Schamanische Wege 12

11
Nr. 12 NATUR • WEISHEIT • HEILEN www.connection.de 29. Jg. B 6128 I/14 connection Schamanische Wege Nr. 12 Schamanen 9 Schamanen heute Mit Beiträgen von Wolf-Dieter Storl, Christina Kessler, Angelika Kotzur, Bobby Langer und vielen anderen Schweiz: 16,80 sFr, EU-Länder 9,40 Schamanische Wege heute Vermittler einer Anderswelt

description

Schamanen heute - Vermittler einer Anderswelt

Transcript of Schamanische Wege 12

Nr.12

NATUR • WEISHEIT • HEILENwww.connection.de 29. Jg. B 6128 I/14

connec

tion S

cham

anis

che

Weg

e N

r. 1

2

Schamanen

9 €Sc

ham

anen

heu

te

Mit Beiträgen von Wolf-Dieter Storl, Christina Kessler, Angelika Kotzur, Bobby Langer und vielen anderen

Schweiz: 16,80 sFr, EU-Länder 9,40 €

SchamanischeWege

heuteVermittler einer Anderswelt

Wie Atem zum hochintelligenten Heiler wirdDr. Christina Kessler lehrt Verbundes Atmenim Kontext von Energetischem Heilen undBewusstseinserweiterung

Das Verbundene Atmen ist eine uraltespirituelle Praxis der östlichen Traditionen.Dabei wird der Organismus intensiv mitSauerstoff, an den die Lebensenergiegebunden ist, geflutet.Die amoBreathwork lenkt diesen Energie-strom in einen Prozess, der seelische, geistigeund körperliche Blockaden sprengt undZugang zur inneren Ordnung ermöglicht.Bereits eine Session kann lebensveränderndsein.

Info, Anmeldung und Buchbestellung:[email protected]+49-(0)8802-8171

Die zertifizierten amoBreathworker sind autorisiertin eigener Praxis, an Yogazentren und öffentlichenInstitutionen mit dem 3 in 1-Konzept von Dr. ChristinaKessler zu arbeiten: Atem-Arbeit. Bewusstseins-training. Energetisches Heilen.amoBreathwork eignet sich gleichermaßen zurEinzel- wie zur Gruppenarbeit.

Nächster AusbildungszyklusBeginn 26. Juni 2014. MaRah Seminarhaus in Rahden

Voraussetzung für die Ausbildung ist ein Essenzkurs:08. – 11. Mai 2014: Gut Saunstorf (beiWismar) oder17. – 20. Mai 2014: Glarisegg, Bodensee (CH)

Das lange vergriffene Buchjetzt wieder erhältlich!

Christina Kessler: 33 Herzensqualitäten –Die Intelligenz der Liebe24,90 Euro.HQ- Affirmationskarten-Set18,80 Euroedition amo ergo sum, Berlin(bei gemeinsamerBestellung portofrei)

„… die Völkerkundlerin, die durch ihre mutigenWerke zurWissenschaft undWeisheit der LiebeneueWege des Denkens beschritt“(Prof.Maik Hosang)

www.connection.de 3connection Schamanische Wege 12

Immer mehr Menschen interes-sieren sich für Schamanisches,und immer mehr Heilpraktiker,Ärzte und geistige Heiler be-zeichnen sich als Schamanen oderschamanisch Praktizierende.Teils haben sie von weit entfern-ten Kulturen gelernt und sinddort initiiert worden, teils habensie sich ureuropäischen Traditio-nen zugewandt, sie wiederbelebtund wenden sie in ihrem eigenenAlltag an, im Freundeskreis undbei ihren Klienten.

Warum tun sie das? Weil unsere Kultur eine metropolen -orientierte, der Natur und ihren Rhythmen entfremdete ge-worden ist. Weil immer mehr Menschen unserer entseeltenMedizin misstrauen. Weil die Religionen der aggressivenHochkulturen, die einst die Welt unter sich aufteilten, uns kei-ne Heimat mehr bieten, vom wissenschaftlichen Weltbild über-holt sind sie sowieso schon längst. Und weil der heutige um-weltbewusst – besser »mitwelt«-bewusst – lebende Menschgewissermaßen schamanisch fühlt.

Glückliche »edle Wilde«?

Der Weg zurück zur Natur und zu einer Lebensweise, die viel-leicht einmal schön und harmonisch war, oder uns heute we-nigstens so scheint (meist war das Leben damals eher hart),ist aber nicht so leicht. Die sogenannten Naturvölker lebtennicht immer in Harmonie mit der Natur (Beispiel: die Oster-inseln) und auch nicht untereinander, und sie entsprechenauch heute in vielem nicht unseren Idealen. Die Idee des »ed-len Wilden« lässt sich angesichts unserer heutigen Kenntnis-se nicht aufrechterhalten. Und doch hat es was, zu den Wur-zeln unserer Religionen und der diversen Medizinkulturenzurückzukehren, die ja alle im Schamanischen liegen. Mansollte nicht alles übernehmen, was man dort findet, meine ich,aber ein Blick dorthin lohnt auf jeden Fall!

Unsere Gespaltenheit

Was macht nun ein heutiger Städter mit Facebookprofil, PKWund mobilem Endgerät mit alledem? Ab und an mal eine zwei-wöchige Reise zu den Burjaten in Sibirien oder einem Ayahuas-ca-Retreat im Regenwald des Amazonas, dann wieder zurückan die Arbeit, Montag früh um neun geht’s los, in der Kaffee -pause kann man dann von den Erfahrungen erzählen? TieferSuchenden ist das nicht genug. Zum einen, weil die Fernrei-sen ja gerade unserer angeblichen Liebe zur Natur wider-sprechen: Kaum etwas verschiebt die ökologischen Konse-quenzen unserer Lebensweise so sehr ins Negative wie Fern-flüge.

Zum anderen, weil die Gespaltenheit unserer Lebensweisedabei ja bleibt: Hier das Weitermachen mit einer Seelen undNatur zerstörenden Lebensweise, dort das kurze Aufatmen,das den Burnout vielleicht um ein paar Jahre hinausschiebenkann und der geliebten dortigen Kultur zwar ein bisschen An-erkennung verleiht, aber nicht mal den Löwenanteil des fürdiesen Urlaub ausgegebenen Geldes lässt. Ist nicht wirklichbefriedigend.

Die Natur als Lebewesen

Dieses Heft von Connection Schamanische Wege stellt Menschenvor, die auf tiefere Weise suchen. Vieles von dem Ersehntenmögen sie schon gefunden haben, manches vielleicht nochnicht, aber sie sind bereit, ihren 9-to-5-Job infrage zu stellen(oder haben ihn längst aufgegeben), weil die Seele mehr suchtals nur ein bisschen Erholung und das Bestaunen fremder oderlängst vergangener Kulturen. Auch unsere eigene europäi-sche Kultur hat schamanische Wurzeln, und wenn wir denBezug zur Natur und die ökologische Wende hier, in dieserheutigen Kultur, nicht sehr bald finden, dann wird unserganzes Wirtschaftssystem kollabieren, zusammen mit all denAnnehmlichkeiten, die es uns jetzt noch bietet. Auch deshalb sind die schamanischen Wege einen Blick wert– nicht nur, weil sie Heilung bieten können und Sinn, sondernauch, weil sie die uns umgebende Natur als ein Lebewesenverstehen, das einen eigenen Geist und eine Seele hat und des-halb nicht nur genutzt, sondern auch geschützt und verehrtzu werden verdient. n

Editorial

Schamanisch fühlen

Foto

: Ani

ela

Ada

ms

Wolf SchneiderHerausgeber von Connection Schamanische [email protected]

flick

r.com

© x

abie

r es

kabe

l

8 Schamanen heuteconnection Schamanische Wege 12

Als ich schlief letzte Nachtda träumte ich – Wunschbild wundervoll! –,

in mein Herz sei eingebracht

ein Bienenstock: summend schwoll

der Bienen goldener Schwarm,

und der verwandelte insgeheim

all meinen bitteren Harm

in weiches Wachs und in Honigseim.

Antonio Machado

www.connection.de 9connection Schamanische Wege 12

Bild

kom

pos

itio

n: C

hri

stin

a v.

Put

tkam

er, w

ww

.inn

erg

ard

ens.

de,

m

it e

iner

Sku

lptu

r vo

n G

untr

am P

roch

aska

, ww

w.g

untr

am-p

roch

aska

.de

20 Hannig: Marákate – Männer und Frauen des Wissensconnection Schamanische Wege 12

Im Nordwesten Mexikos in der Hochwüste der Sierra Mad-re Occidental lebt ein Naturvolk, das seit Jahrtausendenseine spirituelle Kultur bewahrt hat. Die Spanier nannten

sie Los Huicholes. Sie selbst nennen sich Wirrarika – Menschen,die heilen.Die weisen Männer und Frauen dieses Volkes begeben sichauf eine lebenslange Ausbildung, bei der sie in die spirituel-len Prozesse der Natur eingeweiht werden und nach und nachzu wissenden Menschen werden, zu Marákames (auch Mará-kates genannt). Die Marákames sind die spirituellen Führer ih-res Volkes. Sie erlernen die Fähigkeit des Sehens der Dinge,wie sie wirklich sind, entwickeln außergewöhnliche Heilkräfteund bestimmen in Übereinstimmung mit den Naturkräftenalle Abläufe des alltäglichen Lebens ihrer Gemeinschaft. Die Wirrarika haben ihre spirituellen Praktiken bis heute be-wahrt. Das daraus erwachsene schamanische Wissen ist tiefin ihrem Leben verankert und wird durch Zeremonien, Pil-gerreisen und Feste stets erneuert und erweitert. Somit ist es

Von Marius Enrico Hannig

Marákate Männer und Frauen des WissensDie Huichol-Indianer im Westen Mexikos und ihr Peyote-Kult

Es gibt heute nur noch weniger als 20.000Huichol-Indianer. Sie leben im Westen Mexikos,nennen sich Wirrarika (Heiler, Zauberer) undfallen auch durch ihre psychedelische Kunst auf. Unter allen Indianervölkern Mexikos sind sie das noch am meisten mit ihren vorkolumbianischen Traditionen verbundene

Mará� kame mitPeyote Kakteen

ihnen möglich, ihre Tradition über die Generationen weiterzu tragen und das Wissen lebendig zu erhalten. Sie leben ihrLeben voller Hingabe und ohne maßlose materielle Ansprüche.Für sie ist das Leben eine sich stets erneuernde Initiation indie Mysterien der Natur.

Pilgerreise nach Wirikuta

Mit ihrer jährlichen Pilgerreise in das heilige Gebiet Wirikuta,das energetische Zentrum der Erde, sorgen sie mit Zeremoni-en und Opfergaben für das Gleichgewicht von Geben undNehmen zwischen Mensch und Natur und initiieren sich selbstin die Mysterien der Schöpfung. Auf dieser beschwerlichenReise in ein Wüstengebiet werden jahrtausendealte heiligeOrte aufgesucht, um dort direkt mit den Naturkräften zu kom-munizieren und Visionen zu empfangen. Die gesamte Pilger-reise nach Wirikuta ist für die Marákames und Pilger ein kon-tinuierliches Opfern und Bekennen ihres eigenen Lebens. Übermehrere Tage und Nächte werden unter Verzicht von Schlafund Nahrung eine Vielzahl von Zeremonien und Ritualen ab-gehalten.

Die Nacht des blauen Hirschs

Im Zentrum aller Aktivitäten steht die Begegnung mit demblauen Hirsch, der (in der Anderswelt) mit Hilfe des Peyote-Kaktus (Hikuri) in dem Gebiet von Wirikuta traditionell gejagtwird. Durch die Einnahme des Kaktus in den nächtlichen Ze-remonien werden durch das Ritual, durch Opferungen, durchTänze und durch die eindringlichen Gesänge der Marákamesmachtvolle Visionen und tiefe Einsichten in das Leben zu-gänglich. Die Zeremonien sind eine tiefe emotionale, spiritu-elle und körperliche Reinigung, bei der große Kräfte freigesetztwerden. In diesem Prozess erfahren sich die Marákames alsVerkörperungen ihrer Gottheiten und Ahnen. Die archaischenRituale in den langen, kalten Nächten der Wüste sind Spiegelfür die eigene Seele, bei denen die Marákames in die Tiefen deseigenen inneren Kosmos eintauchen, andere Welten betreten,mythischen Wesen begegnen und das Mysterium des Todesund des Lebens erfahren. Die Zeremonien enden mit dem Son-nenaufgang. Die Sonne transformiert die Erfahrungen der Dun-kelheit und ermöglicht die Wiedergeburt in ein neues Leben,um mit neuen Kräften einen Weg des Herzens zu gehen, undum Heilung erfahren und teilen zu können.

Minenkonzerne bedrohen das Heilige Land

Das Volk der Wirrarika ist eines der wenigen Urvölker derErde, das seinen Kult mit sakralen Pflanzen bisher gegenüberallen äußeren Einflüssen verteidigen konnte. Heute ist ihr hei-liges Gebiet Wirikuta jedoch bedroht von Minenkonzernen, diedurch den Abbau von Edelmetallen die Erde mit Chemikalienverseuchen und damit die Grundlage für das Wachstum desvom Aussterben bedrohten Peyote-Kaktus stark gefährden.

Auch die traditionelle Hirschjagd, die im Anschluss der jähr-lichen Pilgerreise nach Wirikuta stattfindet, kann aufgrundder Privatisierung von geschützten Gebieten von den Wirra-rika nicht mehr durchgeführt werden. Sie werden von denneuen Eigentümern mit Waffengewalt vertrieben und sindnun gezwungen, für die Hirschjagd eigene Gehege in ihrenLebensräumen anzulegen, um dort die traditionelle Jagddurchführen zu können. Dafür benötigen die Wirrrarika drin-gend finanzielle und fachkundige Hilfe. Wer mehr über dieWirrarika erfahren, an Projekten mitwirken oder an Pilger-reisen teilnehmen möchte, wende sich an das Mother EarthInstitute e.V., erreichbar über die Webseite des Mother EarthProject. n

Für die Wirrarika ist das Leben eine sich stets erneuernde Initiation in die Mysterien der Natur

www.connection.de 21connection Schamanische Wege 12

Fotos © M

arius Han

nig

Marius Enrico Hannig erforscht seit zwan-zig Jahren westliche Naturmagie und indi-genes Schamanentum. Er ist Initiator desMother Earth Projektes, und Organisator vonKolloquien, Seminaren und Veranstaltungenzu bewusstseins-erweiternden Themen.www.mother-earth-project.de

Ein Altar der Wirrarika

28 Richter: Die Kraft des Heilensconnection Schamanische Wege 12

Können die echten Schamanen bitte aufstehen! So wie dieAmeisen es machen, so ist es auch mit den Menschen,wenn sie Gemeinschaften bilden: Wir organisieren uns

in eine kooperierende Gruppe von Individuen, von denen je-des eine bestimmte Rolle hat und damit zu der Gemeinschaftbeiträgt. Wir können annehmen, dass diese Rollen, die sich imLauf der Geschichte entwickelt haben, einen Versuch darstel-len, unsere wichtigsten Bedürfnisse zu erfüllen und die Tech-niken gut zu nutzen, die zu einer gegebenen Zeit in der Ge-meinschaft jeweils existierten, wie z.B. Jäger, Sammler, Zim-mermann, Marktschreier, Polizist, Astronaut usw.

Die Rolle des Heilers

Im Lauf der Zeit hat die Rolle des Heilers viele Formen ange-nommen. Meist gab es eine Vielfalt an Gründen, die be-

flick

r.com

© s

asha

po

Otto Richter kennt westliche Methoden der Psychotherapie und des Growth Movement und hat bei nord- und südamerikanischen Schamanen gelernt. Hier erklärt er, wie sehr Heilung mit unserer Wahrnehmung zu tun hat: Erst durch den Zugang zum »Nagual«, der Welt außerhalb unserer Begriffe und Konzepte, können wir spirituelle Heilung erfahren

Von Otto Richter

Wie man sie anruft, ohne dass das Ego dazwischen kommt

Die Kraft des

stimmten, wer ein Heiler wird, welche »Krankheit« oder »Wun-de« Heilung braucht und wie genau Heilung stattzufindenhat. Die Verfügbarkeit von Pflanzen und Kräutern, der aktu-elle religiöse und kulturelle Glaube, die traditionellen Werk-zeuge und Methoden sowie auch die Frage, ob der Heiler sei-ne Position in der Gesellschaft geerbt hat – alles das hat eineRolle gespielt bei dem, was für Namen wir ihnen gegeben ha-ben, um sie zu identifizieren. Das Wort »Schamane«, so wie wir es heute in unserer Kulturverwenden, ist ein sehr allgemeiner Begriff. Er bezieht sich aufjemanden, der Zugang zur geistigen Welt hat und von dortmit Heilkraft zurückkehrt. Er spezifiziert nicht, wie das genauerreicht wird oder was genau die Wirkung davon ist. Und esimpliziert auch nicht notwendigerweise, dass die Absichtendes Schamanen mehr auf das Heilen anderer gerichtet sind als

Heilens

auf seinen eigenen Ruhm oder die eigene Macht. Tatsächlichist es das, was Schamanen von Zauberern unterscheidet. Schließlich glaube ich, dass die Heiler, die wirkliche Schama-nen sind, ihre Fähigkeiten zugunsten derer anwenden, die inNot sind – weil ein innerer Ruf sie dorthin führt. Ob es einephysische Wunde ist, ein psychologisches Problem, ein emo-tionales Dilemma, eine hormonelle Schwankung, ein Einflussder Vorfahren oder eine geistige Besetzung, das Herz des wirk-lichen Schamanen lässt ihn mit der Absicht handeln, damitGutes zu bewirken für alle Betroffenen, wie auch immer dasgerade möglich ist.

Was ist schwarze Magie?

Ich möchte hier einen Auszug aus dem Brief einer langjähri-gen Schülerin zitieren. Sie hatte viele Jahre mit Heilenergie ge-arbeitet, doch als eine geliebte Person schwer krank wurdeund eine riskante Operation nötig war, begann sie die Heilar-beit aus berechtigten Gründen in Frage zu stellen. Die Opera-tion verlief erfolgreich, die geliebte Person überlebte und er-holte sich. Trotzdem berührt ihr Brief, den sie während derRekonvaleszenz schrieb, sehr wichtige Punkte. »Nun, da fürs Erste alles vorbei ist und ich damit beschäftigtbin, für meinen Liebling zu sorgen, frage ich mich manchmal,ob meine Hoffnung auf eine Heilung und die besonderemenschliche Absicht ›zu heilen‹ nicht von Hause aus schwarzeMagie ist. Ist nicht alle schamanische Arbeit mit der spezifi-schen Absicht zu heilen schwarze Magie? War es schwarzeMagie, als ich eine Adlerfeder nahm und die Kräfte des Hei-lens anrief? Ich frage, weil ich merke, dass ich nicht sicher bin,ob ich wirklich weiß, was das Beste ist.

Alles in Frage stellen

Was also ist schamanische Arbeit? Wofür ist sie gut? Ich ar-beite gern mit Visualisierungen und dem MeisterBewusstsein,trommle gern, erlebe Ekstase und channele diese Energie. Dochunter welchen Umständen soll ich diese Möglichkeiten ein-setzen? Oder sollte ich einfach bei meinem kranken Lieblingsitzen und abwarten? Ja, ich erinnere mich, was du gesagt hast:›Erwarte das Beste und akzeptiere auch das Schlimmste.‹ Dochda ist noch etwas, das ich nicht verstehen kann.Im Moment stelle ich alles in Frage, was ich gelernt habe. Wasmache ich mit diesen Schätzen, wenn ich sie nicht für meineAbsichten einsetzen darf? Irgendetwas zieht mich zurück zurEssenz, und ich spüre ein starkes Gefühl von Demut. Ich be-ginne zu verstehen, dass ich nach all den Jahren des Lernensgar nichts weiß.«

Demut

Es folgt der Brief mit meiner Antwort. Er hilft an dieser Stel-le, die möglichen Fallgruben wie auch die potenziellen Kräf-

te zu verdeutlichen, die bei der Arbeit mit Heilenergien auf-treten können.»Dein starkes Gefühl der Demut, das du nach deinen Wortenerlebst, mag der Beginn einer Antwort auf deine Frage sein.Ja, viele heilerisch Tätige hängen am Erfolg ihres Tuns, wennsie weiße Magie ausüben, und verwandeln sie dadurch inschwarze. Der Grad, in dem das Ego aus welchem Grund auchimmer an einem bestimmten Ergebnis interessiert ist, entsprichtdem Anteil an schwarzer Magie. Betrachte es einmal so: DasEgo glaubt, es wisse, was gut oder schlecht ist, richtig oderfalsch, was sein sollte und was nicht. Mit dem Versuch, dieBestimmung oder das Schicksal einer anderen Person zu än-dern, maßt sich das Ego zu wissen an, was das Beste für die-ses Wesen ist und was es braucht. Die eigenen, selbstbezoge-nen Interessen blenden das Ego und halten es davon ab, auchnur für möglich zu halten, dass dieses Wesen bestimmte He -rausforderungen vielleicht für sein Wachstum benötigt. Daseigene Herz ist möglicherweise liebevoll und voller guter Ab-sichten, doch wenn die Anhaftung an oder die Abneigung ge-gen ein bestimmtes Ergebnis zu stark ist, mischt sich das Egoin die Angelegenheiten anderer ein.

Die Kraft des Heilens anrufen

Reine Hingabe an den Willen des Höchsten und die Erlaub-nis, dass der Geist sein Werk tut, können hilfreich sein, um dieEinmischungen des Egos zu verringern. Dann stellt sich einneues und stärker holographisches Verständnis des Heilensein. Statt sich ausschließlich damit zu beschäftigen, was dasEgo für das Beste hält, erweitert sich dieses Konzept und be-grüßt alles, was auch immer der große Geist, das große Netzdes Lebens, vorsieht, zum Wohle aller Beteiligten und im Dien-ste am Licht.Wenn du also die Kraft des Heilens anrufst, denke daran, dassdies nicht unbedingt etwas mit den Ergebnissen wie guter stattschlechter Gesundheit, Freude statt Schmerz oder Leben stattSterben zu tun hat. Vielleicht können wir das Licht, das uni-

Können die echten Schamanen bitte aufstehen!

www.connection.de 29connection Schamanische Wege 12

© O

tto

Rich

ter

Agustin Rivas Vasques beim Vorbereiten eines Ayahuasca-Rituals (ca. 1985)

verselle Hologramm, die Quelle, die Matrix und so weiter alskosmisches Energienetz sehen, das alles überall durch Zeitund Raum miteinander verbindet, ins Gleichgewicht und inEinklang bringt. Die Fähigkeit, uns damit zu verbinden unduns anzuschließen, nennen wir die Kraft des Heilens. Durchdas Anrufen der Kraft des Heilens setzt du einen Austauschin Gang, bei dem der zu Heilende Energie bekommt und dudem Netz Energie zurückgibst. Deine Beiträge an Liebe, Dank-barkeit und Demut sind kostbare Energien von großer Kraft.So wie es deine Aufgabe ist, klar zu sagen, für welchen Zweckdu diese Energie eingesetzt sehen möchtest, ist es auch deine

Aufgabe, diesen Wunsch in die Hände des Höchsten zu legen.Das Beste zu erwarten, heißt nicht, ungeduldig herumzuste-hen und darauf zu warten, dass es passiert. Sobald du es demNetz zurückgibst, ist es nicht mehr deine Aufgabe. Nachdemdu ermöglicht hast, dass es sich manifestieren kann, geh ausdem Weg, damit es geschehen kann.«

Die gefiederte Schlange

Nicht nur die gute Absicht macht einen echten Schamanenaus, sondern auch sein inneres Gleichgewicht und die Fähig-keit, die eigenen Lebensenergien zu lenken. Er muss fähig sein,sich in einen anderen Bewusstseinszustand zu heben, wo erfeinere Dimensionen der Wirklichkeit wahrnehmen kann. Vie-le schamanischen Erzählungen weisen darauf hin und be-stätigen das; hier ist eine, die ich für sehr repräsentativ halte:

Einige präkolumbianische Kulturen, die im Mesoamerika des16. und 17. Jahrhunderts ihre Blütezeit hatten, verehrten eineübernatürliche Wesenheit namens »Gefiederte Schlange«. Diemeisten verbinden diesen archaischen Gott mit dem NamenQuetzalcoatl, obwohl nur die Azteken diesen Namen ver-wendeten. Mayas und Olmeken gebrauchten andere Namen. Der Quetzal ist ein Vogel, der für seine leuchtenden Farbenund bunten Federn bekannt ist. Es gibt ihn noch heute. DasWort Quetzal stammt aus der aztekischen Sprache Nahuatlund bedeutet wörtlich große leuchtende Schwanzfeder. Coa-ti heißt Schlange. Zusammen bedeutet Quetzalcoatl also ge-fiederte Schlange.Dieser Gottheit werden viele widersprüchliche Bedeutungenzugeschrieben wie Fruchtbarkeit, Erneuerung der Natur, derPlanet Venus, Wind, Schöpfer der Menschheit, Intelligenz,Selbstreflexion, Beschützer von Priestern, innere politischeStrukturen, Krieg und militärische Expansion. Doch die of-fensichtlichen Attribute, die auch den Namen bilden, zeigendie wesensmäßige Bedeutung. Quetzalcoatl verbindet Him-mel und Erde. In dieser Doppelnatur symbolisiert er das Gleich-gewicht und die Vereinigung von Gegensätzen. Wir sindgleichzeitig göttlich und menschlich. Es steht auch für dasGleichgewicht des männlichen und weiblichen Prinzips in uns.Wenn wir die gefiederte Schlange als Krafttier anrufen, ladenwir damit die innere Vereinigung von Mutter Erde und VaterGeist ein und feiern sie. Die Federn können leicht als Flam-men oder Lichtstrahlen interpretiert werden, die Erleuchtungoffenbaren. Während die feurige Energie von Mutter Erdedurch die Energiezentren eines Menschen aufsteigt, erfüllt ihnvon oben Vater Geist mit Licht. Das Ergebnis ist die Trans-formation des Individuums in Gott.

Der erhabene Nagual

Der Eintritt in das sechste Energiezentrum (das dritte Auge)ist ein Zeichen für den Kontakt mit dem Unsagbaren, oder,wie es im mesoamerikanischen Schamanismus genannt wird:mit dem Nagual. Das Wort selbst kann sich auf eine Personoder den Aspekt einer Person beziehen.Als Nagual werden traditionell Menschen bezeichnet, denengewisse magische Kräfte zugeschrieben werden, die sie an-geblich befähigen, ihre Gestalt zu verändern. Ursprünglichwaren sie die örtlichen Priester, und bis heute sind einige vonihnen in die religiöse Hierarchie eingebunden. Im weiterenSinne werden sie aber oft als Zauberer oder Hexen angesehen,die geachtet oder gefürchtet sind und teilweise sogar verfolgtwerden.Für uns ist Nagual als Aspekt einer Person interessant, wassich vielleicht am besten im Gegensatz zu einem anderenAspekt diskutieren lässt, dem so genannten Tonal, der Ebene,auf der alles rational verstanden werden kann. Der Schrift-steller Carlos Castaneda (1925-1998) hat in seinen Schriftenüber die Ausbildung bei seinem Lehrer Don Juan Matus dasTonal mit einer Insel verglichen, auf der sich alles befindet,

30 Richter: Die Kraft des Heilensconnection Schamanische Wege 12

Viele heilerisch Tätige hängen am Erfolg ihres Tuns, wenn sie weiße Magie ausüben, und verwandeln sie dadurch in schwarze

© O

tto

Rich

ter

Agustin (li) vom Amazonas und Eduardo Calderon Palomino (re), der mit dem San Pedro Kaktus arbeitete(ca. 1985). Eduardo war Ottos schamanischer Lehrer

was sich beschreiben lässt. Diese Insel aber ist sehr klein, unddie Welt um sie herum sehr groß!Nur wer die Welt außerhalb dieser Insel des Beschreibbarenbetritt, in der nichts verstanden oder identifiziert werden kann,wird das Reich des Nagual entdecken. Obwohl der Nagualnicht beschrieben werden kann, kann er jenseits des Bekann-ten lokalisiert werden. So wissen wir immerhin, in welcheRichtung wir gehen. Sobald wir das Reich des Geistes betre-ten, ist es wichtig, uns darauf vorzubereiten, unsere innereSicht nicht nur für neue Territorien jenseits unserer normalenSelbstbezogenheit zu öffnen, sondern für Bereiche, die unserVerständnis bedrohen und sogar unser Verständnis von Wahr-heit wandeln.

Sehen ist ein aktiver Vorgang

Dr. Daniel Glaser, Neurowissenschaftler und Forscher am Uni-versity College in London, führte eine bahnbrechende Unter-suchung über Spiegelneuronen durch, die uns zu verstehenhilft, warum wir die Welt so sehen, wie wir sie sehen. Zu denErgebnissen seiner Studie sagte er 2005 in einem Fernseh -interview mit PBS:»Was wir mehr und mehr entdecken – und tatsächlich hattendie Gelehrten der Griechen und der Renaissance auch schonein Verständnis davon –, ist, dass Sehen ein aktiver Vorgangist. Beim Sehen projiziert man das, was man erwartet, in dieWelt hinaus. Gleichzeitig werden eigene Erfahrungen, Vor-urteile und Erwartungen ständig an das angepasst, was dadraußen ist. Für mich sind die Spiegelneuronen ein besonde-res System, das dieses Prinzip verkörpert, was eine sehr frucht-bare Idee für mich ist.«

Unsere Konzepte halten wir für die Wirklichkeit

In der Sprache der Schamanen könnten wir sagen, dass wirdie Öffnung des dritten Auges unterstützen können, indemwir wagen, über unsere unbewussten Projektionen hinaus dasanzuschauen, was ist. Mit anderen Worten: Um sehen zu kön-nen, was tatsächlich existiert, müssen wir uns von unserer ge-wohnheitsmäßigen Abhängigkeit vom System der Spiegel-neuronen lösen, unsere Konzepte der Wirklichkeit (wie wirsie kennen) aufgeben und das Reich des Nagual betreten.Dies kann eine ziemlich große Herausforderung sein, denn al-les, was wir in der Vergangenheit gelernt haben, ist zu einemFundus von mentalem Wissen und Glaubenssätzen gewor-den, die unsere Wahrnehmung und das Erleben der Gegen-wart bestimmen. Unsere Abhängigkeit von den begrenztenMöglichkeiten unserer Kultur und Sprache hat dazu geführt,dass wir aus dem unendlichen Schwingungsspektrum, das fürdie Manifestation der Realität zur Verfügung steht, nur weni-ge Frequenzen nutzen, die wir in leicht identifizierbare undkommunizierbare Segmente zusammenfassen und bündelnkönnen. Unser Verstand gruppiert diese Segmente zu Kon-zepten. Das Problem dabei ist, dass wir projizieren, wenn wir

unsere Realität wie gewohnt betrachten, und deshalb nur die-se Konzepte wahrnehmen und nicht mehr das gesamte Spek-trum. Die Konzepte werden unser Bezugsrahmen für das, waswir als Wirklichkeit definieren.

Das Öffnen des dritten Auges

Nehmen wir zum Beispiel das Farbspektrum. Unter allen Spra-chen der Welt gibt es wahrscheinlich keine zwei, die auf ge-nau die gleiche Weise Segmente dieses Spektrums zusam-menfügen. Das bedeutet jedoch nicht, dass einige KulturenFarbschattierungen besser als andere unterscheiden können,es zeigt nur, dass sie den kontinuierlichen Verlauf des Spek-trums anders segmentiert haben. Was im Englischen als Rotbezeichnet wird, ist im Ungarischen in zwei verschiedene Far-ben unterteilt. Die Russen unterscheiden mindestens zwei Far-ben, wo es im Englischen nur Blau heißt. Wie wir die Nuan-cen des Farbspektrums zu gruppieren lernen, bestimmt, waswir wahrnehmen und wie wir es beschreiben, wenn wir Far-ben sehen.Entsprechendes geschieht auf allen anderen Ebenen der sinn-lichen Wahrnehmung. Denke daran, wie oft du etwas zu hörengeglaubt hast, was sich dann als etwas völlig anderes heraus-stellte. Oder wie du vielleicht zu einem Feinschmecker für Wei-ne geworden bist und dir nun kaum noch vorstellen kannst,wie du früher dieses furchtbare Zeug trinken konntest, das duimmer getrunken hast. Was wir gelernt haben, bestimmt un-sere Wahrnehmung.Sobald wir also das erhabene Reich des Nagual betreten unddas dritte Auge öffnen, ist es unsere Aufgabe, die Menge dervon uns im Tonal zu verarbeitenden Daten zu verringern. Esist fast so, als würden wir ein Radio ausschalten, das meist mitvoller Lautstärke läuft, und auf einmal hören wir die köstli-che Mischung ungewohnter Geräusche, die uns in ihre gehei-me Welt locken. Konzepte werden gelöscht, und Sensibilitätwird geboren. Wenn wir den denkenden Verstand hinreichendlange beruhigen und das Anfluten von Sinneswahrnehmun-gen im Gehirn verringern, können wir uns auf die feineren Be-reiche des Geistes einstimmen. n

Teile dieses Textes sind Auszüge aus dem sechsten Band von Human Hologram, dessiebenbändigen Hauptwerks von Otto Richter, das auf deutsch 2013 im Param Verlagerschienen ist (unsere Rezension davon findest du in Connection Spirit 5-6/14).

Was wir gelernt haben, bestimmt unsere Wahrnehmung

www.connection.de 31connection Schamanische Wege 12

Otto Richter (USA/D) lernte bei spirituellenLehrern in Nord- und Südamerika. In den70er Jahren gründete er in New Jersey dieholistische Gemeinschaft Common Ground.Human Holographics®, sein Programm zurPersönlichkeitsentwicklung, war das Themader ZDF Sendereihe »Psychologie der Hoff-nung«. www.HumanHolographics.de