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Großtheorien internationaler Beziehungen

(IV)Großtheorie Akteur Milieu StrukturprinzipInterdependenz

-orientierter Globalismus

individuelle oder gesellschaftliche

Akteure

transnationale Gesellschaft

funktionale, grenzübergreifende

Vernetzung

Imperialismus-theorien

individuelle oder gesellschaftliche

Akteure, die Klasseninteresse

n vertreten

internationale Klassengesell-

schaft

gesellschaftlich: horizontale

grenzübergrei-fende Schichtung;

(macht-)politisch: vertikale Segmentierung

der impe-rialistischen Konkurrenten

Dependenz-orientierter

Globalismus: Dependenztheorien und Theorien

des kapitalistischen

Weltsystems

gesellschaftliche und national-

staatliche Akteure, die

Klasseninteressen vertreten

kapitalistisches Weltsystem

als Schichtungs-system von Metropolen

und Peripherien

horizontale Schichtung nationaler Akteure im

Weltsystem; strukturelle Abhängigkeit der

Peripherien von den Metropolen; strukturelle

Heterogenität der Peripherien

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Perspektivische Konsequenzen unterschiedlicher IB-Theorien

Realismus Pluralismus Strukturalismus

Hauptakteure

StaatenStaaten und

nichtstaatliche gesell-schaftliche Akteure

gesellschaftliche und nationalstaatliche

Akteure, die Klasseninteressen

vertreten

Kernfragen und

Hauptprobleme

Internationale Anarchie;

Sicherheitsdilemma; Machtstreben

Transnationalismus und Interdependenz,

aber keine klaren Problem-hierarchien

zwischen Sachgebieten

Ausbeutung, Imperialismus,

(Entwicklung der) Unterentwicklung in Zentrums-Peripherie-

Relationen

Hauptprozesse

Streben nach militärischer und/

oder ökonomischer Sicherheit; Balance

of Power

Bargaining; Management von

Problemkomplexen; Veränderung der Wertehierarchien

Streben nach ökonomischer Dominanz

Haupt-ergebnisse

Krieg oder (negativer) Frieden

Erfolgreiches Management

komplexer Interdependenz

Spaltung der Weltgesellschaft

zwischen Zentrum und Peripherie;

kontinuierliche Ausbeutung der (armen)

Peripherie durch das (reiche) Zentrum

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Zusatzinformationen

Bei Bedarf, Lust & Liebe …

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Friedensschaffende Leitprinzipien klassischer

GroßtheorienAkteure Nationalstaaten

ProzesseNullsummenspielartige Konkurrenz um Macht,

Einfluss und Ressourcen

Strukturprinzip Sicherheitsdilemma

Milieu Staatenwelt als internationaler anarchischer

Naturzustand

Friedenskonzept

Sicherheit des Akteurs (als Voraussetzung seines eigenen Überlebens)

(Erklärungs-)Ansatzebene

(außengerichtetes) Aktions-/Interaktionsverhalten der Akteure

(„unit-level-explanation“)

Mittel Machtakkumulation, (gewaltsame) Selbsthilfe

zur Durchsetzung von Eigeninteressen, Abschreckung, Gleichgewichtspolitik

Schlagwort Abschreckungsfrieden unter Anarchie

REALISMUS

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Akteure Nationalstaaten

ProzesseKonflikt und Kooperation im Rahmen gemeinschaftlich

anerkannter Verhaltensregeln und (informeller wie formeller) Institutionen

Strukturprinzip Kontrolle des Machtstrebens und der Machtausübung der Akteure in der internationalen Anarchie

Milieu Staatenwelt als rechtlich verfasste internationale Staatengesellschaft

Friedenskonzept Garantie der Erwartungsverlässlichkeit des

Akteurshandelns in der internationalen (Rechts-) Ordnung

(Erklärungs-)Ansatzebene

Vergesellschaftung/ Systembildung der Akteure; Phänomen der „governance without government“

Mittel

Ausbildung eines Konsenses der Akteure über gemeinschaftliche Interessen, (Selbstbindende Verhaltens-) Regeln und Institutionen; insbes.

Anerkennung/ Befolgung von Verhaltensregeln, die die Gewaltausübung in der Staatengesellschaft einhegen,

beschränken, reduzieren

Schlagwort (Rechts-)Ordnungsfrieden unter regulierter Anarchie

RATIONALISMUS

Friedensschaffende Leitprinzipien klassischer

Großtheorien

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Struktur-prinzip

Kooperation und Interdependenz

Milieu Staaten- und Gesellschaftswelt als Friedensgemeinschaft liberaler Demokratien

Friedens-konzept

Fortschreitende Verwirklichung von Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlfahrt als menschliche Existenzbedingungen plus Intensivierung der

internationalen Kooperation plus Förderung der Modernisierung als Bedingung moralischer Perfektibilität wie zunehmender Wohlfahrt der

Menschheit (Erklärungs-)Ansatzebene

Politische/sozioökonomische Binnenstruktur der Akteure („inside-out-explanation“)

Mittel

Freihandel, Förderung der internationalen Organisation und kollektiven Sicherheit, Demokratisierung der Akteure im Lichte von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsverwirklichung, Aufklärung

über gemeinsame (Menschheits-) Interessen und Erziehung zu kompromisshafter, interessenausgleichender Konfliktbearbeitung

Schlagwort Demokratischer Frieden unter Kooperation

Akteure individuelle, gesellschaftliche, nationalstaatliche Akteure

Prozesseinternationale Arbeitsteilung und funktionale Vernetzung als Ergebnis wie als Voraussetzung wissenschaftlicher, technischer, ökonomischer

und politischer Modernisierung

LIBERALER INSTITUTIO-NALISMUS

Friedensschaffende Leitprinzipien klassischer

Großtheorien

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Das methodologisch-ontologische Bezugsfeld

REALISMUS NEOREALISMUS

TRADITIONALISMUS

qualitativ, historisch- hermeneutisch

SZIENTISMUS

quantitativ, empirisch-nomologisch

IDEALISMUS

Spinnweb-Modell internationaler Politik

GLOBALISMUS , REGIME-ANSÄTZE

Billard-Ball-Modell internationaler Politik

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Das Billard-Ball-Modell internationaler Beziehungen

Abstoßende Kräfte

Anziehende Kräfte

Akteur A

Akteur C

Akteur B

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Spinnweb-Modell internationaler Beziehungen

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Literaturtipp

Weitere Einführungen, Übersichten, Kritik der IB-Theorie (zusätzlich zu den Titeln auf Folie 4)

Scott Burchill/Andrew Linklater (eds.): Theories of International Relations. Basingstoke: 4th ed. Basingstoke: Palgrave/Macmillan 2009.James E.Dougherty/Robert L.Pfaltzgraff, Jr.: Contending Theories of International Relations. A comprehensive survey. 5th ed. New York: Longman 2001.Paul R. Viotti, Mark V. Kauppi: International Relations Theory, 4th ed. New York: Longman 2010.Martin Hollis/Steve Smith: Explaining and Understanding International Relations. Oxford: Clarendon Press 1990.

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Praktischer Hinweis für IT (nicht IB)-Theoretiker