Schalltechnische Sanierung der 300-m-Schiessanlagen

4
Schalltechnische Sanierung der 300-m-Schiessanlagen Schiessen als Vereins- und Leistungssport zählt zu den po- pulären Freizeitaktivitäten. Praktisch jedes Dorf zwischen Nordsee und den Alpen verfügt über einen Schützenverein und eine gut erreichbare Schiessanlage. Schiessen ver- ursacht allerdings einen beachtlichen Lärmpegel. Zum Schutz der Anwohner müssen Schiessanlagen bestimmte Vorschriften erfüllen. Im Kanton Aargau ist die Sanierung der Schiessanlagen nahezu abgeschlossen. as ist Schiesslärm? Bei der Ermittlung und Beurteilung von Schiesslärm sind zwei unterschied- liche Schallphänomene zu berücksich- tigen: Als Mündungsknall wird die Explo- sion bei der Geschossabgabe be- zeichnet. Dieser tief frequentierte Waffenknall entsteht beim Austreten der Pulvergase aus der Laufmün- dung. Bei einem «Sturmgewehr 90» erzeugt der Mündungsknall in einem Meter Abstand einen Schalldruckpe- gel von 143 dB(A). Der Geschossknall ist der Über- schallknall eines Projektils. Er tritt nur auf, wenn sich ein Geschoss mit Überschallgeschwindigkeit bewegt. Der Geschossknall erzeugt in einem Meter Abstand einen Schalldruckpe- gel von 119 dB(A). Mündungsknall und Geschossknall breiten sich auf unterschiedliche Arten aus und werden vom Gelände entspre- W chend unterschiedlich beeinflusst. Sa- nierungsmassnahmen müssen deshalb stets auf die jeweiligen Schallphäno- mene und die vorhandene Gelände- form ausgerichtet werden. eurteilung von Schiesslärm Im Unterschied zu den anderen Lärm- arten basiert die Beurteilung von Schiesslärm nicht auf einem Mitte- lungspegel, sondern auf dem energe- tisch gemittelten Einzelschusspegel. Unter Berücksichtigung eines Korrek- turfaktors wird der Maximalpegel mit- tels Schallpegelmessung am Immis- sionsort bestimmt. Der Korrekturfaktor ergibt sich aus der jährlichen Schiess- zeitdauer – angegeben in Schiesshalb- tagen an Werktagen und an Sonntagen – sowie aus der Anzahl abgegebener Schüsse auf der Schiessanlage. B anierungsvorschriften Am 1. April 1987 trat die Lärmschutz- Verordnung (LSV) in Kraft. Diese soll den Menschen vor schädlichen oder läs- tigen Einwirkungen durch Lärm schüt- zen. Gemäss LSV darf eine Schiess- anlage, welche beispielsweise in der Landwirtschaftszone erbaut wurde, den Grenzwert von 65 dB(A) nicht über- schreiten. Entsprach der Betrieb einer Schiessanlage dieser Vorschrift nicht, musste sie innert 15 Jah- ren nach In- krafttreten der LSV saniert werden. Sanierungstermin für Schiess- anlagen war somit der 31. März 2002. Da der Vollzug von Umweltvorschrif- ten im Kanton Aargau grundsätzlich den Gemeinden obliegt, hat sich der Kanton während der laufenden Frist nur auf Begehren der Gemeinde in die Sanierungsbemühungen eingeschaltet. Angesichts des herannahenden Termins analysierte die Abteilung für Umwelt im Jahre 1999 den Vollzugsfortschritt. Es zeigte sich deutlich, dass der Zu- stand der Schiessanlagen in den Ge- meinden ganz unterschiedlich war. Im Hinblick auf den vorgegebenen Sanie- rungstermin musste die Abteilung für Umwelt als Aufsichtsbehörde dringend Überzeugungs- und Informationsarbeit bei den Gemeinden und Schiessverei- nen leisten. Mit klaren, ausgearbeiteten Vorgaben ging man auf die Gemeinden zu. Im Jahr 2000 waren aus verschiedenen Gründen bereits 55 der einst über 200 Schiessanlagen im Kanton Aargau ge- schlossen. Mehr als die Hälfte der in Betrieb stehenden Anlagen genügten zu diesem Zeitpunkt den Vorschriften der LSV nicht. Überall dort, wo die 300-m-Schiessan- lagen den Anforderungen nicht ent- sprachen, hatten die Gemeinderäte in Zusammenarbeit mit den Schiessver- einen Massnahmen zu ergreifen. Die S Claude Furginé Abteilung für Umwelt 062 835 33 60 Nr. 28 Mai 2005 13 Luft Lärm UMWELT AARGAU Mündungs- und Geschossknall überlappen sich. Innen: 75 dB(A) Mitte: 65 dB(A) Aussen: 60 dB(A) Schallausbreitung, Mündungs- und Geschossknall 75 65 65 60 60 75

Transcript of Schalltechnische Sanierung der 300-m-Schiessanlagen

Page 1: Schalltechnische Sanierung der 300-m-Schiessanlagen

Schalltechnische Sanierung der 300-m-SchiessanlagenSchiessen als Vereins- und Leistungssport zählt zu den po-pulären Freizeitaktivitäten. Praktisch jedes Dorf zwischenNordsee und den Alpen verfügt über einen Schützenvereinund eine gut erreichbare Schiessanlage. Schiessen ver-ursacht allerdings einen beachtlichen Lärmpegel. ZumSchutz der Anwohner müssen Schiessanlagen bestimmteVorschriften erfüllen. Im Kanton Aargau ist die Sanierungder Schiessanlagen nahezu abgeschlossen.

as ist Schiesslärm?Bei der Ermittlung und Beurteilungvon Schiesslärm sind zwei unterschied-liche Schallphänomene zu berücksich-tigen:� Als Mündungsknall wird die Explo-

sion bei der Geschossabgabe be-zeichnet. Dieser tief frequentierteWaffenknall entsteht beim Austretender Pulvergase aus der Laufmün-dung. Bei einem «Sturmgewehr 90»erzeugt der Mündungsknall in einemMeter Abstand einen Schalldruckpe-gel von 143 dB(A).

� Der Geschossknall ist der Über-schallknall eines Projektils. Er trittnur auf, wenn sich ein Geschoss mitÜberschallgeschwindigkeit bewegt.Der Geschossknall erzeugt in einemMeter Abstand einen Schalldruckpe-gel von 119 dB(A).

Mündungsknall und Geschossknallbreiten sich auf unterschiedliche Artenaus und werden vom Gelände entspre-

W chend unterschiedlich beeinflusst. Sa-nierungsmassnahmen müssen deshalbstets auf die jeweiligen Schallphäno-mene und die vorhandene Gelände-form ausgerichtet werden.

eurteilung von Schiesslärm

Im Unterschied zu den anderen Lärm-arten basiert die Beurteilung vonSchiesslärm nicht auf einem Mitte-lungspegel, sondern auf dem energe-tisch gemittelten Einzelschusspegel.Unter Berücksichtigung eines Korrek-turfaktors wird der Maximalpegel mit-tels Schallpegelmessung am Immis-sionsort bestimmt. Der Korrekturfaktorergibt sich aus der jährlichen Schiess-zeitdauer – angegeben in Schiesshalb-tagen an Werktagen und an Sonntagen– sowie aus der Anzahl abgegebenerSchüsse auf der Schiessanlage.

B

anierungsvorschriftenAm 1. April 1987 trat die Lärmschutz-Verordnung (LSV) in Kraft. Diese sollden Menschen vor schädlichen oder läs-tigen Einwirkungen durch Lärm schüt-zen. Gemäss LSV darf eine Schiess-anlage, welche beispielsweise in derLandwirtschaftszone erbaut wurde, denGrenzwert von 65 dB(A) nicht über-schreiten. Entsprach der Betrieb einerSchiessanlage dieser Vorschrift nicht, musste sieinnert 15 Jah-ren nach In-krafttreten derLSV saniert werden. Sanierungstermin für Schiess-anlagen war somit der 31. März 2002.Da der Vollzug von Umweltvorschrif-ten im Kanton Aargau grundsätzlichden Gemeinden obliegt, hat sich derKanton während der laufenden Fristnur auf Begehren der Gemeinde in dieSanierungsbemühungen eingeschaltet.Angesichts des herannahenden Terminsanalysierte die Abteilung für Umweltim Jahre 1999 den Vollzugsfortschritt.Es zeigte sich deutlich, dass der Zu-stand der Schiessanlagen in den Ge-meinden ganz unterschiedlich war. ImHinblick auf den vorgegebenen Sanie-rungstermin musste die Abteilung fürUmwelt als Aufsichtsbehörde dringendÜberzeugungs- und Informationsarbeitbei den Gemeinden und Schiessverei-nen leisten. Mit klaren, ausgearbeitetenVorgaben ging man auf die Gemeindenzu.Im Jahr 2000 waren aus verschiedenenGründen bereits 55 der einst über 200Schiessanlagen im Kanton Aargau ge-schlossen. Mehr als die Hälfte der inBetrieb stehenden Anlagen genügtenzu diesem Zeitpunkt den Vorschriftender LSV nicht.Überall dort, wo die 300-m-Schiessan-lagen den Anforderungen nicht ent-sprachen, hatten die Gemeinderäte inZusammenarbeit mit den Schiessver-einen Massnahmen zu ergreifen. Die

S

Claude FurginéAbteilung für Umwelt062 835 33 60

Nr.

28M

ai 2

005

13

Luft

Lärm

UM

WE

LT

A

AR

GA

U

Mündungs- und Geschossknall überlappen sich.

Innen: 75 dB(A)

Mitte: 65 dB(A)

Aussen: 60 dB(A)

Schallausbreitung, Mündungs- und Geschossknall

75

6565

6060

75

Page 2: Schalltechnische Sanierung der 300-m-Schiessanlagen

Nr.

28M

ai 2

005

14

Sanierungsstand 2000

entsprechende LärmschutzvorschriftenHandlungsbedarfkeine oder stillgelegte Schiessanlage

Windisch: Beispiel einer Schiessan-lage, die technisch, betrieblich undwirtschaftlich nicht saniert werdenkann, da der Geschossknall ein gan-zes Quartier beschallt.

Möglichkeiten reichten von Betriebs-optimierung – Verkürzung der Schiess-zeiten, Verzicht auf Sonntagsschiessenoder regelmässige Vereinsschiessen –über technische Schallschutzmassnah-men bis hin zur Schliessung und zumEinkauf in eine andere Schiessanlageder Umgebung.

ärmreduktion bei Schiessanlagen

Bei der technischen Lärmsanierungmüssen die beiden Schallphänomene –Geschoss- und Mündungsknall – ge-trennt behandelt werden. Massnahmenzur Abschirmung und Dämpfung sindin der Regel umso billiger, je näher siean der Schallquelle platziert werdenkönnen. Das Aufsetzen eines Schall-dämpfers auf die Waffe scheint hier dienahe liegende Lösung zu sein. SolcheVorrichtungen sind zwar sehr effizient,beeinflussen aber die Zielgenauigkeitund die Handhabung der Waffe. Schall-dämpfer werden deshalb von den zu-ständigen Militärbehörden nach wievor abgelehnt.

L

Sanierungsstand 2005

entsprechende LärmschutzvorschriftenHandlungsbedarfkeine oder stillgelegte Schiessanlage

Page 3: Schalltechnische Sanierung der 300-m-Schiessanlagen

Eine weitere Variante, um die Ausbrei-tung der Schallwellen abzuschwächen,ist die Verwendung eines Schallschutz-tunnels. Die Waffe befindet sich wäh-rend dem Zielen und der Schussabgabeim Tunnel. Der Schallschutztunnelstellt heute zweifellos die beste Mass-nahme dar, wenn der Mündungsknall re-duziert werden muss. Der Schallschutz-tunnel ist technisch einfach, ortsbild-

Luft

Lärm

UM

WE

LT

A

AR

GA

UN

r.28

Mai

200

515

Die Regionalschiessanlage Kölliken wurde mit einer Schallschutzwand saniert.

Fot

o:C

lau

de F

urg

iné

Schallschutztunnel für Kniend- und Liegend-Schiessen

Fot

o:S

üss

man

n A

G

Schallschutztunnel

Fot

o:S

üss

man

n A

G

und landschaftsverträglich, verhältnis-mässig kostengünstig und sehr wirk-sam (bis 20 dB[A] Reduktion).Der Geschossknall entsteht entlang derganzen Flugbahn und ist klar gerichtet.Mit einem relativ kleinen, exakt plat-zierten Hindernis kann der Geschoss-knall für einen einzelnen Immissions-punkt abgeschirmt werden. Aufwändi-ger ist die Errichtung eines Walls oder

einer gleichwertigen Schallschutzwand. Betriebsoptimierungen sind bei derLärmsanierung von Schiessanlagen vor-rangig zu prüfen. Die Abteilung fürUmwelt hat den Auslastungsgrad derAnlagen überprüft und empfohlen, dieSchiessanlässe soweit möglich aufzwei Stunden zu verkürzen, zusammen-zufassen oder den Betrieb auf eine an-dere Schiessanlage zu verlegen.

Page 4: Schalltechnische Sanierung der 300-m-Schiessanlagen

Nr.

28M

ai 2

005

16

anierungen vor dem Abschluss

Mit ihrem Konzept strebte die Abtei-lung für Umwelt die Eliminierung be-stehender Lärmprobleme an. Die Hilfs-kriterien zur Beurteilung der Schiess-anlagen erwiesen sich dabei als taug-liches Mittel. Die Verwendung einheit-licher Kriterien verhinderte eine un-gleiche Behandlung der Schiessanla-genbetreiber. Die Vollzugspraxis der Abteilung fürUmwelt wurde von einigen Gemein-den und Schützen verschiedentlich alszu streng empfunden. Oft wurde argu-mentiert, der Schiesslärm habe amfraglichen Ort noch nie jemanden ge-stört und es sei nicht einzusehen, wa-rum plötzlich Traditionen geändert wer-den müssten.Nicht zuletzt dank der Mithilfe der zu-ständigen eidgenössischen Schiessoffi-ziere und der Abteilung Militär und Be-völkerungsschutz des Kantons Aargauentsprechen nur noch zwei Schiessan-lagen nicht den Vorschriften. Alle übri-gen 300-m-Schiessanlagen im Kantonsind LSV-konform.Die Zahl der «Obligatorisch»-Schüt-zen wird künftig stark abnehmen. TrotzSchliessungen und Beschränkungen derSchiesszeiten hat es im Kanton Aargauausreichend Kapazitäten, um das mi-litärische Schiessen und das Sport-schiessen weiterhin durchzuführen.Die Abteilung für Umwelt wird sich inZukunft darauf beschränken, die jährli-chen Betriebsdaten der Schiessanlagenzu erfassen und auszuwerten. Selbst-verständlich werden auch weiterhinLärmmessungen und Beratungen an-geboten.

S Lärm

Lärm ist unerwünschter Schall. Schallwellen werden in Dezibel dB(A) ge-messen. Die Skala ist logarithmisch aufgebaut. Eine Erhöhung des Schall-pegels um 10 Dezibel empfindet der Mensch als Verdoppelung der Lautstär-ke. Physikalisch hat die Lautstärke jedoch um das Zehnfache zugenommen.

Empfindung

schmerzhaft

sehr laut

laut

leisesehr leise

1601301251201009080706040200

Beispiel

Sturmgewehrgrosse AlarmsireneSchmerzschwelleDüsenflugzeugDiskothekLastwagen, anfahrendlaute RadiomusikVerkehrslärmlautes GesprächWohnquartier, ohne VerkehrTicken einer TaschenuhrHörschwellen

dB(A)