RWTH-Themen Technik gestalten Wissen vermitteln

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Berichte aus der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

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„rückblicke – einblicke – ausblicke“ Ein Projektbericht zur Entstehung eines virtuellen Rundgangs durch die Geschichte der RWTH 6

Neue Strategien für modernes Lernen 8

Lernen neu erfinden E-Learning ergänzt traditionelle Formen der Wissensvermittlung 10

CAMPUS - das integrierte Informationssystem der RWTH 12

Innovative Aspekte in der universitären Lehrerbildung 16

Evaluierung von Lehre und Studium an der RWTH 18

Vier Säulen für das Lehramtsstudium 20

„Ich weiß zwar nicht, wohin ich will...“ Technikakzeptanz der Theologie? 22

Bild und Erkenntnis 24

44,1 kHz - oder der historische Charme der Abtastfrequenz der CD 30

,,Politique de la grandeur“ versus ,,Made in Germany“.Die PAL-SECAM Kontroverse als Beispiel einer politischen Kulturgeschichte der Technik 32

Vom Biergarten zu „hybriden Foren“. Lokale Technikakzeptanz im historischen Wandel 34

Internet-Lernsoftware zur Berufsqualifizierung von Gehörlosen 36

Biosicherheit von transgenen Pflanzen 40

Patientenautonomie versus Paternalismus 42

Wenn es der Technik die Sprache verschlägt, sind Kommunikationsexperten gefragt 44

TiK – Technik im Klartext 46

Lebenslanges Lernen 47

Technik begreifen – ein interdisziplinäres Seminarkonzept für Studierende des Lehramts und der Ingenieurwissenschaften 48

„Lernen ohne Grenzen“ lässt Aachen und seine Nachbarn enger zusammen rücken 50

Getrennte Welten? – Veranstaltung überbrückt Kluft zwischen Natur- und Geisteswissenschaften 52

Technik als Weltkultur? – Seit 15 Jahren besteht an der RWTH Aachendas interdisziplinäre Forum ‘Technik und Gesellschaft’ 53

INTER AC 54

Namen & Nachrichten 56

Wie strömt die Luft in die Lunge? 64

Technologiemanagement ist Unternehmensführung 65

Produktive Enzyme in lebensfeindlicher Umwelt 66

Impressum

Herausgegeben imAuftrag des Rektors:Dezernat Presse und ÖffentlichkeitRWTH AachenTemplergraben 5552056 AachenTel: 02 41/80-9 43 27Fax: 02 41/80-9 23 [email protected]

Redaktion:Christof Zierath

Verantwortlich:Toni Wimmer

Redaktionelle Mitarbeit:Björn GürtlerRenate KinnyThomas von Salzen

Titel und Rücktitel:Austellung „Mathematik zumAnfassen“ im Gießerei-Institutder RWTH Aachen. Lena, Janund Robin beschäftigen sichspielerisch mit den unterschied-lichen Aufgabenstellungen zumThema Mathematik.

Fotos:Peter Winandy

Art direction:Klaus Endrikat

Druck:Druckerei EmhartVerlautenheidener Straße 52080 Aachen

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Das Wissenschaftsmagazin„RWTH-Themen“erscheint einmal pro Semester.Nachdruck einzelner Artikel,auch auszugsweise, nur mitGenehmigung der Redaktion.Für den Inhalt der Beiträge sindallein die jeweiligen Autorenverantwortlich.

Wintersemester 2003/2004

Aus dem Inhalt

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Vorwort

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eit Jahren wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschungein Jahr der Wissenschaft zu einem besonderen Thema ausgerufen, umdieses einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Das Jahr 2004

wird das „Jahr der Technik“ sein. Natürlich ist das für eine Hochschule, diedas Attribut „technisch“ im Namen trägt, eine besondere Herausforderung.Die RWTH Aachen wird im „Jahr der Technik“ mit zahlreichen Veranstal-tungen, Ausstellungen und Diskussionsforen präsent sein, den Dialog mit der Öffentlichkeit suchen und ihre technisch-naturwissenschaftliche Ausrich-tung betonen. Aber wir werden auch deutlich machen, dass unsere Stärke auf diesen Gebieten ohne die anderen Fachbereiche nicht möglich wäre. So beflügelt die Medizin den technischen Fortschritt und die Sozial- und Geistes-wissenschaften finden immer wieder zu besseren Formen der Kommunikationzwischen den Disziplinen wie auch zwischen Wissenschaft und Öffentlich-keit.

Die Umgestaltung Deutschlands von einer industriellen zu einer Wissens-gesellschaft kann nur gelingen, wenn das vertiefte Wissen der verschiede-nen Fachgebiete Teil der wissenschaftlichen Öffentlichkeit wird, wenn Mög-lichkeiten zur Zusammenarbeit erkannt und ergriffen werden. Und durch den Aufbau einer integrativen Gesellschaft werden stärker als bisher für alle Men-schen gleiche Zugangschancen zu diesem Wissen geschaffen werden. Dies ist auch unter dem Aspekt zu begrüßen, dass nur Bildung und Wissen einen souveränen Umgang mit neuen Techniken ermöglichen. Die Hochschulen sind auf all diesen Gebieten besonders gefordert.

Gerade neue Techniken erweitern besonders in unserer Gesellschaft nicht nur das Wissen auf allen Gebieten – und das in einer bisher nie erreichtenGeschwindigkeit –, sie erfordern auch neue Formen und Organisationen von Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bisher wenig intensiv oder überhaupt nicht miteinander kommuniziert haben. Die Grenzen zwischen den Fachgebieten verschwinden zunehmend, Interdiszipli-narität ist in vielen Bereichen bereits eine Selbstverständlichkeit. Im Hinblick auf das kommende „Jahr der Technik“ gibt diese Ausgabe des Wissenschafts-magazins „RWTH Themen“ einen Überblick, welche Anstrengungen unsereHochschule auf dem Weg in die integrative Wissensgesellschaft bereits unternommen hat.

Die RWTH Aachen zeigt sich für die Wissensgesellschaft bestens gerüstet.Wir freuen uns darauf, dies im „Jahr der Technik“ unter Beweis zu stellen.

Univ.-Prof. Dr. Burkhard RauhutRektor

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Zur Entstehung eines virtuellen Rundgangs durch die Geschichte der RWTH Aachen

„rückblicke – einblicke – ausblicke“ Sabine Büttner

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ukunft beginnt bei uns“– mit diesem Sloganwirbt die Hochschule

um neue Studierende sowie Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter.Doch eine Institution wie dieAachener Hochschule versprichtnicht nur Zukunft, sie hat aucheine Vergangenheit.

Dieser Vergangenheit habensich Studierende und Mitarbeiterdes Historischen Instituts unterder Leitung der Historikerin undwissenschaftlichen Leiterin desHochschularchivs, Gudrun Gers-mann, in den vergangenen Mo-naten gewidmet. Ein umfangrei-ches Internetprojekt ist in die-sem Jahr unter dem Motto„rückbliicke – einblicke – ausbli-cke“ angestoßen worden, ersteErgebnisse sind online gegangen.

Die im Titel benannte undim Logo visualisierte dreifacheBlickrichtung zielt auf zentraleFunktionen der historischen Erin-nerung, die auch für die RWTHfruchtbar werden können: DerBlick zurück zeigt den Ausgangs-punkt und die Entwicklung einergewachsenen Bildungseinrich-tung, die gewonnenen Einblickeerzeugen Identifikation mit dereigenen Hochschule und dienengleichzeitig als Grundlage für dieAusblicke in die Zukunft.

Die Zukunft und (Erfolgs-)Story der RWTH begann in derzweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts, und hier könnte auch dieLektüre der Online-Darstellungeinsetzen, wo die Geschehnisseim Vorfeld der Hochschulgrün-dung folgendermaßen beschrie-ben sind: „Am 25. Januar 1858 machteder Preußenprinz Friedrich Wil-helm – der spätere‚ 99-Tage-Kai-ser’ Friedrich III. – auf seiner Rück-reise von London nach Potsdameinen Zwischenstop in Herbes-thal und Aachen. Regierungsprä-sident Friedrich C. H. Kühlwetterüberreichte ihm beim feierlichenEmpfang durch die Stadt eineSpende von 5000 Talern, dieder mit Prinzessin Victoria frischVermählte zu wohltätigen Zwe-cken verwenden sollte. DieseSpende – von der ‚Aachenerund Münchener Feuer-Versiche-rungs-Gesellschaft’ auf Betreibenihres Generaldirektors FriedrichAdolph Brüggemann aufge-bracht – wurde zum äußerenAnlass der späteren AachenerHochschulgründung.“

Ziel des Projekts einer Dar-stellung der Hochschulgeschichteim Internet war es, den Mitarbei-tern und Studierenden der RWTHsowie Schülerinnen, Schülern undeiner interessierten Öffentlich-keit die über 130-jährige Vergan-genheit der Aachener Hochschu-le auf unterhaltsame, informati-ve Weise und in innovativerForm nahe zu bringen. Deshalborientiert sich die Präsentationweniger an den Formalien einerwissenschaftlichen Darstellung,sondern trägt eher den Charak-ter einer virtuellen Ausstellung,ohne deshalb auf die Seriositätder Information zu verzichten.

Dazu bot sich das Internetals modernes Publikationsme-dium aus mehreren Gründen an:Es erlaubt eine kostengünstigeProduktion, erreicht eine breiteÖffentlichkeit und eignet sichdurch die Möglichkeiten etwader Hypertextualität bestens,den Besucher zu eigenen Wegenund ausgewählten Betrachtun-gen innerhalb des umfassendenAngebots zu „verführen“. Nichtzuletzt ging es darum zu zeigen,dass geschichtswissenschaftlichesArbeiten nicht auf das Klischeeder „verstaubten Bücher“ (undebensolcher Wissenschaftler)reduziert werden darf, sondernsich um entsprechende Vermitt-lung bemühen muss und kann:Technik- und Medienkompetenzzählen mittlerweile auch fürHistoriker zu entscheidendenQualifikationen.

Zu den ersten und wichtig-sten Arbeitsschritten des Projektsgehörte die Erstellung der Infor-mationsstruktur, aus der danndie Navigation der Website her-vorging. Die Überlegungenbrachten fünf Hauptrubriken her-vor, die verschiedene Zugangs-wege zum Thema anbieten:

schnell und „faktisch“ überdas Daten-Skelett einer Zeitleiste

chronologisch erzählend ent-lang wichtiger Stationen derHochschulgeschichte – von derGründungsphase im 19. Jahrhun-dert bis zur modernen Massen-universität

biographisch über bekannteund heute vergessene Personenoder Persönlichkeiten

eher subjektiv-impressionis-tisch über verschiedene „Ansich-ten“

wiederum „anders“ aus derPerspektive der Studierenden

Daneben findet sich eineVorstellung des Archivs, seinerBestände und Nutzungsbeding-ungen sowie der Punkt „Aktu-elles“, unter dem in regelmäßi-gen Abständen Ergänzungen desAngebots verkündet werden.

Als Erweiterung zu derschwerpunktmäßigen Behand-lung der Vergangenheit habendie Studierenden durch Inter-views aktuelle „Einblicke“ in dieöffentliche Wahrnehmung derRWTH eingeholt. In der Unter-rubrik „Meinungen“ des Punktes„Ansichten“ finden sich mehrere

Gespräche mit in- und ausländi-schen Studierenden sowie Aa-chener Bürgern über ihr Bild vonder Hochschule.

Dem Ausstellungscharakterund der Nutzerfreundlichkeitsollten unter anderem die Text-gestaltung beziehungsweise dasVerhältnis von Text und BildRechnung tragen. Die einzelnenTextblöcke beschränken sich da-her auf wenige Zeilen, die durchgriffige Überschriften strukturiertund aufgelockert werden, sodass sie bequem am Bildschirmgelesen werden können. Mehr

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als zur bloßen Illustration sollenBilder und Dokumente zur Ver-anschaulichung und Vergegen-wärtigung des Dargestellten bei-tragen.

Als reiche Materialquelle er-wies sich hier das Hochschul-archiv. 1967 als zentrale Institu-tion gegründet, beherbergt esheute zahlreiche Urkunden, Ak-ten, Stiche und Fotos von derGründungsphase bis hin zu mo-dernen Verwaltungsakten der1980er Jahre. Die Recherchenerbrachten eine beachtliche An-zahl interessanter Zeugnisse, die

teilweise schon mehrfach veröf-fentlicht wurden, teilweise aberauch weitgehend unbekannt seindürften. Ergänzendes Bildmate-rial fand sich darüber hinaus inweiteren Archiven.

Die Texte, die in eigenverant-wortlicher Arbeit der beteiligtenAutoren entstanden sind undeiner sorgfältigen redaktionellen„Nachlese“ unterzogen wurden,basieren vornehmlich auf dengedruckten Abhandlungen zumThema, die auch unter den Lite-raturhinweisen der Website zufinden sind. Darüber hinaus auf

dem Feld der inhaltlichen Er-schließung der Hochschulhistorieeigene Forschungsarbeiten zu lei-sten, hätte den zeitlichen undpersonellen Rahmen des Projektsgesprengt und erschien ange-sichts der oben beschriebenenIntentionen und Zielgruppenori-entierung auch verzichtbar. Aberin der zum Teil recht exemplari-schen Auswahl – etwa der por-trätierten Rektoren – spiegeltsich nicht zuletzt ein Forschungs-desiderat für die Zukunft.

Parallel zum Content der Web-site wurde ihre technische und

gestalterische Umsetzung ent-wickelt. Diese Arbeiten – vonder HTML-Programmierung biszur Logo-Entwicklung – wurdenebenfalls von den Mitgliedernder Projektgruppe bestritten.

Sicherlich lässt sich das An-gebot in vielen Aspekten undDetails ergänzen – und das solles auch! Ein wichtiges Ziel hatdie virtuelle Hochschulgeschichte„rückblicke – einblicke – aus-blicke“ dann erreicht, wenn siezur Beschäftigung mit der Ge-schichte führt, den Wunsch nachErgänzungen hervorruft und derAnregung zum Dialog dient.

„rückblicke – einblicke – ausbli-cke“ im Internet unter der Adres-se http://www.archiv.rwth-aachen.de/rea

Autorin:

Sabine Büttner ist Wissenschaft-liche Mitarbeiterin am Lehr- undForschungsgebiet Frühe Neuzeitdes Historischen Instituts.

Blick auf die große Dampfma-schine im Zinkhütterhof e.V.-Museum für Industrie-, Wirt-schafts- und Sozialgeschichte inStolberg/Rheinland. Bild: Peter Winandy

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03Frank Imhoff, Otto Spaniol, Michael Wallbaum

Neue Strategien für modernes LernenWLAN, URMEL und MoPS verändern den Campus

eit Jahrhunderten sitzenStudierende in Hörsälenund konsumieren Wissen.

Mittlerweile haben sich jedochdie Anforderungen an die Absol-venten im Berufsleben funda-mental verändert und die Nut-zung neuer Medien und Tech-nologien ist immer selbstver-ständlicher geworden. An Hör-sälen scheint diese Entwicklungzumindest im Hinblick auf dieMethodik der Wissensvermitt-lung vorbei gegangen zu sein.Mit URMEL (Ubiquitious RWTHfor Mobile E-Learning) werdenan der RWTH Aachen derzeitdie Voraussetzungen geschaffen,neuartige Technologien wie Note-books, Funknetze aber auch diver-se elektronische Dienste in derLehre zu nutzen. Das Projekt wirdvom Bundesministerium für For-schung und Technologie geför-dert.

Mobile Professors and Students(MoPS)Ausgangspunkt für die Ausschrei-bung des Bundesministeriumsunter dem Stichwort „Notebook-University“ war die zuvor bereitsgeförderte Einführung von Wireless Local Area Networks(WLAN) an mehreren Hochschu-len. Mithilfe dieser Funknetzekönnen mobile Endgeräte wieNotebooks, Handhelds oderWebpads drahtlos mit derzeitbis zu elf Megabit pro Sekundeund demnächst mit bis zu 54Megabit pro Sekunde auf dasInternet zugreifen. An derRWTH befindet sich dieses Funknetz unter dem Namen„Mobile Professors and Stu-dents“ – kurz „MoPS“ genannt(www.mops.rwth-aachen.de) –seit Anfang 2001 im Aufbau.Inzwischen sind bereits zahlrei-che Hörsäle, Bibliotheken, Semi-narräume, Mensen und Lehr-stühle mit MoPS ausgestattet,viele davon durch Eigeninitiativeder jeweiligen Mitarbeiter. Aberauch von Studierenden stark fre-quentierte Plätze außerhalb desRWTH-Geländes sind inzwischen„vermopst“. Dazu gehören diePontstraße, der Haupt- und derWestbahnhof, der Katschhof so-wie der Marktplatz mit seinemumfangreichen gastronomischenAngebot. Angehörige der RWTHkönnen damit jederzeit und kos-tenlos Dienste des Internets nut-zen und Informationen abrufen,die zum Beispiel vom Campus-System (www.campus.rwth-

aachen.de) zur Verfügung ge-stellt werden. Mitarbeiter derRWTH können mittels VirtualPrivate Networks (VPN) auf Da-tenbestände ihres Instituts ge-nauso zugreifen, wie von Fest-netz-Rechnern.

Neben der Bereitstellung vonInformationen sollen mithilfe desURMEL-Projekts auch Lehrinhaltevermehrt zugänglich gemachtwerden. Anders als in vielen ver-geblichen Versuchen zuvor warschon in der Antragsphase klar,dass eine RWTH-weite Lernplatt-form oder Multimediakonzeptekaum Aussicht auf eine breiteNutzung haben. Zu unterschied-lich sind die Anforderungen undVoraussetzungen der Ingenieur-wissenschaften, der Medizini-schen Fakultät oder der Geistes-wissenschaften. Erfahrungsge-mäß ist selbst innerhalb einerFachgruppe eine Einigung aufeinheitliche Standards für E-Lear-ning schwierig. Daher soll UR-MEL keineswegs eine neue Platt-form sein, sondern eine Vielzahlvon bereits existierenden Basis-diensten integrieren, die zumBeispiel vom Rechen- und Kom-munikationszentrum der RWTHAachen derzeit schon bereit ge-stellt werden. Beispiele für sol-che Basisdienste sind Video-,Lizenz- und Installationsserveroder zukünftig auch Authentifi-zierungsmechanismen. Auf dieseBasisdienste können andereSysteme zugreifen oder eigeneEntwicklungen aufbauen.

Einsatz in der LehreEine solche Eigenentwicklung istdas Internet-Portal „myREIFF“(https://myreiff.arch.rwth-aachen.de) des am URMEL-Projekt beteiligten Lehrgebietsfür ComputerunterstütztesDesign in der Architektur –CAAD (www.caad.arch.rwth-aachen.de).myREIFF bietet Stu-dierenden zusätzliche Informa-tion über Lehrveranstaltungen,aber auch die Möglichkeit zurAbfrage von Prüfungsergebnis-sen und zur Anmeldung zu Ver-anstaltungen.

Auch die Internet-basiertePlattform „Netzentwurf“(www.netzentwurf.de), die amCAAD zusammen mit der Uni-versität Karlsruhe laufend fort-entwickelt wird, nutzt im Rah-men des URMEL-Projekts zurVerfügung gestellte Dienste, dieStudierende an eine Zusammen-arbeit in standortübergreifenden

Gruppen heranführt. Diese Formder Zusammenarbeit ist heutzu-tage bei nahezu allen Großpro-jekten erforderlich, da für be-stimmte Aufgaben nur wenigeSpezialisten zur Verfügung ste-hen. Zahlreiche Kooperationenmit Universitäten in Neuseeland,der Schweiz und der Fakultät fürArchitektur der Universität Stutt-gart haben diese Plattform be-reits erfolgreich in die Lehre ein-gebracht.

Künftige DiensteMittelfristig ist an eine Verknü-pfung mit dem Campus-Systemgedacht, um Studierenden bei-spielsweise freie Räume fürspontane Gruppenmeetings zuzeigen. Als Navigationssystem zudiesen Räumen, zu CIP-Poolsoder anderen Ressourcen derHochschule und um die eigenenKommilitonen zu finden, wurdevom Lehrstuhl für Informatik 4 –Kommunikation und verteilteSysteme – ein Lokalisierungssys-tem auf der Basis von WLANentwickelt. Damit sind aber auchverschiedene ortsabhängigeDienste (Location Aware Ser-vices) realisierbar. Das sindDienste, die den aktuellenStandort des Benutzers berük-ksichtigen. Bei einem flächen-deckenden Ausbau mit WLANkann damit zum Beispiel eineNavigation durch die Hochschuleerfolgen, wie es für Kraftfahr-zeuge schon lange mithilfe vonGPS-Satelliten möglich ist. An-ders als mit Satelliten funktio-niert die WLAN-basierte Lokali-sierung jedoch auch innerhalbvon Gebäuden.

Künftig ist auch eine Authen-tifizierung über das MoPS-Netzdenkbar. Dadurch können Hoch-schulangehörige nicht nur aufsensible Daten oder Dienste zu-greifen, sondern beispielsweisekönnen auch Zutritt zu bestimm-ten Räumen gewährt oder Nut-zungsgebühren abgerechnet werden. Damit nicht für jedenBenutzer Unmengen von Pass-wörtern und eine ausufernde Be-nutzerverwaltung erforderlichwird, arbeitet das Rechen- undKommunikattionszentrum der-zeit an einem „Single-Sign-On-Verfahren“. Damit kann ein er-folgreich authentifizierter Benut-zer alle für ihn persönlich frei ge-schalteten Dienste nutzen undzugleich sicher sein, dass einMissbrauch vermieden wird. Bisein solches Single-Sign-On an der

RWTH flächendeckend zum Ein-satz kommt, müssen jedochnoch zahlreiche Probleme gelöstwerden. Dazu gehört insbeson-dere die konsistente und zeitna-he Integration unterschiedlichsterDatenbestände. Manche Datenstehen derzeit nicht einmalelektronisch zur Verfügung.

E-Learning und neue MedienÄhnlich aufwändig gestaltet sichdie Umstellung von Lehrinhaltenund herkömmlichen Lehrveran-staltungen auf neue Medien. EinBeispiel dafür ist die Pflichtveran-staltung „MontagegerechtesKonstruieren“ für angehendeMaschinenbau-Ingenieure. ImRahmen des URMEL-Projekts isthier eine Umstellung auf dieNutzung von Notebooks erfolgt.Am Lehrstuhl für Werkzeugma-schinen (www.wzl.rwth-aachen.de) greifen Studierendenun „elektronisch“ auf Pläne undDatenbanken zu, um in Grup-penarbeit und mithilfe speziellerSoftware komplexe Konstrukti-onsaufgaben zu lösen. Der Auf-wand für die Umsetzung undAnpassung der unterschiedlichenMaterialien und der Aufgabenwar immens und ist mit der erst-maligen Durchführung der Ver-anstaltung nicht abgeschlossen.

Nicht zuletzt deswegenwurde im August 2003 ein ers-ter Workshop zum Thema E-Learning an der RWTH veran-staltet, der potenziellen Anwen-dern Möglichkeiten zur Nutzungneuer Medien in der Lehre auf-gezeigt hat. Der Workshop hatgezeigt, dass fachübergreifendgroßes Interesse besteht undweitere Aktivitäten dringend er-wünscht sind. Bei der Organisa-tion des Workshops war das Ins-titut für Arbeitswissenschaft(www.iaw.rwth-aachen.de) maß-geblich beteiligt, das im URMEL-Projekt für das Einführungs- undMotivationskonzept verantwort-lich zeichnet. Der Lehrstuhl fürBetriebs- und Wirtschaftspäda-gogik (www.lbw.rwth-aachen.de)begleitet die Aktivitäten desURMEL-Projekts in pädagogi-scher Hinsicht.

Wie die Nutzung neuerMedien aussehen kann, hängtinsbesondere von den individuel-len Anforderungen in der Lehreab. Derzeit kommt neben deraudiovisuellen Aufzeichnung vonVorlesungen, der elektronischenBereitstellung von Vorlesungs-materialien auch die Nutzung

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Studierende und Lehrende derRWTH Aachen während eineslocker gestalteten Freiluftsemi-nars. Bild: Peter Winandy

von Videokonferenzen sowieverteilte Konstruktions- oder Si-mulationssoftware für Gruppen-arbeit zum Einsatz. So konnteder Lehrstuhl für Informatik 4zusammen mit dem Institut fürInformatik der Universität Mün-chen im vergangenen Sommer-semester erste Erfahrungen miteinem „Virtuellen InformatikPraktikum“ sammeln. Dabei ha-ben Gruppen aus Münchenerund Aachener Studierenden Si-mulationen durchgeführt. DieKommunikation innerhalb derGruppen und zu den Betreuernfand im Rahmen von Präsenzver-anstaltungen, über unterschiedli-che Videokonferenzsysteme so-wie über ein System zurUnterstützung verteilter Grup-penarbeit statt. Dabei hat sichgezeigt, dass Studierende diesenLernformen überdurchschnittlichmotiviert und aufgeschlossen ge-genüber stehen. Vorausgegan-gen war diesem Projekt eine ge-meinsame Vorlesung, diezeitgleich in beiden Hörsälenstattfand und über das Internetaudiovisuell zwischen Aachenund München übertragenwurde.

Notebook-UniversityVoraussetzung für die Nutzungneuer Methoden und neuer Me-dien ist neben einer umfangrei-chen technischen Ausstattungvon Hörsälen auch die Verbrei-tung von eigenen Computernunter den Studierenden. Wäh-rend selbst unter Informatik-Erstsemestern Umfragen zufolgekaum mehr als 60 Prozent Zu-gang zu privaten Rechnern ha-ben, ist der Anteil von eigenenNotebooks noch erheblich gerin-ger einzuschätzen. Im Rahmendes URMEL-Projekts wurden da-her Notebook-Pools beschafft,die von RWTH-Einrichtungenbeim Rechen- und Kommunika-tionszentrum ausschließlich fürLehrveranstaltungen ausgeliehenund für kurze Zeit an Studieren-de weitergegeben werden kön-nen (www.rz.rwth-aachen.de).

Zudem wird die Anschaffungeigener Notebooks für Studieren-de und Lehrstühle durch Abkom-men zwischen der RWTH undverschiedenen Herstellern sowieFachhändlern unterstützt. Diebisher verzeichneten Zuwächsebeim Kauf von Notebooks, beider Nutzung von MoPS und dieErfahrungen anderer Hochschu-len geben Anlass zum Optimis-mus. Der weitere Ausbau desMoPS-Netzes, auch über dieGrenzen der RWTH hinaus, solldabei die Attraktivität von Note-

books weiter steigern. In diesemZusammenhang wurde die Zu-sammenschaltung der WLANsder RWTH Aachen und derFachhochschule Aachen verein-bart. Studierende beider Hoch-schulen können dadurch in wei-ten Teilen Aachens und auch aufdem FH-Campus in Jülich draht-los ins Internet und auf Diensteder Hochschulen zugreifen.

In welcher Form die Nutzungneuer Medien, die Verbreitungvon Notebooks und deren Ein-satz in der Hochschullehre zu-nehmen wird, ist derzeit nichtabzusehen. Sicher ist aber, dassdamit neue Möglichkeiten ge-schaffen werden, die Studieren-de zunehmend besser in dieLage versetzen, den Anforderun-gen im späteren Berufsleben ge-recht zu werden. Das URMEL-Projekt wird die dazu notwendi-gen Voraussetzungen schaffenund auch über die Förderperiodehinaus in vielen Bereichen durchBest-Practice-Beispiele Anstößezur Umsetzung in der Lehre ge-ben.

Autoren:

Dipl.-Inform. Frank Imhoff istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Informatik 4und dort unter anderem für dieKoordination mehrerer E-Lear-ning-Projekte und den Ausbaudes MoPS-Netzes verantwortlich.Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Otto Spa-niol ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Informatik 4 – Kommunika-tion und verteilte Systeme. Dipl.-Inform. Michael Wallbaumist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehrstuhl für Informatik 4und entwickelt dort unter ande-rem Location Aware Services fürWLANs. Er hat maßgeblich dasMoPS-Netz konzipiert und einge-führt.

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03Ulrik Schroeder

Lernen neu erfindenE-Learning ergänzt traditionelle Formen der Wissensvermittlung

ie Informatikstudentin Evadiskutiert die gemeinsamerstellten Zwischenergeb-

nisse ihrer Projektarbeit mit ih-ren Kommilitonen an der ETHZürich und dem Imperial CollegeLondon per Videokonferenz.Nicht zugeschaltetes Gruppen-mitglied ist der Ingenieur Dieter,der sein Diplom bereits vor Jah-ren an der RWTH erworben hat.Er wird sich das Ergebnis derKonferenz später aus dem Netzladen. Im Laufe seiner Arbeit be-nötigt er zunehmend computer-basierte Simulationsverfahren.Nach einer Internetanfrage, er-hielt er vom virtuellen Bildungs-broker Angebote aus dem Stu-diengang Computational Engi-neering Science der RWTH, diees ihm erlauben, die neuen Infor-matiktechniken als Teilzeit-studierender von seinem Arbeits-platz in Süddeutschland aus zuerwerben.

Es gibt viele Visionen des flexiblen, selbstgesteuerten, indi-vidualisierten Lernens, die sichbereits heute zum Teil realisierenlassen. E-Learning hat in jüngsterZeit große Fortschritte gemacht.Die Informations- und Kommuni-kationstechnologien und die zu-nehmende Integration unter-schiedlichster Funktionen undmultimedialer Darstellungen bieten eine hervorragende Platt-form für Innovationen im Bil-dungsbereich. Allerdings verblei-ben viele der E-Learning-Ange-bote derzeit noch auf demStand veralteter Pädagogik. EineUnterstützung der systemati-schen didaktischen Konstruktiondigitaler Lernangebote benötigtneue Verfahren, Methoden undspezielle Konstruktionswerkzeu-ge auf der Basis innovativerLernwerkzeuge.

Neue Lernmodelle gesuchtDie Wissensgesellschaft und Glo-balisierung machen unser Arbei-ten zunehmend wissensintensiv.Weltweit ist ein steigender Be-darf an hochqualifizierten Ar-beitskräften zu beobachten. Diedeutsche Green Card für Infor-matiker ist nur ein Beispiel fürdiese Tendenz. Potenziert wirddieser Effekt durch den Qualifi-kationsbedarf der Drittwelt- undSchwellenländer.

Das traditionelle dreiphasigeLebensmodell – Schule, Berufs-ausbildung und Anwendung deserworbenen Wissens währendder Berufsausübung – ist über-

holt. Das lebenslange, kontinu-ierliche Lernen benötigt neueLernformen. Die notwendigenMedien- und Lernkompetenzenwerden aber durch derzeitigeLehrformen nicht ausreichendgefördert.

Aktuelle Informatiksystemewie intelligente Kommunikations-netze mit kontextspezifischenDiensten, computerunterstützterKommunikation, Wissensmana-gement oder die Integration rea-ler und computergenerierterWelten ermöglichen die Reali-sierung innovativer Lernszena-rien. Für alle diese Technologiengibt es bereits separate prototy-pische Anwendungen, die dasenorme Potenzial für neue For-men des Lernens nachweisen.Obwohl die technologische Basisvorhanden ist, erweist sich derenKomposition zu einem didak-tisch sinnvollen Arrangement alsproblematisch. Hieran arbeitetdas Forschungsgebiet E-Learning.Es entwickelt Verfahren, Werk-zeuge und Methoden, die es Di-daktikern ermöglichen, die Po-tenziale der Lernunterstützungauszuschöpfen. Dabei müssensie sich auf Konstruktionswerk-zeuge stützen, die die komple-xen Technologien integrierenund spezifisch auf Lernunterstüt-zung zugeschnittene Softwaresystematisch miteinander ver-knüpfen.

E-Learning macht innovativeInformatiktechnologien für dieLösung didaktischer ProblemenutzbarIn den letzten Jahren standenvor allem die Multimedialitätund interaktive Simulationen imBlickpunkt des E-Learning. Sieunterstützten das Verstehenkomplexer, dynamischer Pro-zesse. Aktuelle Trends sind je-doch konstruktivistische Lernmo-delle, die aktives Handeln alsnotwendige Voraussetzung desErkenntnisgewinns identifizieren.Daraus resultieren didaktischeModelle, die die konstruktiveAuseinandersetzung mit Lernma-terialien fordern. Dies beginntmit der Exploration computerge-nerierter Welten, die das Bildenvon Hypothesen und derenÜberprüfen fördern. Darüberhinaus gehen das Konstruierenvon Modellen und Gegenstän-den sowie das Kommunizierender dabei erzielten Erkenntnisseam Beispiel der eigenen Arte-fakte. Hier kommt der Lernsoft-

ware die entscheidende Rolle zu.Während frühere Medien ledig-lich passiver Träger der Informa-tion waren, erlaubt die Digitali-sierung eine Integration von Me-dium, Werkzeug, Artefakt undKommunikationsfunktion.

Auch wenn konstruktivisti-sches Lernen die Bedeutung deskollaborativen Lernens betont,so ist aufgrund der benötigtenFlexibilität die Unterstützungselbstgesteuerten Lernens einweiterer Forschungsschwerpunkt.Ein zentrales Problemfeld ergibtsich aus der Notwendigkeit, Ler-nenden angemessene Rückmel-dungen zu ihrem Lernfortschrittzu geben. Diese bilden dann die

Voraussetzung für eine möglicheAdaptivität des Programms, dassich aufgrund von Präferenzendes Lernenden und seinem Wis-senstand das für das aktuelleLernziel am besten geeigneteLernobjekt aus einem Pool ver-fügbarer Objekte heraussuchtund anbietet. Zudem unterstütztes das Meta-Lernen, durch be-wusste Wahl einer Lernstrategieund Reflexion vorgenommenerLernschritte. Dieser Aspekt istfür das E-Learning besonderswichtig, da die neuen Lernfor-men bislang wenig trainiert wer-den.

Eine weitere aktuelle Ent-wicklung sind situierte Modelle,

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die den Erwerb neuen Wissensin Anwendungskontexte einbet-ten. Das Ziel dieser Ansätze be-steht darin, träges Wissen zuvermeiden. Die Pisastudie ver-deutlicht das Problem am Bei-spiel Mathematik. DeutscheSchüler haben zwar einen gro-ßen Fundus an Formelwissen,können dieses aber bei der Pro-blemlösung nicht nutzen. EinBeispiel situierten Lernens be-steht im Übertragen der Gesel-lenausbildung aus dem Hand-werk auf kognitive Bereiche.Neues Wissen wird hier immerim Kontext der Anwendung inauthentischen Situationen erwor-ben.

Lernwerkzeuge als Motorendidaktischer InnovationAm Forschungsgebiet für compu-terunterstütztes Lernen wird anden verschiedenen Aspekten desE-Learning geforscht. Die Integra-tionsplattform eLC (eLearningCommunity) unterstützt kon-struktivistisches und selbstverant-wortliches Lernen und lieferteine Basis zur Realisierung benö-tigter didaktischer Konstruktions-werkzeuge. Der besondere Reizder Weiterentwicklung von Rück-meldesoftware liegt darin, überdie Möglichkeiten von Multiple-Choice-Tests hinaus zu gelangenund die eingereichten Lösungendurch spezielle Analyseprogram-

me semantisch auszuwerten. ImBereich der Programmierungkommen als Auswertungswerk-zeuge Compiler und spezifischeTestverfahren zum Einsatz. Wei-tere Analysemodule für andereformalisierbare Bereiche sind inder Entwicklung.

Exemplarisch für die Integra-tion spezifischer Lernwerkzeugesei Clever1 zur Realisierung derkognitiven Lehre angeführt. DieSoftware ermöglicht das Auf-zeichnen und Abspielen von In-teraktionen eines Benutzers miteiner (Lern-)Software. Es spei-chert die Interaktionen in einersymbolischen Repräsentation,die durch integrierte Werkzeuge

analysiert und mit speziellen Edi-toren bearbeitet werden können.Das Besondere des Ansatzes ist,dass das Abspielen der Aufzeich-nung auf einer neuen Ausfüh-rung des Programms erfolgt. Da-durch lässt es sich an jeder Stelleunterbrechen und die Bedienungder Software direkt durch denBetrachter fortsetzen. Im Gegen-satz zu einem Film, der immernur die aufgenommenen Aktio-nen darstellt, erfolgt hier ein flie-ßender Übergang zwischen Be-trachten und „selbst in die Hand-lung eingreifen“. Der didaktischeNutzen liegt darin, dass nichtnur Lernergebnisse, sondern je-derzeit auch Lernprozesse nach-träglich und aus der Ferne beur-teilt werden können. Eine Rück-meldung kann sich dann auf denLösungsprozess und nicht nurauf das Produkt des Lernens be-ziehen und selbst in Form aufge-zeichneter Lösungsschritte beste-hen. Audioannotationen könnenAktionen durch Experten oderLernende externalisieren. Diesfördert die Reflexion des Han-delns und macht das im Pro-blemkontext erworbene Wissenübertragbar auf neue Situatio-nen. Schließlich ermöglicht dieAufzeichnung und Externalisie-rung von Lernhandlungen päda-gogische Forschung, die das Lern-angebot evaluiert und so die Wei-terentwicklung situierter Lernmo-delle unterstützt.

Autor:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. UlrikSchroeder ist Leiter des Lehr-und Forschungsgebiets fürInformatik IX „Computerunter-stütztes Lernen und Wissens-strukturierung“.

1 Capture, Log, Edit, Visualize,Evaluate, and Run interactions

Studierende und Lehrende derRWTH Aachen während eineslocker gestalteten Freiluftsemi-nars. Bild: Peter Winandy

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s ist Januar. Die Hochschulebrummt. Während sich dieStudierenden neben ihren

Vorlesungen auf Klausuren undPrüfungen vorbereiten, planendie Dozenten bereits die Veran-staltungen des nächsten Seme-sters. Mit Hilfe von CAMPUSveröffentlichen die Dozentenihre geplanten Veranstaltungenim Vorlesungsverzeichnis undbuchen mit einem „Klick“ diepassenden Hörsäle. CAMPUSinformiert synchron die Fachstu-dienberater über den aktuellenPlanungsstand, um ihnen die Ab-stimmung von Terminen inner-halb und zwischen den Studien-gängen zu ermöglichen. Die Stu-dierenden haben nach der erstenVeröffentlichung der Semester-daten jederzeit online Einsicht inden jeweils tagesaktuellen Standdes Veranstaltungsverzeichnis.

Vor CAMPUS waren dieVeröffentlichung im gedrucktenVorlesungsverzeichnis, die Bu-chung eines Hörsaals sowie dieInformation der Fachstudienbera-ter drei getrennte Vorgänge. Sieerforderten jeweils einige Telefo-nate, Schreiben und Besprechun-gen zwischen Dozenten, Fach-studienberatern und Hochschu-lverwaltung. Dies ist ein Beispieldafür, wie das Informationssys-tem CAMPUS durch integrierteAbläufe, an denen mehrere Ein-richtungen und Nutzergruppender Hochschule beteiligt sind, zuvereinfachten und komfortable-ren Prozessen in Lehre und Ver-waltung führt. CAMPUS unter-stützt heute bereits eine Reihesolcher integrierter Abläufe undsoll in Zukunft weitere Kernpro-zesse der Hochschule, wie etwadie Anmeldung zu Prüfungen,Notenerfassung und Notenein-sicht unterstützen.

Überblick über das Informa-tionssystem CAMPUSCAMPUS gliedert sich heute indrei Anwendungsbereiche: Veranstaltungsorganisation, Ver-zeichnisdienste und Unterstüt-zung von Organisationsabläufen.Jeder der drei Anwendungsbe-reiche umfasst eine Reihe vonAnwendungen, die auf der ge-meinsamen CAMPUS-Plattformbasieren. Einen Überblick überdie aktuelle Gesamtstruktur zeigtBild 1.

Die Veranstaltungsorganisa-tion umfasst das öffentliche Vor-lesungsverzeichnis, die Vorle-sungsplanung für Studierende

Bild 1: Campus Anwendungen undCampus-Plattform

(CAMPUS-Office), das Hörsaal-verzeichnis, die personalisiertenZugänge für Dozenten, Fachstu-dienberater und Dekane zur Ver-anstaltungsplanung und die Er-stellung gedruckter Veranstal-tungsverzeichnisse.

Die Verzeichnisdienste um-fassen das öffentliche Telefon-und das Organisationsverzeich-nis sowie den personalisiertenZugang für Organisationseinhei-ten zur Verzeichnisverwaltung.

Im Bereich Unterstützungvon Organisationsabläufen sindeine Reihe von Anwendungenzusammengefasst wie die Ad-ressverwaltung innerhalb derZentralen Hochschulverwaltung,die Anbindung an die Telefonan-lage und die Anbindung an dasSoftwareportal.

Die CAMPUS-Plattform um-fasst alle Dienste, die nicht einereinzelnen Anwendung zugeord-net werden können sowie grund-legende Dienste wie die zentraleDatenhaltung, Authentifizierung,Betrieb der Server. Neben denöffentlichen Zugängen bietetCAMPUS personalisierte Portalefür Studierende, Dozenten, Fach-studienberater und Organisa-tionseinheiten sowie weitere Zu-gänge für spezialisierte Rollen.

CAMPUS-Office ist das per-sonalisierte Portal für die zahlen-mäßig größte Nutzergruppe –die Studierenden. CAMPUS-Office ermöglicht jedem Studie-renden die individuelle Vorle-sungsplanung und den direktenZugriff auf seine persönlichenVorlesungs- und Veranstaltungs-daten. Mit CAMPUS-Office kön-nen Studierende Veranstaltungenin den eigenen Terminkalenderübernehmen, ihre privaten Ter-mine organisieren und sich zuVeranstaltungen anmelden. Ver-schiebt ein Dozent nachträglichden Termin einer Veranstaltung,die ein Studierender in seinenTerminkalender übernommenhat, so wird der Studierendedurch Campus-Office per E-Mailüber die Verschiebung benach-richtigt. Der persönliche Online-Studienplaner kann nach deneigenen individuellen Bedürf-nissen gestaltet werden.

Motivation für ein integriertesCAMPUS-InformationssystemDie IT-Struktur der Hochschulespiegelt die heterogene Strukturder Hochschule und ihre Entste-hung wieder. Deshalb sind vieleder DV-unterstützten Arbeitsab-läufe historisch gewachsen und,um nur einige der häufigsten De-fizite zu nennen, unnötig kom-plex, durch Medienbrüche ver-langsamt und durch mehrfache

Datenhaltung fehleranfällig so-wie datenschutzrechtlich bedenk-lich.

Die zentrale Vision des Infor-mationssystem CAMPUS ist dieIntegration von Nutzern, Anbie-tern und Systemen in neuen Ab-läufen, welche die klassischenGrenzen zwischen Verwaltung,zentralen Einrichtungen und denübrigen Institutionen der Hoch-schule überschreiten. Auf der Ba-sis aktueller Web- und Daten-banktechnologie bietet sich heu-te die Chance komfortablere, be-schleunigte und effizientere Ab-läufe zu etablieren. Möglich wirddies durch direkte Einbeziehungzahlreicher Nutzergruppen undOrganisationseinrichtungen inKombination mit der Zusammen-führung der zugehörigen hetero-genen IT-Landschaft unter einerintegrierenden webbasiertenOberfläche.

Gerade die Integration er-möglicht die wesentlichen Kom-fort- und Effizienzgewinne. Dieswird deutlich, wenn man, wieim einleitenden Beispiel gesche-hen, die heutige Veranstaltungs-organisation mittels CAMPUSmit der früheren Situation ver-gleicht. Integriert wurden in die-sem Fall die Nutzergruppen derDozenten, der Fachstudienbera-ter und Studierenden und diezwei vormals getrennten Abläufezur Erstellung des Vorlesungsver-

E

Michael Gebhardt

CAMPUS – das integrierte Informationssystem der RWTH

Webbasierte Integration ermöglicht vereinfachte und komfortablere Abläufe in Lehre und Verwaltung

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zeichnisses und der Hörsaalbele-gung. Nur durch die Integrationwurden die wesentlichen Kom-fort- und Effizienzgewinne mög-lich.

Zukünftige integrierte An-wendungen können auf der ge-schaffenen Infrastruktur derCAMPUS-Plattform aufbauenund diese mitnutzen. Dies ist einweiterer Vorteil einer integrier-ten Plattform. So richten sichauch sehr unterschiedliche Ab-läufe innerhalb einer Hochschuleimmer wieder an die selben Ziel-gruppen. CAMPUS umfasstheute unter anderem die Nutzer-gruppen der Studierenden, Orga-nisationseinheiten, Dozentenund Fachstudienberater. Bei An-wendungen für diese Nutzer-gruppen kann ein Großteil desAufwands durch die Nutzungder CAMPUS-Plattform einge-spart werden.

Zukünftige CAMPUS-Anwen-dungenNeben den bereits realisiertenAnwendungen wird CAMPUSzurzeit um neue Anwendungenerweitert. Dazu zählen zumeinen eine neu konzeptionierteAdressverwaltung für die zentra-le Hochschulverwaltung undzum anderen eine erweiterteUnterstützung der Verwaltungder Alumni-Datenbank durchCAMPUS. Hier ist die Pflege derDaten der Alumni durch dieAlumni selbst über ein personali-siertes Alumniportal vorgesehensowie die Möglichkeit für Hoch-schuleinrichtungen, die ihnenzugeordneten Alumni zu betreu-en, indem sie einen Auszug ausdem Alumnibestand lokal bear-beiten können.

Außerdem wird zurzeit durcheinen Pilotbetrieb die webbasier-te Unterstützung des Prüfungs-wesens über CAMPUS vorberei-tet. Schon seit Juli 2002 könnensich Studierende über CAMPUS-Office zu Veranstaltungen an-melden. Für Prüfungen ist dieAnmeldung über CAMPUS bis-her nicht ausreichend – stattdes-sen ist es hier noch notwendigsich persönlich beim Prüfungs-amt anzumelden. Dazu müssendie Studierenden oft lange War-tezeiten in den Fluren des Zen-tralen Prüfungsamtes auf sichnehmen.

Neben der webbasierten An-und Abmeldung soll die Noten-erfassung durch die Dozentenund die Noteneinsicht durch dieStudierenden ermöglicht werden.Bisher wurde die Erfassung derNoten durch den Austausch vonDisketten durchgeführt. Die Ein-sicht in die Noten erfolgte perAushang oder durch eine daten-schutzrechtlich bedenkliche Ver-öffentlichung im Web. Studieren-de werden zudem einen „Konto-auszug“ ihrer bisher erbrachtenPrüfungsleistungen einsehenkönnen. Die Unterstützung desPrüfungswesen führt für alle be-teiligten Nutzergruppen – Studie-rende, Dozenten und zentralesPrüfungsamt – zu erheblichenVereinfachungen der Abläufeund Verbesserungen des Kom-forts.

Die Belegung von Veranstal-tungen durch Studierende überCAMPUS ist außerdem einewichtige Komponente für die inder nahen Zukunft zu bewälti-gende Unterstützung von gestuf-ten modularen Studiengängenund die Verwaltung von Studien-konten nach dem 2007er Mo-dell.

Gestufte modulare Studien-gänge erlauben den Studieren-den eigene neue Fächerkombina-tionen. Um internationale Ver-gleichbarkeit zu gewährleistenmüssen in einem „Transcript ofRecord“ genannten Zeugnisan-hang alle besuchten Veranstal-tungen dokumentiert werden.

Studienkonten nach dem2007er Modell erlauben denStudierenden den Studienverlaufden persönlichen Bedürfnissenanzupassen. Dem Studienkontowerden nur die belegten einzel-nen Veranstaltungen belastet.

Sowohl für gestufte modula-re Studiengänge als auch für Stu-dienkonten ist deshalb der Nach-weis der Belegung für einzelneVeranstaltungen durch die Stu-dierenden notwendig. Der Ver-waltungsaufwand wäre ohneeine webbasierte Unterstützungüber CAMPUS mit den bisheri-gen Abläufen über das ZentralePrüfungsamt nicht mehr zu be-wältigen.

Autor:

Dipl.-Infom. Michael Gebhardt istKoordinator für das CAMPUS-Projekt am Rechen- undKommunikationszentrum.

Im Rechen- und Kommunika-tionszentrum: Für ein webba-siertes Informationssystem isteine unterbrechungsfreie Anbin-dung an die Kommunikations-netze der RWTH Voraussetzung.Bild: Peter Winandy

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Studierende der RWTH Aachenwährend eines locker gestalte-ten Freiluftseminars. Bild: Peter Winandy

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Ursula Boelhauve, Uwe Michelsen

Und sie bewegt sich doch: durch reflektierte Praxis-

Zwei neue Professuren am Institut für Erziehungswissenschaft stärken die Berufsfeldorientierung in der Lehramtsausbildung der RWTH Aachen

Berufsfeldorientierung als An-forderung an eine zeitgemäßeLehrerbildungSeit geraumer Zeit wird von deruniversitären Lehrerbildung ge-fordert, dass sie die konkretenAnforderungen an Lehrerinnenund Lehrer in der Schule in ei-nem stärkeren Maße als bisherberücksichtigt. Reformbestrebun-gen – so die zugrunde liegendeAuffassung – haben dann Aus-sicht auf Erfolg, wenn sie sich andem Leitgedanken der Berufsfel-dorientierung ausrichten. Unterdiesem Gesichtspunkt gewinnenpraxisorientierte Ausbildungsele-mente einen bedeutenden Stel-lenwert für eine zeitgemäßeLehrerbildung. Gleichzeitig bleibtaber die Sicherung der Wissen-schaftlichkeit ein nach wie vorunverzichtbares Desiderat. Sollenbeide Bezugspunkte Beachtungfinden, so sind gegenwärtigeund zukünftige Reformmaßnah-men mit folgender Fragestellungkonfrontiert: In welcher Weiseund in welchen Bereichen kanneine wissenschaftsorientierte be-ziehungsweise reflektierte Berufs-feldorientierung in der Lehramts-ausbildung konkret realisiert wer-den?

Standortspezifische Akzentset-zungen an der RWTH AachenIn ihrem Bericht zur Struktur undEntwicklung der RWTH vom Ok-tober 1999 hat die RWTH dieLehramtsausbildung explizit zueinem im Ausbau befindlichenAusbildungsbereich erklärt, derdem Leitgedanken einer reflek-tierten Berufsfeldorientierungverpflichtet ist. Die Konkretisie-rung dieses Leitgedankens lässtsich an drei zentralen standort-spezifischen Maßnahmen exem-plarisch verdeutlichen.

(1) Die erste Maßnahme be-trifft die Intensivierung eines re-flektierten Praxisbezugs imHandlungsfeld Schule unter be-sonderer Berücksichtigung derErziehungswissenschaft. Wesent-liche Akzente hierfür hat dasLehrerbildungszentrum derRWTH Aachen gesetzt, das1999 als zentrale wissenschaftli-che Einrichtung zur Unterstüt-zung von Reformbestrebungenin der Lehramtsausbildung ge-gründet wurde. Ein standortspe-zifisches Modul „Praxisstudien“mit erziehungswissenschaftlichenund fachdidaktischen Anteilenwird die eingeleiteten Reform-maßnahmen fortsetzen.

(2) Die zweite Maßnahmebezieht sich auf die Herstellungeines reflektierten Technikbezugsin der Lehrerbildung. Zielsetzunghierbei ist, die Vielfalt der tech-nischen Disziplinen an derRWTH einschließlich des damitgegebenen technischen Umfel-des für eine technikorientierteProfilierung der Lehramtsausbil-dung zu nutzen. Konkret reali-siert wird dies durch die Imple-mentierung eines disziplinüber-greifenden Moduls „FaszinationTechnik“, das theoretische undpraktische Studienelemente um-fasst.

(3) Die dritte Maßnahme be-inhaltet die Schaffung von C3-Professuren mit ausdrücklicherVerantwortung für die Lehramts-ausbildung. Im Jahre 2003 wur-de durch diese Maßnahme auchdie erziehungswissenschaftlicheAusbildung gestärkt. Eingerichtetwurde eine Professur mit demSchwerpunkt Schulpädagogik so-wie eine Professur für Berufspä-dagogik mit technikdidaktischerAusrichtung. Beide Professurenhaben die Aufgabe, die unterPunkt (1) und (2) genanntenMaßnahmen zu stärken.

Reflektierte Praxisbezüge in derErziehungswissenschaft Im erziehungswissenschaftlichenStudium werden seit Oktober1999 vom Lehrerbildungszen-trum Lehrveranstaltungen mitanschließenden schulpraktischenErkundungen angeboten. Lehr-amtsstudierende im Grundstu-dium führen theoriegeleiteteBeobachtungen in einem vierwö-chigen Orientierungspraktikumdurch, das durch ein Seminarvorbereitet und mit einem Be-richt abgeschlossen wird. Lehr-amtsstudierende im Hauptstu-dium haben die Möglichkeit, einweiteres schulpraktisch orientier-tes Seminar zu besuchen, das siedazu anleitet, in einem Zeitraumvon drei Wochen ein schulprakti-sches Erkundungsprojekt in An-lehnung an qualitative For-schungsmethoden vorzubereiten,durchzuführen und auszuwerten.Gemeinsames Ziel beider Lehran-gebote ist es, forschendes Ler-nen zu ermöglichen. Dadurchsoll die Fähigkeit geschaffen wer-den, zunehmend komplexereVerbindungen von Theorie undPraxis eigenständig konstruierenzu können. Auch in Zukunft wer-den die für das Grund- undHauptstudium konzipiertenStudienelemente des Lehrerbil-dungszentrums Bestandteil deserziehungswissenschaftlichenStudiums bleiben.

Stärkung durch eine schulpäda-gogisch ausgerichtete Professur Die neue Lehramtsprüfungsord-nung vom 27. März 2003 siehtvor, dass Praxiselemente in derLehrerbildung systematisch mittheoretischen Studienelementenverbunden werden. Nebeneinem erziehungswissenschaft-lich begleiteten Orientierungs-praktikum im Grundstudiumwird das Hauptstudium weiterePraxisaufenthalte in der Schuleermöglichen, die mit einemsechs bis zehn Semesterwochen-stunden umfassenden Veranstal-tungsmodul aus dem Bereich derErziehungswissenschaft und derFachdidaktiken zu verbindensind.

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Innovative Aspekte in der universitären Lehrerbildungund Technikbezüge

Für die Gestaltung des erzie-hungswissenschaftlichen Anteilsist geplant, die bereits bestehen-den Lehrangebote des Lehrerbil-dungszentrums zum forschendenLernen weiter auszubauen. ZurStärkung dieses Vorhabens wur-de am Institut für Erziehungs-wissenschaft eine Professur mitdem Schwerpunkt Schulpädago-gik eingerichtet. Eine ihrer zen-tralen Aufgaben besteht darin,Lehramtsstudierenden schulpäda-gogisches Grundlagenwissen so-wie Kenntnisse über geeigneteForschungsmethoden im Hand-lungsfeld Schule zu vermitteln.Das erworbene Methodenreper-toire soll zur gezielten Erkun-dung des späteren Arbeitsfeldesgenutzt werden. Praxisstudien inder Erziehungswissenschaft ha-ben damit gute Chancen, zueiner variantenreichen Realisie-rung einer reflektierten Berufs-feldorientierung in der Lehrer-bildung beizutragen. Von demerworbenen Methodenwissenwerden zudem Synergieeffektefür die fachdidaktischen Anteileder Praxisstudien erwartet.

Reflektierte Technikbezüge zurFörderung des Technikinteresses Basierend auf dem Gutachtendes Expertenrats vom Februar2001 und im Zusammenhangmit den Zielvereinbarungen zwi-schen der RWTH und dem da-maligen Ministerium für Schule,Wissenschaft und Forschungvom April 2002 hat sich dieRWTH zum Ziel gesetzt, ihreLehramtsausbildung technikori-entiert zu profilieren. Das Inte-resse aller an dieser Hochschuleauszubildenden Lehrerinnen undLehrer an technischen Sachver-halten soll systematisch geför-dert werden, um Schülerinnenund Schüler kompetent und vor-urteilsfrei zur Auseinanderset-zung mit technischen Problem-stellungen anleiten zu können.Unter dem Motto „FaszinationTechnik“ beteiligen sich an dieserZielsetzung sowohl die lehramts-ausbildenden Disziplinen alsauch die Erziehungswissenschaft.Das derzeit in der Entwicklungbegriffene Modul „FaszinationTechnik“, das für alle Lehramts-studierenden verpflichtend seinwird, umfasst neben einer diszi-plinübergreifenden Ringvorles-ung und einer fachwissenschaft-lichen Veranstaltung ein techni-

sches Praktikum sowie ein pro-jektorientiertes Seminar zurAuseinandersetzung mit technik-didaktischen Fragestellungen.

Stärkung durch eine technikdid-aktisch ausgerichtete Professur Die projektorientierte Aufarbei-tung technikdidaktischer Pro-blemstellungen soll zukünftig Be-standteil der erziehungswissen-schaftlichen Ausbildung sein. Zurqualifizierten Umsetzung diesesAnliegens wurde eine Professurfür Berufspädagogik mit technik-didaktischer Ausrichtung ge-schaffen. Diese hat die Aufgabe,Lehramtsstudierende auf derBasis eigener praktischer Erfah-rungen im Umgang mit techni-schen Sachverhalten zu befähi-gen, technikbezogene Unter-richtsinhalte so zu gestalten,dass Schülerinnen und Schülersich mit Neugierde und Aufge-schlossenheit technischen Grund-phänomenen ihrer Lebensweltzuwenden und über diese nach-denken. Auch im Bereich derTechnik können damit neue Ak-zente für eine reflektierte Berufs-feldorientierung in der Lehramts-ausbildung gesetzt werden.

Autoren:

Dr. phil. Ursula Boelhauve istGeschäftsführerin des Lehrerbil-dungszentrums und Leiterin desintegrierten Praktikumbüros mitLehrverpflichtungen in der Erzie-hungswissenschaft.Univ.-Prof. Dr. phil. Uwe Michelsenist Inhaber des Lehrstuhls für Be-rufs- und Wirtschaftspädagogik,Geschäftsführender Direktor desInstituts für Erziehungswissen-schaft und in seiner Funktion alsRektoratsbeauftragter für dieLehramtsausbildung Leiter desLehrerbildungszentrums.

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Claudia Bertram, Armin Heinen

Evaluierung von Lehre und Studium an der RWTH Aachen Erfahrungen und Grundsätze der Dialogisierung der Lehre

EinleitungUmfragen in der Industrie be-scheinigen der RWTH eine hoheReputation. Viele Professorenwürden ihre Kinder gerne zumStudium nach Aachen schicken,wenn es um die ingenieur- undnaturwissenschaftlichen Kernfä-cher geht. Die für das Personalverantwortlichen Personen inUnternehmen und Betrieben be-vorzugen bei Stellenbesetzungenhäufig Ingenieure, die ihr Studi-um in Aachen absolviert haben.Jüngst erst hat die RWTH imFörder-Ranking der DeutschenForschungsgemeinschaft (DFG)mit 119,2 Millionen Euro Förder-geldern den ersten Rang belegt.Sie steht damit bei den von un-abhängigen Experten begutach-teten Forschungsvorhaben anerster Stelle aller deutscher Uni-versitäten.

Während in der AußensichtForschungsleistung und Ausbil-dungsergebnisse der RWTH un-strittig sind, vermitteln Umfragenbei den Studierenden ein weniger günstiges Bild. Zwar schätzenStudierende der Anglistik undder Geschichtswissenschaft ihrejeweiligen Fächer positiv ein, inanderen Bereichen belegt dieHochschule dagegen nur einenMittelplatz.

Um die Gründe für das nurdurchschnittliche Urteil der Stu-dierenden herauszufinden undWege aufzuzeigen, die zu einerVerbesserung der Studiensitua-tion beitragen, hat die RWTHAachen ein Evaluierungssystementwickelt, das in dieser Formwohl einzigartig ist. Im Forder-grund steht das Gespräch vonStudierenden, wissenschaftlichenMitarbeitern und Professorenmit dem Ziel, konkrete Maßnah-men zu benennen, welche hel-fen, die Lehre zu verbessern.Externe Experten werden einge-laden, um gemeinsam neueIdeen zu entwickeln, alternativeLehrorganisationen zu durchden-ken und Best-Practice-Modelle zubenennen. Die Abteilung Lehreim Dezernat für Planung, Ent-wicklung und Controlling sowiedas Rektorat initiieren den Disku-ssionsprozess, moderieren dasabschließende Evaluationsge-spräch und begleiten die Umset-zung der Maßnahmen.

Alle Rückmeldungen zeigen,dass die Evaluation als Chancebegriffen wird, in einem intensi-ven Dialog die Lehre zu durch-denken und sie praxisgerechterzu gestalten. Gewiss, mancheProbleme können nicht gelöstwerden, weil zusätzliche Perso-nalmittel erforderlich wären,Raumkapazitäten nicht beliebigerweitert werden können oderweil staatliche Vorschriften dieHandlungsfreiheit der Universitä-ten einschränken (etwa bei denStudien- und Prüfungsordnung-en). Aber die Evaluation an derRWTH Aachen erfüllt ihrenZweck. Manchmal sind nur ganzeinfache Maßnahmen notwen-dig, um ein Studium besser zustrukturieren, die Informations-basis für die Studierenden zu er-weitern und neue attraktive Stu-dienkomponenten zu realisieren.

Nach der ersten Evaluations-runde hat sich als höchst sinnvollerwiesen, dass die RWTH dieEvaluation als wichtige Maßnah-me zur Sicherung der Qualitätder Lehre in ihr Leitbild aufge-nommen hat. Sobald die erstenkonkreten Schritte realisiert sind,dürften manch unnötige Hinder-nisse, die bislang das Studiumerschwert haben, beseitigt sein.Es kommt demnach alles daraufan, die vorgeschlagenen Maß-nahmen in der Zukunft zu reali-sieren.

KonzeptDas Konzept zur Evaluierungvon Studium und Lehre folgteiner Top-down-Struktur. Dabeiobliegt einer Gruppe aus maxi-mal zehn Mitgliedern (Professo-ren, wissenschaftliche Mitarbei-ter, Studierende) die Diskussionder Fachstruktur entlang einesvorgege- benen Fragenrasters dieErmittlung von qualitativen undquantifizierenden Daten und vorallem die Bewertung der ermitt-elten Sachverhalte.

Festgehalten werden die Er-gebnisse der Recherchen undDiskussionen im internen Evalu-ierungsbericht. Die Bewertungder Lehr-, Studien- und Prüfungs-praxis im Studienverlauf steht imMittelpunkt des Evaluierungsbe-richts. Wesentlich ist die Erörter-ung der aus dem internen Evalu-ierungsbericht gewonnenen Er-kenntnisse im Rahmen einer vonexternen Gutachtern begleitetenfachinternen Diskussion. Ziel die-ser Diskussion ist die Erstellungeines Maßnahmenkatalogs, dermittels eines verbindlichen Fol-low up's beziehungsweise Con-trollings hinsichtlich der Umset-zung überprüft wird.

Die von den Studiengängenselbst organisierte und durchge-führte interne Evaluierung er-möglicht den Lehreinheiten, of-fen eigene Stärken und Schwä-chen zu benennen, zu reflektie-ren und selbstbestimmt Konse-quenzen zu ziehen. Die Lehrein-heit soll aus eigener Kraft undeigener Verantwortung die Qua-lität in Lehre und Studium sich-ern und verbessern, wobei ander RWTH Aachen der BereichLehre bewusst in den Mittel-punkt gerückt wird.

Erfolgsfaktoren der EvaluierungWichtig ist es, klare Schwerpunk-te zu setzen, das Wesentlicheherauszugreifen und nur wenigeSachverhalte in den Mittelpunktzu stellen. Die enzyklopädischeDarstellung erfüllt den Anspruchder Vollständigkeit, aber sie hilftkaum, konkrete Handlungen zuinitiieren. Man wird zahlreiche,ja geradezu ungezählte Problem-bereiche benennen können. Wich-tiger ist es, sich auf solche Felderzu konzentrieren, für die Lösun-gen denkbar sind. Statt problem-orientiert sollte die Evaluations-gruppe daher lösungsorientiertdiskutieren. Ziel der Evaluations-berichte ist nicht der Berichtselbst, nicht die Beschreibung

von Sachverhalten. Die Deskrip-tion ist notwendig, kann abervergleichsweise kurz gehaltenwerden. Stattdessen sollten Ideenausführlich beschrieben, Lösun-gen erarbeitet und konkreteMaßnahmen entwickelt werden.

Die Evaluierung gewinntdurch einen pragmatischen, er-gebnisorientierten Zugriff Profil.Sie erfüllt ihren Zweck, wenn esgelingt, Abbrecherquoten zu re-duzieren, Studienzeiten zu ver-kürzen, das Lehrangebot besserzu koordinieren oder auch inter-essanter zu gestalten.

Stärken/Ergebnisse derEvaluierungZwischen den Beteiligten ist einvielfältiger Dialog initiiert wor-den, wie es ihn in dieser Formbisher nicht gab: Ein Dialog zwi-schen Studierenden, Lehrenden,Rektorat, Ministerium sowie na-tionalen und internationalenGutachtern.

Das gemeinsame Nachden-ken über die Lehre hat dank derEvaluierung endlich einen Ortgefunden, der in den Universi-tätsgremien bislang fehlte. Zuhäufig stehen in den Ausschüs-sen für Lehre formale Fragen derStudien- und Prüfungsordnungenim Mittelpunkt, nicht jedoch dasGesamtkonzept eines Studiums,die räumlichen Voraussetzungen,die Buchbestände, die Laborator-iumsplätze oder auch die Lehr-formen. Der Diskurs über Zieleund Mittel universitärer Fachaus-bildung zwingt zur Begründunggetroffener Regelungen, ermög-licht es, alternative Herangehens-weisen zu diskutieren, macht esnotwendig, darüber nachzuden-ken, ob das Studium nicht bes-ser gestaltet werde könnte.Nicht zuletzt steigert der Dialogdas gegenseitige Verständnis, sodass die Bilder, die Imaginatio-nen, von „den Professoren“ und„den Studierenden“ korrigiertwerden.

Jede Evaluierung mündet inder Benennung konkreter Maß-nahmen. Manchmal sind es Klei-nigkeiten, die den Studierendenhelfen, wie veränderte Öffnungs-zeiten einer Bibliothek, Sprech-zeiten der Dozenten, der Aufbaueines Online-Kataloges für dieInstitutsbibliothek oder die Er-gänzung der Lehrbuchsamm-lung. Lehrangebote werden vonStudierenden vielfach als zu ab-strakt wahrgenommen. Warumsollte man ihnen nicht mit Bei-

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spielen entgegenkommen? Prü-fungstermine können ohneSchwierigkeiten entzerrt, Lehrin-halte besser als bisher zwischenden Dozenten abgestimmt wer-den. Prüfungs- und Studienord-nung tragen nicht selten zu lan-gen Studienzeiten bei. Manch-mal ist eine Änderung ohne gro-ßen Aufwand möglich, vielfachstehen staatliche Anordnungeneiner vernünftigen Regelung ent-gegen.

Der im abschließenden Evalu-ierungsgespräch diskutierte Maß-nahmenkatalog hat ganz unter-schiedliche Adressaten, zu denendie Lehreinheit beziehungsweisedie Fakultät selbst, das Rektorat,die Hochschulverwaltung unddas Ministerium zählen können.Das Aachener Evaluationsmodellvermeidet die Verengung desBlicks, wie sie den klassischenZielvereinbarung zwischen Rek-torat und Facheinheit häufiginnewohnt.

Evaluierung wird an derRWTH Aachen nicht als abge-schlossener Vorgang begriffen,sondern als ein kontinuierlicher

Prozess und dies in zweifacherHinsicht. Zum einem wird dasVerfahren selbst reflektiert, ver-bessert und neuen Erfordernis-sen angepasst. Zum anderenwerden durch die Evaluierung ineiner Vielzahl von LehreinheitenArbeitsgruppen und Erhebungenfortgeführt, die sich aus demEvaluierungsverfahren ergebenhaben. So haben sich die Evalu-ierungsprojektgruppen in mehre-ren Lehreinheiten zu einem kon-tinuierlichen Forum entwickelt.

Die Evaluierung hat die Auto-nomie und Eigenverantwortungder Fachbereiche, Lehrendenund Studierenden gestärkt. DieAnalyse der Lehr-, Studien- undPrüfungssituation hat nicht nurzu einer Aufwertung von Lehreund Studium beigetragen, son-dern auch einen Innovations-und Motivationsschub bewirkt.Und nicht zuletzt trägt die Ana-lyse des Stärkenprofils sowie derVergleich mit anderen Hochschu-len auf nationaler und internatio-naler Ebene zu einer stärkerenProfilierung und Zielorientierungbei.

AusblickMit Ablauf des Sommersemes-ters 2004 werden alle Fächerder RWTH das Verfahren derEvaluierung durchlaufen haben.Die Herausforderung die sichdann stellt, liegt in der Ausge-staltung des so genannten Fol-low-up's beziehungsweise Con-trollings. Das Controlling dientnicht allein der Überprüfung, obdie vereinbarten Maßnahmenumgesetzt wurden, sondern esgilt, neben dem Erfolg auch dieProbleme bei der Umsetzung zulokalisieren und gegebenenfallsneue Maßnahmen zu vereinba-ren. So unterliegen die Studien-gänge einer laufenden Verände-rung. Als Stichpunkte seien dieanstehende Modularisierung unddie Umstellung einzelner Stu-diengänge auf die konsekutiveStudiengangstruktur genannt.Diese Entwicklungen werden zueiner nachhaltigen Veränderungder Studiengänge führen und diedamit einhergehenden Problemekönnen bereits in das Follow-upeinbezogen werden. Das zentra-le Ziel des Controllings ist daher,

den Dialog fortzuführen und imGespräch zu bleiben.

Ob die Evaluierung von Stu-dium und Lehre oder auch diestudentische Lehrveranstaltungs-bewertung, der Lehrpreis oderdie vorbildhafte Erstsemesterein-führung – um nur einige vonweiteren zahlreichen Maßnah-men im Lehrbereich zu nennen– ihren Zweck erfüllen, wird sichnicht zuletzt in den zukünftigenRankingplatzierungen der RWTHAachen widerspiegeln.

Autoren:

Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. ClaudiaBertram war als Mitarbeiterin inder Abteilung Lehre des Dezer-nates Planung, Entwicklung undControlling insbesondere für dieEvaluierungsverfahren zuständig.Univ.-Prof. Dr. phil. Armin Heinenist Prorektor für Lehre, Inhaber desLehrstuhls für Neuere Geschichteund Geschäftsführender Direktordes Historischen Instituts.

Demonstration des Meissner-Ochsenfeld-Effekts im II. Physi-kalischen Institut der RWTHAachen. Der Versuch zeigt einenschwebenden Magneten übereinem Hochtemperatur-Supra-leiter aus Yttrium-Barium-Kup-

fer-Oxid, der mit flüssigemStickstoff bei einer Temperaturvon 77 Grad Kelvin gekühltwurde (Materialherstellungdurch Access e.V. Aachen). Bild: Peter Winandy

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03Peter Doetsch, Angela Ertz

Vier Säulen für das LehramtsstudiumEinrichtung des neuartigen, RWTH spezifischen Studienmoduls Faszination Technik

nter dem LeitgedankenFaszination Technik ist einneuartiges Studienmodul

für Lehramtsstudierende sukzes-sive im Aufbau, das zum Winter-semester 2004/2005 in der Leh-rerprüfungsordnung (LPO) ver-ankert wird. Die RWTH setzt da-mit die Selbstverpflichtung derZielvereinbarung mit dem Wis-senschaftsministerium des Lan-des Nordrhein-Westfalen umund orientiert die Lehramtsaus-bildung in Aachen, aufgrund desbesonderen Profils in den Inge-nieur- und Naturwissenschaften,nicht unwesentlich auf techni-sche Inhalte. In Aachen ausgebil-dete Lehrer verfügen damit überein besonderes „Gütesiegel“.

Was ist der Hintergrund fürdiese Ergänzung der Lehramts-Studiums? Zunehmend ist beiSchülern zwar eine selbstver-ständliche Nutzung von High-tech-Produkten, wie Handy, PCoder Digitalkamera zu verzeich-nen, das Interesse an den dahin-terstehenden Theorien, bezie-hungsweise an den natur- undingenieurwissenschaftlichenGrundlagen solcher Entwicklun-gen lässt jedoch nach. Zeitlichverzögert mündet dieses Phäno-

men auch in der zu geringen Be-reitschaft, ein klassisches ingeni-eurwissenschaftliches Studiumaufzunehmen, beziehungsweisebedingt es die hohe Abbrecher-quote dieser Studiengänge. Dasist in den letzten Jahren auch ander RWTH Aachen deutlich zuspüren.

Darüber hinaus bemängelnkünftige Arbeitgeber bei Schul-absolventen die fehlende Fähig-keit zu kritischem, vernetztemDenken. Die breite Allgemeinbil-dung wird in den Schulen zuguns-ten der Vermittlung von Spezial-wissen vernachlässigt. Aber auchdie wissenschaftliche Welt wirdgegenwärtig von immer spezifi-scher ausgebildeten Fachexper-ten beherrscht. Der Blick aufNachbardisziplinen geht nichtselten verloren.

In letzter Zeit zeichnet sich je-doch eine Trendwende ab, weilder fachübergreifende Unterrichtin der Schule an Wichtigkeit zu-nimmt. Lehrerinnen und Lehrersind die Schlüsselpersonen fürJugendliche und formen durchdie Unterrichtsschwerpunkte undihren eigenen fachlichen Hinter-grund den Werdegang der Schü-lerinnen und Schüler entschei-

dend mit. Daher betrachtet dieRWTH die Lehramtsausbildungals wesentliches Instrument, so-wohl die oben beschriebenenDefizite der Schüler zu beseiti-gen als auch deren fehlendenBezug zu Technik, Natur- undIngenieurwissenschaften grundle-gend und frühzeitig zu ändern.

Die Lehramtsausbildung allerFächer an der RWTH wird dazuum ein neuartiges, interdiszipli-näres Modul Faszination Technikerweitert. Die bestehende Domi-nanz der technischen Fachrich-tungen wurde bewusst in dieKonzeption eingebunden, daherist das Modul in dieser Formspeziell auf die RWTH zuge-schnitten.

Das Modul Faszination Tech-nik wird ab dem dritten Semes-ter angeboten und wird von denStudierenden bis zum sechstenSemester abgeschlossen. DieWissensaneignung erfolgt dabeiauf verschiedenen Ebenen, die invier „Säulen“ (je eine pro Semes-ter) organisiert sind (Bild 1):

Orientierungswissen (Säule A),ab Wintersemester 2003/2004, Koordination Prof. Dr.-Ing. P.Doetsch, Lehr- und Forschungs-gebiets Abfallwirtschaft (LFA)

Schülerinnen und Schüler desBerufskollegs für Gestaltungund Technik Aachen (GuT),Ausbildungsgang Chemielabo-rantin/Chemielaborant, bei derEntnahme von Wasserprobenaus dem Versuchsteich des Frei-landlabors Wasser im Rabentalbei Gut Melaten. Messung derSauerstoffkonzentration und despH-Wertes im Oberflächenge-wässer. Bild: Peter Winandy

Grundlagen/Erklärungswissen(Säule B), ab SS 2004, Koordina-tion Prof. Dr.-Ing. P. Doetsch, LFA

Praktisches Wissen (Säule C),ab WS 2004/ 2005, Koordina-tion und Vermittlung: Umweltfo-rum und Lehrerbildungszentrum

Handlungswissen/KooperativeWissensarten (Säule D), Koordi-nation: Neugeschaffene C3-Professur „Berufspädagogik mitdem Schwerpunkt Didaktik derIngenieurwissenschaften“.

Säule A➞ Orientieren:RingvorlesungIn Form einer einsemestrigenRingvorlesung (jeweils im WS)wird die Verknüpfung von Alltag

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und Technik vermittelt. Ein ge-meinsames Leitthema wird dabeiaus sämtlichen Perspektiven, diedie RWTH zu bieten hat, beleuch-tet, d.h. beispielsweise von derTechnischen Chemie über dieBiomedizinische Technik bis hinzur Philosophie. Das Leitthemaorientiert sich jeweils am offiziel-len BMBF-Jahresthema: Für 2003lautet dieses Thema „Chemie“,für 2004 „Technik“.

Den Einstieg in jeden Zyklusbilden zwei attraktive Auftakt-Veranstaltungen, die besondersanschaulich und alltagsnah sindund wenn möglich durch kleinespektakuläre Experimente ergänztwerden.

Angesprochen werden nebenden Lehramtsstudierenden abdem dritten Semester auch Schü-ler der weiterführenden Schulenin Aachen. Die RingvorlesungFaszination Technik wird in die-sem WS bereits als freiwilligesAngebot durchgeführt; die The-men und Dozenten sind in CAM-PUS einsehbar.

Säule B➞ Verstehen:Fachveranstaltung Die Lehramtskandidaten habeninnerhalb dieser Säule die Mög-lichkeit, sich aus einer großenAuswahl technikbezogener Fach-veranstaltungen (Vorlesungen,Übungen, Seminare), eine zweiSWS umfassende Veranstaltungauszuwählen. Dabei wird Wertgelegt auf „Blicke über den Tel-lerrand“. Das bedeutet gleichzei-tig, dass die gewählte Veranstal-tung nicht aus dem eigenenFachgebiet stammen darf. DieVeranstaltungen werden vonden Lehrstühlen möglichst fürden Zweck neu konzipiert, bzw.auf Basis einer bestehendenVeranstaltung angepasst.

Säule C➞ Erfahren: PraktikumKeine noch so lebendig gestalte-te Vorlesung kann die unmittel-bare und handgreifliche Erfah-rung von Technik ersetzen.

Einen Einstieg dazu bietenRWTH-Institute, An-Institute,Forschungszentren, sowie Tech-nikmuseen der Region (auchgrenzüberschreitend), die sichden Lehramtsstudierenden fürein einwöchiges Erfahrungsprak-tikum öffnen. Wer einmal selbsteine Dampflok gesteuert, einechemische Analyse durchgeführtoder Materialeigenschaften gete-stet hat, kann sicherlich die Fas-zination der Technik glaubhaft

und anschaulich an SchülerInnenweitervermitteln. Gleichzeitig er-fahren die Lehramtskandidatenhautnah die Komplexität dertechnischen Fragestellungen, beidenen die Analyse von Fehlerneinen Großteil des Entwicklungs-aufwands ausmacht.

Der persönliche Kontakt zuInstituten und Museen kommtden LehrerInnen später im Un-terricht zugute. Die Vermittlungder Plätze erfolgt über eine Prak-tikumsbörse in Zusammenarbeitzwischen Umweltforum und Leh-rerbildungszentrum der RWTH.

Säule D➞ Erklären:Selbstorganisiertes SeminarDie Akzeptanz von Lehrstoff istbei Schülern mittlerweile zumgroßen Teil abhängig vom Erleb-niswert bzw. der Präsentationdes Themas. Ohne komplett aufdas Schlagwort „infotainment“zu setzen, ist doch nachgewie-sen, dass ein mit allen Sinnenerlebter Lernstoff dauerhafterbehalten wird.

In selbstorganisierter Seminar-arbeit in fachübergreifenden Klein-gruppen erarbeiten die Lehramts-kandidaten daher eigenständigeProjekte für den Einsatz in Schu-

len, den Science Truck, den DiesAcademicus oder regionale Lern-projekte. Langfristig ist die Zu-sammenstellung dieser Projektein einem „Didaktischen Baukas-ten“ im Internet vorgesehen, dereinen Ideenpool für Schulprojek-te bildet.

Die Organisation und Betreu-ung obliegt der neuen C3-Profes-sur „Berufspädagogik mit demSchwerpunkt Didaktik der Inge-nieurwissenschaften“.

Das neue Studienmodul Fas-zination Technik setzt das Enga-gement aller Lehrstühle und einegute fachübergreifende Koopera-tion zwischen den Fachbereichender RWTH Aachen voraus.

Die bisherige Resonanz derLehrstuhlinhaber und Mitarbeiterauf das Konzept ist groß. AuchFachbereiche, die bisher wenigmit der Lehramtsausbildung zutun hatten, sehen die Notwen-digkeit, über die LehrerInnenschon die SchülerInnen auf zeit-gemäße Weise mit Technik ver-traut zu machen und damit deneigenen Nachwuchs zu fördernund zu fordern. Letztlich werdenalle Beteiligten von der interdiszi-plinären Zusammenarbeit inner-halb der RWTH profitieren.

Autoren:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Doetsch ist Leiter des Lehr- und Forschungs-gebiets Abfallwirtschaft (LFA).Dipl.-Biol. Angela Ertz ist Wissen-schaftliche Mitarbeiterin amLehr- und Forschungsgebiet Ab-fallwirtschaft (LFA).

Schülerinnen und Schüler desBerufskollegs für Gestaltungund Technik Aachen (GuT),Ausbildungsgang Chemielabo-rantin/Chemielaborant, bei derEntnahme von Wasserprobenaus dem Versuchsteich des Frei-

landlabors Wasser im Rabentalbei Gut Melaten. Messung derSauerstoffkonzentration und despH-Wertes im Oberflächenge-wässer. Bild: Peter Winandy

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at die Theologie ein Prob-lem mit der Technik? Zwarhat einmal ein Papst die

Einführung der Gaslaternen inRom unter Hinweis darauf abge-lehnt, dass Gott, wenn er esauch nachts hell hätte habenwollen, selbst für Beleuchtunggesorgt hätte. Aber das sind in-tellektuelle Tiefflüge, die nichteinmal in ihrer Zeit ernst genom-men wurden.

Aus der Sicht der Theologiegibt es kein generelles Akzep-tanzproblem für Technik. Keingotischer Dom mit seiner atem-beraubenden Statik wäre entstan-den oder stünde noch, wenn Re-ligion und Theologie ein grund-sätzliches Akzeptanzproblem mitder Technik hätten. Ja es ist so-gar umgekehrt: Das theologischGewollte, aber technisch nochnicht Machbare wurde zur He-rausforderung und zum Auftragan die Technik. Oder die Technikentstand – oft aus nach heutigerAnsicht kuriosen theologischenErwägungen - im Binnenraumvon Kirchen und Klöstern.1 DieTechniken in Weinbau, Brauerei-wesen und Milchverarbeitung,die Veredlungsprozesse in Land-und Viehwirtschaft, die Techni-ken vom karolingischen Bronze-guss der Aachener Domtürenund -gitter bis zur Optimierungder Jahres- und Zeitmessung zurpräzisen Osterfestterminierung(1515), die den bis heute gülti-gen Kalender zur Folge hatte, alldas sind Dokumente einer inten-siven Verbindung von Technikund Theologie. Und heute?

Der Dichter Reinhold Schnei-der, weder Techniker noch Theolo-ge, aber ein tief religiöser Mensch, schrieb vor etwa 50 Jahren: „Diegeistige Spitze, die Forschung, istauf das Ende gestoßen, auf dieMacht, und läuft ihr nach wie dieMacht der Forschung; wir krei-sen im Todeszirkel; wir wissennicht, was Spitze und Ende ist.“2

Er sah ganz offensichtlich eineunheilige Allianz zwischen For-schung und (wirtschaftlich-politi-scher?) Macht, die über Technikmiteinander verbunden seienund deutete sie als „Todeszirkel“.Ist das die „katholische“ Position?Sicher nicht! Die Theologie istnicht die Dämonisierungsinstanzfür Technik, nicht die Theorieeines technikmüden Romantizis-mus und wissenschaftsfernenIrrationalismus.

Aber sie ist auch nicht das,als was sie von manchen Techni-kern am liebsten gesehen würde:Sie ist nicht die transzendentaleAbsegnungs-, Bejubelungs- undLegitimationsinstanz. Technikak-zeptanz kann ja nicht heißen,auf „Teufel komm heraus“ allesabzusegnen und mit Generalab-solution zu versehen, was dannohnehin geschieht. Eine Theolo-gie, die sich zum bloßen Claqueurder Technik macht, macht sichlächerlich oder gar überflüssig.

Stellen wir uns einmal eineTechnik ohne ethische Maßstäbevor. Stellen wir uns 1. vor, ihrentscheidender Orientierungs-maßstab sei das Geld, und tech-nische Projekte liefen nur dannund immer dann, wenn, und nurdort und immer dort, wo dasGeld läuft. Es besteht der be-gründete Verdacht, dass das ge-legentlich schon heute so ist.Aber dann könnten wir – im Ex-tremfall – keiner Technikexpertisemehr trauen, weil sie alle zumwunschgemäßen Auftraggeberer-gebnis führten. „Wes Brot ichess, des Lied ich sing.“ Ein Wahr-heitswert wäre nur zu vermuten,wenn das Ergebnis dem Auftrag-geberinteresse zuwider liefe. Ge-wiss, Technikforschung ist nichtohne Geld möglich. Nur derHimmel ist umsonst, alles ande-re kostet. Aber eine Technik, de-ren Maßstab einzig das Geld ist,wäre blanke Drittmittelprostitu-tion.

Stellen wir uns 2. vor, dieTechnik habe zu Zeiten reichlichgefüllter Kassen die Möglichkeit,nur ihrer eigenen inneren Logikzu folgen, sie sei ansonsten kei-ner Kontrolle unterworfen. Dasmag, sofern die innere Kontrollefunktioniert, zu großen techni-schen Leistungen führen. Nachden Erfahrungen der letztenJahre sind aber auch bezüglichder fachinternen Kontrolle Zwei-fel angebracht, da die intellek-tuelle Redlichkeit selber keinProdukt der Technik ist. Wennnun die Technik nicht mehr kon-sens- und akzeptanzbedürftigwäre, dann wäre sie, wie inmanchen Ländern das Militär,eine Krebsgeschwulst am Leibder Gesellschaft und hörte auf,deren integraler Bestandteil zusein. Nun aber ist sie Teil derGesellschaft, entsteht aus ihr,forscht auch mit deren knapperRessource Geld und bleibt ihrauch deshalb schon rechenschafts-pflichtig. Das heißt keineswegs,

dass die Gesellschaft der Technikund Technikforschung die Zielevorschreibt, wohl aber, dass siedurch eine hoffentlich rationaleSozialverträglichkeitskontrollebestimmte Maßstäbe vorgibt.

Die Technik selbst ist ambi-valent. Zu ihren Produkten gehö-ren ebenso das Zyklon B derGaskammern und die Hochleis-tungskrematorien von Auschwitzwie auch die modernen Bildgebenden Verfahren der Hirnfor-schung und die Robotik für mini-mal-invasive Präzisionschirurgie.

Logischerweise ist nicht dieTechnik, wohl aber der Technikerund Ingenieur dafür verantwort-lich, wofür er sich und seineTechnik in Dienst nehmen lässt.Er arbeitet zwar an moral-indiffe-renten Objekten, nicht aber in

moralfreien gesellschaftlichenVerwendungskontexten und mitethikfreien Intentionen. Undgenau da stellt sich dem ethischzurechnungsfähigen Technikerdie Zielfrage. Er kann sich ebenvielfach nicht auf reine Funk-tionslust herausreden und seineZuständigkeit auf nichts als dieTeillösung eines ethisch irrelevan-ten Sachproblems segmentieren.

Aber wie findet die Technikihre ethischen Maßstäbe undihre Ziele, wenn nicht das Geldund die innere Fachlogik alleinmaßgebend sein können? Ist siein der Situation, die ich vor kur-zem in einem frechen Graffitientdeckte: „I don’t know, what Iwant, but I know, how to getit.“? Oder in der Situation, diedas nicht minder freche Motor-

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03Ulrich Lüke

„Ich weiß zwar nicht, wohin ich will...“Technikakzeptanz der Theologie

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radfahrerlied von Qualtinger be-singt: „Ich weiß zwar nicht, wo-hin ich will, aber dafür bin ichschneller da.“

Und hier, bei der Frage „cuibono?“ hat die Theologie einewichtige Funktion. Ihr hartnäcki-ges Nachfragen nach gesellschaft-lichen Zielen, wissenschaftlichenHintergründen, wirtschaftlichenAbsichten und persönlichen In-tentionen wird ihr gelegentlichals fehlende Technikakzeptanzausgelegt. Denn es ist immerhinleichter, anderen eine ideologischbedingte fehlende Technikakzep-tanz oder hinterhältige Behinde-rung durch öffentliche Beden-kenträgerei zu unterstellen, alsRechenschaft darüber zu geben,warum diese oder jene vielleichtteure oder Risiko behaftete Tech-

nik zu tolerieren oder gar zuwünschen sei.

Es gibt unbestreitbar auch inunserer Zeit einen naiven Tech-nikoptimismus, irrationale All-machtsphantasien und Paradie-sesverheißungen bei einigen(wenigen?) Technikern. In derTat muten einige Techniken wiedas Skifahren in von Lawinengefährdeten Hängen an (etwaim Bereich der Gentechnik anKeimbahnzellen). Sie mögen denabsoluten Kick für bestimmteForscher bieten, mit Bewunde-rung bei Gelingen honoriert wer-den, sind aber zugleich mit derintolerablen Inkaufnahme einerGefährdung anderer verbunden.Hier kritisch-konstruktiv zu inter-venieren, wäre Aufgabe einerzeitgemäßen Theologie, setzt

aber voraus, dass diese hinsicht-lich der Sachkenntnis auf Augen-höhe argumentiert und nicht dietechnische Naivität zur Quelleeines Stroms von Verdächtigun-gen gegen Technik wird. Der Aus-gangspunkt der theologischenNachfrage ist dabei nicht in ihrfreies Belieben gestellt, sonderneiner christlich orientierten Anth-ropologie und Ethik verpflichtet.

Die Technik in unserem Landist – Gott sei Dank – nicht ohneMaßstäbe, aber die werden nichtaus einem nur technischen, son-dern aus einem individual- undsozialethischen, aus einem philo-sophisch-theologischen Diskursgewonnen, der technisch auf derHöhe zu sein hat und auch inneuerer Zeit wesentlich von derTheologie mitgestaltet wurde

und wird. Gibt es also eine Tech-nikakzeptanz der Theologie? Ja,aber nicht als bloß affirmative,sondern nur als kritisch-konstruk-tive und intellektuell auf Augen-höhe mit den kompetenten Ver-tretern der Technik..

Autor:

Univ.-Prof. Dr. theol.habil. UlrichLüke ist Geschäftsführender Di-rektor des Lehrstuhls für Syste-matische Theologie.

1 Vgl. Johannes Fried: Aufstiegaus dem Untergang. Apokalypti-sches Denken und die Entste-hung der modernen Naturwis-senschaft im Mittelalter.München 20012 Reinhold Schneider zitiert nachAndreas Nentwich: Die Täterwerden nie den Himmel zwin-gen. In: Die Zeit Nr. 20, 8. V.2003, S. 41

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Chorhalle des Aachener Doms.Bild: Peter Winandy

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03Andreas Beyer, Markus Lohoff

Bild und ErkenntnisZur Funktion von „Bildhandeln“ und Anschaulichkeit in Wissenschaft und Technik

as Institut für Kunstgeschich-te der RWTH bereitet der-zeit eine Publikation vor,

deren Thema die Herstellungund Verwendung von Bildern inden verschiedenen Erkenntnispro-zessen darstellt. Die wissenschaft-liche Bildproduktion ist in derjüngsten Vergangenheit, nichtzuletzt durch den enormen tech-nisch-medialen Fortschritt, erheb-lich gewachsen. Damit einherging eine vielstimmige Debatte,über die Möglichkeiten undGrenzen des technischen Bildes,wobei besonders die Kunstwis-senschaft, als die bildgestützteDisziplin schlechthin, mit ihrenbewährten Methoden vor beson-dere Herausforderungen gestelltwurde. Der erweiterte Bildbegriffist seither im Fach lebhaft disku-tiert und die Kunstgeschichte alsintegrative „Bildwissenschaft“apostrophiert worden.

Wissenschaftliche Bilder sindvon erheblichem ästhetischen Ei-genwert. Sie durchfluten, weitüber die Grenzen der wissen-schaftlichen Praxis hinaus, unse-re Alltagswelt. Neben ihrer Funk-tion als Wissensspeicher, analyti-schem Instrument und wissen-schaftlichem Argument kommtihnen so auf breiter Ebene einenahezu sich verselbständigendeWirkung zu. So faszinierend undsuggestiv diese Bildwelten auchsein mögen – ihre jeweilige Ver-anlassung, ihr technischer Zweckund ihre Genese bleiben demPublikum dabei weitgehend ver-borgen. Die hier angezeigtePublikation, die rund hundert-zwanzig Forschungszweige derRWTH berücksichtigt, ist des-halb darum bemüht, Transpa-renz zu schaffen. Die Bildentste-hung selbst wird in ihrem Kon-text nachgezeichnet, die Inten-tionen und Bedürfnisse werdenskizziert und das Bild selbst alsErgebnis eines erst im Anschauli-chen wirksamen Verstehens ge-deutet.

Bild 1

Die Bilder 1 bis 3 zeigen ver-schiedene Visualisierungsinstru-mente, die im Bereich derArchitektur in unterschiedlichenEntwurfsphasen Verwendungfinden. Erste Konkretion erfährtdie zunächst abstrakte Entwurfs-idee – in diesem Fall handelt essich um Um- bzw. Neubaukon-zepte des Lehrter Bahnhofs inBerlin aus dem Jahr 1992 – inIdeenskizzen (1). Später werdenkonstruktive Architekturpläneerarbeitet und zur besseren An-schaulichkeit aus ihrer Zweidi-mensionalität in raumgreifende

Modelle übersetzt (3). Im Mo-dell werden Größenverhältnisseunmittelbar erfahrbar, könnenstatische Fragen überprüft undästhetische Argumente kommu-niziert werden. CAD-generierteRenderings (2) schließlich ver-mitteln einen realitätsnahen,nahezu fotorealistischen Ein-druck vom Entwurf und erlau-ben bereits in frühen Konzep-tionsphasen eine virtuelle Be-gehung des animierten Objekts. (Quelle: Lehrstuhl für Stadtbe-reichsplanung)

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Das Spektrum erstreckt sichdabei vom klassischen Anschau-ungsexperiment bis hin zur hoch-auflösenden numerischen Simu-lation, deren Befunde überhauptnur noch bildhaft zu erfassen undzu bewerten sind. Hieraus erge-ben sich neuartige Anforderun-gen an visuelle Prozesse der Wis-sensakquisition und -vermittlung.Dies gilt etwa für mehrdimensio-nale Darstellungen von Messer-gebnissen im Bereich der Analy-tik und für neue, auf das Bild an-gewiesene Diagnoseverfahren invielen Bereichen der Life Sciences.

Das Bild stellt zudem oftmalsnicht allein ein in sich abgeschlos-senes Ergebnisprotokoll dar, son-dern dient selbst wiederum derVerwandlung und Konstruktion.Erst die Manipulation eines Bil-des kann gelegentlich variieren-de Alternativen vor Augen füh-ren – der Eingriff in das Bild,seine schier endlosen Transfor-mationsmöglichkeiten mit denMitteln avancierter Technik,unterstützt Prozesse der Formfin-dung und -setzung. Die Architek-tur etwa profitiert schon seit län-gerem von diesen Zugriffsmög-lichkeiten.

Bild 3

Bild 2

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Bilder 4 bis 5: Design-Tools beimChiplayout. Tatsächlich handeltes sich bei Bild 4 um das Layoutfür einen sogenannten NAND-Chip. Chipdesigner nutzen heutezunehmend graphisch abstrahie-rende Entwurfsmethoden, umkomplexe und komplizierte lo-gische Schaltungen zu entwik-keln, Materialien auszuweisenund Chiparchitekturen transpa-rent zu machen. Während dieSchaltungen in den sechzigerJahren manuell eingegebenwurden, ging man in den siebzi-ger Jahren dazu über, die ver-schiedenen Stufen des Layoutensmit Rechnern zu unterstützen(5). Heute dienen CAD-SystemeEntwicklern dazu, Schaltungenzu erstellen, verschiedene Funk-tionen zu untersuchen und zuoptimieren. Nur so ist die zu-nehmende Komplexität und In-tegrationsdichte moderner Schal-tungen handhabbar.(Quelle: Lehrstuhl für Allgemei-ne Elektrotechnik und Datenver-arbeitungssysteme)

Bild 4

Bild 5

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Bilder 6 bis 8:Visualisierungstechniken in derMaterialwissenschaft. Die drei-dimensionale Struktur der Den-driten, jener baumähnliche Ver-ästelungen in erstarrenden me-tallischen Schmelzen, gibt Auf-schluss über die Erstarrungsbe-dingungen und daraus resultie-rende physikalische Eigenschaf-ten der Materialien. In so ge-nannten Schliffbildern (8) – indiesem Fall handelt es sich umeinen Querschliff durch denFestkörper – wird die dendriti-sche Struktur als regelmäßigesMuster erkenn- und bewertbar.Für die praktische Anwendungist eine genaue Kenntnis derStruktur einzelner Dendriten,insbesondere aber der dendriti-schen Felder wichtig. Zu derenCharakteristika zählen u.a. dieNachbarschaftsverhältnisse derDendriten untereinander. Eineregelmäßige Anordnung gleich-förmiger Dendriten zu einemhomogenen Feld – wie in Bild 6– ist nur in der computergraphi-schen Darstellung möglich. RealeDendriten hingegen sind Indivi-duen, deren Formabweichungenaus unterschiedlichen Wachs-tumsbedingungen resultieren.Durch Dekantieren der Rest-schmelze kann die dreidimen-sionale Struktur einzelner Den-driten offengelegt und anschlie-ßend zur genauen Analyse mikros-kopisch visualisiert werden (7).(Quelle: Institut für Gießereiwe-sen; Access)

Bild 6

Bild 7

Bild 8

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Bilder 9 bis 10: DiagnostischeBildgebungsverfahren der Medi-zin. Bild 9 zeigt den Augenhin-tergrund, aufgenommen miteinem Ophthalmoskop. Miteinem intravenös gespritztenfluoreszierenden Farbstoff lässtsich die Ausbreitung des Blutesim Gefäßbaum verfolgen. Ausörtlichen und zeitlichen Unregel-mäßigkeiten kann auf Erkrankun-gen, sogar auf deren auslösendeFaktoren geschlossen werden.Neue Wege der Tumordiagnos-tik zeigt das zweite Beispiel (10).Mit einer automatischen Geo-metriekorrektur gelingt es, licht-mikroskopische Aufnahmen vonZellkörpern und Zellkernen nachmehreren Färbe- und Entfärbe-prozessen wieder detailgenauzur Deckung zu bringen. JedeFärbung bildet nur eine be-stimmte Eigenschaft der Zelleoder des Zellkernes ab. Das Zu-sammenführen der Merkmale inder multimodalen Zellanalyseliefert einerseits mehr Informa-tionen für die Beurteilung ver-dächtiger Zellen und steigertandererseits die Präzision derAnalysedaten. So kann u.a. dieZellenkontur genauer bestimmtwerden, wenn Merkmale unter-schiedlicher Färbungen korre-liert werden. Dies wiederumführt zu einer genaueren Bestim-mung des DNA-Gehaltes, einwichtiges Indiz für eine prolife-rierende und damit pathologi-sche Zelle.(Quelle: Lehrstuhl für Messtech-nik und Bildverarbeitung)

Bild 9

Bild 10

Erst die modellhafte Konkre-tion verhilft der Idee zur Formund damit überhaupt erst zu ei-ner kommunizierbaren und ver-handelbaren Basis. Die Redeüber das Bild kann sich sprach-lich artikulieren, sie kann aberauch selbst wiederum visuellargumentieren. Ein solcher bild-licher Diskurs stellt vor besonde-re Anforderungen: Die Bildkom-petenz, also das Wissen und dasBewusstsein von den vielfältigenImplikationen technischer Bilder,gerät so fachübergreifend zu ei-ner der dringlichsten Qualifika-tionen.

Der hier angedeutete Facet-tenreichtum wird in dem von unskonzipierten Panorama in Einzel-studien aktueller Forschungsvor-haben der RWTH beleuchtet.Wie kaum ein anderer Standort,erlaubt die Aachener Hochschuleden „iconic turn“, das heißt diezunehmende Verbildlichung wis-senschaftlichen Handelns, in sei-nen unausgesetzt sich steigern-den Potenzialen und breit gefä-cherten Anwendungen zur Dis-kussion zu stellen.

Für den Band haben nichtnur die jeweiligen Einrichtungenihre Materialien exemplarisch auf-bereitet. In mehreren fachspezifi-schen Aufsätzen wird darüberhinaus einleitend auf die Kom-plexität und zunehmende Unver-zichtbarkeit einer wissenschaft-lich-technischen Visualistik ver-wiesen.

Autoren:

Univ.-Prof. Dr. phil. Andreas Beyerwar Inhaber des Lehrstuhls undLeiter des Instituts für Kunstge-schichte.Markus Lohoff M. A. ist Wissen-schaftlicher Mitarbeiter im Insti-tut für Kunstgeschichte

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Mit Texten von Hermann Beil, Hans Magnus Enzensberger, Steffi Graf, Hans-Olaf Henkel, Felix Huby, Dirk Maxeiner und Michael Miersch, Rezzo Schlauch, Holger Schnitgerhans, Gerhard Schröder, Klaus Wagenbach, Martin Walser, Wendelin Wiedeking.

Veränderte Neuausgabe als Taschenbuch Oktober 2003.

WAT 481, 192 Seiten. Illustriert von Johannes Vennekamp,Nachwort von Anton Hunger.EUR 11,90/sFr. 20.50/ EUR (A) 12,30ISBN 3-8031-2481-6

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03Walter Kaiser

44,1 kHzDer historische Charme der Abtastfrequenz der Compact Disc

ast mehr als Innovationenim Bereich der Hardwareentscheidet heute die

Durchsetzung industrieller Nor-men und Standards über denwirtschaftlichen Ertrag einer neu-en Technik. Jüngstes Beispiel istder durchschlagende Erfolg desGSM-Mobilfunkstandards.Betrachtet man die Entwicklungder Informations- und Kommu-nikationstechniken einmal unterdem Gesichtspunkt der industri-ellen Standards, so wird manfeststellen, dass hier vielfachsehr komplizierte historischePfade durchlaufen wurden. Oderauch: dass die moderne Technikfast unmerklich in beachtlichemUmfang vergangene Technik auf-gesogen hat. Kompatibilität mitdem existierenden ISDN-Stan-dard des Festnetzes war nämlichein wichtiges Argument bei derEtablierung des Mobilfunkstan-dards GSM.

Deutlich größere historischeTiefe besitzt hingegen das digita-le Audiosystem der CompactDisc: Aufgrund der optimalenAuslegung großer elektrischerMaschinen und der Wahl geeig-neter Übertragungssystemeschälten sich zunächst am Endedes 19. Jahrhunderts die Netz-frequenzen unserer Stromversor-gungssysteme heraus. DieseNetzfrequenzen wurden um1940 in die Bildwechselfrequen-zen der Fernsehnormen getra-gen. Die Normen des Farbfernse-hens beeinflussten wiederumentscheidend die merkwürdig„krumme“ Größe der Abtastratedes digitalen Audiosystems derCompact Disc.

Die Geschichte beginnt alsoam Ende des 19. Jahrhunderts.Zu dieser Zeit war in der Elektro-technik eine heftige Auseinan-dersetzung darüber entbrannt,welche Stromart am besten fürdie Fernübertragung elektrischerEnergie geeignet ist, nämlichGleichstrom, Einphasenwechsel-strom oder Drei- beziehungs-weise Mehrphasenwechselstrom.Der um 1890 einsetzende Pro-zess der Einigung wurde ganzwesentlich dadurch gefördert,dass man sich – so Thomas P.Hughes – auf Elemente einestechnischen Standards für Hoch-spannungsnetze verständigenkonnte.

In den USA setzte sich dieWestinghouse Electric Corpora-tion damit durch, dass aus derenormen Vielzahl von Wechsel-

strom-Frequenzen, nämlich 1331/3, 125, 83 1/3, 66 2/3, 60, 50,40, 30 und 25 Hertz, die bisheute in den USA geläufigen 60Hertz gewählt wurden. In einemZielkonflikt von möglichen perio-dischen Helligkeitsschwankungenvon Glühlampen und Einfachheitlangsam laufender und direkt andie Dampfmaschine gekuppelterGeneratoren (mit geringer Pol-zahl) sowie mit Blick auf eineVerschmelzung mit bestehendenGleichstrom- und Einphasen-wechselstromsystemen (mit 60Hertz) erwies sich diese Fre-quenz als der ideale Kompromissbei der Einführung der neuenMehrphasenwechselstromsys-teme.

In Deutschland verlief der Ei-nigungsprozess in Richtung aufeine Netzfrequenz von 50 Hertzsogar noch zügiger: Die Allge-meine Elektrizitätsgesellschaft(AEG), die Emil Rathenau inner-halb von zwanzig Jahren zumführenden deutschen Elektro-unternehmen im Anlagenbau ge-macht hatte, favorisierte klar dieVerwendung langsam laufender,direkt gekuppelter Schwungrad-generatoren, die eine hohe Fre-quenz wie 133 1/3 Hertz imGrunde ausschlossen. Da ande-rerseits Umformer, für die zumBeispiel die Frequenz von 25Hertz ideal gewesen wäre, we-nig verbreitet waren, wurde eineNetzfrequenz von 50 Hertz ge-wählt.

Neben der prägenden Funk-tion der führenden Unterneh-men gab es allerdings eine großeZahl „objektiver“ elektrotechni-scher Argumente. Der Zielkon-flikt umfasste zum Beispiel Be-messungsleistung sowie Hyste-rese- und Wirbelstromverlusteelektrischer Maschinen, Span-nungsabfall aufgrund des induk-tiven Wechselstromwiderstandesbei Maschinen und Leitungenwie auch mögliche Störungenvon Fernmeldeleitungen. Jeden-falls stellten sich Netzfrequenzenum 50 oder 60 Hertz als opti-male Werte heraus.

Wie erwähnt: Vierzig Jahrespäter wurden die Netzfrequen-zen der Stromversorgungssys-teme in die Normen des Fern-sehens getragen. Der Grund isteine wesentliche Innovation deselektronischen Fernsehens, näm-lich das 1930 patentierte Zeilen-sprungverfahren. Aufgrund derbeschränkten Bandbreiten konn-te ein verbessertes Fernsehbild

mit reduziertem Flimmern nur soerzielt werden, dass man nach-einander zwei Halbbilder mithöherer Frequenz (als der ausder Kinotechnik geläufigen 25Hertz) schrieb, und zwar imersten Halbbild die „ungeraden“Zeilen und im zweiten Halbbilddie geradzahligen Zeilen. Wirdnun jedes Halbbild zum Beispielmit einer Wechselfrequenz von50 Hertz geschrieben, bedeutetdies etwa für zwei eng beieinan-der liegende, aber unterschied-lichen Zeilen beziehungsweiseHalbbildern zugehörige Bildpunk-te, dass sie entsprechend dem50 Hertz-Rhythmus kurz hinter-einander aufleuchten. Das Augeist jedoch nicht in der Lage, diebeiden benachbarten Bildpunktegeometrisch zu trennen. Obwohldas Gesamtbild faktisch nur 25mal in der Sekunde wechselt,scheint aufgrund der geometri-schen Integrationswirkung der(in der Wahrnehmung einheitli-che!) Bildpunkt 50 mal in der Se-kunde aufzuleuchten. Die Folgeist eine deutliche Reduktion desFlimmerns.

Das Zeilensprungverfahrenstellte nun insofern ein Problemdar, als es empfindlich gegenü-ber Störungen aus dem norma-len Stromversorgungsnetz war.Oder anders ausgedrückt: UmStörungen durch mangelhaft aus-gefilterte „Brummspannungen“zu vermeiden, erwies es sich alsgünstig, die Wechselfrequenzender Halbbilder als ganzzahligeVielfache der Netzfrequenz zuwählen, im einfachsten Fall also50 Hertz in Deutschland oder60 Hertz in den USA. Die Endeder dreißiger Jahre einsetzendeNormung spiegelt dies sehr deut-lich: 1937 setzte der Reichspost-minister die „endgültige“ deut-sche Fernsehnorm fest, nämlich441 Zeilen bei 50 Halbbildern inder Sekunde. Entsprechend derhöheren Netzfrequenz wurde1941 die amerikanische Fernseh-norm mit 525 Zeilen bei 60Halbbildern in der Sekunde fest-gesetzt.

Verglichen mit den Bildwech-selfrequenzen des Fernsehens istdie weitgehend im Sinne einesStandards benutzte Abtastratefür digitale Tonaufzeichnung dieerstaunlich unschöne Zahl von44,1 Kilohertz. Eine Abtastratevon 44,1 Kilohertz bedeutet,dass ein Abtastschaltkreis44.100 mal in der Sekunde dasanaloge Audiosignal zahlenmä-

ßig erfasst, bevor es in die Müh-le der Digitalisierung geschicktwird (also in die Quantisierungund binäre Codierung). SeitdemPhilips und Sony bei ihrer Koo-peration zur Entwicklung derCompact Disc (CD) diesen Wertals den kritischen Parameter derCD-Spezifikationen fixiert haben,insbesondere nachdem seit derMarkteinführung 1982/83 dieCD zum überragenden Erfolggeworden ist, wurde das ganzeFeld der digitalen Tonaufzeich-nung von diesem Zahlenwertbestimmt.

Der für die CD festgelegteWert war aber keinesfalls dervon der internationalen Commu-nity der in der Tonaufzeichnungtätigen Ingenieure ins Auge ge-fasste Wunschkandidat. Manwar sich hier schon vor Einfüh-rung der CD darüber im klaren,dass man für die aufkommendeDigitaltechnik im Audiobereicheinen international standardisier-ten Wert für die Abtastratebraucht, um zum Beispiel digita-le Audiodaten im Rundfunkbe-reich leichter austauschen zukönnen. Nach langen und hefti-gen Debatten schien es so, alsob man sich 1981 auf einenKompromiss, nämlich 48 Kilo-hertz, würde einigen können.Mit der genannten Festlegungauf 44,1 Kilohertz unterliefenPhilips und Sony jedoch 1980diese internationale Einigung.

Dass Philips und Sony dendadurch verursachten Aufruhr inder Industrie in Kauf nahmen,hat nun aus heutiger Sicht klarehistorische Gründe. Der Grundwar der „versuchte Missbrauch“eines anderen erfolgreichen, ja-panischen Massenprodukts derKonsumelektronik. Einige führen-de japanische Hersteller plantennämlich, den Videorecorder auchals preiswertes Gerät zur Auf-zeichnung digitaler Audiosignalezu benutzen. Man machte des-halb Anstrengungen, die Abtast-rate eines zukünftigen digitalenAudiosystems an die Frequenz-parameter der bestehenden Vi-deoaufzeichnungssysteme anzu-passen.

Der herausragende Verfech-ter diese Vorgehens war Toshi T.Doi von Sony. Dabei konzentrier-te sich Doi zunächst auf das US-amerikanische Farbfernsehsys-tem NTSC, was 1960 auch inJapan eingeführt worden war. Erkonnte zeigen, dass digitale Au-diosignale in Standard-NTSC-Vi-

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deosignale, die für eine Speiche-rung mit einem Videorecordergeeignet waren, zu konvertierenwaren. Die Voraussetzung war,dass eine Abtastfrequenz von44,05594... Kilohertz gewähltwurde. Diese Zahl kam zustan-de, indem man drei Größen mul-tiplizierte, nämlich drei digitaleWorte pro Fernseh-Zeile (die je-weils aus einem Stereo-Paar ei-nes 16-Bit-Samples bestandenund insofern ausreichend feineQuantisierungsstufen erlaubten)mit 490 Zeilen pro Fernsehbild(wobei, um Störungen beim Um-schalten des rotierenden Lese-kopfes zu vermeiden, nur 490 der525 bei NTSC pro Bild geschrie-benen Zeilen genutzt wurden)sowie mit der NTSC-Bildwechs-frequenz von 29.97002996...Hertz (die Bildwechselfrequenzbei NTSC ist nicht exakt 30Hertz, sondern 0,1 Prozent weniger).

Da die PAL- und SECAM-Vi-deorecorder auf dem europäisch-en Markt, sollten sie auch zur di-gitalen Tonaufzeichnung dienen,schlecht mit einer solch proble-matischen Abtastfrequenz betrie-

ben werden konnten (in Europaist die Bildwechselfrequenz exakt25 Hertz), schien aus japanisch-er Sicht die aufgerundete Abtast-frequenz von 44,1 Kilohertz eingeeigneter Kompromiss für dieCD. Obwohl also die internatio-nale Community der Audio-In-genieure sich 1981 auf 48 Kilo-hertz als globalen Standard fürdie Abtastfrequenz einigen woll-te, setzte sich der kompliziertejapanische Wert in der Konsum-elektronik durch. Er ist historischvoll beladen mit den unterschied-lichen Netzfrequenzen in denUSA und Europa und mit den inEuropa und USA entstandenenunterschiedlichen Fernsehnor-men. Trotzdem entwickelte sichdieser Standard über die CD hin-aus zum weltweiten Standard.

Die miteinander verwobenenStandardisierungsprozesse sinddamit auch ein Paradebeispieldafür, wie verschlungen die Pfa-de wichtiger Innovationsprozessesein können. In der Tat habensich die Wirtschaftswissenschaf-ten in den letzten Jahren ver-mehrt den realen Ab läufen derTechnikentwicklung zugewandt.

So wiesen die Wirtschaftshisto-riker Nathan Rosenberg, PaulDavid und Douglass C. Northvielfach auf die Wegabhängig-keit der technischen Entwicklunghin. Sie betonten – was für dieWirtschaftswissenschaften nicht unbedingt selbstverständlich war –, dass die Richtung, die die Tech-nik einschlägt und der Weg, densie beschreitet, nicht einfach ausgewissen Anfangsbedingungenabgeleitet werden kann, sondernnur im historischen Kontext, alsjeweils konkrete zeitliche Folgevon Ereignissen entlang diesesWeges, zu verstehen ist.

Literatur:

Jürgen K. Lang: Das CompactDisc Digital Audio System. EinBeispiel für die Entwicklung hoch-technologischer Konsumelektro-nik. Ingenieurwiss. Diss. RWTHAachen 1996, Aachen 1996.Thomas P. Hughes: Networks ofPower, Electrification in WesternSociety, 1880-1930; Baltimoreund London 1983.Helmut Schönfelder: Fernseh-technik im Wandel. Technolo-gische Fortschritte verändern dieFernsehwelt; Berlin, Heidelberg,New York 1996.Wilhelm Keller: Hundert JahreFernsehen, 1883-1983, Berlin,Offenbach 1983.Vladimir K. Zworkyn, G. A. Morton: Television. The Electronics ofImage Transmission in Color andMonochrome, 2nd edition, NewYork, London, 1954.

Autor:

Univ.-Prof. Dr. phil. Walter Kaiserist Inhaber des Lehrstuhls fürGeschichte der Technik.

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2/2003Anlaufbänder für elektronischeBauteile aus dem Jahr 2003 imZinkhuetter Hof e.V.- Museumfür Industrie-, Wirtschafts- undSozialgeschichte in Stolberg/Rheinland. Bild: Peter Winandy

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03Andreas Fickers

„Politique de la grandeur“ versus „Made in Germany“Die Analyse der PAL-SECAM-Farbfernsehkontroverse als Beispiel einer politischen Kulturgeschichte der Technik

nde der fünfziger Jahre stieg das Fernsehen in denmeisten westeuropäischen

Ländern zum neuen Leitmediumim massenmedialen Ensembleauf. Der Aufbau des Fernseh-funks sowie die Aneignung desFernsehgerätes als, „fordistischesLeitprodukt“ vollzog sich jedochin national unterschiedlichenMustern, die auch als Ausdruckder differierenden technologi-schen Entwicklungspfade gedeu-tet werden können. Die europäi-sche Fernsehlandschaft der fünf-ziger Jahre zeichnete sich vorallem durch die verschiedenenZeilennormen aus, die einzelneLänder als Basis ihres Schwarz-Weiß-Fernsehens definiert hat-ten.

In Frankreich bestand dasFernsehbild aus 819 Zeilen. InGroßbritannien aus 405 Zeilenund in Deutschland aus 625 Zei-len. Machte dieses „Zeilenchaos“einen europäischen Programm-austausch fast unmöglich, saheninternationale Fernsehexpertenim Farbfernsehen die Chance, zueiner Harmonisierung des euro-päischen Fernsehfunks zu gelan-

gen. Ende der fünfziger Jahrebegann in der internationalenStandardisierungsbehördeC.C.I.R.. (Comité Consultatif In-ternational de Radiocommunica-tions) sowie in der EuropeanBroadcasting Union (E.B.U.) diewissenschaftlich-technische Aus-einandersetzung mit dem ThemaFarbfernsehen, um auf diesemWege einen einheitlichen euro-päischen Farbfernsehstandard zuerreichen. Konnte man sich imLaufe der Diskussionen auf eineneinheitlichen Zeilenstandard fürden Farbfernsehbetrieb einigen(auf die so genannte „Gerber-Norm“ von 625 Zeilen), tratenmit dem französischen SECAM-und dem deutschen PAL-Systemzwei Konkurrenten des bereits1953 in den USA eingeführtenNTSC-Systems auf, die ab 1963um die Wahl zum europäischenFarbfernsehstandard kämpften.

Warum sind die Bemühun-gen gescheitert, eine einheitlicheNorm für die Übertragung vonFarbfernsehsignalen auszuhan-deln? Internationale Standardisie-rungsprozesse unterliegen einemhochkomplexen Entscheidungs-

zusammenhang, in den nationa-le und internationale Institutio-nen, politische und wirtschaft-liche Strukturen sowie akteurspe-zifische Interessen miteinanderverwoben sind. Will man dasScheitern des Standardisierungs-prozesses verstehen, müssendiese Kontexte einzeln herausge-arbeitet und ihre Bedeutung fürden Verlauf oder den Ausgangdes Prozesses rekonstruiert wer-den. Diese Kontextualisierungmuss auf drei Ebenen geleistetwerden: Auf der technischen,der industriellen und auf derpolitischen Ebene. Jede dieserEbenen kann als ,,terrain“ be-schrieben werden, auf dem sichzahlreiche Akteure (Institutionen,Unternehmen, Ingenieure undandere) mit unterschiedlichenInteressen bewegt haben. DerBegriff des „terrains“ wird dabeivon den beiden französischenTechnikhistorikern Yves Cohenund Dominique Pestre übernom-men, da er die Spannung undDynamik der Auseinanderset-zung begrifflich fasst. ,,Le ter-rain“ so Cohen und Pestre,,,c‘est Ia compétition, la concur-

rence, la guerre – à tous nive-aux, entre individus, entre entre-prises, entre groupes, entrepays.“

Je nach „terrain“ werdentechnikhistorische, wirtschaftshi-storische oder politikhistorischeAnsätze benutzt, um die zentra-len Akteure und strukturellenRahmenbedingungen zu be-schreiben, die an der Technik-forschung, der industriellenVermarktung oder der symbo-lisch-politischen Aufladung derkonkurrierenden Farbfernseh-technologien beteiligt waren. Zurganzheitlichen Analyse der Farb-fernsehkontroverse muss aufnetzwerk- oder systemtheoreti-sche Ansätze zurückgegriffenwerden, die sich in der Technik-geschichtsschreibung der letztenJahre als hilfreiche Modelle zurAnalyse komplexer technologi-scher Entwicklungen bewährthaben.

Der Zugriff auf theoretischeAnsätze aus dem Bereich derPolitikwissenschaft (internationa-le Beziehungen, Mikropolitik),der Soziologie (akteurzentrierterlnstitutionalismus, Handlungs-

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Bilder 1 bis 4: Peter Winandy

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theorie) sowie den Wirtschafts-wissenschaften (Spieltheoriesowie Innovationsmodelle) er-möglicht es, vorhandene Inter-pretationsangebote aus benach-barten Wissenschaftszweigenauf den Forschungsgegenstandzu übertragen und sie kritischnach ihrer Aussagekraft als Hilfs-mittel zur historischen Analysezu befragen.

Wie im Titel erwähnt, ver-steht sich die Untersuchung alsBeitrag zu einer politischen Kul-turgeschichte der Technik. DieErgebnisse der Analyse der PAL-SECAM-Kontroverse können imSinne eines solchen Zugangs ineinigen Thesen zusammenge-fasst werden:1) Entgegen zahlreichen publizi-stischen Darstellungen, in denendie PAL-SECAM-Kontroverse kom-mentiert wird, gab es kein tech-nisch „bestes System“. In Hun-derten von wissenschaftlich-tech-nischen Untersuchungen ist esden internationalen Fernsehex-perten Mitte der sechziger Jahrenicht gelungen, eine Systemal-ternative als die den anderentatsächlich wesentlich überlege-

ne zu definieren. Der Mythosvom „besten System“ und vonden „genialen Erfindern“, dernach dem Scheitern der europäi-schen Lösung sowohl auf franzö-sischer als auch auf deutscherSeite propagiert wurde, muss alsnationalistische „Rechtfertigungs-rhetorik“ interpretiert werden.2) Eben jene prinzipielle techni-sche Gleichwertigkeit der dreiSystemalternativen erfordertenicht-technische Argumentatio-nen, um dem jeweils favorisier-ten System zum Durchbruch zuverhelfen. Die Analyse des indus-triellen und wirtschaftspolitischenKontextes der PAL-SECAM-Kon-troverse zeigt, dass es vor allemunternehmerische Interessen wa-ren, die eine europäische Eini-gung vereitelt haben. Sowohlauf französischer (CompagnieFrançaise de Télévision) als auchauf deutscher Seite (Telefunken)bestimmten lizenzpolitische Über-legungen die Strategien der wirt-schaftlichen Akteure.3) Die Politisierung der Farbfern-sehkontroverse war das gezielteResultat einer französischen „po-litique de la grandeur“, in der

französische Technologien zunationalen Symbolen französi-scher Modernisierungsanstreng-ungen stilisiert wurden (Stichwort„champion national“). Im außen-politischen Kalkül des französi-schen Staatspräsidenten Charlesde Gaulle nahm das SECAM-System die Rolle einer „Concordefranco-russe“ ein, die zum Symbolder französischen Europapolitik„Vom Atlantik bis zum Ural“ wur-de. War man auf bundesdeutscher Seite zu Beginn der Kontroversedaran interessiert, zu einerdeutsch-französischen Einigungim Anschluss an den Deutsch-französischen Freundschaftsver-trag vom 22. Januar 1963 zugelangen, führte die französischeAnnäherung an die Sowjetunionzur Neuorientierung der bundes-deutschen Position. In der End-phase der Auseinandersetzung –auf der CCIR-Vollversammlung in Oslo im Juli 1966 – kam eszu einem folgenreichen deutsch-britisch-niederländischen Schul-terschluss, der das PAL-Systemgegen die französische Offensiveverteidigte.

Letztlich kann die hier vorge-stellte Analyse eines Standardi-sierungsprozesses aus histori-scher Perspektive zeigen, dassdie Geschichtswissenschaft einenwichtigen Beitrag zum Verständ-nis technologischer Entschei-dungsprozesse leisten kann. Wa-ren es doch industriepolitische,außenpolitische und kulturell-symbolische Faktoren, die einentechnologischen Entscheidungs-findungsprozess von europäi-scher Dimension maßgeblichbeeinflusst haben.

Autor:

Dr. phil. Andreas Fickers warWissenschaftlicher Mitarbeiterim Historischen Institut derRWTH Aachen und ist nunAssistent Professor für Fernseh-geschichte an der UniversitätUtrecht.

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03Martina Hessler

Vom Biergarten zu „hybriden Foren“Lokale Technikakzeptanz im historischen Wandel

ie Pläne des französischenPhilosophen Paul Virilios,in Frankreich ein „Unfall-

Museum“ zu gründen, in demausschließlich technische Unfällepräsentiert werden, stießen beiPolitik und Teilen der Öffentlich-keit auf wenig Begeisterung. Zubedrohlich erschien die Vorstel-lung einer Ansammlung techni-scher Pannen und Katastrophen,als dass man sie fördern wollte.Ohnehin befinden sich Wissen-schaft und Technik derzeit ineiner schwierigen Situation: DerReaktorunfall von Tschernobyl,Chemieunfälle wie bei Sandoz,die Diskussion um das Ozonlochoder irreversible Klimaverände-rungen führten die Schattensei-ten und Risiken neuer Technolo-gien überdeutlich vor Augen. Zu-dem erfordern die fortschreiten-de Verwissenschaftlichung allerLebensbereiche und die Komple-xität der Technik zunehmendwissenschaftlich fundierte Ent-scheidungen und Bewertungen;die Bedeutung von Experten inder Gesellschaft steigt. Dies gehtjedoch mit widerstreitenden Ex-pertenmeinungen einher, undnicht selten berufen sich ver-schiedene Interessensgruppenauf gegenläufige Expertenaussa-gen. Ergebnis dieser Prozesse istein Vertrauens- und Autoritäts-verlust der Wissenschaft, geradein dem Moment, in dem die Ein-schätzung neuer Technologienwissenschaftlicher Expertisen be-darf.

In dieser Situation erweistsich auch die Ansiedlung vonWissenschaft, von Technologieund Industrie prinzipiell als einstark zu legitimierendes Unter-fangen. Debatten um Risikenund Nutzen neuer Technologienbeschränken sich nicht nur aufdie nationale oder internationaleEbene, wie wir es beispielsweisederzeit bei der Biotechnologieverfolgen können. Vielmehr fin-den sich auch immer lokale Tech-nikdiskurse, in denen vor allemAnwohner, Bürgermeister undlokale Politiker ihre Interessenverteidigen und die Ansiedlungneuer Technologien radikal inFrage stellen können. Spektaku-läre Fälle, wie beispielsweise dieheftige Debatte um die Einrich-tung eines Labors für rekombi-nierte DNA an der Harvard Uni-versity in den siebziger Jahren,die nach einer harten Auseinan-dersetzung in eine nur begrenzterteilte Experimentiererlaubnis

innerhalb der Stadtgrenzen vonCambridge mündete, verweisenauf die Bedeutung solcher loka-ler Proteste.

Ein Projekt am HistorischenInstitut, Lehrstuhl für Neuere Ge-schichte, widmet sich – nebenanderen Aspekten wie der Rolledes Städtischen für Innovatio-nen, dem Wandel des Innova-tionsmodell seit 1945, dem Ver-hältnis von Wissenschaft undTechnik – solchen Fragen amBeispiel der Stadt München.München erlebte in den letztenfünfzig, und vor allem in denletzten zwanzig Jahren einenbemerkenswerten Wandel, in-dem es sich von einer handwerk-lich und künstlerisch orientierten Stadt zu einer so genannten „High-Tech-Stadt“ entwickelte. In derRegion München finden sich ge-ballt alle Schlüsseltechnologiendes 20. Jahrhunderts, die in Clus-tern dezentral über die Stadt ver-teilt sind – so die Atomphysik inGarching, die Mikroelektronik inNeuperlach, neue Medien inHalbergmoos und die Biotechno-logie in Martinsried.

Ein Blick auf das Cluster inGarching soll exemplarisch dieHaltung der Bevölkerung und dieStrategien der Technikakzeptanz-beschaffung von Politik und Wis-senschaft im Wandel der letz-ten fünfzig Jahre aufzeigen. DieGemeinde Garching, cirka 15 Ki-lometer im Nordosten Münchensgelegen, führte bis in die Zeitnach dem Zweiten Weltkrieg einrecht beschauliches Dasein, dassie kaum von vielen anderenbayerischen Dörfern unterschied.In der zweiten Hälfte des zwan-zigsten Jahrhunderts entwickeltesich dieses Bauerndorf allerdingszu einem Schwerpunkt wissen-schaftlicher Forschung und Tech-nologien mit internationaler Be-deutung. Den Beginn dieser Ent-wicklung markierte der 1957 er-richtete erste bundesdeutscheForschungsreaktor, der wegenseiner ellipsenartigen Form alsGarchinger „Atomei“ bezeichnetwird. Sukzessive siedelten sichweitere Forschungsinstitute undAbteilungen der TechnischenUniversität rund um den Reaktoran. Begann die Entwicklung miteiner rein grundlagenorientiertenForschung, so stellt Garchingheute einen Wissenschafts-Tech-nologie-Cluster dar, der Forschun-gen zur Kernphysik oder zurPlasmaphysik genauso umfasstwie neue Zweige wie die Mecha-

tronik sowie die Ansiedlungenvon Firmen wie General Electric.

Als in den fünfziger Jahrender Bau eines Forschungsreak-tors geplant wurde, stimmtender Bürgermeister und der Ge-meinderat schnell zu. Die Ge-meinde verhielt sich außeror-dentlich kooperativ und beganngar, sich mit der Wissenschaft zuidentifizieren. Der lokale Priesternannte die Atomenergie ein „Ge-schenk Gottes“, Garching nahmden Forschungsreaktor in das ei-gene Wappen auf und initiiertezum zehnjährigen Bestehen des„Atomeis“ ein Fest, Straßenna-men wurden nach Wissenschaft-lern benannt. Diese positive Hal-tung der Garchinger resultierteaus lokalspezifischen Interessen:Das zuvor wenig beachtete undräumlich etwas isolierte Bauern-dorf hoffte auf diese Weise denWeg in die technische Moderne

zu beschreiten und am techni-schen Fortschritt zu partizipie-ren. Schließlich erwartete maninfolge der Wissenschaft die An-siedlung von Industrie und damitauch einen finanziellen Aufstiegder Gemeinde.

Trotz mancher Risse, die dieseEuphorie erlitt, als sich die Ge-meinde in den sechziger Jahrendamit konfrontiert sah, dass dieAnsiedlung der Wissenschaft vorallem Geld kostete, jedoch keinefinanziellen Gewinne brachte,Garching vielmehr unter der Lastder Finanzierung der Infrastruk-turen bald an Grenzen geriet, soblieb die positive Haltung gegen-über der Technik unhinterfragt.

Dies änderte sich allerdingsmassiv in den achtziger undneunziger Jahren. Seitdem wirdder weitere Ausbau der Wissen-schaftsstadt Garching von Teilender Bevölkerung radikal infrage

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gestellt, und zwar sowohl imHinblick auf die weitere Ansied-lung von Fakultäten und Unter-nehmen, als auch im Hinblickauf die Pläne, das „Atomei“durch einen neuen Reaktor, denFRM II, zu ersetzen. Nicht zuletztder Reaktorunfall in Tschernobylhatte wesentlich dazu beigetra-gen, die Bevölkerung zu sensibili-sieren. Die Ansiedlung eines neu-en Forschungsreaktors wurde da-her zu einem langwierigen undhartumkämpftem Prozess. Anträ-ge, Informationsveranstaltungen,Protestaktionen, Demonstratio-nen, Veranstaltungsreihen, Podi-umsdiskussionen, Flugblätter,Unterschriftenaktionen, Strafan-zeigen, Klagen bis hin zu einemBürgerbegehren torpedierten denBau des FRM II, für den erst kürz-lich die letzte Teilgenehmigungerging.

Die Haltung der Bevölkerunghatte sich also von einer eupho-risch zustimmenden, erwartungs-vollen und technikbegeistertenhin zu einer technikkritischen,skeptischen und partizipatori-schen gewandelt. Diese auch ananderen Orten zu beobachtendeEntwicklung, die die Hinwendungzu neuen Protest- und Partizipa-tionsformen und die Forderungnach Demokratisierung von Ent-scheidungsprozessen anzeigt,spiegelt die kulturgeschichtlicheEntwicklung der Bundesrepublikwider.

In diesem Kontext wurdenauch neue Strategien der Tech-nikakzeptanzschaffung erforder-lich. Konnte in den fünfziger Jah-ren noch im Biergarten mit demBürgermeister über das „Atomei“verhandelt werden und stelltedamals der lokale Bürgermeisterdie zentrale Person für Entschei-

dungen in der Gemeinde dar, soist heute bei der Ansiedlung vonWissenschaft und Technologiemit einer Vielzahl von Akteuren– Bürgerinitiativen, Interessens-gruppen und Einzelpersonen –und deren divergierenden Inte-ressen zu rechnen. Die sozialwis-senschaftliche Forschung sprichtin diesem Zusammenhang vonder Entstehung „hybrider Foren“:Wissenschaft- und Technikent-wicklung sei zu einem hart um-kämpften Feld öffentlicher Kon-troversen geworden, an der un-terschiedlichste Akteure beteiligtseien. Diese öffentliche Debattewird unabdingbarer Teil der Poli-tik – ohne Aushandlung und Ein-bezug verschiedener sozialerGruppen ist die Ansiedlung vonWissenschaft und Industrie nichtmehr möglich. Voraussetzungdafür war die so genannte „De-mokratisierung des Expertenwis-

sens“. Denn indem verschieden-ste gesellschaftliche Gruppen Zu-gang zu wissenschaftlichem Wis-sen erhielten, vervielfältigen sichdie Meinungen, müssen diesemiteinander ausgehandelt wer-den. So war der lokale Technik-diskurs in Garching mit Sicher-heitsfragen, der Radioaktivitäts-belastung, dem Angst vor Flug-zeugabsturz und Terrorangriffenbefasst, zu denen verschiedeneGruppen Gutachten einholten,deren Einschätzungen der Risi-ken jeweils stark variierten.

Die Multiplikation der Akteu-re, der Expertisen und die Ent-stehung eines öffentlichen Dis-kurses gehen einher mit dem ge-zielten Versuch von Politik undWissenschaft, in einen Dialogmit der Bevölkerung zu treten.Vor allem die Wissenskommuni-kation, beispielsweise in Formnaturwissenschaftlicher Vorträgerenommierter Wissenschaftler,nimmt dabei eine wichtige Rolleein. Dies ist begleitet von derEinrichtung runder Tische undinformeller Treffen. Mithin sindWissenschafts- und Technikan-siedlungen zu einem öffentlichenAushandlungsprozess geworden.Gleichwohl bleibt offen, inwie-weit in diesen „hybriden Foren“tatsächlich kommunikative Aus-handlungsprozesse stattfindenoder ob sich darin nicht beste-hende Machtasymmetrien fort-setzen.

Autorin:

Dr. phil. Martina Hessler ist Wis-senschaftliche Mitarbeiterin imHistorischen Institut.

Pleuelstange mit Ölstand-Schau-gläsern der großen Dampfma-schine im Zinkhütter Hof e.V.-Museum für Industrie-, Wirt-schafts- und Sozialgeschichte inStolberg/Rheinland. Bild: Peter Winandy

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03Ludwig Jäger, Matthias Jarke, Florian Kramer, Ulla Lous-Nouvertné, Vivian Raithel, Marcus Specht

Internet-Lernsoftware qualifiziert GehörloseAachener Internet Lernsoftware zur Berufsqualifizierung von Gehörlosen (AILB) erleichtert jungen Menschen den Einstieg in die Arbeitswelt

Problem: Lese-, Schreib- undRechenschwächen trotz gleichemPotenzial

Gehörlose oder stark hörge-schädigte Jugendliche und Er-wachsene haben häufig großeSchwierigkeiten in den berufsre-levanten Fertigkeiten des Lesens,des Schreibens und der Mathe-matik. Sie liegen in diesen Fertig-keitsbereichen deutlich unterhalbihres kognitiven Leistungspoten-zials. Dies konnte im Rahmen desVorläuferprojekts ATBG (Aache-ner Testverfahren zur Berufseig-nung von Gehörlosen) nachge-wiesen werden. Hierzu wurden26 computergestützte Berufseig-nungstests realisiert, bei denenalle schriftsprachlichen Elementeals Gebärdensprachübersetzun-gen abgerufen werden können.Das Testverfahren wurde anetwa 700 hörgeschädigten Pro-banden angewendet. Im Ver-gleich zu Hörenden zeigte sichim Mittel ein ähnliches Leis-tungspotenzial für Fähigkeits-merkmale (zum Beispiel sprach-freie Intelligenz), aber deutlicheLeistungsnachteile in den erlern-ten Fertigkeiten. Zum Beispielliegt der Leistungsstand Gehörlo-ser für den Bereich Mathematikim Mittel auf dem Niveau hören-der Schüler der Klassen vier bissechs.

Im beruflichen Kontext wer-den die Leistungen von Gehörlo-sen jedoch mit den Leistungenhörender Mitbewerber vergli-chen. Ein gleichberechtigtes Teil-nehmen an der Arbeitswelt istdaher nur schwer möglich. Auchgibt es bisher keine geeignetenWeiterbildungsangebote, auf diedieser Personenkreis zurückgrei-fen kann.

Das Projekt AILB wird vomBundesministerium für Gesund-heit und Soziale Sicherung seitdem Frühjahr 2003 mit dem Zielgefördert, dem Kreis der jungengehörlosen Erwachsenen übereine selbstbestimmt nutzbareInternet-Lernsoftware Fertigkei-ten in Lesen, Schreiben undarithmetischen Grundlagen ineiner Weise zu vermitteln, dieihren sprachlichen Möglichkeitenoptimal angepasst ist. Die Pro-jektkonzeption führt Erfahrungenaus früheren Projekten imGehörlosenbereich mit allgemei-nen medientheoretischen Er-kenntnissen zum Zusammen-hang zwischen Medialität undWissen aus dem Aachen-Bonn-Kölner Kulturwissenschaftlichen

Forschungskolleg „Medien undKulturelle Kommunikation“ (SFB427) zusammen.

Lösungsansatz: Lesen lernen viaGebärdensprache

Die Sprache der Instruktionund der Erklärung ist im allge-meinen in der gesamten Theorieüber Lehrformen und Lehrsyste-me kein Thema. Eine verfügbare,gut entwickelte Erstsprache wirdbei allen Lernern vorausgesetzt.Alle bekannten Lernprogrammesind für Hörende entwickelt undverwenden die deutsche Spracheals Instruktionssprache, und zwarin ihrer schriftlichen Form, wennbereits eine ausreichende Kom-petenz beim Nutzer unterstelltwird, und in ihrer lautlichen Form,wenn noch nicht lesefähige An-wender angesprochen werdensollen.

Beide Möglichkeiten schei-den bei der Zielgruppe aus. DieLesekompetenz kann nicht alsausreichend angesehen werden,um mit ihrer Hilfe bereits vonBeginn an ein Verständnis zuetablieren – die Förderung derLesekompetenz ist ja erklärtesZiel des Vorhabens! Als einzigeMöglichkeit ergibt sich daher derEinsatz der Deutschen Gebärden-sprache (DGS) als Sprache derInstruktion und Erklärung. DerEinsatz der DGS in der AILB-Software bedeutet nicht nur ein-fache Übersetzung von zuvor inDeutsch entwickelten Erklärungs-texten, die DGS-Texte werdenneben der reinen Sprachmodali-tät auch stilistisch und inhaltlichabgestimmt auf die spezifischenkulturellen Besonderheiten derNutzergruppe, der DeutschenGehörlosengemeinschaft. Lehr-materialien zur Deutschen Ge-bärdensprache selbst wurdenebenfalls in früheren Projektenerarbeitet (vgl. www.gebaerden-sprache.de ).

Die Kompetenz im Lesenschriftlicher Texte muss alsSchlüsselqualifikation mit zentra-ler Bedeutung angesehen wer-den. Gerade für Gehörlose,denen die Kommunikation überden auditiven Kanal nicht mög-lich ist, hat Lesekompetenzäußerste Wichtigkeit, wenn esdarum geht, sich selbständigInformationen zu erschließen,das Fach- und Allgemeinwissenselbständig zu erweitern und an-gemessen am beruflichen undgesellschaftlichen Leben teilneh-men zu können.

Diese zentrale Rolle der Lese-kompetenz steht nicht im Ge-gensatz zur wachsenden Aner-kennung der DGS. Sie wird auchin Zukunft in der Regel nur fürdie direkte Kommunikation alsErsatz für die Lautsprache ge-nutzt werden. Auch von den Be-troffenen selbst wird neben derBedeutung der DGS die Bedeu-tung der Lese- und Schreibkom-petenz immer wieder deutlichherausgestellt. Sie fordern eineAnerkennung ihrer Bilingualität,wobei die zweite Sprache nebender Gebärdensprache, so die Be-troffenenverbände, die DeutscheSchriftsprache sein sollte. Lese-kompetenz erweitert das sprach-liche Wissen und schafft Mög-lichkeiten zur Erweiterung desallgemeinen Weltwissens.

Der zweite Lehrbereich imProjekt umfasst Mathematik mitdem Schwerpunkt Arithmetik.Sie ist zentral für Berufseignungs-tests und stellt die Grundlage fürweiterführende Mathematikbe-reiche dar.

Umsetzung: Internet-basiertemultimediale Lernplattform

Im Projekt AILB wird der be-schriebene Ansatz in eine inter-netbasierte Lernsoftware für be-rufssuchende gehörlose Perso-nen umgesetzt, mit deren Hilfedie Fertigkeiten im Lesen, Schrei-ben und in der Mathematik ver-bessert werden sollen. Die Lern-software zeichnet sich durch diefolgenden Besonderheiten aus:

Die Fähigkeit des Lesenswird als Schlüsselqualifikationbewertet, die eine Vorausset-zung darstellt für die gesamteWissenserweiterung, auch in denspeziellen Bereichen des Schrei-bens und der Mathematik.

Die DGS wird in der Lern-software als Sprache der Erklä-rungen eingesetzt. Dadurch wirdeine Verbesserung bei der Ver-mittlung der Lerninhalte undeine Steigerung der Motivationder Lerner angestrebt.

Wo immer möglich, werdenLerninhalte durch besondereFormen der Visualisierung vonStrukturen und Vorgängen ver-deutlicht. Diese generelle Präfe-renz in vielen multimedialen Lern-umgebungen ist umso wichtigerbei einer Lernergruppe, die durchdie Medialität der Gebärdenspra-che in besonderem Maße aufvisuelle Präsentation ausgerichtetist. So sollen beispielsweise einStrategietrainer, Tipps, ein inter-

nes und externes Lexikon alsHilfsmittel angeboten werden.Der Strategietrainer bietet imjeweiligen Lehrbereich fachspezi-fische und allgemeine meta-kog-nitive Strategien zum Lösen derverschiedenen Aufgabentypenan. Besondere Strategien könnenetwa sein: Das Heranziehen vonWeltwissen über den Gegen-standsbereich, das Abschätzendurch Überschlagsrechnungenund das Differenzieren vonBekanntem und Unbekanntem.

Die Lernsoftware ist einge-bettet in ein pädagogisches Ge-samtkonzept, das die Fortschrit-te der Gehörlosenpädagogik, derFremdsprachpädagogik und derErwachsenenpädagogik einbe-zieht. Darüber hinaus soll sie alssinnvolle Ergänzung des schuli-schen Unterrichts nutzbar sein.

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37Durch das Medium Internet

kann eine große Anzahl von Be-rufssuchenden erreicht werden.Sie können selbstgesteuert undim individuellen Lerntempo ihreKompetenzen erweitern. Virtu-elle Lernräume ermöglichen dieVernetzung der Lernenden.

Die Entwicklung, Evaluationund Implementierung der Lern-software wird durch eine multi-disziplinäre Zusammenarbeit desInstituts für Sprach- und Kommu-nikationswissenschaft (ProfessorLudwig Jäger) mit dem Lehr-und Forschungsgebiet Neurolin-guistik (Professor Walter Huber),dem Lehr- und ForschungsgebietNeuropsychologie (ProfessorWillmes von Hinckeldey) sowiedem Fraunhofer-Institut für An-gewandte InformationstechnikFIT in Sankt Augustin und Aachen

(ProfessorMatthias Jarke) unter-stützt und umgesetzt. Das Pro-jekt kooperiert auch mit ver-schiedenen Forschungseinrich-tungen und Institutionen derGehörlosenbildung.

Die Software wird modularaufgebaut und schrittweise ent-wickelt. Schon nach dem erstenProjektjahr ist die Einstellungerster Module ins Internet vorge-sehen. Ab diesem Zeitraum kön-nen erste Module genutzt wer-den. Gleichzeitig beginnt dieEvaluation der Software. Zurzeitwird ein Prototyp entwickelt, derim Frühjahr 2004 in einer Pilot-gruppe zum Einsatz kommt. Er-fahrungen mit diesen ersten An-wendungsergebnissen werdenzur Weiterentwicklung des Kon-zepts dienen, da nicht auf Erfah-rungen mit Lernsoftware für Ge-

hörlose oder spezielle mathema-tisch-didaktische Konzepte zu-rückgegriffen werden kann.

Autorin:

Univ.-Prof. Dr. phil. Ludwig Jägerist Inhaber des Lehrstuhls fürDeutsche Philologie und Spre-cher des SFB 427 „Kulturwissen-schaftliches ForschungskollegMedien und Kulturelle Kommu-nikation“.Univ.-Prof. Dr. rer. pol. MatthiasJarke ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Informatik V (Informations-systeme) und Leiter des Fraun-hofer-Instituts für AngewandteInformationstechnik FIT.

Dipl.-Psych. Florian Kramer istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Deutsche Philo-logie.Dr. phil. Ulla Louis-Nouvertné istWissenschaftliche Mitarbeiterinam Lehrstuhl für Deutsche Philo-logie.Vivian Raithel M. A. ist Wissen-schaftliche Mitarbeiterin amLehrstuhl für Deutsche Philologie.Dr. rer. nat. Marcus Specht istLeiter der Arbeitsgruppe E-Learn-ing im Fraunhofer Institut für An-gewandte Informationstechnik FIT.

Zwischen Bandroboter (rechts)und Hochleistungsrechnern(links) werden auch die Rechnerfür das CAMPUS-Informations-system in den Maschinenhallendes RZ betrieben Bild: Peter Winandy

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Ausbildungs-Projekt „Fit für dieLehre“ in den Räumen desAachener TechnologiezentrumsTZA. Bild: Peter Winandy

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Lehrstuhl für Ökologie, Ökoto-xologie und Ökochemie derRWTH Aachen. Transgenes Mais-feld. Sichtprobe der gesammel-ten Schädlinge. Bilder: Peter Winandy

Ingolf Schuphan

Biosicherheit von transgenen PflanzenSind subjektive Risikowahrnehmung und wissenschaftliche Risikoabschätzung identisch?

nformationen aus der Umwelt, die über die Sinne aufgenom-men, verarbeitet und ausgewer-

tet werden, stellen mentale Pro-zesse dar. Das Resultat wird übli-cherweise als Wahrnehmung ver-standen. Sie wird also primär vonden zufließenden Informationenund sekundär von der individuel-len Verarbeitung der wahrneh-menden Person geprägt. DieForm der Information hat alsomaßgebenden Einfluss auf dasResultat.

Dabei werden Informationenmit neuartiger, für die Personnicht realistisch abschätzbarerTragweite (persönlicher Kontroll-oder Steuerungsmöglichkeit)weit intensiver wahrgenommenund einem möglichen hohen Ri-siko zugeordnet als solche, dieeinschätzbar sind und nachweis-lich ein sehr hohes Risiko besit-zen. Bei diesem Wahrnehmungs-und Deutungsprozess wird nichtim Sinne der Natur- und Ingeni-eurwissenschaft mit einbezogen,dass das Risiko das Produkt ausEintrittswahrscheinlichkeit undSchadensausmaß ist. Dies bedeu-tet letztlich, dass das Risikover-ständnis in der Bevölkerung starksubjektiv ist, also stark von derPerson abhängig, während dieAbschätzung eines rationalenRisikos auf von allen begründetnachvollziehbaren Berechnungs-

grundlagen beruht. Wenn alsodie Qualität der Information amAnfang des Wahrnehmungspro-zesses steht, muss diese der Be-völkerung in verständlicher undvertrauensvoller Form weiterge-ben werden, um dort eine ratio-nal geprägte Risikoabschätzungerwachsen zu lassen. Das Ge-genteil wird aber durch schlag-zeilensuchende Boulevardblätterund manche populärwissen-schaftliche Darstellungen in denMedien und teilweise auch durchUmweltschutzverbände erreicht.

Dort vielfach vermittelteSchreckenszenarien führen zueiner Gefahrenwahrnehmung imSinne einer großen Bedrohung.Solch eine – für viele nicht nach-kontrollierbare – Drohkulissewird vielfach leicht von einerbreiten Masse der Bevölkerungverinnerlicht. Ein außerdem flan-kierend vermitteltes Gefühl, Inte-ressenvertretern ausgeliefert zusein, zum Beispiel dem Handelnund dem Verantwortungsbe-wusstsein universitärer oderindustrieller Wissenschaftlerkol-lektive, beeinflusst in starkemMaße die subjektive Wahrneh-mungsbildung. Diesem Gefühl desAusgeliefertseins – nicht selberKontrolle ausüben zu können –gesellen sich noch weitere nichtzu unterschätzende Faktoren hin-zu. Diese können umschrieben

werden mit Verhaftung an alteüberlieferte Werte, eine zurSchau gestellte Unbetroffenheitoder sie sind auch ganz persön-lich von Komfort- und Vorteils-denken geprägt.

Am Beispiel der Gegenüber-stellung von Wahrnehmungenvon Risiken im Bereich der Biosi-cherheit gentechnisch veränder-ter Pflanzen und im Bereich derSicherheit vor Gesundheitsbeein--trächtigungen durch „Elektrosmog“lässt sich dies gut illustrieren.Die meisten werden zustimmen,dass gegenwärtig die Risikendurch transgene Pflanzen alsnicht tragbar eingestuft werden,hingegen Risiken durch Elektro-smog zum Beispiel von Mobilte-lefonen und deren Sendeeinrich-tungen zwar formuliert, in derÖffentlichkeit aber nicht wahrge-nommen werden. Im ersten Fallerkennt der Verbraucher für sichkeinen direkten Nutzen. Das fürihn subjektiv hohe Risiko resul-tiert überwiegend aus in der Öf-fentlichkeit verbreiteten Informa-tionen. Im zweiten Fall erkenntund schätzt der Verbraucher fürsich den eigenen Nutzen. Gleich-zeitig vertraut er insgeheim we-niger den kritischen Nachrichten,sondern vielmehr den wissen-schaftlichen und industriellen Er-finderkollektiven. Risikoeinschät-zung ist also untrennbar von der

subjektiven Wahrnehmung desEinzelnen geprägt.

Im Folgenden soll am Beispieleiner gentechnisch verändertenMaissorte versucht werden Infor-mationen zu vermitteln, um dannWahrnehmungen in der Bevölke-rung und mögliche Risiken dar-zustellen.

In den USA wird seit Jahrenetwa auf der Hälfte der Maisan-baufläche gentechnisch veränder-ter, so genannter Bt-Mais ange-baut. Das Bt-Gen eines Boden-bakteriums wurde diesem Maisübertragen, welches den Maisgegenüber den Raupen seinerHauptschädlinge resistent macht.Dieser Mais produziert durch dieGenübertragung ein Eiweiß-Toxin,das – nach dem Stand der Wis-senschaft – nur gegenüberSchmetterlingsraupen wirksamist. Bevor die Gentechnik eineÜbertragung des Bt-Gens in Maismöglich machte, wurde diesesToxin viele Jahrzehnte großtech-nisch aus dem Bakterium selbsthergestellt und als Spritzmittelgegen Raupen im Gemüse-, Obst-und Ackerbau angewendet (zumBeispiel als Biospritzmittel imBiologischen Landbau). Gegen-über dem Menschen und ande-ren Lebewesen – so genanntenNichtzielorganismen – ist keineWirkung nachgewiesen, trotzJahrzehnte langer Anwendung

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und Forschung. Nach erfolgrei-cher Isolierung des verantwort-lichen Gens konnte es nun inMais, Baumwolle und andereKulturpflanzen übertragen wer-den. Vor allem in den USA, Ka-nada, Australien, China und Spa-nien werden seit Jahren großeTeile der entsprechenden Anbau-flächen mit solchen transgenen,insektenresistenten Bt-Kultur-pflanzen bestellt. Auch in derEuropäischen Union (EU) isteinem Anbau dieser Pflanzen –entsprechend den Gentechnik-Gesetzen – EU-weit offiziell zu-gestimmt worden. Jedoch erlaubtin Deutschland das nationale Sor-tenrecht aus politischen Erwägun-gen den Anbau bisher nur in ge-ringem Umfang für Forschungs-zwecke.

Diese Reglementierung durchden nationalen Gesetzgeber istpolitisch gewollt und basiertnicht auf begründeten, nachvoll-ziehbaren wissenschaftlichenErkenntnissen. Damit versuchtder Gesetzgeber der Wahrneh-mung weiter Kreise in der Bevöl-kerung Rechnung zu tragen,nämlich grüne Gentechnik unddamit auch Bt-Mais aus Risiko-Überlegungen heraus abzulehnen.

Der Vorteil von Bt-Mais be-steht in Befallsgebieten darin,dass Bestände gegen den gefrä-ßigen Maiszünsler (der in

Deutschland wirtschaftlichbedeutendste Maisschädling) ge-schützt sind und nicht mit sehrtoxischen chemischen Insektizi-den breitflächig gespritzt werdenmüssen. Dadurch werden alleanderen im Maisbestand leben-den Organismen geschont, toxi-sche Spritznebel werden nicht inNachbarbereiche verdriftet oderin die Atmosphäre getragen.Auch der spritzende Landwirtsetzt sich nicht mehr dem toxi-schen Insektengift aus.

Eine kritische Öffentlichkeitargumentiert, es könnten bisherunerkannte Wirkungen des Bt-Mais zum Beispiel über den aus-stäubenden Pollen auf Organis-men im Maisbestand ausgehenund wenn einmal der Bt-Mais inDeutschland ausgebracht ist,könnte er in Wildpflanzen aus-kreuzen und die neuen Genewären damit nicht wieder „rück-holbar“.

Aufgrund dieser, aus wissen-schaftlicher Sicht bisher nicht ge-rechtfertigten Ablehnung trans-gener Nutzpflanzen, ist es sicherwichtig, möglichst viele Erfah-rungen mit den neuen transge-nen Pflanzen zu sammeln undzu kommunizieren. Deshalb ko-ordiniert der RWTH-Lehrstuhlfür Ökologie, Ökotoxikologieund Ökochemie zwei umfangrei-che Forschungsverbünde auf na-

tionaler und internationaler Ebe-ne zu diesen Sicherheitsaspekten.Die vorliegenden Daten und diesich bereits abzeichnenden neu-en Ergebnisse bestätigen dieÄngste der Öffentlichkeit bishernicht. Auch das Argument derAuskreuzung des Bt-Gens ausdem Bt-Mais über den Pollen istin Deutschland nicht gegeben.Die Heimat des Mais ist Mittel-amerika und in Deutschland gibtes keine kreuzbaren Maisver-wandten. Vor diesem Hintergrundund den Erfahrungen mit demgroßflächigen Anbau in den USAund anderen Ländern wäre Bt-Mais die ideale gentechnisch ver-änderte Pflanze, mit der die Land-wirte den ersten Schritt in diegrüne Gentechnik wagen könn-ten. Sollten sich doch wider allebisherigen Erfahrungen negativeGesichtspunkte zeigen, könnteBt- Mais durch Entzug der Sor-tenzulassung kurzfristig aus demVerkehr gezogen werden. Damit wären auch unmittelbar die neuen Gene aus der Umwelt „zurückge-holt“. Dies ist ein wichtiges Ar-gument in der Diskussion überdas Für und Wider der grünenGentechnik. Im Falle von Bt-Maismüsste also eine kritischen Öf-fentlichkeit – der sachgerechteInformationen zufließen – bereit sein, eine Risiko-Nutzen-Abwägungauf Grund rationaler, begründet

nachvollziehbarer Fakten vorzu-nehmen und damit zu einer zu-stimmenden Haltung finden.

Weitere Informationen zumThema finden Sie im Internetunter www.biosicherheit.de.

Autor:

Univ.-Prof. Dr. rer. nat. IngolfSchuphan ist Inhaber des Lehr-stuhls für Ökologie, Ökotoxiko-logie und Ökochemie.

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03Ingo Blees, Curt Creutz, Wolfgang Höfling, Bernd-Otto Hütter, Wolfgang Kuhlmann, Guenther Merkens, Marco Rieger, Stefan Rixen, Georg Souvignier, Jürgen Stier, Martin Westhofen

Therapieentscheidungen in der ressourcenintensiven Hochleistungsmedizin am Beispiel der Kopf- und Halschirurgie

Patientenautonomie versus Paternalismus

EinführungDie Behandlung von Patientensetzt die Einwilligung des Patien-ten nach dessen umfassenderAufklärung über die Erkrankung,die Konsequenzen einer ausblei-benden Therapie, Behandlungs-verfahren und Behandlungsalter-nativen, Lebensumstände nachstattgehabter Therapie und dieRisiken der Therapie sowie dieRisiken bei Unterlassen von The-rapiemaßnahmen voraus. Dienachfolgende Entscheidung desPatienten wird üblicherweisegemeinsam mit dem behandeln-den Arzt oder den Ärzten getrof-fen und in der Fachliteratur als„informed consent“ beschrieben.Die Entscheidungshoheit liegtdabei beim Patienten, er ist indieser Hinsicht entscheidungsau-tonom. Die in der Vergangenheitdurch Einflussnahme des Arztes,durch gefilterte Informationsüber-mittlung oder durch zu kurz ge-haltene Darstellung der in derFolge der Erkrankung und derBehandlung zu erwartenden Än-derungen der Lebensumständedes Patienten konnten zu deutli-chem Übergewicht der Entschei-dungshoheit durch den Arzt füh-ren. Dieser Umstand wird als Pa-ternalismus in der Arzt-Patienten-Beziehung beschrieben.

Gerade die praktischen Erfah-rungen im Rahmen der universi-tären Hochleistungsmedizin mitFragen des Organersatzes durchelektronische Prothesen, der Ent-fernung ausgedehnter Tumorender Luft- und Speisewege mitder Rekonstruktion von Sprechenund Schlucken sowie der Vielzahltechnisch machbarer Alternati-ven im individuellen Behandlungs-fall, führen zwangsläufig zu einerkomplexen Melange zwischenrein paternalistischen und gänz-lich autonomen Patientenent-scheidungen.

Aus diesem Grund wurde ander Klinik für Hals-Nasen-Ohren-heilkunde und Plastische Kopf-und Halschirurgie des Universi-tätsklinikums Aachen eine inter-disziplinäre Arbeitsgruppe zwi-schen Medizinern, Juristen, Phi-losophen, Medizinpsychologen,Theologen, Vertretern von Pa-tientenselbsthilfegruppen undManagern der GesetzlichenKrankenkassen gebildet, um imRahmen eines durch die Deut-sche Forschungsgemeinschaft(DFG) geförderten Projekts Lö-sungen und Handlungshilfen zufinden.

Pflege im Universitätsklinikumder RWTH Aachen.

Verfahren der interdisziplinärenZusammenarbeitIm Rahmen der Studie wurdenFälle bereits behandelter Patien-ten nach Abschluss derer Behand-lung ausgewählt. Dabei wurdenals Selektionskriterien definiert:

Einer dieser drei Diagnose-gruppen liegt vor:1. Bösartige Neubildungen desoberen Aero-Digestivtrakts (Ra-chen und Kehlkopf)2. Funktionsstörungen des In-nenohrs und nachgeschalteterHirnabschnitte mit Schwindelund / oder Tinnitus3. Hochgradige bilateraleSchwerhörigkeit oder Taubheit

Der Patient ist nicht in derLage, autonom eine Therapieent-scheidung zu treffen.

Es existieren alternative The-rapieindikationen.

Es ist eine Wahl zu treffenzwischen Entscheidungen miteinschneidenden verlaufsbestim-menden Konsequenzen für denPatienten und seine Erkrankung.

Als Ausschlusskriterien wur-den definiert:

Simulation oder Aggravation(Übertreibung von Krankheitser-scheinungen)

Entscheidungsminderung desPatienten durch Drogen, Alkoholund die Aufmerksamkeit (Vigi-lanz) mindernde Medikamente

Nicht-Einwilligungsfähigkeitakute Notfälle, Therapienot-

wendigkeit von aufgeschobenerDringlichkeit

Patienten zur Sterbebeglei-tung oder in unheilbarer Situation.

Nach einer Pilotphase wur-den die anonymisierten Fallschil-derungen im interdisziplinärenDiskurs unabhängig von der je-weils gestellten Indikation erneutbeurteilt und die Ergebnisse die-ser Beurteilung zeitlich folgendim interdisziplinären Dialog of-fengelegt. Nachfolgend wurdenZweitbeurteilungen der Fälle ver-fasst. Aus dem Ergebnis des re-kursiven Diskurses der interdiszi-plinären Arbeitsgruppe wurdeeine Beurteilungsmatrix erstellt,die der Strukturierung von Falllö-sungen dient. Sie umfasst dasInstrumentarium für Falllösungen

aus der Sicht aller beteiligtenFachexperten.

Ziel der Arbeit ist nicht inerster Linie die Lösung komple-xer Einzelfälle im Sinne einerEthikkommission oder einer kon-kreten Handlungsanweisung. Zielist vielmehr, eine systematischeMatrix zu erstellen, welche dieKenntnis des beratenden Arztesüber die Betroffenheit des Patien-ten verbessert und die Vorausset-zungen für die Autonomie derPatientenentscheidung schaffensoll. Daraus soll die Beratung inder Kopf-Hals-Hochleistungsme-dizin resultieren, die dem Patien-ten eine Entscheidung zwischenrational begründeten Alternati-ven autonom ermöglicht. Dieautonome Entscheidung des Pa-tienten muss dabei nicht zwangs-läufig einer aus medizinischerSicht evidenzbasierten Therapie-form entsprechen. Die Matrixträgt somit zur Analyse vonKommunikationshindernissenzwischen Ärzten und Patienten,Patienten und Angehörigen beiund kann die therapeutisch güns-tigste Abfolge von Teilentschei-dungen und Entscheidungsfin-dung seitens der Patienten undder Ärzte strukturieren.

Diskussion und KonklusionFür die autonome Entscheidungdes Patienten ist seine Selbstbes-timmung essentiell und sein Ur-teilsvermögen Voraussetzung.Als Leitmotiv der Entscheidungdes Patienten gilt das Strebennach Wohlbefinden. Wohlbefin-den im Zusammenhang mit The-rapieentscheidungen ist mit derGesundheitsdefinition der Welt-gesundgeistorganisation (WHO)einerseits1 und dem deutschenSozialrecht2 in Einklang zu brin-gen. Vor dem Hintergrund dernach dem Standesrecht notwen-digen und hinreichenden Bera-tung einerseits und der Evidenzund Effizienz ärztlicher Ratschlä-ge an den Patienten andererseitsergibt sich nicht selten ein Di-lemma. Die Informationsüber-mittlung durch den Arzt setzteinen Grad an fachlicher Einsichtdes Patienten vor allem bei kom-plexen Therapieprozeduren vor-aus, die der Arzt mit dem Pa-tienten erarbeiten muss. Damitkann die autonome Entschei-dung des Patienten im Einzelfalldadurch berührt werden, dassdie Übermittlung der Sachfragenselbst bei ausführlichem Aufklä-rungsgespräch zwangsläufig von

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reduziertem Informationsgehaltist. Dieser Umstand wird durchdie Meinung eines weiteren Arz-tes, die der Patient gegebenen-falls einholen kann und sollte,nur gering verändert. Auch ist eine autonome Ent-scheidung des Patienten im Sin-ne eines höchstmöglichen ratio-nalen und emotional ausgewoge-nen Abwägens durch die Folgender Erkrankung beeinflusst. Phy-sisches, mentales und sozialesWohlergehen sind je nach Gradder Erkrankung entsprechendbeeinträchtigt. In diesem Sinneist die Urteilskraft des Patientennicht zweifelsfrei allein durchden juristisch eindeutig definier-ten Begriff der Einwilligungsfä-higkeit zu beschreiben. Vielmehrist eine Binnendifferenzierungdes Begriffs der Patientenauto-nomie zu überwinden, der eserlaubt, die in der Lebenswirk-lichkeit gegebenen, eher demModell einer gleitenden Skalaentsprechenden Übergänge zwi-schen mehr und weniger Patien-tenautonomie in der Arzt-Patien-ten-Kommunikation adäquat zurSprache zu bringen. Nur ein Be-griff der Einwilligungsfähigkeit,der die kognitive Verschieden-heit der Menschen genauer ab-bildet, garantiert, dass sich dasSteuerungsziel eines jeden Auf-klärungsgesprächs – die höchst-möglich patientenzentriert ent-wickelte Entscheidung für odergegen eine Therapieoption – ver-lässlich erreichen lässt. Da dieinsoweit maßgeblichen Normenweithin ungeschriebenes Rechtsind, also vermittelt über dieAuslegung allgemeiner, nichtspeziell für das Arzt-Patienten-Verhältnis geschaffener Bestim-mungen durch Interpretation ge-wonnen wurden, kann eine kom-plexer angelegte Entscheidungs-matrix als Interpretament füreine Neujustierung der Ausle-gung sorgen und so im Ergebniszu einer Änderung des Rechtsbeitragen (Höfling 1999).

Autoren:

Ingo Blees M. A. ist Wissenschaft-licher Mitarbeiter im Philosophi-schen Institut.Dr. theol. Curt Creuz istGeschäftsführer des KatholischenMarienhospitals Aachen.Prof. Dr. jur. Wolfgang HöflingM. A. ist Leiter des Instituts fürStaatsrecht der Universität Köln.PD Dr. phil. Bernd-Otto Hütter istProfessurvertreter am Lehrstuhlfür Medizinische Psychologieund Medizinische Soziologie.Univ.-Prof. Dr. phil. WolfgangKuhlmann ist Inhaber des Lehr-stuhls für Philosophie und Leiterdes Philosophischen Instituts.Guenther Merkens ist Mitglieddes Vorstands der AllgemeinenOrtskrankenkasse Rheinland.Dr. med. Marco Rieger ist Assis-tenzarzt in der Klinik für Hals-,Nasen-, Ohrenheilkunde und Plas-tische Kopf- und Halschirurgie.Dr. jur. Stefan Rixen ist Wissen-schaftlicher Mitarbeiter im Insti-tut für Staatsrecht der Universi-tät Köln.Dr. rer. nat. Georg Souvignier warReferent für Ethik und Medizinder Katholischen Hochschulge-meinde Aachen und ist derzeitDozent an der BischöflichenAkademie, Aachen.Jürgen Stier ist Mitglied des Vor-stands der Vorstand der Allge-meinen Ortskrankenkasse Rhein-land.Univ.-Prof. Dr. med. Martin West-hofen ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Hals-, Nasen- und Ohrenkun-de sowie Direktor der Klinik fürHals-, Nasen-, Ohrenheilkundeund Plastische Kopf- und Halschi-rurgie.

1 „Gesundheit ist ein Zustand voll-kommenen physischen, mentalern und sozialen Wohlbefindens und eben nicht lediglich die Abwesen-heit von Krankheit und Gebrech-lichkeit.“2 SGB V §27: „Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eineKrankheit zu erkennen, zu heilen,ihre Verschlimmerung zu verhü-ten oder Krankheitsbeschwerdenzu lindern.“

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03Eva-Maria Jakobs, Jörg Jost, Katrin Lehnen

Wenn es der Technik die Sprache verschlägt, sind Kommunikationsexperten gefragt

Der Studiengang „Technische Redaktion“ an der RWTH Aachen

ie kennen das, Sie arbeitenin letzter Minute an einemText, sie geben die letzten

Korrekturen ein und dann pas-siert es – das Programm teiltIhnen mit, dass gerade fürchterli-che Dinge vor sich gehen:„Word hat Dateikorruption fest-gestellt“. Vielleicht fragen Siesich, was „Dateikorruption“ ist,vermutlich möchten Sie wissen,welche Folgen die Korruption fürIhren Text hat, und sicherlichsuchen Sie nach einer Möglich-keit, die Korruption zu verhin-dern – die einzige echte Option,die Sie jetzt haben, ist es, dieFehlermeldung mit einem „OK“zu bestätigen und der Dateikor-ruption freien Lauf zu lassen.Das Beispiel zeigt, dass die Nut-zung von Technik häufig Hürdenhat, deren Ursache in dersprachlichen Vermittlung liegt.Sie geht häufig an den Voraus-setzungen der Nutzer vorbei.Die adressaten- und medienge-rechte Darstellung technischerSachverhalte verlangt Multi-Per-spektivität: Das Wissen über dentechnischen Gegenstand und dasWissen über Kommunikationsan-forderungen im Experten-Laien-Diskurs.

Der Studiengang „TechnischeRedaktion“, der 1999 als Mo-dellstudiengang an der RWTHeingerichtet wurde, zielt daraufab, Kompetenzen in beiden Fel-dern – Technik und Kommunika-tion – auszubilden. Ein Blicknach Europa zeigt, dass entspre-chende Ausbildungsangebote rarsind, wenngleich der Bedarfnach Experten hoch ist.

Fehlende Ausbildungsangebotein Europa„Die meisten Technischen Redak-teure in Europa sind sich einfachnicht bewusst, dass sie Techni-sche Redakteure sind“ – so dieFeststellung der Gesellschaft fürtechnische Kommunikation (te-kom) in ihrer letzten Veröffent-lichung (4/2003). Die meisten,die heute in Unternehmen undOrganisationen als ‚TechnischeRedakteure’ arbeiten, tun diesohne klar umrissenes Berufsbildund ohne eine fachspezifischeQualifikation. In Deutschlandsind das 80 Prozent, die meistendavon Ingenieure. Großbritan-nien verfügt als bislang einzigesLand über einen nationalenAusbildungsstandard. Das Wis-sen wird also fast ausschließlichin der Praxis erworben. Das geht

zwangsläufig auf Kosten vonQualität und Effizienz (vgl. te-kom (25) 4/2003, 1115). Imeuropäischen Vergleich sieht esnicht besser aus: In Deutschlandgibt es elf Kurse beziehungswei-se (Aufbau-) Studienprogrammezur Technischen Dokumentation,in Frankreich sind es acht, inGroßbritannien vier, in Schwe-den sechs, in Österreich, Italienund in den Niederlanden gibt esgerade mal jeweils ein Angebot.Der bisher einzige grundständigeStudiengang an einer bundes-deutschen Hochschule, derTechnische Kommunikation alsVollstudiengang anbietet, ist der

Magisterstudiengang „Techni-sche Redaktion“ an der RWTHAachen.

InterdisziplinaritätDas Aachener Konzept des Stu-diengangs „Technische Redak-tion“ ist interdisziplinär angelegtund sieht die Kombinationzweier Hauptfächer vor: Kom-munikationswissenschaft und eintechnisches Fach, wahlweiseGrundlagen Geo-, Bergbau- undHüttenwesen, Grundlagen Ma-schinenbau, Grundlagen Elektro-und Informationstechnik oderInformatik.

Interdisziplinarität wird durchdie fach- und fakultätenübergrei-fende Zusammenarbeit erreicht– aber auch im Fach Kommuni-kationswissenschaft selbst. DasFach ist als Hybridfach konzi-piert und kombiniert denSchwerpunkt Sprachwissenschaftmit Inhalten aus der Medien-theorie, Fachsprachenforschung,Psychologie, Soziologie, Informa-tions- und Kommunikationstech-nologie, Betriebswirtschaft, Tech-nikgeschichte und Recht.

AusbildungszieleWas leistet der Studiengang fürdie Studierenden? Neben techni-

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schen und kommunikationswis-senschaftlichen Grundlagen wer-den Fähigkeiten der Darstellungund Vermittlung fachlicher In-halte vermittelt, zum BeispielKompetenzen in der Zielgrup-penanalyse, Multimediabewer-tung und -optimierung. Die inter-disziplinäre Verknüpfung vonKommunikation und Technik bie-tet den Studierenden sehr guteberufliche Perspektiven und rea-giert auf den Bedarf des Arbeits-marktes.

Die Arbeit in den Seminarenrichtet sich häufig auf konkreteAnwendungsfälle. So haben sichStudierende im Wintersemester

2002/2003 mit Technischer Do-kumentation im Automobil- undim Softwarebereich beschäftigt.Die Veranstaltung wurde in Ko-operation mit zwei einschlägigenUnternehmen durchgeführt. DieStudierenden hatten die Aufga-be, die technischen Dokumenteder Firmen in einem konkretenSzenario zu testen, die Tester-gebnisse auszuwerten und Op-timierungsvorschläge zu unter-breiten. Im Anschluss wurdendie Ergebnisse einem professio-nellen Publikum vorgestellt undmit Fachleuten diskutiert.

Zahlreiche Projekte und Ini-tiativen begleiten den Studien-

gang und machen die Techni-sche Redaktion zu einem leben-digen Fach nach innen und au-ßen. Die RWTH Aachen bietetals eine der größten technischenHochschulen in Deutschlandeinen optimalen Standort.

Projekt „Hypermedia-Tutor. Eine webbasierte Lehr-Lern-Umgebung“Zusammen mit Studierendenwurde in dem Projekt eine E-Learning-Plattform entwickelt,die Wissen und Methoden derInformationsaufbereitung für dasWeb vermittelt. Themen sindbeispielsweise das Strukturieren,Texten und Visualisieren vonWebinhalten. Das Projekt wurdevom Universitätsverband Multi-media NRW gefördert.

Sommerschool „InformationDesign for Mobile Devices“Im September 2001 fand in Aa-chen eine internationale Som-merschool zu Fragen der Infor-mationsgestaltung für Mobil-funkanwendungen statt. ImZuge der Entwicklung von draht-losen Anwendungen für Handys(WAP), durch die eine mobile In-formationsabfrage möglich wird,wurde diskutiert, wie Informatio-nen für Displays gestaltet seinmüssen, die gerade mal so großsind wie eine Streichholzschach-tel.

Usability-TestingDas Testen von Anwendungenam Computer, zum BeispielWebsites, ist Gegenstand des so genannten Usability-Testings(Tests zur Nutzerfreundlichkeit).Dazu werden ausgewählte Ver-suchspersonen gebeten, typischeAufgaben am Computer zu bear-beiten, so beispielsweise dieSuche nach einer spezifischenInformation auf einer Website.Die Versuchspersonen müssen„laut denken“ und werden dabeibeobachtet. Ziel ist es herauszu-bekommen, wie nutzerfreundlichdie Anwendung ist und wo Op-timierungsbedarf besteht.

Autoren:

Univ.-Prof. Dr. phil. Eva-MariaJakobs leitet das Lehr- und For-schungsgebiet Textlinguistik so-wie die Koordination des Studien-gangs „Technische Redaktion“.Jörg Jost M. A. ist Wissenschaft-licher Mitarbeiter im Lehr- undForschungsgebiet Textlinguistiksowie Fachstudienberater undKoordinator des Studiengangs„Technische Redaktion“ Dr. phil. Katrin Lehnen ist Wis-senschaftliche Mitarbeiterin imLehr- und Forschungsgebiet Text-linguistik sowie Koordinatorindes Studiengangs „TechnischeRedaktion“.

Kabelstränge laufen an einem der zahlreichen Server im Rechen-und Kommunikationszentrumzusammen. Bild: Peter Winandy

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03Ingrid Böttcher, Toni Wimmer

„TiK – Technik im Klartext“Studierende der RWTH Aachen schaffen Pressedienst für Schülerzeitungen

m Sommersemester 2001 star-teten nach einjährigem Probe-lauf das TiK-Projekt und das

dazu gehörige Proseminar „Popu-larisieren: Schreiben in Medienund Öffentlichkeit.“

Kernstück des Projekts ist einvierteljährlich erscheinender News-letter in gedruckter Form, derwissenschaftliche Sachverhalte inprägnanter, allgemeinverständ-licher Sprache für Schülerredak-tionen in der ganzen Bundesre-publik aufbereitet. Die Themenaus Forschung, Lehre und akade-mischem Umfeld der RWTHAachen werden von Studieren-den der Studiengänge TechnischeRedaktion und Kommunikations-wissenschaften im Rahmen desProseminars II „Popularisieren:Schreiben in Medien und Öf-fentlichkeit“ recherchiert, formu-liert und redigiert.

Die Texte sowie dazugehöri-ges Bildmaterial werden in einerDatenbank archiviert, auf die dieSchülerredaktionen über dasInternet zugreifen können. DieDatenbank unterstützt die Voll-textsuche oder die Anzeige vonerschienenen Beiträgen sortiertnach Fachbereich beziehungs-weise nach Institut, Lehrstuhloder Einrichtung der RWTH.

Derzeit erlaubt die Daten-bank den Zugriff auf über 300Beiträge in Kurz- und Langfas-sung zu konkreten Forschungs-arbeiten und -ergebnissen. Durchdie hohe Teilnahmebereitschaftder Institute wird eine immerdichter werdende Vernetzungund Integration zwischen denGeistes- und Natur-, beziehungs-weise Ingenieurwissenschaftenmöglich. In enger Zusammenar-beit zwischen dem Institut fürSprach- und Kommunikationswis-senschaft und der Pressestelle derRWTH ist so der bundesweit ers-te Pressedienst einer Universitätfür Schülerzeitungen entstanden.

InstitutionalisierungDas Projekt „TiK – Technik imKlartext“ wird getragen durchDr. Ingrid Böttcher vom Institutfür Sprach- und Kommunikations-wissenschaft und Toni WimmerM. A., dem Leiter der Pressestelleder RWTH Aachen. Das Projektwird fachlich begleitet durchUniv.-Prof. Dr. Eva-Maria Jakobsvom Lehr- und ForschungsgebietTextlinguistik sowie durch Univ.-Prof. Dr. Ludwig Jäger, Lehrstuhlfür Deutsche Philologie vom Ins-titut für Sprach- und Kommuni-kationswissenschaft der RWTHAachen.

Ein parallel eingerichteter Bei-rat tagte inzwischen sehr effektiv.Die Mitglieder – Studierende,Schüler, Lehrkräfte und lokaleJournalisten – kooperierten in-tensiv. Sie betrachten das Projektals wertvolle Unterstützung derSchülerredaktionen. Immer wie-der wurde die Notwendigkeitbetont, wissenschaftliche The-men in dieser Form in das Be-wusstsein der Schüler zu hebenund damit die Perspektiven aufneue Berufsfelder zu eröffnen.

Ziele: Kernkompetenzen undTechnikakzeptanzMit dem Projekt „TiK – Technikim Klartext“ beschreitet dieRWTH neue Wege in der Ver-mittlung von Lehrinhalten, derFörderung von Kernkompeten-zen und der Reflexion von Tech-nikakzeptanz. Die Zielvorstellun-gen betreffen sowohl die Studie-renden als auch die Schüler undSchülerinnen.

Ein wichtiges Ziel des Projek-tes liegt in der Sensibilisierungvon Jugendlichen für Wissen-schaft und Technik. „Wir vermit-teln Technik als wichtiges Kultur-gut und wollen durch umfassen-de Informationen das Bewusst-sein für Technikakzeptanz undTechnikreflexion bei Jugendli-chen fördern. Die RWTH Aachen steht dafür als Beispiel“, so dieProjekt-Verantwortlichen. Wenndabei gleichzeitig Schülerinnenund Schüler für ein Studium ander RWTH motiviert werden, istdies ein positiver Begleiteffekt.Wichtig ist den Verantwortlichenauch, mit den Studierenden denUmgang mit Wissensressourcen zu trainieren und dabei Kernkom-

petenzen aufzubauen: Komplexetechnische Sachverhalte punktge-nau zu recherchieren, zielgruppen-spezifisch und korrekt zu vermit-teln, gehört zu den anspruchs-vollsten und wichtigsten Aufga-ben der Wissensgesellschaft.

Lerneffektiv und öffentlichkeits-wirksamDas Projekt verbindet Studiumund Öffentlichkeitsarbeit. Es be-weist die hohe Motivationskraftprojektorientierten Lernens. Undes schlägt eine Brücke von derUniversität zur Schule. So wun-dert es nicht, dass das Seminarsich einer enorm starken Nach-frage erfreut. Das Engagementder Studierenden ist besondershoch, die Resonanz bei Schüler-zeitungen überaus positiv unddie Anerkennung der Projekt-arbeit in den einzelnen techni-schen Instituten der RWTH gut.

So überzeugte das Projektauch den Stifterverband für dieDeutsche Wissenschaft: im Rah-men des Aktionsprogramms„PUSH – Dialog Wissenschaftund Öffentlichkeit“ 2001 wurde„TiK“ als eine von bundesweitzwölf herausragenden Marke-tingmaßnahmen ausgezeichnetund finanziell gefördert.

Besonders effektiv gestaltetesich der Kontakt zum Projektpa-ten des Stifterverbandes: RangaYogeshwar, Leiter der Programm-gruppe Wissenschaft des West-deutschen Rundfunks und Mo-derator von Wissenschaftssen-dungen. Er gab inzwischen eineFülle von Anregungen und nahmauch wiederholt an TiK – Veran-staltungen teil.

Projektaktivitäten undEngagement der StudierendenJährlich bietet das TiK – TeamWorkshops und Kongresse fürSchülerzeitungen und Lehrerfort-bildungen zum Thema „Schüler-zeitung“ an.

Die intensive Mitwirkung derStudierenden geht weit über dasSeminarprogramm hinaus. Hierist zum Beispiel die Organisationeines großen Schülerkongressesim November 2001, das Schrei-ben eines Drehbuches, die Erstel-lung eines Webfilms, die Kon-zeption und Realisierung einereinstündigen Hörfunksendungim Bürgerfunk zu nennen.

Eine Studierendengruppe hatsich im Sommersemester 2002mit Sponsoring-Aktivitäten fürTiK befasst. Im Wintersemester2002/03 erfolgte in Zusammen-arbeit mit dem Theater Aacheneine Werkstattproduktion nachdem Stück von Carl Djerassi„Sex in Zeiten der technischenReproduzierbarkeit“; das Ergeb-nis des Theaterworkshops wurdeim Rahmen von „5 vor 12 –Wissenschaft vor Mitternacht“aller Aachener Hochschulen undder Stadt sowie bei einem Dis-kussionsabend mit Professoren„Wissenschaft mit fünf Sternen“im Dorint Hotel Quellenhof auf-geführt. Derzeit werden dieseAktivitäten außerhalb des Semi-nars auf die Projektevaluierungkonzentriert. So werden zumBeispiel Studierende Patenschaf-ten von Schülerzeitungsredaktio-nen an einzelnen Schulen Nord-rhein-Westfalens übernehmen.

Weitere Informationen unterwww.tik.rwth-aachen.de.

Autoren:

Dr. paed. Ingrid Böttcher ist Lei-terin des Projekts „TiK – Technik im Klartext“ am Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft.Toni Wimmer M. A. ist Leiter desDezernats für Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit.

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2/2003Christoph Heinen

Lebenslanges LernenWettbewerbsvorteile durch Flexibilität

ngesichts rascher und tief-greifender Veränderungenin allen gesellschaftlichen,

wirtschaftlichen und technischenBereichen kann sich Lernen nichtauf das erste Lebensdrittel kon-zentrieren. Wandel und Wettbe-werb zwingen uns, unser Wissenlaufend zu aktualisieren.

Neue, innovative Produkteund Dienstleistungen bergen einenormes wirtschaftliches Poten-zial. Sie ermöglichen selbst beigesättigten Märkten und steigen-dem internationalen Wettbe-werbsdruck attraktive Gewinn-margen und wirtschaftlichesWachstum. Entsprechend inten-siv streben Unternehmen nachInnovationen.

Eine wesentliche Quelle fürdie Innovationsfähigkeit von Un-ternehmen sind Lernprozesse. Sieproduzieren Wissen, das, wennes in Verbindung mit Aufgabenangewendet wird, zu Kompeten-zen führt. Stiften Kompetenzeneinen überlegenen Kundennut-zenvorteil und eignen sie sichzur Differenzierung im Wettbe-werb, da sie nur schwer zu imi-tieren sind, entstehen Kernkom-petenzen. Kompetenzen bildenso die Grundlage für Innovatio-nen. Technologiebündel, kombi-nierte Fähigkeiten oder organisa-tionale Routinen fließen in dieNeu- oder Weiterentwicklungvon Verfahren, Produkten oderDienstleistungen ein. Innovatio-nen lassen sich damit meist aufLernprozesse zurückführen.

Der langfristig stärkste Hebelzur Nutzung des Innovationspo-tenzials eines Unternehmens liegtinsofern nicht beim aktuell vor-handenen Wissen der Mitarbeiter.Vielmehr sind die Bereitschaftund die Fähigkeit zu lernen, vor-handenes Basiswissen kontinuier-lich aufzufrischen oder sich neuesWissen anzueignen, entschei-dend.

Besonders im technologi-schen Umfeld ist der Druck, dasKnow-how laufend zu aktualisie-ren und zu erweitern, enorm.Die zunehmenden Innovations-raten bei Produkt- und Prozess-technologien verkürzen die Pro-duktlebenszyklen, diktieren im-mer engere Zeitfenster für eineerfolgreiche Marktpräsenz undführen zu einer steigenden unter-nehmensinternen Komplexität.Gleichzeitig werden mit derwachsenden Bedeutung von In-formations- und Kommunikati-onstechnologien nicht nur inno-vative Produkte, sondern auchsich rasch angleichende Wissens-niveaus sowie völlig neue Wett-bewerbsformen und Geschäfts-modelle geschaffen. Unternehm-en, die im heutigen Technologie-umfeld zukunftsfähig sein wol-len, müssen mindestens soschnell lernen, wie sich ihr Auf-gabenumfeld ändert.

Neben dem Fachwissen zähltdie Management-Kompetenz zuden entscheidenden Schlüssel-qualifikationen oberer und mitt-lerer Führungskräfte. Eine allge-mein zu beobachtende zuneh-mende Professionalisierung derUnternehmensführung verlangtauch vom nicht-kaufmännischvorgebildeten Spezialisten, derVerantwortung für Mitarbeiterübernimmt und budgetverant-wortlich eine Organisationsein-heit leitet, grundlegendes Mana-gement-Know-how. Darunterfällt ein betriebswirtschaftlichesAnalyse- und Urteilsvermögen,welches ihm hilft, ökonomischsinnvolle Entscheidungen zu tref-fen. Hinzu kommen soziale Kom-petenzen und die Fähigkeit, alsFührungskraft Veränderungspro-zesse zu managen.

Diese Qualifikationen wer-den niemandem in die Wiegegelegt, sie müssen weitgehendsystematisch erlernt und an sichändernde Arbeitsanforderungenangepasst werden. Weiterbil-dung wird damit zu einer Dauer-aufgabe, die immer weniger eineBring-Schuld zentraler Personal-abteilungen ist. Hier ist zuneh-mend die einzelne Führungskraftim individuellen Arbeitsumfeldgefordert, denn je häufiger sichdie Anforderungen an die Mitar-beiterqualifikation aufgrundwechselnder Arbeitsabläufe oderAufgaben ändern, desto wenigerlassen sich Arbeiten und Lernen

voneinander trennen. Die Initi-ative geht demnach zunehmendvom Einzelnen aus, der sich amaufgabenspezifischen Bedarf ori-entiert. Er sichert damit zudemeigenverantwortlich seine Be-schäftigungsfähigkeit, indem erWissen erwirbt und sich Kom-petenzen aneignet. Den „Returnon Weiterbildung“ streicht somitnicht nur das Unternehmen ein.Vielmehr profitiert auch der Ein-zelne in erheblichem Maße.

Erst eine dezentral lernendeOrganisation ermöglicht eineschnelle und wirksame Adaptionan ein geändertes Umfeld. DiePersonalentwicklung übernimmtin diesem Fall eher eine unter-stützende, beratende Funktion,die den Selbstlernprozess fördertund Rahmenbedingungen schafft,beispielsweise in Corporate Uni-versities. Sie sind ein Nukleus derUnternehmenskultur, wo Weiter-bildung nicht nur eine strategie-

erfüllende Funktion hat, sondernauch strategiegestaltend einge-setzt wird.

Die Fähigkeit eines Unterneh-mens, sich flexibel an geänderteRahmenbedingungen anzupas-sen, stellt wohl den wichtigstenWettbewerbsvorteil einer lernen-den Organisation dar. Die erlang-te Flexibilität mündet in einemselbstverständlichen, positivenUmgang mit dem Wandel, deraus einer Position der Stärke her-aus selbstbewusst als Chance an-genommen werden kann. Konti-nuierliches Lernen ist der Preisdafür.

Autor:

Dr. rer. pol. K. Christoph Heinenist Geschäftsführer der AachenGlobal Academy (AGALC), derWeiterbildungsakademie derRWTH Aachen.

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„Lernen ist wie Rudern gegen den Strom.Sobald man aufhört, treibt man zurück.“

Benjamin Britten

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Karl R.Kegler

„Technik begreifen“Ein interdisziplinäres Seminarkonzept für Studierende des Lehramts und der Ingenieurwissenschaften

ür eine technologisch hoch-entwickelte Industriegesell-schaft ist die langfristige Si-

cherung des Qualitätsstandardsvon Bildung und Ausbildungüberlebenswichtig. Daher ist esvon großer Bedeutung, die ge-sellschaftliche Relevanz von Wis-senschaft und Forschung in denverschiedenen Bereichen derTechnologieentwicklung in derLehrerbildung fest zu verankern,damit der schulische Unterrichtzu einem aufgeklärten und kom-petenten Umgang mit techni-schen Entwicklungen beiträgt.Technik kann nicht allein den Ex-pertinnen und Experten ihrerEinzeldisziplinen überlassen blei-ben, denn die moderne Weltbedarf technikaufgeklärter undtechnikbewusster Bürgerinnenund Bürger, um die Dinge, mitdenen sie umgeht, in angemes-sener Weise wertzuschätzen undzu nutzen. Von entscheidenderBedeutung ist daher, dass dieBeschäftigung mit Technik auchin den kultur- und geisteswissen-schaftlichen Fächern und in derLehrerausbildung ihren Platz fin-det. Eine Voraussetzung für dieVermittlungen eines solcherartdifferenzierten Verständnissesvon Technik ist eine Zusammen-arbeit zwischen den Disziplinen,um die Erscheinungsformen vonTechnik fundiert einordnen undbewerten zu können.

Aus diesen Grundüberlegun-gen heraus bietet das Forum‘Technik und Gesellschaft’ je-weils im Sommersemester dasinterdisziplinäre Seminar „Tech-nik begreifen“ an. Fünf Hoch-schullehrer aus geistes- und inge-nieurwissenschaftlichen Diszipli-nen der RWTH – Philosophie,Produktionssystematik, Informa-tik im Maschinenbau, BildsameFormgebung und Kommunika-

tionswissenschaft – sowie derLeiter der RWTH-Pressestellestellen in diesem Seminar unter-schiedliche Aspekte des Technik-verständnisses, des Einsatzes,der Entwicklung, der Auswirkun-gen und der Kommunikationvon Technik dar. Das Seminar-programm zielt auf die Vermitt-lung und Vertiefung fachüber-greifender Kompetenzen in derDarstellung und Beurteilung vonTechnik bei Lehramts-, aber auchbei Ingenieur- und Magisterstu-dierenden, für die die Veranstal-tung ebenfalls geöffnet ist. Einwichtiges Motiv bei der Zusam-menstellung der beteiligten Diszi-plinen war es, die an der RWTHverfügbaren Fächerkombinatio-nen stärker zu nutzen, um be-sondere Aachener Akzente inder Lehrerausbildung zu setzen.

Ziele des Seminars sind so-mit eine Verknüpfung von gei-stes- mit ingenieurwissenschaft-lichen Fragestellungen und derErwerb von Kompetenzen in derBeurteilung wie Vermittlung vonTechnikthemen. Die Studieren-den sollen Einblick in verschiede-ne Felder der Technikentwick-lung, in interdisziplinäre und ge-sellschaftliche Implikationen vonTechnik, Technikfolgenabschät-zung und in die Grundlagen ethi-scher Ingenieurverantwortung er-halten. Es ist eine methodischeGrundüberlegung des Seminars,dass Geistes- und Gesellschafts-wissenschaftler und Studierendeder Ingenieurwissenschaften indiesem Seminar gemeinsam mit-einander und voneinander ler-nen. In jeder Sitzung lernen dieStudierenden nach einem Vorle-sungsblock in der Diskussionoder in gemischten Teams beider Bearbeitung konkreter Auf-gaben die Herangehensweisenund das Selbstverständnis deranderen Disziplinen kennen.

Die verschiedenen themati-schen Schwerpunkte der Sitzun-gen – Technikreflexion: Zum We-sen der Technik, TechnischerFortschritt und Veränderungender Betriebs- und Arbeitsorgani-sation, Technikfolgenabschät-zung und Technikgestaltung,Technik, Arbeit und Produktent-wicklung sowie Technik im Spie-gel der Medien – werden imVerfassen von kurzen Texten

oder Stellungnahmen praktischerprobt und diskutiert. Abschlie-ßend werden die Ergebnisse prä-sentiert und ausgewertet. Ge-meinsames Leitthema der Sitzun-gen fungierte im letzten Semes-ter das Thema (Auto)Mobilität,das den Studierenden aus ihrerAlltagserfahrung vertraut ist.Weil die Vermittlung von inter-disziplinärer Technikkompetenzfür die Studierenden der ange-sprochenen Fachgebiete nichtselbstverständlich ist, bedarf siebesonderer didaktischer Aufbe-reitung. Deshalb wurde bewusstdie Veranstaltungsform einesSeminars und keine „Ringvorle-sung“ als Zusammenstellung vonEinzelvorträgen gewählt. Die Se-minare finden grundsätzlich inden Instituten statt, die eine Sit-zung auch inhaltlich bestreiten.Dies hat den Vorteil, dass dieStudierenden – soweit es dieKürze der Zeit erlaubt – aucheinen Einblick in die Arbeitswei-sen und Schwerpunkte der Insti-tute gewinnen. Sehr positiv wur-de von den Studierenden die Be-gehung von zwei Werkstatt- undLaboreinrichtungen aufgenom-men: des Werkzeugmaschinenla-bors und des Instituts für Bildsa-me Formgebung. Vielen Teilneh-mern ist zwar die Vielfalt der in-genieurwissenschaftlichen Fach-institute an der RWTH bekannt,die Rundgänge bieten jedoch ofterstmals eine Anschauung vonMaschinen und Systemen, diedort zum Einsatz kommen. Gera-de die Anschauung ist über eintheoretisches Erfassen von Tech-nik hinaus ein wichtiges Elementder Technikvermittlung, da siedie praktische Relevanz vor Au-gen führt.

Ein wichtiger Anreiz für dieStudierenden ist die Anerken-nung der Seminarleistung imRahmen ihrer jeweiligen Studien-gänge, ein bei der Vielzahl deran der RWTH angebotenenStudienrichtungen, Prüfungsord-nungen und Abschlüsse nichtganz einfaches Kapitel. Studie-rende der Ingenieurwissenschaf-ten (Maschinenbau) haben dieMöglichkeit, das Seminar alsnichttechnisches Wahlfach zu be-legen. Anerkennungsmöglichkei-ten bestehen auch in bestimm-ten Lehramts- und Magisterstu-diengängen. Es gibt kein anderesSeminar an der RWTH, das indieser Breite in verschiedenenStudiengängen angerechnet wer-den kann. Dies ist nur durch dieKooperation der Fakultäten undFachstudienberater möglich ge-worden.

Das Seminar „Technik begrei-fen“ ist nur eine von vielen Ver-anstaltungen, die sich in jedemJahr mit den interdisziplinärenKontexten und Implikationenvon Technik beschäftigen. In je-dem Semester werden vomZLW/IMA (Zentrum für Lern-und Wissensmanagement/Insti-tut für Informatik im Maschinen-bau) interdisziplinäre Kolloquienzur Technikfolgenabschätzungund Technikgestaltung angebo-ten, die jeweils einem aktuellenSchwerpunktthema gewidmetsind. Auch die interdisziplinärenRingvorlesungen des Außen-Instituts und des Forums Infor-matik haben sich wiederholttechnischen Themen von gesell-schaftlicher Bedeutung gewid-met. Im Wintersemester 2002/2003 wurde außerdem nebeneiner allgemeinen Ringvorlesung„Faszination Technik“ eine Vor-lesung und ein Oberseminar„Technik-Kultur-Politik“ vom His-torischen Institut konzipiert unddurchgeführt. Im Februar 2003widmete sich ein eigener Work-shop der Geschichtsdidaktik imwiedereingeführten Lehramtsstu-diengang Geschichte. Einer derSchwerpunkte war Technik alsThema des Geschichtsunterrich-tes.

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Die Gestaltung dieser Stu-dienmodule erfolgt mit großemEngagement der beteiligtenHochschullehrer und Instituteund werden von den Dozentenfast sämtlich über ihre regulärenLehrverpflichtungen hinaus ange-boten. Aber auch bei den Teil-nehmern sind Offenheit undNeugier für andere Bereiche undPerspektiven, die Bereitschaft für

eine gegenseitigen Sensibilisie-rung für andere Methoden undFragestellungen sowie ein Be-wusstsein von der Begrenztheitund Ergänzungsbedürftigkeit dereigenen Disziplin gefragt, umandere Methoden und Aspekteals fruchtbare Ergänzung sehenzu können.

Autor:

Dipl.-Ing. Karl R. Kegler istGeschäftsführer des ForumsTechnik und Gesellschaft.

Femtosekundenlaser-Labor desII. Physikalischen Instituts derRWTH Aachen. Justierung einesTitan-Saphir-Femtosekunden-Lasers zur Erzeugung von ultra-kurzen Laserpulsen, die kohä-rente Spinzustände in Halblei-tern für die zukünftige Quanten-Informationsverarbeitung anre-gen. Bild: Peter Winandy

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03Frank Hees, Andrea Heide

„Lernen ohne Grenzen“ lässt AachenTechnikvermittlung unter interkulturellen und interdisziplinären Aspekten

ernen ohne Grenzen“ –das heißt sowohl übernationale als auch re-

gionale, institutionelle und fachli-che Grenzen hinweg Lösungenfür bedarfsgerechte und zu-kunftsfähige Bildung in der Re-gion Aachen zu entwickeln. Ins-besondere in der Euregio Maas-Rhein ist vernetztes Lernen unddas Entwickeln von innovativenAngeboten in der Bildung einevorrangige Aufgabe und einzigar-tige Chance.

Ziel des Projektes „Lernenohne Grenzen“ ist die Entwick-lung von Maßnahmen für le-bensbegleitendes Lernen. Hierzuwerden neue Formen der Zu-sammenarbeit initiiert und dieBildungs-Akteure in der Regionzusammengebracht. In der Re-gion Aachen haben sich bereitsTeilnetzwerke in den BereichenArbeit, Umwelt und Gesellschaftzusammengefunden. Es werdenneuartige Bildungskonzepte ent-wickelt und miteinander ver-netzt, um neue Synergien undKooperationen zu erschaffen.

Das Teilnetzwerk „Mensch,Umwelt, Haus“ (M-U-H) ent-wickelt sowohl für die euregiona-le Wirtschaft als auch für dieschulische und betriebliche Lehreinnovative Lernzugänge für dieVermittlung zentraler umweltre-levanter und technischer Lebens-zusammenhänge.

Das Teilnetzwerk „Lernen füreine euregionale Zukunft“ (EUZ)trägt zur Bildung einer grenz-überschreitenden Identität bei,indem es dazu motiviert, selbst-bewusst und tolerant die Nach-barn und ihre Sichtweisen zuverstehen und zu schätzen.

Das Teilnetzwerk „Lebenslan-ges Lernen für den Job“ (JOB)schlägt eine Brücke zwischendem Mangel an qualifiziertenArbeitskräften in zukunftsträchti-gen Branchen und dem Verlustan Arbeitsplätzen in traditionel-len Wirtschaftszweigen, indemes privatwirtschaftlich organisier-te Qualifizierungs- und Vermitt-lungsformen anbietet.

Die QuerschnittsaufgabenDiversity Management, Bildungs-beratung, IT-Plattform und dieEntwicklung eines MethodischenBaukastens verbinden die Aktivi-täten der Teilnetzwerke.

Geförderte Partner im Pro-jekt „Lernen ohne Grenzen“ sinddas Lehr- und ForschungsgebietAbfallwirtschaft der RWTH, dasSolarinstitut Jülich, die Volks-hochschule Aachen und der Ver-ein der Unternehmerverbändeder Aachener Region. Das Zen-trum für Lern- und Wissens-management (ZLW) der RWTHfungiert sowohl als Schnittstelleder Wissensvermittlung vontechnischen Inhalten und didakti-schen Lehrkonzepten als auch

als Projektkoordinator des Ver-bundprojektes „Lernen ohneGrenzen“. Das Projekt wird imRahmen des Programms „Ler-nende Regionen“ vom Bundes-ministerium für Bildung undForschung und dem europäi-schen Sozialfonds gefördert.

Aus dem Mosaik der einzel-nen Aktivitäten der Teilnetzwer-ke und Querschnittsaufgabensollen hier nur einige „Mosaik-steine“ vorgestellt werden, die„Technikvermittlung unter kultu-rellen und interdisziplinären As-pekten“ modelltypisch umsetz-ten.

Spielend Lernen Im Rabental hinter dem Klini-kum der RWTH wird ein „Frei-landlabor Wasser“, ein Versuchs-teich mit Labor, für Schülerinnenund Schüler aller Alterstufen er-richtet. Dieser außerschulischeLernort bietet ihnen die Chance,bereits während der Planungund Umsetzung des Projektspraktisch und engagiert mitzu-helfen. Durch die Zusammenar-beit mit der Pestalozzi-Haupt-schule in Alsdorf erfolgten imMai diesen Jahres erste Maß-nahmen zum naturnahen Unter-halt des Dorbachs. Dieser wirdals temporäres Fließgewässerdauerhaft in das Gesamtkonzeptdes Freilandlabors eingebunden.

Das Berufskolleg für Gestal-tung und Technik Aachen wird

bereits während des Teichbausfortlaufende chemische Analysendes Wassers vornehmen. DieseAufgabe wird von Auszubilden-den der Fachrichtung Chemie-laborant/-in übernommen. DieAnalysen bilden die Grundlagefür eine Datenbank, auf die spä-ter alle Teilnehmer des Netz-werks – insbesondere Schüler intechnisch-naturwissenschaftli-chen Fächern – zugreifen kön-nen. Sie sollen auch die Pflegeder Datenbank im Wesentlichenübernehmen und auf diese Wei-se informationstechnologischeKenntnisse erwerben. Dadurchsoll das Eigenengagement, derSpaß an Planung und Organisa-tion sowie Verantwortung beiden Jugendlichen geweckt wer-den. Nicht zuletzt wird dabei derUmgang mit Messtechnik undDatenverarbeitung spielerisch er-lernt.

Lernen mit Methode Der am ZLW/IMA entwickeltemethodische Baukasten ist einInstrument, das Bildungsanbie-tern der Region ermöglichensoll, neue Lernmethoden ge-meinsam zu entwickeln, beste-hende Formen zu optimierenund bewährte Konzepte aufandere Bildungsbereiche zu über-tragen. Insbesondere in der Di-daktik der Technikvermittlungexistiert ein erhebliches regiona-les Know-how, das bislang nur

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und seine Nachbarn enger zusammen rücken

sehr eingeschränkt weitergege-ben oder gar auf andere Bil-dungsbereiche (zum Beispiel vonSchule zu Hochschule und/oderumgekehrt) übertragen wird.Wie beim Umgang mit einemModellbaukasten kann der Nut-zer auf existierende Methodenzurückgreifen, sich praktischeAnwendungserfahrungen dazueinholen und notwendige odergewünschte Modifikationen mitKollegen diskutieren.

Umweltorientiertes Bauen erlernen

„UmBau“ heißt bei Insiderndie vom Arbeitsamt Aachen ge-förderte einjährige modellhafteWeiterbildungsmaßnahme zumumweltschonendes Bauen. Unterder Federführung des Solar-Insti-tuts Jülich vermitteln fast 40 Ex-perten aus Wirtschaft und For-schung ihr Wissen an 22 arbeits-suchende Ingenieure und Natur-wissenschaftler der Fachrichtun-gen Architektur, Bauingenieur-wesen, Raumplanung und Bio-logie. Themenschwerpunkte sindökologische Bauweisen und -stof-fe, energieoptimierte Gebäude-technik, Nutzung erneuerbarerEnergien und die entsprechen-den gesetzlichen Grundlagen.Ergänzend werden außerfachli-che Kompetenzen vermittelt wiezum Beispiel Kommunikation,Präsentation, Moderation undProjekt- und Konfliktmanage-

ment. In einem sechsmonatigenPraktikum kann das Erlernteangewendet werden. Außerdemgehören zu diesem innovativenWeiterbildungskonzept umfang-reiche Workshops zu den The-men Neubauplanung und Alt-bausanierung. Zahlreiche Exkur-sionen runden das Projekt abund initiieren neue Kontakte in-nerhalb der Branche. Regelmäßigdurchgeführte Teilnehmerbefra-gungen und Feedbackrunden bil-den die Grundlage für einen kon-tinuierlichen Optimierungsprozess des Modellprojektes.

Industrialisierung im „Drei-ländereck“ – aus der GeschichtelernenGanz gleich, ob es sich um Stu-dierende der technischen Fächerhandelt, um Lehrerinnen undLehrer, denen das Curriculumdie Auseinandersetzung mit derIndustrialisierung vorschreibtoder ganz einfach um Menschenaus dem Dreiländereck, die sichfür ihre Heimat interessieren –unter dem aussagekräftigen Na-men „HisTour“ bietet die VHSAachen Exkursionen zum ThemaIndustrialisierung an. Anhandder Industriegeschichte der Re-gion werden die verschiedenenIndustriestandorte in einen ge-meinsamen Kontext gebracht.Dabei wird nicht nur die Vergan-genheit illustriert, sondern auchder Bezug zur Gegenwart herge-

stellt. Stellvertretend für die heu-tige Zeit werden Einrichtungenwie der „Technologiepark Herzo-genrath“, das „European Busi-ness Center“ oder das grenz-überschreitende Gewerbegebiet„Avantis“ in das Konzept einge-bunden. Zeitzeugen der Vergan-genheit sind beispielsweise dieGrube Anna II in Alsdorf, dasIndustrion in Kerkrade oder dasMuseum in der Bergarbeiter-siedlung Eijsden.

Weitere Informationen imInternet unter www.lernen-ohne-grenzen.de

Ausbildungs-Projekt „Fit für dieLehre“ in den Räumen desAachener TechnologiezentrumsTZA. Bild: Peter Winandy

Autoren:

Dr. rer. nat. Frank Hees ist Leiterdes Bereichs Kommunikations-und Organisationsentwicklung desZentrums für Lern- und Wissens-management / Lehrstuhl Infor-matik im Maschinenbau(ZLW/IMA).Dipl.-Ing. Andrea Heide ist Wis-senschaftliche Mitarbeiterin amZLW/IMA und im Projekt Ler-nen ohne Grenzen unter ande-rem für die Öffentlichkeitsarbeitzuständig.

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David Krause

Getrennte Welten? Veranstaltung überbrückt Kluft zwischen Natur- und Geisteswissenschaften

as Geistesleben zerfällt inzwei unterschiedliche Kul-turen, eine naturwissen-

schaftlich-technische und einegeisteswissenschaftlich-literari-sche. Dies ist der Kerngedankeeiner viel beachteten Rede („Diezwei Kulturen“), die der Physikerund Literat C.P. Snow im Jahre1959 hielt. Die Vertreter dieserbeiden Kulturen verstünden ein-ander nicht, redeten aneinandervorbei, hätten jeweils ihre eige-nen Regeln und Argumentations-weisen.

Diese Kluft zu überbrückenwar Ziel der Veranstaltung „Ge-trennte Welten? Was sollten In-genieure und Naturwissenschaft-ler von Methodik und Fragestel-lungen der Geistes- und Human-wissenschaften wissen?“, die imSommersemester 2003 an derRWTH Aachen angeboten wur-de. Die Veranstaltung richtetesich vor allem an Studierendeder technischen und naturwis-senschaftlichen Fächer, war aberauch für alle anderen Interessier-ten offen.

Der fragende Titel verdeut-licht den doppelten Anspruch derVeranstaltung. Ziel war es einer-seits, den Teilnehmern ausge-wählte geistes- und humanwis-senschaftliche Fächer näher vor-zustellen, ihnen einen Einblick zu geben in das Denken und Arbeiten für sie zunächst fremder Fächer.Die Kenntnis, die Studierendevon anderen Disziplinen haben,ist häufig sehr gering, so ist lei-der immer wieder festzustellen –trotz aller Forderungen nach In-terdisziplinarität und inhaltlicherNähe vieler Disziplinen bezie-hungsweise Fragestellungen. Vie-len Studierenden ist unklar, wasder Sinn, der Zweck andererDisziplinen überhaupt ist, wasGegenstand ihrer Forschung istund mit welchen Methoden siebei ihren Untersuchungen vorge-hen. Hinzu kommt, dass es aufbeiden Seiten viele Vorurteilegibt. Dies erschwert das Verhält-nis von Natur- und Geisteswis-senschaftlern zusätzlich. Natur-wissenschaftler halten die Geis-teswissenschaften oft für unwis-senschaftlich, praxisfern und in-effektiv. Dass die Geistes- undHumanwissenschaften nicht„nutzlose Diskussionswissen-schaften“ sind und durchausgroße Relevanz für die Praxis imallgemeinen und für die techni-schen und naturwissenschaft-lichen Disziplinen im besonderenhaben – dies deutlich zu machenund exemplarisch vorzuführenwar ein Ziel der Veranstaltung.[dies ist bereits das zweite, imkommenden Absatz beschriebe-ne Ziel. deshalb vielleicht besser:... war das zweite Ziel der Veran-staltung]

Ein weiteres Ziel war es, denTeilnehmern den Nutzen bezie-hungsweise den Wert, den dieausgewählten Fächer für sie undihr Fach haben, aufzuzeigen.Denn Technikentwicklung und -anwendung sind nicht ausschließ-lich technische Angelegenheiten.Vielmehr stehen sie in vielfälti-gen gesellschaftlichen, wirtschaft-lichen und sozialen Bezügen.Dies hat zur Folge, dass Geistes-und Humanwissenschaftler einenwichtigen Beitrag zur Entwick-lung und Anwendung von Tech-nik leisten. Sie verfügen überKompetenzen und Kenntnisse,die von großer Relevanz für diePraxis sind. Die so genannten

„soft Skills“ (soziale, kommunika-tive und argumentative Fähigkei-ten) sind nur ein Beispiel. So soll-te die Veranstaltung dazu beizu-tragen, Vorurteile abzubauenund Kooperationsmöglichkeitenaufzuzeigen.

Um dem doppelten Anspruchgerecht zu werden, gliederte sichdie Veranstaltung in zwei Teile.In einem Vortrag stellten ausge-wiesene Vertreter verschiedenergeistes- und humanwissenschaft-licher Fächer zunächst ihr Fachin einer auch für den Laien ver-ständlichen Sprache vor. Es han-delte sich um die Fächer Ge-schichte (vertreten durch Profes-sor Armin Heinen), Literaturwis-senschaft (Professor Axel Gell-haus), Philosophie (ProfessorWolfgang Kuhlmann), PolitischeWissenschaft (Professor HelmutKönig), Soziologie (ProfessorPaul B. Hill), Sprachwissenschaft(Professor Christian Stetter) undTheologie (Professor Ulrich Lüke).Vorgestellt wurden anhand vielerpraktischer Beispiele Inhalte, Fra-gestellungen und Methoden derjeweiligen Disziplinen sowie der„Nutzen“, den sie für andere Dis-ziplinen haben.

In der Wissenschaftstheorieetwa werden grundsätzliche Fra-gen gestellt und beantwortet.Was zeichnet wissenschaftlicheErkenntnis aus? Was unterschei-det Wissenschaft von Nicht-Wis-senschaft? Sind die Ergebnisseder Naturwissenschaften wirklichso sicher und objektiv, wie häu-fig behauptet wird? Was sindeigentlich Experimente, Beobach-tungen und Gesetze? Antwortenauf diese und ähnliche Fragenbilden die Grundlage, auf derwissenschaftliches Arbeiten über-haupt erst möglich ist.

Während der Veranstaltun-gen wurde viel Raum für Diskus-sion gelassen, der intensiv ge-nutzt wurde. Neben der Fragenach Kooperationsmöglichkeitenstand immer wieder die Fragenach der Wissenschaftlichkeitund Objektivität der vorgestell-ten Fächer im Zentrum. DemVortrag schloss sich dann eineÜbung an, in der – durch ge-meinsame Lektüre, Diskussionund praktische Übungen – Inhal-te vertieft wurden. Hier hattendie Studierenden die Möglich-keit, Erwartungshaltungen an dievorgestellten Fächer zu formulie-ren und deren Berechtigung zudiskutieren.

Ergänzt wurde das „geistes-wissenschaftliche Angebot“ durchzwei Vertreter nicht-geisteswissen-schaftlicher Disziplinen. ProfessorKlaus Henning vom Zentrum fürLern- und Wissensmanagement/ Lehrstuhl Informatik im Ma-schinenbau sprach zum Thema„Interdisziplinäres Arbeiten in derPraxis“. Die von Professor UlrichKölle (Institut für AnorganischeChemie) geleitete Sitzung wid-mete sich dem Verhältnis vonNatur- und Geisteswissenschaf-ten.

Leider war die Zahl der Stu-dierenden aus geistes- und hu-manwissenschaftlichen Fächerngering, für einen echten interdis-ziplinären Austausch wäre einehöhere Zahl an Studierenden geis-tes- und humanwissenschaftlicherFächer wünschenswert gewesen.

Die Veranstaltung kann den-noch als Erfolg bewertet werden.Die Studierenden fanden es sehrspannend, über den eigenen Tel-lerrand zu schauen und zugleichden Wert, den andere Fächer fürsie haben, für sich zu erkennen.So wurde festgestellt, dass dieKluft zwischen Natur- und Geistes-wissenschaften gar nicht so großist, wie auf den ersten Blick ver-mutet. Trotz gewisser Unterschie-de in den Inhalten und Herange-hensweisen wurden auch vieleGemeinsamkeiten erkannt.

Autorin:

David Krause M. A. ist Wissen-schaftlicher Mitarbeiter im Philo-sophischen Institut.

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Karl R.Kegler

Technik als Weltkultur?Seit 15 Jahren besteht das interdisziplinäre Forum ‘Technik und Gesellschaft’

ls Plattform für übergreifen-de Fragestellungen auf derSchnittstelle zwischen den

technikorientierten und den kul-turwissenschaftlichen Fächern ander RWTH wurde vor fünfzehnJahren das interdisziplinäre Fo-rum ‘Technik und Gesellschaft’gegründet. Die Motivation fürdie Gründung bezog sich aus derEinsicht, dass die technikorien-tierten und die kultur- und gesell-schaftsorientierten Disziplinen ineinen engeren Dialog miteinan-der treten sollten. Technik be-einflusst Lebenswirklichkeit, Ar-beit und Kultur. Technische Ent-wicklungen wiederum werdennicht allein durch Rationalisie-rung und innertechnische Sach-zwänge bestimmt. Deshalb soll-ten sowohl Kulturwissenschaftlerwie Ingenieure ein besseres Wis-sen von den Auswirkungen tech-nischer Systeme besitzen, umGestaltungsmöglichkeiten erken-nen und nutzen zu können.

Das Forum ist ein Zusam-menschluss von heute beinahe70 Professoren und Institutenaus allen Fakultäten der RWTHund fungiert als ein Netzwerk, indem die Mitglieder, unterstütztdurch die Geschäftsstelle, ge-meinsame Initiativen in For-schung, Lehre und im fachüber-greifenden Diskurs unternehmen.Gerade der fortlaufende Diskursist eine zentrale Aufgabe desForums, denn schon in der je-weils verwendeten Fachsprachezeigt sich, dass Begriffe oft un-terschiedlich verstanden werdenkönnen. Im Austausch dieser un-terschiedlichen Sichtweisen undMethoden ergeben sich neuePerspektiven, die gemeinsam be-handelt werden können.

Kultur und Kompetenz derZusammenarbeit sind zugleichein Ausbildungsziel, das den Stu-dierenden vermittelt werden soll;Kooperationsfähigkeit und Ko-operationskompetenz über Fach-grenzen hinweg stellen auch inder Wirtschaft wichtige Qualifi-kationen dar. Aus den fachüber-greifenden Diskussionen und Ko-operationen im Forum habensich so eine Reihe von interdiszi-plinären Lehrangeboten entwik-kelt. Ziel dieser interdisziplinärenLehrangebote kann allein Berufs-vorbereitung, nicht aber die He-ranbildung von allseitig kompe-tenten Universalwissenschaftlernsein. Ein Studium muss heutemit großer Fachbreite möglichstviele Berufsfelder erschließen.Daher ist es notwendig, dassAbsolventen die Grundlagen vonTheorien und Entscheidungspro-zessen gut beherrschen und denzukünftigen Veränderung in ihrerBerufszeit folgen können. Nebeneinem exzellenten Wissen im ei-genen Fachgebiet ist dazu ebenauch ein Wissen von anderenDenkkulturen und Lösungswe-gen sowie die Fähigkeit zur Ver-knüpfung dieser Antworten ausunterschiedlichen Disziplinen er-forderlich.

Technik als Suprakultur?Die Schwierigkeit interdisziplinä-rer Technikvermittlung erschöpftsich jedoch nicht allein in denungleichen Methoden und Fra-gestellungen der verschiedenenDisziplinen, sie ist auch ein inter-kulturelles Problem. Im Zeitalterder Globalisierung führen markt-wirtschaftliche Zwänge zu einerweltweiten Verbreitung ähnlichertechnischer Lösungen und Stan-dards. Nach Auffassung des Hal-lenser Kommunikationswissen-schaftlers Gerd Antos ist Technikeine bereichsspezifische Supra-kultur: Eine über nationale undtraditionell-kulturräumliche Tra-ditionen hinausgehende Kultur.Die Welt ist von mehrere be-reichsspezifischen Suprakulturengeprägt: Medizin, Medien- undMusikkultur, Wirtschaft oderÖkologie. BereichsspezifischeSuprakulturen konkurrieren he-ute in vielen Ländern mit ge-wachsenen, ethnisch, religiösund geoökologisch geprägtenKulturen einerseits – andererseitsrelativieren globale Suprakultu-ren und damit eben auch die„Weltkultur Technik“ traditionelleethnisch oder religiös definierteKulturen und beschneiden sie inihren Ansprüchen, Funktionenund Fähigkeiten. Der Exportwestlicher Technik, Ausbildungs-systeme, Populärkultur, Verhal-tensmuster und Konsumgewohn-heiten stellt für andere Kulturenein verschärftes Identitätspro-blem dar. Aus der Frage nachder eigenen Identität resultiertmitunter die Empfindung vonModernisierung als Bedrohungund als Gegenreaktion die Fluchtin eine abgrenzende kulturelleIdentität. Die technische Moder-ne ist eine der wenigen weltum-spannenden Phänomene, die inden konkreten Lebensalltag bei-nahe aller Menschen hinein-reicht. Ein besseres Verstehender hier wirksamen Faktoren isteine wichtige Aufgabe für zu-künftige Technikgestaltung undWissensvermittlung.

Autor:

Dipl.-Ing. Karl R. Kegler istGeschäftsführer des ForumsTechnik und Gesellschaft.

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Gunter Heim

Technik und Gesellschaft – ein Forschungsthema?Vom Mythos der Technikfeindlichkeit

echnikfeindlichkeit ist inDeutschland weder beson-ders ausgeprägt noch auf

dem Vormarsch. Insbesonderedie Jugend ist technikfreund-licher als die ältere Generation.Die Medien widmen sich zuneh-mend auch technischen Themenund sie bilden diese kritisch unddifferenziert aber nicht dramati-sierend ab.

Diese Einschätzungen sindnicht etwa den Werbeunterlageneines Technologieunternehmensmit geplantem Börsengang ent-nommen, sondern sie basierenauf veröffentlichten Studien desBüros für Technikfolgen-Abschät-zung beim Deutschen Bundestagder letzten Jahre.

Demnach betrachten dieDeutschen technologische Poten-ziale und Risiken auf durchaussehr differenzierte Weise. Risiko-behaftete Großtechnologien wieetwa die Nutzung der Kernener-gie werden weitgehend abge-lehnt, wohingegen Gebrauchs-und Haushaltstechnologien einhohes Maß an Akzeptanz fin-den.

Ähnlich zwiespältig werdendie Folgen technologischer Inno-vationen gesehen. Auf der einenSeite werden Innovationen alsein wesentlicher Standortfaktorzur Sicherung von Arbeitsplätzensowie auch deren humanen Ge-staltung betrachtet. Andererseitswird aber auch anerkannt, dassneue Technologien Arbeitsplätzevernichten können.

Technikgestaltung in derFörderlandschaftEs gibt einen gesellschaftlichenBedarf an einer Mitgestaltungund Bewertung technologischerEntwicklungen. Mitgestaltungder Öffentlichkeit an technologi-schen Entwicklungen setzt abereinerseits Kompetenz auch innichtwissenschaftlichen Kreisenvoraus sowie andererseits eineÖffnung des Wissenschaftsbetrie-bes für Außenstehende. Genaudarauf zielen eine Reihe von För-dermaßnahmen ab.

Dem interessierten Wissen-schaftler erschließt sich hier einebreite Palette von Fördermög-lichkeiten. Von kleinen Stiftun-gen, Gutachtertätigkeiten für diePolitik über klassische Projektebis hin zu internationalen Groß-projekten finden sich thematischzutreffende Ausschreibungen.

Die Rolle von INTER AC an derRWTH AachenINTER AC, das InterdisziplinäresNetzwerk Technikreflexion Aa-chen, verfolgt die oben genann-ten Ziele auf der Ebene einzelnerInstitute und Wissenschaftler,vor allem durch die Unterstüt-zung drittmittelorientierter For-schungsvorhaben. Als gemeinsa-me Arbeitsgruppe des ForumsTechnik und Gesellschaft sowieder Philosophischen Fakultätsteht es allen Mitgliedern derRWTH offen.

Ziel von INTER AC ist dieVerknüpfung vorhandener For-schungsinteressen und -kompe-tenzen an der RWTH mit För-dermöglichkeiten im Themenfeld„Technik und Gesellschaft“. Einekontinuierliche Beobachtung derFördermittellandschaft stellt einelaufende Hintergrundtätigkeitvon INTER AC dar.

Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler, die Interesse aneiner Forschungstätigkeit im Be-reich „Technik und Gesellschaft“haben, können sich an INTERAC wenden. Die individuelle undlangfristige Unterstützung kon-kreter Forschungsinteressen isteine wesentliche Säule des Netz-werks. Dabei sind insbesondereauch Einzelwissenschaflter undkleinere Institute mit geringerKapazität jenseits des Lehrbetrie-bes zu einer Kontaktaufahmeaufgerufen.

Nähere Informationen zu INTERAC finden Sie unter www.inter-ac.rwth-aachen.de

Autor:

Dr.-Ing. Gunter Heim ist Wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Phi-losophischen Institut und Koordi-nator von INTER AC.

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Femtosekundenlaser-Labor desII. Physikalischen Instituts derRWTH Aachen. Justierung einesTitan-Saphir-Femtosekunden-Lasers zur Erzeugung von ultra-kurzen Laserpulsen, die kohä-rente Spinzustände in Halblei-tern für die zukünftige Quanten-Informationsverarbeitung anre-gen. Bild: Peter Winandy

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&Namen

Die RWTH Aachen plant direktneben dem Hauptgebäude am Templergraben den Bau des neuen Studienfunktionalen Zentrums„SuperC“. Vor Beginn der Hoch-bauarbeiten wird auf dem Bau-platz eine 2.500 Meter tiefeBohrung erstellt. Während dieserArbeiten kann es zu Beeinträchti-gungen des Straßenverkehrs und zu Geräuschemissionen kommen. Die RWTH Aachen legt größtenWert darauf, Beeinträchtigungen durch dieses Projekt auf ein Mini-mum zu reduzieren. Der Rektorder Hochschule, Prof. Dr. Burk-hard Rauhut, lud daher herzlichalle Anwohner zu einem erstenInformationsabend und einemkleinen Umtrunk ein, bei demdie Bedeutung des Projekts undder Verlauf der Arbeiten ausführ-lich erläutert wurden.

Innovation und Praxisrelevanz standen ganz oben auf der Be-wertungsliste für den „E-Com-merce Award 2003“. Bei diesembundesweit ausgeschriebenenWettbewerb – initiiert von „Han-delsblatt Junge Karriere“ und derMummert Consulting AG – wer-den zukunftsweisende E-Busi-ness-Ideen ausgezeichnet.

Jens Arbeiter, Diplomand amLehrstuhl Informatik V, Informa-tionssysteme, der RWTH hat mitseiner Idee nun den zweiten Preis,der mit 1.500 Euro dotiert ist, ge-wonnen. Dieser wurde ihm aufder CeBit 2003 in Hannover ver-liehen.

Arbeiters Diplomarbeit standunter dem Titel „Vertrauenswür-dige Aufzeichnung und Verwal-tung elektronischer Verhand-lungsdaten in elektronischenMärkten“. Hierbei geht es da-rum, die widersprüchlichen An-forderungen an die Vertraulich-keit von Verhandlungsdaten ein-erseits und an die Nachvollzieh-barkeit in Disputfällen anderer-seits in Einklang zu bringen. Diegefundenen theoretischen Lö-sungsansätze wurden dann inKooperation mit einem Aache-ner Architekturbüro in der PraxisunternehmensübergreifenderBauprojekte erprobt. Die Arbeit

basierte auf langjährigen For-schungen zur Nachvollziehbar-keit kooperativer Entwicklungs-prozesse am Lehrstuhl von Univ.-Prof. Dr. rer. pol. Matthias Jarkesowie in dessen Fraunhofer-Insti-tuts für Informationstechnik (FIT).

Susanne Bay wollte die Benutzer-freundlichkeit von Mobiltelefonenuntersuchen. Also erforschte dieDiplomandin vom Institut für Psy-chologie der RWTH die „Handy-nutzer von morgen: Wie KinderMobiltelefone bedienen und de-ren Funktionalität mental reprä-sentieren“. Dafür wurde sie mitdem Förderpreis der Vodafone-Stiftung für Forschung ausge-zeichnet.

Ihre Diplomarbeit entstandim Rahmen der Arbeitsgruppe„Mensch-Maschine Interaktion“unter Leitung von Dr. MartinaZiefle, die sich unter anderemmit Fragen der kognitiven Ergo-nomie und der Bedienungs-freundlichkeit technischer Gerätebeschäftigt. Untersucht wurde,wie neun bis 16-Jährige mit demMobiltelefon umgehen und wel-che Fehler sie dabei machen.Wichtig war, ob die Fehler aufdas Alter der Kinder zurückzu-führen sind oder aber auf dieGestaltung der Geräte.

Eine wesentliche Erkenntnisaus der ausgezeichneten Arbeit:Die Industrie ist viel zu sehr be-müht, immer kleinere und kom-plexere Geräte zu entwickeln,und deshalb zu technikzentriert.Die mit 5.000 Euro ausgezeich-nete Arbeit gibt nützliche Hin-weise, wie Displays von Mobilte-lefonen im Hinblick auf jungeAnwender gestaltet werden müs-sen. Ziel sollte es dabei sein,eine Symbiose aus der Funk-tionsvielfalt des Handy-Displayseinerseits und einer einfachenBenutzerführung andererseits zuschaffen.

Auch das Vorurteil, dass dieErgonomie eines Mobiltelefonskeine Rolle mehr spielt, weil jun-ge Menschen von Kindesbeinenan mit den Funktionsweisentechnischer Geräte aufwachsen,widerlegt Susanne Bay in ihrerArbeit.

Die Hochschulrektoren ProfessorDr. Burkhard Rauhut und Profes-sor Dr. Klaus Borchard, Rektorder Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn, unterzeichne-ten in Anwesenheit von NRW-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft eine Vereinba-rung, die die Einrichtung einesgemeinsamen Instituts vorsieht.Das „Bonn-Aachen InternationalCenter for Information Techno-logy“, kurz B-IT, ist ein neuarti-ges Ausbildungszentrum für an-gehende Experten der Informa-tionstechnologie und stellt dieerste gemeinsame wissenschaftli-che Einrichtung der beiden re-nommierten Universitäten dar.Solche Kooperationen unterstüt-ze ich nachhaltig“, betonte Mi-nisterin Kraft bei dem Treffen inBonn. „Ich halte es für dringendgeboten, Exzellenzen im Land zubündeln, um damit Wissenschaftund Forschung nach vorne zubringen, schlagkräftig zu werdenund international wettbewerbsfä-hig zu sein.“

Die Bonner Universität bietetim Rahmen von B-IT erstmals zu-sammen mit der RWTH zweiMaster-Studiengänge in Bio- undMedieninformatik, mit einembesonderen Schwerpunkt imBereich Geoinformationssyste-me, sowie ein internationales„Fast Track“-Programm für be-sonders qualifizierte angehendeInformatiker an. Diese Kooperati-

on wird durch das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz er-möglicht, welches gemeinsameStudiengänge zweier Hochschu-len zu besseren Nutzung derLehrangebote erlaubt. Als weite-re Kooperationspartner gehörendem Projekt auch die Fraunho-fer-Gesellschaft in Sankt Augus-tin und die FachoberschuleBonn-Rhein-Sieg an. Unterge-

bracht ist das Zentrum in derehemaligen LandesvertretungNordrhein-Westfalen im BonnerRegierungsviertel, die vom Landfür diesen Zweck zur Verfügunggestellt wurde. Bereits seit ver-gangenem Herbst nehmen ersteStudierende aus aller Welt dieStudienangebote in einer Pilot-phase wahr. Binnen eines Jahressollen insgesamt sechs neue Pro-fessuren für B-IT geschaffen wer-den, zwei in Aachen und vier inBonn. Jeweils die Hälfte der Pro-fessorenstellen wird gemeinsammit der Fraunhofer-Gesellschaftbesetzt werden. Darüber hinaustragen internationale Gastdozen-ten sowie Dozenten der beteilig-ten Hochschulen zum Unter-richtsangebot von B-IT bei.

China zählt heute zu den wich-tigsten Bergbauländern der Erde.Um dem Wachstum der chinesi-schen Wirtschaft eine Basis zusichern, wird in den nächstenJahren in die Rohstoffgewinnungwie auch in die Aufbereitungund die Verarbeitung von Roh-stoffen investiert werden müs-sen. Dies gilt auch für die Neuer-richtung, Erweiterung und Mo-dernisierung von Anlagen. Umdie Möglichkeiten einer engenZusammenarbeit von China undDeutschland auf diesen Gebietenauszuloten, kamen im Mai 2003auf Einladung der RWTH Aa-chen und der Aachener minro-con GmbH Vertreter aus Wissen-schaft und Wirtschaft zu einemInformationsaustausch in Aachenzusammen.

Das erste Chinesisch-DeutscheBergbauforum ist eine gemeinsa-me Veranstaltung der China Mi-ning Association (CMA), desVerbandes Deutscher Maschi-nen- und Anlagenbau (VDMA)sowie der Wirtschaftsvereini-gung Bergbau (WVB). Es botdeutschen Unternehmen undInstitutionen erstmals die Mög-lichkeit, sich branchenübergrei-fend über die Gesamtsituationdes chinesischen Bergbaus, seinebetrieblichen Probleme und Pro-jekte zu informieren. Gleichzeitig

hatten die deutschen Teilnehmerdie Gelegenheit, führenden chi-nesischen Fachleuten und Ent-scheidungsträgern eigene Tech-nologien und Produkte zu prä-sentieren. Aus China reisten 50Personen aus Schlüsselpositionender beteiligten Branchen an.

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& Nachrichten

Die Heyn-Gedenkmünze, diehöchste Auszeichnung der Deut-schen Gesellschaft für Material-kunde (DGM), ging in diesemJahr an Univ.-Prof. Dr. rer. nat.Günter Gottstein, Direktor desInstituts für Metallkunde undMetallphysik der RWTH Aachen.Mit der Auszeichnung würdigtdie DGM ein herausragendeswissenschaftliches Gesamtwerk.

Gottstein ist international be-kannt für seine Arbeiten zur Phy-sik der Mikrostrukturen in Metal-len und zur Computersimulationvon Werkstoffen für industrielleAnwendungen. Der studiertePhysiker hat sich in Metallkundeund Metallphysik habilitiert, be-vor er mit seiner Familie fürzehn Jahre in die USA ging. ImHerbst 1989 folgte er dem Rufan die RWTH Aachen als Nach-folger seines akademischen Leh-rers Professor Kurt Lücke.Seitdem bildet er hier Werkstoff-ingenieure und Materialwissen-schaftler aus.

1994 wurde Gottstein Spre-cher des Sonderforschungsbe-reichs „Integrative Werkstoff-mo-dellierung“, an dem insgesamtelf RWTH-Institute beteiligt sind.Erst im Jahr 2002 bewilligte dieDeutsche Forschungsgemein-schaft (DFG) für weitere dreiJahre Fördermittel. Ein Erfolg,den Gottstein vor allem auf daskooperative Klima an der RWTHzurückführt. „WissenschaftlicheLeistung entspringt heute immereinem kreativen und motiviertenUmfeld. Insofern interpretiere ichdiese Ehrung auch als Auszeich-nung für die Mitarbeiter meinesInstituts und das macht michwirklich stolz“, so Gottstein an-lässlich der Preisverleihung.

Im Rahmen eines akademischenFestaktes erhielt ProfessorDr. rer. nat. Dr. h. c. Karl-HeinrichHeitfeld die Würde eines Sena-tors Ehren halber der RWTH.Damit wurden seine außerge-wöhnlichen Verdienste als Be-gründer der Ingenieurgeologie inDeutschland und seine Förderungdieses Fachgebietes an der Aache-ner Hochschule in Forschungund Lehre ausgezeichnet.Karl-Heinrich Heitfeld wurde1924 in Hamm/Westfalen gebo-ren. Nach dem Studium derGeologie an der UniversitätMünster und seiner Promotionbegann seine berufliche Tätigkeitin der Talsperrenabteilung desRuhrtalsperrenvereins, des heuti-gen Ruhrverbandes. Die Erfah-rungen, die er hier bei den imKrieg schwer beschädigten Stau-dämmen und Staumauern imSauerland sowie bei den neuenTalsperrenprojekten – vor allemder großen Biggetalsperre – ge-wann, machten ihn zu eineminternational anerkannten Tal-sperrengeologen. Heitfeld arbei-tete bei den geologischen Vorer-kundungen für den Assuan-Hochdamm und den Euphrat-damm mit. Viele Male war er alsBerater in Griechenland, Äthio-pien, im Kongo, in Irland und inOstasien tätig.

1970 wurde Heitfeld zumProfessor für Ingenieurgeologieund Hydrogeologie an die RWTHAachen berufen. Er war damitder erste Professor für diesesneue Fachgebiet in der Bundes-republik Deutschland. In Aachenbegründete Karl-Heinrich Heit-feld von der geologischen Seitejenes Arbeitsfeld, das wir heuteals Umweltwissenschaften be-zeichnen.

Heitfeld und seine Frau grün-deten im Jahre 1995 die „Profes-sor Dr. Karl-Heinrich Heitfeld-Stif-tung“ an der RWTH Aachen. Siezeichnet jedes Jahr junge Geo-wissenschaftler für besondershervorragende Leistungen inDiplom oder Promotion aus undermöglicht jungen Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftlerneine Weiterqualifizierung an aus-ländischen Universitäten oderinternationalen Forschungsein-richtungen.

Bei dem Festakt in der Aulahielt der Emeritus des AachenerLehrstuhls für Ingenieurgeologieund Hydrogeologie, ProfessorDr. Kurt Schetelig, die Laudatio.Er führte aus, dass der Geehrtestets den engen Zusammenhangzwischen geologischen Gegeben-heiten und deren praktische Aus-wirkung auf ein Ingenieurbauwerkerkannt und daraus Empfehlun-gen abgeleitet habe, die in derPraxis umsetzbar waren.

Nicht nur für seine außerge-wöhnlichen wissenschaftlichenund beruflichen Leistungen, son-dern auch für seine gesellschafts-politischen Verdienste um dasAllgemeinwohl, erhielt Karl-Hein-rich Heitfeld auch das Bundes-verdienstkreuz 1. Klasse. Die Ver-leihung nahm der Staatssekretärdes Landesministeriums fürWissenschaft und Forschung,Hartmut Krebs, auf Wunsch desBeliehenen in den Räumen derRWTH Aachen vor.

Möglichst viel Nutzlast in einemmöglichst leichten Flugzeug –nur so ist eine hohe Wirtschaft-lichkeit und Umweltverträglich-keit dieses Verkehrsmittels in derZukunft gewährleistet. Um dieszu erreichen, braucht man schonin der Entwurfsphase zuverlässi-ge Daten und Verfahren zur sogenannten Aeroelastik. Hierbeigeht es um die Wechselwirkungzwischen den Lasten, die dieLuftströmung auf die Flügel aus-übt und den Kräften, die durchdie Bewegung des Flügels imLuftstrom – der schließlich fürden Auftrieb verantwortlich ist –entstehen. Im Normalfall verfor-mt sich der Flügel, und es ent-steht ein Gleichgewicht zwischendiesen Kräften. Was passiert ab-er, wenn eine starke Bö den Flü-gel erfasst, er sich stärker verfor-mt und zu „flattern“ beginnt?

Welche Antwort die Strömung auf die Bewegung eines Flügelsgibt und wie sich der Flügel dar-aufhin verhält, damit hat sichDr.-Ing. Cornelia Hillenhermsvom Aerodynamischen Institutder RWTH Aachen in ihrer Dis-sertation beschäftigt und ihrePromotion mit Auszeichnung be-standen. Nun erhielt sie für ihreherausragende Arbeit auch den„Amelia Earhart Fellowship Aw-ard 2002/2003“ der Frauenor-ganisation Zonta International.

Zonta ist ein weltweiter Zu-sammenschluss berufstätigerFrauen zur Verbesserung ihrerStellung im rechtlichen, politi-schen, wirtschaftlichen und be-ruflichen Bereich. Der „AmeliaEarhart Fellowship Award“ gehtauf die Luftfahrtpionierin Amelia Earhart zurück, die ebenfalls Zonta angehörte. Die amerikanische Pi-lotin ist seit der letzten Etappeihrer Erdumfliegung im Jahr1937 verschollen. Bereits ein

Jahr später wurde der Preis insLeben gerufen und wird in Formeines Stipendiums von 6.000US-Dollar an junge Wissenschaft-lerinnen vergeben, die für ihrePromotionen oder vergleichbareAbschlüsse eine wichtige For-schungsarbeit ausarbeiten, dieeinen direkten Bezug zur Luft-und Raumfahrt hat.

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&NamenIm April dieses Jahres wurde

dem Inhaber des Lehrstuhls C fürMathematik der RWTH Aachen,Univ.-Prof. Dr. Hubertus Th.Jongen, die Ehrendoktorwürdeder Shanxi Universität in Taiyuan,Volksrepublik China, verliehen.Die Ehrendoktorwürde ist diehöchste akademische Auszeich-nung in China und wird sehr sel-ten verliehen. Gründe für die ho-he Ehrung Professor Jongens wa-ren unter anderem seine heraus-ragenden Leistungen auf demGebiet der Optimierungstheorie,sein hohes wissenschaftliches En-gagement in Asien und Latein-amerika und sein großer Einsatzfür die Universität Shanxi.

Jongen wurde 1947 im nie-derländischen Oirsbeek geboren.Er war mehrere Jahre Marineoffi-zier und studierte drei SemesterTechnische Wissenschaften ander Universität Twente, Nieder-lande. Während seiner Assistenz-zeit in einer biomechanischenForschungsgruppe am Universi-tätsklinikum Münster betrieb erautodidaktische Studien auf demGebiet der Mathematik und leg-te 1973 seine Prüfung zum Di-plom-Mathematiker erfolgreichab. Als Wissenschaftlicher Assis-tent an der Universität Twentepromovierte Jongen 1977. Von1980 bis 1982 war er Professorfür Mathematik in Hamburg underhielt hier 1983 eine noch im-mer bestehende Spezialprofes-sur. 1985 war Jongen der ersteGastprofessor auf dem Lehrstuhl„Karl Weierstrass“ an der Berli-ner Humboldt Universität, DDR.Seit 1987 ist Jongen Inhaber desLehrstuhls C für Mathematik derRWTH Aachen. Später war erhier für mehrere Jahre Sprecherder Fachgruppe Mathematik undMitglied des Senats. Seit 2001ist Jongen zudem erster ALMA-Professor an der UniversitätMaastricht.

Die Shanxi Universität ist miteinem Alter von mehr als hun-dert Jahren eine der ältesten derVolksrepublik China. Sie liegt inder Stadt Taiyuan, der Haupt-stadt der Provinz Shanxi. DieEhrenpromotion Professor Jon-gens war die erste in Shanxiüberhaupt. Genehmigt werdendie sehr seltenen Ehrenpromoti-onen von der Regierung in Pe-king. Zu den auf diese Weiseebenfalls geehrten Personen ge-hören der ehemalige Präsidentder Vereinigten Staaten, BillClinton, der Präsident Russlands,Wladimir Putin, und Bundeskan-zler Gerhard Schröder.

Professorin Dr. Waltraut Krusewurde für ihre Verdienste in Leh-re und Forschung zur Ehrenbür-gerin der RWTH Aachen ernannt.Sie ist Fachärztin für Allgemein-medizin, Honorarprofessorin ander Medizinischen Fakultät derRWTH Aachen und war dieerste Frau im Bürgermeisteramtder Stadt Aachen. WaltraudKruse ist eine außergewöhnlicheFrau mit einem außergewöhn-lichen Lebenslauf. Geboren inAachen, ist sie seit 1958 bisheute in ihrer Praxis als Fachärz-tin für Allgemeinmedizin für ihrePatientinnen und Patienten tätig.Seit 1976 ist sie Leiterin desLehrgebietes Allgemeinmedizinan der RWTH. Wegen ihres En-gagements und ihrer hohenFachkompetenz in diesem Amtwurde sie 1983 zur Honorarpro-fessorin ernannt. Seit 1989 istWaltraut Kruse Präsidentin derVereinigung der Hochschullehrerund Lehrbeauftragte für Allge-meinmedizin e. V. in Deutsch-land.

Ihre Spezialgebiete sind diePsychotherapie und vor allemdie Fortentwicklung des autoge-nen Trainings bei der Behand-lung psychosomatischer Störun-gen im Kindes- und Jugendalter.Herausragende Verdienste hatsich Professorin Kruse durch dieOrganisation und Leitung desWestdeutschen Psychotherapie-seminars erworben, das 2003zum 28. Mal stattgefunden hat.Für ihre Verdienste in der Kom-munalpolitik wurde ihr 1995 diegoldene Ehrennadel der StadtAachen verliehen.

Die Ehrung nahm der Rektorder RWTH, Univ.-Prof. Dr.Burkhard Rauhut, vor. DieLaudatio auf Waltraut Krusehielt Univ.-Prof. Dr. FriedrichLampert, Pro-Dekan derMedizinischen Fakultät.

Den mit 2.500 Euro dotiertenPreis für Nachwuchswissen-schaftler der Deutschen Gesell-schaft für Kristallwachstum undKristallzüchtung (DGKK) hatDipl.-Phys. Carsten Busse erhal-ten. Busse ist WissenschaftlicherMitarbeiter des Arbeitskreisesvon Privatdozent Dr. rer. nat.Thomas Michely im I. Physika-lischen Institut der RWTHAachen.

Carsten Busse erhielt den Preis für seine Untersuchungen zurEntstehung von Stapelfehlernbeim Wachstum dünner kristalli-ner Schichten. Solche Schichtenwerden unter anderem auf Chipsaufgetragen oder für den Wär-meschutz von Fenstern verwen-det. Stapelfehler entstehen durcheine falsche Anordnung der Ato-me auf der Schichtoberfläche.Durch seine Beobachtungen mitdem Rastertunnelmikroskop lie-fert Carsten Busse die Grundla-gen für Strategien, um diese Feh-ler in Schichten zukünftig zu ver-meiden.

Mit dem Preisgeld finanziertedie DGKK Carsten Busse die Teil-nahme an der Gordon Konferenz„Thin Film & Crystal Growth Me-chanisms“, die im Juni 2003 inden USA stattfand. Diese Ta-gung gehört zu den bedeutends-ten auf dem Gebiet des Schicht-wachstums.

Im Mai unterzeichneten Pierre-Yves Saintoyant, Direktor desneuen Aachener „MicrosoftEuropean Innovation Centre“(EMIC), und Univ.-Prof. Dr.Burkhard Rauhut, Rektor derRWTH Aachen, ein Abkommenzur gegenseitigen Unterstützungbei Forschung und Entwicklung.

Das Center ist das jüngsteEngagement des Unternehmenszur Innovationsförderung in derRegion und ein weiterer Bausteinfür die weltweiten Forschungs-und Entwicklungsaktivitäten desUnternehmens. Der Koopera-tionsvertrag zwischen EMIC undRWTH hat die Entscheidung fürden Standort Aachen maßgeb-lich befördert. Beide Seiten seh-en einer fruchtbaren und langewährenden Zusammenarbeit mitFreude entgegen.

Das Aachener EMIC wird sichbei seinen Forschungsaktivitätenauf die Bereiche Sicherheit undSchutz der Privatsphäre imInternet, Mobilität und Mobil-funknetze, Weiterentwicklungvon Internettechnologien sowieauf neue Technologien bei derWissensvermittlung wie E-Lear-ning und E-Health konzentrieren.Die RWTH Aachen verfügt be-sonders auf den Gebieten derMobilfunknetze, der Internetsi-cherheit und der Internetservicesseit vielen Jahren über große Er-fahrung in Forschung und Lehreund gehört hier zur Weltspitze.

Das Kooperationsabkommen istder Beginn einer engen Zusam-menarbeit von Microsoft undHochschule, erste gemeinsameAktivitäten sind bereits beschlos-sen. Außerdem wird Microsoftdie RWTH mit zahlreichen Soft-warepaketen ausstatten. Mitihrer Kooperation werden beidePartner die Entwicklung in vielenBereichen des Internets und desMobilfunks entscheidend voran-treiben.

Seitens des Lehrstuhls für Mo-bilfunknetze der RWTH und Mi-crosofts bestehen schon Plänefür gemeinsame Projekte. Betei-ligt am Kooperationsabkommenzwischen EMIC und der Hoch-schule sind die Fakultät für Ele-ktrotechnik und Informations-technik sowie die Fakultät fürMathematik, Informatik undNaturwissenschaften.

Der Inhaber des Lehrstuhls fürMobilfunknetze, Univ.-Prof. Dr.Petri Mähönen, hat sich von An-fang an dafür eingesetzt, Micro-soft von den Vorteilen desStandortes Aachen zu überzeu-gen. Auch hat er den Kooperati-onsvertrag entscheidend auf denWeg gebracht. „Es ist absolutnotwendig zu verstehen, dasssich die Zusammenarbeit zwi-schen EMIC und der RWTH kei-nesfalls nur auf die Bereiche derElektrotechnik und der Informa-tik beschränken wird, auch wenndiese die natürlichen Partner fürEMIC sein werden. Vielmehr sollsich die Kooperation auf dengesamten Lehr- und Forschungs-bereich der RWTH erstrecken“,so die einhellige Meinung vonBurkhard Rauhut und Petri Mä-hönen.

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&Die interdisziplinären Foren derRWTH haben Zuwachs bekom-men: Zur Stärkung und Bünde-lung aller Kompetenzen und Ak-tivitäten der Aachener Hoch-schule in den Bereichen Mobili-tät und Verkehr wurde nun das„Forum Mobilität und Verkehr“eingerichtet – nunmehr das sech-ste neben dem „Umwelt-“, dem„Werkstoff-Forum“, den Foren„Life Science“, „Informatik“ so-wie „Technik und Gesellschaft“.

Der Bereich umfasst alle Ar-beitsfelder, die sich auf die hu-manen, ökologischen, techni-schen, rechtlichen und organisa-torischen Handlungskonzepteund Maßnahmen beziehen. Zielist unter diesem Gesichtspunktdie Gestaltung von lokalen, re-gionalen, nationalen und globa-len Verkehrssysteme. Unter an-derem betrifft dies die Felderder Verkehrsinfrastruktur, Fahr-zeugtechnik, Fahrzeugbau, aberauch die Organisation, den Be-trieb und das Management vonVerkehrssystemen. Innerhalb desForums sollen auch Perspektivenzur Weiterentwicklung des Be-reichs „Mobilität und Verkehr“an der RWTH Aachen entwickeltwerden.

Das Forum sorgt innerhalbder RWTH für den Austausch vonInformationen über Forschungs-und Entwicklungsaktivitäten,plant und koordiniert diese undsorgt für die wissenschaftlicheKooperation mit anderen For-schungseinrichtungen und derWirtschaft. Außerdem sollenauch Lehrveranstaltungen imBereich Mobilität und Verkehrgemeinsam geplant werden. ImBlickpunkt stehen ebenfalls dieZusammenarbeit mit Institutenund Firmen der Technologiere-gion Aachen und der EuregioMaas-Rhein sowie der Ausbauvon Forschungsaktivitäten inner-halb der Europäischen Union.

Mit Stahl bringt man in erster Li-nie ein hartes, dichtes und festesMaterial in Verbindung. AberStahl kann auch als offenporigerSchaum wichtige Aufgaben erfül-len. So hat das Institut für Eisen-hüttenkunde der RWTH jetzt einVerfahren zur reproduzierbarenHerstellung von Stahlschaum miteiner gleichmäßigen, feinen undoffenen Porenstruktur entwickelt.Dafür belegten Dipl.-Ing. UlrikeMohr und Dr.-Ing. Paul-FriedrichScholz nun den dritten Platzbeim „Stahl-Innovationspreis“ inder Kategorie Forschung undEntwicklung. Der Preis des Stahl-Informations-Zentrums, einer Ge-meinschaftsorganisation derdeutschen Stahlindustrie, wirdseit 1989 alle drei Jahre verge-ben, um neue Entwicklungenund Ideen bekannt zu machenund zu fördern.

Die nach dem Aachener Ver-fahren hergestellten Stahlschäu-me können künftig ein breitesSpektrum an technischen Aufga-ben übernehmen. So ist zumBeispiel ein Einsatz als Filterele-ment, Katalysatorträger oder alsBauteil für eine Schwitzkühlungaufgrund der Struktur möglich.

Bei dem so genannten Schli-ckerReaktionsSchaumSinter-Ver-fahren (SRSS) wird zunächstStahlpulver bei Raumtemperaturmit Wasser vermischt – so ent-steht ein Schlicker. Diesem wie-derum wird Phosphorsäure alsBinde- und Treibmittel zugege-ben. Dann finden zwei Reaktio-nen statt: Bei der chemischenReaktion zwischen Stahlpulverund Säure bilden sich Wasser-stoffgasbläschen, die das Auf-schäumen bewirken. Des weite-ren bildet sich aber auch ein Ei-senphosphat, das aufgrund sei-ner Klebewirkung zur Verfesti-gung der porösen, geschlossenen Struktur führt. Während des Trock-nens verdunstet dann das Was-ser und die geschlossenen Porenwandeln sich in eine offenporigeStruktur um. Danach kann derSchaum in sauerstofffreier At-mosphäre – ohne das Schadstof-fe freigesetzt werden – gesintert,also durch Erhitzen verdichtetwerden. Mit dem Verfahren las-sen sich komplexe Strukturbau-teile herstellen, außerdem Ver-bunde zwischen Schaum undmassivem Material.

Zwischen Ulaan Bataar, der Haupt-stadt der Mongolei, und Aachenliegen mehr als 10.000 Kilome-ter. Diese Distanz wird nun zumersten Mal durch eine Koopera-tionsvereinbarung der RWTHAachen mit der MongolischenUniversität für Wissenschaft undTechnologie überwunden.

Kernpunkt der Vereinbarungist der Aufbau einer Zusammen-arbeit zwischen den metallurgi-schen Fachbereichen der beidenHochschulen. Bereits in diesemJahr, so hofft Univ.-Prof. Dr.-Ing.Karl Bernhard Friedrich vom Ins-titut für Metallurgische Prozess-technik und Metallrecycling, kön-nen die ersten fünf Studierendenaus dem zentralasiatischen Staatihr Studium an der RWTH begin-nen. Außerdem wurde verein-bart, gemeinsame Forschungs-projekte zu realisieren. So sollbeispielsweise untersucht wer-den, wie sich die weitere Indus-trialisierung und der stark expan-dierende Bereich der Metallge-winnung auf die Umwelt in derMonolei auswirkt. Auf den Ge-bieten Goldgewinnung und Um-weltschutz konnte Univ.-Prof.Dr.-Ing. Hermann Wotruba vomLehr- und Forschungsgebiet Auf-bereitung mineralogische Roh-stoffe der RWTH mit seinenmongolischen Kollegen eine Zu-sammenarbeit vereinbaren.

Die Mongolei befindet sichauf dem Weg von einem Agrarl-and zu einer Industrienation.Treibstoff für diese Entwicklungsind die Bodenschätze des Lan-des, in der Hauptsache sind diesErze. Damit das Land zukünftignicht nur Erze abbauen, sondernsie auch zu hochwertigen Metal-len weiterverarbeiten kann, ha-ben die Aachener Wissenschaft-ler den ansässigen UnternehmenTechnologieunterstützung ange-boten. „Die Gespräche verliefenpositiv“ so Professor Friedrich.Mit der „Erdenet Mining Corpo-ration“, einem für die ganzeMongolei bedeutendes Industrie-unternehmen, wurde unter ande-rem vereinbart, gemeinsam aufdem Gebiet der Hydrometallur-gie zu forschen.

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Lehrstuhl für Ökologie, Ökoto-xologie und Ökochemie derRWTH Aachen. Transgenes Mais-feld. Sichtprobe der gesammel-ten Schädlinge. Bild: Peter Winandy

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NachrichtenMit 770.000 Euro von derVolkswagen-Stiftung gefördertwird ein von sechs Arbeitsgrup-pen betriebenes Verbundvorha-ben in den Materialwissenschaf-ten. Neue, extrem kleine, elek-trisch leitfähige Drähte entste-hen durch die Kopplung von bio-logischer und unbelebter Mate-rie. Beteiligt sind die RWTHAachen, die Universität Mar-burg, das ForschungszentrumKarlsruhe sowie das „Technion –Israel Institute of Technology“ inHaifa.

Das Projekt ist beispielhaftfür ein Vorhaben, bei dem es umdie Kopplung von biologischerund unbelebter Materie geht.Ziel der Forscher ist der Umbaueines DNA-Moleküls zu einemelektrisch leitfähigen „Nano-draht“. Und so wie einen dün-nen Draht, der Strom leitet,kann man sich einen entspre-chend modifizierten DNA-Strangin der Tat vorstellen. Zwei Wegewollen die Wissenschaftler ver-folgen: Zum einen streben siean, Metall-Nanopartikel in soengen Abständen an einenDNA-Strang zu binden, dass die-ser elektrisch leitfähig wird –hier wird also von außen etwasan das Molekül angekoppelt.Der zweite Ansatz hingegensieht vor, bestimmte Bausteinedes DNA-Molekülgerüsts (undzwar bestimmte Basen) durchmetallionenhaltige Basen zu er-setzen – es wird folglich die in-nere Struktur der DNA selbstverändert. In beiden Fällen er-hält man einen elektrisch leitfähi-gen Draht in extrem kleinen Aus-maßen. Nimmt man konkreteAnwendungen in den Blick, sokönnten solche „DNA-Nanodräh-te“ beispielsweise einmal als Lei-terbahnen oder als Nanotransis-toren Schaltkreise in Miniaturfor-mat ermöglichen.

Seitens der Aachener Hoch-schule sind drei Forschungsgrup-pen beteiligt, die gleichzeitig Mit-glieder des RWTH NanoClubs sind. Univ.-Prof. Dr. rer. nat. UlrichSimon, Inhaber des Lehrstuhlsfür Anorganische Chemie undElektrochemie sowie Leiter desInstituts für AnorganischeChemie, Univ.-Prof. Dr. phil.Herbert Schoeller, Inhaber desLehrstuhls fürTheoretische PhysikA und Leiter des Instituts fürTheoretische Physik, sowie Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Joachim Mayer,Leiter des Gemeinschaftslaborsfür Elektronenmikroskopie (GFE),koordinieren den Aachener For-schungsbeitrag.

Die ThyssenKrupp AG und dieRWTH Aachen vereinbarten ineinem Kooperationsabkommeneinen intensiven Wissens- undErfahrungsaustausch sowie um-fangreiche gemeinsame Aktivitä-ten. Ziel der Vereinbarung ist es,die verfügbaren Ressourcen derPartner im Hinblick auf die För-derung qualifizierter Studieren-der, die Weiterbildung und Leh-re, den Austausch wissenschaft-licher Ergebnisse sowie die Un-terstützung universitärer Veran-staltungen zum beiderseitigenNutzen in bestmöglicher Weisezu nutzen. Der Schwerpunkt derZusammenarbeit liegt auf denIngenieurwissenschaften – vorallem in der Informatik, im Ma-schinenbau, der Metallurgie undWerkstofftechnik sowie im Stahl-bau – und den Wirtschaftswis-senschaften.

In Forschung und Entwicklungrichten ThyssenKrupp und RWTHgeeignete Gesprächsrunden fürwissenschaftliche, anwendungs-bezogene Themen und Projekteein, um den gegenseitigen undregelmäßigen Austausch und dieZusammenarbeit zu erleichtern.

Der Vertrag wurde im Bei-sein von NRW-Wissenschafts-ministerin Hannelore Kraft vonRektor Prof. Dr. Burkhard Rauhutund dem Vorstandsvorsitzendender ThyssenKrupp AG, Dr.-Ing.Karl-Ulrich Köhler, unterzeich-net.

600 Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler der EuropeanPhysical Society diskutierten ansechs Tagen im Juli an der RWTHdie neusten Entwicklungen ausdem Bereich der Elementarteil-chenphysik. Unter ihnen warauch der Nobelpreisträger fürPhysik 2002, Masatosh Koshiba,der wie weitere Forscher mitden international sehr angesehe-nen HEP-Preisen ausgezeichnetwurde. Die Veranstaltung fanderstmals in Deutschland statt.Univ.-Prof. Dr. rer. nat. ChristophBerger vom I. PhysdikalischenInstituts war sehr stolz auf die-sen Erfolg.

Seinen 80. Geburtstag feierteUniv.-Prof. em. Dr.-Ing. Philipp K.Sattler. Nach dem Studium derElektrotechnik und der anschlie-ßenden Assistenzzeit in Münchenfolgte er 1964 dem Ruf an dieRWTH Aachen. Bis zu seinerEmeritierung 1988 leitete Sattlerdas Institut für Elektrische Ma-schinen. Neben seiner Lehr- undForschungstätigkeit setzte er sichals Dekan der Fakultät Für Elek-trotechnik und als Prorektor fürdie Belange der Hochschule ein.Zudem erwarb sich Sattler alsVorsitzender des Fachausschus-ses Elektrotechnik sowie als Se-nator der DFG große Verdienste.Nach seiner Emeritierung über-nahm Sattler von 1989 bis 1993den Vorsitz des Beirats der Otto-Junker-Stiftung. Er ist als heraus-ragender Fachmann für elektri-sche Maschinen internationalbekannt.

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Das Bundesministerium für Bil-dung und Forschung (BMBF) hat das Aachener Kompetenznetzwerk Produktionstechnik in die Internet-plattform „kompetenznetze.de“aufgenommen. Wer so bekanntist, der braucht auch einen zug-kräftigen Namen: „PROTECA“heißt das Kompetenznetzwerknun. Die ersten Schritte zumAufbau des Netzes gehen aufdas Jahr 1990 zurück. Damalsgründeten zehn Institute ausdem Bereich Produktionstechnikder RWTH Aachen eine Initiativemit dem Titel „RWTH Aachen –Zentrum der Produktionstech-nik“. Ziel war und ist es, für diebesondere Forschungskompetenzam Standort Aachen auf demGebiet der Produktionstechnikzu werben. Die Initiative ist inden letzten Jahren konsequentausgebaut und um die Aspekte„Integration von Firmen“ und„Schaffung von Anreizen für dieGründung von Spin-offs aus derRWTH Aachen“ erweitert wor-den. Koordinator des Kompe-tenznetzwerks ist Professor Manfred Weck vom Werkzeug-maschinenlabor (WZL).

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03Thomas Früh

Wie strömt die Luft in die Lunge?Ein Strömungsmodell des Atems soll die Sterblichkeit beim Lungenversagen senken

enn SARS-Viren töten,so durch akutes Lungen-versagen. Häufiger aber

figer aber wird dieses durchandere Krankheitskeime, schwe-re Verletzungen und Schocker-lebnisse ausgelöst. Eine Hoff-nung auf Rettung gibt es dannnur mit maschineller Beatmung.Doch diese kann, über längereZeit angewandt, die Lunge zu-sätzlich schädigen, indem sie dienoch gesunden Lungenbläschenzu übermäßiger Dehnung zwingt.So erklärt sich auch, warum frü-her acht von zehn Patienten einLungenversagen nicht überlebten.Zwar hat sich mit neuen, deut-lich schonenderen Beatmungs-verfahren die Sterblichkeitsratehalbiert. Dennoch ist sie immernoch erschreckend hoch.

Forscher vom Aerodynami-schen Institut der RWTH Aachenwollen die Letalitätsrate weitersenken. Sie haben erstmals dieStrömung der Luft in den feinverästelten Atemwegen der Lun-ge nachgebildet und dabei unter-schiedliche Strömungsmusterbeim Ein- und Ausatmen ent-deckt. Dabei zeigten sie, dassdie verzweigte Strömung im Zu-sammenspiel mit den elastischenLungenbläschen zu einem beson-ders effektiven Gasaustauschführt. Aus den Messungen ent-wickelten sie ein Computermo-dell, das die Reaktionen der Lun-ge auf verschiedene Beatmungs-strategien voraussagen soll. DieErgebnisse präsentierten sie imSommer 2003 auf einer interna-tionalen Fachtagung in Chamo-nix, Frankreich.

Die Aachener Strömungsfor-scher schufen zunächst ein Sili-kon-Imitat der Atemwege desMenschen: Aus den computerto-mografischen Daten der Lungeerzeugten sie mit Hilfe einesdreidimensionalen Druckverfah-rens, dem so genannten RapidPrototyping, ein Positiv des Bron-chialbaums, das sie in flüssigesSilikon tauchten. Sobald dieseserstarrt war, lösten sie das Posi-tiv heraus. So gewannen sie eineHohlform, die den Verlauf derBronchialäste von der Luftröhrebis zur sechsten Verzweigungs-generation naturgetreu wider-spiegelte. Durch diese Silikon-Bronchien ließen sie eine Test-flüssigkeit strömen, die Gasbläs-chen mit sich führte.

Von diesem Versuchsaufbauschossen die StrömungsforscherFotoserien, die enthüllten, wie

die Luft in den verzweigten Ate-mwegen strömt: Beim Einatmenfließt sie an den Innenseiten ei-ner Verzweigungsgabel erheblichschneller als an den gegenüber-liegenden Außenseiten. Dort bil-den sich regelrechte Ruhezonen.Beim Ausatmen dagegen ent-wickelt sich in den Bronchialäs-ten ein gleichmäßiges Geschwin-digkeitsprofil. In der Konsequenzgelangt Frischluft an den Innen-seiten der Verzweigungsgabelnrasch in tiefe Lungenregionen,während verbrauchte Luft anden Außenseiten stetig empor-wandert. Die verzweigte Archi-tektur der Lunge sorgt somit füreinen viel effektiveren Gasaus-tausch als eine unverzweigteRöhre. Dort würde die Luft beimEin- und Ausatmen lediglich hin-und hergeschoben werden.

Doch damit nicht genug: DieRWTH-Wissenschaftler habendie Tür zur Lösung eines altenRätsels der Lungenatmung weitaufgestoßen. Bislang war unge-klärt, wie sich die eingeatmeteLuft auf die etwa 300 Millionenund je 0,3 Millimeter großenLungenbläschen verteilt, die anden Verzweigungsenden desBronchialbaums sitzen. Geschähe

dies gleichmäßig, so erhieltejedes Bläschen nur knapp zehnProzent Frischluft – viel zu we-nig für den erforderlichen Gas-austausch mit den angrenzendenBlutgefäßen.

Um das Geheimnis zu lüften,bildeten die Forscher die ela-stisch dehnbaren Lungenbläs-chen durch kleine Gummiballonsnach, die sie auf die Enden einessymmetrisch verzweigten Röh-rensystems setzten. Führten sieLuft zu, dehnten sich die Ballonsan den Verzweigungsenden nie-mals synchron, sondern in zufäl-lig wechselnder Reihenfolgenacheinander. Wie die Wissen-schaftler vermuten, wird mitjedem Atemzug gleichsam ge-würfelt, welche Lungen-bläschensich mit Frischluft füllen und wel-che leer ausgehen. Somit würdeimmer nur ein Teil der Bläschenversorgt – diese jedoch so üp-pig, dass von dort der Sauerstoffrasch ins Blut gelangen würde.

Da der beobachtete Vorgangvon einem intensiven Luftaus-tausch zwischen den Ballons be-gleitet wurde, könnte er dem beiLungenmedizinern bekanntenPhänomen der „Pendelluft“ ent-sprechen. Und auch Modellrech-

Strömungsforscher ChristophBrücker mit dem Silikon-Imitatdes Bronchialbaums. Im Hinter-grund wird gerade die Strömungin einem ideal verzweigten Röh-rensystem untersucht. Bild: Peter Winandy

nungen stützen die Annahmender Wissenschaftler: Es ergebensich Druck-Dehnungs-Kurven, diedenen isolierter Schweinelungenähneln. Die Aachener Strömungs-forscher wollen nun mit weiterenMessungen ihr Rechenmodell ver-feinern. Damit ließen sich dannverschiedene Beatmungsstrate-gien durchspielen und Reaktionender Lunge voraussagen. Verknüpfte man das Modell mit einer Über-wachung lungenkranker Patien-ten, könnte die Beatmung künf-tig schonend an den aktuellenLungenzustand angepasst wer-den.

Autor:

Dr. rer. nat. Thomas Früh ist Mit-arbeiter des Dezernats Presse-und Öffentlichkeitsarbeit.

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2/2003Dagmar Dirzus, Torsten Kurr

Technologiemanagement ist UnternehmensführungExecutive MBA für Technologiemanager

ngenieure wissen es: Derschnellste Weg zur „nachhalti-gen Zerstörung“ von Unter-

nehmenswerten führt über dasunzureichende Managementneuer Technologien. Unverständ-lich ist daher, dass Ingenieurenicht längst zu Juristen, Betriebs-wirten, Volkswirten und anderenbei der Besetzung von Führungs-positionen in Unternehmen auf-geschlossen haben. Doch damitist jetzt Schluss: Mit dem Execu-tive MBA für Technologiemana-ger (EMBA) geht die RWTHAachen neue Wege zur Vorberei-tung von Ingenieurinnen und In-genieuren auf Positionen im Top-Management.

Professor Günther Schuh, In-haber des Lehrstuhls für Produk-tionssystematik und einer derDirektoren des Werkzeugmaschi-nenlabors (WZL), kennt sich so-wohl in der Welt der Technik alsauch des Managements aus. Erweiß, dass gesellschaftliches wieauch unternehmerisches Wach-stum Innovationen erfordert unddass diese von Naturwissenschaftund Technik zu leisten sind. Schuhist überzeugt, dass in einer zuse-hends technisierten Welt geradeIngenieure vermehrt Führungs-verantwortung übernehmenmüssen.

„In Zukunft bringen neueTechnologien mehr denn je neueWettbewerbsvorteile. Wer sol-che Technologien managen undfür sein Unternehmen nutzbarmachen will, muss sie in der Tie-fe verstehen und beurteilen kön-nen“, so Schuh. Der Studiendi-rektor des Executive MBA fürTechnologiemanager, dem neuenund einzigartigen Angebot derRWTH Aachen in Kooperationmit der Universität St. Gallen(HSG), erläutert weiter: „Geradein schwierigen Zeiten und Pha-sen des Umbruchs sind Fach-kenntnisse, Problemlösungsfähig-keit und Authentizität gefragt.Wer mit Erfolg ein technischesStudium absolviert hat und be-reits über Führungserfahrungverfügt, empfiehlt sich für höhe-re Managementaufgaben.“

Gleichwohl attestiert SchuhIngenieuren bei aller Kompetenzauch Nachholbedarf in betriebs-und volkswirtschaftlichen Kennt-nissen wie auch in grundlegen-den Managementfähigkeiten:„Diese Kenntnisse sind zur Füh-rung eines Unternehmens uner-lässlich, werden im Rahmen derErstausbildung nur unzureichendbehandelt, sind aber prinzipiellerlernbar“, so Schuh. Nur trauensich Ingenieure die Übernahmegrößerer Verantwortungsberei-che oftmals nicht zu – Schuhnennt das „fachliche Selbstbe-schränkung“ – oder sie müssensich die dafür noch fehlendenKenntnisse und Kompetenzenlangwierig und mühsam selbstaneignen.

Um hier Abhilfe zu schaffen,wartet der Executive MBA fürTechnologiemanager mit einemIntensivprogramm auf, das aufdie Erstausbildung, die Denkwei-sen und das Lernverhalten vonIngenieuren zugeschnitten ist. Esermöglicht ihnen, auf effektiveArt und Weise die Fähigkeiten,Kenntnisse und Kompetenzen zuerwerben, die für höhere Mana-gementaufgaben benötigt wer-den. „Ingenieure lernen andersals Juristen, Betriebswirte, Medi-ziner oder Sozialwissenschaftler“,sagt Schuh. Deshalb wird derExecutive MBA für Technologie-manager speziell für Ingenieurekonzipiert und durchgeführt.„Das gewährleistet höchste Qua-lität bei ebenso hoher Lernge-schwindigkeit.“

Unter diesem Motto werdenin 18 Monaten 19 thematischund organisatorisch in sich ge-schlossene Module an je fünfTagen behandelt, in denen vonden Basisbausteinen der Unter-nehmensführung und des Wan-dels über die Grundlagen der fi-nanziellen Führung und der Be-wertung von Innovationen undMärkten bis hin zu Unterneh-mergesprächen und Technologie-Trend-Sessions sämtliche relevan-ten Themen des Technologiema-nagements vorgestellt und disku-tiert werden. Angereichert wirddas Kursprogramm mit einer Stu-dienreise nach Asien, durch Pro-jektarbeit sowie einem optiona-len Modul in „Entrepreneuring“an der Sloan School des Massa-chusetts Institute of Technology(MIT) in den USA.

An diesem Programm istalles erstklassig und so lohnensich nicht nur Mühe und Fleiß,sondern auch die Investition derStudiengebühr von 32.000 Euro:Neben der Aussicht mit dieserZusatzqualifikation, Positionenim Top-Management sicher aus-füllen zu können, bietet der Stu-diengang die einzigartige Mög-lichkeit, den Doppel-AbschlussExecutive MBA (RWTH HSG),den beide deutschsprachige Elite-Universitäten nach erfolgreichemAbschluss gleichzeitig vergeben,zu erlangen.

Schuh ist sich sicher: „Wirwissen, dass wir mit unseremProgramm auf Erfolgskurs sind,denn uns ist es gelungen, nebeneinem einzigartigen Curriculumund erstklassigen Dozenten dieentscheidenden Kompetenzender RWTH in Sachen Technolo-gie und Innovation mit dem un-ternehmerischen Denken undHandeln von Managern St. Gal-ler Prägung zielgerichtet zu ver-zahnen. In unserem Programmwird alles behandelt, was ein er-folgreicher Technologiemanagerfür seine zukünftige Karrierebraucht.“

Weitere Informationen zum Exe-cutive MBA für Technologiema-nager erhalten Sie unter:[email protected]://www.EMBA.rwth-aachen.deTelefon:0241/80-20010Telefax: 0241/80-22010

Autoren:

Dipl.-Ing. Dagmar Dirzus ist Kurs-leiterin des Executive MBA fürTechnologiemanager.Dr.-Ing. Torsten Th. Kurr MBA istGeschäftsführer des Weiterbil-dungszentrums für Produktions-technik, WZLforum.

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Stadtentwicklung rückwärts!Brachen als Chance?

in Schlagwort macht wiederdie Runde: Das von der„schrumpfenden Stadt“. Das

Wirtschaftswachstum reduziertsich, Arbeitsplätze gehen verloren,die Bevölkerungszahlen inDeutschland sinken. Wachsenunsere Städte nicht mehr?

Ein generelles Urteil kannman sicher nicht fällen. Vielmehrsind die Entwicklungen regional,von Stadtteil zu Stadtteil und jenach Art der Nutzung verschie-den: Während hier ein weitererFlächenbedarf besteht, ist in ei-nem anderen Teil ein Rückbauvonnöten. Ungeachtet der Not-wendigkeit zur differenzierten Be-trachtung besteht dennoch seitlangem Einigkeit darüber, das dieWiedernutzung von Brachen fürdie Stadtentwicklung von großerBedeutung ist.

Gewicht und Aktualität die-ser Problematik waren sowohlim „Bürgerbüro StadtentwicklungHannover“ als auch am Lehrstuhlfür Planungstheorie und Stadt-planung der RWTH Aachen An-lass, das bisherige Engagementauf diesem Themenfeld zu er-neuern und zu intensivieren. ImKontext der jeweiligen Arbeitszu-sammenhänge entstand die Idee,die Initiativen zusammen zu füh-ren und gemeinsam eine Text-sammlung für Praxis und Stu-dium zu erarbeiten.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das jetzt vorliegende „Lese-buch“ ist in erster Linie eine Ar-beitshilfe. Verstreutes Materialwurde zusammengeführt – alsStudiengegenstand und Argu-mentationshilfe.

Zusammengestellt wurdenältere, neue und neueste Beiträ-ge zu drei thematischen Blöcken:

Es werden wesentliche Liniender aktuellen Diskussion zur Stadt-entwicklung nachgezeichnet.

Das Thema wird auf die As-pekte des „Stadtumbaus“ – vor-rangig in der „Wiedernutzung“ –fokussiert. Rahmenbedingungen,Probleme, Handlungsansätze undStrategien werden skizziert.

Im letzten Abschnitt werdenschließlich einige Praxisbeispielefür die Wiedernutzung von Bra-chen vorgestellt.

Was man sonst mühsamzusammensuchen muss – hierfindet man es auf einen Blick.

Autoren:

Heidi Müller, Gisela Schmitt,Klaus Selle (Hg.): Stadtentwick-lung rückwärts! Brachen alsChance? Aufgaben Strategien,Projekte. Eine Textsammlung fürPraxis und Studium, Aachen,Dortmund, Hannover (Dortmun-der Vertrieb für Bau- und Pla-nungsliteratur) 2003.

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AC2 – Der Aachener Gründungs-wettbewerb unterstützt alle Grün-dungsinteressierten. Teilnehmenkann jeder, der eine gute Ge-schäftsidee hat. Der Weg in dieSelbständigkeit ist kurz. In nurfünf Monaten erarbeiten dieTeilnehmer Schritt für Schritt eintragfähiges Geschäftskonzept,Ihren Businessplan. Dabei profi-tieren sie insbesondere von derindividuellen Beratung des pro-fessionellen Coaching-Netzwerkvon AC2. Außerdem werden anden Coachingabenden speziellauf Gründerfragen zugeschnitte-ne Vorträge und Seminare ange-boten. Bei Bedarf vermittelt AC2

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Thomas Früh

Produktive Enzyme

üngst wurden mit dem Deut-schen Zukunftspreis Forschungs-arbeiten ausgezeichnet, die den

Weg in eine sanfte Chemie eb-nen: Enzyme sollen die Produk-tion von Pharmazeutika und Fein-chemikalien revolutionieren. Denndie konventionellen Herstellungs-verfahren erfordern meist vielHitze und Druck sowie den Ein-satz von Schwermetallen, Säurenoder Laugen. Die Folge: HoherEnergieverbrauch und reichlichNebenprodukte, die leider oftumweltschädlich sind. Enzymeversprechen hingegen Abhilfe: Fürnahezu jede biochemische Reak-tion findet sich in Lebewesen einmaßgeschneidertes Enzym, dasexakt zu den Reaktionspartnernpasst und diese effektiv zu dengewünschten Endprodukten um-setzt. Und das unter so mildenBedingungen, wie sie nur in Or-ganismen herrschen.

Allerdings hat die Sache ei-nen Haken: Die meisten Pharma-zeutika und Feinchemikalien las-sen sich in Wasser nur schwer, inwasserabstoßenden Flüssigkeitendafür umso besser lösen undaufbereiten. Daher wäre es ideal,die Enzyme direkt in organischenLösungs-mitteln einzusetzen.Doch dort werden sie wiederumrasch inaktiv, denn die Biomole-küle benötigen das Elixier Was-ser, um zu überleben.

Ein Forschungsteam der Aa-chener Hochschule, geführt vonMarion Ansorge-Schumacherund Professor Winfried Hartmei-er vom Lehrstuhl für Biotechno-logie, einen Ausweg aus demDilemma gefunden. Ansorge-Schumacher, einst Doktorandinder Zukunftspreisträgerin Maria-Regina Kula, bettet die Enzym-moleküle in ein bis vier Millime-ter große Perlen aus wasserhalti-gem Gel ein. In dem Materialkann die junge Wissenschaftlerinden Wasser-, den Salz- sowieden Säuregehalt gezielt einstel-len und so ideale Lebensbedin-gungen für die Enzyme schaffen.Zudem sind die Biomoleküle inden Gelkügelchen wirksam vorwasserabstoßenden Medien ge-schützt.

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in lebensfeindlicher UmweltErstmals können empfindliche Enzyme in organischen Lösungsmitteln Chemikalien herstellen

Daher kann Ansorge-Schuma-cher die Gelperlen sogar in demKohlenwasserstoff Hexan schwi-mmen lassen, einem in der che-mischen Industrie gebräuchlichenLösungsmittel. Darin neigen siezwar zur Verklumpung, aberwohldosierte Gaben oberflä-chenaktiver Substanzen verhin-dern dies. Mixt man in diesenCocktail nun das Enzymsubstrat,so werden die Perlen zu schwim-menden Produktionsplattformen.Da deren Oberfläche im Ver-hältnis zum Volumen groß ist,gelangen die Substratmolekülerasch ins Innere. Ebenso schnellwandern die Endprodukte nachaußen. Diese können leicht ab-getrennt und die Perlen mit denteuren Enzymen wiederverwen-det werden. Den Aachener For-schern glückte es, das empfindli-che Enzym Alkoholdehydrogena-se samt seinem wasserlöslichenKofaktor in Gelkügelchen einzu-betten und in Hexan den Aro-mastoff R-Phenylethanol produ-zieren zu lassen. Dabei erzieltendie Wissenschaftler stattliche 80bis 85 Prozent Ausbeute.

Schon früher hatten andereTeams versucht, Enzyme durchEinbettung in Polyurethan oderin Harze vor wasserabstoßendenMedien zu schützen. Aber da-mals blieb die Enzymaktivitätweit hinter den Erwartungenzurück. Auch Versuche mit was-serhaltigen Gelen gab es. Diesewurden jedoch abgebrochen.Ansorge-Schumacher vermutet,dass ihre Vorgänger scheiterten,weil sie die kleinräumigen Pro-zesse nicht sichtbar machen unddaher auch nicht steuern konn-ten. Ganz anders das von derDeutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) geförderte RWTH-Team. Es durchleuchtet die Per-len mit Hightech aus mehrerenHochschulinstituten. Laser-Mi-kroskopie sowie Kernspinresona-nz- und Raman-Spektroskopieenthüllen jetzt, wie sich die Mo-leküle in den Gelperlen verteilenund bewegen.

Bei der Messung und Auswer-tung der Daten hilft den Forschern der RWTH-Lehrstuhl für Biover-fahrenstechnik. Dabei zeigten Pro-fessor Jochen Büchs und seineMitarbeiter, dass die Perlen nochrobuster werden müssen, sollensie den Strömungsgeschwindigkei-ten in industriellen Prozessen

standhalten. Ansorge-Schumacherist jedoch zuversichtlich. Nachihrer Einschätzung lässt sich dasneuartige Verfahren für die Be-dürfnisse der verschiedenstenEnzyme maßschneidern.

Sollte dies gelingen, könntedie enzymatische Produktionteurer Chemikalien erheblichausgeweitet werden. Der ökono-mische Nutzen wird bereits deut-lich, wenn man sich auf die un-bestrittene Domäne der Enzymebeschränkt – die sortenreine Her-stellung von Stoffen, die in zweispiegelbildlichen Varianten vor-kommen. Der weltweite Marktfür diese so genannten chiralenMoleküle soll nach einer Studieder internationalen Unterneh-mensberatung Frost & Sullivan inden Jahren 2003 bis 2007 vonneun auf sechzehn MilliardenEuro wachsen.

Autor:

Dr. rer. nat. Thomas Früh ist Mit-arbeiter des Dezernats Presse- undÖffentlichkeitsarbeit.

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