Schiedsrichter:innen kommunizieren

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Schiedsrichter:innen kommunizieren – aber wie? Bachelorstudiengang Multimedia Production/Media Engineering FHGR – Fachhochschule Graubünden | IMP – Institut für Multimedia Production Hauptreferentin: Prof. Dr. phil. Bianca Wyss-Bärlocher Korreferent: Marcel Näf Abgabedatum: 12. August 2021 Bachelorthesis Empirische Analyse der Eskalationsverhinderung in zehn Unihockeyspielen der höchsten Schweizer Ligen (NLA Damen und Herren) Manuel Haslebacher Mühlestrasse 42, 8487 Rämismühle [email protected]

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Schiedsrichter:innen kommunizieren – aber wie?

Bachelorstudiengang Multimedia Production/Media EngineeringFHGR – Fachhochschule Graubünden | IMP – Institut für Multimedia Production

Hauptreferentin: Prof. Dr. phil. Bianca Wyss-BärlocherKorreferent: Marcel Näf

Abgabedatum: 12. August 2021

Bachelorthesis

Empirische Analyse der Eskalationsverhinderung in zehn Unihockeyspielen der höchsten Schweizer Ligen (NLA Damen und Herren)

Manuel HaslebacherMühlestrasse 42, 8487 Rämismü[email protected]

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Abstract

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Abstract Die Bachelorthesis beschäftigt sich mit der Schiedsrichter:innen-Kommunikation im Unihockey. Dabei geht sie der Forschungsfrage nach, wie Schiedsrichter:innen auf höchster Stufe des Schweizer Unihockeys (Nationalliga A Damen und Herren) verbal und non-verbal kommunizieren müssen, sodass ein Spiel eskalationsfrei zu Ende gespielt werden kann. Zur Beantwortung werden zehn Unihockeyspiele qualitativ analysiert, der Fokus auf die proaktive Kommunikation der zwei spielleitenden Schiedsrichter:innen gelegt und daraus eine neue Theorie abgeleitet.

Im Lehrprojekt ‹Starting Six – Der Unihockey Podcast› wurden in der 24. Folge mit dem Schiedsrichter-Experten Thomas Erhard erste theoretische Ansätze der Thesis diskutiert. Bei ‹Starting Six› konzentrierte sich das Lehrprojekt vorwiegend auf die Produktion und Umsetzung der 25 Folgen, den Aufbau der Website startingsix.ch, ein Kurzvideo für den Studiengang Sportmanagement der FHGR und einen FHGR-Blogbeitrag.

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Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

ABSTRACT 2

TABELLENVERZEICHNIS 5

1. EINLEITUNG 6 a. Untersuchungsgegenstand 7 b. Problemstellung 7

2. THEORETISCHER TEIL 8 a. Gegenstand der Arbeit 8

i. Aufgabe der Schiedsrichter:innen 8 ii. Verantwortung der Unparteiischen 8

b. Kommunikation und Proaktivität 9 c. Konflikte in Teamsportarten 11

3. METHODIK 13 a. Untersuchungsgegenstand 13

i. Datenübersicht 13 ii. Datensammlung 14

b. Gewählte Methode 15 i. Qualitative Inhaltsanalyse 15 ii. Induktives Vorgehen 15

4. EMPIRISCHE FORSCHUNG 17 a. Verbale Kommunikation 18

i. Schiedsrichter Schuler/Sprecher 18 ii. Schiedsrichter Ambühl/Brechbühler 19 iii. Schiedsrichter Begré/Birbaum 20 iv. Schiedsrichter Friemel/Hasselberg 20 v. Schiedsrichter Hohler/Koch 21 vi. Schiedsrichter Fässler/Schläpfer 22 vii. Schiedsrichter Bühler/Bühler 23 viii. Schiedsrichter Rampoldi/Crivelli 24 ix. Schiedsrichterinnen Wehinger/Zurbuchen 24

b. Non-verbale Kommunikation 25

5. DISKUSSION DER ERGEBNISSE 28 a. Forderung eins: vorwärtsgerichtet und positiv 28 b. Forderung zwei: offen und transparent 28 c. Forderung drei: Ziel der Kommunikation kennen 29

6. KONKLUSION 30

7. LITERATURVERZEICHNIS 31 a. Monografien 31 b. Internetquellen 32 c. Persönliche Videos 32

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Inhaltsverzeichnis

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8. SELBSTSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG 34

9. ANHANG 35 Anhang 1: Interviewleitfaden Schiedsrichterexperten 35 Anhang 2: Interviewtranskripte 36

Anhang 2.1: Interview mit Roman Kaderli, SIHF 36 Anhang 2.2: Interview mit Thomas Erhard, swiss unihockey 40

Anhang 3: E-Mail-Korrespondenz mit Roman Kaderli, SIHF 46

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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Verbale Kommunikation im Quervergleich der Schiedsrichter:innen-Paare 18

Tabelle 2: Kommunikationsvergleich Schuler/Sprecher und Ambühl/Brechbühler 19

Tabelle 3: Kommunikationsvergleich Begré/Birbaum und Friemel/Hasselberg 21

Tabelle 4: Kommunikationsanalyse von Hohler/Koch 21

Tabelle 5: Kommunikationsvergleich Fässler/Schläpfer und Bühler/Bühler 23

Tabelle 6: Unterschiede verbaler (proaktiver) und non-verbaler Kommunikation (Stellungsspiel) 26

Tabelle 7: Starkes Stellungsspiel kompensiert schwache verbale Proaktivität 26

Tabelle 8: Proaktives Kommunizieren überragt Stellungsspiel 26

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Einleitung

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1. Einleitung Am Freitag, den 02. Juli 2021, wird Schweizer Sportgeschichte geschrieben: Die Schweizer Fussballnationalmannschaft bestreitet zum ersten Mal ein Viertelfinalspiel in einer Europameisterschaft – gegen Spanien, den Weltmeister des Jahres 2010 und drei-fachen Europameister 1964, 2008 und 2012. Laut Zahlen des SRF (2021), dem Schweizer Radio und Fernsehen, verfolgen an diesem Abend durchschnittlich 1.466 Millionen Menschen aus der Deutschschweiz dieses Spiel.

Es läuft die 77. Spielminute; die Schweiz hat die Partie kurz zuvor, nachdem sie durch einen Gegentreffer in der ersten Hälfte des Spiels zurücklag, in der 68. Minute durch Xherdan Shaqiri ausgeglichen. Spanien greift an, was Remo Freuler entschärfen möchte, indem er den Ball aus der Gefahrenzone bringt. Dabei legt er sich den Ball zu weit vor und grätscht ihm hinterher. Für die Aktion erhält er die rote Karte. Ungläubig starrt das Publikum in der Schweiz auf die Fernsehbilder, auf die Geschehnisse in St. Petersburg, dem Austragungsort dieses EM-Viertelfinals. Der englische Schiedsrichter Michael Oliver bleibt seiner Entscheidung treu: Freuler muss für sein hartes Einsteigen vom Platz. Doch es stellt sich die Frage: zu Recht?

Für viele scheint der Entscheid zu hart. Experten und ehemalige Fussballer melden sich öffentlich zu Wort. So twitterte Gary Lineker (2021), Fussballlegende Englands, kurz nach der Aktion: «Another red card for virtually nothing», eine weitere Karte für nichts. Der Fussball-Podcast «Collinas Erben» (2021), ein deutscher Podcast aus Schiedsrichter-Perspektive, gibt ebenfalls eine Analyse ab. Nachdem zuerst Argumente aufgelistet werden, die für Rot sprechen – «hohe Intensität und die Tatsache, dass man auch ohne offene Sohle gesundheitsgefährdend spielen kann» –, folgt ein weiterer Tweet:

Stellt man die Entscheidung in den Kontext eines bisher keineswegs harten Spiels, hätte Gelb, eben weil es hier einen Ermessensspielraum gab, besser zur Partie und zu Olivers Spielleitung gepasst. Es ist keine Begegnung, die in diesem Moment nach einem Feldverweis rief.

Schlussendlich war es ein Tatsachenentscheid des Schiedsrichters Michael Oliver, den man als Fan so hinnehmen musste. Aber genau der Aspekt, den der Podcast «Collinas Erben» erwähnt, der Kontext des Spiels, war der Ausgangspunkt dieser Arbeit. Die oben geschilderte Situation im Viertelfinalspiel der EM 2020 zwischen Spanien und der Schweiz sorgte weltweit für Aufsehen. Diese Arbeit thematisiert keine Entscheidungen von Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern, die international für Furore sorgen. Vielmehr soll sie die Wichtigkeit transparenter Kommunikation der Unparteiischen ins Zentrum rücken, am Beispiel der besten Schweizer Unihockey-Schiedsrichter:innen, die in der höchsten Schweizer Unihockey-Liga agieren.

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Einleitung

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a. Untersuchungsgegenstand Als der Verfasser zu Beginn der Saison einige Spiele der Nationalliga A im Schweizer Unihockey verfolgte, kam es mehrmals dazu, dass die beiden spielleitenden Schieds-richter – im Grossfeld-Unihockey leitet ein Duo die Partie – verschiedene kleine Konflikte nicht vollends klären konnten, sodass das Spiel gegen Ende eskalierte. Unter Eskalation soll verstanden werden, dass die Spielleiter kritische Situationen nicht mehr kontrollieren konnten und sich nur noch über Strafen und andere Sanktionen zu helfen wussten.

Darauf aufbauend stellt sich folgende Forschungsfrage: Wie müssen Schiedsrichter:innen der höchsten Liga des Schweizer Unihockeys (NLA Herren und Damen) verbal und non-verbal kommunizieren, damit ein Spiel eskalationsfrei zu Ende gespielt werden kann?

In dieser Bachelorarbeit geht es also darum, wie Unihockey-Schiedsrichter:innen mit ihren kommunikativen Fähigkeiten in Wort und Tat ein Unihockey-Match des höchsten Schweizer Niveaus kontrollieren können, ohne hart durchgreifen zu müssen.

b. Problemstellung Aber weswegen ist das Verlieren der Spielkontrolle ein Problem? Spieler:innen machen regelmässig Fehler in ihrem Spiel; sei es ein schlecht gespielter Pass, ein Schuss, der das leere Tor verfehlt, oder ein zu hart geführter Zweikampf, der im Unihockey eine Zweiminutenstrafe nach sich ziehen kann. Die Fans scheinen solche Fehler zu verzeihen, etwa wenn ebendiese Spielerin oder ebendieser Spieler den Siegtreffer erzielt. Auch wenn gemäss Krug (2008) Spieler:innen und Schiedsrichter:innen grundsätzlich aus dem gleichen tautologischen Grund Fehler machen, «nämlich [sic] weil sie Menschen sind!» (S. 32), ist es bei den Unparteiischen anders: Ein Schiedsrichter:innen-Fehler kann gravierende Auswirkungen auf das Spielgeschehen haben. Die Herausforderung besteht darin, dass die Spieler:innen Unsicherheiten des Schiedsrichter:innen-Paares wahr-nehmen und versuchen, sich daraus Vorteile zu verschaffen. Wenn also Schieds-richter:innen nicht selbstbewusst genug und mit einer klaren Linie kritischen Situationen begegnen, kann dies zu Diskussionen, Konflikten und letztlich zur Eskalation führen.

Man könnte vermuten, dass Unparteiische Autoritätspersonen sind und ihre Autorität dafür einsetzen, im Falle einer Eskalation ein Spiel wieder in die korrekte Bahn zu lenken. Thomas Erhard, Verantwortlicher für Spitzenschiedsrichter und Schiedsrichterausbildung bei swiss unihockey, dem Schweizer Unihockeyverband, erklärt diese Situation im Inter-view (siehe Anhang 2.2) so: «Die Autorität ist wie das letzte Mittel. […] Vorher [sollen sie] versuchen, als Dienstleister, als Spielleiter, als Kommunikator das Spiel gerecht und für beide Seiten gleich zu leiten.» Um welche Mittel es geht und wie sie umgesetzt werden können, wird in dieser Arbeit untersucht.

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Theoretischer Teil

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2. Theoretischer Teil

a. Gegenstand der Arbeit Schiedsrichter:innen einer Teamsportart haben viele Pflichten vor dem Spiel, während-dessen und danach. An dieser Stelle wird darauf verzichtet, diese im Detail aufzulisten. Doch die wichtigste Aufgabe definiert Krug (2008) folgendermassen: «Die Hauptaufgabe des Schiedsrichters besteht darin, Spielsituationen zu beobachten und – in erster Linie – mit Hilfe von Spielunterbrechungen (Pfiffen) für einen geregelten Ablauf im Spiel zu sorgen.» (S. 31)

i. Aufgabe der Schiedsrichter:innen Jeder Schweizer Verband von Teamsportarten, wie beispielsweise Fussball, Eishockey und Unihockey, legt diese genannte Hauptaufgabe und die Spielleitung im Schiedsrichterreglement anders aus: Laut dem Reglement Schiedsrichter und Schiedsrichter-Assistenten (Ausgabe 2001) des Schiedsrichterwesens des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV) muss der/die Schiedsrichter:in die Spiele in bestmöglicher Verfassung leiten (Absatz IV Artikel b Punkt 29 SSAR). Bei der Swiss Ice Hockey Federation (SIHF) heisst es im Schiedsrichterreglement, «die SR sind neutral, egal von welchem Club oder Ort sie kommen und welche Spiele sie leiten» (Absatz 6 Artikel 19 Satz 1 SRR). Der Officiating Manager Development der SIHF, Roman Kaderli, spinnt diese Aufgabe im Interview (siehe Anhang 2.1) noch weiter: «Ein Hockeymatch […] findet im Graubereich statt. Und das heisst, ich muss das Spiel sicher und fair über die Runden bringen, aber die Guidelines oder die Rahmenbedingungen dafür sind das Regelbuch.»

Der Schweizer Unihockeyverband, swiss unihockey, formuliert seinerseits den Punkt der Spielleitung im Schiedsrichterreglement umfassend aus. Laut Abschnitt 11 Artikel 11.1 Satz 1 SRR müssen die Schiedsrichter:innen die Spielregeln, Reglemente, Statuten, Weisungen und Publikationen von swiss unihockey zur Anwendung bringen. Weiter heisst es: «Für die Auslegung der Spielregeln während des Spiels sind einzig die Schieds-richter massgebend» (Abschnitt 11 Artikel 11.1 Satz 2 SRR). Schlussendlich verfügen laut dem Schiedsrichterreglement von swiss unihockey die Schiedsrichter:innen auf dem Spielfeld über eine vollständige Autorität (Abschnitt 11 Artikel 11.1 Satz 3 SRR). Auf diese Autorität wird später noch genauer eingegangen.

ii. Verantwortung der Unparteiischen Den Schiedsrichter:innen wird durch die Spielleitung eines Spiels viel Verantwortung übertragen. Durch Kommunikation mit den anderen spielbestimmenden Parteien wie Spieler:innen und Trainer:innen können sie diese mitverantwortlich machen für den Spielausgang. Doch die Hauptverantwortung tragen immer sie. Dass ihre Rolle sehr bedeutend ist für ein faires und friedliches Spiel, äusserte der ehemalige Schweizer Fussballnationalspieler Lucio Bizzini in einem Interview:

Auf dem Spielfeld hängt das Ausmass der getätigten Gewalt im wesentlichen [sic] von der Persönlichkeit und der Kompetenz des Schiedsrichters ab. Aus eigener

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Erfahrung kann ich sagen, dass ein unparteiischer [sic], «der sich parteiisch verhält», unwahrscheinliche Aggressionen auf dem Spielfeld auslöst. Ein Schieds-richter, der Fouls übersieht oder sich gegebenenfalls nicht durchsetzen kann, ist für Gewaltäusserungen auf dem spielplatz [sic] ebenfalls in hohem Masse mitverantwortlich. (BFA-INFO, 1988, zitiert nach Vester, 2013, S. 17)

Die Leistung der Unparteiischen ist also massgeblich für den Spielverlauf. Agieren sie kompetent, fair und neutral, so können sie mit ihrem Auftritt eine Eskalation der Konflikte, die in und aus Zweikämpfen entstehen, verhindern. Wenn aber im Gegensatz dazu die Arbeit der Schiedsrichter:innen fehlerhaft oder parteiisch, bzw. ihr Auftreten unsicher sein sollte, so entsteht weiteres Konfliktpotenzial, das eine Spielsituation eskalieren lassen kann. Wegweisend sind dabei nicht ausschliesslich Persönlichkeitsmerkmale wie Kompetenz und Neutralität, sondern vielmehr die kurzfristig getroffenen und kommuni-zierten Entscheidungen, die das Spiel in eine kritische Richtung lenken können. Zu diesem Schluss kommt auch Vester (2013):

Ganz gleich, ob der Schiedsrichter (bewusst oder unbewusst) ein Spiel mangelhaft oder tadellos leitet: Häufig ist erst die Schiedsrichterentscheidung, die einen Dis-sens (z.B. ein Foul) beilegen soll, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Im Folgenden wird dann die Entscheidung des Schiedsrichters kritisiert oder mehr noch, die Sanktionsmacht des Schiedsrichters in Frage gestellt, indem der Unpar-teiische attackiert wird. (S. 17)

Den erwähnten Attacken von Seiten der Zuschauer:innen sind Unparteiische im Uni-hockey bis jetzt nicht zum Opfer gefallen. Angriffe, wie sie beispielsweise Urs Meier, der Schweizer Fussballschiedsrichter erfahren musste, nachdem er in einem Spiel der Fuss-ball-Europameisterschaft 2004 zwischen Portugal und England ein Tor der Engländer zu Recht annullierte, sind im Unihockeysport bisher nicht geschehen. Laut Krug (2008) waren die Folgen für Meiers Torannullierung «Polizeischutz für ihn und seine Familie, Flucht aufs Land für eine Woche sowie der Eingang von 19.000 Emails» (S. 33). Auch wenn die Schiedsrichter:innen im Unihockey nicht mit derart drastischen Massnahmen nach einer schwierigen, womöglich spielentscheidenden Entscheidung rechnen müssen, stehen auch sie unter enormem Entscheidungsdruck.

Zentral ist, wie man den Entschluss zur Sanktion den Beteiligten gegenüber kommuniziert.

b. Kommunikation und Proaktivität Zum Verständnis von Kommunikation ist das erste Axiom des psychologischen Ansatzes von Watzlawick et al. (2011) zentral: «Man kann nicht nicht kommunizieren» (S. 60). Egal, was man tut oder nicht tut, man teilt seinem Gegenüber etwas mit. Auch dann, wenn die Schiedsrichter:innen ohne Intervention einem Zweikampf zuschauen, strahlen sie mit ihrer Passivität genauso etwas aus, wie wenn sie sich aktiv am Spielgeschehen beteiligen und verbale oder non-verbale Zeichen setzen. Wie diese bei den Spieler:innen ankommen, ist individuell und mitbestimmt durch die Beziehung zwischen den beiden. Folglich findet

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hier auch das zweite Axiom der Kommunikation Bedeutung: «Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt» (Watzlawick et al., 2011, S. 64). Gemäss Watzlawick et al. (2011) besteht also eine direkte «Relation zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt: Der Inhaltsaspekt vermittelt die ‹Daten›, der Beziehungsaspekt weist an, wie diese Daten aufzufassen sind» (S. 63). Bezogen auf die Situation zwischen Schiedsrichter:in und Spieler:in kann erstere:r zwar Inhalte kommunizieren – wie diese aber beim Gegenüber ankommen, bestimmt das Vorangegangene zwischen den beiden Parteien mit. Somit ist eine gute Beziehung der Schiedsrichter:innen zu den Unihockey-spielerinnen und -spielern sowie Trainerinnen und Trainern erstrebenswert. Falls die Beziehung aber durch Konfliktsituationen gestört sein sollte, dann muss man diese klären, bestätigt auch Thomas Erhard im Interview (siehe Anhang 2.2): «Wenn du so schwelende Konflikte hast mit Spielern oder Trainern, dann behindert es einfach immer wieder beide Seiten. Ich glaube, fast immer findest du mit fast allen im Anschluss einen Konsens.» Den Grundstein zur erfolgreichen Beziehung legen die Unparteiischen also durch Kommunikation abseits des Spielfeldes.

Dass das Kommunizieren während eines Spiels eine zentrale Rolle, auch im Blick auf die Hauptaufgabe der Schiedsrichter:innen, darstellt, erklärt Roman Kaderli, Officiating Manager Development der SIHF im Interview (siehe Anhang 2.1): «Mit der Kommunikation steht und fällt eine solide und seriöse Schiedsrichterleistung oder Spielleitung.» So gebe es Spieler:innen, die viel Kommunikation brauchen, dann müsse man mit ihnen proaktiv sprechen. Diese proaktive Kommunikation ist ein Schwerpunkt in der Schieds-richter:innen-Arbeit beim SIHF: «Wir versuchen, durch unsere Kommunikation das Spiel in die richtige Richtung zu leiten, bevor die Spieler beginnen auszurufen.» Wenn man dies erreiche, eine Eishockeypartie kommunikativ proaktiv zu leiten, dann sei man dem Spiel einen Schritt voraus.

Dass swiss unihockey den proaktiven Ansatz bei ihrer Ausbildung der Schieds-richter:innen ebenfalls stark gewichtet, ist inspiriert durch die Arbeit der SIHF. Thomas Erhard ist Verantwortlicher für Spitzenschiedsrichter und Schiedsrichterausbildung bei swiss unihockey und erläutert im Interview (siehe Anhang 2.2), dass er dank der Teil-nahme an einem sportartübergreifenden Kurs des Eishockeyverbandes einiges fürs Unihockey gelernt hat: «Proaktiv sprechen mit den Leuten, auch wenn mal einer durch-dreht, [oder diesen Spieler] nach dem Spiel in die Garderobe einladen, ihm dies erklären». Speziell in der vergangenen Saison hatte das Schiedsrichterwesen des Schweizer Unihockeyverbandes die Proaktivität als Ausbildungsschwerpunkt festgelegt. Dabei war laut Erhard der wichtigste Schritt, theoretisch aufzuschlüsseln, was Proaktivität genau bedeutet: «Man hat immer von ‹proaktiv› gesprochen, und wir haben dann auch gemerkt, dass viele Schiedsrichter dies falsch, vor allem [als] immer sprechen, verstehen. Und das ist es ja eben nicht.» Es gehe vor allem darum, «vorwärtsgerichtet und positiv zu kommunizieren, offen und transparent zu sein in der Kommunikation, auch an die Eigen-verantwortung des Gegenübers zu appellieren, und zu wissen, was man mit der Kommunikation erreichen möchte.»

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Besonders relevant wird das Kommunizieren der Schiedsrichter:innen vor allem in Konfliktsituationen. Damit diese glimpflich ausgehen, statt zu eskalieren, braucht es Führung der Unparteiischen. Im nächsten Kapitel werden Konflikte in Teamsportarten und deren Eskalationspotenzial theoretisch untersucht.

c. Konflikte in Teamsportarten Auseinandersetzungen zwischen Teams, bzw. meistens zwischen zwei oder mehreren Kontrahentinnen oder Kontrahenten, werden im Sport als Zweikämpfe bezeichnet. Diese gehören genauso zu einer Kontaktsportart wie Unihockey wie beispielsweise die Spiel-regel von swiss unihockey, dass der/die Torhüter:in ohne Stock spielt (Abschnitt 4 Regel 4.3 Punkt 1 SPR). Zweikampfsituationen stehen in direkter Relation zu Konflikten in Sport-arten, in denen zwei Teams aufeinandertreffen. «Fasst man [dabei] Konflikte als kommuni-zierte Widersprüche auf», beispielsweise wenn sich die Meinungen der im Kampf um den Ball involvierten Spieler:innen über die Entscheidung des Unparteiischen widersprechen, «dann sind sie immens häufig» (Thiel, 2002, S. 64). Wenn die Person, die das Spiel leitet, in einen Zweikampf eingreift und dadurch eine Kommunikationssituation zustande kommt, ist es gemäss Willke (1989, S. 99 f.) möglich, mit Konflikt oder mit Kooperation auf ein Kommunikationsangebot zu reagieren. Laut Thiel (2002) führt ein solches Angebot zur Kommunikation von Seiten der Spielleiter:innen zu einem Dissens.

Dieser Dissens kann nun im eigenen Bewusstsein aufgeklärt (man lernt oder man lässt sich überzeugen), verdrängt (man entscheidet sich, trotz Fehlverhalten am Dissens dafür, ihn z. B. aus Angst vor daraus resultierenden negativen Folgen zu verschweigen, oder die Entscheidung ist einem gleichgültig) oder toleriert werden, was sämtlich zu einer Akzeptanz des Kommunikationsangebots und damit zu keinem Konflikt, sondern zu Kooperation führt. (S. 62)

Folglich ist es abhängig von der persönlichen Einstellung der Spielerin oder des Spielers, ob eine Zweikampfsituation mit anschliessender Meinungsverschiedenheit bezüglich der Schiedsrichter:innen-Entscheidung zum Konflikt oder zur Kooperation führt. In letzterem Falle löst sich die Situation nach dem Pfiff schnell wieder auf und das Spiel kann fort-geführt werden. Falls jedoch keine kooperative Bereitschaft vorhanden ist, der Dissens gemäss Thiel (2002, S. 62) ausgesprochen werde, führe dies entsprechend zum Konflikt. Dies sei jedoch normal, Konflikte «entstehen überall und sind meist rasch bereinigte Bagatellen» (Luhmann, 1984, S. 534).

Es kann aber auch sein, dass, wie bereits im vorherigen Kapitel geschildert, die Beziehungsebene zwischen Spieler:in und Schiedsrichter:in gestört ist. Somit kann die Entstehung eines Konflikts bedingt sein durch personenbezogene Ursachen, zum Beispiel «durch die Bereitschaft zu widersprechen, durch das Ausmass der durch das Kommunikationsangebot des Gegenübers enttäuschten personbezogenen [sic] Erwartungen und/oder durch affektlogische Konstruktionen eines ‹Fehlverhaltens› des anderen [sic]» (Thiel, 2002, S. 63). In dieser Arbeit werden zwar die persönlichen Konflikte

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zwischen Unparteiischen und Unihockeyspielerinnen und -spielern nicht näher beleuchtet – doch kann eine zerrüttete Beziehung zum Konflikt führen.

Falls ein solcher Konflikt zwischen zwei konkurrierenden Teams nicht kontrolliert werden kann, führt dies unvermeidlich zur Eskalation. «Das Fatale an Konflikteskalationen [sic] ist, dass sich ihre Dynamik in der Regel aus kleinsten Anfängen unbemerkt entwickelt und eine Eigendynamik entfaltet, die auf Konfliktteilnehmer geradezu übermächtig wirkt» (Pfab, 2020, S. 13). Dies tritt beim Sport beispielsweise dann auf, wenn Zweikämpfe un-kontrollierter werden und die Spielleiter:innen den Zeitpunkt einer proaktiven Interaktion verpassen. Dadurch wird das Konfliktpotenzial nicht entfernt, sodass es zu einer lang-samen und sukzessiven Eskalation kommen kann. Diese ist gemäss Thiel (2003) typisch, «unter anderem durch den Einbezug weiterer Personen in das Konfliktgeschehen» (S. 65). Analysiert man die Stufen der Eskalationsentstehung, erweist sich das Phasenmodell der Eskalation von Glasl (2004) als nützlich. Neun Eskalationsphasen von sozialen Konflikten führen von «Stufe eins: Verhärtung» (S. 236–240) bis zu «Stufe neun: Gemeinsam in den Abgrund» (S. 302). Durch die Position des Unparteiischen im Team-sport überschreitet der sportliche Konflikt die «Stufe drei: Taten statt Worte» (S. 251–258) nicht. Falls eine Auseinandersetzung zweier sich kontrahierender sportlicher Parteien diese Eskalationsstufe erreichen sollte, sodass Reden nichts mehr hilft, müssen zwangs-halber die Schiedsrichter:innen einschreiten und von ihrer Autorität Gebrauch machen.

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Methodik

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3. Methodik Als die Spielzeit 2020/21 der Schweizer Unihockey-Ligen Anfang September 2020 begann, war noch nicht abzusehen, was der Schweizer Unihockeyverband am 23. Oktober 2020 verkünden würde: «Der Spielbetrieb im Schweizer Unihockey wird per sofort unterbrochen».

Am Wochenende des 09./10. Januar 2021 konnte die Nationalliga A der Damen und Herren, die höchste Liga im Schweizer Unihockey, den Spielbetrieb dann wieder auf-nehmen. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit war die Wiederaufnahme der aktuellen NLA-Saison der Damen und Herren von grosser Wichtigkeit: Um genügend Daten in Form von aufgezeichneter Schiedsrichterkommunikation sammeln und auswerten zu können, mussten Unihockeyspiele auf höchstem Niveau gespielt werden. Nur so war es möglich, die vorliegende Arbeit wie geplant durchzuführen.

a. Untersuchungsgegenstand Von Februar 2021 bis zum Saisonende der laufenden Saison sollten während möglichst vieler zufällig ausgewählter Spiele der höchsten Unihockey-Liga der Damen und der Herren die Schiedsrichter:innen-Paare zusätzlich mit Mikrofonen verkabelt und ihre Kommunikation aufgezeichnet werden. So verfolgte der Verfasser innerhalb zweier Monate zehn NLA-Spiele – drei der Frauen-Nationalliga und sieben der Herren – und betrieb dadurch empirische Feldforschung. Für eine hohe Repräsentativität dieser zehn Spiele spricht, dass neun verschiedene Schiedsrichter:innen-Paare begleiten werden konnten und einzig das Duo Hohler/Koch, das in der NLA Herren pfeift, doppelt aufge-zeichnet wurde.

i. Datenübersicht Es folgt eine Auflistung der erhobenen Daten und die dazugehörigen Schieds-richter:innen-Paare:

- 20.02.2021: HC Rychenberg Winterthur vs. Floorball Köniz, Master Round Herren; Schiedsrichter Stephan Schuler/Colin Sprecher

- 27.02.2021: Chur Unihockey vs. Waldkirch-St. Gallen, Master Round Herren; Schiedsrichter Benjamin Ambühl/Simon Brechbühler

- 27.02.2021: Piranha Chur vs. R.A. Rychenberg Winterthur, Playoff Viertelfinal Damen; Schiedsrichter Lorin Begré/Silvan Birbaum

- 06.03.2021: Skorpion Emmental Zollbrück vs. Unihockey Berner Oberland, Playoff Viertelfinal Damen; Schiedsrichter Christian Friemel/Erik Hasselberg

- 13.03.2021: Zug United vs. SV Wiler-Ersigen, Playoff Viertelfinal Herren; Schieds-richter Benjamin Hohler/Pascal Koch

- 20.03.2021: HC Rychenberg Winterthur vs. UHC Alligator Malans, Playoff Viertel-final Herren; Schiedsrichter Sepp Fässler/Benjamin Schläpfer

- 27.03.2021: Tigers Langnau vs. Floorball Köniz, Playoff Viertelfinal Herren; Schiedsrichter Yvan Bühler/Janick Bühler

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Methodik

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- 10.04.2021: Skorpion Emmental Zollbrück vs. Kloten-Dietlikon Jets, Superfinal Damen; Schiedsrichter Christian Crivelli/Davide Rampoldi

- 17.04.2021: Floorball Köniz vs. UHC Alligator Malans, Playoff Halbfinal Herren; Schiedsrichter Benjamin Hohler/Pascal Koch

- 24.04.2021: Floorball Köniz vs. SV Wiler-Ersigen, Superfinal Herren; Schieds-richterinnen Corina Wehinger/Sandra Zurbuchen

Diese zehn Unihockeyspiele verfolgte der Verfasser vor Ort, um teilweise mit Hilfe der Kommunikationsanlage von swiss unihockey die Schiedsrichter:innen-Kommunikation aufzunehmen und einen ersten Eindruck für das verbale und non-verbale Auftreten der Schiedsrichter:innen zu erhalten.

ii. Datensammlung Über die gesamte Arbeit gesehen erhielt der Verfasser Unterstützung von Seiten des Schweizer Unihockeyverbandes, swiss unihockey. So wurde es möglich, während der dokumentierten zehn Unihockeyspiele vor Ort sein, für die teils selbstständige Aufnahme der verbalen Schiedsrichter:innen-Kommunikation die interne Kommunikationsanlage zu verwenden und einen exklusiven Einblick in die Tätigkeiten des Schiedsrichterwesens des Verbandes rund um die Spiele zu erhalten. Somit legte swiss unihockey den Grundstein, die für diese Arbeit notwendigen Daten zu sammeln.

Sieben der zehn in der Datensammlung angegebenen Unihockeyspiele wurden jeweils samstags um 17:00 Uhr auf SRF zwei übertragen. Dabei verkabelte das SRF die Schieds-richter:innen gleich selbst mit Mikrofonen, ähnlich wie bei den auf SRF live ausgestrahlten Eishockeyspielen am Spengler Cup. Roman Kaderli vom SIHF zufolge (siehe Anhang 3) wurden während des Spengler Cups in Davos die Schieds- und Linienrichter mit Mikro-fonen ausgestattet, damit das Publikum zuhause mithören konnte, was und wie im Spiel mit den Spielern und Coaches gesprochen wurde. Während der Übertragungen der Playoff-Spiele der Unihockeysaison 2020/21 wurde die Kommunikation der Unihockey-Schiedsrichter:innen nicht so oft eingespielt wie bei den erwähnten Eishockeyspielen. Dennoch war die Mikrofonverkabelung durch das SRF hilfreich, da swiss unihockey, der Rechtsinhaber der Aufnahmen, diese für die vorliegende Arbeit zur Verfügung stellte. Ausserdem erhielt der Verfasser Zugriff auf die Fernseh- respektive Livestream-Bilder, die das Schweizer Radio und Fernsehen, das ict-Atelier in Chur sowie der Hockeyclub Rychenberg (HC Rychenberg) in Winterthur im Auftrag von swiss unihockey produzierten. Bei vier Spielen der Datensammlung – drei davon wurden anstatt auf SRF zwei auf swissunihockey.tv, der Livestream-Plattform des Schweizer Unihockeyverbandes, über-tragen – verkabelte der Verfasser selbst die Schiedsrichterpaare und zeichnete ihre Kommunikation mit einem eigenen Aufnahmegerät auf.

Alle gesammelten Daten wurden zeitnah nach den Aufnahmen synchronisiert und dem Schiedsrichterwesen von swiss unihockey zur Verfügung gestellt – Videos mit TV- bzw. Livestream-Bildern sowie die verbale Schiedsrichter:innen-Kommunikation. Es stellte sich heraus, dass die meisten Schiedsrichter:innen zum ersten Mal in ihrer Laufbahn Einblick in ihre eigene Kommunikation während eines Unihockeyspiels erhielten.

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Methodik

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b. Gewählte Methode Anhand der vorliegenden Daten wurde nach validen Gründen für eine Eskalation nach Häufung von (unkontrollierten) Konflikten in Unihockeyspielen gesucht. Dafür wurden die untersuchten Partien verglichen, um wissenschaftlich zu beantworten, wie Unihockey-Schiedsrichter:innen der Nationalliga A ein Spiel mit verbaler und non-verbaler Kommuni-kation eskalationsfrei zu Ende führen können.

Um die Daten aus der empirischen Feldforschung systematisch zu bearbeiten, objektiv auszuwerten und damit die Forschungsfrage so repräsentativ und reliabel wie möglich und zudem umfassend beantworten zu können, wurde eine qualitative Inhaltsanalyse gewählt. Damit sollten die Aufzeichnungen der teilweise komplexen und für Laien schwer verständlichen verbalen und non-verbalen Kommunikation der Schiedsrichter:innen zugänglich gemacht werden.

i. Qualitative Inhaltsanalyse Ein Unihockeyspiel in den höchsten Schweizer Ligen dauert offiziell dreimal 20 Minuten, wobei bei einer Spielunterbrechung durch die Schiedsrichter:innen die Zeit angehalten wird. Somit dauert ein Spiel inklusive den Unterbrechungen und den zwei zehn- oder 15-minütigen Pausen zwischen den Dritteln gewöhnlich etwa zwei Stunden. Folglich ergaben sich aus den zehn analysierten Spielen rund zwanzig Stunden Datenmaterial, die es zu untersuchen galt.

Da mit zehn Spielen eine eher geringe Anzahl an ausgetragenen Unihockeymatches der Saison 2020/21 vorlagen – die Nationalliga A der Herren trug zwischen dem ersten Spiel-tag am 12. September 2020 und dem Superfinal am 24. April 2021 132 Spiele aus, während in der NLA der Damen vom 12. September 2020 bis am 10. April 2021 84 Partien gespielt wurden – eignete sich eine qualitative Inhaltsanalyse besser als eine quantitative. Dabei bediente sich der Verfasser der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse mit dem Ziel, «das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, also durch Abstraktion überschaubare Aussagen zu schaffen, die immer noch Abbild des Grundmaterials sind» (Mayring, 1994, S. 164).

Da es rund um die Thematik der Schiedsrichter:innen-Kommunikation einerseits und im Zusammenhang mit der Sportart Unihockey andererseits nicht viel theoretische Literatur gibt, bietet sich eine induktive Kategorienbildung an. Dass sich der Versuch, Literatur zur Schiedsrichter- und Konfliktproblematik zu finden, äusserst schwierig gestaltet, schilderten schon Pilz und Trebels (1975) vor über 45 Jahren. Deshalb wurde für diese Arbeit, ausgehend von den vorliegenden Daten, einen neuer theoretischer Ansatz entworfen.

ii. Induktives Vorgehen Die Analyse der Datensammlung wurde also mit relativ geringem theoretischen Vorwissen vorgenommen. Aufgrund mangelnder früherer Hypothesen wurde das induktive Vor-gehen dem deduktiven vorgezogen. Bei der Deduktion geht man von einer Theorie aus, «die eine oder mehrere potenzielle Antworten auf die entsprechende Forschungsfrage

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liefert bzw. einen oder mehrere mögliche Erklärungsansätze für das zu untersuchende Phänomen bietet» (Wichmann, 2019, S. 28). Man geht demnach vom Wissen aus und versucht gemäss Wichmann (2019), «aus dem Allgemeinen […] das Besondere/Einzelne abzuleiten» (S. 29). Im Gegensatz dazu wird unter Induktion verstanden, «Schluss-folgerungen von Einzelfällen bzw. Einzelbeobachtungen auf das Allgemeine und Regel- bzw. Gesetzmässige zu ziehen» (Wichmann, 2019, S. 30).

Wie oben bereits erwähnt, lag mit den zehn aufgezeichneten Unihockeyspielen nur ein kleiner Teil der 216 ausgetragenen Partien in den NLA der Herren und Damen vor. Aufgrund mangelnder Literatur kam es bei der Auswertung folgerichtig zur Induktion. Um die Aufzeichnungen der Spiele – bestehend aus den Videobildern, synchronisiert mit der verbalen Schiedsrichter:innen-Kommunikation – induktiv zu analysieren und die Forschungsfrage zu beantworten, wurde mit MAXQDA gearbeitet, einem Software-programm für qualitative Datenanalyse. Nachdem der Verfasser die Matches bereits live gesehen und die Kommunikation der Unparteiischen währenddessen gehört hatte, suchte er im Prozess der Datenvisierung Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Unihockeypartien und dem kommunikativen Auftreten der Schiedsrichter:innen.

Mit wachsendem Fortschritt der Analyse und unter Berücksichtigung der Fragestellung wurden in MAXQDA neue Codes hergestellt und solche von bereits visierten Spielen bestätigt. Nach der Definition verschiedener Kategorien wie kritische Spielsituationen, interne, externe und proaktive Kommunikation sowie Stellungsspiel und Zeichengebung, ging es um deren Reduktion. Der Kategorienkatalog wurde reduziert auf das verbale Kommunizieren, das das interne, externe sowie proaktive vereint, und das non-verbale Agieren auf dem Spielfeld. Primär die erste Kategorie führte schliesslich aus der empirischen Forschung heraus zum abschliessenden Fazit, was den Unihockey-Schieds-richterinnen und -Schiedsrichtern helfen könnte, ein Spiel bis zum Schlusspfiff mithilfe ihrer kommunikativen Fähigkeiten eskalationsfrei halten zu können.

Die Ergebnisse der empirischen Forschung in Bezug auf die Frage, wie Unparteiische in der höchsten Liga des Schweizer Unihockeys (NLA Herren und Damen) verbal und non-verbal kommunizieren müssen, sodass ein Spiel eskalationsfrei zu Ende gespielt werden kann, werden nachfolgend dokumentiert und im Anschluss diskutiert.

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4. Empirische Forschung Beobachtet man während eines Unihockeyspiels die Schiedsrichter:innen bei ihrer Arbeit, so fällt auf, dass sie ständig sprechen. Wenn man zusätzlich noch die Möglichkeit hat, sie ergänzend zu ihrem eigenen Kommunikationssystem mit Mikrofonen zu verkabeln, so bestätigt sich diese Beobachtung: Sie kommunizieren sehr häufig, sei dies untereinander – um sich beispielsweise betreffend Zonenzuteilung, Meldungen beim Spielsekretariat nach einem Tor oder nach einer Zeitstrafe oder kritischen Situation abzusprechen – aber auch gegen aussen mit den Spielerinnen und Spielern sowie Trainerinnen und Trainern. Diese Kommunikation aufzuschlüsseln, war unter anderem Ziel der Datenanalyse.

In der externen Schiedsrichter:innen-Kommunikation sprechen die beiden Unparteiischen regelmässig mit den Unihockeyspielerinnen und -spielern. Dabei kann man bezüglich der zehn Matches, die für die qualitative Inhaltsanalyse zur Verfügung standen, zwei Arten unterscheiden: Es gibt einerseits die kurze, vor allem bestätigende Kommunikation gegenüber den Akteurinnen und Akteuren während oder nach Zweikampfsituationen, sowie andererseits die präventionsorientierte Kommunikation durch Rat- und Verbesserungsvorschläge, sowohl auf dem Spielfeld als auch bei der Ersatzbank und gegenüber den Coaches. Erstere äussert sich vor allem durch eine Interaktion mit einzelnen Worten wie «sauber», «ist gut», «okay», «Ball», «weiter» etc. Diese Art der positiven Begleitung einer Aktion fiel durch das Reduzieren bei der Kategorienbildung aus der Inhaltsanalyse. Begründet wird dies dadurch, dass Schiedsrichter:innen-Paare häufig Situationen so kommentieren – dies jedoch meist beiläufig geschieht und nicht vollständig im Sinne der Proaktivität gemäss swiss unihockey. Beispielsweise die Schiedsrichter Sepp Schläpfer und Benjamin Fässler reagieren bei nahezu jeder fairen Interaktion zweier Gegenspieler mit «gut» (Video 6). Das Duo Lorin Begré und Silvan Birbaum, die Spiele in der NLA Damen pfeifen, warnen die Spielerinnen regelmässig mit «bleibt sauber» vor (siehe Video 3). Solche Kommentare sind nicht zu vernachlässigen, denn sie können ebenfalls einen präventiven Nutzen haben. Wenn etwa die beiden Unparteiischen Benjamin Hohler und Pascal Koch in ihren Spielen hauptsächlich mit «ist gut so», «könnt kommen» und «gut so, let’s go!» kommunizieren, hilft ihnen dies merklich, den Kontakt zu den Spielern aufrecht zu erhalten (Videos 5 und 9). Doch es handelt sich hierbei nicht um die gleiche proaktive Kommunikation, die andere Schiedsrichter:innen-Paare häufig den Spielerinnen und Spielern gegenüber verwenden.

Auf ebendiese Proaktivität wurde bei der Kategorienbildung im Prozess der Induktion der Schwerpunkt gelegt. Dabei wurde auf die kommunizierte, konkrete Prävention geachtet, wie bei einer der ersten proaktiven Interventionen von Stephan Schuler und Colin Sprecher, als Sprecher die Spieler warnte, sie sollten an der Bande sauber in den Rücken arbeiten (Video 1, 02:51). Ausserdem wurde der Fokus in der verbalen, proaktiven Kommunikation auf bewusst gesetzte Rat- und Verbesserungsvorschläge gelegt sowie präventive Ausrufe, wie «sauber arbeiten!», «Nicht in den Rücken!» oder «Legt den Stock nur hin!». Diese kurzen Interaktionen zeigen nur einen kleinen Teil der proaktiven Möglich-keiten. Jenen zu erweitern ist Ziel des nächsten Abschnitts.

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a. Verbale Kommunikation Im verbalen Kommunizieren lassen sich bedeutsame Unterschiede zwischen den ver-schiedenen Schiedsrichter:innen-Paaren erkennen. Die Beobachtungsergebnisse der Inhaltsanalyse hinsichtlich der Fragestellung, wie sich insbesondere mit verbaler Kommunikation eine Eskalation des Spiels verhindern lässt, werden nachfolgend dargestellt.

Tabelle 1: Verbale Kommunikation im Quervergleich der Schiedsrichter:innen-Paare Quelle: eigene Darstellung (mit MAXQDA)

Die codierten Segmente der zehn aufgezeichneten Unihockeyspiele zeigen den oben erwähnten Kontrast zwischen den verschiedenen Duos an Unparteiischen (siehe Tabelle 1). Dabei bezeichnet die interne Kommunikation das Besprechen und Diskutieren der Schiedsrichter:innen untereinander, jedoch exklusiv den Hinweisen betreffend Zonen-zuteilung, die eine ähnliche Häufigkeit aufweisen wie das beiläufige, positive Begleiten von Aktionen (siehe dazu Unterkapitel 4b zur non-verbalen Kommunikation). Diese Gespräche über das Kommunikationssystem, über das die Schiedsrichter:innen miteinander ver-bunden sind, stehen im direkten Gegensatz zum Kontakt gegen aussen. Hierbei lässt sich unterscheiden zwischen der externen Kommunikation, die die Absprachen, teils auch proaktiver Natur, mit Spielerinnen, Spielern und Coaches abseits des Spiel-geschehens oder danach bezeichnet – dazu gehören das Erklären von Pfiffen und Rück-sprachen mit dem Captain oder dem Coach eines Teams –, und der speziell ange-wandten Proaktivität selbst. Diese deckt gemäss Erhard das einerseits vorwärts gerichtete und positive, andererseits das offene und transparente Kommunizieren in den Situationen und gleich im Anschluss sowie den Appell an die Eigenverantwortung der Beteiligten ab (siehe Anhang 2.2). Aus der Gegenüberstellung dieser Kommunikations-bereiche der Unparteiischen-Duos wird ersichtlich, dass meist ein Bereich dominant ist. Wie diese Ergebnisse der einzelnen Paare und deren Gewichtung der internen und externen, inklusive der proaktiven, verbalen Kommunikation zustande kommen, wird in den folgenden Unterkapiteln ausgewertet, sortiert nach Spiel- und somit Aufnahme-datum.

i. Schiedsrichter Schuler/Sprecher Die beiden jungen Schiedsrichter wirkten in ihrer Aufgabe der Spielleitung eines Matches noch vor den Playoffs oftmals unsicher. Dies zeigte sich mehrheitlich in der Zurückhaltung gegenüber den Spielern und der Ersatzbank inklusive Trainerstab. Das Spiel führten sie vor allem durch positives Begleiten.

Auffällig zu beobachten war die Gewichtung zwischen der internen und der externen Kommunikation: Bei dem eher selten auftretenden Kontakt gegen aussen – codiert wurden 23 kürzere und längere Gespräche mit Spielern oder Mitgliedern eines der Teams sowie 55 proaktive Interaktionen (siehe Tabelle 1) wie der Kommentar gegen Ende des ersten Drittels, «sauber in den Rücken, sauber arbeiten, Jungs» (Video 1, 24:53) –

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kommunizierten sie sehr zielgerichtet. Problematisch könnte es sein, wenn sie zu konziliant werden, etwa in der 40. Minute, als Colin Sprecher einem Spieler von Floorball Köniz nach einer Reklamation wegen Haltens erklärte, es sei schwierig zu sehen, aber er werde darauf achten (Video 1, 1:05:46). Durch zu viel Raum für Diskussionen könnte ein solches Spiel ein zu grosses Konflikt- und Eskalationspotenzial schüren.

Nebst der verbalen Arbeit gegen aussen, um das Spielgeschehen aktiv im Griff zu behalten, diskutierten Schuler/Sprecher oft untereinander. Zu Gast bei dem Unihockey Podcast ‹Starting Six› wurde folgende Spielsituation geschildert: Colin Sprecher erzählte seinem Gegenüber, dass ein Könizer ihm gesagt habe, es gäbe immer zwei Teams. Sprecher habe erwidert, «es gibt auch meistens ein sauberes und eines, das weniger sauber spielt», und Schuler stellte daraufhin fest, «wir sind jetzt nicht hier, um zu philo-sophieren» (Video 1, 1:03:33). Deshalb gab Schuler (2021) im Podcast-Gespräch folgendes zu: «Diese Situation zeigt eigentlich gerade eine schöne Herausforderung von uns, oder. Man möchte immer viel mehr besprechen auf dem Feld, als man effektiv Zeit hat» (16:17–16:27).

ii. Schiedsrichter Ambühl/Brechbühler Vergleicht man die verbale Kommunikation zwischen dem bereits analysierten Schieds-richter-Duo Schuler/Sprecher und dem nächsten, den beiden Zürchern Ambühl/Brechbühler, kann man grosse Unterschiede feststellen:

Tabelle 2: Kommunikationsvergleich Schuler/Sprecher und Ambühl/Brechbühler Quelle: eigene Darstellung (mit MAXQDA)

Während bei Ambühl/Brechbühler intern wie extern etwas mehr kommuniziert wird, ist die häufige Proaktivität der beiden besonders auffällig (siehe Tabelle 2). Die beiden Schiedsrichter suchten sehr häufig den Kontakt zu den Spielern und liessen sie sehr genau wissen, was sie in der jeweiligen Situation falsch gemacht hatten. Ebenfalls auffällig ist, dass Benjamin Ambühl und Simon Brechbühler fast alle Spieler beim Namen kennen und dadurch bei Bedarf sehr explizit auf diese eingehen konnten (Video 2).

Simon Brechbühler gab nach gespielten 02:37 Minuten die erste Zweitminutenstrafe gegen Waldkirch-St. Gallen (Video 2, 03:52). Stossen hiess das Verdikt, für das der bestrafte Spieler auf die Strafbank musste. Ein etwas voreiliger Entscheid, gestand Brechbühler dem Spieler anfangs der Drittelpause: «Das ist genau das, wenn der Schiedsrichter nicht cool ist» (Video 2, 27:59). Der Umgang mit der Fehlentscheidung zeigt das Selbstbewusstsein, zu eigenen Fehlern stehen und sich dem Spieler und dessen Mannschaft gegenüber verletzlich zeigen zu können. Damit setzte er das um, was Thomas Erhard im Interview (siehe Anhang 2.2) als Kernpunkt einer erfolgreichen Schiedsrichter:innen-Kommunikation bezeichnete: «So kommunizieren, wie man ist. […]

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Es bringt einfach nichts, Fehler oder schlechte oder unglückliche Entscheidungen schön zu reden oder anders darstellen zu wollen, als sie waren».

Auffällig war im Laufe des Spiels, das über den Einzug der Teams in die Playoffs ent-schied, dass während des dritten Abschnitts Hektik aufkam. Das zeigte sich durch die vermehrte Diskussionsbereitschaft der Spieler unmittelbar nach kritischen Situationen und Konflikten. Zudem haderte das Schiedsrichterpaar öfters mit schwierigen Ent-scheiden. Einen möglichen Grund für diese zwei Auffälligkeiten bot Simon Brechbühler nach etwas mehr als fünf gespielten Minuten des letzten Drittels selbst, als er seinem Partner Ambühl seine Beobachtung kundtat: «Ich finde, wir reden viel Gutes, aber die Teams wissen es gerade nicht so» (Video 2, 1:30:47). Durch die verpasste externe Kommunikation und die fehlende Nähe ermöglichten sie einen solch hektischen Start in das Schlussdrittel. Nach dieser Absprache aber übernahmen sie wieder die Kontrolle, kommunizierten klar gegen aussen und beherrschten die Dynamik, wodurch das Spiel nicht mehr zu eskalieren drohte.

iii. Schiedsrichter Begré/Birbaum Ein ähnliches Bild wie bei Ambühl/Brechbühler zeigt sich bei Begré/Birbaum der NLA Damen. Lorin Begré und Silvan Birbaum reduzierten ihre interne Kommunikation nur auf das Nötigste. Es gab kaum Positionsabstimmungen, das Paar schien seine Aufmerk-samkeit ganz dem Spiel und den Akteurinnen zu widmen. Begré/Birbaum sprachen diese jeweils während den Situationen an der Bande proaktiv an und warnten sie vor einem Aufeinandertreffen vor, sodass der Kontakt nicht zu hart wurde und Konfliktsituationen vermieden wurden. Anders als bei Ambühl/Brechbühler gab es hier nach dem Abpfiff einer Situation kaum noch eine Kommunikation.

Im ersten Viertelfinalspiel der Best-of-5-Serie zwischen Piranha Chur und den Red Ants Rychenberg aus Winterthur gab es zwei schwierige Situationen für die Unparteiischen: Die eine, gleich zu Beginn, wäre womöglich zu verhindern gewesen, denn Birbaum musste eine Spielerin mit einer Matchstrafe (rote Karte) bestrafen, da sie nicht auf dem Matchblatt des Teams mit den gemeldeten Spielerinnen stand. Dies war weder der Fehler der Spielerin noch des Schiedsrichters, aber eine angespannte Situation entstand dennoch (Video 3, 08:54). Eine andere, eher zu diskutierende Entscheidung traf Begré in der letzten Sekunde des Spiels: Die Partie, die nach drei Dritteln ausgeglichen war, gipfelte in der zehnminütigen Verlängerung in einem Tor, das vermeintlich zeitgleich mit der Schlusssirene fiel. Der Spielleiter stand zum Zeitpunkt, als der Ball die Torlinie über-querte, auf deren Höhe und entschied entgegen der Meinung der benachteiligten Winter-thurerinnen auf Tor und somit auf Sieg der Churerinnen. Im Anschluss musste sich Begré für diesen Entscheid rechtfertigen, der auch im Videostudium nicht vollends zu klären ist (Video 3, 2:08:22).

iv. Schiedsrichter Friemel/Hasselberg Ein weiteres Schiedsrichterpaar, das in der Nationalliga A der Damen pfeift, sind Christian Friemel und Erik Hasselberg. Sie kommunizierten gleich zu Beginn sehr viel untereinander und fügten sich ihrer Meinung nach schnell ins Spielgeschehen ein (Video 4, 08:13). Zu

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diesem Zeitpunkt liessen sie die beiden Teams, Skorpion Emmental Zollbrück und Uni-hockey Berner Oberland, in ihrem dritten Viertelfinalspiel grösstenteils spielen, ohne viel zu intervenieren. Die hier auffallende, häufige interne Kommunikation lässt sich auch in einer Gegenüberstellung mit dem vorherigen Paar feststellen:

Tabelle 3: Kommunikationsvergleich Begré/Birbaum und Friemel/Hasselberg Quelle: eigene Darstellung (mit MAXQDA)

Begré/Birbaum, die ein Spiel inklusive Verlängerung leiteten, sprachen sich intern nur etwa halb so oft ab wie dies Friemel/Hasselberg während der regulären Spielzeit von 60 Minuten taten. Ansonsten fällt auf, dass, auch wenn letztere zu Beginn wenig Kontakt zu den Spielerinnen hatten, sie am Ende dennoch auf etwa die gleiche Proaktivität kamen wie Lorin Begré und Silvan Birbaum (siehe Tabelle 3).

Diese proaktive Kommunikation setzte sich bei Friemel/Hasselberg zusammen aus kon-struktiven, aufbauenden und sogar lobenden Worten gegenüber den Spielerinnen – aber dennoch misslang es ihnen, speziell gegen Ende des Spiels, Konflikte, die in kleineren Eskalationen endeten, zu verhindern: In der 54. Spielminute ging eine Spielerin von Uni-hockey Berner Oberland zu hart in den Zweikampf. Die Folge war eine Zweiminutenstrafe (Video 4, 1:37:28). Bereits früher im Spiel fiel sie mit hart geführten Aktionen auf, doch nie wurde von Seiten der Schiedsrichter interveniert. Vielleicht hätten sie eine solche Strafe verhindern können, wenn sie die Betroffene bereits zu einem früheren Zeitpunkt ange-sprochen hätten. Erwähnenswert ist deshalb auch, dass die Spielerin kommentarlos auf die Strafbank geschickt und völlig sich selbst überlassen wurde. An einem proaktiven Kommentar mangelte es dann auch in der Schlusssekunde, als wegen Stossens die Tor-hüterin aus dem Berner Oberland ebenfalls eine Strafe kassierte (Video 4, 1:46:38).

v. Schiedsrichter Hohler/Koch Das Schiedsrichter-Duo Hohler/Koch wurde zweimal analysiert, einmal während des Herren-Viertelfinals zwischen Zug United und dem SV Wiler-Ersigen und einmal in der entscheidenden Halbfinalpartie der Serie Floorball Köniz gegen den UHC Alligator Malans. Die Leitung dieser Spiele, explizit des zweiten, spricht für ihre Kompetenz, da sie als Spielleiter eines Halbfinals zu den besten vier Paaren der Saison 2020/21 gehörten. Wie zu Beginn dieses Kapitels bereits erwähnt, begleiteten sie Spielsituationen mit kurzen, positiven Appellen, jedoch mangelte es meist stark an vertiefter proaktiver Kommuni-kation.

Tabelle 4: Kommunikationsanalyse von Hohler/Koch Quelle: eigene Darstellung (mit MAXQDA)

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In einer direkten Gegenüberstellung mit der Proaktivität fällt die Häufigkeit des internen Kontaktes auf (siehe Tabelle 4). Dabei stimmten sich Benjamin Hohler und Pascal Koch immer wieder über ihre Verantwortungsbereiche sowie ihre Zonen auf dem Spielfeld ab und sprachen über ihr Stellungsspiel. Da sie meist mit sich selbst und ihrer Position beschäftigt waren, mangelte es am konstruktiven Feedback den Spielern gegenüber. Betreffend der proaktiven Kommunikation sprachen sie sich zu Beginn des Viertelfinals ab, als Benjamin Hohler das Ziel festhielt: «Noch mehr positiv begleiten, das hilft uns auch, drin zu bleiben» (Video 5, 09:49). Eine Verbesserung war nicht zu beobachten, auch im Halbfinalspiel nicht, in dem sie etwa einen zu harten Stockeinsatz der Teams feststellten, jedoch nicht gegen aussen kommunizierten.

Im zweiten Spiel von Hohler/Koch gab es durch die Brisanz – Floorball Köniz zog mit seinem Sieg nach Verlängerung in den Superfinal ein – einige hektische und schwierig zu beherrschende Situationen: Zum Beispiel wurde zur Spielhälfte eine Zweiminutenstrafe gegen einen Könizer Spieler wegen überharten Körpereinsatzes ausgesprochen (Video 9, 49:45). Hohler erklärte ihm zwar den Grund, jedoch hatte sich durch mangelnde Inter-aktion dieses Spieler-Schiedsrichter-Verhältnis bereits vorher verschlechtert. Als knappe fünf Minuten später ein Malanser einen Spieler von Köniz mutmasslich vorsätzlich in den Rücken checkte, ging auch dies ohne Intervention der beiden Unparteiischen vorüber (Video 9, 56:40). Es fanden sich weitere kritische, konfliktschürende Aktionen, in denen Hohler/Koch weder die Emotionen noch das Risiko einer möglichen Eskalation bremsen konnten.

In der Verlängerung dieses brisanten Halbfinalspiels schliesslich liessen die beiden Schiedsrichter beinahe jeden hart geführten Zweikampf laufen, um nicht durch eine strittige Schiedsrichterentscheidung das Spiel zu entscheiden. Dank der ausgebliebenen proaktiven Kommunikation, gepaart mit einer gewissen Distanz zu den Zweikämpfen an der Bande, erklärt sich auch das nicht sanktionierte Vergehen an einem Könizer Spieler, als dieser durch sichtbaren gegnerischen Kontakt gegen die Bande schlägt (Video 9, 1:49:22).

vi. Schiedsrichter Fässler/Schläpfer Die beiden aus der Ostschweiz stammenden Spielleiter Sepp Fässler und Benjamin Schläpfer kommentieren viele Aktionen knapp mit dem Wort ‹gut›. Fast jeder faire Zwei-kampf und jede gelungene Aktion der Spieler zieht einen solchen kurzen, positiven Kommentar nach sich. Ansonsten hielten sich die beiden von Anfang an klug aus dem Spiel raus, liessen die Mannschaften spielen und zeigten sich überrascht über den Spiel-plan, der «unerwartet taktisch» war (Video 6, 09:31). Als es noch während des ersten Drittels zu mehreren kleineren Vergehen in den Spielfeldecken kam, teilte Fässler dies transparent den Spielern mit, sie sollten diese wieder rausnehmen. Dazu nahmen sich die beiden Schiedsrichter gleich vor, in solchen Situationen allgemein mehr zu kommuni-zieren (Video 6, 19:22).

Zudem fällt auf, dass Fässler/Schläpfer bezüglich Proaktivität die Spieler bereits vor einem Aufeinandertreffen an der Bande warnten, sie sollten sauber in den Rücken arbeiten

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(Video 6, 49:21, 1:09:07). Zugleich sprachen die beiden intern nur das Nötigste ab, weshalb sie völlig fokussiert die Spieler ansprechen und dadurch aktiv ein konstruktives Spiel fördern konnten. Dass dieses Vorhaben erfolgreich sein kann, zeigten das letzte Drittel und die Verlängerung, als sie durch ihre externe Kommunikation einen positiven Einfluss erwirkten. Dies wurde auch von ihnen selbst freudig kommentiert (Video 6, 1:33:04).

vii. Schiedsrichter Bühler/Bühler Vergleicht man Fässler/Schläpfer mit dem Brüder-Duo Bühler/Bühler, fällt auf, dass die internen Absprachen der Schiedsrichterpaare etwa gleich häufig vorkamen. Ein Unter-schied bestand darin, dass sich die Ostschweizer oft konkret bezüglich einer Situation absprachen. Yvan und Janick Bühler hingegen stimmten häufig ihre Zonenaufteilung und ihr Stellungsspiel ab. Letzteres beherrschen sie sehr, wie man im Viertelfinalspiel zwischen den Tigers Langnau und Floorball Köniz feststellen konnte. Jedoch schienen sie trotz ihrer Nähe zu den Situationen die Spieler mit ihren Ansprachen kaum zu erreichen.

Tabelle 5: Kommunikationsvergleich Fässler/Schläpfer und Bühler/Bühler Quelle: eigene Darstellung (mit MAXQDA)

Diese mangelnde proaktive Kommunikation lässt sich gut im Direktvergleich mit den Unparteiischen Fässler/Schläpfer erkennen (siehe Tabelle 5). Während diese in Zweikampfsituationen mit Eskalationspotenzial die Spieler gezielt ansprachen und sie an der Bande begleiteten, sprachen sich Bühler/Bühler in solchen Situationen über ihr Stellungsspiel ab. Ein Beispiel bietet eine Szene aus der zehnten Spielminute, als Janick anschliessend Yvan lobte, dass sich die Szene nur durch dessen Präsenz aufgelöst habe (Video 7, 13:50).

Im Laufe des Spiels häuften sich die Konflikte und heiklen Szenen, die nicht mehr nur durch die Nähe eines Schiedsrichters umgangen werden konnten. In Momenten wie gegen Ende des Mitteldrittels, als ein Langnauer seinen Gegenspieler in den Rücken und über die Bande stiess, pfiffen Bühler/Bühler zwar ab, aber eine Intervention proaktiver Art blieb aus (Video 7, 1:04:47). Als kurze Zeit später eine ähnliche Aktion auftrat und die Könizer Mannschaft sich stark enervierte, kommentierte Yvan Bühler, der wenige Meter entfernt stand, «ich weiss nicht, was hier geschieht, wenn er so ins Tor rauscht». Wie man in der Wiederholung sieht, war ein klares Stossen in den Rücken sichtbar und man hätte hier sanktionieren können (Video 7, 1:05:33).

Dass das Spiel mit der Zeit immer verfahrener wurde, zeigt sich in der 50. Spielminute, als die Partie bei einem Spielstand von 6:0 aus Sicht der Könizer im Grunde entschieden war: Auf Höhe der Mittellinie verkeilten sich zwei Gegenspieler in einem Zweikampf. Die einzige Reaktion der Schiedsrichter war ein einzelner Pfiff, um den herrschenden Konflikt abzupfeifen, und ein darauffolgender Dreifachpfiff, um das Spiel gemäss Spielregeln

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Abschnitt 2 Regel 2.1 Punkt 2 SPR aussergewöhnlich zu unterbrechen. Kommunikation irgendwelcher Art blieb jedoch aus.

Da dieses Viertelfinalspiel sehr deutlich zu Gunsten von Floorball Köniz ausfiel (Endstand 10:0), kämpften fast ausschliesslich die Tigers Langnau mit überhartem Körpereinsatz und ihren Emotionen. Gegen Spielende hin zeigte sich dies vor allem darin, dass sie keinen Angriff mehr ruhig und bedacht lancierten. Durch diese Einseitigkeit – sei es spielerisch, aber auch betreffend Konfliktfreudigkeit – eskalierten die aufgetretenen Kon-flikte nicht vollends.

viii. Schiedsrichter Rampoldi/Crivelli Den Superfinal der NLA Damen am 10. April 2021, die letzte Partie der Saison zwischen Skorpion Emmental Zollbrück und den Kloten-Dietlikon Jets, leitete das Tessiner-Duo Christian Crivelli und Davide Rampoldi. Da die interne Kommunikation auf Italienisch geführt wurde, liess sie sich nicht verstehen. Deshalb war es schwierig, sie nach Positionsabstimmungen und Diskussionen aufzuschlüsseln wie bei den Deutsch-schweizer Paaren. Daher galt der Fokus bei Crivelli/Rampoldi ihrem Auftreten gegen aussen.

Auffallend gut kommentierten sie die Zweikampfaktionen zwischen den Spielerinnen und leiteten diese in den Situationen und danach an. Speziell nach kleineren Konflikten erklärten sie ihre Pfiffe, etwa zu Beginn des Spiels, als sie die Emmentalerinnen ermahnten, sie müssten Acht geben auf den Stockeinsatz (Video 8, 10:03). Zudem lobten sie regelmässig die Spielerinnen für einen sauberen und guten Kampf an der Bande, dies im Gegensatz zu anderen Duos nicht einfach mit «gut» oder «sauber», sondern in direkter Ansprache (Video 8, 21:34). Sprachbarrieren schienen kein Hindernis. Die Interaktion mit den Spielerinnen wurde regelmässig gesucht.

Als im letzten Drittel die Zweikämpfe härter wurden, aber dennoch fair blieben, liessen Crivelli/Rampoldi diese laufen, was aufzeigt, dass sie die Partie unter Kontrolle hatten. Bei einer Strafe fünf Minuten vor Schluss wegen wiederholten Vergehens gegen das Team aus Zollbrück nahmen sie sich genügend Zeit, die Situation gut zu erklären und die Strafe verständlich zu machen (Video 8, 1:45:15). Nur eine Minute später gerieten eine Spielerin der Skorpions und eine der Jets aneinander. Crivelli suchte die Nähe zum Konflikt und konnte diesen durch eine ruhige Ansprache ohne jegliche Eskalation beenden.

ix. Schiedsrichterinnen Wehinger/Zurbuchen Im letzten Spiel der Unihockeysaison 2020/21 pfiff das Duo Wehinger/Zurbuchen den Superfinal der NLA Herren, das Berner Derby Floorball Köniz gegen den SV Wiler-Ersigen.

Auch wenn sich die beiden Schiedsrichterinnen regelmässig intern über die Aufteilung der Zonen absprachen, geschah dies jeweils sehr bündig. Ein kurzes «ich habe vor dem [Tor]» oder «ich habe Ball» reichte aus, um zu wissen, was die andere abdecken wollte. Allgemein zeugte die Kommunikation untereinander von ihrer Professionalität; sie unter-stützten sich gegenseitig und lobten sich nach schwierigen Pfiffen und herausfordernden Situationen. Ein Beispiel für die verschiedenen internen Interaktionen bietet das Lob von

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Corina Wehinger gegen Ende des ersten Drittels, als sie sich bei ihrer Partnerin für die Unterstützung vor dem Tor bedankte (Video 10, 33:33).

Bezüglich externer, proaktiver Kommunikation warnten sie bereits vor Zweikämpfen und möglichen Konflikten die Spieler vor, diese sollten aufpassen, auf die Stöcke und deren Einsatz achten sowie bei einem Gegenangriff von hinten kommend vorsichtig sein. Bei Aktionen, in denen solch positives Begleiten nichts brachte, blieben sie dennoch feder-führend. Ein Beispiel findet sich im ersten Drittel, als ein Wiler Spieler zu hart vorcheckte und von Wehinger, die etwas entfernt von der Situation stand, ein lautes «He!» zu hören bekam (Video 10, 14:41). Ein anderes Beispiel liefern Wehinger/Zurbuchen kurz vor der ersten Pause: Nach einer heiklen Zweikampfsituation vor der Spielerbank der Könizer kam es auf der anderen Seite des Spielfeldes zum nächsten Konflikt. Die Schieds-richterinnen pfiffen ab, unterbrachen die Partie und erklärten kurz und sachlich, dass solche Konfliktsituationen keinen Platz hätten (Video 10, 32:06). Im Laufe der Drittel zwei und drei bewiesen sie immer wieder ihre Autorität, beispielsweise, als Wehinger einen Könizer Spieler in der 35. Minute wegen übertriebener Härte auf die Strafbank schickte: «[Du] kannst gehen, geh raus […] Ellbogen ins Gesicht, geh raus!» (Video 10, 58:02). Ähnlich kompromisslos griffen die beiden Spielleiterinnen immer wieder durch.

Aufgrund der besonderen Situation des Meisterschaftsfinals und des Derbys waren Spannungen zu erwarten, doch Wehinger/Zurbuchen hatten trotz aller Konflikte das Spiel stets unter Kontrolle. Bemerkenswert war auch, wie die beiden Frauen gegen Ende des Matches mit den Mannschaften mitfieberten und dennoch den Fokus behielten.

b. Non-verbale Kommunikation Ergänzend zur verbalen gilt diese Arbeit auch der non-verbalen Kommunikation und der Frage, wie Schiedsrichter:innen unter Anwendung beider Komponenten ein Unihockey-spiel ohne Eskalation leiten können. Bei den Arten, wie die Spielleiter:innen ohne Worte agieren und somit ein Spiel prägen können, fällt in der Datensammlung der zehn Unihockeyspiele besonders das Stellungsspiel auf. Zudem ist auch die Zeichensprache wichtig, wie swiss unihockey (2021a) in seinem Online-Lernmodul zur Grundlage der Zeichengebung schreibt: «Als Schiedsrichter muss es dein Ziel sein, der ganzen Halle durch einfache und klare Zeichen zu zeigen, wie es weiter geht und was passiert ist. Wie die gesamte Kommunikation soll auch die Zeichengebung einen individuellen Stil zulassen». Zur Zeichengebung gehört das Anzeigen der Richtung von Freischlägen, Vorteilssituationen und Vergehen. Auch wenn die Zeichen zu einem überzeugenden Auf-treten der Unparteiischen beitragen können, ist es von aussen schwierig zu beurteilen, wann ein Fehler im Anzeigen auftritt. Deshalb fällt die Zeichengebung aus dem Kategoriensystem; dennoch ist klar, dass sie für den Erfolg der Schiedsrichterarbeit wichtig ist.

Wenn man folglich im Bereich der non-verbalen Kommunikation auf das Stellungsspiel achtet, fällt auf: Das proaktive Kommunizieren überschneidet sich vielfach mit einer dem Zweikampf nahen Position der Schiedsrichter:innen. Dabei kommt es sehr auf den Ort,

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den Sektor des Spielfeldes an, an dem sich die Spielsituation abspielt. Findet ein Zwei-kampf in Tornähe oder in einer der vier Spielfeldecken statt, ist es den Schieds-richter:innen möglich, nahe an der Situation zu sein. Erhard (2021) kommentiert diese Beobachtung so: «Wenn ein Pfiff oder Entscheid aus einer nahen Distanz kommt, […] dann bist du einfach automatisch glaubwürdiger» (1:02:41–1:02:47). Wenn ein kritischer Entscheid aus der Nähe fällt, so nehmen die Spieler:innen einen solchen leichter hin, als wenn der oder die Unparteiische weit weg steht und unkommentiert abpfeift. Bei letzterem befinden sich die Spieler:innen im Ungewissen und wissen je nach voran-gegangener Aktion nicht, welchen Verstoss er oder sie mit einer solchen Unterbrechung anzeigt.

Tabelle 6: Unterschiede verbaler (proaktiver) und non-verbaler Kommunikation (Stellungsspiel) Quelle: eigene Darstellung (mit MAXQDA)

Die sehr unterschiedliche Verteilung von proaktiver Kommunikation und gutem Stellungs-spiel sind auffällig (siehe Tabelle 6). So zeigt sich bei manchen Paaren ihre Proaktivität verbunden mit ihrer Nähe in wichtigen Spielsituationen, während andere stärker verbal proaktiv sind, statt non-verbal auf Nähe zu achten.

Tabelle 7: Starkes Stellungsspiel kompensiert schwache verbale Proaktivität Quelle: eigene Darstellung (mit MAXQDA)

Es gibt Schiedsrichter:innen-Paare, die durch ein auffallend nahes und gutes Stellungs-spiel ihre schwache proaktive, verbale Kommunikation kompensieren und so den Match eskalationsfrei halten (siehe Tabelle 7). So geht es beispielsweise den jungen Schieds-richtern Stephan Schuler und Colin Sprecher, den Schiedsrichterbrüdern Yvan und Janick Bühler oder auch Benjamin Hohler und Pascal Koch, die zweimal analysiert wurden.

Tabelle 8: Proaktives Kommunizieren überragt Stellungsspiel Quelle: eigene Darstellung (mit MAXQDA)

Auf der anderen Seite ist zu sehen, wie die Unparteiischen in der NLA Damen Christian Friemel und Erik Hasselberg, Corina Wehinger und Sandra Zurbuchen in der NLA Herren, «das aktuell beste Duo» (swiss unihockey, 2021), oder die beiden Zürcher Schiedsrichter Benjamin Ambühl und Simon Brechbühler die proaktive Kommunikation im Vergleich mit dem Stellungsspiel viel öfter einsetzen (siehe Tabelle 8). Dies spricht jedoch nicht für ein schwaches non-verbales, sondern vielmehr für ein äusserst erfolgreiches verbales Kommunizieren.

In Bezug auf das Stellungsspiel lässt sich feststellen, dass viele Schiedsrichter:innen-Paare sich häufig intern über ihre Positionen und Verantwortungsbereiche absprechen.

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Empirische Forschung

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Die sogenannte Zonenaufteilung ist wichtig, damit das gesamte Spielgeschehen abge-deckt ist; wenn zum Beispiel in der Ecke hinter dem Tor ein Zweikampf stattfindet, ist eine Person für die Situation selbst verantwortlich, die andere für die Zone vor dem Tor, den Slot. swiss unihockey (2021b) möchte hier den Spielleiter:innen aber nicht zu viel vorschreiben: «Während andere Sportarten ihren Schiedsrichtern sehr genaue Vorgaben machen, wann sie wo und wie stehen müssen, überlassen wir von swiss unihockey vieles den einzelnen Paaren.»

Daher lässt sich nicht abschliessend feststellen, wie gut oder schlecht die angewandte Aufteilung der jeweiligen Zonen funktioniert und wie effektiv das Stellungsspiel ist.

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Diskussion der Ergebnisse

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5. Diskussion der Ergebnisse Als Thomas Erhard (2021), Verantwortlicher für Spitzenschiedsrichter und Schieds-richterausbildung bei swiss unihockey, im Unihockey Podcast ‹Starting Six› auf die Hilfs-mittel zur Eskalationsverhinderung angesprochen wurde, verwies er auf die Proaktivität: «Jetzt gerade aktuell ist das Thema Proaktivität im Vordergrund. Das ist etwas, in dem auf allen Stufen ein Ausbildungsschwerpunkt gesetzt wurde» (50:19–50:34). Genauso wie im Interview (siehe Anhang 2.2) nannte er die Kernpunkte einer erfolgreichen pro-aktiven Kommunikation: «Vorwärtsgerichtet und positiv zu kommunizieren, offen und transparent zu sein in der Kommunikation, auch an die Eigenverantwortung des Gegen-übers zu appellieren, und zu wissen, was man mit der Kommunikation erreichen möchte». Es stellt sich die Frage, ob die zufällig ausgewählten acht Schiedsrichterpaare und das eine Schiedsrichterinnenduo diese Forderung des Verbandes erfüllen können.

a. Forderung eins: vorwärtsgerichtet und positiv Wie in den Ergebnissen erwähnt, beschränkt sich der Kontakt zu den Spielerinnen und Spielern teilweise auf kurze, sowohl positive als auch warnende Appelle. Häufig wird jede Aktion kommentiert, meist jedoch nicht zielgerichtet. Das entspricht Erhards (2021) Ansicht, dass es aus Sicht der Spieler:innen nervig sein könnte, wenn der/die Schieds-richter:in zu häufig mit einem spreche. Wenn sie diese Kommunikation aber wie gefordert vorwärtsgerichtet einsetzen, dürfte sie positiver bei den angesprochenen Personen ankommen. Bühler/Bühler konzentrieren sich nach einer Intervention direkt auf ihre internen Absprachen, ohne dass sie den Spielern eine Anleitung bieten, im weiteren Spiel-verlauf Sanktionen zu vermeiden und Konflikte dadurch zu reduzieren. Das Duo Hohler/Koch verwendet vor allem eine kurzangebundene Sprache gegen aussen, die Proaktivität durch vorwärts gerichtetes und positives Kommunizieren fällt ihnen merklich schwer, auch wenn sie es sich intern regelmässig vornehmen. Besser gelingt dies den Schiedsrichterpaaren Friemel/Hasselberg und Crivelli/Rampoldi, beide aus der NLA Damen. Hier findet man in der proaktiven Kommunikation konstruktive Feedbacks, auf-bauende und teils auch lobende Worte, die an die Spielerinnen gerichtet werden. Dadurch geben sie sich den Teams gegenüber verbindlich und haben Freude am Spiel, genauso wie auch Fässler/Schläpfer im Schlussdrittel ihres Spiels. Dazu gehört auch die gegenseitige interne Unterstützung, die die beiden Schiedsrichterinnen Wehinger/Zurbuchen vorbildlich zeigen. Diese kann entscheidend zu einer erfolgreichen Umsetzung der Forderung beitragen, vorwärtsgerichtet und positiv zu leiten. Wenn man sich untereinander nach vorne ausrichtet und Positivität verinnerlicht, kann sich dies auf die externe Kommunikation auswirken.

b. Forderung zwei: offen und transparent Wie schwierig das Handling der internen kommunikativen Verbundenheit ist, zeigt jedoch die zweite Forderung. Paare wie Schuler/Sprecher – die es selbst zugeben –, Bühler/Bühler und Hohler/Koch lenken sich gegenseitig vom Spielgeschehen ab und sind dadurch fest mit sich selbst beschäftigt. Geschieht dies bei Schuler/Sprecher vermehrt

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Diskussion der Ergebnisse

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durch Diskussionen, fallen bei den anderen beiden Duos die Absprachen bezüglich Spielfeldposition und Zonenaufteilung ins Gewicht. Als Erhard (2021) im Podcast auf diese Beobachtung angesprochen wurde, konstatierte er in Bezug auf die proaktive Forderung, offen und transparent zu sein: «Dies ist dann offensichtlich nicht geschehen» (59:24). Die Duos verpassten es also, wichtige Beobachtungen bezüglich Konflikt-potenzial proaktiv an die Spieler und Coaches zu bringen und somit an deren Eigen-verantwortung zu appellieren.

Im Gegensatz dazu sieht man die gute und beispielhafte Umsetzung dieser Forderung bei kommunikativ starken Paaren wie Ambühl/Brechbühler, Friemel/Hasselberg oder den Spielleiterinnen und Spielleitern der beiden Superfinals, Crivelli/Rampoldi und Wehinger/Zurbuchen. Sie richten ihre Kommunikation an den Spielerinnen und Spielern aus, bauen auf zuvor geknüpften Beziehungen auf – kennen ihre Namen, interessieren sich für sie – und setzen interne Absprachen sogleich in der Spielleitung um. Dabei fällt es ihnen leicht, durch die Einigkeit und das Miteinander mit den Teams Appelle bezüglich Eigenverantwortung zu setzen. Falls sich aber der persönliche Kontakt im Spiel schwierig gestalten sollte, gehört ergänzend auch das Suchen des Gesprächs abseits des Spiel-feldes dazu, wie der Verfasser von Corina Wehinger im persönlichen Gespräch erfuhr. Eine offene und transparente Aussprache im neutralen Rahmen könne ein gutes Verhältnis fördern und wirke sich positiv auf die vorwärts gerichtete Forderung aus.

c. Forderung drei: Ziel der Kommunikation kennen Wichtig und den gesamten proaktiven Ansatz vereinend ist die dritte Forderung. Jedoch scheint es zweifelhaft, ob sich alle Unparteiischen dieses Ziels bewusst sind. Die Paare, die viel intern, aber wenig extern kommunizieren, sollten sich überlegen, was sie mit ihren Ansagen bei den Spieler:innen erreichen wollen. Dieses Bewusstsein ist auch stark von den anderen Forderungen abhängig. So ist das oberste Ziel des Verbandes definiert durch den proaktiven Ansatz, vorwärtsgerichtet und positiv sowie offen und transparent aufzutreten. Wie dies umgesetzt wird, ist sehr individuell und von der Zusammensetzung der Schiedsrichter:innen abhängig. Das bestätigt auch Erhard (2021) im Gespräch bei ‹Starting Six›: «Es bringt nicht jedes Paar die gleichen Möglichkeiten oder die gleiche Persönlichkeit mit» (52:07–52:13).

Wenn man als Schiedsrichter:innen-Paar also nicht genau weiss, wie man diese Proak-tivität mit all diesen Forderungen umsetzen soll, so schlägt Erhard (2021) vor, dass alle voneinander und speziell von der Spitze lernen können: «Da haben wir natürlich jetzt mit Wehinger/Zurbuchen […] ein Paar, das perfekt lebt, was wir das Gefühl haben, was ein Schiedsrichterpaar machen muss» (55:54–56:11). Diese beiden, Corina Wehinger und Sandra Zurbuchen, achten nicht allzu sehr auf ihr Stellungsspiel, sprechen diesbezüglich einzig die Verantwortungsbereiche ab, kommunizieren zielgerichtet, offen und trans-parent und setzen dort, wo es nötig ist, auch einmal ihre Autorität ein. Dies erwies sich als erfolgreiche Art, ein Spiel zu leiten, und eignet sich als Vorbild für andere Schieds-richter:innen-Duos.

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Konklusion

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6. Konklusion Als neutraler Betrachter ohne Vorkenntnisse in der Schiedsrichterarbeit war es ein spannender Weg, die Schiedsrichter:innen zu begleiten und ihre Kommunikation zu analysieren. Dabei lernte der Verfasser bemerkenswerte Persönlichkeiten kennen, tauschte sich mit Thomas Erhard aus, dem Verantwortlichen für Spitzenschiedsrichter und Schiedsrichterausbildung bei swiss unihockey, und konnte schlussendlich abschliessende Erkenntnisse zur Beantwortung der Forschungsfrage gewinnen. Diese behandelte, wie Schiedsrichter:innen in der höchsten Liga des Schweizer Unihockeys (NLA Herren und Damen) verbal und non-verbal kommunizieren müssen, damit ein Spiel eskalationsfrei zu Ende gespielt werden kann.

Das Fazit, dass sich der empirischen Forschung entnehmen lässt, lautet, dass Unpar-teiische, wie vom Verband gefordert, mitsamt ihrer Kommunikation und dem ange-wandten proaktiven Ansatz das Spiel in geregelten Bahnen halten müssen, damit sie die Konfliktherde unter Kontrolle halten können. Wie Erhard im Interview (siehe Anhang 2.2) gesagt hat, soll dabei die Autorität nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Vorher kann man durch angewandte Proaktivität – vorwärtsgerichtet und positiv sowie offen und transparent zu kommunizieren – viel erreichen. Dabei lässt sich das Stellungsspiel und die Arbeit ohne Worte insofern ausklammern, als sich die Schiedsrichter:innen bewusst sein müssen, dass sie gemäss Watzlawick et al. (2004) «nicht nicht kommunizieren» (S. 60) können. Wichtiger ist, dass sie wissen, was das Ziel ihres Auftritts und Kommuni-zierens sein soll.

Abschliessend soll die These aufgestellt werden, dass die non-verbale Kommunikation in der Eskalationsverhinderung in einem Unihockeyspiel unter erfolgreicher Anwendung des geforderten proaktiven Ansatzes nicht allzu sehr ins Gewicht fällt. Die Kommunikation ist individuell und abhängig von den unterschiedlichen Schiedsrichterinnen und Schieds-richtern und wird auch von Verbandsseite nicht vorgeschrieben. Es ist deshalb umso wichtiger, dass sich die Spielleiter:innen bewusst sind, was das Ziel ihres Gesagten und Gezeigten sein soll. Ohne genaue kommunikative Absichten gegen aussen kann die sich vorgenommene und teils intern abgesprochene Proaktivität nicht zielführend an die Spieler:innen gebracht werden. Die Folge davon wäre eine sukzessive Eskalation der Konflikte, die dazu führen würde, dass die Unparteiischen ihre Autorität nutzen müssten.

Auch in kontrollierten Spielen ist es möglich, dass eine Spielerin oder ein Spieler unange-messene Härte zeigt und die Unparteiischen eine solche Aktion sanktionieren müssen. Michael Oliver tat dies bei Remo Freuler im Viertelfinalspiel der Fussballeuropa-meisterschaft zwischen der Schweiz und Spanien, als er ihn für seine Grätsche des Platzes verwies. Dennoch scheint es plausibel, dass durch eine von Beginn an gut umgesetzte offene, transparente, positive sowie vorwärts gerichtete Kommunikation eine derart strenge Sanktion hätte verhindert werden können, und eine gelbe Karte im Beispiel Olivers dem proaktiven Ansatz von swiss unihockey eher gerecht gewesen wäre als die rote.

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Literaturverzeichnis

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7. Literaturverzeichnis

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Page 32: Schiedsrichter:innen kommunizieren

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b. Internetquellen Collinas Erben [CollinasErben]. (2021a, 2. Juli). Solche Argumente könnte man für eine

Gelbe Karte ins Feld führen. Für Rot sprechen dagegen die hohe Intensität und die … [Tweet]. Twitter. https://twitter.com/CollinasErben/status/1411019172298084354?s=20

Collinas Erben [CollinasErben]. (2021b, 2. Juli). Stellt man die Entscheidung in den Kontext eines bisher keineswegs harten Spiels, hätte Gelb, eben weil es hier einen Ermessungsspielraum … [Tweet]. Twitter. https://twitter.com/CollinasErben/status/1411020669584826368?s=20

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c. Persönliche Videos 1: Haslebacher, M. (2021a). HC Rychenberg Winterthur vs. Floorball Köniz, SR Schuler /

Sprecher [Video]. YouTube. https://youtu.be/NMQVMsGwSGw

2: Haslebacher, M. (2021b). Chur Unihockey vs. Waldkirch-St. Gallen, SR Ambühl / Brechbühler [Video]. YouTube. https://youtu.be/LDPz9f8TRFk

Page 33: Schiedsrichter:innen kommunizieren

Literaturverzeichnis

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3: Haslebacher, M. (2021c). Piranha Chur vs. R.A. Rychenberg Winterthur, SR Begré / Birbaum [Video]. YouTube. https://youtu.be/rnIL4Sp0rtA

4: Haslebacher, M. (2021d). Skorpion Emmental Zollbrück vs. Unihockey Berner Oberland, SR Friemel / Hasselberg [Video]. YouTube. https://youtu.be/qJiucKHY0uA

5: Haslebacher, M. (2021e). Zug United vs. SV Wiler-Ersigen, SR Hohler / Koch [Video]. YouTube. https://youtu.be/5ezqfcQg-jE

6: Haslebacher, M. (2021f). HC Rychenberg Winterthur vs. UHC Alligator Malans, SR Fässler / Schläpfer [Video]. YouTube. https://youtu.be/3H7jaId-l_g

7: Haslebacher, M. (2021g). Tigers Langnau vs. Floorball Köniz, SR Bühler / Bühler [Video]. YouTube. https://youtu.be/Otk5QaCBWy0

8: Haslebacher, M. (2021h). Skorpion Emmental Zollbrück vs. Kloten-Dietlikon Jets, SR Crivelli / Rampoldi [Video]. YouTube. https://youtu.be/dAIcX6gV1Ag

9: Haslebacher, M. (2021i). Floorball Köniz vs. UHC Alligator Malans, SR Hohler / Koch [Video]. YouTube. https://youtu.be/WEjFk6Dq_9I

10: Haslebacher, M. (2021j). Floorball Köniz vs. SV Wiler-Ersigen, SR Wehinger / Zurbuchen [Video]. YouTube. https://youtu.be/-p8jktF0eLc

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Selbstständigkeitserklärung

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8. Selbstständigkeitserklärung Ich erkläre hiermit, dass ich diese Thesis und das Lehrprojekt der Bachelorarbeit selbst-ständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und erlaubten Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäss aus Quellen entnommen worden sind, habe ich als solche gekennzeichnet. Beim Lehrprojekt habe ich ausgewiesen, was ich nicht selbst produziert habe, welche Templates, Themes, Tools ich eingesetzt habe und welche Bilder, Videos und Texte Dritter ich verwendet habe. Mir ist bekannt, dass andernfalls die Hochschulleitung zum Entzug der aufgrund meiner Arbeit verliehenen Qualifikationen oder des für meine Arbeit verliehenen Titels berechtigt ist.

Ort, Datum Unterschrift Rämismühle, 08. August 2021

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Anhang

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9. Anhang

Anhang 1: Interviewleitfaden Schiedsrichterexperten

Einstieg / persönlich

- Was ist deine Funktion bei der Swiss Ice Hockey Federation / swiss unihockey? - Wie ist das Schiedsrichterwesen beim Verband positioniert?

Schiedsrichterwesen allgemein

- Wie ist das Schiedsrichterwesen bei euch aufgebaut und strukturiert? - Wie viele Schiedsrichter:innen sind bei euch im Einsatz (verschiedene Stufen)? - Wie funktioniert die Zuteilung der Schiedsrichter:innen, bzw. haben eure

Schiedsrichter:innen fixe Partner:innen (sowie Assistenz-Schiedsrichter:innen bei der SIHF) oder sind diese einzeln unterwegs und werden jeweils zusammengewürfelt?

- Wie viele Schiedsrichter:innen inkl. Funktionärinnen und Funktionären sind bei einem Spiel im Einsatz?

- Wie wertet ihr die Schiedsrichterarbeit aus (pro Spiel, Observation etc.)?

Schiedsrichterkommunikation allgemein

- Was ist die Hauptaufgabe einer Schiedsrichterin / eines Schiedsrichters während einem Spiel?

- Wie wird diese Aufgabe ausgeführt (Hilfsmittel)? - Wie kommunizieren die Schiedsrichter:innen während einem Spiel (mit verbalen

und non-verbalen Hilfsmittel) … o … untereinander? o … mit den Spieler:innen? o … mit den Coaches sowie dem Staff?

- Was sind die Kernpunkte der «erfolgreichen» Schiedsrichterkommunikation (proaktives Pfeifen und Kommunizieren, Stellungsspiel etc.)?

Konflikte und der Umgang

- Was ist eure Definition von Konflikt? - Wie agieren (bzw. sollen sie agieren) Schiedsrichter:innen in Konfliktsituationen? - Wie steht es um die Autorität der Schiedsrichter? - Ein Zitat besagt: «Will man Konflikte beherrschen, dann muss optimales

Kooperieren erstrebt werden.» Wie erreichen Schiedsrichter:innen dies? - Wie können Schiedsrichter:innen mit verbaler und non-verbaler Kommunikation

ein Spiel bis zum Schlusspfiff konfliktfrei gestalten?

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Anhang

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Anhang 2: Interviewtranskripte Anhang 2.1: Interview mit Roman Kaderli, SIHF 1 MH: Was ist genau deine Funktion bei der SIHF?

2 RK: Meine Funktion ist so, dass ich zuständig bin für die ganze Entwicklung und Schulung – also Education und Developement. Die genaue Jobbezeichnung ist Officiating Manager Developement, wir haben aber sehr schnell festgestellt, dass nicht nur Developement selbst ein riesiges Thema ist, sondern auch Education. Das heisst, meine Aufgabe ist es, das Schiedsrichterwesen im Bereich Kommunikation, aber auch sportliches Training (Physis on und off Ice) weiterzubringen, auf ein nächstes Level. Das heisst auch von meiner aktiven Zeit – ich bin 20 Jahre lang selbst aktiv auf dem Eis gestanden (sechs Mal Spengler Cup, drei Mal WM, Olympische Spiele und ca. 850 National League Spiele) –, dass ich das weitergeben kann: Was bedeutet es, was braucht es, um nach vorne zu kommen aus Sicht des Schiedsrichters? Aber auch: Was habe ich gelernt international, als ich den Vergleich hatte, was brauchen wir, damit wir gegenüber unseren Stakeholdern erfolgreich sind? Also erfolgreich im Sinne von, dass wir das Produkt weiterentwickeln. Deshalb Developement und Education. Es ist nicht so, dass ich Schulungen selbst gebe – teilweise schon, gewisse Themenbereiche, die in meiner Fachkompetenz liegen als ehemaliger Linienrichter –, aber dass ich die Schulungsunterlagen so aufbereite, dass sie gesamtschweizerisch gleich verwendet werden können.

3 MH: Wie ist das Schiedsrichterwesen beim SIHF positioniert?

4 RK: Departement of Officiating ist die korrekte Bezeichnung. Zuoberst ist der Verwaltungsrat, nachher kommt die Geschäftsleitung, in der wir mit Andreas Fischer einen direkten Vertreter haben. Das Schiedsrichterwesen ist eigentlich wie eine Quer-Funktion: Also das heisst, wir haben mit den Nationalmannschaften zu tun, geben dort unser Fachwissen weiter, sowie dem Youth Sport und Developement. Wir haben noch die anderen Partner, die in unserer Struktur drin sind. Somit haben wir, wie ein Verband aufgestellt ist, einen delegierten Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und dann sind wir dort als eigenes Departement angegliedert, also voll integriert in die Verbandsstruktur des SIHFs.

5 MH: Wie ist das Schiedsrichterwesen beim SIHF aufgebaut und strukturiert?

6 RK: Wir haben den Vorsitz von Andreas Fischer als Director Officiating / Referee in Chief – im internationalen Vergleich gibt es keinen Direktoren, die angesehen werden als «Führung des Officiating», deshalb sprechen sie international von diesen sogenannten Referees in Chief. Andreas Fischer hat diesen Titel. Wenn man weiter herunter geht in der Struktur, ist es so, dass das ganze Schiedsrichterwesen / Officiating aufgeteilt ist in zwei Teilbereiche: Der eine ist Leistungssport (Vorsitz: Sascha Kunz). Das heisst, dort ist die National League, die Swiss League und die U20-Elite, also die höchste Junioren-Klasse. Unter Sascha Kunz gibt es verschiedene Stabsstellen, unter anderem meine Wenigkeit mit dem Developement. Dann haben wir einen Teilbereich Scouting und Prospects: Wir scouten Personen in den Regionen – da komme ich später darauf zurück – und verteilen den Prospects – die schaffen den Schritt in den Leistungssport – einen maximal drei Jahre geltenden Prospects-Status. Wenn sie es bis dann nicht erreicht haben, diesen Status abzulegen und den Schritt definitiv zu machen, gehen sie wieder zurück in die Region. Weiter unter dem Leistungssport ist «Regeln», also die ganze Verbindung mit dem Regelwesen zum IHF. Dann gibt es noch eine Stabsstelle «Aufbietung», und unterhalb dessen sind die rund 90 Leistungssport-Schiedsrichter. Nun machen wir einen Schritt rüber auf die rechte Seite mit der Führung des gesamten Nachwuchs- und Amateur-Bereiches: Cedric Borga agiert aktuell noch als Profischiedsrichter, führt das Gesamte (rund 1100 Schiedsrichter) aber in seinem Jobbeschrieb inkludiert. Die Schweiz ist aufgeteilt in die drei Regionen: Zentral-, West- und Ostschweiz, denen jeweils ein «Single Point of Contact» vorsteht (Westschweiz: Michael Tscherrig – Zentralschweiz: Micha Hebeisen – Ostschweiz: Philip Ströbel). Die Regionen haben dann ihre individuellen Organisationen, aber es gibt für jede Liga einen Aufbieter und einen Teamleader. (Beispiel 2. Liga Zentralschweiz: Die haben einen Teamleader plus einen Aufbieter, und die führen zusammen mit dem Single Point of Contact die 2. Liga.)

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7 MH: Wie viele Schiedsrichter:innen sind beim SIHF im Einsatz auf den verschiedenen Stufen?

8 RK: Wir haben rund 1200 Schiedsrichter:innen gesamtschweizerisch.

9 MH: Wie funktioniert bei euch die Schiedsrichter-Zuteilung (fixe Partner, Individualisten)?

10 RK: Als Schiedsrichter im Eishockey – ob international oder national – bist du quasi ein Einzelsportler. Du bist für dich allein, für deine Fitness zuständig, aber du wirst ins Team zusammengemischt. Je nach dem was für ein Spiel es ist, was gefragt ist an Schiedsrichtercharakteren, versuchen wir so gut wie möglich die Personen diesen Spielen zuzuteilen. (Beispiel HC Davos gegen SC Bern: Da weiss man, das gibt ein schnelles Spiel. Es wird weniger physisch, sondern geht mehr auf Geschwindigkeit. Dann schauen wir auch, welche Schiedsrichter bringen wir beziehungsweisen setzen wir ein für die einzelnen Spiele.) Aber du bist grundsätzlich allein unterwegs. Es kann sein, dass man mal zwei, drei, vier Spiele pro sogenannte Aufbietungsperiode, die immer einen Monat dauert, im Paar zusammen ist. Aber es ist nicht so, dass beispielsweise im Leistungssport ein ganzer Monat alle gleich sind oder gar eine ganze Saison das gleiche Quartett. Das gibt es bei uns nicht.

11 MH: Wie viele Schiedsrichter und Funktionäre sind pro Spiel im Einsatz?

12 RK: Im Normalfall sind es die vier Schiedsrichter. Wir schauen dann, dass wir noch sogenannte Officials oder Officiating Coaches oder Supervisors einsetzen zu den Spielen, oder irgendjemand vom Management ist noch dabei. Das heisst, wir haben nur in den Playoffs noch Stand-bys im Einsatz, jeweils ab den entscheidenden Spielen im Viertelfinal (Spiel 3 oder 4 oder 5) wird zusätzlich noch ein Head- und ein Linienrichter aufgeboten als Stand-by. Aber das Ziel ist es, dass jemand das Spiel beurteilt und verfolgt. Wenn es nicht vor Ort geschieht, dann ganz sicher online von extern, dass wir die Spiele begleiten. Sicher ist es das Ziel, und das ist auch der Wunsch der Clubs, dass wir für jedes Spiel einen Officiating Coach oder Supervisor vor Ort haben, dass dieser die Ansprechperson ist für die Clubs und auch für die Schiedsrichter.

13 MH: Wie wird die Schiedsrichterarbeit im Nachhinein ausgewertet?

14 RK: Wir haben sogenannte Bewertungstools, so Coaching-Berichte, die jeder Coach oder jeder Supervisor zum Spiel und jedem einzelnen Schiedsrichter klar nach Vorgaben, Handbuch und Kriterienkatalog (Anm. d. Red.: Physis on und off Ice, Fitness, Skating-Skills, Reaktion, Positionen, Spielverständnis, Regelauslegung, Kommunikation) ausfüllen muss. Und dann wird das so beurteilt. Aber das Management macht zusätzlich noch Videostudium und betreibt Videoanalyse, wenn man gezielt auf eine Person eingehen muss. Wenn man beispielsweise die Rückmeldung erhält, Schiedsrichter XY ist in diesem Themenbereich noch nicht dort, wo er eigentlich sein müsste, oder er hat im Moment eine schwache Phase, dass man gezielt auf diese Personen eingehen kann.

15 MH: Was sind die Hauptaufgaben eines Schiedsrichters während eines Spiels?

16 RK: Unser Ziel oder unsere Aufgabe ist es, das Spiel safe und fair zu leiten. Das heisst, was gibt das Regelbuch vor. Ein Hockeymatch ist nicht schwarz und weiss, das wissen wir alle. Ein Hockeymatch ist meistens grau, findet im Graubereich statt. Und das heisst, ich muss das Spiel sicher und fair über die Runden bringen, aber die Guidelines oder die Rahmenbedingungen dafür sind das Regelbuch. Und in Bezug auf die Kommunikation ist es, dass wir ein vertrauenswürdiger Ansprechpartner sind für die Spieler und Coaches, dass sie diese Resonanz brauchen teilweise, dass wir ihnen aufzeigen auf eine ganz normale Art und Weise und auch auf Augenhöhe kommunizieren, was braucht es zum Spiel, das heisst: Wenn man merkt, es sind Fragen da, dass man diese versucht, ohne Zeitverzögerung oder wenn es nötig ist, aus dem Weg zu schaffen oder zu beantworten. Kontrolle der Emotionen sage ich immer: Wenn man mit den Spielern oder den Coaches zum richtigen Zeitpunkt oder im richtigen Moment kommuniziert, kann man gewisse Emotionen aus dem Spiel nehmen. Und somit wieder auf Verständnis, sie haben manchmal eine Frage, dann beantwortet man diese Frage, einfach dass sie – wir spielen wie so den Resonanzkörper. Es gibt Spieler, die brauchen viel Kommunikation, dann muss man mit ihnen proaktiv sprechen. Aber es gibt auch Spieler, die möchten gar nicht sprechen, oder sind Coaches, die haben zu jeder Szene immer eine Frage, dann muss man das gewisse Mittelmass

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finden, dass es nicht in einer Diskussionsrunde ausartet – nicht negativ gemeint. Aber mit der Kommunikation steht und fällt eine solide und seriöse Schiedsrichterleistung oder Spielleitung.

17 MH: Wie kommunizieren die Schiedsrichter während eines Spiels untereinander?

18 RK: Ich muss dies ein wenig unterteilen: In der Regio-Liga, also Nachwuchs- und Amateursport, kommuniziert man noch ganz normal über Augenkontakt und Körpersprache. Sobald man in den Leistungssport kommt, dann verwenden wir das Vokkero Kommunikationssystem, das Fussball und Unihockey ebenfalls braucht. Dies ist eigentlich ein Ad-on zur non-verbalen Kommunikation unter den Schiedsrichtern, es kann auch mal sein, dass es nicht funktioniert, aber es ist sicherlich ein unterstützendes Tool, dass man Ziel gerichtet und relativ schnell die Kommunikation kann aufrecht erhalten innerhalb des Schiedsrichterteams.

19 MH: Wie kommunizieren die Schiedsrichter verbal und non-verbal während eines Spiels mit den Spielern?

20 RK: Kommt auf die Distanz darauf an, wann man non-verbal oder verbal kommuniziert. Das ist im Ermessen des Schiedsrichters, wie will ich es tun. Manchmal braucht es nur ein Nicken oder irgendeine Geste mit dem Kopf oder manchmal mit den Händen. Aber sicher ist auch die verbale Kommunikation Nummer eins.

21 MH: Wie kommunizieren die Schiedsrichter verbal und non-verbal während eines Spiels mit den Coaches und dem Staff?

22 RK: Dies ist praktisch gleich zu setzen mit der Kommunikation mit den Spielern. Manchmal, wenn man merkt, dass ein Trainer unzufrieden ist oder irgendeine Frage zu einer Szene hat, braucht es vielleicht nur ein Handzeichen. Die Sache ist einfach die, dass wenn man zum Coach möchte, um zu kommunizieren, dann leidet vielfach der Spielfluss darunter. Von irgendwelcher Distanz lauthals kommunizieren, ist auch nicht der richtige Weg. Darum versucht man, so viel wie möglich, non-verbal mit den Coaches, aber wenn es Möglichkeiten gibt, das Spiel ruht und man die Chance hat, kommuniziert man auch verbal mit ihnen. Oder wenn es eben so weit ist, dass wirklich Klärungsbedarf da ist, dann fährt man hin. Aber es ist nicht das Ziel, dass man den Spielfluss mit der Kommunikation zu den Coaches unterbricht.

23 MH: Was sind Kernpunkte einer «erfolgreichen» Schiedsrichterkommunikation?

24 RK: In der Kürze liegt die Würze, sage ich immer. Also möglichst kurz, möglichst emotionslos – wenn es möglich ist, was nicht immer der Fall ist – und sicher respektvoll und das Gegenüber würdigend. Sicherlich keine Stories erzählen über irgendwelche Sommerferien oder so, sondern wirklich gezielt, ganz ruhig, angenehm – dann kommt man zum Erfolg. Und als ich selbst noch aktiv war, zu meinen Zeiten war dies bereits eines meiner obersten Prioritäten gewesen: Sobald das Spiel in die gefährliche Zone geht – im Ecken oder an der Bande (Längsbande) –, dann muss man als Schiedsrichter enorm viel kommunizieren. Laut sprechen – aber wie gesagt immer anständig –, laut wenn es Publikum im Stadion hat, aber wirklich die Spieler darauf aufmerksam machen: «Hey, keep your heads up!», oder «Don’t hit from behind!», oder «Watch your stick!», solche Sachen. Das ist das Wichtigste, da kann man extrem viele gefährliche Situationen verhindern. Aber proaktiv Pfeifen können wir nicht. Wir können erst reagieren, wenn die Situation passiert ist, aber wir versuchen sie mit der Kommunikation zu verhindern. Proaktive Kommunikation ist auch einer unserer Schwerpunkte: Wir versuchen, durch unsere Kommunikation das Spiel in die richtige Richtung zu leiten, bevor die Spieler beginnen auszurufen. Eben kurz die Erklärung geben, oder wenn ein Verteidiger die Scheibe holt und er ist nicht unter Druck, dann sagst du ihm als Linienrichter: «Hey, du hast Zeit!», oder was auch immer. Einfach, dass wir ihnen helfen, dass sie merken, wir möchten ihnen helfen. Das ist die proaktive Kommunikation, und wenn man dies erreicht, proaktiv zu sein in der Kommunikation, dann ist man eigentlich dem Spiel ein Schritt voraus. Wenn man eben nicht proaktiv ist, dann übernimmt der Spieler oder der Trainer das Steuer des Spiels.

25 MH: Wie agieren (bzw. sollen sie agieren) Schiedsrichter in Konfliktsituationen?

26 RK: Sicher ist da der Linienrichter gefragt, dass er mit Konflikten zwischen Spielern oder Auseinandersetzungen kann und lehrt umzugehen, dass er diese unterbinden kann – nochmals: teils mit Kommunikation, bevor etwas geschieht, bevor man Strafen aussprechen muss. Das Ziel

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ist immer, dass man eine Auseinandersetzung ohne Strafen beenden kann. Aber wenn Strafen notwendig sind, dann müssen wir Strafen aussprechen.

27 MH: Wie steht es um die Autorität der Schiedsrichter?

28 RK: Autorität ist immer die schlechteste Variante. Also wir haben es so wie swiss unihockey: Wir versuchen auf Augenhöhe zu kommunizieren und wie gesagt, ein Teil des Spiels zu sein. Es gibt Situationen, in denen man die Autorität einfach «missbrauchen» muss, dass man eine Situation lösen kann, aber danach geht man direkt wieder zurück auf die normale Kommunikationsebene. Also wir kommen manchmal einfach so punktuell rauf, aber wir versuchen, so viel wie möglich im Hintergrund zu sein. Es ist nie gut, wenn man als Schiedsrichter seine Autorität braucht – es ist wie im Militär dasselbe: Wenn du als Zugführer deine Leute gut führen kannst, dann brauchst du den Grad nicht für die Führung.

29 MH: Ein Zitat besagt: «Will man Konflikte beherrschen, dann muss optimales Kooperieren erstrebt werden.» Doch wie erreicht man diese Kooperation der Spieler mit der Schiedsrichterarbeit?

30 RK: In dem man eben mit ihnen das Gespräch vor dem Spiel, während dem Spiel und nach dem Spiel sucht, man dauernd im Austausch mit diesen Personen ist, dass sie merken, die möchten das Gute des Spiels. Dann nehmen wir den Draht zur Mannschaft, das ist entweder der Captain oder die Schlüsselspieler. Also nehmen wir als Beispiel Genf Servette: Dann kommuniziere ich mit Erich Fehr, mit Noah Rod oder mit dem Assistenztrainer. Wenn du diese hast, dann hast du den Draht in den Kern der Mannschaft. Tennard Richard zum Beispiel, das beste Beispiel: Wenn du es mit dem gut hast, der ist so ein lieber Typ. Oder zum Beispiel bei Bern mit Simon Moser: Wenn du mit ihm als Captain kommunizierst, dann wird das in die Mannschaft hineingetragen. In Davos: Wenn du mit Andres Ambühl oder Enzo Corvi kommunizierst, das geht in die Mannschaft rein, das merken die Mitspieler dann und helfen anschliessend ebenfalls. So bringt man eigentlich die Leute zum Sinn der Sache, dass es um das Spiel geht. Aber wir haben unsere Kommunikations-Partner der Mannschaft und des Trainerstabes.

31 MH: Wie können Schiedsrichter mit verbaler und non-verbaler Kommunikation ein Spiel bis zum Schlusspfiff konfliktfrei halten?

32 RK: In dem man ehrliche Arbeit abliefert, dass man ehrlich ist, dass man respektvoll ist, dass man proaktiv ist, dass man … Unsere Philosophie ist eigentlich, wenn man es ein wenig so anschaut: Das Spiel ist auf dem Niveau mit Emotionen und dem Spielfluss, dass wir ein Schritt darüber sind, und eigentlich die Spieler quasi wie Marionetten in einem Marionettentheater steuern. Sobald es aber Momente gibt, in denen es geschieht – das ist einfach menschlich –, dann geht man auf das Niveau runter der Spieler. Dann ist man nicht mehr proaktiv, dann ist man am Reagieren und nicht am Agieren. Wenn wir versuchen, hier oben zu sein – proaktiv, fair, vertrauenswürdig, respektvoll und Ehrlichkeit ist ein wesentlicher Punkt – und diese Schlüssel zu brauchen, bin ich der Überzeugung, dass man ein Spiel von A bis Z – egal ob ein Fehler passiert oder nicht – durchsteuern kann. 100 Prozent. Braucht aber nebst der verbalen und non-verbalen Kommunikation einen Schiedsrichter, der erstens physisch top fit und im Regelwissen top ist – erst dann, wenn die Spieler merken, auf Berndeutsch gesagt «der reisst sich den Arsch auf!», dann wird ein Fehler verziehen. Aber wenn du dich nicht bewegst und deinen Job nicht seriös machst, dann wird es schwierig, verbal oder non-verbal ein Spiel noch zu retten. Transparenz ist ein gutes Stichwort: Du darfst die Spieler nie anschwindeln, nie! Du musst sie so behandeln, wie du gerne behandelt werden möchtest. Ehrlichkeit, Ehrlichkeit, Ehrlichkeit! Und Fehler zugeben können. Wenn ein Fehler passiert, ist doch kein Problem. Sagst du: «Hey, sorry guys!» und dann ist das okay – wenn du dir anschliessend wieder den Arsch aufreisst. Genau das ist der Punkt, mit dem wir des Schiedsrichterwesens immer wieder kämpfen: Alle rundherum, Spieler, Zuschauer und die Medien, alle müssen verstehen, dass hinter dem schwarz-weiss gestreiften Leibchen ein Mensch ist. Dieser Mensch ist mal gut aufgelegt und mal schlecht aufgelegt. Wir haben auch Emotionen. Wenn dich einen gesamten Abend einer zusammenstaucht, dann wirst du irgendwann auch mal ein wenig dünnhäutiger. Aber wir dürfen diese nicht zeigen und das ist das Schwierige, aber wenn du das erreichst, dann hast du gewonnen.

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Anhang 2.2: Interview mit Thomas Erhard, swiss unihockey 1 MH: Was ist genau deine Funktion bei swiss unihockey?

2 TE: Mein Titel ist «Verantwortlicher Spitzenschiedsrichter und Schiedsrichterausbildung». Das heisst, ich bin zum einen verantwortlich für die Gruppe der Spitzenschiedsrichter: Das beinhaltet bei uns eigentlich die G1-Schiedsrichter, also die NLA Männer und Frauen, NLB Männer und U21A Männer pfeifen. Und zusätzlich bin ich verantwortlich für den gesamten Bereich Grossfeld, Schiedsrichterwesen Grossfeld. Das sind etwa 800 – 900 Schiedsrichter. Und als Verantwortlicher der Ausbildung für alle Schiedsrichter: Das sind rund 1500 – 1600, die wir gesamtschweizerisch haben. Aber hier sind wir zum einen sehr breit ehrenamtlich aufgestellt, mit ehrenamtlichen Funktionären, und zum anderen auf der Geschäftsstelle Ressort Service mit Denise Amstutz und dem Ausbildungskoordination. Eigentlich läuft der Ausbildungsbereich über Jonas Uebersax, der zu 50 Prozent angestellt ist. Ich habe ein 80 Prozent Pensum.

3 MH: Wie ist das Schiedsrichterwesen bei swiss unihockey positioniert?

4 TE: Es ist so, dass es wie zwei Schienen gibt: Die operative Seite, Geschäftsstellen-Seite, in der wir im Team Sport angesiedelt sind. Also der Chef Sport, dem die Auswahlen, die Trainerausbildung, Nachwuchs, Sportseite angehängt sind – dort sind auch der Spielbetrieb und die Schiedsrichter angehängt – und der Chef Sport ist dann natürlich in der Geschäftsleitung dem Geschäftsführer unterstellt. Und auf der politischen Seite bin ich als Chef Grossfeld in der Schiedsrichterkommission zusammen mit Denise Amstutz, die das Ressort Services hat, und dann gibt es noch das Ressort Kleinfeld, das Ressort Regeltechnik und das Ressort Projekt – die sind ehrenamtlich betreut. Hier ist uns der Chef Schiedsrichterkommission, Lukas Gyger, auf der strategischen, politischen Seite vorgesetzt.

5 MH: Wie ist das Schiedsrichterwesen bei swiss unihockey aufgebaut und strukturiert?

6 TE: Es gibt im Prinzip die Hauptbereiche, also es ist mal getrennt zwischen Gross- und Kleinfeld. Dann gibt es die Ausbildung, … also eigentlich so wie die Ressorts sind: Ressort Service, wo die gesamte Administration, Organisation beinhaltet; die Ausbildung, die eigentlich die Ausbildung von Schiedsrichtern Grossfeld, Kleinfeld, Observer beinhaltet; und dann gibt es die Regeltechnik, die eigentlich auch wie eine Stabsstelle ist, über das Gesamte drüber verantwortlich ist; und das Ressort Projekte haben wir noch, das wie für einzelne Projekte zuständig ist. Dann haben wir auf dem Grossfeld eigentlich die Struktur, dass wir von G1 bis G5 Stufen haben. G1, G2, G3 sagen wir, dass sind nationale Gefässe – also da ist man gesamtschweizerisch unterwegs und auch die Kurse sind gesamtschweizerisch organisiert – und eigentlich Spitzenstufen, und G4, G5 ist dann Breitenstufe des Grossfeldes. Auf dem Kleinfeld ist R1, R2 die Spitzenstufe, die national organisiert ist, und R3 bis R7 sind regionale Stufen. Und das ist leistungsorientiert von oben nach unten oder von unten nach oben organisiert.

7 MH: Wie viele Schiedsrichter:innen sind swiss unihockey im Einsatz auf den verschiedenen Stufen?

8 TE: Schiedsrichterwesen Grossfeld: Das sind etwa 800 – 900 Schiedsrichter. Und alle Schiedsrichter: Das sind rund 1500 – 1600, die wir gesamtschweizerisch haben.

9 MH: Wie funktioniert bei euch die Schiedsrichter-Zuteilung (fixe Partner, Individualisten)?

10 TE: Auf dem Grossfeld ist es so, dass du eigentlich nur im Paar startest. Es ist sogar so, dass wenn du einzeln dich anmeldest als Schiedsrichter und Grossfeld pfeifen möchtest, dann erhältst du, bevor die Saison losgeht, noch eine Übersicht mit allen anderen, die einzeln auf dem Grossfeld noch verfügbar sind, und du musst dich mit jemandem zusammenschliessen, und nur dann kannst du als Grossfeld-Schiedsrichter pfeifen, sonst wirst du auf das Kleinfeld umgeteilt. Auf dem Kleinfeld ist klar, da bist du dann ganz allein. Der Hauptgrund hier – das wurde mir so erzählt – ist, dass man natürlich ein wenig einfacher Schiedsrichter gewinnen kann, in dem man sagt: «Macht es doch zusammen! Zusammen fägt es mehr!» Aber es zeigt sich immer wieder, wir schränken uns durch das auch immer wieder ziemlich ein. Eben die Personen, die einzeln möchten, gehen nicht. Nachher sind wir auf der Breitenstufe des Grossfeldes (G4, G5) nicht flexibel in den Paaren: Also du kannst nicht mit irgendjemand anderem frei pfeifen, du musst immer mit dem fixen Partner. Das ist nachher recht komplex, hängt zusammen mit den

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Kontingenz-Vorschriften, jeder Verein muss entsprechen den Mannschaften, die er hat, ein Schiedsrichter-Kontingent erfüllen. Hier sind wir so ein wenig in einem Prozess im Moment und schauen, wie können wir dieses Kontingentsystem allenfalls noch verbessern, flexibilisieren, und hier gehen die Ideen in die Richtung, dass man flexibel sein würde zwischen Gross- und Kleinfeld sogar mit den Einsätzen, aber sicher auch mit gemischten Paaren. Das würde so viel mehr Möglichkeiten geben. Ab G3 ist es dann so, dass wir flexibel sind, also wenn jemand keinen Partner hat, aber leistungsmässig auf der Stufe genügend gut ist, dann kann er oder sie auf der Stufe bleiben, und da gibt es immer wieder Verletzte oder auch auf jeder Stufe ein paar vereinzelte Einzelschiedsrichter, die setzen wir dann in der Regel einfach als fixes Paar ein. Hier ist es einfach so, dass: Du hast immer den Nachteil, wenn du in solch einer Konstellation bist, dass es in der Regel weniger fägt, wenn du nicht ein Team bist, wenn du allein unterwegs bist, und dass vor allem Ende Saison, wenn du Playoffs oder Aufstiegsspiele pfeifen möchtest, bist du meistens im Nachteil gegenüber einem fixen Paar, das eingespielt ist. Das führt einfach dazu, dass alle, die einzeln unterwegs sind, streben eine Paarbeziehung an. Aber wir wurden flexibler, früher hätte es dies einfach nicht gegeben, dann hättest du einfach jemanden finden müssen und unten zusammen beginnen. Das gab es jetzt immer wieder, dass plötzlich zwei, die einander nicht kannten, aus dieser Konstellation heraus zwei Spiele gemacht haben und gemerkt haben, «das fägt!», und jetzt bereits seit längerer Zeit zusammen pfeifen.

11 MH: Wie viele Schiedsrichter und Funktionäre sind pro Spiel im Einsatz?

12 TE: Das ist extrem unterschiedlich: Eben bei einem Kleinfeld-Spiel ist eigentlich in der Regel in der Breite einfach ein Schiedsrichter mit zwei Mannschaften, ist natürlich auch sehr anspruchsvoll. Deshalb pfeifen Kleinfeldschiedsrichter im ersten und zweiten Jahr nur Junioren-Teams, weil wenn diese gleich 4. oder 3. Liga Männer pfeifen würden, wäre dies unter Umständen viel zu schwierig für diese. Dort ist es wie eine Person. Und dann auf dem Grossfeld ist es in der Regel einfach das Schiedsrichter-Paar und dort versuchen wir so viel wie möglich zu observieren, wobei nur die observieren, Begleiten durch Observer können, die sich auch melden, die das wirklich auch möchten, weil wir schlicht zum einen zu wenig Personal haben für alle Spiele abdecken zu können, und zum anderen wäre es natürlich unter Umständen auch eine Kostenfrage: Wenn man bei jedem Spiel auch noch eine zusätzliche Person hätte, die entschädigt wird, der Reisespesen ausbezahlt werden müsste. Aber hier sind es entweder die zwei Schiedsrichter oder die zwei Schiedsrichter und noch ein Observer, und auf der Spitzenstufe ist es eigentlich dasselbe, dort ist einfach, wie höher oder wie wichtiger das Spiel, Playoffs oder TV-Spiele, an denen immer ein Observer vor Ort ist. Aber mehr als die beiden Schiedsrichter und der Observer und wenn es hoch kommt noch der Teamleiter, der Spielbesuche macht, mehr als vier Personen sind eigentlich nie offiziell vor Ort.

13 MH: Wie wird die Schiedsrichterarbeit im Nachhinein ausgewertet?

14 TE: Früher war der Observer, wie es der Name bereits sagt, eigentlich eine Person, die einfach auf der Tribüne sass und zuschaute, die Schiedsrichter beurteilte und ihnen Noten gab. Diese Noten ergaben dann die Qualifikation oder die Spielzuteilung. Und hier haben wir so wie ein Haltungswechsel vollzogen, dass wir sagen: Wenn jemand von uns an ein Spiel geht, quasi entschädigt als Dienstleister dem Sport, dann soll dieser das Maximale dazu beitragen, dass das Spiel und die Schiedsrichter so gut wie möglich sind. Das kann der Observer nicht tun, wenn er einfach auf der Tribüne sitzt, beobachtet, vielleicht kurz vor dem Spiel in die Halle kommt und wieder geht und mit niemandem spricht. Ein Observer soll gut vernetzt sein, soll die Leute kennen, soll auch Feedbacks von den Trainern, Spielern abholen können, dann soll er sich auf das Spiel vorbereiten können. Er meldet sich bei den Schiedsrichtern zwei drei Tage vorher an, macht ein Gespräch vor dem Spiel mit den Schiedsrichtern, setzt sich mit deren Zielen auseinander, die sie haben. Nach dem Spiel oder sogar während dem Spiel begleitet er sie in den Pausen, coacht sie nach dem Spiel, macht eine Nachbearbeitung, ist verpflichtet, nachher (vor allem auf der Spitzenstufe) Videoarbeit zu machen, Videos auszuwählen, im Forum diese zu diskutieren. Und eigentlich der gesamte Qualifikationsteil ist wie ausgelagert, in dem man nachher in der Spitze zwei bis drei und in der Breite ein Meeting machen pro Jahr, an denen wir die ganze Gruppe an Observer plus Teamleiter plus Einsatzleiter die Schiedsrichter-Paare besprechen, diskutieren und miteinander vergleichen, und daraus ein Ranking erstellen, um die Leistung zu beurteilen.

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15 MH: Was sind die Hauptaufgaben eines Schiedsrichters während eines Spiels?

16 TE: Das Spiel zu leiten, würde ich sagen, und zwar eigentlich dann, wenn es Entscheidung braucht – bei einem Ausball, oder bei einem Vergehen, oder wenn der Spielfluss nicht mehr weitergehen könnte ohne Intervention. Wir streben eigentlich an, dass der Schiedsrichter so wenig wie möglich im Mittelpunkt steht , wie kein Faktor ist, aber er hat natürlich klar das Reglement, das gegeben ist, das er auf beide Seiten genau gleich interpretieren muss, in dem er nicht frei ist, wir aber zum Glück aus meiner Sicht ein Reglement haben, das recht viel Spielraum offen lässt, Interpretationsspielraum, der es nachher auch möglich macht, im Sinn des Sports, im Sinn des Spiels ein flüssiges Spiel, ein schnelles Spiel, ein attraktives Spiel zu ermöglichen. Die Hilfsmittel dafür sind eben das Regelbuch, das wie gegeben ist. Dann die Pfeife. Und vor allem die Kommunikation, also verbale, non-verbale, sicher die non-verbale, die damit beginnt, wie jemand daherkommt, wie er auf die Leute zu geht, wie er von der Aussenwirkung her einen ersten Eindruck macht, je hoher rauf umso wichtiger natürlich. Und dann ist es schon vor allem Kommunikation und Persönlichkeit, das ist das, was wir immer hören, also das wir intern in der Schiedsrichterausbildung das Gefühl haben, das ist das, was wir vor allem daran arbeiten müssen, was wir immer von Spielern, Trainern hören, dass es eigentlich das Entscheidende ist.

17 MH: Wie kommunizieren die Schiedsrichter während eines Spiels untereinander?

18 TE: Hier unterscheidet es sich natürlich stark, ob sie ein Headset haben oder nicht. Ich selbst habe meine ganze Schiedsrichter-Karriere noch ohne Headset gepfiffen, das kam nachher, 2011 habe ich aufgehört, so ab 2013 kamen diese. Heute sind sie aus der Spitze nicht mehr weg zu denken und auch viele Breiten-Schiedsrichter beginnen bereits so: Also viele Vereine gewinnen Schiedsrichter so, in dem sie es versuchen attraktiv zu machen, dass sie sagen, ihr bekommt unser Headset – hier haben wir eher so die Haltung, dass es durchaus auch Sinn macht, einfach ohne zu starten. Wir haben immer ohne Headset uns auf die Fahne geschrieben, dass wir auch die interne Kommunikation möglichst sichtbar machten. Und das hat, wenn man kein Headset hatte, auch noch geholfen, dann musstest du zum Teil laut sein, verbal oder mit Zeichen quer über das Spielfeld, und das hatte den positiven Effekt, dass die Spieler, die dazwischen waren, oder der Trainer ausserhalb das auch mitbekamen und durch das auch wussten, was geht bei den Schiedsrichtern ab. Oder wenn wir einander zuriefen, «die Mannschaft schlägt bei jedem Konter noch von hinten rein, jetzt müssen wir dann wahrscheinlich mal eine Strafe in Betracht ziehen», dann wussten dies gleich alle. Also ich würde sagen: Möglichst offen kommunizieren, positiv vorwärtsgerichtet, das ist wichtig – einfach so das, was im proaktiven Ansatz gefordert wird.

19 MH: Wie kommunizieren die Schiedsrichter verbal und non-verbal während eines Spiels mit den Spielern?

20 TE: Hier auch, da gibt es natürlich komplett unterschiedliche Ansätze aus verschiedenen Sportarten, oder sogar jetzt im Unihockey Länder – also da kommt mir einfach spontan Finnland in den Sinn, die (ich weiss nicht, ob sie das immer noch haben) vor zwei Jahren zumindest klar die Haltung hatten: Wir kommunizieren, wie es im Regelbuch steht, nur mit dem Captain. Der Captain hat das Recht mit uns zu kommunizieren und sonst niemand. Wir sind vor dem Spiel und nach dem Spiel offen aber nicht während dem Spiel, allenfalls noch in den Pausen. Das kann auch funktionieren bei uns, oder es gibt manchmal schon paar, die bewusst so ein wenig in diese Richtung gehen, weil sie vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht haben mit zu viel Kommunikation, aber so die Grundhaltung von uns, was wir auch in der Ausbildung vermitteln, ist offen sein, einfach im Wissen, dass die Mehrheit klar sagt: Trainer, Spieler, wenn ich ein Problem habe, etwas wissen möchte, dann möchte ich das unmittelbar schnell ansprechen und klären können, sonst ist mir nicht wohl und sonst fühle ich mich gestört oder sonst ist eine Störung da. Vielleicht nach dem Prinzip: Störungen haben Vorrang, diese zu klären. Im Wissen darum, dass man sich schnell verzetteln, in etwas verstricken kann, und dort denn Schiedsrichtern mitzugeben: Grenzt euch da nachher auch ab und stoppt es, oder verlegt es auf die Pause oder einen Unterbruch; probiert diese Situationen zu lesen, in denen ihr kommunizieren könnt; verliert nie den Fokus. Auf dem Grossfeld hast du den Vorteil, einer schaut auf den Ball und der andere hat eigentlich häufig Zeit zu kommunizieren, dann soll er dies gleich ausnützen, wenn es gerade etwas gibt, eine Störung, die sich abzeichnet oder eine negative Entwicklung.

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21 MH: Wie kommunizieren die Schiedsrichter verbal und non-verbal während eines Spiels mit den Coaches und dem Staff?

22 TE: Eigentlich nach den gleichen Kriterien, wie ich vorhin gesagt habe. Auch hier versuchen, offen zu sein, vorwärtsgerichtet positiv, auch ein wenig an die Eigenverantwortung zu appellieren, wenn das möglich ist. Eben gerade, wenn nachher der Spielfluss gestört ist, zum Beispiel durch die Kommunikation, die gefordert wird, oder die Aussenwirkung schlecht ist, den Ball mal zurückspielen und sagen: Dies möchtet ihr ja nicht, dass es ein zerhacktes Spiel ist, oder dass es gegen aussen irgendwie schlecht wirkt. Aber hier ist, gerade wenn ich auf die letzte Saison zurückblicke, das habe ich praktisch nie gehört im Vergleich zu früheren Jahren, in denen wir häufig hörten: Uns stört es, das dauernde Diskutieren mit den Schiedsrichtern, und dauernd lamentieren. Ich weiss nicht, ob das mit Corona noch zu tun hat, vielleicht auch ein wenig, mittlerweile habe ich es hundert Mal gehört, höre ich es weniger gut, aber nein, ich habe schon das Gefühl: Es wurde wirklich weniger ein Thema, obwohl wir nichts an der Ausbildung geändert haben, dass wir nach wie vor sagen, in der Tendenz lieber einmal zu viel als einmal zu wenig kommunizieren, offen sein. Einfach sicher wissen, wie wirkt es gegen aussen, Takt und Timing muss stimmen – eben nicht einfach irgendwie das Spiel aufhalten, wenn es nicht nötig ist –, aber nicht einfach den Weg gehen, den die Finnen gehen, die dies völlig wie abblocken. Ich weiss auch, im Eishockey hatten sie mal eine Zeit, so zur Zeit von Heini Schmied und Sportart übergreifenden Kursen, da waren sie sehr offen gewesen, ich habe dort sehr viel mitgenommen: Proaktiv sprechen mit den Leuten, auch wenn mal einer durchdreht, nach dem Spiel in die Garderobe einladen, ihm dies erklären, wo ich weiss, dass sie dann unter dem nächsten Schiedsrichter-Chef, weil es wahrscheinlich ein paar Mal schwierig wurde, haben sie gesagt, jetzt machen wir gar nicht mehr. Das ist noch viel schlimmer, das ist vielleicht im ersten Moment etwas beruhigen, aber es staut sich nachher etwas auf.

23 MH: Was sind Kernpunkte einer «erfolgreichen» Schiedsrichterkommunikation?

24 TE: Ich glaube, man muss einfach ein wenig das Gespür haben, wann ist es eben möglich und wann nicht. Wenn eben die Emotionen zu hoch sind, vielleicht mal eher Distanz nehmen, dafür nachher eine gute Situation, zum Beispiel einen Goal-Erfolg oder eine gute Chance, gerade ausnützen, um etwas anzusprechen, was vorher negative Emotionen waren. Und dann einfach Ehrlichkeit und Authentizität: Also so kommunizieren wie man ist. Sicher hilft es, Vorbilder zu haben und denen abzuschauen, was diese gut machen. Man muss sich auch immer fragen: Ja, kann ich das überhaupt, ich mit meiner Person, meiner Wirkung? Denn sonst könnte dies kontraproduktiv sein. Eben offen, ehrlich sein und echt sein. Ich glaube, echt sein kann jeder, noch wenn er nicht so eine eindrückliche Persönlichkeit ist oder nicht so guter Kommunikator. Wenn er oder sie echt ist, dann ist es selten, dass jemand nachher so weit geht und sagt: Du bist am falschen Ort. Also das ist eigentlich die einzige Kritik, die dann noch kommen kann: Du bist nicht gemacht für das, such’ dir ein anderes Hobby oder so. Sonst habe ich wie das Gefühl: Nimmst du dort so viel Druck weg und kannst nachher auch etwas einfordern des Gegenübers. Es bringt einfach nichts, Fehler oder schlechte oder unglückliche Entscheidungen schön zu reden oder anders darstellen zu wollen, als sie waren. Einfach solche Sachen vermeiden.

25 MH: Wie ist es mit proaktiver Kommunikation und dem Stellungsspiel?

26 TE: Das ist auch etwas, das nicht alle Nationen im Unihockey genau gleich sehen. Schweden ist eine Zeit lang einen ganz anderen Weg gegangen, dass sie auf Distanz gingen, dass sie sich gesagt haben, «nie im Weg stehen» und aus der Distanz mit einem breiteren Winkel eigentlich ruhigere, sichere Entscheidungen treffen zu können. Wobei der Fokus damals vor allem die Torlinie war, zu sehen, ob der Ball über die Torlinie geht oder nicht, und mit dem hatte ich immer Mühe, weil ich finde, wenn du als Goalschiedsrichter – also der, der auf dieser Platzhälfte ist, auf der das Goal steht, hinter dem Tor – immer den Ball unter Kontrolle hast, dann sieht er auch immer, ober der Ball über die Linie geht oder nicht. Dann spielt es keine Rolle, wo er positioniert ist. Weil einfach in der Wirkung vor allem, glaube ich, wenn du aus einer Nähe heraus einen Entscheid triffst, dann wir dieser in der Regel viel besser akzeptiert, als wenn dieser von weit weg ist. Es kann gar so sein, dass du aus 20 Meter Entfernung einen richtigen Entscheid triffst und null Verständnis kriegst für diesen, und du triffst aus einem Meter Distanz der falsche Entscheid, aber dieser wird akzeptiert, weil du dir so sicher bist und jeder denkt, du musst es ja gesehen haben. Deshalb ist es uns wichtig, dass die Schiedsrichter auch fit sind, dass sie dem Spiel nah sein

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können. Dass sie natürlich nie im Weg stehen dürfen, ist das Oberste, aber sonst sollen sie dem Spiel nah sein. Proaktiv haben wir gerade in dieser Ausbildungssaison ein wenig als Ausbildungsschwerpunkt auf allen Stufen – also Kleinfeld, Grossfeld, Breitensport, Spitzensport plus Observation –, in denen wir dies schulen. Hier haben wir uns bereits mal theoretisch damit auseinandergesetzt, was heisst proaktiv. Man hat immer von «proaktiv» gesprochen, und wir haben dann auch gemerkt, dass viele Schiedsrichter dies falsch, vor allem immer sprechen verstehen. Und das ist es ja eben nicht. Bei proaktiv geht es vor allem darum, vorwärtsgerichtet und positiv zu kommunizieren, offen und transparent zu sein in der Kommunikation, auch an die Eigenverantwortung des Gegenübers zu appellieren, und zu wissen, was man mit der Kommunikation erreichen möchte. Zum Beispiel wenn man feststellt, dass eine Mannschaft im Forechecking immer ein Vergehen macht, und man dann intern merkt, das häuft sich und wir müssen ein Zeichen setzen mit einer Strafe, dass man nicht einfach abwartet und nur intern kommuniziert und sich quasi gar noch auf eine Strafe freut, sondern dass man dem Spieler direkt oder bei der Bank vorbeigeht und proaktiv sagt, dass wenn diese Entwicklung weitergeht, dann müssen wir irgendwann eine Strafe geben, und an die Eigenverantwortung appelliert, dass wollt ihr ja nicht, also unternehmt etwas dagegen. Das klare Ziel wäre, eine Strafe zu vermeiden, das dahintersteckt. Offen und transparent: Wir stellen das fest, uns nerven dieses häufige Vergehen, wir werden etwas dagegen unternehmen. Das ist das, was wir versuchen in die Köpfe hinein zu brennen und von Anfang an in die Ausbildung hineinzugeben.

27 MH: Wie agieren (bzw. sollen sie agieren) Schiedsrichter in Konfliktsituationen?

28 TE: Was mir dazu gleich in den Sinn kommt, ist, dass Konflikte häufig wirklich spürbar sind, für beide Parteien, und das Einfachste ist es, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, zumindest im ersten Moment. Aber eben speziell als Schiedsrichter und vor allem wenn man in einer Liga unterwegs ist, in der man Spielern immer wieder begegnet, ist es einfach ein schlechter Ratgeber, diesem aus dem Weg zu gehen. Vielleicht in einem hitzigen Moment, in dem man den Konflikt nicht gleich klären kann, dann mag es stimmen, dass man diesem aus dem Weg geht, aber sonst würde ich jedem anraten, immer proaktiv den Konflikt anzugehen. Hier habe ich auch immer das Gefühl, dass man sich häufig im Nahhinein sagt, der hat ein Problem mit mir, der könnte ja auch kommen und dies ansprechen, und da sage ich immer: Du stehst ja über deine Rolle, deine Funktion als Schiedsrichter immer über den Spielern oder über den Teams, also in deiner Macht mit dem Reglement, indem du über sie entscheiden kannst. Ich glaube, es wird selten der, der unten ist, kommen zu dem, der oben steht, und sagen: «Ich habe ein Problem mit dir, können wir diese klären?» Es ist immer einfacher, wenn du von oben zu ihm gehst, und dies anbietest, ihm sagst: «Du, ich stelle fest, irgendwie funktioniert das nicht, wir geraten uns immer in die Haare.» Ich habe selbst diese Erfahrung gemacht, so hat man einfach ganz viele Konflikte klären können und nachher war es kein Thema mehr. Häufig hat es sich gleich ins Gegenteil gekehrt. Wenn du so schwelende Konflikte hast mit Spielern oder Trainern, dann behindert es einfach immer wieder beide Seiten. Ich glaube, fast immer findest du mit fast allen im Anschluss einen Konsens – es gibt ein paar wenige Ausnahmen, ganz schwierige Charakteren, die dies (vielleicht bewusst) nicht zulassen.

29 MH: Wie steht es um die Autorität der Schiedsrichter?

30 TE: Die Autorität ist wie das letzte Mittel. Ich wollte vorhin bei den Konflikten nicht sagen, als Schiedsrichter ist es cool, du bist immer oben. Das ist das, was häufig den Schiedsrichtern unterstellt wird und in der Vergangenheit sicher das grössere Problem war, dass du auch Personen angezogen hast, die dies auch ein wenig gesucht oder gebraucht haben, einmal in dieser starken Rolle zu sein. Aktuell würde ich sagen, wenn ich unsere Spitzenschiedsrichter anschaue, käme mir niemand in den Sinn, den ich als erstes mit autoritär beschreiben würde, noch fast am wenigsten unsere Spitzenschiedsrichterinnen. Sie wissen einfach, im letzten Moment, wenn alle anderen proaktiven kommunikativen Mittel und Werkzeuge nichts mehr nützen, dann könnten wir mit Strafen, Matchstrafen oder was auch immer unsere Autorität untermauern oder durchsetzen. Aber dies soll wirklich wie das letzte Mittel sein, vorher versuchen, als Dienstleister, als Spielleiter, als Kommunikator das Spiel gerecht und für beide Seiten gleich zu leiten.

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31 MH: Ein Zitat besagt: «Will man Konflikte beherrschen, dann muss optimales Kooperieren erstrebt werden.» Doch wie erreicht man diese Kooperation der Spieler mit der Schiedsrichterarbeit?

32 TE: Der Begriff «Kooperation» ist mit bis jetzt bei der Ausbildung noch nie so direkt begegnet. Also was wir ihnen sicher mitgeben, ist, dass sie Lust und Freude am Pfeifen, am Sport und am Teil sein davon haben. Denn das ist sicherlich etwas, wenn die Leute das Gefühl hätten, die machen ihre Arbeit gar nicht gern, dann kannst du überhaupt nicht funktionieren. Dann über echt sein, sich nicht zu verstellen. Und vor allem schon über Leistungs- und Arbeitsbereitschaft: Wirklich zeigen, ich möchte mich immer weiterentwickeln. Sich mal einzugestehen, «ja, es kann sein, dass ich diesem Spiel noch nicht gewachsen war, aber ich werde es reflektieren, ich werde Dinge rausnehmen, die ich besser machen möchte, und dann werde ich mit jedem Spiel wieder besser. Dies kannst du nicht mit Taten erreichen, sondern musst es dann auch zeigen. Und dann ist Kooperation möglich, wenn dies gespürt wird.

33 MH: Wie können Schiedsrichter mit verbaler und non-verbaler Kommunikation ein Spiel bis zum Schlusspfiff konfliktfrei halten?

34 TE: Wenn du irgendeinen Scheiss-Entscheid hast, dann wird es natürlich schwierig, aber selbst dort… Ich glaube bei dem Punkt, bei dem wir vorhin gerade waren: Im worst Case, wenn du einen Entscheid getroffen hast oder Dinge geschehen sind, die Konflikte generieren oder auslösen, bringt es nichts, wenn du irgendwie über den Körper oder die Kommunikation versuchst, dich stark oder autoritär zu machen und versuchen abzulenken oder etwas anderes verantwortlich zu machen, dann würde ich sagen: Über den Körper zu sagen, «shit, das ging in die Hosen», über die Sprache erklären, «das ist falsch gelaufen», aber sich selbst auch klar sagen, «jetzt mache ich es besser!» Ich glaube nicht, dass du sagen kannst: Wenn du optimal kommunizierst – verbal und non-verbal –, dass du nie einen Konflikt haben wirst. Aber wenn du dich in solchen Konflikten noch falsch verhältst, du einen offensichtlichen Fehlentscheid hast oder eine Situation schlecht löst, und im Anschluss noch davon stolzierst und signalisierst, «ich bin stark und habe alles im Griff», plus in der verbalen Kommunikation noch im falschen Moment der falschen Person das falsche sagst, dann kann es extrem schnell eskalieren. Wenn du es dann schaffst, gewisse Demut über den Körper zu zeigen nach einem schlechten Entscheid, in der Kommunikation zu einem Fehler zu stehen – da sind wir wieder bei proaktiv: offen und transparent zu sein, aber wieder an die Eigenverantwortung zu appellieren, solche Entscheidungen möchte niemand, jetzt schauen wir vorwärts und du musst auch mitmachen, du musst mir dies verzeihen. Wenn sich dies natürlich von Anfang an abzeichnet, oder gegen Spielende vielleicht gewisse Hektik ins Spiel kommt, da würde ich sagen, kannst du sicher über den Körper, über klare, deutliche Zeichen, Körpersprache etwas unternehmen. Das ist etwas, das ich mal aus einer Weiterbildung mit einem Schauspieltrainer mitnahm, dass ich dann auch häufig gebraucht habe. Er hat gesagt: «Wenn du dich unsicher oder unzufrieden fühlst, es läuft nicht gut, dann sieht man dir dies normal an. Wenn du nachher versuchst, klare Zeichen (Ausball, Freischlag) zu machen, breit, sicher und aufrecht zu stehen, dann überträgt sich dies dann auch auf deine Psyche und dein Wohlbefinden. Hier kann es sicher helfen, mit der non-verbalen Kommunikation eine gewisse Unsicherheit oder schlechte Entwicklung zu überspielen. Dies würde sich dann wieder auswirken auf die verbale Kommunikation, wenn du dich sicherer fühlst, bist du plötzlich wieder schlagfertiger oder direkter.

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Anhang 3: E-Mail-Korrespondenz mit Roman Kaderli, SIHF