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Pate des Abends Stefan Jürgens Schauspieler Konzerteinführung mit Dieter Rexroth im Werner-Otto-Saal — Einlass mit Konzertticket Antony Hermus Dirigent SERGEI PROKOFJEW (1891-1953) • „Cinderalla Suites“ aus der Ballettmusik zu „Aschenbrödel“ op. 107, 108, 109 (1945/45) Introduktion – Streit – Großmutter Fee und Winterfee – Aschenbrödel geht zum Ball – Ankunft Aschenbrödels auf dem Ball & Großer Walzer – Die drei Orangen – Aschenbrödels Walzer – Mitternacht – Galopp – Langsamer Wal- zer – Amoroso — Pause — WILLEM JETHS (*1959) • „Mors Aeterna“ (2015, Deutsche Erstaufführung) JOHANNES BRAHMS (1833-1897) • Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98 (1885) Allegro non troppo – Andante moderato – Allegro giocoso. Poco meno presto. Tempo I – Allegro energico e passionato. Più Allegro FEST FüR ALLE Feiern Sie mit uns! Beim traditionellen PUBLIKUMSFEST im Anschluss an das Konzert. 19 Uhr 20 Uhr NATIONALES JUGEND- ORCHESTER DER NIEDERLANDE NIEDERLANDE Sa 11 © Nic Limper FESTIVAL DER BESTEN JUGENDORCHESTER DER WELT YOUNG EURO CLASSIC FESTIVALHYMNE „Bitte, nehmen Sie meine kurze Fanfare nicht zu seriös! Vor allem sollen die jungen Mu- siker es nicht zu perfekt spielen! Es ist ein musikalischer Spaß, man muss Freude daran haben. Der Anfang ist ein etwas melancholischer Marsch (weil junge Leute so oft melan- cholisch sind), dann folgt ein tänzerisches Trio (weil Jugendorchester von langen Partys immer unausgeschlafen sind), endlich eine Reprise vom Marsch mit einer jazzartigen Improvisation, damit der Trompeter oder Geiger den Kollegen imponieren kann. Einige Gickser gehören dazu.“ Iván Fischer Ehrendirigent des Konzerthausorchesters Berlin, Komponist der Festivalhymne 03. BIS 20. AUGUST 2018 KONZERTHAUS BERLIN Ulrich Deppendorf 2. Vorsitzender Deutscher Freundeskreis europäischer Jugendorchester e.V. Jahrhundertpersönlichkeiten wie sie, glau- ben wir, verdienen Erinnerung, Hinterfra- gung und intelligente Auseinandersetzung. Auch das versuchen wir in unserem Pro- gramm. Und nächstes Jahr, das macht uns stolz und glücklich, gibt es dann zum 20. Mal Young Euro Classic. Unser kleines Jubiläum. Wir und unsere Freunde, Partner und Un- terstützer arbeiten jetzt schon hart daran, Ihnen dann ein Super-Festival-Fest, einen ganz besonderen Jahrgang zu bieten. Damit wir das schaffen, nehmen wir jetzt kraftvoll Anlauf. Zusammen mit Ihnen und einem besonders vielversprechenden Jahr- gang: Willkommen bei Young Euro Classic 2018! Prof. Dr. Dieter Rexroth Künstlerischer Leiter Young Euro Classic Zum 19. Mal können wir sagen: Willkommen bei Young Euro Classic, dem weltweit wich- tigsten Festival für symphonische Jugendor- chester. Ja, Young Euro Classic kommt „in die Jahre“. Für das Festival ist das aber kein Problem, weil die Musikerinnen und Musiker, die je- des Jahr aus aller Welt nach Berlin kommen, blutjung und wunderbar begabt, kreativ und lebensfroh sind. Und unser Publikum jung halten. Unser Markenzeichen ist und bleibt: Hier spielt die Zukunft! Zwei charismatische Jubilare prägen das Programm entscheidend mit: Sie leben nicht mehr, sind aber dennoch absolut lebendig und wichtig gerade in ihrer Vorbildfunktion. Nelson Mandela und Leonard Bernstein hätten in diesem Jahr ihren einhundertsten Geburtstag gefeiert. Dr. Willi Steul 1. Vorsitzender Deutscher Freundeskreis europäischer Jugendorchester e.V. Dr. Gabriele Minz Gesamtleitung Young Euro Classic

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Pate des AbendsStefan JürgensSchauspieler

Konzerteinführung mit Dieter Rexroth im Werner-Otto-Saal — Einlass mit Konzertticket

Antony Hermus Dirigent

SERGEI PROKOFJEW (1891-1953) • „Cinderalla Suites“ aus der Ballettmusik zu „Aschenbrödel“ op. 107, 108, 109 (1945/45)Introduktion – Streit – Großmutter Fee und Winterfee – Aschenbrödel geht zum Ball – Ankunft Aschenbrödels auf dem Ball & Großer Walzer – Die drei Orangen – Aschenbrödels Walzer – Mitternacht – Galopp – Langsamer Wal-zer – Amoroso

— Pause —

WILLEM JETHS (*1959) • „Mors Aeterna“ (2015, Deutsche Erstauff ührung)

JOHANNES BRAHMS (1833-1897) • Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98 (1885)Allegro non troppo – Andante moderato – Allegro giocoso. Poco meno presto. Tempo I – Allegro energico e passionato. Più Allegro

feSt für AlleFeiern Sie mit uns! Beim traditionellen PUBLIKUMSFEST im Anschluss an das Konzert.

19 uhr

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youNg euro clASSic feStiVAlHyMNe„Bitte, nehmen Sie meine kurze Fanfare nicht zu seriös! Vor allem sollen die jungen Mu-siker es nicht zu perfekt spielen! Es ist ein musikalischer Spaß, man muss Freude daran haben. Der Anfang ist ein etwas melancholischer Marsch (weil junge Leute so oft melan-cholisch sind), dann folgt ein tänzerisches Trio (weil Jugendorchester von langen Partys immer unausgeschlafen sind), endlich eine Reprise vom Marsch mit einer jazzartigen Improvisation, damit der Trompeter oder Geiger den Kollegen imponieren kann. Einige Gickser gehören dazu.“

iván fischerEhrendirigent des Konzerthausorchesters Berlin, Komponist der Festivalhymne

03. BiS 20. AuguSt 2018 koNZertHAuS BerliN

ulrich deppendorf2. Vorsitzender Deutscher Freundeskreiseuropäischer Jugendorchester e.V.

Jahrhundertpersönlichkeiten wie sie, glau-ben wir, verdienen Erinnerung, Hinterfra-gung und intelligente Auseinandersetzung. Auch das versuchen wir in unserem Pro-gramm. Und nächstes Jahr, das macht uns stolz und glücklich, gibt es dann zum 20. Mal Young Euro Classic. Unser kleines Jubiläum. Wir und unsere Freunde, Partner und Un-terstützer arbeiten jetzt schon hart daran, Ihnen dann ein Super-Festival-Fest, einen ganz besonderen Jahrgang zu bieten. Damit wir das schaff en, nehmen wir jetzt kraftvoll Anlauf. Zusammen mit Ihnen und einem besonders vielversprechenden Jahr-gang:

Willkommen bei Young Euro Classic 2018!

Prof. dr. dieter rexrothKünstlerischer Leiter Young Euro Classic

Zum 19. Mal können wir sagen: Willkommen bei Young Euro Classic, dem weltweit wich-tigsten Festival für symphonische Jugendor-chester. Ja, Young Euro Classic kommt „in die Jahre“. Für das Festival ist das aber kein Problem, weil die Musikerinnen und Musiker, die je-des Jahr aus aller Welt nach Berlin kommen, blutjung und wunderbar begabt, kreativ und lebensfroh sind. Und unser Publikum jung halten. Unser Markenzeichen ist und bleibt: Hier spielt die Zukunft! Zwei charismatische Jubilare prägen das Programm entscheidend mit: Sie leben nicht mehr, sind aber dennoch absolut lebendig und wichtig gerade in ihrer Vorbildfunktion. Nelson Mandela und Leonard Bernstein hätten in diesem Jahr ihren einhundertsten Geburtstag gefeiert.

dr. Willi Steul1. Vorsitzender Deutscher Freundeskreiseuropäischer Jugendorchester e.V.

dr. gabriele Minz Gesamtleitung Young Euro Classicdr. gabriele Minz Gesamtleitung Young Euro ClassicGesamtleitung Young Euro Classic

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Antony HermusDirigentDer Niederländer Antony Hermus hat seine bis-herige Laufbahn als Dirigent zu großen Teilen in Deutschland absolviert. In seiner sechsjährigen Tä-tigkeit als Generalmusikdirektor des Anhaltischen Theaters Dessau (2009-15) machte er nicht nur durch die Produktion des kompletten Wagner-„Rings“ auf das Theater aufmerksam, sondern ebenso durch Open-Air- und Twitter-Konzerte. Gasteinladungen führten den 45-Jährigen zu den wichtigsten nieder-ländischen Symphonieorchestern, den Bamberger

Symphonikern und dem Philharmonia Orchestra London. In diesem Frühjahr gab Hermus sein Debüt im Wiener Musikverein mit dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich, außer-dem führte er Bruckners Sechste mit dem Residenz-Orchester Den Haag auf und kehrte zum Symphonieorchester Antwerpen für eine Kinoproduktion von Strawinskis Feuervogel zurück. Auch die Diskographie zeigt seine weitgespannten Interessen: Nach Werken der Romanti-ker Hans Rott, August Klughardt und Alphons Diepenbrock nahm Hermus zuletzt mit den Bamberger Symphonikern Kompositionen des Österreichers Siegmund von Hausegger auf.www.antonyhermus.com

Willem JethsKomponistDer aus Amersfoort stammende Willem Jeths studierte am Sweelinck-Konservatorium in Amsterdam sowie bei Tristan Keuris in Utrecht. Seit 2007 unterrichtet der 58-Jährige selbst das Fach Komposition am Konservatorium Amsterdam. Sein Schwerpunkt als Komponist liegt im symphonischen Bereich: So entstan-den ein Flügelhornkonzert (2002) und die Komposition Scale – le tombeau de Mahler (2010) im Auftrag des Königlichen Concert-gebouw Orchesters, Metanoia (2012) für die Holland Symfonia und die erste Symphonie (ebenfalls 2012) für die Samstagsmatineen im Concertgebouw. Seine Oper Hôtel de Pékin wurde 2008 zur Neueröffnung des Opernhauses in Enschede uraufgeführt. „In der musi-kalischen Kultur hat es im 20. Jahrhundert eine Explosion gegeben, alles ist fragmentierter denn je“, sagt Jeths. „Das Konzept der Innovation ist für den Komponisten nicht mehr ent-scheidend, sondern vielmehr Leidenschaft und Inspiration.“www.willemjeths.com

Stefan JürgensSchauspielerStefan Jürgens, 1963 in Unna geboren, ist vielbeschäftigter Film- und Theaterschauspieler und macht seit seiner frühen Jugend Musik. In seinen Drehpausen tourt Jürgens seit vie-len Jahren als Musiker äußerst erfolgreich mit seiner Band durch ganz Deutschland und Österreich. Als Musiker und Pi-anist schreibt und komponiert Stefan Jürgens fast alle seiner Songs selbst. Bekannt geworden durch die legendäre RTL- Comedy Show Samstag Nacht, als Berliner Tatortkommissar Hellmann und vielen anderen Kino-und TV-Produktionen,

weiß Stefan Jürgens, dass Schauspiel und Musik eigentlich zwei Fulltimejobs sind, doch das hindert ihn nicht daran, beidem nachzugehen: „Ich möchte beides machen und auf nichts verzichten. Das ist zwar anstrengend, aber auch sehr lustvoll“, sagt er. Wenn er wie derzeit rund ein halbes Jahr als raubeiniger Major Carl Ribarski in der SOKO Wien/Donau mit Dreharbeiten beschäftigt ist, freut er sich sehr darauf, sich nach einem kurzen Urlaub ans Klavier zu setzen und wieder musikalisch loszulegen. Ob allein zuhause beim Texten und Komponieren oder bei seinen Live-Auftritten. Schon im Alter von 16 Jahren war er mit Bands unterwegs, er ist sich treu geblieben, und tourt noch immer durch die Lande.Auf die Alben Langstreckenlauf, Heldenzeiten, Alles Immer Möglich, Grenzenlos Mensch folgt 2019 sein 5. Studioalbum Was Zählt.Im Frühjahr 2019 startet Stefan Jürgens mit seiner Was Zählt Tour durch ganz Deutschland und Österreich.www.stefanjuergens.com

Das Nationale Jugendorchester der Niederlande (NJO) ist Teil des umfangreichen „Summer Festival“, bei dem 160 junge Musikerinnen und Musiker – nicht nur aus den Niederlan-den – in die Provinz Gelderland kommen, um dort mehrere Wochen in unterschiedlichsten Ensembles mit hervorragenden Dozenten zu arbeiten. Höhepunkt des Projekts ist der NJO Musiksommer, bei dem (diesmal vom 3. bis 19. August 2018) die Ergebnisse der Probenarbeit präsentiert werden. Young Euro Classic erlebte in den letzten Jahren auch das Barockorches-ter und die Opern-Compagnie, jetzt ist wieder einmal das große Symphonieorchester an der Reihe. Im NJO spiegelt sich die äußerst reiche Musiktradition der Niederlande wieder, die auch heute immer ein offenes Ohr für die zeitgenössische Musik hat. So wirkten in den letz-ten Jahren Komponisten wie Steve Reich, John Adams, Kaaja Saariaho und Wolfgang Rihm als „Composer in Residence“ beim NJO.www.njo.nl

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Märchenhafte Liebe, Reflektion über den Tod und Bilanz eines musikalischen Le-bens – so gegensätzlich sind die Themen, mit denen sich in diesem Jahr das bei Young Euro Classic schon oft bejubelte Nationale Jugendorchester der Nie-

derlande auseinandersetzt. Dementsprechend unterschiedlich ist auch der Charakter der Werke: Ballett, Orchesterstück und monumentale Symphonie. Wenn man dann noch be-rücksichtigt, dass alle drei Werke aus drei verschiedenen Jahrhunderten stammen, dann erkennt man, welche Herausforderung sich die jungen Musikerinnen und Musiker aus den Niederlanden vorgenommen haben.

Mit der Komposition seines Balletts Cinderella versuchte der in Stalins Sowjetunion keineswegs unumstrittene Komponist Sergej Prokofjew auf der Welle seines er-folgreichen Balletts Romeo und Julia weiter zu schwimmen. 1940 erhielt er den

Kompositionsauftrag vom Moskauer Kirow-Ballett, doch der deutsche Einmarsch in der Sowjetunion torpedierte alle Aufführungspläne. Erst nach Kriegsende, im November 1945, konnte im Bolschoi-Theater endlich die Uraufführung des Balletts gefeiert werden. Schon bald darauf begann Prokofjew mit der Transkription einzelner Szenen für Klavier solo; dies wiederum war die Grundlage der drei cinderella-Suiten op. 107, op. 108 und op. 109. Die heute zu hörende Auswahl der Niederländer stützt sich zum größten Teil auf die 1. Suite, während der gesamte Schluss mit dem „Langsamen Walzer“ und dem „Amoroso“ von der 3. Suite übernommen wurde. Insgesamt hielten sich Prokofjew und seine Librettisten sehr eng an das in vielen Ländern verbreitete Märchen vom Aschenbrödel und seinen bei-den Stiefschwestern, den verzauberten Schuhen und dem schönen Prinzen, der am Ende das Aschenbrödel zu seiner Frau erwählt.

Musikalisch stehen die Zeichen ganz auf klassizistische Klarheit und plastische Themen, wie etwa das traurige und das fröhliche Thema in der „Introduktion“, die für Cinderellas Ängste und Hoffnungen stehen, oder der anschließende „Streit“ zwischen den beiden Stiefschwestern. Der ungezähmte Prokofjew kommt zumindest in den grellen Dissonanzen von „Mitternacht“ zum Vorschein, jener Stunde des Unheils, wenn der Zauber Cinderellas abrupt endet. „Die drei Orangen“, die der Prinz Cinderella als schönste Delikatessen über-reicht, erlauben dem Komponisten ein witziges Zitat aus seiner eigenen Oper Die Liebe zu den drei Orangen. Darüber hinaus gibt es reichlich Walzerszenen, die jedoch eine kühle Eleganz ausstrahlen – und zum Abschluss als Happy End einen gefühlvollen Langsamen Walzer und eine hochemotionale Apotheose, die musikalisch den Bogen zurück zur Ein-leitung schlägt.

Kaum ein größerer Kontrast ließe sich denken zwischen der märchenhaften Poesie in Prokofjews Ballett und der kargen Reflektion von Willem Jeths über das Jenseits in seinem Orchesterstück Mors Aeterna (Ewiger Tod) von 2014, einer Vorstudie zu sei-

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nem Requiem von 2017. Der Komponist selbst schreibt dazu: „Das ‘Jenseits’ ist das einzige wahre Mysterium dieses Lebens. Meine Faszination für den Tod liegt in diesem Mysterium begründet. Ich möchte das Publikum an seine Sitze fesseln mit Musik, die ritualistisch und hypnotisch ist, Musik, der man nicht ausweichen kann.“

Kurz, aber intensiv, stürzt Mors aeterna den Hörer in ein Wechselbad der Emotionen. Aus der Grundstimmung langsam schreitender melodischer Linien im Pianissimo platzen immer wieder schrille Zwischenrufe heraus, mal von der Posaune, mal von der Piccoloflöte. Flöte und Trompete finden sich zu einem versöhnlichen Duett zusammen, doch die Klänge drif-ten immer mehr zwischen hoher und tiefer Lage des Orchesters auseinander, um am Ende in angehaltenen Akkorden sanft zu ersterben.

Heutzutage zählt die Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98 von Johannes Brahms zum un-bestrittenen Kernrepertoire aller großen Orchester – als Summe jener imposanten Lebensleistung, mit welcher der Wahl-Wiener aus Hamburg das klassische Erbe

bewusst aufgenommen und zu einem Personalstil von größter Dichte, Ernsthaftigkeit und musikalischer Souveränität weiterentwickelt hatte. Als das Werk 1885 fertiggestellt wur-de, schrieb Brahms dagegen aus seiner Sommerfrische Mürzzuschlag an die geschätzte Freundin Elisabet von Herzogenberg: „Im Allgemeinen sind ja leider die Stücke von mir an-genehmer als ich, und findet man weniger daran zu korrigieren?! Aber in hiesiger Gegend werden die Kirschen nicht süß und essbar – wenn Ihnen das Ding also nicht schmeckt, so genieren Sie sich nicht.“

Das „Ding“ ist in der Tat eher herb als süß geraten, nicht zuletzt das Hauptthema selbst. In formaler Hinsicht gelingt es dem Komponisten, sein Grundprinzip der „entwickelnden Variation“ – das von Arnold Schönberg als Schritt in die musikalische Moderne gepriesen wurde – in aller Konsequenz durchzuhalten: Die Terz als Intervall prägt dieses Thema, und sie prägt im Prinzip, durch ständige Veränderung und Ableitung, nicht nur diesen Satz, sondern die gesamte Symphonie. Auffällig ist der statische Charakter der Musik, die trotz aller mächtigen Klangwirkungen immer wieder gegen unsichtbare Hindernisse anzurennen

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versucht. Erst die Coda des ersten Satzes bringt die lang erwartete Entspannung, wenn im Fortissimo des Orchester-Tutti die Leidenschaft alle Bedenken zu überrollen scheint.

Zurück in die gemächlichere Gangart führt das Andante moderato, dessen aufgehell-tes E-Dur durch die Hinwendung zur phrygischen Kirchentonart einen archaischen Anstrich erhält. Auch hier stößt man auf die Terz, die schon im ersten Hornsolo

nicht zu überhören ist und dann von den Violinen übernommen wird. Einen merkwürdigen Zwitter hat Brahms mit dem dritten Satz komponiert: ein Scherzo im schneidigen 2/4-Takt, dazu ein C-Dur, das weder Freude noch Reinheit ausstrahlt, sondern den bärbeißigen Willen, machtvoll aufzutrumpfen und das simple Tonleiter-Thema durch kontrapunktische Verschiebungen aus den Angeln zu heben.

Ganz und gar archaisch wird es im Finale, bei dem sich Brahms für eine Passacaglia ent-schied, jene strenge Satzform, bei der die (hier achttaktige) Basslinie über den ganzen Satz hinweg immer gleich bleibt. Das Thema selbst hatte er in der Bach-Kantate Nach Dir, Herr, verlanget mich gefunden. Den Formfanatiker muss es gereizt haben, diese strenge Vor-gabe zugleich einzuhalten und doch durch fließende Übergänge unkenntlich zu machen. Zwischendurch erinnert der mächtige Bläserchoral vom Anfang immer wieder an diese Vorgabe der Passacaglia, die Brahms erst in der Coda aufgibt, um mit einer wuchtigen Stretta im harten e-Moll einen ebenso kompromisslosen Schlusspunkt zu setzen.

Michael Horst

Dieses Konzert wird LIVE und ON DEMAND auf ARTE CONCERT gestreamt: concert.arte.tv/young-euro-classicproduziert von