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Experten für das Lesen ist ein Qualifizierungsangebot des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW und Bildungspartner NRW. Experten für das Lesen Sequenz 2 Diagnose und individuelle Förderung von Lesekompetenz Autorinnen: Professorin Dr. Gudrun Marci-Boehncke Corinna Wulf M.Ed. Institut für deutsche Sprache und Literatur Forschungsstelle Jugend – Medien – Bildung Universität Dortmund Das Material ist urheberrechtlich geschützt.

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Experten für das Lesen ist ein Qualifizierungsangebot des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW und Bildungspartner NRW.

Experten für das Lesen

Sequenz 2

Diagnose und individuelle Förderung

von Lesekompetenz

Autorinnen:

Professorin Dr. Gudrun Marci-Boehncke

Corinna Wulf M.Ed.

Institut für deutsche Sprache und Literatur

Forschungsstelle Jugend – Medien – Bildung

Universität Dortmund

Das Material ist urheberrechtlich geschützt.

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Experten für das Lesen ist ein Qualifizierungsangebot des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW und Bildungspartner NRW.

Sequenz 2: Diagnose und individuelle Förderung von

Lesekompetenz

Inhaltsverzeichnis

2.1 Lesekompetenz diagnostizieren: lesediagnostisch e Werkzeuge aus

literaturdidaktischer Sicht ................................................................................. 3

2.2 Einfache Screening-Verfahren zur Überprüfung vo n Basiskompetenzen (z. B.

Lesegeschwindigkeit, Lesegenauigkeit) ............................................................. 5

2.3 Differenziertere Diagnostiktests, die vor allem auf die Erfassung von

Leseverständnisleistungen abzielen .................................................................. 7

2.4 Testverfahren, die sowohl das Leseverständnis a ls auch Kenntnisse zu

Lesestrategiewissen berücksichtigen ............................................................... 12

2.5 Direkte Fördermaßnahmen in Bezug auf das Leseve rständnis und die

Lesegeschwindigkeit ..................................................................................... 13

2.5.1 Lautlese-Verfahren: Lautlesetandems zur Steigerung der Lesegeschwindigkeit ......... 13

2.5.2 Viellese-Verfahren ....................................................................................................... 18

2.5.3 Lesestrategien einüben ................................................................................................. 19

2.6 Grundlegende Überlegungen zu den Fördermaßnahme n in Bezug auf die

Lesemotivation ............................................................................................. 22

2.7 Ihre Praxis .................................................................................................... 25

2.8 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 26

Was Sie in dieser Sequenz erwartet:

In dieser Sequenz wollen wir Ihnen verschiedene Testverfahren

vorstellen, die verschiedene Schwerpunkte in Bezug auf eine

Lesekompetenzmessung in den Fokus rücken. Beschrieben werden

sowohl einfache Screening-Verfahren als auch differenzierte

Verfahren, die verschiedene Ebenen wie beispielsweise das

Leseverständnis, die Lesegenauigkeit oder das Lesestrategiewissen

testen. Daran anknüpfend werden verschiedene Verfahren zur

Leseförderung vorgestellt, die Sie sowohl bedarfsorientiert

durchführen als auch im Zuge einer ganzheitlichen

Lesekompetenzförderung in Ihren Unterricht integrieren können.

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Lerninhalte/Kompetenzen

In dieser Sequenz werden Sie

− diagnostische Werkzeuge zur Kompetenzmessung vergleichen und diese unter verschiedenen Gesichtspunkten analysieren und bewerten.

− begründet für eine ermittelte Zielgruppe Ihrer Schülerinnen und Schüler einen Test auswählen und im Laufe des Schuljahres durchführen.

− die Vor- und Nachteile des Tests in der konkreten

Durchführungssituation beschreiben und Konsequenzen für eine nächste Testung ziehen.

− verschiedene passgenau auf die Testung folgende Maßnahmen und Methoden zur Leseförderung einschätzen, anhand der Testergebnisse konstruieren, kommunizieren und in die berufliche Praxis übertragen.

− Ihre Situation an der Schule reflektieren und sich kriteriengeleitet mit individuellen Entwicklungsbedarfen und -ideen auch im Kontext inklusiver Lernsituationen auseinandersetzen.

2.1 Lesekompetenz diagnostizieren: lesediagnostische

Werkzeuge aus literaturdidaktischer Sicht

Lesediagnostik ist die zentrale Voraussetzung für die gezielte

Leseförderung. Sie ist auch wichtig, um inklusive Arbeitsherausforderungen

zu erkennen. Denn die Förderung der Teilhabe aller Schülerinnen und

Schüler „ohne fremde Hilfe“ ist laut UN-Resolution für alle Schularten

grundsätzlich verpflichtende Aufgabe. Da sich dieser Anspruch auf Inklusion

nicht nur auf die Berücksichtigung von Menschen mit Behinderung bezieht,

sondern auf alle Menschen ausgerichtet ist, die sich in Lebenslagen

befinden, die eine Teilhabe am Leben erschweren, muss man oft erst

herausfinden, wer eigentlich betroffen ist. Nicht jeder, der Förderung

benötigt, erhält dafür zusätzliche Fördergelder oder Maßnahmen. Dennoch

gilt das Prinzip der individuellen Förderung für alle. Und wer individuell

fördern will, muss diagnostizieren. Allerdings geben diagnostische

Verfahren anders herum auch nur Informationen zum Leistungsstand, nicht

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jedoch darüber, wie konkret gefördert werden kann! Und es stehen auch

nicht alle Teilbereiche des Lesens im Fokus. Sie wählen ein für Ihre

Anforderungen passendes diagnostisches Testverfahren aus und wenden es

an. Kein Verfahren kann alle einzelnen Prozesse des Lesens und deren

Erfolgsbedingungen erfassen. Probieren Sie Tests und Fördermaßnahmen

auch ruhig aus, indem Sie in zwei Parallelklassen testen und nur in einer

Klasse mit einem bestimmten Verfahren fördern, in der anderen im

gewohnten Unterricht fortfahren und nach Ende der Förderphase wieder in

beiden Klassen testen. So müssten Sie einen Eindruck erhalten, welche

Effekte die systematische Fördermaßnahme jenseits altersspezifischer

Entwicklungen zeigt. Solche kleinen, systematischen Unterrichtsbeob-

achtungen helfen Ihnen, den Unterricht zu verbessern und auf die Bedin-

gungen Ihrer Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte zuzuschneiden.

Unabhängig von der Schulstufe sollten die diagnostischen Testverfahren

regelmäßig eingesetzt werden, um Leistungsentwicklungen festzustellen,

Rückmeldungen zur eigenen Unterrichtseffektivität zu erhalten und den

Schülerinnen und Schülern ein Feedback über deren Leistungsverläufe

geben zu können. Wünschenswert sind verbindliche Absprachen im

Kollegium, die einen intensiven Austausch über die eigenen Erfahrungen

ermöglichen und aus denen Konsequenzen für den Unterricht und die

Methodik abgeleitet werden können. Schülerinnen und Schüler gewöhnen

sich mit der Zeit an regelmäßige Tests, die ohne Notendruck erfolgen.

Angstfrei können sie diese idealiter auch zur Selbstbestätigung und

Erfolgskontrolle nutzen. Heißt: Schülerinnen und Schüler sollen die Tests

als Information für sich selbst verstehen und nicht als „Kontrollinstrument“

der Lehrerinnen und Lehrer. Dazu müssen Tests Gewohnheit werden (vgl.

McElvany 2016).

Organisatorisch hilft es, ein ganzheitliches Leseförderkonzept an Ihrer

Schule zu implementieren, dem solche regelmäßigen diagnostischen

Testverfahren angehören sowie entsprechende Maßnahmen zur Förderung

und die Einbindung außerschulischer Kooperationspartner wie Bibliothek,

Medienzentren usw.

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In dieser Lerneinheit wollen wir nun Maßnahmen zur Diagnose der

Lesekompetenz sowie einige Fördermaßnahmen, die Sie in Ihren Unterricht

integrieren können, in einer Schnellübersicht zusammenstellen.

2.2 Einfache Screening-Verfahren zur Überprüfung von

Basiskompetenzen (z. B. Lesegeschwindigkeit,

Lesegenauigkeit)

Name des Verfahrens

Jahrgangs-stufe

Test-dauer

Schwerpunkt der Testung

Beispiel

Salzburger Lese-Screening (SLS 1-4) und (SLS 5-8)

1-4 bzw. 5-8 etwa 10 Minuten

− Lesegeschwindigkeit − Leseverständnis − Beurteilung der

basalen Lesefertigkeit

Bananen sind blau.

Stolperwörter Lesetest (STOLLE)

1-4 zwischen 4-10 Minuten (je nach Jahrgang)

− Lesegeschwindigkeit − Leseverständnis und − Lesegenauigkeit auf

Satzebene − Beurteilung der

basalen Lesefertigkeiten

− Schwerpunkt: Dekodieren

Der Hund isst gern groß

Fleisch.

Ich kann gut Name lesen.

Lautlese-protokoll (Rosebrock/ Nix 2012)

1-10 1 Minute bis etwa 5 Minuten

− Lesegeschwindigkeit − Lesegenauigkeit − Beurteilung der

basalen Lesefertigkeiten

− Schwerpunkt: Dekodieren

− Indirekt: Textverständnis

Ein beliebiger Text im Schwierigkeitsgrad der Lese-altersstufe

Bei den Screeningverfahren SLS 1-4 und 5-8 und STOLLE werden basale

Lesefertigkeiten vor allem im Bereich der Lesegeschwindigkeit und des

Leseverstehens bzw. der Lesegenauigkeit auf Satzebene getestet.

Das Salzburger Lese-Screening-Verfahren kann als Gruppentest eingesetzt

werden. Im Test müssen die Kinder leise eine Anzahl von Sätzen lesen und

entscheiden, ob die Aussage des Satzes richtig oder falsch ist. Beurteilt

wird die Leistung anhand der in drei Minuten korrekt beurteilten Sätze

(Leistungsrohwert), worüber auch Aussagen zum Leistungsstand der Klasse

getroffen werden können.

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Weitere Informationen unter:

http://www.testzentrale.de/programm/salzburger-lese-screening-fur-die-klassenstufen-1-4.html

http://www.testzentrale.de/programm/salzburger-lese-screening-fur-die-klassenstufen-5-8.html

Bei dem Stolperwörter Lesetest (STOLLE) handelt es sich um ein Standard-

Diagnose-Verfahren, das als Gruppentest angelegt ist. Der Test ist dabei so

aufgebaut, dass Sätze vorgegeben werden, in die ein Wort eingebaut ist,

welches thematisch/inhaltlich nicht in den Satz passt und als überflüssig

eingestuft werden muss (= „Stolperwort erkennen“) (vgl. Wildemann 2012:

10). Es wird von den getesteten Schülerinnen und Schülern verlangt,

zumindest einen großen Teil der Wörter zu erlesen; Strategien zur

Grammatik, Syntax und Semantik müssen ebenfalls angewendet werden.

Die Testdauer liegt zwischen 10 Minuten (1. Klasse) und 4 Minuten (4.

Klasse). Dabei liegen eine „einfachere" Testversion mit 45 Sätzen sowie

eine Testversion mit 60 Sätzen für die höheren Schulstufen vor. Das

Testverfahren ist kostenlos, leicht auszuwerten und durch

Kontaktaufnahme mit dem Autor Wilfried Metze zu beziehen.

Weitere Informationen unter:

http://www.wilfriedmetze.de/html/stolper.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Stolperw%C3%B6rter-Lesetest

Die vorgestellten Testverfahren ermöglichen es, disfluente Leserinnen und

Leser zu erkennen, Wir möchten an dieser Stelle eine weitere Methode

vorstellen, die die Aspekte der Diagnostik und Förderung der Leseflüssigkeit

unmittelbar und unterrichtlich einbindbar miteinander vereint.

Dabei werden Lautleseprotokolle angelegt, in denen die Lesegenauigkeit

der Schülerinnen und Schüler erhoben wird. Ein Text bleibt vermutlich

unverstanden, wenn die Dekodiergenauigkeit unter 90 % liegt. Ein hohes

Leselevel (=verstehendes Lesen), wobei der Text ohne gesonderte Hilfe

verstanden werden kann, wird ab einer Dekodierfähigkeit von 95 %

erreicht.

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Das Verfahren geht so vor, dass die Lehrkraft einen Text auswählt, der

alters- und entwicklungsgemäß dem Stand der Schüler und Schülerinnen

entspricht. Dies allein hat den Vorteil, dass dieses Verfahren in jede

Themeneinheit integriert werden kann – also etwa ein für alle Kinder

gleicher Auszug aus einer kinderliterarischen Ganzschrift. Der Schüler bzw.

die Schülerin liest dabei den Text eine Minute lang vor; parallel markiert die

Lehrperson alle Lesefehler. Keine Fehler sind Wiederholungen und

Verlesungen, die eigenständig korrigiert werden. Im Anschluss werden die

Anzahl der gelesenen Wörter und die Fehler gezählt. Flüssig gelesen wurde,

wenn etwa 100 Wörter pro Minute gelesen worden sind. Nun muss die

Anzahl der Wörter mit der Lesegenauigkeit in Zusammenhang gebracht

werden. Dazu wird die Anzahl der fehlerhaften Wörter von der Anzahl der

gelesenen Wörter pro Minute subtrahiert und durch diese Formel, kann die

Dekodiergenauigkeit in % ermittelt werden:

������������������% =�����������������������������ö����

�������������������ö���� �!"����#�$����� x 100

2.3 Differenziertere Diagnostiktests, die vor allem auf die

Erfassung von Leseverständnisleistungen abzielen

Name des Verfahrens

Jahrgangs-stufe

Testdauer Schwerpunkt der Testung

Weitere Informationen

Knuspels Leseaufgaben (KNUSPEL-L)

1-4 35-50 Minuten (je nach Jahrgangsstufe)

− Rekodieren − Dekodieren − Leseverständnis − Grundlegende

Lesefertigkeiten auf Satzebene

− Testung durch vier Subtests mit unterschiedlichen Schwerpunkten

Hamburger Lesetest (HAMLET 3-4)

3-4 90 Minuten − Dekodieren − Leseverständnis

− Worterkennungs-Test

− Leseverständnis-Test

Frankfurter Leseverständ-nistest (FLVT 5-6)

5-6 45 Minuten − Leseverständnis − Testung anhand zwei verschiedener Textsorten (narrativ und sachlich)

Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler

1-6 15 Minuten − Leseverständnis − Testung in drei Subtests

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(ELFE 1-6)

Lesegeschwindigkeits- und -verständnistest

6-12 10 Minuten − Leseverständnis auf der Wort-, Satz- und Textebene

− Testung anhand von drei Subtests

Knuspels Leseaufgaben (KNUSPEL – L) unterteilt sich in vier Subtests,

wobei der Autor davon ausgeht, dass diese Teilfertigkeiten des Lesens

unmittelbar nacheinander (Rekodieren, Dekodieren, Leseverstehen)

entwickelt werden. Das Rekodieren und Dekodieren werden als

Vorläuferfähigkeiten bezeichnet, die als Grundvoraussetzung für das

verstehende Lesen entwickelt sein müssen.

Subtest 1 prüft das Hörverstehen, bei dem angenommen wird, dass es alle

Leseteilfähigkeiten beeinflusst und Rückschlüsse über die kognitiven

Fertigkeiten zulässt. Dazu müssen mündlich gestellte Fragen beantwortet

und Aufforderungen durchgeführt werden. Subtest 1 enthält dabei die

gleichen Aufgabenstellungen wie Subtest 4, sodass sich hier

Verstehensprobleme innerhalb der mündlichen Sprache feststellen lassen.

Subtest 2 überprüft inwieweit die Schülerinnen und Schüler in der Lage

sind, lautgleiche Wörter zu erkennen (=Rekodieren).

Subtest 3 erfasst, ob die Schülerinnen und Schüler Wortbedeutungen

erkennen können (=Dekodieren). Mit Subtest 4 lässt sich feststellen, ob sie

schriftliche Fragen und Aussagen verstehen können (=Leseverstehen).

Zusammenfassend wird so aus den Einzelfähigkeiten eine Summe gebildet,

die widerspiegelt, inwieweit die Vorläuferfähigkeiten, die für das

Leseverstehen benötigt werden, und die Lesefähigkeit bei den Schülerinnen

und Schülern entwickelt sind. Daraus können Rückschlüsse gezogen

werden, welche Kinder Leseprobleme haben und welche nicht. Zur

Überprüfung und Auswertung stehen Begleitmaterialien und Normtabellen

bereit, anhand derer die Leistungen der eigenen Klasse bzw. der

individuellen Schülerinnen und Schüler ausgewertet werden können.

Weitere Informationen unter:

http://www.testzentrale.de/programm/knuspels-leseaufgaben.html

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Der Hamburger Lesetest (HAMLET 3-4) überprüft das Leseverständnis

am Ende der Grundschulzeit und ist als Gruppentest ausgerichtet. Der Test

unterteilt sich in zwei Themenbereiche:

1. ein Worterkennungs-Test, bei dem einzelne Wörter je vier Bildern

zuzuordnen sind

2. ein Leseverständnis-Test, durch den Kenntnisse zu den Teilfertigkeiten

der Lesesicherheit und -geschwindigkeit ermittelt werden können.

Anhand von zehn Texten unterschiedlicher Textgenres (Erzählung,

Sachtext, Gebrauchstext) müssen pro Text vier Multiple-Choice-Aufgaben

bearbeitet werden. Ausgewertet werden die beiden Testteile über die

Bestimmung des Rohwertes (Anzahl richtiger Teilaufgaben). Die

Lesegeschwindigkeit lässt sich durch den Wort-Test mithilfe von drei Stufen

bestimmen (geringe, mittlere oder hohe Lesegeschwindigkeit). HAMLET 3-4

ist ein kriteriumsorientierter Test, der Auskünfte darüber gibt, welche

Kompetenzen im Leseverstehen bei den einzelnen Schülerinnen und

Schülern vorhanden sind, indem die Lehrperson anhand der Auszählung der

richtigen Lösungen die Leistungen des Kindes einer der fünf im

Begleitmaterial beschriebenen Leseverständnisstufen zuordnen kann. Die

Komplexität der eigenen Leistungen nimmt dabei von Stufe zu Stufe zu.

Des Weiteren können die Leistungen der Klasse bzw. der einzelnen

Schülerinnen und Schüler mit den Normtabellen abgeglichen werden(vgl.

Steck 2009: 60f).

Weitere Informationen unter:

http://www.testzentrale.de/programm/hamburger-lesetest-fur-3-und-4-

klassen.html

Mit Hilfe des Frankfurter Leseverständnistests (FLVT 5-6) lässt sich

das Leseverständnis unterteilt in textimmanente Verstehensprozesse und

globale Kohärenzbildung überprüfen. In dem Test müssen die Schülerinnen

und Schüler zwei Texte (narrativer und sachlicher Text) mit jeweils ca. 570

Wörtern lesen und dazu jeweils 18 Fragen als Mehrfachwahlaufgaben mit

unterschiedlichen Anforderungsniveaus bearbeiten. Überprüft werden sollen

dabei textimmanente Verstehensleistungen und auch schlussfolgernde

Verständnisleistungen. Es wurden im Test vor allem längere Texte

verwendet, um auch die hierarchiehöheren Leseverstehensprozesse der

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globalen Kohärenzbildung zu überprüfen. Hier geht es also schon um

komplexere Anforderungen. Globale Kohärenzbildung ist dabei gerade auch

für digitales Lesen und Orientieren im Netz eine wichtige Voraussetzung.

Anhand der richtig beantworteten Aufgaben können die Schülerleistungen

zwei verschiedenen Kompetenzstufen zugeordnet werden, die genauer

definieren, welche Anforderungen die Schülerin bzw. der Schüler vermutlich

beherrscht bzw. woran sie/er vermutlich scheitern wird. Für beide

Anforderungsbereiche gibt es sowohl einfachere als auch komplexere

Aufgabentypen.

Die Ergebnisse der eigenen Klasse können ebenfalls mit denen in den

beigefügten Normtabellen gemachten Ergebnissen der Stichprobe,

untergliedert nach Klasse, Schulform, Geschlecht und Muttersprache,

verglichen werden, um eine bessere Einschätzung des Leistungsniveaus

vornehmen zu können (vgl. Adam-Schwebe/Souvignier/Gold 2009: 113ff).

Weitere Informationen unter:

http://www.testzentrale.de/programm/frankfurter-leseverstandnistest-fur-

5-und-6-klassen.html

Mit dem Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler (ELFE 1-6)

kann eine Stärken- und Schwächen-Analyse einzelner Schülerinnen und

Schüler und Klassen durchgeführt werden. Das Gruppentestverfahren ist

sowohl als Computerversion als auch als „handschriftliche" Version

verfügbar. Das Verfahren enthält drei Subtests:

Subtest 1 Wortverständnistest: Die Aufgabe besteht darin, das passende

Wort zu einem Bild zu finden; zur Auswahl stehen vier Wörter, die sich

graphemisch und phonemisch ähneln und über die gleiche Anzahl an Silben

verfügen.

Subtest 2 Satzverständnistest: Der Subtest ist so aufgebaut, dass in einem

Satz meistens ein Wort fehlt, wobei die Schülerinnen und Schüler das

passende Wort aus fünf Antwortalternativen finden müssen. Die

Auswahlwörter ähneln sich dabei graphemisch und phonemisch. Das

fehlende Wort kann dabei ein Verb, Adjektiv, Nomen, eine Konjunktion oder

Präposition sein.

Subtest 3 Leseverständnis auf Textniveau: Zu einem meist narrativen Text

müssen Fragen durch das Auswählen von vier Antwortalternativen

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beantwortet werden. Die Aufgaben unterliegen dabei unterschiedlichen

Anforderungsniveaus beispielsweise auf der Ebene der

Informationsentnahme, des satzübergreifenden Lesens oder des

schlussfolgernden Lesens (vgl. Wildemann 2012: 9;

Lenhard/Lenhard/Schneider 2009: 97ff).

Bei der Durchführung mit der Computerversion kann neben dem

Leserverständnis auch die Lesegeschwindigkeit erhoben werden. Hier

können die Ergebnisse direkt und automatisch ausgewertet werden.

Die manuelle Auswertung erfolgt durch das Testhandbuch. Anschließend

werden alle Werte addiert, wodurch dann der Gesamtwert der Schülerinnen

und Schüler in einer Tabelle nachgeschlagen werden kann. Anschließend

wird die Stärken- und Schwächenanalyse durchgeführt, bei der die

Überlappung mit den Prozenträngen verglichen und intraindividuelle

Stärken und Schwächen herausgefunden werden können. Darüber hinaus

liegt ein Lernprogramm mit insgesamt 14 Lernspielen vor (vgl.

Lenhard/Lenhard/Schneider 2009: 98ff).

Weitere Informationen unter:

http://www.i4.psychologie.uni wuerzburg.de/fileadmin/06020400/user_upload/Lenhard/Kapitel_06__Lenhard_Lenhard_Schneider__rev3.pdf

http://www.testzentrale.de/programm/ein-leseverstandnistest-fur-erst-bis-sechstklassler.html

Im Lesegeschwindigkeits- und -verständnistest für die Klassen 6-12

lesen die Schülerinnen und Schüler einen Text mit über 1700 Wörtern. An

verschiedenen Stellen im Text müssen sie aus drei Alternativen ein Wort

auswählen, welches in den Textzusammenhang passt. Die Dauer des

Testverfahrens beträgt etwa 10 Minuten. Die Auswertung erfolgt mit Hilfe

eines Testbogens und des Abgleichs mit der Normierungsstichprobe.

Weitere Informationen unter:

http://www.testzentrale.de/programm/lesegeschwindigkeits-und-

verstandnistest-fur-die-klassen-6-12.html

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2.4 Testverfahren, die sowohl das Leseverständnis als

auch Kenntnisse zu Lesestrategiewissen

berücksichtigen

Name des Verfahrens

Jahr-gangs-stufe

Testdauer Schwerpunkt der Testung

Weitere Informationen

Würzburger Lesestrategie-Wissenstest (WLST 7-12)

7-12 30 Minuten − Überprüfung von Lesestrategie–wissen beim Lesen

− Leseverständnis

− Testung durch sechs verschiedene Lernszenari-en

Der Würzburger Lesestrategie-Wissenstest kann für alle Schulformen

außer der Förderschule verwendet werden. In dem Testverfahren werden

den Schülerinnen und Schülern sechs Lernszenarien vorgestellt, in denen

sie die Qualität und den Nutzen von fünf unterschiedlichen

Vorgehensweisen, die der (effektivsten) Erreichung eines Lernziels dienen,

anhand von Schulnoten bewerten sollen. Dabei geht es vorrangig um

Strategiewissen, das beim Lesen, Reproduzieren und Verstehen von Texten

wichtig erscheint. Je höher die Testwerte der einzelnen Schülerin bzw. des

einzelnen Schülers, desto effektiver ist das Lesestrategiewissen im Hinblick

auf das Verstehen und Behalten des vorliegenden Tests. Ausgewertet

werden die Ergebnisse mit Hilfe von Expertenratings, über die die

Bewertungen der eigenen Schülerinnen und Schüler miteinander verglichen

werden können.

Weitere Informationen unter:

http://www.unifr.ch/ztd/HTS/inftest/WEB-

Informationssystem/de/4dej01/73a778bf52874cdeba4078e22bb8fc03/hb.h

tm

http://www.testzentrale.de/programm/wurzburger-lesestrategie-

wissenstest-fur-die-klassen-7-12.html

Wie Sie sehen: In keinem der Testverfahren werden alle Teilkompetenzen

des Lesens überprüft – es sind immer deutliche Schwerpunkte in den

einzelnen Testverfahren zu erkennen. Wichtig für Sie als Lehrperson ist es

jedoch, die entsprechenden Defizite hinsichtlich der Entwicklung der

Lesekompetenz zu erkennen und zu versuchen, diese auszugleichen.

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Diagnostische Werkzeuge können Ihnen dabei helfen, sich einerseits einen

groben Überblick über die Leseleistungen und Leseentwicklungen Ihrer

Schülerinnen und Schüler zu verschaffen, aber auch differenziertere

Aussagen über den Leistungsstand Ihrer Klasse treffen zu können.

Hier müssen Sie entscheiden, welches Testverfahren am besten an die

Bedürfnisse und Anforderungen Ihrer Schülerinnen und Schüler anknüpft!

Auf die Diagnose, die Ihnen Aufschluss über Förderbedarfe gibt, folgen die

Fördermaßnahmen, die Sie mit einem ausgewählten Schülerkreis

durchführen und idealerweise auch in Ihre tägliche Unterrichtspraxis

integrieren können. Die Methoden sind dem Mehrebenenmodell des Lesens

von Rosebrock/Nix (vgl. S 1) zugeordnet. Die unmittelbare

Bewusstmachung, welche Ebene des Lesens man durch die entsprechende

Maßnahme fördert, soll es Ihnen erleichtern, noch weitere Methoden mit

der gleichen Zielsetzung zu ergänzen. Wir hoffen, Ihnen dadurch noch

weitere neue Blickwinkel in Bezug auf den Aspekt der Leseförderung

näherbringen zu können, die Sie befähigen, Leseförderung systematisch in

Ihren Unterricht zu integrieren.

2.5 Direkte Fördermaßnahmen in Bezug auf das

Leseverständnis und die Lesegeschwindigkeit

2.5.1 Lautlese-Verfahren: Lautlesetandems zur Steigerung der

Lesegeschwindigkeit

Lautleseverfahren sind explizite Trainingsformen und -routinen, die durch

das laute (Vor-)Lesen von Texten die Verbesserung der Lesefähigkeit in

kognitiver Hinsicht erzielen sollen.

Hier stehen also die Worterkennung, das flüssige Lesen, die Verbindung

von Wortfolgen und die Herstellung von Relationen im Zentrum der

Fördermaßnahme. Durch ein Training auf der hierarchieniedrigen

Prozessebene (vgl. Rosebrock/Nix 2012: 27) verbessert sich die

Automatisierung der Worterkennung und das Arbeitsgedächtnis der/des

Lesenden wird entlastet. Man hat mehr Gedächtnisressourcen frei, um sich

mit dem Inhalt zu beschäftigten.

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Die Lesemotivation und das Reflexionsvermögen werden ebenfalls indirekt

gefördert, da durch eine Verbesserung der technischen Lesefähigkeit auch

das individuelle Selbstkonzept der Leserin bzw. des Lesers positiv

beeinflusst werden kann. Diese Methode eignet sich auch für Schülerinnen

und Schüler der Sekundarstufe, die z. T. häufig noch nicht in der Lage sind,

Texte flüssig und sinnentnehmend zu lesen, und somit Probleme auf der

hierarchieniedrigen Prozessebene haben.

Abb. 1: Einordnung der Lautlese-Verfahren auf dem Mehrebenenmodell – eigene

Darstellung nach Rosebrock/Nix (2012)

Leseflüssigkeit (fluency) umfasst folgende Teilbereiche:

− das exakte Dekodieren von Wörtern,

− die Automatisierung von Dekodierprozessen auf hierarchieniedrigen

Leseprozessen,

− eine angemessen schnelle Lesegeschwindigkeit,

− sinngemäße Betonung des Gelesenen/ausdrucksstarkes Vorlesen (vgl.

ebd. : 35).

Weitere Informationen zu diesem und den anderen Verfahren

erhalten Sie hier.

Nachdem z.B. mithilfe des Lautleseprotokolls die Leseflüssigkeit (fluency)

ermittelt wurde, stellt sich die Frage, wie man sie konkret fördern kann.

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Hier verweisen wir auf die Methode des Lautlesetandems, eines der

sogenannten Lautlese-Verfahren.

Das Besondere dieses Verfahrens zur Förderung der Leseflüssigkeit von

Rosebrock/Nix/Rieckmann/Gold (2011): Das Lautlesetandem versucht,

Leistungserhebung und Förderung zu verbinden und zeichnet sich

außerdem dadurch aus, dass es leicht zu organisieren und auszuwerten ist.

Dabei wird zunächst innerhalb einer Klasse eine Vergleichbarkeit der

Lesekonditionen hergestellt, die dazu verhelfen soll, geeignete

Lesetandems zusammenzustellen.

In diesem Rahmen handelt es sich also um das Peer-Assisted-Learning

(PAL), eine aus dem angloamerikanischen Raum stammende Methode, die

Leseförderung mit Hilfe von Gleichaltrigen (peers) realisieren möchte. D. h.

bei dieser Methode steht die aktive Unterstützung von gleichaltrigen bzw.

zueinander passenden Personen im Vordergrund, die sich gegenseitig

helfen, die Lernziele zu erreichen. Hierzu konnten verschiedene Studien

einen positiven Effekt feststellen (vgl. Philip 2010: 100f). Weitere

Informationen dazu erhalten Sie hier. Lautlese-Tandems bestehen aus

einer/einem stärkeren Leser/in (=Trainer/in) und einer/m schwächeren

Leser/in (=Sportler/in). Das Lesen im Tandem wird regelmäßig (z. B.

dreimal 20 Minuten pro Woche) geübt, wobei die Trainerin bzw. der Trainer

durch das erste Lautlesen die Orientierung bietet und die Sportlerin bzw.

der Sportler – je nach Entwicklung – still mitliest oder in einem zweiten

Durchgang selbst das Lautlesen übernimmt, wenn sie/er sich sicher genug

fühlt. Zu bedenken ist:

• Wie ist mit der relativ hohen Lautstärke im Klassenraum während der parallel laufenden Vorlesephase umzugehen?

• Wie kann sichergestellt werden, dass Vorlesefehler der Tandempartner (z.B. in Bezug auf Betonungen am Satzende, Wörter, Aussprache…) nicht unberichtigt stehenbleiben oder es keine klare Rückmeldung zu den Kriterien gibt?

o Eine Möglichkeit hierzu wäre die Begleitung einzelner Tandems durch die Lehrkraft – siehe unten.

o Eine weitere wäre die Aufzeichnung des jeweiligen Leseduos mit digitalen Medien (z.B. Tablet) mit der Aufforderung, sich die Aufnahme später anzuhören und eigene Fehler zu finden.

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• Derselbe Text sollte zwar wiederholt vorgelesen werden, um eine unmittelbar erlebte Verbesserung zu erzielen, jedoch nicht für zu viele Durchgänge herhalten – dies ginge auf Kosten von Authentizität

und Motivation. • Es sorgt für hohe Motivation, Texte auszuwählen, die bei den

Schülerinnern und Schülern aus welchen Gründen auch immer ein authentisches Leseinteresse auslösen.

Im Verlauf der Leseübungseinheit, die kontinuierlich im Unterricht über das

Schuljahr fortgesetzt wird, werden weitere Lesegeschwindigkeitstests in

Kombination mit Lückentests durchgeführt, die neben der Geschwindigkeit

auch das Textverständnis ausschnitthaft überprüfen (Kriterien zur

Erstellung s. Rosebrock/Nix/Gold 2011: 107). Wichtig für die Lücken im

Text ist es, dass sich das richtige Wort direkt aus dem Kontext erschließen

lässt, sodass die Schülerinnen und Schüler durch genaues Lesen und

logisches Verknüpfen die richtige Antwort selbstständig ermitteln können.

Den Schülerinnen und Schülern steht dabei eine bestimmte Zeitvorgabe zur

Verfügung, in der sie den Text lesen und den richtigen Begriff aus der

Lücke ankreuzen müssen. Die Begriffe werden im Anschluss auf Richtigkeit

überprüft – ist ein falscher Begriff gewählt worden, werden 30 Sekunden

Zeitaufschlag addiert. Anhand einer Tabelle wird die Lesekondition ermittelt

(s. Abb. 2) (vgl. Rosebrock/Nix/Rieckmann/Gold 2011: 98ff).

Abb. 2: Tabelle zur Ermittlung der Lesekondition – eigene Darstellung nach

Rosebrock/Nix/Gold (2011)

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Während der „Trainingszeit" ist es die Aufgabe der Lehrkraft, das Lautlesen

der Lesetandems mithilfe einer Checkliste oder mit entsprechenden

Lautleseprotokollen (s. o.) regelmäßig zu überprüfen. Leitfragen, die Sie bei

der Einschätzung der Leseflüssigkeit hinzuziehen können, sind (vgl.

Rosebrock/Nix/Rieckmann/Gold 2011: 82ff):

− In welchem Tempo dekodiert die Schülerin/der Schüler?

− Ist die Betonung sinngemäß und wird die Interpunktion beachtet?

− Überprüft die Schülerin/der Schüler das Verstehen/den Sinn während des

Lesens selbstständig? (Werden eigene Fehler selbst bemerkt und

verbessert?)

− Wie ist die Schülerreaktion, wenn sie/er aufgefordert wird laut

vorzulesen?

− Wird der Inhalt des Textes verstanden?

− Verbessert sich die Leseleistung, wenn der Text zunächst leise und dann

laut gelesen werden kann?

− Ist die Lesegeschwindigkeit durchschnittlich/angemessen für das

Alter/den Entwicklungsstand?

Im Anschluss gilt es, kleine Übungen durchzuführen, die in den einzelnen

Punkten eine Verbesserung ermöglichen.

Zu diesem Verfahren liegen weitere didaktische Materialien vor, die auch

die Texte und Tests beinhalten (s. Literaturliste). Nähere Informationen zur

Umsetzung dieser Methode an einer Haupt- und Realschule finden Sie hier

(Nix/Rieckmann/Trenk-Hinterberger o.J. [online]).

Weitere Informationen zur Förderung der Leseflüssigkeit:

www.lis.bremen.de/sixcms/media.php/13/Lesefl%FCssigkeit_f%F6rd

ern_Barnieske.pdf

Natürlich bietet dieses Verfahren auch Möglichkeiten zur Differenzierung

über die Textauswahl. Für Schülerinnen und Schüler mit besonderen

Förderbedarfen können einfachere Texte ausgewählt oder erstellt werden.

Gerade für Kinder mit herkunftsbedingter Mehr- oder Anderssprachigkeit

kann eine gezielte Anpassung an Schwierigkeiten ihrer Lernsituation

vorgenommen werden, wobei die Besonderheiten der Herkunftssprachen

berücksichtigt werden sollten.

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2.5.2 Viellese-Verfahren

Als Viellese-Verfahren werden jene Verfahren bezeichnet, bei denen feste

Lesezeiten innerhalb der Unterrichtszeit integriert sind. Der Grundgedanke

dieser Methode lautet: „Lesen lernt man durch vieles Lesen." Lesen soll

also als Selbstverständlichkeit gesehen werden, die gleichwohl auch

Freizeitaktivität ist und Freude bereitet, es soll zum „Habitus“ gehören. Vor

allem Kinder aus lesefernen Familien sollen von dieser Methode profitieren.

Nicht nur das Lesen als Technik, sondern die gelesenen Inhalte sind dabei

wichtig, Lesen muss inhaltlich als lohnend erlebt werden. Textauswahl und

Gespräche über das Gelesene (=Anschlusskommunikation) sind dabei

wesentlich. Das Selbstvertrauen in die eigene Lesefähigkeit, die

Lesemotivation und damit einhergehend auch das lesebezogene

Selbstkonzept der Schülerinnen und Schüler soll sich somit langfristig

verbessern.

Abb. 3: Einordnung der Viellese-Verfahren auf dem Mehrebenenmodell – eigene

Darstellung nach Rosebrock/Nix (2012)

Die Schülerin/der Schüler kann z. B. innerhalb solcher stillen Lesezeiten

(feste Lesezeiten z. B. à 20 Minuten dreimal in der Woche) selbst

entscheiden, welche Lektüre sie/er lesen möchte. Die Mitwirkung an

Entscheidungen kann sich dabei positiv auf die Leistungssteigerung

auswirken (vgl. Rosebrock/Nix 2012: 48f). Wichtig ist eine anregende

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Leseatmosphäre zu schaffen und die angebotenen Texte zu variieren

hinsichtlich der Länge, Thematik, Textsorte und des Schwierigkeitsgrads

(vgl. Bertschi-Kaufmann 2007: 173). Viellese-Verfahren sind langfristige

Methoden, die ganzheitlich im Sinne einer „lesenden Schule" von allen

Beteiligten umgesetzt und erfahren werden müssen, um nachweisbare

Steigerungen der Leseleistung zu erzielen (vgl. ebd.: 53f).

2.5.3 Lesestrategien einüben

Unter Lesestrategien sind mentale Werkzeuge zu verstehen, die von der

Leserin/dem Leser genutzt werden und die hierarchiehohen

Verstehensleistungen von Texten unterstützen sollen (vgl. Rosebrock/Nix

2012: 59f). Sie sind besonders wichtig für informationsorientiertes Lesen –

auch und vor allem im Internet.

Abb. 4: Einordnung der Fördermaßnahme Lesestrategien einüben auf dem

Mehrebenenmodell – eigene Darstellung nach Rosebrock/Nix (2012: 27)

Die Förderung der Informationsverarbeitungskompetenz ist zentrales Ziel

dieser Methode (vgl. Weißenburger 2009: 11) und unterstützt den

Leseprozess (vgl. Rosebrock/Nix 2012: 59f).

Sie werden im Unterrichtsalltag feststellen, dass der Einsatz von

Lesestrategien bei geübten Leserinnen und Lesern routiniert verläuft. Die

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Fähigkeit zum strategischen, zielbezogenen und aufgabenbezogenen Lesen

unterscheidet sich jedoch z. T. enorm zwischen schwachen und sicheren

Leserinnen und Lesern. Demnach ist im Unterricht eine konkrete

Thematisierung und Einübung dieser Strategien sinnvoll und Schülerinnen

und Schüler müssen darüber ein Bewusstsein erhalten, damit sie sie

langfristig und sinnvoll einsetzen können (vgl. Steck 2009: 103ff).

Lesestrategien können in zwei Arten kategorisiert werden:

Abb. 5: Lesestrategien – eigene Darstellung

Primärstrategien beziehen sich dabei immer auf die im Text zu

erwerbenden und verarbeitenden Informationen und werden dazu genutzt,

um eben diese besser zu verstehen, zu behalten, abzurufen und zu

transferieren. Die Strategien laufen unmittelbar beim Lesen eines Textes ab

(vgl. Steck 2009: 98f).

Abb. 6: Primärstrategien: Methoden – eigene Darstellung

Primärstrategien:

Die Wiederholungsstrategien dienen dem Einprägen oberflächlicher

Merkmale und können für einfache und komplexere Leseaufgaben

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eingesetzt werden. Das Leseziel ist, sich erneut mit dem Textinhalt

auseinanderzusetzen und die Verstehens- bzw. Behaltensleistung zu

vertiefen (vgl. Gold 2007: 51). Ziel dieser Strategien ist es, den Lesestoff

möglichst wortgetreu wiedergeben zu können.

Elaborationsstrategien sollen dem der Leserin/dem Leser dabei helfen, das

eigene Vorwissen zu aktivieren und es mit dem Textinhalt zu verknüpfen

sowie neue Informationen zu festigen. Sie gehen also über die

Textoberfläche hinaus. Informationen sollen dabei mit bereits bestehendem

Wissen vernetzt werden. Diese Verknüpfungen sind für die

Informationsverarbeitung wichtig und wirken sich behaltensförderlich auf

das Gelesene aus (vgl. ebd.: 50).

Organisationsstrategien dienen der Strukturierung von Texten und der

Reduktion auf deren wesentliche Kernaussagen. Sie sind wirksame

Abrufhilfen, die die Wiedergabe und Rekonstruktion aus dem

Langzeitgedächtnis unterstützen sollen. Elaborationsstrategien und

Organisationsstrategien sind eng miteinander verbunden und treten häufig

gemeinsam auf (vgl. Steck 2009: 98 ff, vgl. Rosebrock/Nix 2012: 65ff).

Stützstrategien:

Stützstrategien implizieren Selbststeuerungsaktivitäten, die den eigenen

Verstehensprozess überprüfen sollen. Dabei setzen sie den

Informationsverarbeitungsprozess in Gang, steuern ihn und erhalten ihn

aufrecht.

Abb. 7: Stützstrategien: Methoden – eigene Darstellung

Metakognitive Strategien zielen darauf ab, dass die Leserin/der Leser in der

Lage ist, die eigene Verstehensleistung (bzw. Nichtverstehensleistung) und

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deren Qualität einschätzen zu können sowie notwendige Strategien zu

kennen, um Schwierigkeiten zu beheben (vgl. Gold 2007: 52). Beispiele für

metakognitive Strategien sind alle Situationen, in denen der eigene

Lernprozess reflektiert wird, auch, sich das laut Gelesene über

Aufzeichnungen nochmals kritisch anzuhören oder seine eigenen Gedanken

und Schwierigkeiten durch prozessbegleitendes „Lautes Denken“ zu

beschreiben. In der Lesevorbereitung kann auch die Methode SQ3R oder

SQ4R helfen, den Leseprozess zu planen und zu strukturieren und damit

den Verlauf im Blick zu behalten.

Motivational-emotionale Strategien setzen sich aus den individuellen,

motivationalen Komponenten des Lesers bzw. der Leserin und dem

selbstregulierenden Strategieeinsatz zusammen.

Um Lesekompetenz in Bezug auf das Textverständnis fördern zu können,

muss die Leserin/der Leser aktiv in den Lese- und Verstehensprozess

eingebunden werden, indem Textinformationen mit dem eigenen

Weltwissen in Verbindung gebracht werden.

Lesestrategien unterstützen die Leserin/den Leser dabei, ihren Lese- und

Verstehensprozess aktiv zu gestalten und Informationen zu verarbeiten (=

Informationsverarbeitungskompetenz) (vgl. Bräuer 2010: 153).

Andreas Gold hat in Zusammenarbeit mit einigen anderen das Verfahren

der Textdetektive zur Einübung von Lesestrategien für den Einsatz der

Klassen 5-7 entwickelt, mit dem einzelnen Strategien eingeübt werden

können. Ausführliche Informationen dazu erhalten Sie hier: Textdetektive.

2.6 Grundlegende Überlegungen zu den

Fördermaßnahmen in Bezug auf die Lesemotivation

Zunächst betrachten wir den zentralen Aspekt der Lektüreauswahl:

1. Worauf ist bei der Lektüreauswahl zu achten bzw. wie können Sie die

Interessen Ihrer Schülerinnen und Schüler berücksichtigen?

2. Wieso ist individuelles Lesen sinnvoll?

3. Welche Maßnahmen zur Leseförderung werden bisher an Ihrer Schule/in

Ihrer Klasse umgesetzt?

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a) Grundlage zur Lektürewahl: Die Chance des Heldenmotivs

Lesen kann extrinsisch oder intrinsisch motiviert werden. Intrinsische

Motivation funktioniert über Themen und Genres, die als Inhalte

interessieren. Wenn man inhaltliches Interesse wecken kann, bei der

Lektüreauswahl an der Schülerin/am Schüler orientiert ist, steigt die

Lesemotivation (Weißenburger 2009: 19-23). Dies gilt besonders für

schwächere Leserinnen und Leser.

Zu spezifischen Themeninteressen von Jungen und Mädchen kommen wir in

der nächsten Sequenz, hier nur soviel, dass nicht selten eine deutliche

Differenz zwischen den Lesepräferenzen der Schülerinnen und Schüler und

der tatsächlich im Unterricht behandelten Inhalte vorzufinden ist, was

wiederum zu Frustrationen und zu einer mangelnden Lesemotivation

beitragen kann (vgl. ebd.: 188f).

Neben aktuellen Empfehlungen zur Kinder- und Jugendliteratur z. B. durch

den Deutschen Jugendliteraturpreis bieten TV und andere Medieninhalte

Lieferanten für Identifikationsfiguren der Kinder und Jugendlichen, die als

inhaltliche Orientierungshilfe zur Lektüreauswahl genutzt werden können.

Solche Formate können dann auch bewusst thematisiert und ggf. kreativ

weiterentwickelt werden (vgl. Marci-Boehncke 2009: 45).

Die monatliche Spiegel-Bestsellerliste Kinder- und Jugendbücher ist ein

guter Radar für aktuelle Lieblingsbücher und im Netz gibt es immer wieder

Übersichten zu den derzeit beliebtesten Stars und Sternchen der Kinder

und Jugendlichen. Sportlerinnen, Schauspieler, Sängerinnen und YouTuber

gehören hier wesentlich dazu. Die Vorbilder z.B. der 12-19jährigen waren

2016 Selena Gomez, YouTuberin Bibi, Taylor Swift, Jennifer Lawrence und

auf Platz fünf Justin Bieber (vgl. www.rp-

online.de/digitales/internet/jugend-stars-2016-das-sind-die-groessten-

teenie-idole-bid-1.6196494). Die Medien machen jedoch schnell auch neue

Stars, und so sollte man hier immer aktuell recherchieren.

Auch die Lieblingssendungen, zu denen es häufig Verbundprodukte in Form

von Zeitschriften, Büchern oder Comics gibt, können im Rahmen der

Förderverfahren und im Unterricht generell medienkonvergent auch

produktiv genutzt werden. Aktuelle Lieblingsheldinnen und -helden werden

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Sie sicher auch im alltäglichen Unterrichtsgeschehen thematisieren und

erfragen können. Kinder und Jugendliche übernehmen von ihren

Lieblingsstars keinesfalls alles unkritisch, sondern sie dienen oft als Modell,

um eigene Bewertungskompetenz zu erwerben (vgl. Marci-Boehncke/Rath

2007).

b) Individuell lesen lernen (Hattinger Modell) – Ihre Situation an der

Schule/in Ihrer Klasse

Die Aspekte der eigenständigen Text- und Lektürewahl im offenen

Unterrichtsgeschehen und der „lesenden Schule" als Selbstverständlichkeit

im Alltag greift Dieter Wrobel (2009) in seinem Hattinger Modell ebenfalls

auf. Neben einer vielfältigen Auswahl an Texten und Genres, welche die

Interessen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt, zählt ebenfalls ein

individuelles Bearbeitungstempo dazu. Dazu ist innerhalb der regulären

Unterrichtszeit ein gewisses Zeitbudget eingerichtet, in dem alle

Schülerinnen und Schüler lesen können, was sie interessiert (bspw. im

Sinne der Viellese-Verfahren). Die Auswahl erfolgt durch die Schülerin/den

Schüler selbst; ein Leseabbruch ist erlaubt, solange er begründet erfolgt.

Im Rahmen des Modells entwickelte Wrobel ein Raster zur Umsetzung einer

nachhaltigen Leseförderung, das Leseförderung u. a. als eigenständiges

Fach ansiedelt, damit diese als Querschnittsaufgabe aller Fächer nicht bloß

nebenbei und ohne konsequentes System erfolgt.

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2.7 Ihre Praxis

Aufgabe bei der Gesamtpräsenz: Lesediagnostische Testverfahren

analysieren

Wir haben Ihnen Diagnoseverfahren mit Handreichungen zur Sichtung und

Beurteilung mitgebracht. Wählen Sie begründet ein für Ihre Schülerschaft

besonders relevantes Diagnoseverfahren aus und entwickeln Sie ein

Konzept für dessen Einsatz, das fest im Schuljahresablauf installiert werden

kann. Sie könnten z.B. auch eine reguläre Leistungsüberprüfung, die

bestimmte Leseteilkompetenzen testet, als Basis für die Auswahl einer

kleineren Teilgruppe von Schülerinnen und Schülern nutzen, für die dann

ein genaueres Diagnoseverfahren angezeigt ist. Berücksichtigen Sie im

Konzept in jedem Fall Ihre Schulleitung und Fachschaft, um

Durchführungszeitraum und Zuständigkeit für die Auswertung zu klären.

Laden Sie Ihr Konzept unter dem Kürzel S2_Ihr Schulname in unsere

Dateiablage hoch.

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S 2: Diagnose und individuelle Förderung von Lesekompetenz Seite 26 von 29

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2.8 Literaturverzeichnis

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<http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf12/KIM_2012.pdf>. 24.09.2013

Nix Daniel / Rieckmann, Carola/ Trenk-Hinterberger, Isabel (2007):

Wenn das Lesen noch immer stockt. Psychologen und Literaturdidaktiker

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<http://www.leseforum.ch/myUploadData%5Cfiles%5C2010_2_Nix_et_al_PDF.p

df>. Zugriff: 1.10.2013

Weitere Links/Hinweise:

<http://www.eduhi.at/dl/Salzburger_Lesescreening_Handbuch.pdf>. 03.07.2013

<http://bsrlf.lsr-noe.gv.at/lesescreening/sls-5-8_handbuch.pdf>. 03.07.2013

<http://www.testzentrale.de/> 03.12.2013

<http://www.wilfriedmetze.de/html/stolper.html>. 03.07.2013

<http://de.wikipedia.org/wiki/Stolperw%C3%B6rter-Lesetest>. 03.07.2013

http://www.peter-may.de/Komponenten/Dokumente/May_doc/HLT.pdf.

03.12.2013

http://www.i4.psychologie.uni-

wuerzburg.de/fileadmin/06020400/user_upload/Lenhard/Kapitel_06__Lenhard_L

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03.07.2013

www.textdetektive.de 03.12.2013

www.biss-sprachbildung.de/biss.html?seite=145 23.02.2017