Saechtling Kunststoff Taschenbuch - Gupta Verlag · 2010. 6. 17. · Saechtling Kunststoff...

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Saechtling Kunststoff Taschenbuch Herausgegeben von Hansjürgen Saechtling ISBN-10: 3-446-40352-3 ISBN-13: 978-3-446-40352-9 Leseprobe Weitere Informationen oder Bestellungen unter http://www.hanser.de/978-3-446-40352-9 sowie im Buchhandel

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  • Saechtling KunststoffTaschenbuch

    Herausgegeben von Hansjürgen Saechtling

    ISBN-10: 3-446-40352-3ISBN-13: 978-3-446-40352-9

    Leseprobe

    Weitere Informationen oder Bestellungen unterhttp://www.hanser.de/978-3-446-40352-9

    sowie im Buchhandel

    http://www.hanser.de/978-3-446-40352-9

  • 5.4.1 Dimensionierungsrechnung 421

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    Prüfung der Herstellbarkeit (Anzahl der Angüsse, Lage der Bindenähte s. Bild5.9, Lufteinschlüsse),Einfluss des Fertigungsprozesses auf die Bauteileigenschaften (Eigenspannun-gen, Orientierung, Kristallisation),Abschätzung der Fertigungsparameter (Druckbedarf, Schließkraft, Zykluszeit),Auslegung der Werkzeuge (rheologisch, thermisch und mechanisch).

    Trotz aller Unzulänglichkeiten bei der Modellbildung und den Stoffgesetzen hatsich die Prozesssimulation zu einem unverzichtbaren Werkzeug des kunststoffge-rechten Konstruierens entwickelt. Nur so gelingt es, bereits in den frühen Phasender Konstruktion die wesentlichen Einschränkungen durch den Fertigungsprozesszu erkennen und „robuste“ Werkzeugkonzepte zu entwickeln.

    5.4 Werkstoffgerechtes Konstruieren

    Die spezifischen Eigenschaften der Kunststoffe müssen beim Konstruieren ange-messen beachtet werden, um zu technisch anspruchsvollen und wirtschaftlichenProdukten zu gelangen. Beachtet werden müssen im Vergleich zu metallischenWerkstoffen:

    der sehr viel geringere E-Modul (nur etwa 0,1% bis 1%),die geringere Festigkeit (etwa 1% bis 10%),die deutlich höhere Dehnbarkeit (etwa um das 10- bis 100-fache),die deutlich höhere Wärmedehnung (etwa um das 10- bis 100-fache),die Abhängigkeit vieler Eigenschaften von Temperatur und Zeit.

    Hieraus lassen sich einige allgemeingültige Regeln für das kunststoffgerechteKonstruieren ableiten:

    Biegesteife Bauteile erreicht man bei niedrigem E-Modul gut durch Verrippung.Mechanisch hoch belastete Teile müssen ohne Kerben und Ecken ausgeführtwerden! Die große Verformbarkeit von Kunststoffen erlaubt charakteristische Konstruk-tionen (Filmscharniere, Schnappverbindungen). Die niedrige Festigkeit begünstigt den Einsatz selbstformender metallischerSchrauben als kostengünstige Verbindungstechnik.

    Da die Kunststoffe durch Beimischen von Füllstoffen oder Veränderung in ihremmolekularen Aufbau in ihrem Eigenschaftsbild stark beeinflusst werden können,ist die Modifizierung des Kunststoffs mit Blick auf sein Anwendungsgebiet einewesentliche Eigenschaft dieser Werkstoffgruppe.

    5.4.1 Dimensionierungsrechnung

    Wie bei klassischen Konstruktionswerkstoffen erfolgt auch bei Kunststoffen eineDimensionierung zur Klärung der Frage:Erträgt das Bauteil die bei der Fertigung und dem Gebrauch auftretenden Kräfteohne Rissbildung oder unzulässige Verformung?

  • 422 5.4 Werkstoffgerechtes Konstruieren

    Dazu ergibt sich folgende Vorgehensweise:Festlegung der Randbedingungen:– Geometrie des Bauteils,– einwirkende Bauteilbeanspruchung (Lasten, Temperatur, Zeit, Medium),– Dimensionierungskennwerte (zulässige Werkstoffbeanspruchungen, E-Mo-

    dul …).Bestimmung des Bauteilverhaltens unter einwirkender Beanspruchung (alter-nativ durch):– konventionelle Dimensionierungsrechnung,– empirisch gestützte Dimensionierungsrechnung,– Anwendung der Methode der Finiten Elemente zur mechanischen Analyse,– Bauteilversuche an Prototypen oder Modellen.Prüfung der Zulässigkeit durch Vergleich mit Grenzwerten:– Steifigkeitsnachweis zur Prüfung der zulässigen Bauteilverformung,– Festigkeitsnachweis zur Prüfung der Zulässigkeit der Werkstoffanstrengung.

    5.4.2 Dimensionierungskennwerte

    Bei der Dimensionierungsrechnung werden Dimensionierungskennwerte be-nötigt, die eine quantitative Beschreibung des Werkstoffeinflusses auf das Bau-teilverhalten erlauben. Als die wesentlichen Dimensionierungskennwerte könnenangesehen werden:

    E-Modul, Querkontraktionszahl, zulässige Spannung oder zulässige Dehnung.

    Um die viskoelastischen Eigenschaften des Kunststoffs angemessen zu berück-sichtigen, müssen die Abhängigkeiten der Dimensionierungskennwerte von denEinsatzbedingungen beachtet werden. Entsprechend müssen für jeden Lastfall diezugehörigen Kennwerte neu ermittelt werden. Das dabei übliche Verfahren ist dieErmittlung eines „quasielastischen Ersatzkennwertes“. Hierbei wird die Verän-derung der Werkstoffsteifigkeit etwa durch Kriechen oder durch Temperaturerhö-hung dadurch berücksichtiget, indem man einen „Ersatzwerkstoff“ definiert, demder nun niedrigere E-Modul als elastische Eigenschaft zugesprochen wird. DieErmittlung des elastischen Ersatz-E-Moduls in Abhängigkeit von der jeweiligenZeit, Temperatur und Beanspruchungshöhe erfolgt im isochronen Spannungs-Dehnungs-Diagramm, s. Bild 5.10. Er ergibt sich als die Steigung der Verbin-dungsgeraden aus dem Ursprung des Spannungs-Dehnungs-Diagramms zum je-weils betrachteten Beanspruchungszustand. In Bild 5.11 ist dargestellt, wie mitder Modellvorstellung des idealelastischen Ersatzwerkstoffs ein Kriechvorgangabgebildet wird.

    Als weiterer Kennwert für die Steifigkeitsanalyse des Bauteils wird die Quer-kontraktionszahl benötigt. Da hierzu in der Regel keine Messwerte vorliegen,behilft man sich mit einer näherungsweisen Betrachtung (siehe hierzu Abschnitt3.2.5)

  • 5.4.2 Dimensionierungskennwerte 423

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    Bild 5.10 Bestimmung des elastischen Ersatz-E-Moduls aus dem isochronen Spannungs-Deh-nungs-Diagramm

    Bild 5.11 Beschreibung des Kriechens durch die Modellvorstellung des elastischen Ersatz-werkstoffs

    Die Berechnung statischer mechanischer Beanspruchungszustände kann mit Hilfeder hier ermittelten Ersatzkennwerte näherungsweise mit den Formeln für elas-tische Werkstoffe erfolgen. Einschränkungen:

    Bei diesen Dimensionierungsrechnungen wird der Einfluss der Molekül- oderFüllstofforientierung auf die mechanischen Eigenschaften nicht berücksichtigt. Das Verhalten unter dynamischen, zyklischen oder nichtisothermen Beanspru-chungen kann mit der oben beschriebenen Vorgehensweise nur grob abgeschätzt

    ( )t,E 1E σεσ=

    z.B. für 40 °C

    EE

    1 h

    10 h

    100 h

    1000 hσ1σ

    Spannung

    ε (σ1, 1 h) ε (σ1, 100 h)

    Dehnung ε

    tatsächlicher Spannungs-Dehnungs-

    Verlauf bei einer Kriechbeanspruchung

    σ

    t1 t2

    Spannung

    EE

    angenommenes ideal-elastisches

    Verhalten des Ersatzwerkstoffs

    σ1

    ε (σ1, t2)

    Dehnung ε

  • 424 5.4 Werkstoffgerechtes Konstruieren

    werden. In solchen Fällen ist es erforderlich, durch komplexere Modellvor-stellungen und Stoffgesetze den Einfluss der Beanspruchungsgeschichte bei derLösung der mechanischen Aufgabenstellung zu berücksichtigen. Auch dann erstist es möglich, die bei zyklischer Beanspruchung in Wärme umgesetzte (dissi-pierte) Energie zu bestimmen.

    Während isochrone Spannungs-Dehnungs-Diagramme zunehmend in der Werk-stoffdatenbank dokumentiert sind, finden sich praktisch keine Informationen zuBeanspruchungsgrenzwerten. Daher ist der Konstrukteur bei der Bestimmung zu-lässiger Grenzwerte auf abschätzende Verfahren angewiesen, wenn er eine auf-wendige Werkstoffprüfung vermeiden will. Eine übliche und vom Institut fürBautechnik anerkannte Vorgehensweise ist die Verwendung von Abminderungs-faktoren zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Einflüsse auf die Bauteil-festigkeit, in Bild 5.12 dargestellt. Durch die Multiplikation der Abminderungs-faktoren sollen möglicherweise wirksame Synergien verschiedener Einflüsse aufdie Festigkeit berücksichtigt werden. Nachteilig bei dieser Vorgehensweise ist,dass letztendlich nur sehr kleine zulässige Festigkeiten ermittelt werden und des-halb zumeist das Potenzial des Werkstoffs nur unzureichend ausgenutzt wird.

    Bild 5.12 Ermittlung der zulässigen Spannung

    Eine in der Praxis sehr gerne genutzte, wenn auch durch wissenschaftliche Unter-suchungen nur empirisch belegte Grenze zur Dimensionierung stellt die kritischeDehnung dar, s. Tafel 5.2. Sie wurde von Menges aus der These entwickelt,dass bei Kunststoffen erste irreversible Schädigungen erst dann beobachtet wer-den können, wenn Kunststoffe oberhalb der kritischen Dehnung beansprucht wer-den.

    Zulässige Spannung

    n21

    Zug

    ZulA...AAS ⋅⋅⋅

    σ=σ

    Werkstoffkennwert

    z.B. ZugσSicherheitsbeiwert

    S

    Abminderungsfaktor

    A

    aus Datenbanken,

    aus Versuchen,

    je nach Spezifikationen,

    Länderrecht,

    Art der Gefahr,

    Adyn= dyn. Belastung (1,3 - 1,7)

    AA = Alterung

    AW = Wassereinfluss

    AK = Kerbeinfluss

    ABN = Bindenahteinfluss

    AF = Fertigungseinfluss (1,05 - 1,25)

    AST. = Zeitstandbelastung

    AT = Temperatureinfluss

    .

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  • 5.4.3 Konventionelle Dimensionierungsrechnung 425

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    Tafel 5.2 Kritische Dehnung von Thermoplasten

    Bei der Verwendung der kritischen Dehnung als Dimensionierungsgrenze mussbeachtet werden, dass bei mit harten Füllstoffen gefüllten Kunststoffen die lokaleDehnung der Matrix stets größer ist, als die mittlere makroskopische Dehnung.Deshalb muss die kritische Dehnung hier in Abhängigkeit vom Füllstoffanteil ab-gemindert werden. So kann man für mit Kurzglasfasern gefüllte Kunststoffe etwamit folgender Näherungsformel rechnen:

    mit =̂ Gewichtsanteil Glas.

    Die Dimensionierung mit der kritischen Dehnung ist eine bewusst einfach und an-schaulich gestaltete Regel. Sie leitet den Konstrukteur zum dehnungsbezogenenDenken an. Sie erlaubt auch bei großen Unsicherheiten im Anforderungsprofileine erste Auslegung eines Bauteils. Eine Vorhersage von Versagenszuständenkann aus der kritischen Dehnung nicht abgeleitet werden.Beide oben diskutierten Beanspruchungsgrenzen beziehen sich auf den einachsigenBeanspruchungszustand. Liegen im Bauteil mehrachsige Spannungszustände vor,so ist in das Normalspannungssystem zu transformieren (schubfreier Zustand) undüber eine Versagensthese mit der zulässigen einachsigen Spannung zu vergleichen(bei der Vorgehensweise nach der kritischen Dehnung erhält man durch Multipli-kation mit dem zugehörigen Ersatz-E-Modul die entsprechende zulässige einach-sige Spannung). Gebräuchliche Versagenskriterien zur Abschätzung mehrachsigerSpannungszustände sind das Mises-Kriterium oder das Kegelkriterium.

    5.4.3 Konventionelle Dimensionierungsrechnung

    Ein Entwurf kann überschlägig berechnet werden, wenn dieser in geometrischeinfache Strukturen (Stäbe, Balken, Platten, Schalen …) zerlegt werden kann, dieBelastungsfälle einzeln berechnet und dann superpositioniert werden können.Überschlägige Berechnungen sind hilfreich, um die Größenordnungen bei Span-nungen und Verformungen abzuschätzen. Die Vorgehensweise ist nur zulässig,wenn die Verformungen genügend klein bleiben, da sonst die Änderung der Geo-metrie und der Krafteinleitungspunkte nicht angemessen berücksichtigt wird. Eswird vorausgesetzt, dass die Gleichungen der allgemeinen Elastizitätstheorie an-wendbar sind. Es werden die hieraus abgeleiteten Lösungen für die jeweiligenGeometrien verwendet (z. B. Biegung von Platten, Knicken von Stäben, Kessel-formel für dünnwandige Behälter usw.). Mit der Entwicklung der Methode derFiniten Elemente verliert die konventionelle Dimensionierung zunehmend anBedeutung. Dennoch ist sie ein sehr brauchbares Werkzeug, um in ersten Ent-

    Kunststoff Kritische Dehnung von ThermoplastenAmorphe, ungefüllte Thermoplaste 0,8%Ausnahme Polystyrol 0,2%Teilkristalline Thermoplaste (oberhalb TG, sonst siehe amorphe Thermoplaste)

    2,0%

    Schlagzäh modifizierte Blends 0,8%

    5,11kritGF,krit

  • 426 5.4 Werkstoffgerechtes Konstruieren

    wurfsstadien die Machbarkeit einer Konstruktion und die Größenordnung der Be-anspruchungen abzuschätzen.

    5.4.4 Empirisch gestützte Dimensionierungsrechnung

    Insbesondere bei Funktionselementen (siehe Abschnitt 5.5) wird oft die empirischgestützte Dimensionierungsrechnung angewendet. Grundidee hierbei ist, dass imRahmen von Musterbauteilen bestimmte Funktionsprinzipien erprobt werden unddann in Näherungsgleichungen das mechanische Wirkprinzip niedergelegt ist. Sowird etwa durch Gestaltungsregeln der Tubus einer Schraubverbindung so ausge-legt, dass ein Versagen durch Aufplatzen des Tubus vermieden wird. Dann kanndie Bruchkraft der Schraubverbindung je nach Einschraubtiefe aus der Festigkeitder Schraube, der Festigkeit des Tubusquerschnitts oder der Schubfestigkeit desabgescherten Bereichs des in den Tubus eingeschraubten Gewindes bestimmtwerden. Charakteristisch für die empirisch gestützte Dimensionierungsrechnungist also, dass zunächst bestimmte Gestaltungsregeln beachtet werden und dassErfahrungswissen zu Auslegungsregeln verarbeitet wurde.

    Für Bauteile aus Kunststoffen, die der bauaufsichtlichen Zulassung durch dasdeutsche Institut für Bautechnik unterliegen, finden sich häufig solche empiri-schen Dimensionierungen (z. B. für Kunststoffrohre unter Erddruck)

    5.4.5 Anwendung der Methode der Finiten Elemente zur mechanischen Analyse

    Mit der Methode der Finiten Elemente (FEM) hat der Konstrukteur ein leistungs-fähiges Werkzeug, um die mechanischen Eigenschaften eines Bauteils auch beisehr komplexen Geometrien und Beanspruchungsfällen sicher vorherzusagen.Grundsätzlich unterscheidet sich die Anwendung der FEM bei Kunststoffen nichtvon der anderer Werkstoffe. Allerdings führen die Besonderheiten des Werkstoff-verhaltens und die oft komplexe Bauteilgeometrie zu typischen Bearbeitungs-ansätzen. Allgemein gilt für die Methode der finiten Elemente:

    Komplexe Geometrien werden durch Finite Elemente dargestellt.

    Lastangriff kann ohne geometrische Einschränkungen erfolgen (Punkt, Linie,Volumen, Fläche …).

    Lastangriff kann zeitlich verändert werden.Es können Kontaktprobleme etwa das Aufsetzen auf einem anderen Körper dar-gestellt werden.

    Nichtlinearitäten können beachtet werden (siehe Bild 5.13).

    Die Wahl der Elemente zur Abbildung der Geometrie ist mitbestimmend für dieGüte der Berechnung. In Tafel 5.3 bis Tafel 5.5 werden verschiedene Elementemit ihren Modelleigenschaften und Anwendungen erläutert. Hieran wird beson-ders gut deutlich, dass die Berechnungsergebnisse keine Aussagen zu Verhaltens-weisen treffen können, die im Modell nicht abgebildet sind. So sind Membranele-mente beispielsweise nicht geeignet, ein Biegemoment in einer schalenförmigenGeometrie zu berechnen.

  • 5.4.5 Anwendung der Methode der Finiten Elemente zur mechanischen Analyse 427

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    Bild 5.13 Nichtlinearitäten bei der Anwendung der Methode der Finiten Elemente

    Ebenfalls wesentlich bei der Modellerstellung ist es, eine geeignete Netzgeome-trie und Feinheit zu erreichen. So führen stark verzerrte Elemente oder zu grobeElemente zu fehlerhaften Berechnungsergebnissen. In Bild 5.14 wird am Beispieleiner Schnappverbindung gezeigt, wie durch lokale Verfeinerung des Netzes einKompromiss zwischen notwendiger Genauigkeit und erforderlicher Rechenzeiterreicht werden kann.

    Je mehr Elemente, desto genauer die Berechnung.Rechenzeit steigt im Allgemeinen mit der Knotenzahl.Kompromiss zwischen Genauigkeit und Zeitaufwand/Kosten.Höhere Feinheit des Netzes in Bereichen kritischer Stellen mit hohem Spannungs-oder Dehungsgradienten (Kerbe, Wanddickensprung, Durchbruch, punktförmigerKraftangriff…).

    Bild 5.14 Feinheit der Strukturelemente

    Nichtlineares Werkstoffverhalten(mit steigender Dehnung nimmt derErsatz-E-Modul (E

    E) zu)

    Geometrische Nichtlinearität(Querschnittsfläche, Hebelarme etc. ändern sich mit der Verformung)

    Nichtlinearität aufgrund sich ändernder Randbedingungen(Einschnappen, Kontakt, Abheben)

    nicht linear

    linear

    F

  • 428 5.4 Werkstoffgerechtes Konstruieren

    Bei der Anwendung einer Finite-Elemente-Analyse ergibt sich folgender typi-scher Arbeitsablauf:

    Geometrieerstellung,Preprocessing (Modellaufbereitung: Randbedingungen, Lasten, Wahl des Mate-rialmodells), FE-Berechnung (Lösung des Gleichungssystems),Postprocessing (Ergebnisdarstellung),Interpretation mit Hilfe von Dimensionierungskennwerten.

    Mit der Finite-Elemente-Analyse verfolgt der Konstrukteur verschiedene Zielset-zungen:

    Gestaltoptimierung,Nachweis der Herstellbarkeit und Einfluss der Fertigung auf die Bauteileigen-schaften,Lebensdauer-FEM.

    Um dies zu verdeutlichen, soll beispielhaft die Entwicklung eines Pumpengehäu-ses aus PA 66-GF30 dargestellt werden (siehe auch Bild 5.15). Ausgehend vomvorhandenen CAD-Modell einer konventionellen Konstruktion für Metall wirdunter Beibehaltung der maßgeblichen Funktionsmaße (Flansche, hydraulischeQuerschnitte) im Preprozessor des FE-Programms die Netzgeometrie sukzessiveso geändert, dass möglichst keine Spannungsspitzen mehr auftreten und die zuläs-sigen Bauteilverformungen nicht mehr überschritten werden (Gestaltoptimierungmit FEM). Man verwendet die FEM also, um zunächst das mechanische Konzepteines Bauteils zu entwickeln. In diesem Stadium ändert man mehrfach die Geo-metrie des Bauteils, um zu einer optimalen Gestaltung zu kommen. Hier genügtzur Verringerung des Aufwands, mit vereinfachten Geometrien (oder Teilgeome-trien bei Symmetrie) und vereinfachten Materialgesetzen zu rechnen.

    Bild 5.15 FEM in der Formteilkonstruktion

    2. Simulation der Herstellung(Prozesssimulation)

    3. Übernahme der Fertigungs- und Betriebseinflüsse in dieStoffgesetze

    4. Prognose des Betriebsverhaltens (Lebensdauer-FEM)

    1. Gestaltoptimierung mit FEM

  • 5.4.6 Bauteilversuche an Prototypen oder Modellen 429

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    Wenn die optimale Bauteilgeometrie gefunden ist, muss die Machbarkeit durchProzesssimulation geprüft werden, s. Abschnitt 5.3.4. Auch hier kann es zu einerÄnderung der Bauteilgeometrie kommen, was zu einer erneuten Änderung derGeometrie des FE-Netzes führt.

    Abgeschlossen werden die Dimensionierungsrechnungen durch eine Lebens-dauer-FEM: Für festgelegte Parameter Geometrie, Werkstoff, Herstellbedingun-gen und Lastfall möchte man das Verhalten des Bauteils vorhersagen. Hier ist esin aller Regel erforderlich, durch Kopplung von Prozesssimulation und Bauteil-simulation mit der Methode der Finiten Elemente (integrative Simulation) dieEinflüsse der Herstellung auf die lokalen Werkstoffeigenschaften im Bauteil zuberücksichtigen und so zu einer genauen Beschreibung des Bauteilverhaltens zukommen. Die Einflüsse der Beanspruchung und der Herstellbedingungen auf dasWerkstoffverhalten werden dadurch berücksichtigt, dass lokal jedem Element an-gepasste Werkstoffeigenschaften zugeschrieben werden. So wird etwa die Orien-tierung der Kurzglasfaser durch die Fließvorgänge beim Spritzgießen in der Pro-zesssimulation berechnet, s. Bild 5.16, und in der anschließenden FE-Rechnungberücksichtigt, s. Bild 5.17. Erst nach Abschluss dieser Berechnungen wird dann das CAD-Modell des Bau-teils zumeist als 3D-Volumenmodell endgültig festgelegt.

    Bild 5.16 Faserausrichtung in der Schmelzeströmung (vereinfachte Darstellung)

    5.4.6 Bauteilversuche an Prototypen oder Modellen

    Bei Bauteilen mit hohen Anforderungen an die Sicherheit gegen Versagen müs-sen zur Absicherung der Dimensionierung, die ja stets auf „Hypothesen“ beruht,Bauteilversuche durchgeführt werden. Bei der endgültigen Freigabe eines Serien-bauteils sollen diese Bauteilversuche an Mustern erfolgen, die in gleicher Weisewie die Serienbauteile gefertigt worden sind. Dies verbietet sich jedoch in denfrühen Phasen der Bauteilentwicklung, da hier typischer Weise die Formwerk-zeuge für die Serienfertigung nicht zur Verfügung stehen.

    VV Randzone:

    regellose Verteilung

    Scherzone:

    parallel zur Fließrichtung

    Mittelschichtzone:

    senkrecht zur Fließrichtung

    VV

    Ergebnis:

    schichtartiger Aufbau eines

    Spritzgießbauteils

  • 430 5.4 Werkstoffgerechtes Konstruieren

    Tafel 5.3 Eindimensionale Finite Elemente und ihre Eigenschaften

    Tafel 5.4 Zweidimensionale Finite Elemente und ihre Eigenschaften

    Tafel 5.5 Dreidimensionale Finite Elemente und ihre Eigenschaften

    Art Anwendung Charakteristika Bemerkungen

    Stabelement

    Fachwerke • ausschließlich Kraft in Längsrichtung (keine Torsion, Biegung)

    keine Schubspannungen möglich

    Flächen bleiben konstant, hohe Verformungen führen dann zu niedrigen Spannungsannahmen

    in Schichten können unterschied-liche Spannungszustände im Abstand zur neutralen Faser erfasst werden

    Stabwerke • keine Querschnitts-änderung bei Verformung

    Balkenelement • auch Biegebelastungen und -momente

    • mit Querschnittsänderung

    auch Schubspannungen dadurch möglich(lineare Probleme: 3-Schichten, nicht lin. Probleme: 5-Schichten), Schichten auch für Sandwich-Aufbau, Auswertung der einzelnen Schichten

    Art Anwendung Charakteristika Bemerkungen

    Schalenelement schalenartige Bauteile, (Kunststoffbauteile)

    besonders für Biege-belastung (weniger für Torsionsbelastung)

    Spannung in Dickenrichtung = 0

    Zug/Druck, Biegung

    keine Momente um Dickenachse (!)

    auch schichtenweise mög-lich(Faserverbundbauteile mit Faserorientierung)

    Membranelement Membranen:Sehr dünne und großflächige Bauteile ohne Biegesteifigkeit (Bänder, Riemen, Membranen, Ballons)

    Membranen:gar keine Momente möglich

    Art Anwendung Charakteristika Bemerkungen

    Volumenelement

    (Tetraeder, Hexaeder)

    dickwandige Bauteile

    wenn Spannungsver-teilung in Dickenrichtung relevant ist

    wenn bei der Beanspru-chung Schubspannungen dominant sind

    jeder Belastungsfall

    hoher Aufwand bei Ver-netzung und Berech-nungaber:bei Tetraedern auto-matisches vernetzen aus 3D-CAD-Geometriemöglich!

    Verschiebungen innerhalb des Elements werden aus den Knoten-Verschiebungen mit Hilfe der Formfunktionen interpoliert

    auch hier Schichtaufbau möglich

  • 5.5 Funktionselemente 431

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    Bild 5.17 Integrative FEM durch Kopplung von Prozess- und Struktursimulation

    Um dennoch zu einer Überprüfung der Dimensionierung zu gelangen, empfiehltsich die Nutzung des Rapid-Prototypings (siehe Abschnitt 4.2.11). Dabei kanndas entsprechend der in Abschnitt 5.4.5 beschriebenen Vorgehensweise erzeugte3D-Volumenmodell unmittelbar zur Generierung des Prototypen genutzt werden.Vorteil hierbei ist neben großer Zeit- und Kosteneinsparung, dass eventuelle Feh-ler bei der Geometrieerzeugung im CAD-System am Modell unmittelbar erkanntwerden.

    Bei großen Bauteilen müssen maßstäblich verkleinerte Prototypen hergestelltwerden, die unter einer entsprechend angepassten Belastung geprüft werden. DieVerwendung unterschiedlicher Werkstoffe für Serienbauteil und Prototyp kanndurch entsprechende Korrekturfaktoren oder durch eine geeignet geänderte Ver-suchstemperatur berücksichtigt werden.Der besondere Nutzen des Bauteilversuchs liegt in der ergänzenden Informationin Verbindung mit den FE-Rechnungen. Durch die Kopplung von Versuch undRechnung erhält der Berechnungsingenieur eine zusätzliche Erfahrungsebene, diees ihm erlaubt, verbesserte Entwürfe und Berechnungsweisen zu entwickeln.

    5.5 Funktionselemente

    Im Sinne der Nutzung bewährter Konstruktionen ist es sinnvoll, Neukonstruk-tionen so weit wie möglich zu vermeiden und statt dessen durch Abwandlung vor-handener Konstruktionsweisen zu neuen Lösungen zu kommen. Bricht man dieseBetrachtungsweise auf die einzelnen Elemente einer Konstruktion herunter, sofinden sich zahlreiche Beispiele solcher wiederkehrender „Funktionselemente“,s. Bild 5.18. Nachfolgend werden einige solcher Funktionselemente beschrieben.

    Faserorientierungs-berechnung

    ProzesssimulationAnisotrope

    Struktursimulation