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Fachhochschule Dortmund Fachbereich Maschinenbau Schadensanalyse an einem Fahrradrahmen mithilfe der Finite-Element-Methode unter Einbeziehung von werkstofftechnischen und bruchmechanischen Kriterien

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Fachhochschule Dortmund

Fachbereich Maschinenbau

Schadensanalyse an einem Fahrradrahmen

mithilfe der Finite-Element-Methode unter

Einbeziehung von werkstofftechnischen und

bruchmechanischen Kriterien

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Einleitung - Hintergrund Seite 2

1 Einleitung

1.1 Hintergrund

Im modernen Fahrradbau wird immer mehr Technik zur Erhöhung des Komforts

eingesetzt, indem man leistungsfähigere Gangschaltungen und Federungen verwendet und

auf Leichtbau setzt. Allerdings unterliegt ein muskelgetriebenes Zweirad keinerlei

Zulassungsbeschränkungen wie einer Prüfung beim TÜV. So obliegt es dem Hersteller

seine Produkte zu prüfen. In der DIN 14764 sind Prüfungen vorgeschlagen, um ein

sicheres Fahrverhalten sowie die Festigkeit des Rahmens in verschiedenen

Belastungssituationen zu gewährleisten.

1.2 Stand der Technik

Im Fahrradmassenmarkt wird heute zunehmend auf Leichtbau mit Aluminium gesetzt.

Hierbei ergeben sich aber Probleme mit werkstoffspezifischen Besonderheiten. Aluminium

bietet zwar eine hohe Zugfestigkeit aber nur eine geringere Wechselfestigkeit und keine

Dauerfestigkeit. Dies muss bei der Konstruktion berücksichtigt werden. Zudem muss die

im Fahrradbau häufig verwendete Aluminiumlegierung 7005 nach dem Schweißen noch

eine Weile ausgelagert werden, um die ursprüngliche Festigkeit wieder zu erlangen. Die

Dauer der Auslagerung hängt hierbei von der Temperatur ab, wobei sich eine zu lange

Warmauslagerung negativ auf die Festigkeit auswirkt.

1.3 Projektziel

Dieses Projekt befasst sich mit der Schadensanalyse an einem Fahrradrahmen. Dabei

werden Schadensereignisse an einem Fahrradrahmen eines vollgefederten Damen-

Cityrades mit Aluminiumrahmen untersucht, um die Ursachen des Versagens

herauszufinden.

Dabei soll mithilfe einer FE-Simulation die Konstruktion geprüft werden. Zudem soll

anhand von Werkstoffprüfungen die Werkstoff- und Verarbeitungsqualität begutachtet

werden. Mit diesen Ergebnissen soll eine bruchmechanische Betrachtung durchgeführt

werden.

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Einleitung - Fachbegriffe Seite 3

1.4 Fachbegriffe

Diese Arbeit enthält einige Fachbegriffe, besonders aus dem Fahrradbau, die an dieser

Stelle in der Abbildung 1.1 erklärt sind. Die Abbildung zeigt einen Fahrradrahmen, wie er

zur Untersuchung zur Verfügung stand.

Abbildung 1.1: Fachbegriffe am Fahrradrahmen

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Schadensanalyse - Darstellung des Schadensfalles Seite 4

2 Schadensanalyse

2.1 Darstellung des Schadensfalles

Bei dem zu untersuchenden Rahmen handelt es sich um einen Rahmen eines

Damencityrades. Dessen Rahmen stand für die Untersuchung zur Verfügung. Die

Abbildung 2.1 zeigt das Nachfolgemodell mit baugleichen Rahmen aber mit

Veränderungen an der Schwinge und der Gepäckträgeraufhängung. Hiervon konnten zwei

Exemplare mit unterschiedlichen Schadensmustern untersucht werden. Alle Fahrräder sind

am Vorderrad mittels einer handelsüblichen Federgabel gefedert. Da es sich um ein

Zukaufteil handelt, das in großer Stückzahl produziert wird, treten hier erwartungsgemäß

keine Probleme auf. Die Hinterradfederung wird von jedem Hersteller jedoch individuell

entwickelt und erfordert eine Abkehr von bewährten Rahmengeometrien. An den

vorliegenden Rahmen (Abbildung 2.2) treten an zwei Stellen Schäden auf, zum einen an

der Schwinge (Abbildung 2.3), zum anderen im festen Rahmenteil am Sitzrohranschluss

wie auch in Abbildung 2.5 und

Abbildung 2.4. An allen Stellen

traten Risse auf, die teilweise zum

Versagen der Konstruktion führten.

In allen Fällen lagen die Risse in

oder unmittelbar neben der

Schweißnaht.

Abbildung 2.1: Damen Cityrad Comfort Freewing, neueres Modell

Abbildung 2.2: Der zur Verfügung gestellt Rahmen

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Schadensanalyse - Darstellung des Schadensfalles Seite 5

Abbildung 2.3: Bruchstelle an der Schwinge (Rahmen aus Abbildung 2.2)

Abbildung 2.4: Bruchstelle am Sitzrohranschluss (Rad aus Abbildung 2.1)

Abbildung 2.5: Riss im Sitzrohr (Rad aus Abbildung 2.1)

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Schadensanalyse - Untersuchungsmethoden Seite 6

2.2 Untersuchungsmethoden

FEM

Die vorliegenden Rahmen sollen zunächst numerisch mit einem geeigneten

Softwareprogramm (FEM) untersucht werden. Hierbei kann überprüft werden, ob in der

vorliegenden Geometrie durch Belastungen hohe Spannungen an bestimmten Stellen

auftreten. Dadurch lassen sich konstruktive Fehler aufdecken.

Werkstofftechnik

Zusätzlich werden werkstofftechnische Untersuchungen durchgeführt. Hierbei wird

zunächst eine Bestimmung des verwendeten Werkstoffs vorgenommen. Aus dem Rahmen

werden Proben herausgetrennt um aus diesen Schliffbilder zu gewinnen. Hieraus sind

Gefügeverteilung und evtl. vorhandene Risse zu erkennen. So lassen sich Fehler bei der

Herstellung und Wärmebehandlung aufzeigen.

Bruchmechanik

Mit den Ergebnissen aus der FEM Analyse und der werkstofftechnischen Betrachtung wird

eine bruchmechanische Berechnung mit den ermittelten Spannungen und

Werkstoffkennwerten durchgeführt. Diese ermöglicht Aussagen darüber, ob nach einer

bestimmten Belastungsdauer ein Bruch zu erwarten ist.

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Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 7

3 Ergebnisse

Nachfolgend werden die Ergebnisse aus den einzelnen Teiluntersuchungen dargestellt.

3.1 FEM Untersuchung

Nach der Kontrolle der Lagerbedingungen kann die FE-Berechnung ausgewertet werden.

Dazu betrachtet man die Spannungsverteilung im gesamten Rahmen, den Wertebereich

den relevanten Ergebnissen an und gewinnt mithilfe einer Komplettübersicht einen ersten

Eindruck.

Abbildung 3.1: Spannungsverteilung im Rahmen

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Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 8

Abbildung 3.2: Übersicht der Spannungen im belasteten Rahmen

Wie in Abbildung 3.2 zu sehen konzentrieren sich die höheren Spannungen im Bereich der

Schwinge und des Rahmenteils um das Schwingenlager und das Sitzrohr. Die Höhe der

Spannung kann aus der am rechten Bildrand dargestellten Farbskala abgelesen werden. Die

Skala reicht von Blau (= geringe/keine Spannungen) bis Rot (= höchste im eigentlichen

Rahmen auftretende Spannung). Zur besseren Beurteilung wurden die Ausschnitte mit den

höchsten Spannungen betrachtet.

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Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 9

In der Abbildung 3.3 ist die Spannungsverteilung im Sitzrohranschluss dargestellt. Dabei

ist zu erkennen, dass die höchsten Spannungen im Bereich der Schadensstelle auftreten.

Auf der Abbildung 3.4 erkennt man, dass auch in der zweiten Bruchstelle am

Tretlagergehäuse hohe Spannungen auftreten. Diese sind nicht so hoch wie an dem

Sitzrohranschluss, stellen aber trotzdem ein Spannungsmaximum dar.

Abbildung 3.3: Spannungsverteilung am Sitzrohranschluß

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Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 10

Abbildung 3.4: Spannungsverteilung am Tretlagergehäuse

Für die Beurteilung der Spannungen kann es wichtig sein zu wissen, ob es sich um Druck-

oder Zugspannungen handelt. Da bei der Von-Mises Vergleichsspannung Beträge

berechnet werden, lässt sich darüber keine Aussage machen. Um diese Unterschiede

darzustellen, muss auf eine andere Spannungsberechnung zurückgegriffen werden. Hierbei

ist dann nicht die explizite Größe der Spannung interessant, sondern deren qualitative

Verteilung. In Abbildung 3.5 und Abbildung 3.6 ist die Spannungsverteilung nach

Maximum Principle dargestellt. Zudem wurden für die Darstellung nur die positiven

Spannungen verwendet, alle Spannungen kleiner als Null sind wegen der Übersichtlichkeit

blau abgebildet. Aus dieser Abbildung kann man die Bereiche erkennen, in denen

Zugspannung herrscht. Dies ist in der Bruchstelle am Sitzrohranschluss sowie an der

Vorderseite des gebrochenen Rohres am Tretlagergehäuse der Fall.

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Abbildung 3.5: Spannungsverteilung nach Max. Principle

Abbildung 3.6: Spannungsverteilung nach Max. Principle

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Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 12

Um die Belastung des Rahmens beurteilen zu können, wurden neben dem oben

dargestellten Fall der Belastung im normalen Fahrbetrieb noch die Spannungen für weitere

Belastungsfälle berechnet. Die einzelnen Fälle sind:

1. Fall: Die Belastung im normalen Fahrbetrieb, wie oben beschrieben.

2. Fall: Belastung mit entlasteten Pedalen, wie sie beim Auf- und Absteigen

vorkommen können oder beim Durchfahren von Pfützen, wenn der Fahrer

die Beine anzieht

3. Fall: Testbelastung aus der DIN 14764. Die Sattelstütze wird mit 1000N belastet.

Dabei sind die Federelemente blockiert. Diese Belastung muss der Rahmen

50000mal ertragen können.

4. Fall Wiegetrittbelastung, d.h. die gesamte Gewichtskraft des Fahrers wirkt auf

die Pedalen und den Lenker

Die Kraftangriffspunkte sind in der

Abbildung 3.7 dargestellt. Die Kräfte B

bis D sind jeweils um 45° gegen die

Horizontale geneigt. Dabei stellen C und

D die Kraft auf den Lenker, B die

resultierende Kraft auf den Rahmen dar.

Zu Fall 2 und 3 ist anzumerken, dass die

Last auf die Pedale (E) nur zur

Bestimmung der Lage dient, da die

Kurbel sonst frei drehbar wäre und keine

verwertbaren Ergebnisse liefert. Beim 4.

Fall wurde auf die Verdrehung der

die üblichen 7,5°

verzichtet, da der Wiegetritt hier in einer

Pedalstellung 45° nach dem Totpunkt und nicht wie üblich 45° vor dem Totpunkt

Lastvektoren um

Abbildung 3.7: Auf den Rahmen eingebrachte Kräfte

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berechnet wird. In dieser Stellung tritt deshalb auch nicht die Schräglage des Fahrrades

auf, da zu diesem Zeitpunkt die Schräglage gewechselt wird.

Die Ergebnisse der einzelnen Berechnungen sind im folgenden dargestellt. Der Fall 1

wurde oben bereits ausführlich beschrieben. Beim zweiten Belastungsfall werden deutlich

höhere Spannungen als bei der Normalbelastung in Fall 1 in den beiden Versagensstellen

berechnet.

Abbildung 3.8: Spannungen durch Belastungsfall 2

Im dritten Belastungsfall nach DIN 14764 sind die Spannungen im Sitzrohranschluss

ebenso hoch wie in Belastungsfall 2. Dieser Fall wurde auch bruchmechanisch untersucht,

deshalb folgen weitere Details später. In Abbildung 3.9 ist der Spannungsverlauf für diesen

Belastungsfall zu sehen.

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Abbildung 3.9: Spannungen durch Belastungsfall 3

Der 4. Belastungsfall zeigt eine Spannungsverteilung durch den sogenannten Wiegetritt,

das heißt der Fahrer steht auf den Pedalen. Dieser Fall ist aber für diesen Rahmen

unkritisch.

Abbildung 3.10: Spannungen durch Belastungsfall 4

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Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 15

3.2 Werkstoffuntersuchung

Allgemeines

Schon bei der genaueren

Betrachtung des noch kompletten

Rahmens fiel auf, dass das Rohr

an der Schwinge auf der rechten

Seite (Abbildung 3.11) oberhalb

der Schweißnaht gebrochen ist.

Auf der linken Seite (Abbildung

3.12) hingegen verläuft der Riss

durch die Schweißnaht. Nach

dem Auftrennen der Schwinge

konnte die Bruchfläche in

Augenschein genommen werden.

In Abbildung 3.14 fällt auf, dass

die Schweißnaht nicht in allen

Bereichen vollständig mit dem

Rohr verbunden ist. In dem

unteren Bereich der Abbildung,

wo die Schweißnaht nicht bis zur

Verbindungsstelle der beiden

Teile reicht, verläuft der Riss

durch die Schweißnaht. Hier sind

am Rohr noch die durch das

Trennen entstandenen Grate

sowie die nicht vollständig

verbundene Schweißnaht zu

erkennen. In den anderen

Bereichen ist das Rohr über der

Schweißnaht gerissen.

Abbildung 3.11: Bruch an der Schwinge (rechte Seite)

Abbildung 3.12: Bruch an der Schwinge (linke Seite)

Abbildung 3.13: Bruchfläche am Tretlagergehäuse

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Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 16

Dies lässt sich auch in

der Abbildung 3.13

erkennen. Aus den

Bruchflächen in

Abbildung 3.13 und

Abbildung 3.14 erkennt

man, dass der Riss

seinen Ursprung in dem

Bereich hat, in dem die

Schweißnähte des

abgerissenen Rohres und

der Kettenstreben

kreuzen und die

fehlerhafte Schweißnaht

liegt. In Abbildung 3.14

ist das der Bereich unten

links.

Abbildung 3.14: Bruchfläche am herausgetrennten Rohr

Abbildung 3.15: Spannungsverteilung am Tretlagergehäuse

Abbildung 3.15 zeigt

die Spannungsverteilung

nach Fall 1 in diesem

Bereich (Pfeil zeigt die

Stelle des Bruch-

beginns).

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Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 17

Materialuntersuchung

In der DIN EN 573-3 sind nur Höchstgrenzen bzw. Bereiche für die einzelnen

Elementkonzentrationen angegeben. Da die Messwerte den in der Norm geforderten

Werten entsprechen, ist das angegebene Material AW EN-7005 (AlZn4.5Mg1,5Mn)

verwendet worden. Für die Auswertung können daher die Werkstoffkennwerte für dieses

Material verwendet werden.

Gefügeuntersuchung

Wie beschrieben, wurde das

Gefüge anhand von Schliffen

untersucht. Damit lassen sich

die Gefügestrukturen gut

erkennen. So kann, wie in

Abbildung 3.16 zu sehen,

zwischen Ausgangsmaterial

und Schweißnaht unterschieden

werden. Auch die

Wärmeeinflusszone ist gut

auszumachen. Bei der

Auswertung von Abbildung

3.17 fällt jedoch auf, dass am

Rohr keine Wärmeeinflusszone

zu erkennen ist. In Abbildung

3.18 ist der untere (in

Abbildung 3.17 linke) Rand der

Schweißnaht dargestellt. Es ist

deutlich die fehlende

Verbindung zwischen Rohr

(unten) und Schweißnaht

(oben) zu sehen. An dieser

Stelle sei noch einmal erwähnt,

dass die Probestücke aus

Abbildung 3.16: Schweißnaht am Tretlagergehäuse

Abbildung 3.17: Schweißnaht am Rohrstück

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Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 18

Abbildung 3.16 und Abbildung

3.17 in der Schwinge

ursprünglich aneinander

anschlossen. Somit handelt es

sich um beide Seiten der

Bruchstelle.

In weiteren Betrachtungen sind

kleine Risse im Rohr oberhalb

der Schweißnaht aufgefallen. Die

Abbildung 3.19 zeigt dies in einer

Detailansicht. Hierauf wird der

obere Rand der Schweißnaht im

Rohr gezeigt. Deutlich zu

erkennen ist der Riss im

Übergang zwischen Schweißnaht

und Rohroberfläche. In der

restlichen Bruchfläche ist dies der

Bereich, an dem das Rohr

gebrochen ist. Auch in den

anderen Schadens- und

Bruchstellen am eigentlichen

Rahmen sind die Risse direkt

neben der Schweißnaht

entstanden.

Abbildung 3.18: Detailvergrößerung des unteren Randes der Schweißnaht am Rohrstück

Abbildung 3.19: Detailvergrößerung des oberen Schweißnahtrandes mit Riss

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Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 19

Härteprüfung

Die Härteprüfung nach Brinell erlaubt im Vergleich mit den allgemeinen

Werkstoffkennwerten eine Einschätzung des Werkstoffzustandes, insbesondere der

Aushärtung. Durch Wärmebehandlung kann, die Festigkeit des Werkstoffes gesteigert

werden. Die Härte wurde sowohl am Schliff des Tretlagergehäuses als auch an dem

herausgetrennten Rohrstück geprüft. Bei der Härtebestimmung nach Brinell wird der

Durchmesser des durch eine Hartmetallkugel erzeugten Abdruckes gemessen und daraus

die Härte berechnet.

Für das Tretlagergehäuse (Abbildung 3.20) ergab sich eine durchschnittliche Härte von HB

112/2,5/62,5, wobei die erste Zahl die Härte angibt, die zweite den Kugeldurchmesser und

die dritte die Prüfkraft. Bei dem Rohrstück war die Härtebestimmung schwieriger, da ein

ebener Probenkörper vorhanden sein muss. Deshalb bot sich nur das bei der

Materialanalyse hergestellte

ebengeschlagene Rohrviertel

an. Da hier aber eine

Kaltverformung stattgefunden

hat, können die Werte nur

einen ungefähren Eindruck

der Materialhärte vermitteln.

Auf der Rohraußenseite

wurde unter gleichen

Prüfbedingungen eine

durchschnittliche Härte von

HB 66 gemessen. Auf der der

Rohrinnenseite wurde eine

durchschnittliche Härte von HB 111 gemessen, was eher dem tatsächlichen Wert

entspricht. In der Literatur findet man für den verwandten Werkstoff DIN EN AW 7020

mit fast identischen Kennwerten eine Härte von HB 105 für Strangpressprofile. Dies zeigt,

dass beide Bauteile keinen Festigkeitsverlust erlitten haben.

Abbildung 3.20: Härteprüfeindrücke am Tretlagergehäuse

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Ergebnisse - Bruchmechanische Betrachtung Seite 20

3.3 Bruchmechanische Betrachtung

Wie bereits oben erwähnt, muss in die Software zur Bruchmechanikberechnung eine

Spannungsverteilung zur Berechnung der kritischen Risslänge und Lebensdauer

eingegeben werden. Um eine definierte Lebensdauererwartung (50000 Schwingspiele) zu

überprüfen, wurden die Ergebnisse des Lastfalles 3 nach DIN 14764 benutzt. Daraus

berechnet sich die in der Abbildung 3.21 gezeigte Spannungsverteilung. Am unteren

Bildrand ist das Tretlagergehäuse zu sehen, darüber schließt sich eine Wand des

angeschweißten Rohres an. Aus dem Farbverlauf kann man mithilfe der auf der rechten

Bildseite dargestellten Farbskala den Spannungsverlauf ermitteln. Für den hier

dargestellten Fall sieht die Verteilung wie folgt aus:

Abbildung 3.21: Schnitt mit Spannungsverteilung durch das Tretlagergehäuse mit Rohr

Spannung außen: 185 N/mm²

Spannung Mitte: 90 N/mm²

Spannung innen: 25 N/mm²

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Ergebnisse - Bruchmechanische Betrachtung Seite 21

Mit diesen und den oben beschriebenen

Kennwerten wurde zunächst die

kritische Risslänge berechnet

(Abbildung 3.22). Für das Rohr am

Tretlagergehäuse ergibt sich dabei eine

kritische Risslänge von 1,2mm. (siehe

auch Anhang) Ab dieser Rissgröße

erleidet das Bauteil einen plastischen

Kollaps.

Des weiteren wurde die Lebensdauer

unter der gegebenen Belastung

berechnet. Dabei wurde eine

Parameterstudie mit unterschiedlichen

Anfangsrisslängen durchgeführt. Das

Ergebnis ist in Abbildung 3.23 zu

sehen. Das Diagramm zeigt die Anzahl

der Lastzyklen die erforderlich ist, um

den Riss von einer Anfangsrissgröße a

bis zur kritischen Risslänge von 1,2mm

wachsen zu lassen. Es zeigt, dass bei

einer Anfangsrissgröße von 0,01mm

mit einer Lebensdauer von 22500

Lastzyklen zu rechen ist. Bei kleineren

Rissen ist kein Versagen zu erwarten,

da der K-Wert kleiner als der thK

Abbildung 3.22: Rissgrößen von 0,05-1,5mm im dimensionslosen Spannungs-Dehnungsdiagramm

-

Wert des Werkstoffes ist. Im Anhang

sind die kompletten

Berechnungsprotokolle mit genauen Ergebnissen enthalten.

Abbildung 3.23: Lebensdauererwartung bei Anfangsrissgröße

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Ergebnisse - Bruchmechanische Betrachtung Seite 22

Fazit

Zu bemerken ist, dass es sich bei diesem Fahrradtyp um ein konstruktiv schwieriges

Problem handelt. Vom Kunden werden ein niedriges Gewicht, ein möglichst tiefer

Durchstieg zwischen Sattel und Lenker, eine komfortable Federung und nicht zuletzt ein

niedriger Preis gewünscht. Um ein niedrigeres Gewicht und einen niedrigen Preis zu

erreichen, wird auf Aluminium als Rahmenmaterial gesetzt, das aber die oben erwähnten

Probleme mit sich bringt (keine Dauerfestigkeit, Wärmebehandlung usw.). Ein möglichst

tiefer Durchstieg und ein vollgefederter Rahmen erzwingen konstruktive Kompromisse

zwischen dem optimalen Diamantrahmen und den Kundenwünschen. Wichtig ist auch eine

Abwägung der ertragbaren Spannungen. Hier sind empirische Werte aus der

herstellereigenen Erfahrung anzuwenden oder auf die Empfehlungen in der Literatur

zurückzugreifen. Abbildung 3.24 zeigt nach oben erwähnten Literaturkennwerten die

kritischen Spannungen über 40N/mm² im normalen Fahrbetrieb.

Abbildung 3.24: kritische Stellen (rot) mit Spannungen oberhalb von 40N/mm²

Zudem lässt ein günstiger Preis nur manuelle Rahmenmassenfertigung in

Niedriglohnländern zu, die, durch Handschweißung im Gegensatz zur automatisierten

Fertigung, keine reproduzierbare Qualität liefert. Außerdem fand nach dem Schweißen

offenbar keine Rissprüfung statt.

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Ergebnisse Seite 23

Die Ergebnisse zeigen, dass das gehäufte Auftreten von Schadensfällen an diesem Fahrrad

nicht zufällig ist. Aus den Berechnungen geht hervor, dass auch bei normalen Einsatz,

ohne ausgeprägte Schlechtweg- und Geländestrecken mit einen Versagen der Konstruktion

zu rechnen ist. Dies hätte auch der Test nach der aktuellen DIN 14764 ergeben müssen.

Diese war zwar zum Zeitpunkt der Entwicklung des Fahrrades noch nicht erschienen, aber

in der Fachpresse und Literatur wurde immer wieder über die Anwendbarkeit der

Aussagen aus den Tests nach der alten DIN 79100 diskutiert, was einige Hersteller und

Prüfinstitute veranlasste, eigene Dauerfestigkeitsversuche zu entwickeln, um die

Haltbarkeit ihrer Produkte bzw. die Verlässlichkeit der Testergebnisse zu gewährleisten. In

Deutschland ist eine Prüfung von muskelgetriebenen Zweirädern nicht vorgeschrieben, so

dass es an den Herstellern liegt, ihre Produkte auf Zuverlässigkeit zu prüfen.