Schild, Hermann - Das Morgenthau Tagebuch - Dokumente Des Anti-Germanismus (1970, 427 S., Text)

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  • D A S M O R G E N T H A U - T A G E B U C H Dokumente des Anti-Germanismus

  • DAS MORGENTHAU TAGEBUCH

    D O K U M E N T E D E S A N T I - G E R M A N I S M U S

    Auswahl und zeitgeschichtliche Hinweise von Hermann Schild

    D R U F F E L - V E R L A G

    L E O N I A M S T A R N B E R G E R S E E

  • Schutzumschlag: Hasso Freischlad Bilder: Keystone Sddeutscher Verlag

    Ullstein-Bilderdienst

    Die acht Bildtafeln sind eingeschaltet vor den Seiten 17, 33, 209, 225, 305, 321, 369, 385

    Internationale Standard-Buchnummer

    ISBN 3 8061 0490 5

    1970

    Alle Rechte an der deutschen bersetzung vorbehalten

    Druffel-Verlag Gesamtherstellung: Satz, Druck und Bindearbeiten:

    Druckhaus R. Kiesel, Salzburg

    Printed in Austria

  • Henry Morgenthau junior und sein Tagebuch" (7) Vorwort des deutschen Herausgebers

    Vorbereitung 19391941 (19) Die Quarantne" (19) Hat der Nationalsozialismus den Kapitalismus in Deutschland geschwcht oder gestrkt? (23) Russischer Kommentar zum Molotow-Besuch in Berlin (26) Amerikanisches Kapital in Deutschland (28) Die deutschen Patente (30) Das deutsche Vermgen in den USA (31) Personal fr den Stab Morgenthau (34) Drude auf Japan (35) Die kriegswichtigen Funktionen des US-Finanzministeriums (37) Lebensmittel fr die besetzten Gebiete? (40)

    Nach Pearl Harbor (42) Ein Geheimvertrag LondonMoskau (42) Was soll mit Schering geschehen? (43) Das Vermgen des deutschen IG-Farben-Konzerns (46) Hilfe fr Ruland vordringlich (48) Gromyko bei Morgenthau (53) Dollars fr den Knig von Italien (55) Das Schicksal der Juden in Osteuropa (57) Morgenthau nach Moskau? (60)

    Der Deutschland-Plan (64) Soll die deutsche Wirtschaft geschont und wieder aufgebaut werden? (64) Morgenthaus Flugreise nach England (65) Bericht an Auenminister Hull (68) Die Militrs be- ntigen eine Deutschland-Direktive (72) Ein Memorandum fr den Prsidenten? (7) Ich werde die Initiative ergreifen" (77) Protest gegen das Deutschlandhandbuch der Stabschefs (81) Prsident Roosevelt nimmt Stellung (86) Die Sache platzt" (88) Die Plne der Beamten (93) Die Idee des Ministers (105) Der Entwurf des Finanz- ministeriums (108) Dieser Entwurf geht nicht weit genug" (114) Gesucht: Ein star- ker Mann fr Deutschland (135) Wie kann man das Ruhrgebiet zerstren? (136) Die Neufassung des Planes (146)

    Die Konferenz von Quebec (154) Einwand des Ministers Stimson: Hungertod fr 30 Millionen? (154) Das Memorandum des Auenministers (155) Die Diskussion der drei Minister (157) Auf Wieder- sehen": beim Prsidenten (166) Das Memorandum des Kriegsministers (170) Der Prsident weicht aus (174) Der offizielle Text des Morgenthau-Planes (176) Die Waffen-SS (188) Korrekturen zur Eisenhower-Proklamation (189) Was wird Roose- velt tun? (191) Material fr die Quebec-Konferenz (193) Der Prsident sagt ja, der Kriegsminister widerspricht erneut (206) Der Finanzminister in Quebec (214) Que- bec-Direktive ber Deutschland" (217) Morgenthau: Der Hhepunkt meiner Laufbahn" (218) Der Finanzminister orientiert den Auen- und den Kriegsminister (221) Churchill in Quebec (226)

  • Vom Plan zur Direktive (231 ) Der Plan wird bekannt (231) Wer hat White in Quebec gesehen? (233) Was soll der

    Prsident sagen? (235) General Marshall meint: Die Sache schlgt nicht in mein Fach" (236) Mu geimpft werden" (238) Der deutsche Widerstand und die bevorstehende Prsidentenwahl (239) Im Weien Haus (242) Propaganda fr den Morgenthau- Plan? (243) Einige Deutsche befrworten den Plan (245) Gromyko, deutsche Filme und Beamte (246) Ein Buch soll geschrieben werden (248) Zweifel an Auschwitz- Berichten (257) Das Argument des Prsidenten: den deutschen Export vernichten (262) Minister Morgenthau wird gefragt (268) Die Gattin des Prsidenten: Unterbindung der Forschung in Deutschland (269) Oberst Bernstein (270) Harry Dexter White wird Unterstaatssekretr (272) Die Neufassung der Direktive (273) Kurze Diskussion um nderungen (275) McCloy war behilflich (277) Auf die Industrie kommt es an (279) Verwsserung der Entnazifizierung"? (282) Deutsche Propaganda (283) Be- denken des Botschafters Winant (283)

    Jalta (285) Die russischen Deutschland-Absichten? (285) Ruland: die Schlsselfrage" (294) Der Morgenthau-Plan und die Sowjetunion (296) Unterlagen fr die Jalta-Konferenz (303) Gesprch mit General Rudenko (306) Die richtigen" Deutschen (308) Baruch und die Reparationen (309) Was wurde in Jalta beschlossen? (316) Die Haltung McCloys (319) Morgenthau glcklich": es bleibt bei der Deutschland-Direktive ICS 1076 (320) Prsident Roosevelts letzter Abend: grnes Licht" fr Morgenthau (323) Der neue Prsident (325)

    Nach dem Sieg (330) Deutschland ein Bollwerk gegen Ruland? (330) Das Problem der Zwangsarbeit (331) Die Kategorien" (337) Der Einwand des Richters Jadcson (339) Es geht hier nicht um Bestrafung" (342) Millionen verurteilen? (346) Truman: Mit Stalin

    reden" (375) Plan fr zwanzig Jahre" (378) Das Tagebuch (382)

    Dokumente des Anti-Germanismus (385) Nachwort des deutschen Herausgebers

    Anhang (391) Weisung der Vereinten Stabschefs an den Oberkommandierenden der amerikanischen Be-

    satzungsstreitkrfte in Deutschland (Direktive ICS 1067) Amtlicher Text

    Index (411) Vorkriegs- und Kriegsgeschehen 19371945 (411) Entstehung und Durchsetzung des Morgenthau-Planes (411) Die Grundzge der amerikanischen Deutschland-Politik im

    Morgenthau-Tagebuch und in der Direktive ICS 1067 (412)

    Namenverzeichnis (413)

  • HENRY MORGENTHAU JUNIOR UND SEIN TAGEBUCH"

    Vorwort des deutschen Herausgebers

    Der vorliegenden Dokumentation liegt eine amtliche Ver- ffentlichung des Senates der Vereinigten Staaten von Nord-

    amerika zugrunde. Deren genauer Titel lautet (vergl. Seite 18): Morgenthau Diary (Germany)

    Prepared by the Subcommittee to investigate the administration

    of the Internal Security Act and other internal security laws

    of the Committee on the Judiciary

    United States Senate November 20, 1967

    US Government Printing Office Washington Der genannte Sicherheits-Unterausschu fr Rechtsangelegen- heiten des US-Senates hat sich wie im Vorwort zur ameri-

    kanischen Originalausgabe von Senator James 0. Eastland fest- gestellt wird unter Strafandrohung und darauf folgender

    Zustimmung des verstorbenen Mr. Morgenthau1" in den Besitz der verffentlichten Dokumente gesetzt.

    Es handelt sich ausschlielich um Schriftstcke, deren amt- licher Charakter unbestritten ist: Als US-Finanzminister Henry Morgenthau junior nach fast zwlfjhriger Amtsttigkeit im Juli 1945 zurckgetreten war, nahm er eine nach dem Datum geordnete Sammlung von Unterlagen mit, die ber die wichtig- sten Vorgnge seiner Amtsttigkeit ungewhnlich genaue Aus- kunft geben, weil in ihnen nicht nur formulierte und redigierte Aktenstcke, sondern auch stenografische Wortlaut-Nieder- schriften von Besprechungen, ja von Telefongesprchen fest- gehalten sind. Aus dieser amerikanischen Parlamentsverffentlichung wer-

    1 Henry Morgenthau junior geboren in New York am 11. 5. 1891, gestorben in Ponghkeepsie (Staat New York) am 6. 2. 1967.

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  • den hier die fr den deutschen Leser wichtigsten Dokumente in wortgetreuer bersetzung vorgelegt. Die bertragung in die deutsche Sprache erfolgte durch eine sachkundige Arbeits- gruppe, der der Verlag zu Dank verpflichtet ist. Die Mitwirkung des Herausgebers beschrnkte sich auf die Auswahl der Texte, gelegentliche Einschaltung von Zusammenfassungen und auf besonders gekennzeichnete zeitgeschichtliche Hinweise.

    Eine kritische Wrdigung der Dokumentation findet der Le- ser im Nachwort des deutschen Herausgebers.

    Zur Einleitung mag eine kurze Orientierung gengen. *

    Bereits der Vater des US-Finanzministers Morgenthau: Henry Morgenthau senior (er starb neunzigjhrig am 26. 11. 1946) war eine einflureiche Persnlichkeit der amerikanischen Politik gewesen.

    Im Jahre 1866 als Zehnjhriger mit seinen damals noch wohl- habenden Eltern aus Mannheim nach New York eingewandert, mute der sptere Multimillionr Morgenthau senior schon als Vierzehnjhriger zum Unterhalt der bald verarmten Einwande- rer-Familie beitragen. Dem Zwanzigjhrigen freilich gelangen bereits die ersten erfolgreichen Grundstcksgeschfte in der rasch aufsteigenden Finanzmetropole der Neuen Welt; als 1891 sein einziger Sohn Henry geboren wurde, wuchs dieser bereits in den breiten Verhltnissen eines angesehenen Elternhauses auf (vergl. die Memoiren von Henry Morgenthau senior: All in a Lifetime4', New York 1923). Politischen Einflu gewann die Familie Morgenthau im Jahre 1912. Da sich damals die bis dahin in den Vereinigten Staaten jahrzehntelang fhrende Republikanische Partei spaltete, ge- wann fr die in jenem Jahr bevorstehende Prsidentenwahl die Nominierung des Prsidentschaftskandidaten der oppositio- nellen Demokratischen Partei besondere Bedeutung. Der Fi- nanzmann Henry Morgenthau senior machte seinen ganzen Ein- flu geltend, um diese Kandidatur dem nicht allzu bekannten Professor Woodrow Wilson zu verschaffen; als dies erreicht war, wurde er im Wahlkampf der Schatzmeister seines Kandi- daten. Nach amerikanischer Gepflogenheit zeigte sich dieser nach dem Sieg erkenntlich: Vater Morgenthau wurde im Herbst

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  • 1913 zum Botschafter ernannt und als Vertreter seines Landes an den Hof des Sultans nach Konstantinopel entsandt, wohin ihn sein junger Sohn begleitete. Beide Morgenthaus finden wir auch im Paris der Jahre 19181919. Morgenthau senior ge- hrte zu den Zeugen der folgenreichen deutschen Unterschrifts- leistung unter den Versailler Vertrag am 28. Juni 1919. Wenn man seinen Memoiren glauben darf, dann war er damals skep- tisch von General Bliss, dem militrischen Mitglied der ame- rikanischen Friedensdelegation, notierte er die Ansicht, es seien nur die ersten sieben Jahre eines neuen Dreiigjhrigen Krie- ges zu Ende gegangen, der mit dem Balkan-Konflikt 1912 be- gonnen hat4' (a. a. 0. S. 335 f.).

    Im unmittelbaren Anschlu an die Pariser Konferenz wurde Henry Morgenthau senior von Prsident Wilson eine besondere Mission bertragen: Als Mitglied einer Regierungskommission reiste er nach Warschau, um die Rechte der jdischen Minder- heit im neugegrndeten polnischen Staat zu regeln. Bei dieser wie bei anderen Gelegenheiten erklrte sich Morgenthau senior als entschiedener Gegner einer eigenen jdischen Staatsgrn- dung. Seine Memoiren beendete er mit dem leidenschaftlichen Bekenntnis: Wir Juden in Amerika haben hier unser Zion ge- funden. Ich weigere mich deshalb, ein Zionist genannt zu wer- den" (a.a.O. Seite 404).

    *

    Als mit dem Ende der Wilson-ra wieder die Republikaner den Prsidenten der Vereinigten Staaten stellten, war die diplo- matische Laufbahn Morgenthaus senior bald zu Ende, doch be- gann mit dem Sieg des demokratischen Prsidentschaftskandi- daten Franklin Delano Roosevelt ber Herbert Hoover im No- vember 1932 die politische Karriere von Henry Morgenthau junior.

    Dieser hatte sich von den politischen Auslandsaufenthal- ten mit seinem Vater zurckgekehrt als Landwirt selbstndig gemacht. Sein mit dem angeborenen Unternehmungsgeist seiner Familie experimentell betriebenes Gut grenzte an den Fami- lienbesitz der Roosevelts am Hudson-Flu in der Nhe New Yorks.

    Es waren sowohl diese nachbarlichen wie auch politische Ver- bindungen, die zwischen Morgenthau junior und dem um ein

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  • Jahrzehnt lteren Franklin D. Roosevelt schon in den 20er Jah- ren eine enge Beziehung knpften.

    Bereits 1928 hatte sich Roosevelt um den New Yorker Gou- verneursposten beworben und diese wichtige erste Wahl seines Lebens als Vorstufe ins Prsidentenamt gewonnen. Schon da- mals bertrug er dem Landwirt Morgenthau in der Staatsver- waltung ein bescheidenes Amt: den Vorsitz in einer Landwirt- schafts-Finanzkommission. In hnlicher Eigenschaft wenn auch eine Stufe hher: als Leiter der regierungsamtlichen Farm- Kredit-Organisation nahm der neugewhlte Prsident seinen jngeren Freund Morgenthau im Frhjahr 1933 nachWashing- ton mit.

    Aufmerksame Beobachter wuten freilich bereits: in dem Gehirntrust", wie man damals die Gruppe eifriger Intellek- tueller bezeichnete, die Roosevelt im Weien Haus um sich ver- sammelte, war neben einem bald wieder ausgeschiedenen Harvard-Professor und der spteren Grauen Eminenz" Harry Hopkins der Landwirt Henry Morgenthau junior die be- achtenswerteste Figur.

    Das besttigte sich bereits im Herbst 1933, als Morgenthau vom Prsidenten mit einer sehr wichtigen und dabei zunchst streng vertraulichen Mission betraut wurde: er stellte im Sep- tember 1933 die ersten Beziehungen zur Sowjet-Regierung her. Die Vereinigten Staaten hatten die Sowjetunion bis dahin nicht anerkannt, Roosevelt aber wollte diesen groen Staat schon damals als weltpolitischen Partner gewinnen. Morgenthau, der durch seine Farm-Kredit-Organisation zur sowjetischen Han- delsmission Amtorg" Verbindung hatte, war dem Prsidenten der geeignete Mittelsmann fr die Einleitung der Verhandlun- gen, die dann wenige Wochen spter im November 1933 zum Besuch des sowjetischen Auenministers Litwinow in Washington und daran anschlieend zur Aufnahme der diplo- matischen Beziehungen zwischen der UdSSR und den USA fhrten.

    Diese Hintergrund-Geschichte eines fr die Folgezeit hoch- bedeutsamen Vorganges ist in den Vereinigten Staaten erst 1959 bekannt geworden, als der erste Band eines Werkes des jungen Historikers John Morton Blum erschien. Darin sind die Morgenthau- Auf Zeichnungen ausgewertet, freilich nicht so

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  • dokumentarisch, wie der US-Senat es spter anordnete: nicht vollstndig im Wortlaut, sondern in vorsichtiger Auswahl und eingeflochten in eine Biographie des an der Niederschrift per- snlich mitwirkenden Henry Morgenthau junior.

    From the Morgenthau Diaries" so lautet der Titel dieses dreibndigen Werkes (erschienen in Boston in den Jahren 1959, 1965 und 1967). Nur der dritte Band Years of War 1941 1945" ist in deutscher bersetzung erschienen (John Morton Blum: Deutschland ein Ackerland? Morgenthau und die ameri- kanische Kriegspolitik 19411945, Dsseldorf 1968). Auf diese deutsche Teilausgabe beziehen sich im vorliegenden Buch die gelegentlichen Hinweise und Anmerkungen zu den ber- setzungen aus dem Dokumentarwerk des US-Senates.

    Wenn auch John Morton Blum unter der persnlichen Aufsicht Morgenthaus gearbeitet hat (nicht nur fr dessen auf- merksame Freundschaft", sondern auch fr die unvergleich- liche Gastlichkeit", die er bei der Niederschrift im Hause Mor- genthau genossen hat, bedankt sich Blum im Vorwort seines ersten Bandes) so vermittelt das Werk doch zahlreiche bemer- kenswerte Aufschlsse ber die politische Rolle, die Henry Mor- genthau junior schon vor der Zeit gespielt hat, in der die im vorliegenden Band wiedergegebene amtliche Dokumentation einsetzt.

    Die Vorbereitung des Litwinow-Besuches in Washington und die Teilnahme an den ersten Gesprchen Roosevelts mit dem sowjetischen Auenminister (John Morton Blum, a. a. 0., Band I, Years of Crisis 19281938", Seite 55-57) war Morgenthaus erstes Abenteuer in der Auenpolitik" und es war bereits gegen Deutschland gerichtet, denn sein und des Prsidenten Interesse an der Sowjetunion war von dem Gedanken be- herrscht, da Moskau als Bollwerk" sowohl gegen die japa- nische wie gegen die deutsche politische Aktivitt jener Jahre dienen solle. In Pressekreisen wurde schon 1933 eine uerung Morgenthaus kolportiert: Deutschland msse in eine Wste wie nach dem Dreiigjhrigen Krieg verwandelt werden".

    Bereits in den Tagen, in denen sich Litwinow noch in der amerikanischen Hauptstadt aufhielt (7.25. 11. 1933), wurde dem Vermittler Morgenthau sein Lohn zuteil: Prsident Roose- velt ernannte den knapp Einundvierzigjhrigen zum amtie-

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  • renden Vertreter des erkrankten US-Finanzministers, wenige Wochen spter, im Januar 1934, erhielt Morgenthau seine end- gltige Berufung in dieses hohe Regierungsamt, in dem er dann whrend der ganzen Amtszeit Prsident Roosevelts verblieb.

    *

    Es gengt, aus den Jahren vor 1939 einige der politischen Leistungen Morgenthaus so zu skizzieren, wie sie John Morton Blum hervorhebt:

    So hat der US-Finanzminister bereits 1935 eine umsichtige internationale Whrungspolitik betrieben; sie fhrte schlie- lich zu einem Drei-Mchte-Abkommen" mit England und Frankreich, nach dessen Regeln sich Dollar, Pfund und Franc gegenseitig auf den internationalen Geldmrkten absttzten. Der grundlegende Gedanke war politisch und wiederum gegen Deutschland gerichtet: Die Westmchte" sollten in ihrem Widerstand gegen die deutsche Anti-Versailles-Politik ermutigt und ihre damals einsetzende Aufrstung weltwirtschaftlich ab- gesichert werden. Morgenthaus britischer Verhandlungs- und Vertragspartner wurde bald darauf eine beherrschende Figur des europischen Geschehens: Neville Chamberlain war damals noch Schatzkanzler, bereits ein Jahr spter aber zog er als Pre- mierminister Grobritanniens nach Downingstreet 10 um.

    Blum verzeichnet als einzige ernstere Meinungsverschieden- heit Morgenthaus mit Roosevelt das Zgern des Finanzmini- sters gegenber der Absicht des Prsidenten, die jahrelange amerikanische Wirtschaftskrise durch deficit spending", d. h. durch Regierungsauftrge auf Kosten eines Defizits im Staats- haushalt, zu bekmpfen.

    Den Prsidenten beunruhigte das Ansteigen der Arbeits- losigkeit, den Minister der Rckgang der Steuereinnahmen ber diese Fragen der amerikanischen Innenpolitik kam es sogar einmal zu einer Rcktrittdrohung Morgenthaus. Diese Probleme lsten sich auf, als der Prsident dem Aus- weg zuschritt, der auch Morgenthaus volle Zustimmung fand: der Hintertr zum Krieg", wie der amerikanische Historiker Charles C. Tansill das weltpolitische Eingreifen Roosevelts vor 1941 knapp und treffend charakterisiert hat. Blum benennt als den fr das amerikanische Wirtschaftsleben kritischsten Zeit-

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  • bereicb den Herbst 1937; zwischen September und Dezember dieses Jahres stieg die Arbeitslosenzahl in den USA um nicht weniger als 1,8 Millionen, fr Januar 1938 wurde ein weiterer Millionenanstieg befrchtet; im April 1938 schtzte Morgen- thau selbst die Gesamtzahl der Arbeitslosen in den Vereinigten Staaten auf zehn oder mehr Millionen" (a. a. 0., Seiten 398 und 419). Das waren die Monate, die auenpolitisch von Roose- velts Chicago-Rede und von dramatischen Vernderungen der europischen Lage gekennzeichnet sind (vergl. Hinweis Seite 20).

    Bereits im Herbst 1935 war Morgenthau zur Vorbereitung seines whrungspolitischen Drei-Mchte-Vertrages" lngere Zeit in Europa gewesen; im Juli und August 1938 hielt er sich erneut mehrere Wochen in Frankreich auf. Ob und wie der US- Finanzminister in jener spannungsgeladenen Zeit vor Beginn der Sudetenkrise auf die franzsische und englische Politik eingewirkt hat das ist eine Frage, die John Morton Blum unbeantwortet lt. Er betont aber, da Morgenthau im Okto- ber 1938 bereits als heftiger Kritiker des Mnchner Abkom- mens hervorgetreten ist. In einer vom 31. 10. 1938 datierten Denkschrift forderte er als Finanzminister die Einfhrung von Sonderzllen gegen deutsche Waren. Das US-Auenministerium widersprach diesem Verlangen am 19. 11. 1938 mit dem Hin- weis, da dadurch die damals laufende Verhandlung mit der Reichsregierung ber die Auswanderung von politisch Verfolg- ten aus Deutschland gestrt werden wrde. Dieses Argument lie Morgenthau nicht gelten: Ich kann als Jude nicht Halt machen und darber nachdenken: ,Was ist gut oder schlecht fr die Juden?' " (Blum, a. a. O., Band II, Years of Urgency 1938 bis 1941", Seite 7981).

    Im Dezember 1938 finden wir Morgenthau damit beschftigt, der franzsischen Regierung amerikanische Flugzeuglieferun- gen zu vermitteln (a. a. 0. Seiten 67 ff.) schon damals setzte jene intensive kriegswirtschaftliche Aktivitt des amerikani- schen Finanzministeriums ein, wie sie sich dann in den ersten der vom US-Senat verffentlichten Dokumente przise dar- stellt.

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  • M i t der sachkundigen berprfung, Auswahl und Heraus- gabe des Morgenthau-Tagebuchs" hat der US-Senat den Histo- riker Dr. Anthony Kubek von der Universitt Dallas beauftragt.

    Professor Kubek - tschechischer Abstammung und insoferne gegenber der Persnlichkeit Morgenthaus und den behandel- ten Angelegenheiten neutral eingestellt berichtet in seiner Einleitung zur amerikanischen Ausgabe von dem Umfang der Materialien, mit denen er es bei seinen jahrelangen Arbeiten zu tun hatte:

    Das Morgenthau-Tagebuch besteht aus 864 numerierten Bnden; einschlielich zustzlicher unnumerierter Bnde wird die Gesamtzahl von 900 erreicht. Jeder Band enthlt etwa 300 Blatt. Insgesamt sind etwa 1 Million Worte aus den Besprechungen zwischen ranghohen Beamten des Finanz- ministeriums festgehalten." Aus diesen umfangreichen Unterlagen hat Professor Kubek

    zunchst solche Dokumente ausgesondert, die den ostasiatischen Raum betreffen. Dieses Material ist in einer bereits 1965 er- schienenen ebenfalls zweibndigen amtlichen Druckschrift des US-Senates unter dem Titel Morgenthau Diary (China)" der ffentlichkeit zugnglich gemacht worden.

    Nach der zwei Jahre spter erfolgten Drucklegung der Deutschland-Dokumente des Morgenthau-Tagebuchs hat Pro- fessor Kubek seine Studien hinsichtlich der amerikanischen Politik im Pazifik fortgesetzt. Im Jahre 1968 erschien im Ver- lag Regnery (Chicago) aus seiner Feder ein Werk, das in der amerikanischen ffentlichkeit berechtigtes Aufsehen erregte: How the Far East was lost" (Wie der Ferne Osten verloren wurde").

    Neuerdings im Februar 1970 hat Professor Kubek wiederum in einer Publikation des US-Senats Materialien ver- ffentlicht, die von den amerikanischen Sicherheitsbehrden im Juni 1946 bei einer Durchsuchung der New Yorker Redak- tionsrume der Amerasia", einer krypto-kommunistischen Zeitschrift fr Fernost-Angelegenheiten beschlagnahmt worden waren.

    Hier wie auch bereits bei der Publikation des Morgenthau- Tagebuches standen fr Professor Kubek begreiflicherweise die Anliegen der inneren Sicherheit der Vereinigten Staaten

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  • im Vordergrund des Interesses: Diese wahrzunehmen ist die Aufgabe des Ausschusses, fr den Professor Kubek seine histo- rischen Forschungen durchfhrte. Bekanntlich haben sich hin- sichtlich der Unterwanderung des amerikanischen Regie- rungsapparates durch kommunistische Agenten erstaunliche Tatsachen herausgestellt. So kam es im Fall des Alger Hiss eines Beamten des US-Auenministeriums, der in Begleitung Roosevelts an der Jalta-Konferenz teilnahm zu einem auf- sehenerregenden Spionage-Proze, der mit hohen Gefngnis- strafen beendet wurde. In die Vorstadien dieses Verfahrens war im Sommer 1948 auch Harry Dexter White, der langjhrige Mitarbeiter und sptere Stellvertreter des Finanzministers Morgenthau, verwickelt.

    Die Rolle Whites eines zwar in den USA geborenen, aber aus Ruland abstammenden intelligenten Volkswirtschaftlers konnte nicht voll geklrt werden. Sowohl im Fall Hiss wie in einem spteren ebenfalls Aufsehen erregenden Spionageproze gegen Nathan Silvermaster auch dieser ein Beamter des US-Finanzministeriums der Morgenthau-Zeit wurde White als Informant fr Nachrichtenmaterial genannt, das schlielich bei Sowjet-Dienststellen landete. White selbst jedoch konnte nicht mehr gestellt werden. Am 13. August 1948 war er erst- mals von einem Ausschu des US-Reprsentantenhauses ver- nommen worden. Sechs Tage spter am 19. 8. 1948 schied White aus dem Leben. Als Todesursache wurde Herzversagen auf Grund einer berdosis von Schlaftabletten festgestellt.

    Professor Kubek mit den untergrndigen Beziehungen hoher Beamter des US-Finanzministeriums zum Kommunismus, und damit zur Sowjetregierung, groe Bedeutung bei; das ist gewi begrndet. Noch heute geistern die Namen von zwei damaligen Untergebenen Morgenthaus gelegentlich durch die Spalten der internationalen Presse. Sowohl Frank Coe (dessen Name wenn auch nicht so hufig als der Whites auch in den Dokumenten des Tagebuches verzeichnet ist) wie Salomon Adler (ein nur gelegentlich erwhnter, damals noch jngerer Mitarbeiter Whites) sind aus den Vereinigten Staaten nach Rot-China emigriert. Sie leben in Peking und gelten als ge- legentliche Berater Mao Tse Tungs (vergl. Der Spiegel", Ham- burg, Nr. 15/1970, S. 145).

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  • In seiner Deutung dieser nach 1945 erfolgten Aufdeckungen geht Professor Kubek so weit, da er die Ansicht vertritt, es seien nicht nur aus dem Washingtoner Finanzministerium In- formationen zum Kreml gelangt, sondern von dort auch umge- kehrt Direktiven in die amerikanische Regierungspolitik ein- filtriert worden. Harry Dexter White ist fr Professor Kubek so sehr die Schlsselfigur dieses untergrndigen Geschehens, da er ihm grere geschichtliche Bedeutung beimessen will als dem Finanzminister selbst. Der Morgenthau-Plan so meint Professor Kubek (a. a. 0., S. 79) -- sollte von den Historikern zutreffender als White-Plan" bezeichnet werden, denn das erfinderische Gehirn und die unermdliche Hand von Dr. Harry Dexter White hat ihn produziert". Es bleibe freilich die beunruhigende Frage offen: Wer oder was regte die Hand von White an oder lenkte sie?"

    *

    Der patriotische amerikanische Professor und die Senatoren der Vereinigten Staaten mgen eine gewisse Beruhigung in der Vermutung finden, die in ihrer Art einzigartigen Dokumente, die hier vorliegen, htten ihren geistigen Ursprung nicht in Washington gehabt, sondern drften weit entfernten Einfls- sen zugeschrieben werden.

    Wer die Texte freilich mit der Sorgfalt liest, die sie ange- sichts ihrer weitreichenden Auswirkungen verdienen, wird die Verantwortlichkeit dennoch d o r t feststellen, wo sie politisch unbestreitbar liegt.

    Gewi hat Morgenthau viele Entwrfe und Texte seiner Mitarbeiter angefordert und verwendet, aber die Richtlinien hat e r formuliert, s e i n e Stellungnahme war ausschlag- gebend, in bedeutenden Fragen hat er auch White Weisungen erteilt, gelegentlich sogar gegen dessen skeptischen Einspruch alles das ergibt sich zweifelsfrei aus den oft geradezu dramati- schen Wortlaut-Niederschriften der vielen Besprechungen, die im Tagebuch" festgehalten wurden.

    Noch viel wichtiger und allein durch diesen Umstand historisch bedeutend ist die Tatsache, da, was immer inner- halb der Treasury" abgesprochen wurde (ob mit oder ohne untergrndige Verbindung nach Moskau), in den Bereich der

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  • praktischen Verwirklichung erst eintrat durch die Zustimmung und Mittterschaft des Prsidenten Roosevelt.

    Von der gemeinsam begangenen Siegesfeier nach der Prsi- dentenwahl am 8. November 1932 bis zum letzten Lebensabend Roosevelts, am 11. April 1945, durfte Morgenthau sich als des- sen jngerer Bruder" fhlen so jedenfalls kennzeichnete noch im Jahre 1959 Eleanor Roosevelt in ihrem Vorwort zum ersten Band von John Morton Blums Werk die Beziehung ihres verstorbenen Gatten zu seinem Finanzminister. Diese zwei Mnner seien durch grundlegendes Vertrauen" miteinander verbunden gewesen; sie wirkten zusammen in kraftvollen und erregenden Zeiten, die groe Eigenschaften erforderten und groe Freundschaften anregten". Der Prsident selbst hat sich in der Widmungsunterschrift zu einem Bild, das ihn mit Mor- genthau zeigt, als einen von zweien" bezeichnet, die sich gleich sind" (one of two of a kind").

    *

    Das Morgenthau-Tagebuch" ist ein einzigartiges und in der Weltgeschichte erstmaliges Dokument.

    Bislang war es den Romanciers vorbehalten, historische Sze- nen nachzuempfinden und mit spter Feder Dialoge auszuden- ken, aus denen sich die Programme und Geschehnisse der gro- en Politik entwickelt haben mgen. Hier ist das alles bis zu gelegentlich schwer bersetzbaren Ausdrcken des New Yorker Brsenjargons in exakt den gleichen Worten fest- gehalten, mit denen damals verhandelt und gehandelt wurde: meist im Bro des weit ber seine Dienststellung hinaus ein- flureichen US-Finanzministers, gelegentlich auch in den vor- nehmen Rumen des nahe gelegenen Weien Hauses.

    Der deutsche Leser wird unvermeidlich von der berechnen- den Systematik beeindruckt, die sich in diesen Aufzeichnungen darstellt: beginnend mit statistisch begrndeten Manahmen konomischer Kriegsvorbereitung bis hin zum umfassendsten Programm eines kaltbltigen Sieg-Friedens, der in seinem An- satz an die Zerstrung Karthagos erinnert.

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  • 90th Congress 1st Session

    MORGENTHAU DIARY (GERMANY)

    VOLUME I

    PREPARED BY THE

    SUBCOMMITTEE TO INVESTIGATE THE ADMINIS- TRATION OF THE INTERNAL SECURITY ACT AND

    OTHER INTERNAL SECURITY LAWS OF THE

    COMMITTEE ON THE JUDICIARY UNITED STATES SENATE

    NOVEMBER 20, 1967

    Printed for the use of the Committee on the Judiciary

    U.S. GOVERNMENT PRINTING OFFICE 64-745 WASHINGTON : 196?

    COMMITTEE PRINT

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  • VORBEREITUNG 19391941

    Die Quarantne"

    Die berschrift des Dokumentes lautet: Vorlufiger Bericht ber die Mg- lichkeiten, den Aggressorstaaten notwendiges strategisches Kriegsmaterial

    vorzuenthalten." Am Kopf der Aufzeichnung sind Minister2 Morgenthau und Mr. White ge-

    nannt

    8. April 1939 (1/8387)3 Fragestellung: Welche Manahmen lassen sich, ohne zur vollstndigen militrischen Blockade zu schreiten, ergreifen, um diese Lnder an der Beschaffung der notwendigen strate- gischen Rohstoffe zu hindern? Zwei Mglichkeiten wurden von Ihnen zur Vorprfung vorgesehen: 1. Der Ankauf grerer Mengen strategischer Rohstoffe durch die fhrenden Nicht- aggressorstaaten. 2. Ein internationales bereinkommen zum Verbot des Verkaufs bestimmter Arten dieser Rohstoffe an die Aggressorstaaten.

    Die Aggressorstaaten und ihre Verbndeten (Deutschland, sterreich, die Tschechoslowakei, Italien, Albanien, Japan, Spanien, Ungarn, Mandschukuo und Gebietsteile von China) wrden im Falle eines greren Konflikts an strategischen Roh- stoffen monatlich fr hundert Millionen [Dollar]4 Mangan, Kupfer, Zinn, Gummi, Erdl, Nickel, Manilafaser, Wolfram und Baumwolle einfhren mssen. (Hinzu kommen verschiedene

    2 Anmerkung der bersetzer: Die Amtsbezeichnung Secretary" fr die Chefs der Obersten Regierungsbehrden der US-Regierung bersetzen wir entsprechend der deutschen Amtsbezeichnung Minister".

    3 Diese Hinweise bezeichnen jeweils Band und Seiten der amtlichen amerikanischen Verffentlichung. Diese ist in zwei Bnden erschienen. Band I enthlt die Seiten 1864, Band II die Seiten 8651643. Ein Vergleichsstck dieser amerikanischen Originalausgabe wurde bei Erscheinen der vorliegen- den gekrzten deutschen Ausgabe der Bayerischen Staatsbibliothek in Mn- chen bermittelt.

    4 Erluternde Einschaltungen in [ ] sind von den bersetzern ein- gefgt.

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  • Zeitgeschichtlicher Hinweis des deutschen Herausgebers: [~1 Das Datum dieses ersten verffentlichten Dokumentes aus dem amt- n liehen Tagebuch des damaligen US-Finanzministers verweist auf die I 1 Tage, in denen die weltpolitische Diskussion von der am 31. Mrz 1939 C] erfolgten Ankndigung der sog. Polen-Garantie seitens der britischen n Regierung beherrscht war. Die im Bericht erwhnte Rede des Prsi- denten in Chicago" war bereits anderthalb Jahre vordem, am 5. Oktober I~1 1937, gehalten worden. In ihr hatte Franklin D. Roosevelt erklrt, die n Herrschaft des Terrors und der internationalen Rechtlosigkeit" habe l~l einen Grad erreicht, der die zivilisierten Staaten bedrohe. Friede und Fl Freiheit von 90 Prozent der Weltbevlkerung werde von den brigen n 10 Prozent gefhrdet. Obwohl er einzelne Staaten nicht ausdrcklich I I nannte, machte der Prsident durch diesen Zahlenvergleich deutlich, l~1 was durch die genaue Aufzhlung zu Beginn des hier wiedergebenen dl Morgenthau-Dokumentes besttigt wird: da er zwar Japan, Italien und n Deutschland, nicht jedoch die Sowjetunion als diejenigen Staaten ver- n stand, gegen die er ein gemeinsames Vorgehen" und vieldeutig eine 1~1 Art Quarantne" verlangte.

    andere Gter, die zwar strategisch wichtig, mengenmig jedoch nicht von Bedeutung sind; einige von ihnen werden spter hier noch behandelt.) Alle diese Gter lieen sich in ausreichenden Mengen fr die Staatengruppe als Ganzes nur aus Lndern auerhalb der oben angefhrten beschaffen. Nach unserer Auf- fassung ist diese Manahme, wenn man sie mit dem Prinzip des erstgenannten Vorschlages koppelt, wirksam, praktikabel und verursacht verhltnismig geringe Kosten. Die eigentliche Frage ist, ob diese Manahme politisch noch durchfhrbar ist.

    1. Bei dem ersten Vorschlag geht es darum, da die Vereinig- ten Staaten entweder allein oder zusammen mit Grobritan- nien und Frankreich, eventuell auch noch mit einigen kleineren Staaten groe Vorrte dieser Gter anlegen und somit die den Aggressorstaaten zur Verfgung stehenden Weltvorrte verringern. Bei einer Prfung der Auswirkungen eines derarti- gen Schrittes kommen wir zu dem vorlufigen Schlu, da die politischen Konsequenzen dieser Manahme, wenn sie isoliert durchgefhrt wird, weit grer sind als ihr wirtschaftlicher oder militrischer Nutzen.

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  • Es wird errtert, da und weshalb diese Verfahrensweise nicht ausreichen wrde, Deutschland, Italien und Japan die zur Kriegfhrung erforderlichen Rohstoffe vorzuenthalten.

    2. Der zweite Vorschlag, den Sie untersucht sehen mchten, zielt auf einen Versuch, ein bereinkommen zwischen mg- lichst vielen Nichtaggressorstaaten herbeizufhren mit dem Ziel, die direkte oder indirekte Ausfuhr von mglichst vielen strategisch wichtigen Rohstoffen an die Aggressorstaaten zu verhindern. Eine vorlufige Prfung dieses Vorschlages zeigt, da er durchfhrbar ist.

    a. Die Versorgungsquellen fr mindestens acht der wesent- lichen strategischen Rohstoffe, welche die Aggressorenlnder (insgesamt gesehen) einfhren mssen, befinden sich fast smt- lich unter der Kontrolle der Vereinigten Staaten, des Britischen Empire, Frankreichs, Rulands, der Niederlande und Belgiens. Wenn man fr die Versorgung mit mehreren weiteren wichti- gen Gtern noch einen Staat oder zwei hinzurechnet, wre damit die Kontrolle vollstndig.

    b. Der Wert dieser durch die Aggressornationen eingefhr- ten Materialien ist nicht so hoch, da es den fhrenden Nicht- aggressorstaaten unmglich wre, die bei einem solchen Vor- haben anfallenden Kosten oder Belastungen zu tragen. Fr Aufkufe lassen sich Kompensationsverfahren ausarbeiten, die eine Opposition seitens kleinerer Lnder oder von Privatfir- men, die wirtschaftliche Einbuen frchten, ausrumen wer- den.

    c. Die Aggressorstaaten wren einer Manahme gegenber, die im Endeffekt einem Embargo hochwichtiger Gter gleich- kommen wrde, uerst empfindlich. Diese Lnder mssen ja erhebliche Mengen derartiger Gter nicht nur zur Erhaltung ihrer militrischen Schlagkraft, sondern auch zur Vermeidung einer akuten Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage ein- fhren.

    d. Den internationalen Markt fr Nickel und Zinn und (wenn sich fr das russische und mexikanische l eine Lsung finden lt) auch das l kontrollieren verhltnismig wenige Gesellschaften; eine wirksame Zusammenarbeit liee sich hier leicht herbeifhren. Der Plan bietet folgende Schwierigkeiten: (a) Die uneingeschrnkte Untersttzung durch das Britische

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  • Empire und Ruland wre von wesentlicher Bedeutung, (b) England, Frankreich und Ruland mten ihre Einwilli- gung zu militrischen Garantien fr die sich beteiligenden klei- neren Staaten geben, (c) Die groe Mehrheit der Bevlkerung der Vereinigten Staaten mte einem auenpolitischen Engage- ment eines Umfanges zustimmen, wie es dieses Vorhaben mit sich bringt, (d) Das Hauptargument gegen diese Manahme ist, da sie den Ausbruch eines Krieges beschleunigen wrde, (e) Die Manahmen mten, um wirksam zu sein, so beschaffen sein, da verhindert wird, da Lieferungen strategischen Mate- rials durch die sich nicht beteiligenden Staaten die Aggressor- staaten nicht erreichen, (f) Die Verhandlungen sollten nicht so lange dauern, da die Aggressorstaaten noch Gelegenheit ht- ten, sich grere Vorrte anzulegen.

    Schlufolgerungen: Wir sind der Ansicht, da diese Ma- nahme, wenn man sie mit dem Prinzip des erstgenannten Vor- schlages koppelt, wirksam und praktikabel ist und verhltnis- mig geringe Kosten verursacht. Sie fllt unter den Grund- gedanken der Rede des Prsidenten in Chicago: Der Aggres- sor mu isoliert werden!" Es geht hauptschlich darum, ob sie politisch noch durchfhrbar ist.

    Jeder im Sinne dieses Vorschlages unternommene Schritt wird eine gewaltige politische Wirkung insofern haben, als er die demokratischen Lnder moralisch strkt und sie dazu ermutigt, sich weiteren Aggressionshandlungen energisch zu widersetzen. Selbst eine Diskussion dieses Vorschlages so- fern sie offiziell betrieben wird wre eine Hilfe in dieser Richtung. Im folgenden wird die Lage hinsichtlich der wichtige- ren Bedarfsgter kurz umrissen: Eine vorlufige berprfung der Hilfsquellen und des Bedarfs der Aggressorstaaten zeigt, da keiner von ihnen viele der wichtigen strategischen Roh- stoffe selbst produziert.

    Um fr einen Krieg in jeder Hinsicht vorbereitet zu sein, mu Deutschland von den nachstehend aufgefhrten Rohstof- fen folgende Mengen entweder einfhren, Ersatz dafr oder sie vorrtig haben: 95% des Erdls, 75% des Kupfers, 50% des Bleis, 25% des Schwefels, 100% der Baumwolle, 95% des Bauxits, 10% des Zinks, 100% des Gummis, 95% des Mangans, 100% des Nickels, 100% des Chromits, 95% des Wolframs,

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  • 75% der Wolle, 70% des Phosphats, 100% des Zinns, 100% des Antimons, 100% des Quecksilbers und 100% des Glimmers. Italien, Japan (und ihre Verbndeten) knnen Deutschland nur Schwefel, Zink, Blei, Quecksilber und etwas Kupfer liefern. Bei Italien sieht es noch schlechter und bei Japan ebenso schlimm aus. Japan mu fr seinen Bedarf einfhren: 35% des Eisens, 55% des ls, 5% des Kupfers, 80% des Bleis, 80% der Baum- wolle, 100% des Bauxits, 50% des Zinks, 100% des Gummis, 50% des Mangans, 100% des Nickels, 100% der Wolle, 75% des Kalis, 75% des Phosphats, 90% des Antimons, 75% des Zinns und 90% des Quecksilbers. Aus dieser Gesamtliste knnte Japan von seinen Verbndeten Nitrat, Kali, Zink, Blei und Quecksilber geliefert bekommen. Diese Zahlen lassen erkennen, da Manahmen, die gegen das Britische Empire, die Vereinig- ten Staaten oder Ruland ohne Wirkung wren, gegen den der- zeitigen Aggressorblock durchfhrbar sind . . .

    Mit der einschrnkenden Bemerkung, da genauere Untersuchungen noch erforderlich seien, wird die Situation auf einzelnen wichtigen Rohstoff- gebieten (Nickel, Manganerz, Kupfer, l, Zinn) im einzelnen errtert.

    Hat der Nationalsozialismus den Kapitalismus in Deutschland geschwcht oder gestrkt?

    Interministerieller Bericht: Mr. White an Minister Morgenthau

    5. Oktober 1939 (1/8789) Die Nazis haben den deutschen Kapitalismus in folgenden

    Punkten geschwcht: 1. Sie haben die Funktionen der Einzelinitiative und des

    freien Unternehmens in der Wirtschaft ausgeschaltet. Der Geschftsmann hat nicht das Recht, Entscheidungen in

    der Preispolitik, bei Investitionen und Lohntarifen zu treffen. Durch Gesetz sind alle Preise nach dem Stand vom 17. Oktober 1936 gebunden; Preisnderungen bedrfen der Genehmigung durch den Reichspreiskommissar; Werksanlagen drfen ohne Genehmigung weder erweitert noch modernisiert werden. Der Abschlu von Lohntarifvertrgen liegt in den Hnden des amt- lichen Treuhnders der Arbeit; den Arbeitgebern ist es nicht gestattet, von sich aus hhere Lhne als andere Arbeitgeber zu zahlen.

    In besonders wichtigen Industriezweigen liegt es nicht in

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  • der Hand des Unternehmers, sondern bei einer Anzahl dazu bevollmchtigter Kommissare, Rohstoffe zuzuteilen, die Pro- duktionssollstze festzulegen, Erweiterungen gutzuheien und Firmenzusammenschlsse durchzufhren.

    Die Nazis haben die volle Kontrolle ber das Kreditwesen und den Kapitalmarkt bernommen, um so alle Spareinlagen in Unternehmen der ffentlichen Hand lenken, Kredite zuteilen und alle Neuinvestitionen dirigieren zu knnen.

    Die Nazis haben den gesamten Auenhandel und alle Kapi- talgeschfte mit dem Ausland unter ihre Kontrolle gebracht und verfahren hier so, wie es fr die politischen Ziele des Nazi- regimes am gnstigsten ist.

    2. Die Nazis haben die zwischen Firmen blichen Formen der Konkurrenz, die Triebfeder des Kapitalismus, beseitigt. Sie haben sich fr eine immer strkere Kartellisierung der In- dustrie eingesetzt und die Zusammenfassung der wirtschaft- lichen Macht intensiviert.

    3. Die Nazis vernichten, obwohl sie soziologisch und politisch selbst aus dem Mittelstand stammen, seine wirtschaftliche Grundlage, indem sie kleine Firmen direkt zur Geschftsauf- gabe zwingen und sie durch das System der Wirtschaftslenkung benachteiligen, wobei sie auf kleine und selbstndige Unter- nehmer, z. B. Einzelhndler, Druck ausben und die selbstn- digen Handwerker ausschalten. Der Mittelstand ist eine der wesentlichen Erscheinungen und eine starke Sttze eines ge- sunden kapitalistischen Systems.

    4. Die Nazis haben das feudale und antikapitalistische Ge- prge der deutschen Landwirtschaft gefestigt, indem sie sich der Aufteilung der groen Rittergter widersetzten, 700 000 Erbhfe geschaffen und die Landwirtschaft einer rigorosen Regierungskontrolle unterworfen haben. Privater Unterneh- mungsgeist und das Streben nach Gewinn sind aus der Land- wirtschaft fast vllig verdrngt worden.

    5. Man hat die antikapitalistische Einstellung gefrdert und dazu benutzt, von den Westmchten verchtlich als Demopluto- kratien zu sprechen und die Juden mit dem Kapitalismus gleich- zusetzen.

    Die Position des deutschen Kapitalismus ist, wie es scheint, durch folgende Manahmen gefestigt worden:

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  • 1. Man hat die freien Gewerkschaften in Deutschland und alle Oppositionsparteien ihrer Macht beraubt. 2. Bei der Lohn- und Preiskontrolle sowie bei dem Volumen der staatlichen Auftrge ist man so verfahren, da dadurch die Dividendenstze wieder auf das Niveau gebracht wurden, das dem hchsten Stand dieser Stze aus der Zeit der groen Wirt- schaftskrise entspricht. Der Dividendensatz im April 1939 be- trug im Durchschnitt 6,57%. Viele der greren Gesellschaften zahlten weit hhere Dividenden. 3. Man hat die Arbeitslosigkeit beseitigt und den chronischen Mangel an Arbeitspltzen durch einen chronischen Mangel an Arbeitskrften ersetzt. 1932 erreichte die Zahl der Arbeits- losen einen Rekord von 6 Millionen, was fast einem Drittel der Zahl aller Arbeitsfhigen gleichkam. Heute ist die Zahl der Arbeitslosen unbedeutend; sie betrug im Mai [1939] bei einer

    Zeitgeschichtlicher Hinweis des deutschen Herausgebers: Das Datum auch dieser Aufzeichnung ist bemerkenswert: der am 1. Sep- tember 1939 begonnene deutsch-polnische Feldzug war am 28. Septem- ber mit der Niederkmpfung Polens, an der sich seit dem 17. September auch die Sowjetunion beteiligt hatte, beendet worden. Es stellte sich die politische Frage, ob die Auseinandersetzung, die seit dem 3. September durch die englisch-franzsische Kriegserklrung an Deutschland Welt- kriegscharakter angenommen hatte, durch einen Kompromi beendet werden knnte. Ein langjhriger Freund des Prsidenten Roosevelt, der Erdlmagnat William Rhodes Davis, wurde am 3. Oktober in Berlin von Ministerprsident Gring empfangen, der ihm im Auftrag Hitlers er- klrte: Sie knnen Mr. Roosevelt versichern, da Deutschland, wenn er vermitteln will, einer Regelung zustimmen wird, durch die ein neuer polnischer Staat und eine unabhngige tschecho-slowakische Regierung ins Leben trten." Gring regte eine Friedenskonferenz in Washington an. Als Davis Mitte Oktober 1939 von seiner Informationsreise nach Washington zurckkehrte, gelang es ihm nicht mehr, zum Prsidenten vorzudringen; er bermittelte die deutschen Vorschlge in einem schrift- lichen Bericht, der ohne Folge blieb und erst anderthalb Jahrzehnte spter von einem amerikanischen Historiker in den amtlichen Akten ermittelt wurde (vergl. Charles C. Tansill: Die Hintertr zum Krieg. Das Drama der internationalen Diplomatie von Versailles bis Pearl Harbor. Deutsche Ausgabe Dsseldorf 1956, S. 600 ff.) Der zeitliche Zusammenhang lt darauf schlieen, da die hier wieder- gegebene Aufzeichnung dem Minister Morgenthau als Unterlage fr grundstzliche Gesprche mit Prsident Roosevelt gedient hat.

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  • Gesamtzahl von fast 22 Millionen Arbeitsfhigen nur 70 000 Personen.

    4. Das Besteuerungssystem in Deutschland hat man in der Weise geregelt, da die Arbeiterklasse einen greren Anteil der Gesamtbelastung als vorher zu tragen hat. Das Umsatz- steuereinkommen stieg von 1 Milliarde im Jahr 1928/29 auf 3,357 Milliarden Reichsmark im Jahr 1938/39. Das Lohnsteuer- einkommen erhhte sich von 1,415 auf 2,091 Milliarden, die Verbrauchssteuern von 1,773 auf 2,883 Milliarden, und die Zolleinnahmen stiegen bei einem stark verringerten Handels- volumen von 1,105 auf 1,818 Milliarden.

    5. Die Nazis haben der deutschen Wirtschaft in sterreich, der Tschechoslowakei, in Polen und Sdeuropa neue Gebiete erschlossen.

    In weiteren Punkten wird ausgefhrt, da der deutsche Kapitalismus trotz solcher ihm scheinbar gnstigen Manahmen in Wirklichkeit doch geschwcht worden sei. Auerdem wird betont, da auch die durch deutschen Einflu neu hinzugewonnenen Gebiete nicht die Rohstoffe liefern knnten, die dem Reich fehlten.

    Russischer Kommentar zum Molotow-Besuch in Berlin Inhaltliche Wiedergabe einer verschlsselten Kabeldepesche, die am 23. No-

    vember 1940 um 14.45 beim Kriegsministerium einging

    Vertraulich. London, den 23. November 1940 (1/104106) Aufgabezeit: 15.30 Uhr

    Die Punkte 1 bis 10 des Berichtes befassen sich mit den damaligen mili- trischen Schwierigkeiten Grobritanniens, insbesondere mit Problemen des Luftkrieges.

    11. Nachstehend der wesentliche Inhalt einer Mitteilung, die der russische Botschafter Maisky gestern einem gemeinsamen Freund gegenber machte: Alle Spekulationen hinsichtlich der Ergebnisse des Molo- tow-Besuchs in Berlin sind reine Mutmaungen, da nichts ab- schlieend geregelt oder unterzeichnet wurde. Die russische Regierung wird ihre Politik zur Wahrung ihrer eigenen Inter- essen und nationalen Integritt fortsetzen. Im Augenblick ist sie gewi, da die Briten angesichts der riesigen Armeen, ber die Hitler verfgt, Deutschland zu Lande nicht schlagen kn-

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  • nen, und sie ist der Auffassung, da Deutschland nicht in der Lage ist, die britische Marine und Luftwaffe zu besiegen. Ru- land bezweifelt den Wert einer amerikanischen Untersttzung, weil es glaubt, da sie sich wegen ihres geringen Ausmaes und langsamen Anlaufens als Enttuschung erweisen wird. Maisky persnlich glaubt nicht, da schlielich viel mehr als ein ,Patt' dabei herauskommt. Deutschland hat nicht so viele Flugzeuge wie die Briten glauben und die Deutschen behaupten." Sicher ist, da bei stndiger Wiederholung der bei den Luftangriffen auf Birmingham und Coventry angewandten Tak- tik fr die Briten eine schwierige Lage entsteht." Man hlt es fr wahrscheinlich, da sich Deutschland wegen der russischen Flugzeugindustrie Gedanken macht, weil es seine Luftwaffe verstrken mute; sie war durch die bei britischen Bombenangriffen in deutschen Flugzeugwerken angerichteten Zerstrungen geschwcht worden." In der gegenwrtigen Lage wird Rulands ,wohlwollende Neutralitt' fr England eine sehr groe Hilfe sein, doch ist ein Festhalten an dieser Politik mit groen Schwierigkeiten ver- bunden, da die britische Diplomatie in den letzten vier Mona- ten nichts als Bcke geschossen hat." gez. Lee

    Zeitgeschichtlicher Hinweis des deutschen Herausgebers: Die betrchtlichen Vernderungen der europischen Lage im Laufe des Frhjahrs 1940 die erfolgreichen deutschen Feldzge nach Norwegen und durch Frankreich sowie die Besetzung der baltischen Staaten sowie Bessarabiens und der Bukowina durch die Sowjetunion sind in den verffentlichten Dokumenten des Morgenthau-Tagebuches nicht erwhnt. Das weltpolitische Interesse des US-Finanzministers belebte sich erst wieder mit dem Besuch des sowjetischen Auenministers in Berlin. Molotow hatte vom 12. bis 14. November 1940 mit der deutschen Reichs- regierung verhandelt und bei dieser Gelegenheit Forderungen hinsicht- lieh Finnlands und Bulgariens gestellt, die von Hitler abgelehnt wurden. Sptestens von diesem Zeitpunkt an verschlechterten sich die deutsch- sowjetischen und verbesserten sich die sowjetisch-amerikanischen Bezie- hungen. Bereits am 23. Oktober 1940 hatte Prsident Roosevelt in seiner Presse- konferenz die Frage eines Journalisten, ob die Sowjetunion als be- freundete Nation" zu betrachten sei, bejahend beantwortet (Archiv der Gegenwart", Jahrgang 1940, Seite 4747).

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  • Amerikanisches Kapital in Deutschland Gruppenbesprechung bei Minister Morgenthau

    (Am Kopf des Dokumentes sind 13 Teilnehmer genannt)

    11. Dezember 1940, 9.30 Uhr (1/106113) Zunchst wird darber verhandelt, wie eine Kontrolle auslndischer Ver-

    mgenswerte in den USA, insoweit sie unter deutschem oder italienischem Einflu stnden, durchgefhrt werden knne. In diesem Zusammenhang wendet sich die Diskussion den folgenden Fragen zu:

    H. M. jr.*5: Was ich [. . .] bisher nicht bekommen konnte, ist eine Unterlage, aus der zu ersehen ist, wie die Deutschen mit amerikanischen Kapitalanlagen in Deutschland und Italien ver- fahren.

    White: Die haben wir. H. M. jr.: Gut, falls Sie das haben, wird es geheim gehalten.

    Mit anderen Worten, ich mchte gern [wissen] also, wie be- handelt man die Anlagen eines amerikanischen Geschftsman- nes, der in Deutschland oder Italien ttig ist? Welche Methoden mu er anwenden, um sein Geld herauszukriegen? Kann er sein Geld denn herauskriegen? Was hat man mit der Leitung seiner Fabriken gemacht? Sehen Sie, so meine ich das.

    White: Fr Deutschland haben wir das Sie haben jetzt noch Italien erwhnt.

    H. M. jr.: Also, wer kann mir das sagen? Pehle [ein Sitzungs- teilnehmer] ist doch dafr nicht zustndig.

    White: Nein, aber wir sollten es sein, glaube ich. H. M. jr.: Gut, knnen Sie das in 24 Stunden erledigen? White: In 24 Stunden knnen wir schon etwas schaffen, und

    zwar recht ausfhrlich ber Deutschland ob ber Italien, wei ich nicht so genau.

    Es werden einige Einzelheiten errtert.

    H. M. jr.: Gut, ich will jetzt wissen, wieviel Geld nach Deutschland und Italien durch Postanweisungen oder irgend- welche andere bekannte [Kanle geht] wissen wir denn

    5 5 Anmerkung der bersetzer: Wie in der amerikanischen Originalver- ffentlichung krzen wir bei Gesprchswiedergaben den Namen des Ministers Henry Morgenthau junior: H. M. jr." Die Namen von Gesprchsteilnehmern (wenn nichts anderes vermerkt: Beamte des Finanzministeriums) werden ausgesehrieben. Zu Harry Dexter White siehe Vorwort des deutschen Her- ausgebers (Seite 15).

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  • Klaus: Die berweisungen H. M. jr.: Wissen wir denn White: Wieviel Postspargelder das, glaube ich, wissen wir. H. M. jr.: Wissen wir denn, wieviel als berweisungen durch

    die Banken wieviel Geld nach Deutschland geht? Das m- ten wir eigentlich wissen.

    White: Das kann ich nicht H. M. jr.: Das mten wir aber Gaston: Hier ist noch etwas: die Ansammlung von Mitteln

    in den Vereinigten Staaten seitens Deutschlands durch den Ver- kauf verschiedener Dinge, wie Markbetrge, Lebensmittelpakete und so weiter; das hat zu Zahlungsbernahmen jetzigen oder spteren in Deutschland gefhrt und zum Anwachsen der deutschen Guthaben in den Vereinigten Staaten.

    H. M. jr.: Gut, das mten wir mal festhalten. Dann habe ich Mr. Hull6 erklrt, wir glaubten, hier in Amerika gbe es Investitionen im Wert von 500 Millionen Dollar.

    Wiley: Unter deutscher Kontrolle? H. M. jr.: Unter deutscher Kontrolle das hat mir jemand

    gesagt. Klaus: Das stimmt! Wiley: Ja, das stimmt! H. M. jr.: Hm sehen Sie, das htte ich gern in Zahlen fest-

    gelegt gesehen. Da fehlt noch eine Aufstellung darber. Gut ich mache Mr. Wiley und Mr. Klaus keine Vorwrfe deswegen. Sie haben ihren Teil dazu beigetragen dafr sind sie verant- wortlich; wenn ich aber mal diese Sache vertreten mu, dann fehlen mir die Grundlagen.

    Es wird errtert, da die gewnschten Angaben ber den deutsch-ameri- kanischen Geldverkehr insbesondere, wenn er ber schweizerische oder schwedische Banken abgewickelt wird schwierig zu beschafjen sind (Hill bis 113). An einer Stelle dieser lngeren Diskussion erwhnt Minister Mer- genthau die Meinung eines seiner Mitarbeiter, mit der Durchfhrung der erwogenen Kontrollplne werde er (Morgenthau) dann eine Rolle in einer der schlimmsten ,Hexenverfolgungen' spielen, die es bei uns in Amerika je gegeben hat" (Hill).

    6 Cordeil Hull damals US-Auenminister.

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  • Zeitgeschichtlicher Hinweis des deutschen Herausgebers: Hilfeleistung fr England" war seit der am 5. November 1940 erfolgten Wiederwahl Roosevelts das ffentlich verkndete Hauptanliegen des amerikanischen Prsidenten geworden, obwohl die Vereinigten Staaten formell eine neutrale Macht und ihre sog. Neutralitts-Gesetze von 1937 noch in Kraft waren. Die aktive Untersttzung Grobritanniens durch berlassung von Kriegsschiffen, durch Materiallieferungen und Kreditgewhrung war die eine Seite, eine planmige Wirtschaftskrieg- fhrung gegen Deutschland und Italien die andere Seite dieser vom Finanzminister in vielen Einzelheiten mitentworfenen Politik der da- maligen US-Regierung.

    Die deutschen Patente Gruppenbesprechung bei Minister Morgenthau

    (Am Kopf des Dokumentes sind 15 Teilnehmer genannt) 30. Januar 1941, 9.30 Uhr (1/122123)

    Zunchst wird nochmals die Frage besprochen, welchen Einflu amerika- nische Firmen bei ihren Tochtergesellschaften in Deutschland, Italien und Japan ausben knnen. Informationen darber sollen beigebracht werden, um dem Minister Argumente fr den beabsichtigten Zugri auf die deutschen Vermgenswerte in den USA zu bieten. In diesem Zusammenhang kommt es zu dem nachstehenden Meinungsaustausch zwischen einem Beamten namens William H. Chamberlain und dem Minister.

    Chamberlain: Herr Minister, wrde es sich lohnen, bei der General Electric wegen ihrer Vereinbarungen mit der deut- schen Elektroindustrie anzufragen? Sie haben ja Patentverein- barungen. Wrden Sie das vorbringen? H. M. jr.: Nein, denn das wird vom Justizminister7 geson- dert bearbeitet. Er beschftigt sich sehr intensiv damit. Er hat sich richtig verbissen in diese Sache, in diese ganze Patent- angelegenheit, in die Kontrolle, die Deutschland ber unsere mit deutschen Patenten arbeitenden Gesellschaften ausbt, wo sie unsere Produktion kontrollieren, in die bermittlung von Informationen und alle diese Dinge. Er ist da mchtig einge- stiegen. Chamberlain: Das knnte tatschlich wertvoller sein als die Anlagen selbst. H. M. jr.: Der Justizminister hat sich dieser Patentangelegen-

    7 US-Justizminister (Attorney General) war damals Robert H. Jackson, der sptere Hauptanklger der USA im ersten Nrnberger Proze 1945 bis 1946.

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  • heiten und des Austauschs von Informationen angenommen, und ich mchte meine eigene Arbeit auf die finanzielle Seite dabei beschrnken. Ich bin froh, da sich der Justizminister so auerordentlich dafr interessiert und auf diesem Sektor so sehr aktiv ist.

    In abschlieenden Bemerkungen ist noch von Venezuela und Argentinien die Rede.

    Das deutsche Vermgen in den USA Denkschrift fr den Prsidenten

    (Am Ende des von Minister Morgenthau unterzeichneten, hier ungekrzt wiedergegebenen Dokumentes ist das Diktatzeichen HDW" vermerkt; dies

    weist White als Verfasser der Niederschrift aus).

    18. Juni 1941 (1/131132) ber welche Vermgenswerte verfgten die Nazis in den

    Vereinigten Staaten, bevor die deutschen Vermgen der Kon- trolle durch die Auslandsvermgensverwaltung unterworfen wurden?

    Mr. John Franklin Carter (Jay Franklin) unterschtzt in sei- nem Memorandum vom 12. Juni erheblich die Hhe der Ver- mgenswerte, die den Nazis in den Vereinigten Staaten zur Verfgung standen, bevor auch sie krzlich der Kontrolle durch die Auslandsvermgensverwaltung unterworfen wurden.

    Mr. Carter betont ganz richtig, in welcher Hhe deutsche Vermgen in den Vereinigten Staaten getarnt worden sind. Die Ermittlungen, wem diese getarnten deutschen Vermgen tat- schlich gehren, werden zu den schwierigsten Aufgaben unse- rer Auslandsvermgenskontrolle gehren.

    Mr. Carter irrt jedoch, wenn er sagt: Die einzigen ,freien' deutschen Dollarreserven sind die fr die IG-Farbenindustrie in der Schweiz verwahrten amerikanischen Wertpapiere im Wert von etwa 50 Millionen Dollar." Auerdem uert er eine irrige Annahme, wenn er schreibt: Es ist nicht anzunehmen, da die deutschen Guthaben in den Vereinigten Staaten mehr als 10 Millionen Dollar in Bargeld und Wertpapieren betragen."

    Nachstehend das wahre Bild, das mit den besten derzeitigen Informationen in bereinstimmung steht, bevor wir mit unse- rer Aufstellung der auslndischen Vermgen in Amerika fertig sind, wobei wir reichlich Raum fr Lcken in unserem Wissen

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  • ber die in Dollar konvertierbaren Guthaben der Nazis in ande- ren Lndern gelassen haben.

    Erstens Gold: Es ist durchaus nicht unmglich, da die Deutschen auer

    dem franzsischen Gold im Wert von mindestens dreiviertel Milliarden besitzen. Ohne Zweifel besaen sie bei Ausbruch des Krieges einiges Gold. Sie haben vielleicht einen Teil der 68 Mil- lionen polnischen Goldes bernommen, das die Franzosen nach Dakar geschafft hatten, dazu noch die privaten Goldbestnde, die in Polen geblieben waren. Nach britischen Berichten haben die Deutschen Gold im Wert von 160 Millionen Dollar aus staatlichem Besitz in Holland erbeutet. Frankreich bergibt ihnen belgisches Gold im Wert von wahrscheinlich 190 Millio- nen Dollar (mglicherweise aber von 260 Millionen Dollar). Sie haben sicherlich etwas Gold in Schweden, wahrscheinlich auch etwas in der Schweiz und in Ruland gekauft. Vielleicht sind sie auch in Elsa-Lothringen, Belgien, den Niederlanden und anderswo in den Besitz einiger privater Goldbestnde ge- langt.

    Zweitens Dollarguthaben: Deutschlands Guthaben in den Vereinigten Staaten sind

    zwar geringfgig, doch hat es in anderen Lndern betrchtliche Guthaben, die nach Belieben in Dollar konvertiert werden konnten, bevor wir krzlich die erweiterte Kontrolle auslndi- scher Guthaben einfhrten. Die uns bekannten Dollarguthaben Deutschlands in den Vereinigten Staaten betragen zur Zeit nur 6 Millionen. Der weitaus grere Teil der deutschen Dol- larbestnde befand sich auf Dollarkonten (oder auf in Dollar konvertierbaren Konten der jeweiligen Landeswhrung) in der Schweiz, in Spanien, Portugal, Schweden und Lateinamerika. Von diesen Konten hat Deutschland die Dollars abgezogen, um seit Ausbruch des Krieges fr vielleicht rund 100 Millionen Dol- lar deutsche Wertpapiere aus bisherigem auslndischen Besitz zurckzuerwerben und um Tochterunternehmungen auslndi- scher Gesellschaften in Deutschland aufzukaufen. Und mit Hilfe dieser Dollarguthaben macht Deutschland, das in den Ver- einigten Staaten ber nur 6 Millionen Dollar verfgt, zur Zeit Angebote, die sich auf insgesamt mehrere zehn Millionen Dollar belaufen, um in den unter deutscher Kontrolle befindlichen

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  • Zeitgeschichtlidier Hinweis des deutschen Herausgebers:

    Gebieten amerikanische Tochtergesellschaften aufzukaufen. Drittens langfristige Dollarinvestitionen: In den Vereinigten Staaten und unter deutschen Namen: viel-

    leicht 35 Millionen Dollar; im Ausland oder in den Vereinigten Staaten unter nichtdeutschen Namen: sicherlich grere Sum- men.

    In einer vom Finanzministerium durchgefhrten und auf den abgefhrten Lohnsteuersummen basierenden Untersuchung der hier bekannten langfristigen deutschen Investitionen in den Vereinigten Staaten wird der Wert dieser Vermgen nach dem Stand Ende 1940 auf etwa 35 Millionen Dollar geschtzt. In dieser Schtzung sind die seit diesem Zeitpunkt verschleierten oder veruerten Vermgen nicht bercksichtigt.

    Deutschland hat mit der Verwaltung der von ihm besetzten Gebiete die Kontrolle ber amerikanische Wertpapiere erlangt, deren Wert sich auf mehrere hundert Millionen Dollar belaufen kann. Diejenigen amerikanischen Wertpapiere, die frher

    Erneut verdient das Datum des hier wiedergegebenen Dokumentes be- sondere Aufmerksamkeit: Die Denkschrift des Finanzministers wurde Prsident Roosevelt vier Tage vor dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges bermittelt. Durch die im Mrz 1941 in Kraft getretene so- genannte Pacht-Leih-Gesetzgebung war es der amerikanischen Regie- rung ermglicht, in betrchtlichem Umfang Kriegsmaterial ohne Bezah- lung an Grobritannien zu liefern. In die Debatte um das Pacht-Leih- Gesetz hatte Finanzminister Morgenthau am 28. Januar 1941 auch f- fentlich eingegriffen mit dem Argument, da England den Kampf nicht fortsetzen kann, wenn dieses Gesetz nicht angenommen wird" (Archiv der Gegenwart", Jahrgang 1941, 4876). Nachdem der US-Senat dem Pacht-Leih-Gesetz am 6. Mrz 1941 mit 60 gegen 31 Stimmen zugestimmt hatte, wurde auch die Wirtschaftskrieg- fhrung gegen die Achsenmchte verschrft. Nachdem bereits Ende Mrz deutsche und italienische Handelsschiffe in amerikanischen Hfen be- schlagnahmt worden waren, wurden durch Verfgung des Prsidenten vom 14. Juni 1941 alle deutschen Vermgenswerte in den USA ein- gefroren" und einer amtlichen Kontrolle unterworfen. Unmittelbar nach Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges (22. Juni 1941) erklrte Sumner Welles, damals Unterstaatssekretr im US- Auenministerium, da das Pacht-Leih-Verfahren auch fr Lieferungen an die Sowjetunion anwendbar sei. Bereits am 23. Juni verhandelte der sowjetische Botschafter in Washington mit Beamten des US-Finanz- ministeriums (The Times", London, 24. 6. 1941).

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  • Staatsangehrigen der besetzten Lnder gehrten und die Deutschland weder beschlagnahmt noch (mit Mitteln, die von dem jeweils besetzten Land gestellt werden) erworben oder durch entsprechende behrdliche Bestimmungen fr Banken und Wertpapierhndler unter deutsche Kontrolle gebracht hat, muten auf besonderen Sperrkonten angemeldet werden. Wir hoffen jedoch, da es durch unsere Kontrollmanahmen jetzt unmglich gemacht wird, diese Wertpapiere in den Vereinigten Staaten zu veruern. (gez.) Henry Morgenthau, jr.

    Personal fr den Stab Morgenthau Besprechung beim Minister

    (Am Kopf des Dokumentes sind 4 Teilnehmer genannt)

    4. August 1941,14.45 Uhr (1/138144) Die Niederschrift referiert ausfhrlich die finanziellen und personellen Schwierigkeiten, die sich fr die amerikanische Finanzverwaltung aus der Kontrolle der deutschen Vermgenswerte ergeben haben. Dabei kommt es zu einer grundstzlichen Stellungnahme des Ministers gegenber den be- teiligten Beamten seines Hauses.

    H. M. jr.: Ich will Ergebnisse, weil wir es uns einfach nicht leisten knnen Pehle: Ich bin ganz Ihrer Ansicht

    H. M. jr.: uns von jemandem hier einen Spion rein- schmuggeln zu lassen. Das knnen wir uns einfach nicht leisten! Thompson: Die Leute auf der Beamtenliste werden vermut- lich schon berprft worden sein. H. M. jr.: Was Sie nicht sagen! Thompson: Ja, durch uns. Wir machen ja fr sie die ber- prfung aller Leute, die wir bei uns einstellen. H. M. jr.: Norman [Thompson], hren Sie mal, wollen Sie die regulre berprfung fr Beamte anwenden? Thompson: Wir lassen uns die Namen geben, und unsere Beauftragten machen dann diese berprfungen. Foley: Ich denke, das mte hier eine besondere Art von berprfung sein. H. M. jr.: Davon rede ich ja nicht regulre Beamtenpr- fungen , es mssen Spezialberprfungen sein. Wieviel Mil- liarden Dollar, grob gesagt, haben Sie da? Pehle: Vier.

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  • H. M. jr.: Was wir brauchen, sind nicht einfach regulre Beamte. Hier geht es nicht darum, ob so ein Mann auch seine Rechnungen bezahlt, ob der Fleischer, der Bcker und der Arzt sagen, er ist in Ordnung es geht hier um seine innere Ein- stellung und was fr ein Kerl er ist, ob er bereit ist, diesen Hit- ler zusammenzuschlagen, oder ob er mit ihm zusammenarbeiten will eben das will ich wissen, und beim regulren Beamten ist das nicht , ich will also wissen, ob so ein Beamter Hitler wie die Pest hat oder fr ihn eingestellt ist das ist es! [...]

    Druck auf Japan Vermerk fr den Handakt des Ministers

    2. Oktober 1941 (1/144147) Am 1. Oktober 1941 fand um 16.00 Uhr in der Dienststelle

    von Mr. Foley eine Besprechung ber die Ausfhrung der Re- gierungsanweisung Nr. 8389 statt, an der vom Fall zu Fall

    folgende Herren teilnahmen: Fr das Finanzministerium: Mr. Foley (Vorsitzender), Mr.

    Pehle, Mr. B. Bernstein, Mr. Lawler, Mr. White, Mr. Dietrich und Mr. Timmons; fr das Auenministerium: Mr. Acheson, Mr. Fisher, Mr. Luthringer und Mr. Miller; fr das Justizmini- sterium: Mr. Shea, Mr. Kreeger, Mr. Jurenev und Mr. Swidler; fr den Bundesbankrat: Mr. Knapp; fr die Bundesreserve- bank des Bezirks New York: Mr. Knoke und Mr. Kimball.

    Das Dokument berichtet zunchst von Einzelfragen zur Durchfhrung der Kontrolle auslndischer Vermgen. Darber hatten Verhandlungen mit New Yorker Banken stattgefunden.

    Mr. Pehle erwhnte den krzlichen Besuch von Herrn Nishi- yama, dem japanischen Finanzattache, der zwei Zahlungsmetho- den fr llieferungen nach Japan, die von der Ausfuhrkontroll- behrde genehmigt werden sollen, vorgeschlagen hat. Danach soll die Bezahlung des Erdls entweder durch Goldlieferungen von Japan an die Vereinigten Staaten oder in amerikanischer Whrung, die aus Japan, China oder aus beiden Lndern in die Vereinigten Staaten eingefhrt wird, erfolgen. Im Ausschu wurde beschlossen, es msse den Japanern klar und deutlich gesagt werden, da das Finanzministerium jederzeit zum An- kauf von Gold jeglicher Herkunft bereit sei. Die Verwendung

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  • der Dollarbetrge aus einem derartigen Verkauf sei jedoch eine Angelegenheit, die in das Aufgabengebiet dieses Ausschusses falle. Mr. Acheson erklrte, Minister Hull habe ihm nochmals zu verstehen gegeben, er wnsche nicht, da eine bindende Er- klrung ber llieferungen an Japan abgegeben werde, sondern da er es vorziehe, eine direkte Beantwortung so lange wie mglich hinauszuzgern. Im Hinblick hierauf regte Mr. Pehle an, Herrn Nishiyama zu unterrichten, der Ausschu befasse sich mit der Prfung des letzten Vorschlages. Der Ausschu schlo sich dieser Anregung an.

    Mr. Pehle teilte dem Ausschu mit, es lgen bei der ber- wachungsstelle fr auslndische Vermgen etwa 100 Antrge fr Warenlieferungen nach Japan vor. Bei den grten Posten handle es sich um Baumwolle und Pelzabflle. Der Ausschu kam berein, Antrge fr die Warenausfuhr nach Japan bis auf solche fr Erdlprodukte abzulehnen.

    Zeitgeschichtlicher Hinweis des deutschen Herausgebers:

    Nach dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges verschrfte sich der amerikanische Druck auf Japan. Am 25. Juli 1941 ordnete Prsident oosevelt das Einfrieren" auch aller japanischen Guthaben in den USA an. Auch sie wurden einer Regierungskontrolle unterstellt mit dem Zweck, sowohl den japanischen Handel mit Amerika wie auch die Roh- stoff-Versorgung Japans zu unterbinden. Ein Angebot des Minister- prsidenten Frst Konoye, nach Washington zu reisen, um eine Ver- einbarung zu treffen, wurde abgelehnt. Japan war damals zum Trup- penabzug aus Zentralchina bereit; es wnschte nur seine Stellung in der Mandschurei anerkannt zu erhalten, wie dies seitens der Sowjetunion im April 1941 geschehen war. Auch General Tojo, Frst Konoyes Nach- folger im Amt des japanischen Ministerprsidenten, versuchte von Mitte Oktober bis Ende November 1941 vergeblich, mit der US-Regierung einen Kompromi auszuhandeln. Nicht einmal der Vorschlag eines Waffenstillstands in China fand die Billigung des Prsidenten Roosevelt. Dieser war da der japanische Geheimcode durch amerikanische Sachverstndige entziffert werden konnte ber die japanischen Gegenentschlieungen jeweils unter- richtet. Der amerikanische Admiral Robert Theobald hat in einem 1954 verffentlichten Bericht The final Secret of Pearl Harbor" sogar die Behauptung aufgestellt, der Prsident habe trotz Kenntnis des bevor- stehenden japanischen Angriffes es absichtlich unterlassen, den ameri- kanischen Flottensttzpunkt zu warnen, um die dramatische Wirkung des berfalls auf Pearl Harbor in der amerikanischen ffentlichkeit nicht abzuschwchen.

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  • Mr. Bernstein erwhnte, eine kleine Arbeitsgruppe im Fi- nanzministerium habe an einer Denkschrift ber Verfahren gearbeitet, wie man einen verstrkten wirtschaftlichen Druck auf Japan ausben knne, falls ein derartiger Schritt erwnscht sei.

    Der weitere Text des Dokumentes berichtet erneut ber Einzelheiten, u. a. davon, da die deutschen, italienischen und japanischen Pressekorre- spondenten die berweisungen ihrer Verlage nicht mehr ausgezahlt erhiel- ten. Mr. Acheson vom Auenministerium ivnscht eine diesbezgliche Rege- lung, die zugesagt wurde.

    Die kriegswichtigen Funktionen des US-Finanzministeriums Das Dokument ist berschrieben: Finanzministerium Abteilung fr

    Whrungsfragen"

    7. Oktober 1941 (1/147) Herrn Minister Morgenthau Auf der Sitzung des Amtes fr wirtschaftliche Verteidigungs-

    manahmen am 27. August beauftragte der Vizeprsident8 das Finanzministerium mit der Ausarbeitung einer Denkschrift ber die vom Finanzministerium ausgebten wirtschaftlichen Verteidigungsfunktionen als Arbeitsunterlage fr den vom Amt fr wirtschaftliche Verteidigungsmanahmen aufzustellenden Arbeitsstab.

    Das anliegende Memorandum schildert die vom Finanzmini- sterium wahrgenommenen Funktionen bei der Durchfhrung wirtschaftlicher Verteidigungsmanahmen.

    Mr. White Unterabteilung 2058214V2

    Vertraulich 8. Oktober 1941 Denkschrift fr den Vizeprsidenten

    Betr.: Wirtschaftliche Verteidigungsfunktionen des Finanz- ministeriums

    Gem Ihrem mit Schreiben vom 27. August erteilten Auf- trag zur Ausarbeitung einer Denkschrift ber die einzelnen Funktionen des Finanzministeriums bei wirtschaftlichen Ver- teidigungsmanahmen, legen wir nachstehend eine kurze Be- schreibung derjenigen wirtschaftlichen Verteidigungsaufgaben

    8 Vizeprsident der USA war damals Henry A. Wallace.

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  • vor, an deren Durchfhrung das Finanzministerium beteiligt ist.

    A. Funktionen, deren Ausbung hauptschlich dem Finanz- ministerium obliegt.

    1. Die berwachung auslndischer Vermgen, wie sie gem den Richtlinien des Auenministeriums, des Justizministeriums und des Finanzministeriums durchgefhrt wird.

    In 15 Punkten werden im einzelnen die Manahmen und Methoden dar- gelegt, mit denen das US-Finanzministerium zu diesem Zeitpunkt vor der unmittelbaren Kriegsteilnahme der USA den direkten und indirekten Geld- und Handelsverkehr mit Deutschland, Italien und Japan verhinderte.

    2. berwachungsstelle fr Handelsschiffe: Hier wird ausgefhrt, da kein auslndisches Handelsschiff einen US-

    Hafen ohne Billigung durch das Finanzministerium als der vorgesetzten Be- hrde des Zolldienstes verlassen kann.

    3. Weitere Befugnisse gegenber der Schiffahrt: Der Finanzminister ist fr den Fall des nationalen Notstan-

    des, vorbehaltlich der Genehmigung durch den Prsidenten, ermchtigt, Vorschriften zur Regelung des Ankerns aller Schiffe in den Hoheitsgewssern der Vereinigten Staaten und ihr Be- fahren derselben zu erlassen. Sollte es nach dem Dafrhalten des Ministers notwendig sein, ein Schiff gegen Beschdigungen zu schtzen, oder zu verhten, da Hafenanlagen oder Gews- ser der Vereinigten Staaten Schaden erleiden, so kann er das betreffende Schiff in Besitz nehmen und unter seine Kontrolle stellen lassen. (Im Rahmen dieser Befugnisse wurden die deut- schen, italienischen und dnischen Schiffe durch die Ksten- wache beschlagnahmt.)

    4. Zustzliche Befugnisse gegenber Einfuhren: Das Finanzministerium hat eine Anzahl handelspolitischer

    Befugnisse, von denen es Gebrauch machen kann, um auf den Handel anderer Lnder mit den Vereinigten Staaten einzuwir- ken. Bei der Zollabfertigung der in die Vereinigten Staaten eingefhrten Waren bieten sich dem Ministerium Mglichkei- ten, gegen Waren und Firmen der Achsenmchte besondere Manahmen zu ergreifen. Das Finanzministerium ist ermch- tigt, bei zollpflichtigen auslndischen Waren, fr deren Her- stellung oder Ausfuhr in die Vereinigten Staaten Subventionen gewhrt werden, Ausgleichszlle zu erheben. Es ist ebenfalls

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  • ermchtigt, bei auslndischen Dumpings oder diskriminieren- den Praktiken einzuschreiten. Von allen diesen Befugnissen kann bei der Durchfhrung wirtschaftlicher Verteidigungsma- nahmen Gebrauch gemacht werden.

    B. Wirtschaftliche Verteidigungsfunktionen, an deren Aus- bung das Finanzministerium beteiligt ist.

    1. Verffentlichung der Namen der von der Sperrung be- troffenen Staatsangehrigen.

    Gem der Bekanntmachung vom 17. Juli 1941 ist der Fi- nanzminister an der Herausgabe der Verffentlichung der Namen der von der Einfrierung betroffenen Staatsangehrigen" [gemeint sind US-Brger] sowie an der nderung dieser Liste beteiligt. Ein Vertreter des Finanzministeriums ist an der Neu- aufnahme von Namen in diese Liste oder Streichungen aus die- ser Liste beteiligt.

    In Ausfhrung der in der Bekanntmachung enthaltenen Vor- schriften unterliegen alle in einer derartigen Liste namentlich aufgefhrten Personen den Einfrierungsbestimmungen, als seien sie deutsche oder italienische Staatsangehrige; sie drfen nur mit einer im Rahmen dieser Bestimmungen vom Finanz- minister erteilten Genehmigung Geschfte ttigen.

    Das Finanzministerium prft zur Zeit in Zusammenarbeit mit dem Auenministerium weitere Manahmen, nach denen Personen, die in der Liste aufgefhrt sind, aus Positionen, ber die sie Einflu auf das gesellschaftliche, wirtschaftliche und poli- tische Leben ihres jeweiligen Wirkungskreises haben, entfernt werden sollen.

    2. Amtliche Genehmigungen zur Verwendung der Vermgen fremder Staaten und auslndischer Zentralbanken.

    Hier wird auf Sonderregelungen hingewiesen, die im Zusammenwirken mit dem Auenministerium fr sog. Exilregierungen getroffen werden knnen.

    3. Ankauf von strategischen und Mangelgtern: Das Finanzministerium ttigt ber seine Beschaffungsabtei-

    lung auf Weisung des Kriegsministers und des Marineministers Ankufe von strategischen und sog. Engpagtern. Die Spezi- fikationen fr das anzukaufende Material werden von der Beschaffungsabteilung erstellt und vom Kriegsminister und Marineminister gebilligt.

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  • In manchen Fllen wirken sich die Ankufe auch als Aus- schlieungskufe aus. So bernahm zum Beispiel die Beschaf- fungsabteilung einen groen Posten trkisches Chromerz, den sich die Briten gesichert hatten, um ihn nicht an Deutschland gehen zu lassen, fr den sie selbst aber keine Verwendung hatten. Desgleichen ttigt die Beschaffungsabteilung einen gro- en Teil der Kufe aus Leih- und Pachtmitteln.

    4. berwachung des Waffenhandels: Der Finanzminister ist Mitglied des Nationalen Rstungs-

    kontrollausschusses, der die berwachung und Kontrolle der Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsgert sowie des einschlgigen internationalen Handels ausbt. Das Auenmini- sterium ist fr die Erteilung von Lizenzen zustndig. Die Kstenwache und der Zolldienst, die dem Finanzministerium unterstehen, arbeiten bei der berwachung des internationalen Waffenhandels zusammen.

    In weiteren vier Punkten wird die Beteiligung des Finanzministeriums an der Verwaltung der Export-Import-Bank, an der Festsetzung der Wh- rungs-Umrechnungskurse und an Polizeiaufgaben im Kstenschutz und in der US-Handelsmarine dargelegt.

    Lebensmittel fr die besetzten Gebiete? Vermerk fr den Handakt des Ministers

    31. Oktober 1941 (1/152154) Am 30. Oktober 1941 fand um 16 Uhr in der Dienststelle von

    Mr. Foley eine Besprechung ber die Ausfhrung der Regie- rungsverordnung Nr. 8389 statt, an der von Fall zu Fall folgende Herren teilnahmen:

    Fr das Finanzministerium: Mr. Foley (Vorsitzender), Mr. Pehle, Mr. B. Bernstein, Mr. Morris, Mr. Coe, Mr. E. M. Bern- stein, Mr. Dietrich, Mr. Carre, Mr. Du Bois, Mr. Lawler und Mr. Timmons; fr das Auenministerium: Mr. Acheson, Mr. Luthringer und Mr. Miller; fr das Justizministerium: Mr. Shea, Mr. Kreeger, Mr. Jurenev und Mr. Rosenwald; auerdem Mr. Knapp vom Bundesbankrat.

    Die Aufzeichnung behandelt zunchst den Antrag des Schweizer Gesand- ten, der den Export von Barrengold im Wert von 10 Millionen Dollar aus den USA in die Schweiz wnscht, um die dort gesetzlich vorgeschriebene Golddeckung fr die Schweizer Whrung zu ergnzen. Die Konferenz sprach sich fr die Ablehnung dieses Antrages aus.

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  • Mr. Pehle sprach mit dem Ausschu ber die etwa 250 vor- liegenden Antrge auf berweisungen nach Portugal und in die Schweiz zum dortigen Ankauf von Lebensmittelpaketen, die in besetzte Gebiete geschickt werden sollen. Mr. Pehle erklrte, die Erledigung einer groen Anzahl dieser Antrge sei schon seit mehr als vier Monaten zurckgestellt worden, und wir htten bisher von Nachfragen wegen ihrer Genehmigung sehr wenig gemerkt. Das Finanzministerium rate zur Ablehnung dieser Antrge mit der Begrndung, es sollten keine Dollar- betrge fr den Versand von Lebensmitteln aus neutralen Ln- dern in besetzte Gebiete verwendet werden; man habe darauf hingewiesen, da, wenn man Einzelpersonen die Genehmigung zum Versand von Lebensmittelpaketen in besetzte Gebiete er- teile, ein derartiges Verfahren dazu benutzt werden knnte, um einen Anfang fr amerikanische Hilfsaktionen im Rcken der britischen Blockade zu machen, oder als ein Versuch, die Blockade durch Lebensmittellieferungen aus den Vereinigten Staaten zu brechen. Einige der auf diesem Sektor ttigen Fir- men in den Vereinigten Staaten seien in ihrer Zusammen- setzung und Einstellung ganz offen deutsch, bei anderen handle es sich um Firmen mit dubiosem Ruf. Mr. Bernstein wies darauf hin, die Ablehnung dieser Antrge sei eine logische Folge unse- rer krzlich durchgefhrten Aktion zur nderung der General- lizenz Nr. 32 dahingehend, da die Achsenmchte nicht mehr freie Dollarbetrge oder andere wertvolle Devisen flssig machen knnen. Man kam berein, Antrge dieser Art abzu- lehnen.

    Die weiteren Errterungen behandelten die Frage von flligen Zinszah- lungen zu deutschen Obligationen aus gesperrten Konten. Diese wurden nur insoweit genehmigt, als sie vor dem 14. Juni 1941 fllig gewesen waren.

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  • NACH PEARL HARBOR

    Ein Geheimvertrag LondonMoskau Der nachstehende Text ist in der amerikanischen Originalverffentlichung ohne Einleitung oder Erluterung wiedergegeben. Offensichtlich handelt es

    sich um die Aufzeichnung eines Telefongesprches.

    16. Dezember 1941,15.26 Uhr (1/172173) H. M. jr.: Oscar? Oscar Cox: Ja wie geht es Ihnen?

    H. M. jr.: Knnen Sie ungestrt sprechen, dort wo Sie sind? Cox: Ja, das kann ich. H. M.jr.: Wo sind Sie? Cox: Bei den Leih- und Pacht-Leuten in der Dienststelle von Mr. Stettinius. H. M. jr.: Ach so, bei Stettinius Cox:Ja - H. M. jr.: Aha tja, ich wollte nicht -- Cox: Das macht nichts, er wird Ihnen das verzeihen. H. M. jr.: (lacht) Also, ich habe diesen Vermerk hier, da Sie eine Ausfertigung von dem Vertrag zwischen der britischen Regierung und der Sowjetunion haben wollen. Cox: Hm H. M. jr.: Na, wenn ich Ihnen das gebe, wie wei ich dann, da die Deutschen es nicht kriegen? Cox: Ach, wir haben einen Panzerschrank hier. H. M. jr.: (lacht) So so Cox: Auerdem haben Sie mich schon vor langer Zeit in der Bekmpfung der Deutschen ausgebildet. H. M. jr.: Ich sitze nmlich hier mit Harry zusammen und bin gerade in guter Stimmung und sagte eben, ich werde mal Oscar hochnehmen sagte ich zu Harry und Harry meinte, wie soll ich wissen, da er merkt, da ich ihn hochnehme. Cox: Das werde ich schon merken H. M. jr.: Gut, glauben Sie also wirklich, Sie knnen das gut verwahren?

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  • Zeitgeschichtlicher Hinweis des deutschen Herausgebers: Am 7. Dezember 1941 hatte die japanische Luftwaffe den amerikani- schen Flottensttzpunkt Pearl Harbor angegriffen; damit waren die USA auch formell in den Zweiten Weltkrieg verwickelt. Diese Geschehnisse, die den Finanzminister als einen Vertrauten des Prsidenten gewi nicht berrascht haben (vergl. Hinweis S. 36), finden in den verffent- lichten Texten des Morgenthau-Tagebuehes keine Erwhnung. Die Do- kumente des Dezember 1941 behandeln Angelegenheiten der Kontrolle beschlagnahmter deutscher Firmen. Von Interesse ist nur das hier wiedergegebene Telefongesprch mit Oscar Cox; dieser ein New Yorker Rechtsanwalt, der die Pacht- und Leihgesetzgebung mit ausge- arbeitet hatte und seither juristischer Berater der Auslandsvermgens- Verwaltung war wurde spter ein engerer Mitarbeiter Morgenthaus. Der im Gesprch erwhnte Geheimvertrag zwischen Grobritannien und der Sowjetunion ist bisher nicht verffentlicht worden.

    Was soll mit Schering geschehen? Das Dokument ist berschrieben: Finanzministerium Leiter der Rechts-

    abteilung"

    E. H. Foley an Minister Morgenthau 26. Januar 1942 (1/192194)

    Beamte des Finanzministeriums haben, untersttzt durch Sachverstndige des Amtes fr wissenschaftliche Forschung und Entwicklung, umfangreiche Erkundigungen ber die Schering Corporation, einen Konzern mit 3 Millionen Dollar Kapital und 400 Betriebsangehrigen, eingezogen. In der Zeit vor 1937 war die Schering Corporation eine unmittelbare Tochtergesell- schaft der Schering AG, eines der grten Industrieunterneh- men in Deutschland mit einer Belegschaft von etwa 30 000 Mann. Die amerikanische Gesellschaft befindet sich jetzt nomi- nell in schweizerischem Besitz, aber unter der Kontrolle des deutschen Konzerns.

    Die Schering Corporation stellt pharmazeutische Produkte (fr die sie in den meisten Fllen die einzige Bezugsquelle ist), her, die fr die Behandlung unserer Soldaten und der Bevlke- rung allgemein unentbehrlich sind. Das wichtigste dieser Er- zeugnisse wird gegen Nervenschock verwendet, besonders bei schweren Verbrennungen und offenen Fleischwunden. Der Schering Corporation zufolge wurden durch die Anwendung dieses Prparates nach Dnkirchen Tausende von britischen Soldaten vor dem Tod bewahrt.

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  • Die Leitung der Forschungsarbeiten der Schering Corpora- tion liegt in den Hnden von Dr. Schwenk, einem Chemiker mit hervorragendem Knnen. Zur Zeit sind Forschungsarbeiten im Gange, von deren Ausgang man sich Entdeckungen ver- spricht, die fr unsere Kriegsplanungen und das Gesundheits- wesen der Nation von noch grerer Bedeutung sind als die Erzeugnisse der derzeitigen Produktion. Fr die US-Regierung arbeiten zur Zeit zahlreiche Wissenschaftler an Forschungsauf- gaben, die auf hnlichen Gebieten wie die von Dr. Schwenk und seinen Mitarbeitern liegen. Der erfolgreiche Abschlu dieser Arbeiten ist von grter Bedeutung fr unsere Luftstreitkrfte, da es sich dabei um Prparate zur Steigerung der Ausdauer des fliegenden Personals handelt. Nach Ansicht der Sachverstndi- gen des Amtes fr wissenschaftliche Forschung und Entwick- lung sind fr diese Arbeiten die Erfahrungen und das Knnen von Dr. Schwenk sowie die Benutzung der Laboratorien der Schering Corporation unbedingt erforderlich.

    Im gegenwrtigen Zeitpunkt gehen die Erfahrungen, ber die Dr. Schwenk und seine Mitarbeiter verfgen, sowie die Anlagen der Schering Corporation der Regierung und der Na- tion in hohem Grade verloren. Die Sachverstndigen erklren, die Regierung halte es fr zu riskant, angesichts der Beziehun- gen der Gesellschaft zu Deutschland und der Bindungen be- stimmter Betriebsangehriger die Dienste Dr. Schwenks oder der Laboratorien der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. Hinzu kommt, da marktbeherrschende Patente der Gesell- schaft in den Hnden von Betriebsangehrigen zweifelhafter Loyalitt eventuell lebenswichtigen Entwicklungen auf dem Gebiet der Medizin im Wege stehen.

    Es wird im einzelnen errtert, da es wichtig sei, Dr. Schwenk zunchst weiter zu beschftigen; ein vertrauenswrdiger Wissenschaftler solle ihm mit dem Auftrag zur Seite gestellt werden, sich die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Eine Reihe leitender Schering-Angestellter msse jedoch entfernt werden. Um die Versorgung mit den von der Schering Corporation hergestellten hochwichtigen Medikamenten zu sichern und es der Regierung der Vereinigten Staaten zu ermglichen, diese Gesellschaft und ihr Fachpersonal fr die Entwicklung der fr unsere Kriegsanstrengungen wichtigen Prparate einzusetzen,

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  • schlgt das Finanzministerium vor, die nachstehend benannten Personen von ihrer weiteren Ttigkeit bei der Schering Corpo- ration zu suspendieren: 1. Dr. Julius Weltzien, Direktor; Jah- reseinkommen: ca. 60 000 Dollar; frherer Direktor der Sche- ring AG in Deutschland; seit Mai 1938 in den Vereinigten Staaten. 2. Martin Bernhardt, Leiter der Rechtsabteilung und der Abteilung Rechnungswesen; Jahreseinkommen: 9400 Dol- lar; frherer stellvertretender Vorsitzender der Schering AG in Deutschland; seit Mrz 1938 in den Vereinigten Staaten. 3. Ernst Hammer, Werbeleiter; Jahreseinkommen: ca. 22 000 Dollar; frher in der Sdamerikaabteilung der Schering AG in Deutschland; seit Januar 1932 in den Vereinigten Staaten. 4. Hans Erdmann, Leiter der Abteilungen Technik und Instand- haltung; Jahreseinkommen: 10 000 Dollar; frherer Konstruk- teur fr chemisches Gert bei der Schering AG in Deutschland; seit August 1929 in den Vereinigten Staaten. 5. Dr. Erich Put- ter, Leiter des Biologischen Laboratoriums; Jahreseinkommen: 6600 Dollar; frherer Leiter der Bakteriologischen Forschungs- abteilung bei der Schering AG in Deutschland; seit Juli 1938 in den Vereinigten Staaten. 6. Dr. Gerhard A. Fleischer, For- schungschemiker; Jahreseinkommen: 4300 Dollar; arbeitete whrend der Semesterferien bei der Schering AG in Deutsch- land und kam durch deren Vermittlung nach seiner Promotion im Februar 1937 direkt in die Vereinigten Staaten. 7. Frulein Frida Friderici, Sekretrin bei Dr. Schwenk, Leiter der For- schungsabteilung; wurde in den Vereinigten Staaten geboren, ging aber in Deutschland, wo auch ihre Angehrigen jetzt leben, zur Schule; soll nazifreundlich eingestellt sein; verwaltet alle vertraulichen wissenschaftlichen Unterlagen der Gesellschaft. 8. Frulein Henrietta Lange, Sekretrin bei Dr. Weltzien; seit 1923 in den Vereinigten Staaten.

    Fr den Fall, da diese Manahme von Ihnen gebilligt wird, werden wir die fr ihre Durchfhrung erforderlichen Schritte unternehmen.

    E. H. F. jr. Gebilligt: 28. Januar 1942 H. Morgenthau jr. Finanzminister

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  • Das Vermgen des deutschen IG-Farben-Konzerns Aktenvermerk

    28. Januar 1942 (1/196) Mr. Leo T. Crowley9 suchte am gestrigen Vormittag den

    Minister auf und kam dann zu Mr. Foley, um mit ihm die Mg- lichkeit einer gemeinsamen (H. M. jr. und Mr. Foley) Vorlage an den Prsidenten zu besprechen, wie im Geschftsbereich des Finanzministeriums mit auslndischem Vermgen zu verfahren sei, bis der Prsident sich zu einer Dauerregelung entschlieen wrde.

    Die als Anlagen beigefgten Memoranden wurden am 27. 1. 42 um 5.20 Uhr an Leo Crowley bermittelt. Er reichte die Erstausfertigung am 28. 1. 42 um 9.45 Uhr zurck. Sie befindet sich noch bei Mr. Foley. F. M.

    Mr. Foley Memorandum fr den Prsidenten

    Sie werden sich entsinnen, da Sie den Finanzminister er- mchtigt haben, alle Ihre Befugnisse und Vollmachten gem Abschnitt 5(b) des Erlasses ber den Handel mit Feindstaaten dem Hohen Kommissar in den Philippinen, Mr. Sayre, und auf Gouverneur Poindexter in Hawaii zu delegieren.

    Von Fall zu Fall haben Sie bestimmte Vorlagen, die Ihnen unterbreitet wurden, gebilligt und damit dem Finanzminister Vollmacht erteilt, verschiedene grundstzliche Manahmen im Rahmen des Erlasses ber den Handel mit Feindstaaten zu ergreifen.

    Wir sind der Auffassung, da sich die stndig auftretenden Probleme bei der Kontrolle auslndischer Vermgen und Ge- schftsunternehmungen, in denen feindliche Auslnder eine fhrende Rolle spielen, besser bewltigen lieen, wenn Sie den in der Anlage bersandten Vermerk unterzeichnen und damit Ihre Befugnisse gem den Abschnitten 3(a) und 5(b) des Er- lasses ber den Handel mit Feindstaaten auf den Finanzmini- ster delegieren wrden. Hierdurch wird in Zukunft vermieden, da Sie sich mit einer Vielzahl von Einzelfllen zu befassen

    9 Leo T. Crowley damals Leiter des US-Amtes fr Wirtschaftskrieg- fhrung.

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  • haben, und gleichzeitig erbrigt sich damit jede vor Ihrer end- gltigen Entscheidung eventuell erforderliche ffentliche ber- tragung von Befugnissen in bezug auf den gesamten Komplex der Verwaltung von Feindvermgen.

    (gez.) Leo T. Crowley EHF:BB:JWP:ALL/mp 27. 1. 42 (28. 1. 42)

    Vermerk fr den Finanzminister Alle mit den Abschnitten 3(a) und 5(b) des Erlasses ber

    den Handel mit Feindstaaten in seiner genderten Fassung erteilten Befugnisse werden hiermit auf den Finanzminister delegiert.

    Aus einer anschlieenden Gesprchsauf Zeichnung (1/196199) geht her- vor, da Minister Morg