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Aktive und interaktive Verpackungen Schlusslicht Europa von Karlheinz Hausmann* Verpackungen, die den Inhalt nicht nur passiv vor den schädlichen Ein- flüssen der Umwelt schützen, son- dern von sich aus zur Optimierung von Frische und Haltbarkeit beitra- gen, sind in der Entwicklung relativ weit fortgeschritten. Was fehlt, sind die Akzeptanz der Gesetzgeber und der Konsumentenwunsch, solche Verpackungen im Einzelhandel vor- zufinden – beides auch auf Grund eines unvollständigen Informati- onsstandes. > Viele Vorteile aktiver bzw. inter- aktiver Verpackungsbestandteile liegen auf der Hand: Verbraucher profitieren von einer verlängerten Haltbarkeit, einer höheren Produktsicherheit und Verbes- serungen bei Geruch und Geschmack. Entsprechende Vorteile ergeben sich auch für den Lebensmittelhersteller und den Handel. Dennoch ist Europa von ei- ner allgemeinen Akzeptanz durch den Konsumenten noch weit entfernt, und auch der Gesetzgeber beginnt erst, den rechtlichen Rahmen für deren Einsatz abzustecken. Passiv – aktiv – interaktiv Verpackungen schützen den Inhalt vor unerwünschtem Zugriff und Verderb. Sie tun dies passiv, auf Grund physikalischer Eigenschaften wie der Durchstoßfestig- keit, Sperrwirkung oder Durchlässigkeit für bestimmte Stoffe. Aktive oder inter- aktive Verpackungen können mehr. Aktive Verpackungen sind in der La- ge, unerwünschte Komponenten aus der Verpackung herauszunehmen oder das Verpackungsgut sogar zu beeinflus- sen, wenn dem Verpackungsmittel ent- sprechend wirkende Komponenten zu- gesetzt wurden. Aktive Verpackungs- bestandteile sind Absorber oder Adsor- ber für Sauerstoff, Aldehyde, Ethen, Sul- fide, Konservierungsstoffe, Antioxidan- tien und antibakterielle Substanzen. Interaktive Verpackungen können mit der Umwelt oder dem Verpackungs- gut wechselwirkend kommunizieren. Beispiele dafür sind RFID (Radio Fre- quency Inductive Devices), Zeit-Tempera- tur-Indikatoren usw. Möglich sind auch Indikatoren für Bestandteile des Ver- packungsinhalts, z. B. für Sauerstoff und andere Gase, die im Kopfraum vorhan- denen sind oder sich dort bilden können, sowie die Integration visueller Effekte wie elektrolumineszierende Displays oder Hologramme. Die Marktchancen Weltweit sind aktive Verpackungskon- zepte im Wachstum begriffen. Spitzen- reiter Japan, wo aktive Verpackungskon- zepte allgemein anerkannt sind, stellte im Jahr 2001 bereits 12.000 Mio. Einhei- ten her. Weit dahinter lagen die USA mit 500 Mio. Einheiten. Schlusslicht war (und ist) Europa, wo (noch) die gesetz- geberische Voraussetzung für ihren Ein- satz fehlt. Allerdings ist in unserer Regi- on eine deutliche Zunahme (von 10 Mio. Aktive und Interaktive Verpackungen helfen, die Frische von Lebensmitteln zu erhalten. (Beispiele: TNO Nutrition & Food Research/Niederlande) *DuPont Verpackungs- und Industriepolymere, Genf [1] R. Roberts: Consumer attitude and future market trends for Active & Intelligent packaging. ACTIPAK unwraps Europe, 20. bis 21. Januar 2003, Amsterdam [2] L. Piergiovanni und P. Fava, DiSTAM (www.dis- tam.unimi.it): Persönliche Mitteilung im Rahmen des FAIR Projects CT 98–4170 ,ACTIPAK‘ branche> Lebensmittel 22 neue verpackung> 10.2004

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Aktive und interaktive Verpackungen

Schlusslicht Europa von Karlheinz Hausmann*

Verpackungen, die den Inhalt nicht nur passiv vor den schädlichen Ein-flüssen der Umwelt schützen, son-dern von sich aus zur Optimierung von Frische und Haltbarkeit beitra-gen, sind in der Entwicklung relativ weit fortgeschritten. Was fehlt, sind die Akzeptanz der Gesetzgeber und der Konsumentenwunsch, solche Verpackungen im Einzelhandel vor-zufinden – beides auch auf Grund eines unvollständigen Informati-onsstandes.

> Viele Vorteile aktiver bzw. inter-aktiver Verpackungsbestandteile liegen auf der Hand: Verbraucher profitieren von einer verlängerten Haltbarkeit, einer höheren Produktsicherheit und Verbes-serungen bei Geruch und Geschmack. Entsprechende Vorteile ergeben sich auch für den Lebensmittelhersteller und den Handel. Dennoch ist Europa von ei-ner allgemeinen Akzeptanz durch den Konsumenten noch weit entfernt, und auch der Gesetzgeber beginnt erst, den rechtlichen Rahmen für deren Einsatz abzustecken.

Passiv – aktiv – interaktiv

Verpackungen schützen den Inhalt vor unerwünschtem Zugriff und Verderb. Sie tun dies passiv, auf Grund physikalischer Eigenschaften wie der Durchstoßfestig-keit, Sperrwirkung oder Durchlässigkeit

für bestimmte Stoffe. Aktive oder inter-aktive Verpackungen können mehr.

Aktive Verpackungen sind in der La-ge, unerwünschte Komponenten aus der Verpackung herauszunehmen oder das Verpackungsgut sogar zu beeinflus-sen, wenn dem Verpackungsmittel ent-sprechend wirkende Komponenten zu-gesetzt wurden. Aktive Verpackungs-bestandteile sind Absorber oder Adsor-ber für Sauerstoff, Aldehyde, Ethen, Sul-fide, Konservierungsstoffe, Antioxidan-tien und antibakterielle Substanzen.

Interaktive Verpackungen können mit der Umwelt oder dem Verpackungs-gut wechselwirkend kommunizieren. Beispiele dafür sind RFID (Radio Fre-quency Inductive Devices), Zeit-Tempera-tur-Indikatoren usw. Möglich sind auch Indikatoren für Bestandteile des Ver-packungsinhalts, z. B. für Sauerstoff und andere Gase, die im Kopfraum vorhan-denen sind oder sich dort bilden können, sowie die Integration visueller Effekte wie elektrolumineszierende Displays oder Hologramme.

Die Marktchancen

Weltweit sind aktive Verpackungskon-zepte im Wachstum begriffen. Spitzen-reiter Japan, wo aktive Verpackungskon-zepte allgemein anerkannt sind, stellte im Jahr 2001 bereits 12.000 Mio. Einhei-ten her. Weit dahinter lagen die USA mit 500 Mio. Einheiten. Schlusslicht war (und ist) Europa, wo (noch) die gesetz-geberische Voraussetzung für ihren Ein-satz fehlt. Allerdings ist in unserer Regi-on eine deutliche Zunahme (von 10 Mio.

Aktive und Interaktive Verpackungen helfen, die Frische von Lebensmitteln zu erhalten. (Beispiele: TNO Nutrition & Food Research/Niederlande)

*DuPont Verpackungs- und Industriepolymere, Genf [1] R. Roberts: Consumer attitude and future market trends for Active & Intelligent packaging. ACTIPAK unwraps Europe, 20. bis 21. Januar 2003, Amsterdam [2] L. Piergiovanni und P. Fava, DiSTAM (www.dis-tam.unimi.it): Persönliche Mitteilung im Rahmen des FAIR Projects CT 98–4170 ,ACTIPAK‘

branche> Lebensmittel 22

neue verpackung> 10.2004

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im Jahr 1988 auf 300 Mio. Einheiten im Jahr 2001) zu verzeichnen.

Die Europäische Verpackungsricht-linie lässt heute noch keine Ver-packungsbestandeile zu, die das Ver-packungsgut aktiv beeinflussen, aber die Weichen sind gestellt. So wurde das von der EU finanzierte FAIR-Projekt ACTI-PAK PL 98–4170 ins Leben gerufen um die Vor- und Nachteile der aktiven Ver-packung zu untersuchen und damit die Basis für eine spätere Reglementierung zu legen, deren Einführung im Januar 2003 beschlossen wurde und die voraus-sichtlich im Jahre 2005 in Kraft tritt.

Als Ergebnis einer Konsumentenbe-fragung ergaben sich dabei die folgen-den Vorbedingungen für eine Stärkung der Verbraucher-Nachfrage nach aktiven/interaktiven Verpackungskonzepten [1]. > Es besteht ein Bedarf für mehr Infor-

mation über die Vorteile und Funk-tionsweise aktiver und intelligenter Verpackungsbestandteile.

> Es müssen andere Argumente in den Vordergrund treten als die Verbes-serung der Haltbarkeit.

> Eine Standardisierung der Komponen-ten erhöht die Akzeptanz.

> Auf regionale Unterscheide im Kon-sumentenverhalten muss eingegan-gen werden (so scheinen Konsumen-ten in Spanien gegenüber solchen Komponenten sehr offen zu sein).

> Aktive und Intelligente Komponenten

dürfen nicht zu einer spürbaren Ver-teuerung für den Konsumenten füh-ren.

Außerdem laufen weitere Aktivitäten wie das Europäische Rahmenprogramm SeafoodPLUS, in dessen Verlauf die Her-stellung von (aktiven) Verpackungen für Fischereierzeugnisse untersucht werden sollen (www.seafoodplus.org).

DuPont beteiligt sich aktiv an der Weiterentwicklung der aktiven/inter-aktiven Verpackungen. Beispiele im Be-reich aktiver Bestandteile sind Absorber und Adsorber für Sulfide, Aldehyde und Amine sowie antibakterielle Konzepte. Im Bereich der interaktiven Konzepte verfolgt DuPont Projekte wie Ver-packungsdesign/Druck, elektrolumines-zierende Displays, RFID Pasten, Senso-ren/Indikatoren und Sicherheitssysteme.

Die Ab-/Adsorber-Konzepte

Sulfidadsorber nehmen H2S und andere

leichtflüchtige Substanzen auf, die z. B. bei der Zersetzung von Aminosäuren bei Geflügel oder auch bei Fleischprodukten vor allem im Kopfraum von MAP-Ver-packungen entstehen. Sie basieren auf speziellen Zeolithen, die in Verpackungs-folien integriert werden können (DuPont Patent). Untersuchungen haben Zeolit-he identifiziert, die selbst nach Einarbei-tung in Kunststoffe noch 33 Prozent Ih-rer Wirksamkeit beibehalten und damit

Anwendung 2001 bis 2002 2001 bis 2004

antibakterielle Folien 9,4 11,4

Ethanol-Emitter 10,8 14,2

Ethylen-Absorber 12,8 14,6

Geschmacks/Geruchs-Absorber 17,6 14,7

CO2-Scavenger/Emitter 12,8 15,2

Konservierungsmittel-Depots 10,4 15,7

Lactose- und Cholesterin-Entferner 14,3 16,7

Temperaturregelnde Verpackungen 14,4 19,3

Sauerstoff-Entferner 15,2 20,7

Feuchtigkeits-Absorber 18,1 20,8

Tabelle 1: Entwicklung des Einsatzes aktiver Verpackungsbestandteile

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für den Einsatz in Verpackungsfolien ge-eignet sind.

Ein weiteres Patent von DuPont be-trifft die Absorption von Aldehyden, wie sie bei der Zersetzung von Fett entste-hen, beispielsweise bei Chips, Margari-ne, Cerealien usw. Aldehydabsorber er-höhen die Standzeit solcher Verpackun-gen. Auch hier reichen sehr geringe Mengen aus. Dabei bleiben Aldehyd-absorber lange aktiv und so effizient, dass die Qualität der verpackten Lebens-mittel länger als 12 Monate auf einem hohen Niveau bleibt, während der Zu-stand der gleichen Ware bei Verpackun-gen ohne Absorber zum Teil bereits nach 9 Monaten nicht mehr akzeptabel war [2].

Aminabsorber entfernen die durch Bakterien in MAP-Verpackungen für Frischfisch erzeugten Amine, die sich in-nerhalb von 2 bis 4 Tagen im Kopfraum ansammeln und dort sehr frühzeitig ei-nen Geruch verursachen, der das Pro-dukt ungenießbar erscheinen lässt. Weil diese Aminabsorber ihre Hauptwirkung bereits während der ersten Tage entfal-ten, kann so verpackter Frischfisch als „frischer“ eingestuft werden als er an-

dernfalls beim Öffnen der MAP-Ver-packung erscheinen würde.

Antimikrobielle Verpackungen

Ein anderer Weg zur Verlängerung der Lagerfähigkeit von Lebensmitteln führt über die Verminderung des Wachstums von Mikroben. Antimikrobielle Zusätze sollten jedoch die Lebensmittelzulas-sung besitzen, kostengünstig und in breiter Vielfalt verfügbar sein. Sie sollten bereits in geringer Konzentration (ppb) die angestrebte Wirkung entfalten und weder organoleptische Effekte noch In-teraktionen mit Lebensmitteln zeigen. Außerdem wird erwartet, dass sie aus-reichend hitzestabil für die Folienher-stellung (Extrusion, Beschichtung) sind.

Anti-Schimmel-Folien enthalten Konservierungsstoffe, die per Beschich-tung aufgebracht oder in das Folienma-terial eincompoundiert werden. Solche Stoffe sind z. B. Na-Benzoat, K-Sorbat und Sorbinsäure. Typische Anwendun-gen sind Verpackungen von Käse, Salat oder Brot. Herkömmliche Konzepte die-ser Art erfordern jedoch häufig Kompro-misse, z. B. bei der für die Verarbeitung erforderlichen thermischen Stabilität und bei der Effizienz unter Kühlbedin-gungen. Ein Alternativbeispiel ist das patentierte Anti-Schimmel-Konzept von DuPont, das z. B. auf eine Mylar® Poly-esterfolie beschichtet oder in einen an-deren Kunststoff eingearbeitet werden kann. Es basiert auf Sorbin/Benzoe-Säu-re, entfaltet eine sehr gute Wirkung ge-

gen Schimmelpilze, Hefen und einige Bakterien und eignet sich damit beson-ders für Milchprodukte wie Joghurt und Käse. Auf diese Weise werden die Kon-servierungsstoffe vom Lebensmittel auf die Verpackungsfolie verlagert.

Ebenfalls für die Verlängerung der Haltbarkeit von Käse bietet sich der von FDA und in Japan (aber noch nicht in Eu-ropa) für bestimmte Lebensmittel ak-zeptierte Einsatz von Bacteriocinen an. Beispiele sind das von Bakterien pro-duzierte Bacteriocin Nisin oder das aus dem Panzer von Schalentieren gewon-nene und chemisch mit der Glucose ver-wandte Chitosan. Aufgrund der Not-wendigkeit des engen Kontaktes mit dem zu schützenden Lebensmittel bleibt ihr Einsatz aber wohl auf Vakuumver-packungen begrenzt. Zudem leiden die Anwendungen unter anderem unter der geringen thermischen Stabilität bei der Extrusion und unter der reduzierten Ak-tivität bei Einarbeitung in ein Polymer.

Dupont bietet also eine weite Palette von aktiven und interaktiven Ver-packungselementen an. Die Absorber-technologie ist hierbei am weitesten fortgeschritten, aber auch die Aktivitä-ten auf dem Gebiet der antibakteriellen Konzepte sind viel versprechend. Mit der Ausnahme von Konzepten, die bereits als Lebensmitteladditive zugelassene Bestandteile enthalten (wie das Anti-Schimmel-Konzept), wird bei antimikro-biellen Konzepten in Europa allerdings noch einige Zeit bis zur Kommerzialisie-rung vergehen. >|

Aldehyd-Absorber sind sehr effizient. Schon sehr geringe Zugabemengen sorgen für deutlich weniger unerwünschte Aldehyde in der Verpackung (Teilbild A), und diese Wirkung bleibt über lange Zeit erhalten, wie Teilbild B [2] am Beispiel von Cerealien zeigt.

Penicillium-Cyclopium-Kolonien nach fünf Tagen ohne (rechts) und mit Antischimmelfolie (links) [2].