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Mit demRGS

die Welt entdecken

Schüleraustausche&

Fahrten

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Im Frühjahr 198� war ich zusammen mit einigen Freundenund vielen Mitschülern in der 11-ten Klasse. Die politischeBildung erforderte zu dieser Zeit einen Besuch im geteilten

Berlin, um uns die Folgen des komplett vergeigten zweiten Welt-kriegs einmal sehr anschaulich zu verdeutlichen.

Die heutige Bundeshauptstadt war nicht nur Teil der innerdeut-schen Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR, son-dern markierte auch die Grenze zwischen der (freien) westlichenWelt und der uns weniger vertrauten (unfreien) östlichen Welt,die von der Sowjetunion dominiert wurde. Grundsätzlich also einsehr lohnenswertes Reiseziel, vor allem für Freunde der Zeitge-schichte, aber auch für allerhand andere „Spezialisten“, die ent-weder dauerhaft dort wohnten oder regelmäßig dorthin fuhren.

Einen solchen hatten wir in Meinefeld kennengelernt. Es war einMann aus der Nachbarschaft meiner Freunde Thomas und Olli,der regelmäßig im Probenraum vorbeischaute und uns von seinenAusflügen nach Berlin erzählte. Als er mitbekam, dass wir in gro-ßer Besetzung in die geteilte Stadt kommen würden, lud er unsein, ihn auf einem seiner Streifzüge in die Peepshows der Stadtzu begleiten. Da wir aufgrund unseres jugendlichen Alters keineVorstellung von einer Peepshow hatten, waren wir auf seineSchilderungen angewiesen und wollten uns, wissbegierig wie wirwaren, gern vor Ort ein Bild von der Realität machen.

Als dann Ende April 198� der Zug im Bahnhof Zoo einlief undwir die Waggons verließen, stand besagter Kollege in seiner ty-pischen Montur, einer undefinierbaren Karohose und einem Bun-deswehrparka, auf dem Bahnsteig und nahm uns in Empfang.Einem unserer Lehrer war die freudige Begrüßung aufgefallen,mit der uns der seltsam wirkende Mensch entgegenkam. Er fragteuns, ob dies unser Onkel aus der DDR sei. Wir bejahten, weil wirintuitiv verstanden, es könnte für unseren Aufenthalt und die ge-planten „Streifzüge“ hilfreich sein, wenn sie unter dem Aspekt derVerwandtschaftszusammenführung geschahen. Von dem Momentan hatten wir also weitgehend unseren eigenen Fahrplan, da wirja möglichst viel Zeit mit unserem „Onkel“ verbringen sollten.

Selbiger konnte es kaum erwarten, den ersten „Streifzug“ zu star-ten, was wir aber bis zum zweiten Tag hinauszögern konnten.Dann aber war es soweit. Wir wurden am Jugendgästehaus Cen-tral vom „Onkel“ abgeholt und fuhren mit der U-Bahn zu einerseiner Spezialadressen. Als wir das Etablissement betreten woll-ten, wurden wir am Eingang nach Personalausweisen gefragt,womit wir nicht unbedingt gerechnet hatten. Olli hatte keinendabei, ich hatte einen, war aber erst 17. Damit hatte sich der Be-such für uns erledigt. Martin und Ernst waren 18 und hatten ihreAusweise dabei. Sie konnten rein.

Olli und ich warteten eine ganze Weile auf den „Onkel“ und un-sere Freunde, leicht enttäuscht, dass wir dieses Großstadterlebnisnicht teilen konnten. Als dann nacheinander die beiden Freundeetwas gerädert wieder bei uns eintrafen, berichteten sie, der„Onkel“ habe sie die ganze Zeit mit dem Kopf vor den Sehschlitzgedrückt, immer wieder neue Münzen für weiteres Sehvergnügenbereitgehalten und kommentiert, wann die spannenden Szenenkämen. Wir waren durchaus froh, dass uns diese Prozedur erspartgeblieben war. Die nackte Frau in dem Schaukasten vor demEtablissement, hätte uns zwar eigentlich schon interessiert, abernicht unter solchen Begleitumständen.

Nach dieser speziellen Veranstaltung war unsere Lust auf weitereUnternehmungen mit dem „Onkel“ vergangen, und wir schlossenuns wieder dem offiziellen Programm der Klassen an. An einemder Abende besuchten wir ein Konzert von Tina Turner in derDeutschlandhalle und waren am nächsten Tag sehr beeindrucktvom Besuch im Ostteil der Stadt, besonders vom Museum derDDR, das viele Vorzüge und herausragende Errungenschaftensowie Produkte des sozialistischen Teils Deutschlands zeigte.

Wenn uns zu dem Zeitpunkt irgendjemand vorhergesagt hätte,dass die Wiedervereinigung ca. � Jahre später erfolgen würde,hätten wir ihn vermutlich für verrückt erklärt. Das ganze Systemmachte nicht den Eindruck, dass es schon bald nach unserem Be-such von innen aufgelöst werden würde und ein Zusammen-schluss mit der Bundesrepublik kurz bevor stünde.

Die Woche in Berlin und auch die Zugreise mit den intensivenGrenzkontrollen in Helmstedt und Wannsee hatten bei uns aufjeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen und uns zunoch größeren Anhängern der (freien) westlichen Welt gemacht.

Nach dem haarscharf bestandenen Abitur 1987 folgte für michder Dienst an der Waffe, in meinem Fall jedoch eher am LKWbeim Nachschub der Weser-Leine-Brigade in Nienburg.

Kaum dass die 1�-monatige Wehrpflicht beendet war und meinStudium in Rosenheim begonnen hatte, fiel in Berlin am 9. No-vember 1989 die Mauer und das meiste, was wir hinter derschwer bewachten innerdeutschen Grenze gesehen hatten, warvon diesem Moment an frei zugänglich und schon bald Geschichte.

Anton Schlüter, Abitur 1987

GEMEINSAME KLASSENFAHRT ALLER 11. KLASSEN INS GETEILTE BERLIN 1985

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Irgendwann im Frühjahr 198� klopfte es während des Unter-richts an die Klassenzimmertür und der damalige Betreuungs-lehrer des Brasilienaustauschs, Herr Henning, kam herein. Er

erzählte kurz etwas über das Programm, den Ablauf und die Kos-ten; Interessenten sollten sich bei ihm melden. Da sich meine El-tern schnell einig waren, mir den Austausch zu ermöglichen,konnte ich zum Jahresende meinen Austauschpartner Alexandreaus São Paulo bei uns zu Hause empfangen.

Das war der Auftakt zu vielen Reisen in das südamerikanischeLand. Rückblickend kann ich heute feststellen, dass der Brasi-lienaustausch eine der großen Weichenstellungen in meinemLeben war, vergleichbar mit Abitur oder Diplom. Ich merkte un-mittelbar, dass Selbstverständlichkeiten nur aus meiner Sicht wel-che sind und von anderen ganz anders bewertet werden. Durchdie lange Zeit in einer anderen Kultur wurde ich quasi gezwun-gen, Toleranz zu leben. Ebenso wurde mir durch die Konfronta-tion mit Einwohnern von Favelas und Straßenkindern bewusst,welches privilegierte Leben ich genießen darf nur durch den Zu-fall, in Westeuropa geboren worden zu sein. Meine damaligenach so großen persönlichen Probleme relativierten sich dadurchsehr schnell.

Nicht zu vergessen die Freundschaften, nicht nur zu Alexandre,die bis heute bestehen. Und ganz nebenbei wurde übrigens einanderer der Stadthäger Teilnehmer mein bester Freund – auch dasbescherte mir der Austausch.

198� starteten wir – aus Stadthagen waren es drei Teilnehmer –zum Gegenbesuch nach São Paulo. Ich lernte Alexandres Familiekennen, mit dem „Colégio Visconde de Porto Seguro“ besuchtenwir die Wasserfälle von Foz do Iguaçu und das Pantanal, das mirmit seiner unberührten Natur und den vielen exotischen Tierenwie das Paradies erschien. Bei meiner Rückkehr stand bereitsfest, dass dies nicht mein einziger Aufenthalt sein würde. So be-suchte ich Alexandre 1988 wieder im Rahmen des Schüleraus-tauschs. Gemeinsam reisten wir in die Hauptstadt Brasília sowiein einer größeren Gruppe mit anderen deutschen und brasiliani-schen Teilnehmern aus 198�/8� in die beiden Strandorte PortoSeguro und Arraial d´Ajuda im Süden des Bundesstaates Bahia.

Ende 1990 verbrachte ich ein halbes Jahr in Brasilien. Sechs Wo-chen dieser Zeit bereiste ich das Land, fuhr von Jugendherbergezu Jugendherberge die Küste gen Norden, war in Belém und Ma-naus und in den historischen Städten bei Belo Horizonte. Neben-bei lernte ich dabei Portugiesisch, wozu Andrea Hellmann mirim Vorfeld die Grundlagen legte. Während meines Studiums inHannover verdiente ich mir als Begleiter brasilianischer Ge-schäftsleute auf diversen Messen oft etwas dazu.

199� absolvierte ich ein achtwöchiges Praktikum bei derDeutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer in SãoPaulo. Der Vater einer Austauschschülerin von 198�/8� hatte esmir vermittelt.

Anfang 1998 bereitete ich vor Ort meine Diplomarbeit über denbrasilianischen Versicherungsmarkt vor. Der Schwager von HerrnKlugmann, Professor an der Universidade de São Paulo, eröffnetemir den Zugang nicht nur zu ihrer Bibliothek. Die Zusammen-fassung meiner Diplomarbeit wurde in einer versicherungswirt-schaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht.

Ende 1999 nahm ich meine heutige Frau mit nach Brasilien. Ge-meinsam besuchten wir Fernando de Noronha, einen der schöns-ten Orte des Landes. Irgendwann danach erfuhr ich von HerrnSimon, dass der Brasilienaustausch wegen mangelnder Nachfrageaus Stadthagen auf der Kippe stehe. Das durfte nicht geschehen!Mit dem damaligen Betreuer organisierte ich eine Werbeveran-staltung für interessierte Schüler. Ausgerüstet mit Fotos, Musikund Guaraná berichtete ich von meinen Erlebnissen und trugdamit offenbar zur Fortsetzung des Programms bei.

Meinen bislang letzten Besuch in São Paulo absolvierte ich 201�– kurz nach der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien – mit mei-ner ganzen Familie, um unseren Freunden unsere jüngste TochterMatilda vorzustellen.

Untergekommen bin ich auf diesen vielen Reisen immer wiederbei Alexandre, oder ich hatte das Glück, bei anderen am Aus-tausch beteiligten Familien wohnen zu können, beziehungsweisebei deren Freunden oder Verwandten. Eine weitere enge Freund-schaft ergab sich zu einer Paulista, die ich in der Jugendherbergevon Natal kennenlernte, als ich dort mit meinem Bruder zu Be-such war.

Während all der Jahre waren auch viele Brasilianer der beteiligtenFamilien immer wieder auf Visite in Stadthagen. Entweder warenes direkt die Austauschteilnehmer oder Verwandte oder Freunde.Einmal bereisten wir gemeinsam Norditalien (Mailand, Verona,Belluno, Venedig), ein anderes Mal zeigte ich den Gästen meh-rere Tage lang Berlin. Eine Hochzeit bot ebenfalls Anlass zueinem Besuch.

Und heute? Der Brasilienaustausch ist längst in der zweiten Ge-neration angekommen! Meine 1�-jährige Tochter Marie nimmtin diesem Jahr teil, der Besuch ihrer Austauschpartnerin Amandabei uns liegt bereits zurück und Marie startet im Sommer zumGegenbesuch. Sie und ich streiten immer noch darüber, wer vonuns sich mehr auf die Teilnahme und die damit verbundenen Er-fahrungen freut.

Malte Freymuth, Abitur 1989

BRASILIENAUSTAUSCH ALS WEICHENSTELLUNG FÜR EIN LEBEN

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Schüleraustausche und Fahrten

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Als ich 1983 als Französischlehrerin ans Ratsgymnasiumkam, gab es dort noch keinen Schüleraustausch mitFrankreich. Da ich gerade das Referendariat hinter mir

gelassen hatte, in dem uns vermittelt worden war, dass Sprachen-lernen ohne authentischen Kontakt mit Muttersprachlern kaumgelingen könne, begab ich mich ziemlich schnell auf die Suchenach einer französischen Partnerschule. Auf dem Weg „Ich kenn‘einen, der kennt einen, ….., der einen deutschen Austauschpartnersucht.“, konnte 198� ein Kontakt zum Collège-Lycée Saint Sta-nislas, einer katholischen Privatschule in Nantes, hergestellt wer-den. Das erwies sich als Volltreffer. Der dortige Kollege DanielBonnet war von seinem Wesen her wenig französisch, sonderneher deutsch: zuverlässig und schnell, was die Zusammenarbeitüber mehr als ein Jahrzehnt ausgesprochen einfach machte.

Im ersten Jahr, also im Herbst 198�, begleitete mich Jean-LouisJullien (auch bekannt als Juju, gesprochen „schüschü“, mit einemfranzösisch zärtlich hingehauchten „sch“), ein französischer Leh-rer unserer Schule, der bis heute legendär und unvergessen ist.(Alle, die ihn kennen, wissen, wovon ich rede.) Herr Röver, unserdamaliger Schulleiter, schickte mich mit den Worten mit ihm aufReisen: „Hasemännin, passen Sie auf Jean-Louis auf, damit eruns nicht gleich beim ersten Mal blamiert.“ Das war eine schwereAufgabe, denn Jean-Louis wiederum war ein echter Franzose,sprich Augen, Worte und Hände drehten sich ausschließlich umein Thema, egal, wer ihm gegenübersaß: Frauen! Vor ihm warkeine sicher! Als er das RGS Jahre später verließ, war unser Kol-legium um einen wirklich immer hilfsbereiten, liebenswerten undsehr humorvollen Exoten ärmer geworden – und um das gemein-same Kollegenkochen.

Ungefähr 1� Jahre lang fuhr jedes Jahr eine Schülergruppe unse-rer Schule, häufig in Begleitung von Reinhard Abraham, Rein-hard Werner oder/und mir, nach Nantes. Unsere Schülerinnen undSchüler lernten die Côte Sauvage, die wilde Küste der Vendéeund Bretagne kennen und wanderten verwundert über den � kmlangen Gois, eine Pflasterstraße, die das Festland mit der InselNoirmoutier verbindet. Sie ist aber nur bei Ebbe frei. Wenn dieFlut kommt, geht man im wahrsten Sinne des Wortes baden, waseinige unserer Schülerinnen und Schüler natürlich ausprobierenmussten. Für uns begleitende Lehrkräfte war nach Nantes fahrenbald wie nach Hause kommen, mit allen Vor- und Nachteilen, dieein Zuhause eben hat. Ich durfte bügeln und putzen, währendReinhard Abraham in Ermangelung einer aufnahmebereiten Gast-familie zeitweise unter wirklich unwürdigen Umständen in einemstillgelegten Bereich des Schulinternats hausen musste. Manstelle sich ein großes Zimmer mit einem Metallgestell-Bett darinvor, einem Waschbecken, dessen Abflussrohr wir bei unserer An-kunft erst noch abdichten mussten und einer Toilette unter einemzerbrochenen Dachfenster, ohne Heizung selbstverständlich. Zuerreichen war dieser Wohntrakt über einen sehr finsteren Hof, dereigentlich nur Ratten gefiel. Dass in dieser Unterkunft Mahlzeitennicht inbegriffen waren, erübrigt sich zu sagen. Aber stadtnah warsie immerhin! Auch Daniel war bald in Stadthagen zu Hause, woer immer sehr herzlich im Gästebereich im Haus unseres Schul-leiters, also bei Familie Röver, aufgenommen wurde.

Auch Schülergeschichten, die man nicht vergisst, sind mit meinenErinnerungen an Nantes verbunden: Da gab es den schmächtigenSchüler N1 – seines Zeichens ein Punk. Ich wollte ihn deshalbnicht vom Austausch ausschließen und Monsieur Bonnet gelanges auch tatsächlich eine Familie für ihn zu finden. Was wir nicht

rechtzeitig bemerkt hatten, war, dass er für einen 1�-tägigen Aus-tausch nur mit einem Tagesrucksack unterwegs war: Zahnbürste,maximal 2-3 Unterhosen, Schuhputzcreme für die Springerstiefel– das war’s. Nachdem seine Gastmutter ihn samt Kleidung in dieBadewanne gesetzt hatte, konnte und wollte er dort nicht mehrbleiben und landete …. bei Daniel Bonnet und mir, bis sich fürdie letzten drei Tage eine neue Gastfamilie gefunden hatte. Amletzten Tag mussten wir ihn bei der Polizei auslösen, weil er inder Stadt aufgegriffen worden war und sich weigerte, seine Pa-piere vorzulegen. Heute ist er als Erzieher tätig. Was schließenwir daraus? Aus Kindern werden Leute! Es lohnt sich, sie nichtaufgrund ihres Aussehens auszugrenzen.

Schmunzelnd erinnere ich mich an N2. Kollegen hatten mich ge-warnt, ihn mitzunehmen, weil er politisch rechts sei und ich imAusland deshalb mit Schwierigkeiten rechnen müsse. In einemGespräch gab er zu, gegen Franzosen zu sein, aber er versprach,nicht auffällig zu werden. Von Sendungsbewusstsein beseelt,nahm ich ihn mit, in der Hoffnung, seine Gesinnung gerade durchdiesen Austausch beeinflussen und ändern zu können. Er war imHabitus arisch: sehr groß und stämmig, blond, blauäugig. Alsunser Bus in Nantes auf den Vorplatz der Kathedrale rollte undsich seine Türen nach 13 Stunden Nachtfahrt endlich öffneten,stieg N2 als erster aus und ich hörte, wie der unmittelbar vor ihmstehende französische Vater sagte: „Oh, mon Dieu, les Germainsarrivent.“ (Oh, mein Gott, die Germanen kommen.) Der Zufallwollte es, dass der „Germane“ genau der Gastsohn dieses Vaterswurde. Der dazugehörige Austauschpartner war ein kleinerschmächtiger, dunkelhaariger François. Das weckte wider Erwar-ten N2s Beschützerinstinkt. Kein Austauschpaar verstand sichbesser als die beiden, sie waren sowohl in Frankreich als auch inDeutschland unzertrennlich. Wieder zurück in Deutschland fragteich N2, ob er seine ablehnende Haltung gegenüber den Franzosengeändert habe. Antwort: „Nein. Ich bin immer noch gegen Fran-zosen, aber das hat doch nichts mit François und seiner Familiezu tun und mit meinen neuen Freunden aus Frankreich auchnicht.“ Spätestens jetzt sah ich mich in meiner Meinung, Schü-leraustausche seien unersetzlich, für immer bestätigt. Vorsichts-halber beschloss ich aber, dass ich, sollte ich jemals einen Sohnbekommen, ihn nicht N. nennen würde.

Auch der angstvollste Moment meines bisherigen Lebens, denich mit der Überschrift „Lost in Paris“ betiteln würde, hängt mitdem Nantes-Austausch zusammen. Die Rückfahrt wurde immerdurch einen achtstündigen Halt in Paris unterbrochen. Nach einergemeinsamen vierstündigen Stadtrundfahrt und einer ausführli-chen Besprechung des Metrosystems und -plans erhielten unsereNeuntklässler stets � Stunden Freizeit mit der Auflage, um 20.00Uhr am Bus zu sein und nie mit weniger als drei Schülerinnenund Schülern unterwegs zu sein. Und dann geschah’s: 20.00 Uhr– � Schülerinnen fehlen; 21.00 Uhr – � Schülerinnen fehlen;22.00 Uhr – � Schülerinnen fehlen!!! Panik!!! Wo und wie sollman im Vorhandy-Zeitalter in Paris vier 1�-Jährige suchen???Aussichtslos!!! Um 22.30 Uhr fährt ein Taxi mit vier tränenüber-strömten Mädchen vor, die eine nicht minder tränenüberströmteund unendlich erleichterte Lehrerin in die Arme schließt. Was warpassiert??? Sie hatten nicht ganz verstanden, wie der Metroplanzu lesen ist, zumindest nicht, dass so eine Metrolinie immer inzwei Richtungen fährt. Zielsicher hatten sie immer die falschegewählt und waren somit an der dem Bus diagonal entgegenge-setzten Seite von Paris herausgekommen. Da Pariser Taxifahrer

VIVE LA FRANCE – 33 JAHRE FRANKREICHAUSTAUSCH AM RGS

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Schüleraustausche und Fahrten

aber maximal 3 Personen auf der Rückbank befördern und nie-manden neben sich, hat es lange gedauert, bis sie mit ihren Tränenund noch recht bruchstückhaften Kenntnissen der französischenSprache das Herz eines schwarzhäutigen Taxifahrers erweichenkonnten, der sie quer durch Paris chauffierte in der realitätsnahenAnnahme, dass seine Beifahrerin ihn wohl nicht erdolchen würde.Er nahm nicht einmal Geld dafür (und es wäre viel gewesen!!!),sondern sagte nur: „C’est ma bonne action pour aujourd’hui.“(Das ist meine gute Tat für heute.)

Da die Schüleraustausche in fast allen unseren Partnerschulen,auch außerhalb Frankreichs, meistens fest an eine Person gebun-den sind, und nicht, wie bei uns, an eine Fachgruppe, endete derNantes-Austausch leider in dem Moment, als unser Kollege undFreund Daniel bei Reparaturarbeiten vom Dach fiel und dienst-unfähig wurde. Unser privater Kontakt besteht aber bis heute.

Für mich persönlich trägt dieser Austausch noch heute täglich zumeinem Glück bei, denn ich lernte meinen Mann und seine bei-den Söhne, von denen einer gleich am ersten Austauschdurch-gang teilnahm, in diesem Kontext kennen. Vive la France!

Danach hatten wir wechselnde Austausche, die leider nicht vonDauer waren. Sie führten uns z.B. nach St. Etienne bei Lyon. Diedortigen Schülerinnen und Schüler machten immer mal wiederProbleme durch Diebstahls- und Drogendelikte, sodass wir diesenAustausch bald aufgaben.

Tours war eine wunderschöne Austauschstadt, nur leider war diedort verantwortliche Austauschleiterin an dem katholischen Pri-vatetablissement Collège-Lycée Marmoutier derart unangenehm,dass nach dem zweiten Mal niemand in der Fachgruppe Franzö-sisch mehr bereit war, diesen Austausch fortzusetzen. Der dortigeDirektor vertraute mir an, dass das RGS ohnehin die erste Schulein Deutschland war, die den Austausch erst nach dem 2. Mal ab-gebrochen hat!!!

Auf der Suche nach neuen Partnern schien es uns naheliegend,einmal in Soissons, der Partnerstadt Schaumburgs anzufragen.Und tatsächlich, unter tatkräftiger Mitwirkung von Yolande Gui-dou, der Soissons-Beauftragten unseres Landkreises, entstandeine Schulpartnerschaft zwischen dem Collège St. Just (aus-nahmsweise einmal keine katholische Privatschule, sondern eineöffentliche Schule) in Soissons und dem RGS, die über vieleJahre hinweg federführend von Reinhard Abraham auf unsererSeite und Jean-Christophe Sylvos auf französischer Seite geleitetwurde. Da die Schlachtfelder des 1. Weltkrieges in greifbarerNähe von Soissons liegen, setzten sich unsere Schülerinnen undSchüler während dieses Austausches auch stets mit diesem dunk-len Kapitel der deutsch-französischen Beziehungen auseinander,nicht zuletzt, um die Bedeutung von Schüleraustauschen geradezwischen Frankreich und Deutschland zu verstehen. Das Aus-scheiden von Jean-Christophe aus dem Austausch läutete – wieimmer – das Ende dieser Schulpartnerschaft ein.

Aber � km von Soissons entfernt liegt Cuffies mit dem CollègeMaurice Wajsfelner, das hochmotiviert ist, Deutsch lernendeSchülerinnen und Schüler nach Deutschland zu schicken. Das istin der heutigen Zeit in Frankreich übrigens eine Seltenheit, denndie aktuelle französische Bildungspolitik erachtet das Erlernender deutschen Sprache als sehr unwichtig, was zu rapide sinken-den Schülerzahlen in diesem Fach führt. Für den ersten Austausch2007 hatten wir genau 1� Tage Zeit, alles zu organisieren. Zum

Glück waren alle Beteiligten – Eltern, Schülerinnen und Schülersowie Lehrkräfte – ausgesprochen flexibel und spontan. Diesesist einer der wenigen Austausche, die einen Leitungswechsel auffranzösischer Seite überlebt haben, sodass wir hoffen, die aktuelleOrganisatorin aus Cuffies, Marina Bachler, mit ihren Gruppennoch häufig bei uns empfangen zu können. Die Aussicht ist gut,weil der momentane Schulleiter, M. Hottiaux, Deutschlehrer ist.

200� kamen wir in Kontakt mit dem Collège-Lycée La Provi-dence in Amiens. Es handelt sich dabei übrigens um die sehr re-nommierte katholische Privatschule, die den jetzigenfranzösischen Staatspräsidenten, Emmanuel Macron, hervorge-bracht hat und an der er seine Frau als Lehrerin kennen gelernthat. Es war ein tolles Verhältnis zwischen den beiden Schulen,das leider in dem Moment endete, als der dortige verantwortlicheLeiter, François Sara, in den Ruhestand ging. Aber eine seinerKolleginnen, Christine Bossart, ist an eine andere Schule gewech-selt und hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Valérie Doyonnard denAustausch mit uns dort wieder aufleben lassen. Seitdem tauschenwir uns jährlich mit dem Collège St. Riquier, ebenfalls einer ka-tholischen Privatschule, aus. Bereichert mit Eindrücken von derKüste der Normandie, aus Paris und natürlich aus der Kathedra-lenstadt Amiens kehren unsere Schülerinnen und Schüler jedesJahr wieder beeindruckt aus Amiens zurück.

Einer fehlt jetzt noch: Unser Austausch mit dem Lycée EuropéenCharles de Gaulle in Dijon, einer Europaschule, die nur aus Ober-stufe besteht, und an der man das deutsch-französische Abitur ab-legen kann, das sog. Abi-Bac. Diese Partnerschule ist in zweierleiHinsicht besonders in unserer Austauschschulen-Sammlung: Sieist modern und nicht gefängnisartig von einem hohen Zaungitterumgeben und unser Austausch hat glücklicherweise mehrere Leh-rerwechsel auf französischer Seite überstanden. Er unterscheidetsich von allen anderen Frankreichaustauschen dadurch, dass hie-ran keine ganzen Lerngruppen teilnehmen, sondern nur einzelneSchülerinnen und Schüler, die in Zweier- bis Vierergruppen fürdrei Wochen dorthin fahren, am Unterricht teilnehmen, häufig imInternat wohnen und primär das Ziel haben, ihre Französisch-kenntnisse aufzupolieren – was auch immer gelingt, denn manist ja auf sich allein gestellt und hat keine Klassenkameradinnenoder -kameraden zur Seite, mit denen man ständig Deutschspricht. Man muss sich ganz allein durchbeißen.

Fazit: Nach 3� Jahren Lehrertätigkeit bin ich genauso überzeugtdavon, dass Schüleraustausche unerlässlich sind zur Persönlich-keitsbildung und zum Spracherwerb, wie zu Anfang meiner Lauf-bahn. Ich freue mich für das RGS, dass es unzählige Kolleginnenund Kollegen in den verschiedensten Fachgruppen gibt, die dieseMeinung teilen und sich aktiv unter Verzicht auf ihre Privatzeitund -sphäre dafür engagieren. In der Fachgruppe Französisch hal-ten nach dem Ausscheiden von Reinhard Abraham und mir ausdem Austauschgeschäft ausnahmslos alle Französisch unterrich-tenden Kolleginnen, also Silke Bingel, Linda Brahm, JaninePlünnecke, Stefanie Schrader und Christiane Walte, die Aus-tauschaktivitäten am Laufen. Das kostet viel Arbeit, macht aberauch viel Spaß und bereichert unsere Schülerinnen und Schülerenorm.

Angelika Hasemann

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Seit Mitte der �0er Jahre gab es von Seiten der Kultusbe-hörden umfangreiche Bemühungen, deutsch-französischeSchüleraustausche zu fördern. Nahezu ebenso intensiv

hatte man die deutsch-britischen Begegnungen im Blick. Erst inden 80er Jahren wandte man sich auf breiter Basis auch den klei-neren Nachbarstaaten (Belgien, Niederlande und Dänemark) zu.All dies beabsichtigte, ein Europa ohne Grenzen, ohne Vorurteileanzustreben sowie die Wunden der Vergangenheit zu heilen.

An einem Wochenende im Dezember 198� bot Niedersachsenzusammen mit den angrenzenden Provinzen der Niederlande eineSchulpartnerschaftsbörse in Osnabrück an. Hier entstand die Ver-bindung zwischen dem Schoothorst College (Amersfoort) unddem Ratsgymnasium. Einige Monate später reisten Herr Dr.Richter und ich mit 20 Schülerinnen und Schülern dorthin. Wirwurden in der Schule freundlich begrüßt, die Snacks waren „lek-ker“ und das moderne Gebäude war beeindruckend. Für dennächsten Morgen war ein Empfang der deutschen Schülerinnenund Schüler im Amersfoorter Rathaus geplant.

Doch dazu kam es nicht: Der Bürgermeister ließ den Termin plat-zen; unseren Schülern bot man stattdessen einen lockeren/infor-mativen Stadtrundgang. Was war der Hintergrund? AlsJugendlicher hatte der Bürgermeister die deutsche Besatzung er-lebt, hatte auch im nahen Westerbork gesehen, was die Nazis denJuden antaten. Diese erschütternden Erfahrungen prägten seinDeutschlandbild noch immer so tief, dass er den offiziellen Emp-fang verweigerte.

Die Verantwortlichen am Schoothorst College holten uns Stadt-häger in den darauf folgenden Tagen in die Gegenwart zurück:ein toller Ausflug nach Amsterdam, eine interessante Exkursionans Ijsselmeer und ein sportliches „Spiel ohne Grenzen“ jeweilsin gemischten deutsch-niederländischen Gruppen. Die Stimmungauf dem Sportplatz war großartig, fast euphorisch. Und so kames, dass zwei Amersfoorter Schüler die Begeisterung nutzten, ummich kurzerhand samt Trainingsanzug in eine neben dem Platzbefindliche Gracht zu befördern. Das war nicht „anti-deutsch“,es hat mir nicht geschadet, es geschah im Überschwang einesSchüleraustauschs, der von beiden Seiten positiv gesehen wurdeund in den kommenden Jahren eine Fortsetzung erfuhr.

Irgendwann Anfang der 90er Jahre gehörte das „Spiel ohne Gren-zen“ nicht mehr zum Programm des Amersfoort-Austauschs,denn seit dem schrittweisen Umsetzen des Schengener Abkom-mens gab’s ja in Europa keine Grenzen mehr.

Rainer Beddig

DIE LANGEN SCHATTEN DERVERGANGENHEIT

ERSTE EINDRÜCKE

Zum zweiten Halbjahr der 11. Klasse (Februar 1983) beka-men wir in Biologie eine neue und noch recht junge Leh-rerin, die kaum älter war als die ältesten Mädchen unseres

Jahrgangs, welche immerhin schon 19 Jahre alt waren.

Frau Hasemann war als Überfliegerin zwar nur wenig älter,machte sich aber durch die Wahl ihrer Kleidung deutlich älter.Bevorzugt trug sie brave, karierte Röcke mit dazu passendenlangweiligen Blusen.

Der Unterricht war nicht so spannend, wie wir es bei einer derartjungen Lehrkraft erwartet hatten. Das Unterrichtsthema ist mirnicht mehr präsent, wohl aber die erste Klausur und ihre Ergeb-nisse: Eine Aufgabe ließ unsere Köpfe qualmen, wir suchten unseregesammelten Kenntnisse über Säuren und Basen aus dem Chemie-unterricht zusammen und versuchten hartnäckig, sie zu lösen.

Im Anschluss tauschten wir uns über die "dämliche Aufgabe" aus."Haben wir bei der etwa Chemie?", "Was soll denn das? Ich habeChemie abgewählt und jetzt muss ich es in Bio machen." warennoch freundlichere Kommentare.

Bei der Rückgabe erklärte uns Frau Hasemann, dass wir fast alledie Aufgabe falsch bearbeitet hätten, weil wir viel zu viel an Che-mie gedacht hätten. Begeisterung löste diese Erklärung jedenfallsnicht aus, aber wir hatten viel komplizierter gedacht, als es nötiggewesen war. Sie wollte nur die naheliegendste ÜberlegungOHNE chemische Kenntnisse haben, die uns jedoch aufgrundder Vorbildung nicht in den Sinn gekommen war.

Für die nächste Klausur haben wir uns das gemerkt und versucht,„einfach“ zu denken, aber die große Begeisterung für Frau Ha-semann, die meine Schwester fünf Jahre später über ihren Fran-zösischunterricht äußerte, konnte ich nicht nachvollziehen.

Allerdings habe ich sie als Schulleitungsmitglied während derSchulzeit meiner Tochter als hochkompetent (und modisch ge-kleidet) erlebt.

Danke, Frau HasemannHille Siegerist, Abitur 1985

GUTER LEHRER? SCHLECHTER LEHRER?BELIEBT ODER UNBELIEBT?EINE REIN SUBJEKTIVE FRAGE!

Die Diskussion, ob eine Lehrkraft als gut oder schlecht an-gesehen wird, als beliebt oder unbeliebt gilt, ist so altwie Schule selbst. Und die Antwort darauf war schon

immer rein subjektiv, weil die Kriterien, anhand derer die Schü-lerinnen und Schüler diese Frage beantworten, weit auseinander-gehen. Die einen beurteilen die Kleidung, die anderen die Figuroder die Haare, wieder andere die Freundlichkeit, die Strenge,das Durchsetzungsvermögen, die Gerechtigkeit, die Benotung,… Es soll sogar Schülerinnen und Schüler geben, die sich beiihrer Einschätzung einer Lehrkraft von der Frage leiten lassen,ob sie bei ihr etwas lernen oder nicht. Die beiden folgendenTexte, die von zwei Schwestern geschrieben wurden und sich aufdieselbe Lehrkraft beziehen, illustrieren die Subjektivität vonLehrerbewertungen durch ihre Schülerinnen und Schüler beson-ders anschaulich.

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In unserem Französischleistungskurs bei Frau Hasemannhaben wir hart gearbeitet. Molière, Voltaire, Rousseau, Mon-tesquieu und zum Schluss Sartre und Camus, das waren un-

sere Themen, um nur einige zu nennen. Wir hatten einige guteSchülerinnen und Schüler in unserem Kurs, sodass wir diesesProgramm erfolgreich absolvierten. Eine Lehrerin wies uns ein-mal darauf hin, dass Frau Hasemann immer eine Checkliste fürjede Unterrichtsstunde vorbereite. Ich habe dann darauf geachtet,und tatsächlich: Die einzelnen Stundenschritte wurden auf einerListe abgehakt. Sie liebte vor allem das Zeitalter der Aufklärungund sie gestand uns, dass sie mit dem Zeitalter der Romantikwenig anfangen könne. Also wurde von Victor Hugo nur das Nö-tigste behandelt.

Herrlich war unsere Fahrt nach Paris zur 200-Jahr-Feier der fran-zösischen Revolution am 1�. Juli 1989. In unserem Kurs warendrei Jungen, die gerne Doppelkopf spielten. Sie luden Frau Ha-semann ein mitzuspielen. Es ging nicht um Geld, sondern umKekse. Frau Hasemann bekam daraufhin ganz große Augen undsagte “Für Kekse tue ich alles!” Und das tat sie auch. Wie vieleKekspackungen die Jungen ihr letztendlich schuldig waren, weißich nicht, aber es waren eine ganze Menge! Gut war vor allemdie Matinée Gratuite im Molierère-Theater: Am 1�. Juli konnteman kostenfrei in die Comédie Française gehen. Wir sahen „DieHochzeit des Figaro“. Die Warteschlange war zwar ein Graus,aber die Veranstaltung hat sich gelohnt. Frau Hasemann hattediese Information irgendwo gefunden, als es noch KEIN Internetgab. Was uns nach diesem Besuch allerdings verhasst war, warendie langen Warteschlangen. Die Stadt war voll mit Menschen,und selbst beim Hamburger bei McDonald’s wartete man ewiglang. Einen bleibenden Eindruck hat bei uns unsere Unterkunft,das FIAP in Evry-Courcouronnes, hinterlassen, allerdings nichtim positiven Sinne: Die Stadt war eine sogenannte Newtown mitgesichtslosen Wohnblocks und einem Einkaufszentrum. Selbstdie wenigen Pflanzen wirkten nicht natürlich gewachsen. Wirstellten fest, dass wir so nicht leben wollten.

Zum Abschied von unserer Schulzeit am RGS bekamen wir alleein kleines Plüschhäschen mit einer Abschiedskarte, auf derstand, dass sie mit uns gerne und zu unserem Leidwesen auchsehr intensiv gearbeitet habe. Dieses Häschen habe ich noch,auch die Karte.

Der Unterricht hat sich aber auch noch am Anfang meines Stu-diums für mich ausgezahlt: In der Textanalyse bei meiner Fran-zösischprüfung bekam ich durch die Stilmittelanalyse die vollePunktzahl, und als ich später ein Seminar über die Geschichteder Religion in Frankreich belegte (in dem ich die einzige war,die keine französische Muttersprachlerin war!), wunderten sichdie anderen, dass ich sofort “Siècle des Lumières” als “Zeitalterder Aufklärung“ übersetzte. Als ich dann sagte, dass wir das be-reits in der Schule gelernt hätten, waren alle tief beeindruckt,auch der Dozent.

Alles in allem kann man sagen, dass Frau Hasemann eine Leh-rerin mit Leib und Seele ist. Sie gestand uns schon damals, dasssie seit ihrem ersten Schultag nichts anderes habe werden wollen.

Imke Siegerist, Abitur 1990

FRANZÖSISCH-LK 1988 – 1990: EINE REISEDURCH DIE FRANZÖSISCHE LITERATUR UNDZUR 200-JAHRFEIER DER FRANZÖSISCHENREVOLUTION NACH PARIS

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Seit 1971 führt am Ratsgymnasium Stadthagen nahezujedes Jahr eine Studienfahrt nach Rom - in die ewige Stadtam Tiber.

Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Zunächst einmal das Transportmittel. Zuerst reisen die Gruppenmit einer Nachtfahrt im Liegewagen der Bahn nach Rom. DiesePhase dauert bis 2001. Im Jahr 2002 fahren die TutorgruppenMeyer, Bruns und Post in einem Doppeldeckerbus die 1.�00 kmnach Rom. Die mit der Busreise gesammelten Erfahrungen lasseneine Wiederholung nicht ratsam erscheinen, da die Fahrt (mit de-fekter Klimaanlage) 22 Stunden dauert. Deshalb nehmen dieGruppen seit 2003 das Flugzeug, zunächst mit den TutorgruppenMeyer, Kraus und Hagemeier.

Außerdem findet die Romfahrt ab dem Jahr 201� nicht mehr fürSchülerinnen und Schüler der Oberstufe statt, sondern die Teil-nehmer stammen aus dem 9. Jahrgang, so treten die Klassen 9fund 9g mit �9 Schülerinnen und Schülern die erste Fahrt indiesem Rahmen an.

Des Weiteren hat sich die Art Unterkunft verändert. Es beginntbescheiden mit einem Kloster im Stadtteil Trastevere, steigertsich aber schon bald zu einem einfachen Zweisternehotel bzw.einer B&B-Unterkunft. Im letzten Jahr kann die Gruppe dannsogar in einem Viersternehotel übernachten.

Was hat sich mit der Zeit nicht verändert?

Nicht umsonst heißt Rom die ewige Stadt. Sie bietet so viele At-traktionen, dass jeder Besucher von den antiken Stätten, Museenund den zahlreichen Kirchen und anderen berühmten Plätzen fas-ziniert ist. Aber es gibt in Rom nicht nur das Kolosseum, ForumRomanum, die Vatikanischen Museen, den Petersdom, die Piazza

STUDIENFAHRTEN - EINST UND JETZTNavona oder das Pantheon, um nur einige Sehenswürdigkeitenzu nennen.

Auch Pizza, Pasta und Gelato bei Fassi oder Giolitti oder einemCappuccino im Caffè Greco erfreuen die Herzen der Besucher.Daneben sind das abendliche Leben an der Spanischen Treppeoder der Piazza Trilussa in Trastevere und neuerdings auch dieRestaurants und Bars am illuminierten Tiberufer ebenfalls High-lights. Eine Fahrt und manchmal sogar mehrere Fahrten ans Meersind ein fester Bestandteil des Programms.

Als Fortbewegungsmittel dienen immer noch die eigenen Füße,Tram, Busse und die Metro, die erst in den letzten Jahren eineneue Teilstrecke bekommen hat. Unverändert geblieben sind dieBaustellen für die Metro C und am Forum. Aber Rom wurde jaschließlich auch nicht an einem Tag erbaut. Ein Besuch in Romsollte deshalb mindestens sechs Tage dauern, damit wenigstensdie wichtigsten Sehenswürdigkeiten aufgesucht werden können.Und dieses Ziel ist immer erreicht worden. Ganz sicher ein Ver-dienst von Hoppi-Galoppi!

Zum Abschluss jeder Fahrt geht es zum Trevi-Brunnen, damitmit dem Münzwurf der nächste Aufenthalt in Rom gesichert ist.Dass dies nicht nur ein Aberglaube ist, beweist zum Beispiel HerrSchünemann, der als Schüler und als Lehrer des RGS dort gewe-sen ist. Weiterhin gibt es viele andere Schüler, die einen zweitenoder dritten Besuch Roms unternommen haben.

Als Fazit lässt sich also festhalten, dass sich zwar einiges im Ver-gleich zu den früheren Fahrten geändert hat, aber das Wesentlichegleich geblieben ist: Das Gefühl, an einer ganz besonderen undunvergesslichen Fahrt teilgenommen zu haben. Rom war ebenschon immer eine Reise wert und wird es auch immer bleiben.

Peter Meyer

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Schüleraustausche und Fahrten

NICHT NUR TOTE HOSE AN DER ENGELSBURG

Was haben ein Kloster, der Strand von Lido di Ostia, dieToten Hosen und eine schier unüberblickbare Anzahlan Bauwerken und Artefakten aus verschiedensten

Epochen gemeinsam? Sie alle spielen Hauptrollen in der Ge-schichte einer unvergesslichen Tutorenfahrt. Das Ziel: die ewigeStadt, Rom. Wir schreiben das Jahr 1988.

Verwöhnt von einer lebhaften Klassenfahrt ein Jahr zuvor in dasnoch geteilte Berlin freuten wir uns auf einen erneuten Abstecherin eine weitere brummende Metropole. Als sich aber abzeichnete,dass nicht London, Madrid oder Paris, sondern Rom das Ziel seinwürde, waren vor allem die wenigen Nicht-Altsprachler unteruns in ihrer Euphorie etwas gebremst.

Allerdings hatten wir mit Dr. Steinicke einen Lehrer im Tross,der mit seinem Wissen über die römische Geschichte sicher diemeisten einheimischen Reiseführer in die Tasche gesteckt hätte.In mehreren Vorbereitungssitzungen samstags (ja, damals wurdenoch an sechs Tagen in der Woche unterrichtet) in der �. und �.Stunde vermittelte uns zunächst Herr Fischer schon einmal einenersten Eindruck von der Wucht der Geschichte, die uns erwartensollte. Und selbst diejenigen, die den Empfang ihrer Antennenschon für das Wochenende heruntergefahren hatten, erkanntenschnell spätestens jetzt, dass Rom nicht die schlechteste Wahlgewesen war.

Das zu erwartende Programm bereitete dennoch einigen von unsBauchschmerzen: Würden wir zehn Tage lang durch Paläste, Mu-seen und Ruinen wandern und den daraufhin immer länger er-scheinenden Vorträgen Dr. Steinickes lauschen müssen? Dochdieses Szenario trat nicht ein. Die Vormittage gehörten zwar derGeschichte Roms, dem Colosseum, dem Forum Romanun, demCapitol, den Vatikanischen Museen, dem Pantheon .... die Ein-drücke fluteten aus den vergangenen drei Jahrtausenden über unshinweg und waren kaum in ihrer Gänze zu verarbeiten. Aber vie-les davon setzte sich trotzdem fest in unseren Erinnerungen.

Doch die Lehrer hatten nicht erst ein Einsehen, als wir die Stei-nigungsszene von Monthy Python im Forum Romanum nach-spielten: Dr. Steinicke und Herr Weiskirch als Begleiter gabenuns die Nachmittage und Abende zur freien Verfügung. So beka-men wir den Kopf immer wieder frei. Manches Mal brüteten wir

also am schwarzen Strand von Lido di Ostia, den wir mit derStraßenbahn erreichen konnten. Oder wir genossen die lauenAbende auf einem der bevölkerten Plätze, Eis essend und plau-dernd an einem plätschernden Brunnen.

Aber die Interessen waren verschieden. Und während die Einenauch die Freizeit nutzten, um das Gesehene noch einmal zu ver-tiefen, streiften die anderen ohne Handy und Navi durch die ver-schlungenen Straßen und suchten die damals noch einzige Filialeeiner amerikanischen Fastfoodkette. Gefragt war der dringendeAusgleich für die ungenießbare Verpflegung in dem Kloster imStadtteil Trastevere, in dem wir untergebracht waren.

Eines Abends auf dem Rückweg zum Kloster wurden wir vonBlitzlichtgewitter angezogen. Männer in bunten Hemden und mitebenso farbigen Haaren posierten für die Kameras. Einige vonuns kannten die noch fast unbekannten Toten Hosen - aber nurvon der Platte. Dass dies die echten Musiker waren, hörten wirerst am Abendbrottisch.

Ein Mitschüler hatte ein Plakat entdeckt. Die Hosen standen da-mals noch für echten Punkrock - und für Exzesse. Bei einem Kul-turfestival an der Engelsburg sollten sie Deutschland vertreten,zusammen mit Bratwurst und Sauerkraut und Filmen von Kult-regisseur Rainer Werner Fassbinder. Diese Kombination alleinwar schon skurril.

Unter den wenigen Besuchern waren wir die einzigen Deutschenund kamen am Backstage-Bereich - einem offenen Bulli - amFuß der Engelsburg sogar mit den Punkrockern ins Gespräch.Das Angebot, nach der Show einen Zug durch die Stadt zu ma-chen und vielleicht die vatikanischen Mauern zu erklettern,schlugen wir aus. Es war wohl auch nicht ganz ernst gemeint.Stattdessen nutzten wir die Chance, mit Liedern wie „Azzurro“und „Hier kommt Alex“ die bei Abifeten gelernte Pogo-Kulturnach Italien zu exportieren, und kehrten danach in unser Klosterund wenige Tage später im Nachtzug nach Hause zurück.

Und die Moral von der Geschicht: Während einer Tutorenfahrtam RGS lässt sich wirklich alles kombinieren - selbst Cäsar undCampino mit Chicken McNuggets.

Uwe-Michael Kranz, Abitur 1989

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AUSTAUSCH MIT GROSSBRITANNIEN – EIN RÜCKBLICK ÜBER 25 JAHRE

Haben Sie Kontakt zu einer Schule in Großbritannien?“So oder ähnlich lautete eine der ersten Fragen, die mirder damalige Schulleiter des Ratsgymnasiums, Werner

Röver, kurz nach meinem Start am RGS im Sommer 198� stellte.Denn obwohl die Schule sich noch nicht als „Europaschule“ be-zeichnen durfte, waren die Fachgruppe Englisch und insbeson-dere der Schulleiter sehr an internationalen Kontakten undAustauschen interessiert. Ich konnte die Frage bejahen. Als ichjedoch erklärte, dass sich diese Kontakte auf Belfast in Nordir-land bezogen, war das Interesse des Schulleiters schnell dahin.Zu gefährlich war dieser Teil Großbritanniens, sprachen doch dieMedien hierzulande von einem „Bürgerkrieg“, wenn sie von denAuseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten inder „Falls Road“ oder der „Shankill Road“ in Belfast berichteten.Bombenanschläge und Todesopfer waren an der Tagesordnung.Mein befreundeter Kollege aus Belfast, der uns regelmäßig inStadthagen besuchte, zeichnete ein weniger dramatisches Bild:Natürlich gab es Gewalt, natürlich gab es Anschläge, aber er be-richtete, dass sein Leben, ebenso wie das seiner Familie und sei-ner Schüler, völlig normal verliefe und die Gewalt sich nur aufbestimmte Personengruppen und Stadtbezirke konzentriere.

Es dauerte aber bis 1991, bis ich erstmals den Versuch wagte,einen Austausch mit Belfast anzubieten. „Belfast, muss das sein?“diese Frage stellten Eltern, Kollegen und auch die damalige Be-zirksregierung, als die Planung anlief. Nach ersten Briefkontaktenzwischen Schülern und Eltern auf beiden Seiten waren die Be-denken soweit beseitigt, dass wir starten konnten. Jedoch war be-reits die Anreise „anders“: Bei der Zwischenlandung in Londonmussten wir unser Gepäck wieder in Empfang nehmen und es er-neut für die Weiterreise nach Belfast aufgeben. Auf Nachfrageerklärte das Flughafenpersonal, dass es sich um eine Sicherheits-maßnahme handele, schließlich ginge das Gepäck nach Belfast:„You know, the Troubles“. „The Troubles“ – schnell lernte ich,dass die Briten diesen aus meiner Sicht eher euphemistischenAusdruck für das verwendeten, was in Nordirland passierte.

Alle Sicherheitsbedenken waren vergessen, als wir unsere Partneram Flughafen „Belfast International“ trafen und anschließend indie Familien fuhren. Natürlich wurden wir bei diesem ersten Be-such immer wieder mit „The Troubles“ konfrontiert und einigeSituationen waren für uns sehr befremdlich. Als Beispiele seienhier strenge Kontrollen vor dem Betreten eines Kaufhauses oderdie ständigen Patrouillen der „British Army“ genannt. Beispiel-haft schildere ich einen Vorfall, der sich während einer Bustourentlang der Atlantikküste (Antrim Coast) ereignete: Unser Bus,

besetzt mit ca. �0 nordirischen und deutschen Schülerinnen undSchülern, wurde von einer Straßensperre der Armee gestoppt. MitMaschinenpistolen bewaffnete britische Soldaten durchsuchtenunseren Bus nach Waffen und Sprengstoff. Als ich beim Busfah-rer nach dem Grund fragte, bekam ich erneut eine – in meinenAugen sehr euphemistische - Antwort: „Oh they (die Soldaten)are a little bit nervous, you know The Troubles“.

Ist bisher der Eindruck ent-standen, dass „The Trou-bles“ im Mittelpunkt desAustausches standen, so istdieses mit Sicherheit falsch.Dennoch kann man nichtüber den Austausch berich-ten und die politische Situa-tion außer Acht lassen.

Schon die Namen unsererPartnerschulen zeigen deut-lich, auf welcher politischen

Seite unsere Gastgeber stan-den. Da war zunächst die renommierte Jungenschule „The RoyalBelfast Academical Institution“ (kurz: „Inst“) und das „VictoriaCollege“, eine reine Mädchenschule, ebenso wie das „Inst“ eine„Grammar School“. Der Bezug zur britischen Monarchie ist of-fensichtlich.

Über die Jahre hinweg war es für unsere Schüler immer wiedereine lohnende Erfahrung, den Alltag an diesen Schulen, der ge-prägt ist durch Schuluniformen, die morgendliche „Assembly“und sehr strenge Verhaltensregeln und Disziplin, kennenzulernen.Gleiches gilt für das Leben in den nordirischen Familien und dieErfahrung, die im Unterricht erlernte Sprache in der Praxisanwenden zu können.

Auch die außerunterrichtlichen Aktivitäten fanden immer wiederdas ungeteilte Interesse der Teilnehmer/innen. So konnten wir die– zumindest in den ersten Jahren – noch fast touristenfreie Atlan-tikküste mit dem berühmten „Giant`s Causeway“ und den „Glensof Antrim“ besuchen. Wir besuchten auch die irische HauptstadtDublin, wo persönliche Kontakte der nordirischen Kollegen einenEmpfang bei der damaligen Präsidentin der Republik Irland,Mary McAleese, in ihrem Amtssitz ermöglichten.

Die politische Situation beruhigte sich zunehmend, Besuche inNordirland wurden – insbesondere nach dem Abschluss des„Good Friday Agreement“ 1998 – immer normaler.

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Schüleraustausche und Fahrten

Belfast wurde eine moderne europäische Stadt, die auch für jungeLeute attraktiv ist.

Die Schüler am RGS hatten großes Interesse, doch leider zeigtesich auch bei diesem Austausch – ähnlich wie in vielen anderenFällen – dass ein erfolgreicher Austausch fast immer von persön-lichen Kontakten abhängig ist. Meine Kollegen auf nordirischerSeite gingen in den Ruhestand, es gab zwar zunächst Nachfolgerfür die Betreuung des Austausches, doch allmählich nahm dasInteresse auf britischer Seite ab. Hinzu kam die Tatsache, dassdas Fach Deutsch als Fremdsprache – und damit Deutschland alsAustauschland – in einer Konkurrenzsituation zu Italienisch undSpanisch stand. Weiterhin bedarf es großer Überzeugungskraft,britischen Schülerinnen und Schülern im Alter von 1� -17 Jahrenzu erklären, dass es, wenn sie nun schon Deutsch lernen, attrak-tiver ist, nach Stadthagen als nach Berlin zu fahren.

Somit mussten wir den Austausch – trotz großem Interesse un-sererseits – im Jahr 2009 einstellen.

Wolverhampton 201� - ??

Glücklicherweise konnte 201� ein neuer Austausch eingerichtetwerden, der ebenfalls auf persönlichen Kontakten basiert. Dieehemalige Stadthägerin und RGS-Schülerin Petra Grigat-Bradleylebt seit vielen Jahren in England und unterrichtet als Lehrerinan der „Wolverhampton Grammar School“. Durch ihr Engage-ment für das Fach Deutsch und Stadthagen als Austauschort(siehe oben) konnten bereits drei Austauschveranstaltungendurchgeführt werden. Auch die „Wolverhampton GrammarSchool“ ist eine sehr traditionsreiche Schule, die unserem Gym-nasium vergleichbar ist und auf eine über �00-jährige Geschichtezurückblicken kann. Auch hier bestimmen die Schuluniform undTraditionen, wie z.B. die „Assembly“, den ersten Eindruck. Dochbei näherem Kontakt wird schnell deutlich, dass sich auch hinterden historischen Mauern moderne Technologien, aufwendigeRäumlichkeiten für Kunst, Musik und Theater und aufgeschlos-sene Kolleginnen und Kollegen und Schülerinnen und Schülerbefinden.

Auch das Umland bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für dieim Unterricht am RGS behandelten Inhalte. So versetzt einen derBesuch im „Black Country Museum“ zurück in die Zeit der In-dustriellen Revolution und des Bergbaus, während ein Blick indie Innenstadt Wolverhamptons den hohen Anteil von Bewoh-nern indischer Abstammung offenbart und das Thema „Immi-grants“ offensichtlich wird. Kurztrips nach Liverpool oder nachWales runden den „touristischen“ Teil ab.

Der nächste Austausch ist für das Schuljahr 2018/2019 geplantund die Terminabsprachen haben bereits stattgefunden.

Bleibt zum Schluss noch die Frage zu klären, ob sich Austausch-veranstaltungen in den vergangenen 2� Jahren verändert haben.Hier möchte ich zwei Aspekte nennen:

1. Kommunikation:

1991 wurden Briefe geschrieben, die Partner fragten in der Gast-familie höflich nach, ob sie zu Hause anrufen dürften. Heute las-sen diverse mediale Möglichkeiten Eltern und Freunde praktisch„live“ am Besuch teilnehmen.

2. Englisch als Fremdsprache in Deutschland:

1991 sprachen mich noch Eltern an, die Bedenken hatten, einenGast aufzunehmen, da sie kein Englisch sprächen. Heute – somein Eindruck – sprechen alle Eltern unserer Schule Englischund freuen sich darauf, die Sprache mit dem Gast anwenden zukönnen. Frau Grigat-Bradley ermahnt sie immer wieder: Spre-chen Sie bitte Deutsch – unsere Schüler sollen diese Sprache hierverbessern.

Ach ja, auch das sei noch erwähnt: Ich habe im Zusammenhangmit meinen Austauschkontakten in Großbritannien niemandengetroffen, der für den BREXIT war.

Joachim Warnecke

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Mit Spanisch habe ich auf dem RGS in der 10. Klassebegonnen und es bis zum Abitur, das ich im letztenJahr gemacht habe, fortgeführt. Ob ich Spanisch jetzt

noch anwenden kann? ¡Sí! Sowohl einerseits natürlich im Urlaubauf den Kanaren und in der Karibik, andererseits vor allem aberauch in meinem jetzigen Berufsleben: Dadurch, dass ich bei derTUI in der Tourismusbranche tätig bin, kommt es häufiger vor,dass ich mit Menschen in spanischsprachigen Ländern in Kontakttrete, sei es schriftlich oder telefonisch mit Hoteliers und Zielge-bietsagenturen oder auch persönlich auf Seminarreisen. Im kom-menden Jahr werde ich für einen Monat in die Rolle einesReiseleiters schlüpfen. In welches Zielgebiet es dabei für michgeht, weiß ich noch nicht, aber vielleicht ja in eine spanischspra-chige Destination… Die Sprachkenntnisse in Spanisch, die mirin den drei Jahren der Oberstufe des Ratsgymnasiums vermitteltwurden, wären dabei nur von Vorteil.

Sarah Schwiering, Abitur 2016

Spanisch gibt es am Ratsgymnasium, verglichen mit ande-ren Fächern, noch nicht sehr lange. Nachdem die Sprachezunächst in AGs zur Vorbereitung des Mexiko-Austau-

sches und von abgeordneten Lehrkräften unterrichtet wurde, isterst seit dem zweiten Halbjahr 2002 eine Lehrerin für das FachSpanisch am RGS tätig. Mittlerweile ist unsere Fachgruppe ge-wachsen und wird jedes Jahr durch ReferendarInnen, die zu unsin die Ausbildung kommen, und durch spanische Lehrkräfte, dieTeilnehmerInnen des Projekts „Spanischlehrer für Niedersach-sen“ sind, tatkräftig unterstützt.

Die Geschichte des Wandels ist in diesem am RGS noch rechtjungen Fach also kurz. Neu sind die Prüfungsformate der moder-nen Fremdsprachen, wie die Sprechprüfung in der Sek I oder dieHörverstehensaufgabe als Bestandteil der Abiturprüfung. Seit ei-nigen Jahren haben die SchülerInnen auch die Möglichkeit, dasSprachenzertifikat ‘telc’ auf verschiedenen Niveaustufen abzu-legen sowie am Bundeswettbewerb Fremdsprachen, am Überset-zungswettbewerb ‘Juvenes translatores’ und seit dem Schuljahr201�/17 auch am kreisinternen Vorlesewettbewerb für den Jahr-gang 7 teilzunehmen.

Ein wichtiger und motivierender Aspekt beim Erlernen einerFremdsprache ist aber auch der Kontakt mit Muttersprachlern,so dass Austauschprogramme mit spanischsprachigen Ländernein fester Bestandteil an unserer Schule geworden sind – sei esals Gruppenaustausch mit Mungia und Tudela in Spanien, alskreisinterner Austausch mit Valladolid in der spanischen RegionCastilla y León oder als Individualaustausch mit Mexiko oderPeru. Während dieser Zeit sammeln unsere SchülerInnen vieleneue Erfahrungen und Eindrücke, so dass ein intercambio (Aus-tausch) manchmal auch zu einem cambio (Wandel) von Vorstel-lungen über das jeweils andere Land oder auch hinsichtlich dereigenen Zukunft führen kann. Daher gibt es im Folgenden Be-richte von SpanischlernerInnen, AustauschteilnehmerInnen, aberauch einer Mutter, die mehrere Austausche miterlebt hat, sowieeines Schülers, der als Jugendlicher aus Spanien nach Stadthagengezogen ist. Somit kann man aus unterschiedlichen Perspektiveneinen Eindruck davon bekommen, wie das Erlernen einer Fremd-sprache, z. B. durch einen intercambio, auch ein cambio werden kann.

Christiane Walte

WANDEL = CAMBIO

AUSTAUSCH = INTERCAMBIOSPANIEN 2016

Zusammen mit einigen anderen Schülerinnen undSchülern der 9. Klassen von Schaumburger Schulenhaben wir im Herbst 201� an einem sechswöchigen

Austausch mit Spanien teilgenommen, der in dieser Form erst-mals für Schaumburg organisiert wurde. Natürlich waren wir an-fangs angesichts der Dauer und der Ungewissheit, was uns indieser Zeit erwarten würde, recht aufgeregt; außerdem waren wir– anders als bei „normalen“ Austauschfahrten – auf uns gestellt,da wir nur auf der Hin- und Rückreise von einer Lehrerin beglei-tet wurden und in der übrigen Zeit den Alltag unserer Gastschü-lerinnen miterlebt haben. Zurückblickend können wir aber sagen,dass die Zeit in der Region Castilla y León für uns alle sehr span-nend und aufregend war. Wir haben dort regelmäßig am Unter-richt unserer Austauschpartner teilgenommen – was nicht immerganz einfach war – und haben somit neben unseren Austausch-schülern und Gastfamilien viele tolle Leute kennengelernt. Zu-sammen haben wir in unserer Freizeit oder an den Wochenendeneinige Städte angesehen, zum Beispiel Madrid und Segovia. Undwir haben in den sechs Wochen die Sprache in der Schule und in derFreizeit immer besser verstanden und gesprochen, so dass wir jetztim Unterricht von diesen guten Erfahrungen profitieren können.

Auch als unsere Austauschschüler im Frühjahr 2017 hier bei unsin Schaumburg waren, hatten wir eine tolle Zeit miteinander.Während der Woche haben die Spanier unsere Schulen kennen-gelernt, am Unterricht teilgenommen und bei unseren Freizeit-aktivitäten mitgemacht, sei es im Sportverein, beim Kino oderBowling und einfach bei Treffen mit unseren Freunden. Am Wo-chenende haben wir ihnen dann auch mehrere Städte in der Um-gebung gezeigt, aber auch andere schöne Dinge und Ausflügeunternommen.

Insgesamt können wir feststellen, dass sich dieser sechswöchigeAustausch für uns wirklich gelohnt hat, weil wir nicht nur neueFreunde gefunden, unsere Sprachkenntnisse verbessert und dasLand Spanien ein bisschen besser kennengelernt haben, sondernauch weil wir ein bisschen selbstständiger geworden sind. Wirkönnen diesen Austausch nur weiterempfehlen!

Susa Thürnau, Aurelia Beimel & Chiara Schütte, Abitur 2021

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Schüleraustausche und Fahrten

MEXICO 2003

Alles begann damit, dass Frau Walte für die Sommerferien2003 einen �-wöchigen Austausch nach Mexiko organi-sierte. Dagmar P., Simon K. und ich hatten zu dem Zeit-

punkt erst ein Jahr Spanischunterricht gehabt und der Austauschwar durch keine Lehrperson begleitet. Was damals nur ein auf-regendes Abenteuer war, sollte mein ganzes Leben beeinflussen...

Ich weiß noch, dass ich damals keine einzige Vergangenheitsformim Spanischen beherrschte, sodass ich mit der Gastfamilie immerim Präsens sprechen musste. Das erzeugte witzige Situationen,aber wir haben uns dennoch mit viel Gestik, Mimik und Wörter-büchern verstanden. Die Mexikaner sind ein sehr herzliches undkontaktfreudiges Volk, was natürlich alles vereinfacht. Ich wusstevorher eigentlich gar nichts über das Land, hatte nicht so vielegrüne Bäume, diverse Natur, superleckeres Essen, kultuerelle Di-versität und interessante Geschichte erwartet. Auch eine Zeit ineiner der größten Städte der Welt mit 27 Mio. Einwohnern zuwohnen, in der man eine Stunde zur Schule braucht und andau-ernd im Verkehr feststeckt, ist ein Erlebnis. Die Gastfamilie nahmmich auf Kurztrips ins schöne Umland und zu wundervollenStränden mit. Die Mexikaner nahmen wir dann gleich auf demRückflug zum Gegenbesuch mit. Einen Austauschpartner alsGast in der eigenen Familie zu haben, ist zwar anstrengend, aberübrigens genauso eine kulturelle Erfahrung und genauso wert-voll. Man bekommt einen ganz anderen Blick auf das Alltäglicheund Normale.

Meine Austauschpartnerin und ihre Familie waren sehr nett, aberihre Freundin “Lupita” war noch netter. Diese suchte eine Familiein Deutschland, bei der sie ein Austauschjahr verbringen konnte.So war sie das Schuljahr 200�/200� am Ratsgymnasium inStadthagen.

Meine Liebe zur spanischen Sprache und meine persönlichen Be-ziehungen zu Mexiko motivierten mich dazu, Spanisch auf Lehr-amt in Freiburg i.Br. zu studieren. Kein Studium ohneAuslandsjahr – das stand für mich fest. Für mein Praxissemesternahm zufälligerweise genau die deutsche Schule meine Bewer-bung an, an der ich im Jahr 2003 als Austauschschülerin gewesenwar. Ich war überglücklich, dass das Schicksal mich wieder nachMexiko schickte. Direkt nach meiner Ankunft war mir sofort klar,dass ich dort nicht nur ein halbes Jahr bleiben konnte. Zum Glückakzeptierte eine der größten Unis der Welt (die UNAM in Me-xiko-Stadt) mich als Studentin und ich konnte noch ein weiteresSemester bleiben. Heute habe ich mein Spanischstudium seit �Jahren abgeschlossen und bin Spanischlehrerin geworden.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Austausche am Rats-gymnasium und vor allem der nach Mexiko mich sehr beeinflussthaben. Andere Kulturen und Lebensformen kennenzulernen, hatmich offener und neugieriger gemacht, mich dazu gebracht, Un-terschiede nicht zu bewerten, sondern einfach zu respektierenund viele Dinge zu hinterfragen, die man als gegeben erachtet.Ohne die Austausche wäre mein Leben definitiv anders verlaufen.

Finnja Vollbrecht, Abitur 2006

DEUTSCH-SPANIER?

ODER „HISPANOALEMÁN‘‘?

Liebe Leserinnen und Leser,mein Name ist Marlon Wilke-ning Illescas und ich bin 17 Jahre alt. Ich bin zweisprachigaufgewachsen, besitze die doppelte Staatsbürgerschaft,

spiele seit meinem �. Lebensjahr leidenschaftlich Fußball undbin ansonsten ein ganz entspannter Teenager. Vor ungefähr vierJahren zog ich, als Sohn einer spanischen Mutter und eines deut-schen Vaters, gemeinsam mit ihnen und meiner jüngeren Schwes-ter von Las Palmas de Gran Canaria nach Stadthagen.

Nachdem ich neun Jahre lang die Deutsche Schule Las Palmasbesucht hatte, ging es im Sommer 201� in das Land des frisch-gebackenen Fuβballweltmeisters. Ich war einerseits natürlichnicht sonderlich erfreut, meine Freunde und geliebte Insel desewigen Frühlings (bzw. Sommers) zu verlassen, andererseitsfreute ich mich trotzdem auf ein neues Kapitel in meinem nochso jungen Leben. Als Schule wurde für mich das RGS ausgesuchtund ich muss im Nachhinein sagen, dass ich über diese Entschei-dung meiner Eltern sehr glücklich bin. Einen Tag vor Schulbe-ginn, nachdem mir Herr Warneke netterweise diese riesigeSchule gezeigt hatte, freute ich mich, meine neuen Schulkame-raden kennenzulernen. Bezüglich meiner Mitschüler kann ich nursagen, dass sie mich ,,el chico‘‘ sofort sehr herzlich aufgenom-men haben, wodurch ich mich auch schnell einlebte. Auβerhalbder Schule war es am Anfang natürlich schwer, Kontakte zuknüpfen, doch nach und nach klappte auch dies, z.B. über denSport.

Vor meiner Zeit in Deutschland kannte ich trotz meiner fast jähr-lichen Besuche nur wenige Deutsche. In Spanien ist ein typischerDeutscher immer pünktlich, pflichtbewusst und bleibt am liebs-ten unter Landsleuten. Auch hatte ich schon von vielen Spanierngehört, dass das Leben in Deutschland ziemlich anders als beiuns sei. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich sagen,dass diese Klischees nur auf Wenige(s) übertragen werden kön-nen. Vor allem auf die Leute meiner Generation treffen diese Kli-schees eigentlich genauso wenig zu wiedie der Deutschen gegenüber meinenspanischen Schulkameraden. Das liegtwohl auch daran, dass wir alle als Euro-päer erzogen wurden und wir die glei-chen Werte vertreten. Wir leben in derEU, einem gemeinsamen Wirtschafts-raum, haben die gleiche Währung, wäh-len gemeinsam das EU-Parlament,können, wann immer wir wollen undohne den Ausweis vorzuzeigen, das an-dere Land bereisen, lernen die Sprachedes anderen Landes in der Schule, besu-chen das andere Land in Rahmen vonAustauschprogrammen. ... Ich selbst sehekaum einen Unterschied zwischen den Menschen meiner Alters-gruppe in beiden Ländern. Es gibt immer solche und solche –egal, wo auf unserer Welt. Oft wird mir die Frage gestellt: Bistdu Deutsch-Spanier? Oder doch eher ,,hispanoalemán‘‘? In Spa-nien bin ich der Deutsche und in Deutschland der Spanier. Meis-tens antworte ich dann einfach ,,halb halb‘‘. Ich fühle michbeiden Ländern zugehörig und auch als Europäer. Wo ich spätermal leben will? Nun, diese Frage ist schwer zu beantworten. Bes-sere Chancen auf einen Arbeitsplatz habe ich sicherlich inDeutschland, auf besseres Essen und Wetter hingegen auf denKanaren. Diese Frage wird sich, denke ich, erst in den nächstenJahren klären, vorstellen kann ich mir momentan jedoch beides.

Marlon Wilkening Illescas, Abitur 2018

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Wir schreiben das Jahr 201�. Unsere Tochter hat geradebegonnen, am RGS Französisch zu lernen. MeineFrau und ich haben viele Talente, Sprachen gehören

leider nicht dazu. Als Nichtabiturient habe ich auch keinerleiErfahrungen mit Schüleraustauschen - leider!

Wir als Eltern sind nicht wirklich begeistert von der Tatsache, je-manden aufzunehmen, mit dem wir vermutlich wenig bis garnicht kommunizieren können. Dennoch, oder vielleicht jetzt erstrecht! Lilli, unsere Tochter, hat schon Kontakt zu ihrer Aus-tauschpartnerin aufgenommen. Das Internet macht's möglich.Das RGS hat in der Vorbereitung des Austausches unter anderemauch nach Interessen der Schüler gefragt. Verantwortungsbe-wusst, wie Eltern nun mal sind, haben wir alle Fragen akribischund wahrheitsgemäß beantwortet.

Dieser Umstand wird sich noch als Glücksgriff erweisen. Lilliselbst ist aufgeregter als vor Weihnachten, räumt ihr Zimmer aufund beginnt völlig selbständig mit weiteren Vorbereitungen.

Dann kommt der Tag der Anreise. Wir haben Bauchgrummeln,zumindest ich als ehemaliger Soldat. Amiens, Sachas Heimatort,liegt an der Somme, einem der schrecklichsten Schlachtfelderdes 1. Weltkrieges. Auch der 2. Weltkrieg ist nicht spurlos an derRegion vorbeigegangen. Wie können wir glaubhaft zeigen, dassdie Vergangenheit zumindest für uns als Familie Vergangenheit ist?

Egal, da müssen wir jetzt durch.

Gegen 17:00 Uhr soll der Bus aus Frankreich vor der Schule ein-treffen. Das war der Plan, doch der Verkehr auf den deutschenAutobahnen macht ihn natürlich zunichte. Aber wir sind natürlichvor Ort und warten geduldig in der Kälte. Dann plötzlich sind sieda, unsere Franzosen. Am Bus entsteht schnell ein riesiges Ge-wimmel, wobei sich schnell drei Gruppen herauskristallisieren:deutsche Austauschschüler, französische Austauschschüler und

DIE FRANZOSEN KOMMEN - ZUM ZWEITEN MALdie Lehrer, die sich kennen und auf das Herzlichste begrüßen.Die deutsche Gruppe hat verständlicherweise die Unterstützungder Eltern. Die französische Gruppe hat nur sich selbst und dieUnsicherheit.

Es dauert nicht lange, bis Lilli ihre Sacha gefunden hat. Schüch-tern, superfreundlich und zurückhaltend steigt sie zu uns insAuto, und ab geht es nach Hause (ins Warme). Während der Fahrtversuchen wir, die Stimmung zu lockern, was uns wohl auch einwenig gelingt.

Kaum zu Hause angekommen, verschwinden Lilli und ihre neueFreundin in Lillis Zimmer. Kurze Zeit später überrascht Sachauns mit ihren Gastgeschenken. Ich weiß leider nicht mehr, wases war, aber ich weiß noch, dass wir absolut überwältigt waren.

MERCI BEAUCOUP, FAMILIE PELLÉ!

Am nächsten Tag beginnt das von der Schule geplante Programmund es ist immer spannend, abends zu hören, was im Laufe desTages erlebt wurde. Aber auch bei sorgfältigster Planung kanneinem das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen. Somuss der Ausflug nach Bremen abgebrochen werden, weil dieBahn witterungsbedingt den Verkehr einstellt. Also dürfen wirunsere beiden völlig durchgefroren wieder am Bahnhof abholen.

Auch wenn Sacha ganz schnell zu einem neuen Familienmitgliedgeworden ist, bekommen wir sie gar nicht so oft zu Gesicht, dennkaum haben die beiden im Haus ihre Schuhe ausgezogen, sindsie auch schon in Lillis Zimmer verschwunden. An der Geräusch-kulisse erkennen wir aber, dass es beiden sehr gut geht. Das RGShatte bei der Zuordnung der Gastschüler wohl den absoluten Voll-treffer gelandet, vielen herzlichen Dank dafür.

Irgendwann neigt sich aber jede Woche ihrem Ende zu, so leiderauch diese schöne Woche des Frankreich-Austauschs. Krokodils-tränen beim Abschied sind vorprogrammiert. Da geht sie hin, un-sere zweite Tochter.

Der Alltag hat uns schnell zurück. Aber eines Tages – es ist malwieder kurz vor Weihnachten – klingelt der Postbote und möchteeine Unterschrift für ein Paket aus Frankreich. Sacha, unsere"zweite" Tochter aus Amiens, hat Lilli ein Weihnachtspaket ge-schickt. Wir haben uns riesig gefreut. Der Paketaufkleber hängtnoch immer am Kühlschrank.

Der Kontakt zwischen den beiden, dem RGS sei Dank, ist bisheute nicht abgerissen.

Jetzt schreiben wir das Jahr 2018 und Sacha ist wieder da.

Wir haben April, und im Gegensatz zu 201� ist es warm, sowarm, dass unsere Familie, die jetzt wieder � Mitglieder zählt,ganz entspannt an der Weser auf das Wasser schauen kann.

In kein Austauschprogramm eingebunden sind wir in der glück-lichen Lage eine normale Familie zeigen zu können mit einemEinkaufsbummel oder dem gemeinsamen Besuch von sehens-werten Orten in unserer Region. Leider sind es nur noch wenigeTage, die unsere zweite Tochter bei uns ist, und die schon be-kannten Krokodilstränen kündigen sich wieder an.

Wir werden Sacha garantiert vermissen.

Ich denke aber, dass Amiens auf der Liste unserer Urlaubszielesehr weit oben steht.

Andreas Böttcher

Lilli (links) und Sacha auf der Burg Schaumburg

Page 16: S hül h d F h...I m Frühjahr 198 war ich zusammen mit einigen Freunden und vielen Mitschülern in der 11-ten Klasse. Die politische Bildung erforderte zu dieser Zeit einen Besuch

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Schüleraustausche und Fahrten

AUSTAUSCHERFAHRUNGEN AUS DER SICHT EINER MUTTER

Das Wort Austausch wird am Ratsgymnasium groß ge-schrieben und so besteht die Möglichkeit, für fast jededort gelehrte Sprache bei einem Austausch mitzuma-

chen. So war es dann auch für uns fast selbstverständlich, an ei-nigen spanischsprachigen Austauschen teilzunehmen, in unseremFall nicht, um die Sprache intensiver zu üben, sondern, um erneutdie Gelegenheit zu haben, diese zu sprechen. Dazu muss erläutertwerden, dass wir erst vor knapp sieben Jahren als sogenannteAuslandsdeutsche hierher gezogen sind, und zuvor in Mexikogelebt haben. Streng genommen sind wir dadurch nicht die idealeGastfamilie, denn unsere Austauschschüler haben hier bei uns zuHause sicherlich kein Deutsch gelernt, wir dafür aber wieder Spa-nisch gesprochen. Oder sind wir doch eine ideale Gastfamilie? –denn durch unsere Erfahrung im Ausland haben wir auch eineandere Perspektive auf Deutschland mit seinen Sitten und Bräu-chen. So versuchen wir gerade diese dann, im Gegensatz zu denspanisch-lateinamerikanischen Bräuchen, unseren Gästen zu zei-gen. Doch wie sieht das dann im Konkreten aus? Dazu einigeAuszüge aus den Weihnachtsrundbriefen an die Freunde und Ver-wandten:

„Die Zeit mit Horsts peruanischem Austauschpartner verging wieim Fluge, und wenn es dieses Jahr praktisch keinen Winter, ge-schweige denn Schnee gab, so konnten wir ihm vieles aus derGegend, auch so manches typisch Deutsche, zeigen, außer einerweißen Landschaft. Damit er jedoch wenigstens „etwas“ in denGenuss von Wintersport käme, fuhr Christian einmal mit denJungen zum Schlittschuhlaufen, geübt wurde vorher auf derStraße mit Inlineskates, da S. vorher noch nie damit gelaufen war,geschweige denn auf Schlittschuhen gestanden hatte. Da es späterdoch noch etwas Schnee gab, wurde noch auf dem Bückeberggerodelt.“ So wie wir also versucht haben, unserem Gast diedeutsche Kultur, auch im kulinarischen Sinne, näherzubringen,wurde Horst in Peru ähnlich aufgenommen. So nahm er intensivam Familienleben mit Ausflügen teil, und sogar eine Klassenfahrtnach Nasca war mit dabei.

Doch die Erfahrungen mit Austauschschülern können auch we-niger schöne Seiten beinhalten, wenn man sich gegenseitig kaumkennt, und die familiären Strukturen zu unterschiedlich sind, wiewir es mit einem Schüler erlebten, der bei uns einen Monat langzu Besuch war, um hier die Schule zu besuchen. Auch hierzulasse ich wieder alte Weihnachtsbriefe sprechen: „Unsere Kinderkannten ihn so gut wie gar nicht. Dazu hatten wir auch noch dasPech, dass er als Einzelkind geschiedener Eltern wohl auch kei-nen engen Familienanschluss kennt oder erwartet. Ergebnis je-denfalls war, dass er stundenlang in seinem Zimmer hockte,während wir verzweifelt versuchten, ihm den Anschluss an einedeutschsprachige Familie zu ermöglichen. Dennoch besuchte ermit Nicole täglich die Schule und an den Wochenenden absol-vierten wir das übliche Pflichtprogramm, also Reitschule mitVorführung in Bückeburg, bzw. Besuch des Schlosses, Spazier-gang an der Weser und dem Wasserstraßenkreuz in Minden, Blickin die Norddeutsche Tiefebene usw.“

Allerdings bieten diese Austauschmöglichkeiten auch die Gele-genheit interessanter multi- oder interkultureller Treffen. So er-lebten wir es auch im Rahmen eines schweizerischenAustausches, bei dem wir einen „Halb-Bolivianer“ zu Gast hat-ten. Auch hierzu wieder ein alter Brief: „Lustig fand ich auch deneinen Abend, zum Glück hatten mich kurz zuvor auf einem El-ternabend die Mütter noch „gewarnt“, denn als ich zurückkam,war unser Haus voll, zu Besuch waren da die Austauschschülerund deren deutsche Partner und alle guckten sich das FußballspielMexiko gegen Brasilien an, die eine Hälfte war für Mexiko, dieandere für Brasilien, und alle gingen leer aus, denn das Spiel en-dete unerwartet mit einem Unentschieden.“

Insgesamt kann man sagen, dass die Austauschmöglichkeiten amRGS lohnenswerte Erfahrungen sind, die man, solange die Mög-lichkeit besteht, durchaus nutzen sollte. Ab und zu kann sich dannauch eine lange Freundschaft entwickeln, so wie es glücklicher-weise bei Horst passiert ist.

Dagmar Stein