Produktform der Inversen 1 Produktform der Inversen Eine numerisch stabilere Form der Basisinversen.
Schadensanalyse an einem Fahrradrahmen mithilfe der Finite ...€¦ · FEM Die vorliegenden Rahmen...
Transcript of Schadensanalyse an einem Fahrradrahmen mithilfe der Finite ...€¦ · FEM Die vorliegenden Rahmen...
Fachhochschule Dortmund
Fachbereich Maschinenbau
Schadensanalyse an einem Fahrradrahmen
mithilfe der Finite-Element-Methode unter
Einbeziehung von werkstofftechnischen und
bruchmechanischen Kriterien
Einleitung - Hintergrund Seite 2
1 Einleitung
1.1 Hintergrund
Im modernen Fahrradbau wird immer mehr Technik zur Erhöhung des Komforts
eingesetzt, indem man leistungsfähigere Gangschaltungen und Federungen verwendet und
auf Leichtbau setzt. Allerdings unterliegt ein muskelgetriebenes Zweirad keinerlei
Zulassungsbeschränkungen wie einer Prüfung beim TÜV. So obliegt es dem Hersteller
seine Produkte zu prüfen. In der DIN 14764 sind Prüfungen vorgeschlagen, um ein
sicheres Fahrverhalten sowie die Festigkeit des Rahmens in verschiedenen
Belastungssituationen zu gewährleisten.
1.2 Stand der Technik
Im Fahrradmassenmarkt wird heute zunehmend auf Leichtbau mit Aluminium gesetzt.
Hierbei ergeben sich aber Probleme mit werkstoffspezifischen Besonderheiten. Aluminium
bietet zwar eine hohe Zugfestigkeit aber nur eine geringere Wechselfestigkeit und keine
Dauerfestigkeit. Dies muss bei der Konstruktion berücksichtigt werden. Zudem muss die
im Fahrradbau häufig verwendete Aluminiumlegierung 7005 nach dem Schweißen noch
eine Weile ausgelagert werden, um die ursprüngliche Festigkeit wieder zu erlangen. Die
Dauer der Auslagerung hängt hierbei von der Temperatur ab, wobei sich eine zu lange
Warmauslagerung negativ auf die Festigkeit auswirkt.
1.3 Projektziel
Dieses Projekt befasst sich mit der Schadensanalyse an einem Fahrradrahmen. Dabei
werden Schadensereignisse an einem Fahrradrahmen eines vollgefederten Damen-
Cityrades mit Aluminiumrahmen untersucht, um die Ursachen des Versagens
herauszufinden.
Dabei soll mithilfe einer FE-Simulation die Konstruktion geprüft werden. Zudem soll
anhand von Werkstoffprüfungen die Werkstoff- und Verarbeitungsqualität begutachtet
werden. Mit diesen Ergebnissen soll eine bruchmechanische Betrachtung durchgeführt
werden.
Einleitung - Fachbegriffe Seite 3
1.4 Fachbegriffe
Diese Arbeit enthält einige Fachbegriffe, besonders aus dem Fahrradbau, die an dieser
Stelle in der Abbildung 1.1 erklärt sind. Die Abbildung zeigt einen Fahrradrahmen, wie er
zur Untersuchung zur Verfügung stand.
Abbildung 1.1: Fachbegriffe am Fahrradrahmen
Schadensanalyse - Darstellung des Schadensfalles Seite 4
2 Schadensanalyse
2.1 Darstellung des Schadensfalles
Bei dem zu untersuchenden Rahmen handelt es sich um einen Rahmen eines
Damencityrades. Dessen Rahmen stand für die Untersuchung zur Verfügung. Die
Abbildung 2.1 zeigt das Nachfolgemodell mit baugleichen Rahmen aber mit
Veränderungen an der Schwinge und der Gepäckträgeraufhängung. Hiervon konnten zwei
Exemplare mit unterschiedlichen Schadensmustern untersucht werden. Alle Fahrräder sind
am Vorderrad mittels einer handelsüblichen Federgabel gefedert. Da es sich um ein
Zukaufteil handelt, das in großer Stückzahl produziert wird, treten hier erwartungsgemäß
keine Probleme auf. Die Hinterradfederung wird von jedem Hersteller jedoch individuell
entwickelt und erfordert eine Abkehr von bewährten Rahmengeometrien. An den
vorliegenden Rahmen (Abbildung 2.2) treten an zwei Stellen Schäden auf, zum einen an
der Schwinge (Abbildung 2.3), zum anderen im festen Rahmenteil am Sitzrohranschluss
wie auch in Abbildung 2.5 und
Abbildung 2.4. An allen Stellen
traten Risse auf, die teilweise zum
Versagen der Konstruktion führten.
In allen Fällen lagen die Risse in
oder unmittelbar neben der
Schweißnaht.
Abbildung 2.1: Damen Cityrad Comfort Freewing, neueres Modell
Abbildung 2.2: Der zur Verfügung gestellt Rahmen
Schadensanalyse - Darstellung des Schadensfalles Seite 5
Abbildung 2.3: Bruchstelle an der Schwinge (Rahmen aus Abbildung 2.2)
Abbildung 2.4: Bruchstelle am Sitzrohranschluss (Rad aus Abbildung 2.1)
Abbildung 2.5: Riss im Sitzrohr (Rad aus Abbildung 2.1)
Schadensanalyse - Untersuchungsmethoden Seite 6
2.2 Untersuchungsmethoden
FEM
Die vorliegenden Rahmen sollen zunächst numerisch mit einem geeigneten
Softwareprogramm (FEM) untersucht werden. Hierbei kann überprüft werden, ob in der
vorliegenden Geometrie durch Belastungen hohe Spannungen an bestimmten Stellen
auftreten. Dadurch lassen sich konstruktive Fehler aufdecken.
Werkstofftechnik
Zusätzlich werden werkstofftechnische Untersuchungen durchgeführt. Hierbei wird
zunächst eine Bestimmung des verwendeten Werkstoffs vorgenommen. Aus dem Rahmen
werden Proben herausgetrennt um aus diesen Schliffbilder zu gewinnen. Hieraus sind
Gefügeverteilung und evtl. vorhandene Risse zu erkennen. So lassen sich Fehler bei der
Herstellung und Wärmebehandlung aufzeigen.
Bruchmechanik
Mit den Ergebnissen aus der FEM Analyse und der werkstofftechnischen Betrachtung wird
eine bruchmechanische Berechnung mit den ermittelten Spannungen und
Werkstoffkennwerten durchgeführt. Diese ermöglicht Aussagen darüber, ob nach einer
bestimmten Belastungsdauer ein Bruch zu erwarten ist.
Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 7
3 Ergebnisse
Nachfolgend werden die Ergebnisse aus den einzelnen Teiluntersuchungen dargestellt.
3.1 FEM Untersuchung
Nach der Kontrolle der Lagerbedingungen kann die FE-Berechnung ausgewertet werden.
Dazu betrachtet man die Spannungsverteilung im gesamten Rahmen, den Wertebereich
den relevanten Ergebnissen an und gewinnt mithilfe einer Komplettübersicht einen ersten
Eindruck.
Abbildung 3.1: Spannungsverteilung im Rahmen
Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 8
Abbildung 3.2: Übersicht der Spannungen im belasteten Rahmen
Wie in Abbildung 3.2 zu sehen konzentrieren sich die höheren Spannungen im Bereich der
Schwinge und des Rahmenteils um das Schwingenlager und das Sitzrohr. Die Höhe der
Spannung kann aus der am rechten Bildrand dargestellten Farbskala abgelesen werden. Die
Skala reicht von Blau (= geringe/keine Spannungen) bis Rot (= höchste im eigentlichen
Rahmen auftretende Spannung). Zur besseren Beurteilung wurden die Ausschnitte mit den
höchsten Spannungen betrachtet.
Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 9
In der Abbildung 3.3 ist die Spannungsverteilung im Sitzrohranschluss dargestellt. Dabei
ist zu erkennen, dass die höchsten Spannungen im Bereich der Schadensstelle auftreten.
Auf der Abbildung 3.4 erkennt man, dass auch in der zweiten Bruchstelle am
Tretlagergehäuse hohe Spannungen auftreten. Diese sind nicht so hoch wie an dem
Sitzrohranschluss, stellen aber trotzdem ein Spannungsmaximum dar.
Abbildung 3.3: Spannungsverteilung am Sitzrohranschluß
Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 10
Abbildung 3.4: Spannungsverteilung am Tretlagergehäuse
Für die Beurteilung der Spannungen kann es wichtig sein zu wissen, ob es sich um Druck-
oder Zugspannungen handelt. Da bei der Von-Mises Vergleichsspannung Beträge
berechnet werden, lässt sich darüber keine Aussage machen. Um diese Unterschiede
darzustellen, muss auf eine andere Spannungsberechnung zurückgegriffen werden. Hierbei
ist dann nicht die explizite Größe der Spannung interessant, sondern deren qualitative
Verteilung. In Abbildung 3.5 und Abbildung 3.6 ist die Spannungsverteilung nach
Maximum Principle dargestellt. Zudem wurden für die Darstellung nur die positiven
Spannungen verwendet, alle Spannungen kleiner als Null sind wegen der Übersichtlichkeit
blau abgebildet. Aus dieser Abbildung kann man die Bereiche erkennen, in denen
Zugspannung herrscht. Dies ist in der Bruchstelle am Sitzrohranschluss sowie an der
Vorderseite des gebrochenen Rohres am Tretlagergehäuse der Fall.
Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 11
Abbildung 3.5: Spannungsverteilung nach Max. Principle
Abbildung 3.6: Spannungsverteilung nach Max. Principle
Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 12
Um die Belastung des Rahmens beurteilen zu können, wurden neben dem oben
dargestellten Fall der Belastung im normalen Fahrbetrieb noch die Spannungen für weitere
Belastungsfälle berechnet. Die einzelnen Fälle sind:
1. Fall: Die Belastung im normalen Fahrbetrieb, wie oben beschrieben.
2. Fall: Belastung mit entlasteten Pedalen, wie sie beim Auf- und Absteigen
vorkommen können oder beim Durchfahren von Pfützen, wenn der Fahrer
die Beine anzieht
3. Fall: Testbelastung aus der DIN 14764. Die Sattelstütze wird mit 1000N belastet.
Dabei sind die Federelemente blockiert. Diese Belastung muss der Rahmen
50000mal ertragen können.
4. Fall Wiegetrittbelastung, d.h. die gesamte Gewichtskraft des Fahrers wirkt auf
die Pedalen und den Lenker
Die Kraftangriffspunkte sind in der
Abbildung 3.7 dargestellt. Die Kräfte B
bis D sind jeweils um 45° gegen die
Horizontale geneigt. Dabei stellen C und
D die Kraft auf den Lenker, B die
resultierende Kraft auf den Rahmen dar.
Zu Fall 2 und 3 ist anzumerken, dass die
Last auf die Pedale (E) nur zur
Bestimmung der Lage dient, da die
Kurbel sonst frei drehbar wäre und keine
verwertbaren Ergebnisse liefert. Beim 4.
Fall wurde auf die Verdrehung der
die üblichen 7,5°
verzichtet, da der Wiegetritt hier in einer
Pedalstellung 45° nach dem Totpunkt und nicht wie üblich 45° vor dem Totpunkt
Lastvektoren um
Abbildung 3.7: Auf den Rahmen eingebrachte Kräfte
Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 13
berechnet wird. In dieser Stellung tritt deshalb auch nicht die Schräglage des Fahrrades
auf, da zu diesem Zeitpunkt die Schräglage gewechselt wird.
Die Ergebnisse der einzelnen Berechnungen sind im folgenden dargestellt. Der Fall 1
wurde oben bereits ausführlich beschrieben. Beim zweiten Belastungsfall werden deutlich
höhere Spannungen als bei der Normalbelastung in Fall 1 in den beiden Versagensstellen
berechnet.
Abbildung 3.8: Spannungen durch Belastungsfall 2
Im dritten Belastungsfall nach DIN 14764 sind die Spannungen im Sitzrohranschluss
ebenso hoch wie in Belastungsfall 2. Dieser Fall wurde auch bruchmechanisch untersucht,
deshalb folgen weitere Details später. In Abbildung 3.9 ist der Spannungsverlauf für diesen
Belastungsfall zu sehen.
Ergebnisse - FEM Untersuchung Seite 14
Abbildung 3.9: Spannungen durch Belastungsfall 3
Der 4. Belastungsfall zeigt eine Spannungsverteilung durch den sogenannten Wiegetritt,
das heißt der Fahrer steht auf den Pedalen. Dieser Fall ist aber für diesen Rahmen
unkritisch.
Abbildung 3.10: Spannungen durch Belastungsfall 4
Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 15
3.2 Werkstoffuntersuchung
Allgemeines
Schon bei der genaueren
Betrachtung des noch kompletten
Rahmens fiel auf, dass das Rohr
an der Schwinge auf der rechten
Seite (Abbildung 3.11) oberhalb
der Schweißnaht gebrochen ist.
Auf der linken Seite (Abbildung
3.12) hingegen verläuft der Riss
durch die Schweißnaht. Nach
dem Auftrennen der Schwinge
konnte die Bruchfläche in
Augenschein genommen werden.
In Abbildung 3.14 fällt auf, dass
die Schweißnaht nicht in allen
Bereichen vollständig mit dem
Rohr verbunden ist. In dem
unteren Bereich der Abbildung,
wo die Schweißnaht nicht bis zur
Verbindungsstelle der beiden
Teile reicht, verläuft der Riss
durch die Schweißnaht. Hier sind
am Rohr noch die durch das
Trennen entstandenen Grate
sowie die nicht vollständig
verbundene Schweißnaht zu
erkennen. In den anderen
Bereichen ist das Rohr über der
Schweißnaht gerissen.
Abbildung 3.11: Bruch an der Schwinge (rechte Seite)
Abbildung 3.12: Bruch an der Schwinge (linke Seite)
Abbildung 3.13: Bruchfläche am Tretlagergehäuse
Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 16
Dies lässt sich auch in
der Abbildung 3.13
erkennen. Aus den
Bruchflächen in
Abbildung 3.13 und
Abbildung 3.14 erkennt
man, dass der Riss
seinen Ursprung in dem
Bereich hat, in dem die
Schweißnähte des
abgerissenen Rohres und
der Kettenstreben
kreuzen und die
fehlerhafte Schweißnaht
liegt. In Abbildung 3.14
ist das der Bereich unten
links.
Abbildung 3.14: Bruchfläche am herausgetrennten Rohr
Abbildung 3.15: Spannungsverteilung am Tretlagergehäuse
Abbildung 3.15 zeigt
die Spannungsverteilung
nach Fall 1 in diesem
Bereich (Pfeil zeigt die
Stelle des Bruch-
beginns).
Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 17
Materialuntersuchung
In der DIN EN 573-3 sind nur Höchstgrenzen bzw. Bereiche für die einzelnen
Elementkonzentrationen angegeben. Da die Messwerte den in der Norm geforderten
Werten entsprechen, ist das angegebene Material AW EN-7005 (AlZn4.5Mg1,5Mn)
verwendet worden. Für die Auswertung können daher die Werkstoffkennwerte für dieses
Material verwendet werden.
Gefügeuntersuchung
Wie beschrieben, wurde das
Gefüge anhand von Schliffen
untersucht. Damit lassen sich
die Gefügestrukturen gut
erkennen. So kann, wie in
Abbildung 3.16 zu sehen,
zwischen Ausgangsmaterial
und Schweißnaht unterschieden
werden. Auch die
Wärmeeinflusszone ist gut
auszumachen. Bei der
Auswertung von Abbildung
3.17 fällt jedoch auf, dass am
Rohr keine Wärmeeinflusszone
zu erkennen ist. In Abbildung
3.18 ist der untere (in
Abbildung 3.17 linke) Rand der
Schweißnaht dargestellt. Es ist
deutlich die fehlende
Verbindung zwischen Rohr
(unten) und Schweißnaht
(oben) zu sehen. An dieser
Stelle sei noch einmal erwähnt,
dass die Probestücke aus
Abbildung 3.16: Schweißnaht am Tretlagergehäuse
Abbildung 3.17: Schweißnaht am Rohrstück
Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 18
Abbildung 3.16 und Abbildung
3.17 in der Schwinge
ursprünglich aneinander
anschlossen. Somit handelt es
sich um beide Seiten der
Bruchstelle.
In weiteren Betrachtungen sind
kleine Risse im Rohr oberhalb
der Schweißnaht aufgefallen. Die
Abbildung 3.19 zeigt dies in einer
Detailansicht. Hierauf wird der
obere Rand der Schweißnaht im
Rohr gezeigt. Deutlich zu
erkennen ist der Riss im
Übergang zwischen Schweißnaht
und Rohroberfläche. In der
restlichen Bruchfläche ist dies der
Bereich, an dem das Rohr
gebrochen ist. Auch in den
anderen Schadens- und
Bruchstellen am eigentlichen
Rahmen sind die Risse direkt
neben der Schweißnaht
entstanden.
Abbildung 3.18: Detailvergrößerung des unteren Randes der Schweißnaht am Rohrstück
Abbildung 3.19: Detailvergrößerung des oberen Schweißnahtrandes mit Riss
Ergebnisse - Werkstoffuntersuchung Seite 19
Härteprüfung
Die Härteprüfung nach Brinell erlaubt im Vergleich mit den allgemeinen
Werkstoffkennwerten eine Einschätzung des Werkstoffzustandes, insbesondere der
Aushärtung. Durch Wärmebehandlung kann, die Festigkeit des Werkstoffes gesteigert
werden. Die Härte wurde sowohl am Schliff des Tretlagergehäuses als auch an dem
herausgetrennten Rohrstück geprüft. Bei der Härtebestimmung nach Brinell wird der
Durchmesser des durch eine Hartmetallkugel erzeugten Abdruckes gemessen und daraus
die Härte berechnet.
Für das Tretlagergehäuse (Abbildung 3.20) ergab sich eine durchschnittliche Härte von HB
112/2,5/62,5, wobei die erste Zahl die Härte angibt, die zweite den Kugeldurchmesser und
die dritte die Prüfkraft. Bei dem Rohrstück war die Härtebestimmung schwieriger, da ein
ebener Probenkörper vorhanden sein muss. Deshalb bot sich nur das bei der
Materialanalyse hergestellte
ebengeschlagene Rohrviertel
an. Da hier aber eine
Kaltverformung stattgefunden
hat, können die Werte nur
einen ungefähren Eindruck
der Materialhärte vermitteln.
Auf der Rohraußenseite
wurde unter gleichen
Prüfbedingungen eine
durchschnittliche Härte von
HB 66 gemessen. Auf der der
Rohrinnenseite wurde eine
durchschnittliche Härte von HB 111 gemessen, was eher dem tatsächlichen Wert
entspricht. In der Literatur findet man für den verwandten Werkstoff DIN EN AW 7020
mit fast identischen Kennwerten eine Härte von HB 105 für Strangpressprofile. Dies zeigt,
dass beide Bauteile keinen Festigkeitsverlust erlitten haben.
Abbildung 3.20: Härteprüfeindrücke am Tretlagergehäuse
Ergebnisse - Bruchmechanische Betrachtung Seite 20
3.3 Bruchmechanische Betrachtung
Wie bereits oben erwähnt, muss in die Software zur Bruchmechanikberechnung eine
Spannungsverteilung zur Berechnung der kritischen Risslänge und Lebensdauer
eingegeben werden. Um eine definierte Lebensdauererwartung (50000 Schwingspiele) zu
überprüfen, wurden die Ergebnisse des Lastfalles 3 nach DIN 14764 benutzt. Daraus
berechnet sich die in der Abbildung 3.21 gezeigte Spannungsverteilung. Am unteren
Bildrand ist das Tretlagergehäuse zu sehen, darüber schließt sich eine Wand des
angeschweißten Rohres an. Aus dem Farbverlauf kann man mithilfe der auf der rechten
Bildseite dargestellten Farbskala den Spannungsverlauf ermitteln. Für den hier
dargestellten Fall sieht die Verteilung wie folgt aus:
Abbildung 3.21: Schnitt mit Spannungsverteilung durch das Tretlagergehäuse mit Rohr
Spannung außen: 185 N/mm²
Spannung Mitte: 90 N/mm²
Spannung innen: 25 N/mm²
Ergebnisse - Bruchmechanische Betrachtung Seite 21
Mit diesen und den oben beschriebenen
Kennwerten wurde zunächst die
kritische Risslänge berechnet
(Abbildung 3.22). Für das Rohr am
Tretlagergehäuse ergibt sich dabei eine
kritische Risslänge von 1,2mm. (siehe
auch Anhang) Ab dieser Rissgröße
erleidet das Bauteil einen plastischen
Kollaps.
Des weiteren wurde die Lebensdauer
unter der gegebenen Belastung
berechnet. Dabei wurde eine
Parameterstudie mit unterschiedlichen
Anfangsrisslängen durchgeführt. Das
Ergebnis ist in Abbildung 3.23 zu
sehen. Das Diagramm zeigt die Anzahl
der Lastzyklen die erforderlich ist, um
den Riss von einer Anfangsrissgröße a
bis zur kritischen Risslänge von 1,2mm
wachsen zu lassen. Es zeigt, dass bei
einer Anfangsrissgröße von 0,01mm
mit einer Lebensdauer von 22500
Lastzyklen zu rechen ist. Bei kleineren
Rissen ist kein Versagen zu erwarten,
da der K-Wert kleiner als der thK
Abbildung 3.22: Rissgrößen von 0,05-1,5mm im dimensionslosen Spannungs-Dehnungsdiagramm
-
Wert des Werkstoffes ist. Im Anhang
sind die kompletten
Berechnungsprotokolle mit genauen Ergebnissen enthalten.
Abbildung 3.23: Lebensdauererwartung bei Anfangsrissgröße
Ergebnisse - Bruchmechanische Betrachtung Seite 22
Fazit
Zu bemerken ist, dass es sich bei diesem Fahrradtyp um ein konstruktiv schwieriges
Problem handelt. Vom Kunden werden ein niedriges Gewicht, ein möglichst tiefer
Durchstieg zwischen Sattel und Lenker, eine komfortable Federung und nicht zuletzt ein
niedriger Preis gewünscht. Um ein niedrigeres Gewicht und einen niedrigen Preis zu
erreichen, wird auf Aluminium als Rahmenmaterial gesetzt, das aber die oben erwähnten
Probleme mit sich bringt (keine Dauerfestigkeit, Wärmebehandlung usw.). Ein möglichst
tiefer Durchstieg und ein vollgefederter Rahmen erzwingen konstruktive Kompromisse
zwischen dem optimalen Diamantrahmen und den Kundenwünschen. Wichtig ist auch eine
Abwägung der ertragbaren Spannungen. Hier sind empirische Werte aus der
herstellereigenen Erfahrung anzuwenden oder auf die Empfehlungen in der Literatur
zurückzugreifen. Abbildung 3.24 zeigt nach oben erwähnten Literaturkennwerten die
kritischen Spannungen über 40N/mm² im normalen Fahrbetrieb.
Abbildung 3.24: kritische Stellen (rot) mit Spannungen oberhalb von 40N/mm²
Zudem lässt ein günstiger Preis nur manuelle Rahmenmassenfertigung in
Niedriglohnländern zu, die, durch Handschweißung im Gegensatz zur automatisierten
Fertigung, keine reproduzierbare Qualität liefert. Außerdem fand nach dem Schweißen
offenbar keine Rissprüfung statt.
Ergebnisse Seite 23
Die Ergebnisse zeigen, dass das gehäufte Auftreten von Schadensfällen an diesem Fahrrad
nicht zufällig ist. Aus den Berechnungen geht hervor, dass auch bei normalen Einsatz,
ohne ausgeprägte Schlechtweg- und Geländestrecken mit einen Versagen der Konstruktion
zu rechnen ist. Dies hätte auch der Test nach der aktuellen DIN 14764 ergeben müssen.
Diese war zwar zum Zeitpunkt der Entwicklung des Fahrrades noch nicht erschienen, aber
in der Fachpresse und Literatur wurde immer wieder über die Anwendbarkeit der
Aussagen aus den Tests nach der alten DIN 79100 diskutiert, was einige Hersteller und
Prüfinstitute veranlasste, eigene Dauerfestigkeitsversuche zu entwickeln, um die
Haltbarkeit ihrer Produkte bzw. die Verlässlichkeit der Testergebnisse zu gewährleisten. In
Deutschland ist eine Prüfung von muskelgetriebenen Zweirädern nicht vorgeschrieben, so
dass es an den Herstellern liegt, ihre Produkte auf Zuverlässigkeit zu prüfen.