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    Schriftender Straburger Wissenschaftlichen Gesellschaft in Heidelberg

    Neue Folge 3. Heft

    DieErkenntnislehre des Johannes Eriugena

    im Ralimen ihrer metaphysischen und anthro-pologischen Voraussetzungen

    nach den Quellen dargestellt

    von

    Artur Schneider

    1. Teil

    BERLIN UND LEIPZIG 1921VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGERWALTER DE GRUYTER & CO.

    VORMALS . J. GSGHEN'SGHE VERLAGSHANDLUNG J. GUTTENTAG, VERLAGS-BUCHHANDLUNG GEORG REIMER KARL .1. TRBNER - VEIT & COMP.

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    DieErkenn tnislelire des Johannes Eriugena

    im ahmen ihrer metaphysisclien und anthro-pologischen Voraussetzungen

    nach den Quellen dargestellt

    von

    Artur Schneider

    1. Teil

    BERLIN UND LEIPZIG 1921VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER

    WALTER DE GRUYTER & CO.VORMALS G. J. GSGHEN'sCHE VERLAGSHNDLUNG J. GUTTENTAG, VERLAGS-BUCHHANDLUNG GEORG REIMER KARL J. TRBNER VEIT & COMP.

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    Alle Rechte vorbehalten.

    Druck: Hermann Buhlaus Nachfolger, Hof- Buchdruckerei in Weimar.

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    Vorwort.Infolge der Eigenart seiner Anschauungen hat sich Eriugena verhltnis-

    mig zeitig literarische Beachtung errungen. Leben, Schriften und Lehredieses mittelalterlichen Denkers wurden auer in allgemeineren philosophie-historischen Werken mehrfach monographisch behandelt; einzelne Punkteseines Systems errterten Aufstze und Dissertationen. Auf diese Weisewurde auch von seiner Erkenntnislehre so manches bekannt. Von Stoeckl,Haureau u. a. war nachdrcklich sein Begriffsrealismus hervorgehobenworden. Reich an Hinweisen auf die in De divisione naturae zerstreutensubjektiven Elemente war die Christliebsche Schrift. Zu einer umfassen-den Bearbeitung der erkenntniswissenschaftlichen Lehren des irischen Philo-sophen kam es jedoch nicht. Diese Lcke suchen die nachstehenden Aus-fhrungen auszufllen. Bei der Prfung des von der vorhandenen Literaturbehandelten Materials ergab sich, da bezglich einer Reihe von hchst-interessanten Theorien, wie z. B. der von der dreifachen Bewegung desGeistes, derjenigen vom ,,Ort'' nur mehr oder minder kurze Andeutungenvorlagen, von schiefen Darstellungen so manchen Punktes ganz zu schweigen.Es zeigte sich weiter, da man zwar den Beziehungen zwischen gewissen LehrenEriugenas zu Anschauungen neuzeitlicher Denker eifrig nachgegangen war,da man dagegen die nhere Untersuchung ihres Verhltnisses zur Vergangen-heit, und hier vor allem zu den von ihm bentzten Quellen verabsumthatte. Diese aber fr das wirkliche Verstndnis des von Eriugena Gelehrtenso notwendige Aufgabe der historischen Erklrung war noch so gut wie ganzzu lsen. Untersttzung fr einzelne Punkte fand ich, wie nicht unerwhntsei, in den Aufstzen Draesekes und Rands.

    Die vorliegende Untersuchung bildete die Fortsetzung einer anderen Arbeit,welche sich unter dem Titel ,,Die Erkenntnislehre bei Beginn der Scholastik"mit derjenigen Cassiodors, Gregors d. Gr., Isidors von Sevilla, Alkuins undseiner Schler Hraban und Fredugis beschftigt. Leider konnte diese nichtfrher als die vorliegende Schrift gedruckt werden; sie drfte aber wenigstens

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    VI auch noch in diesem Jahre erscheinen. Da meine Erigena geltendenUntersuchungen zur Verffentlichung gelangen, ist das Verdienst der Stra-burger Wissenschaftlichen Gesellschaft, welche mir, fr diesenZweck das vorliegende und noch ein weiteres, im nchsten Frhjahr er-scheinendes Heft zur Verfgung stellte. Ich mchte nicht verfehlen, ihrmeinen, wrmsten und herzlichsten Dank fr dieses groe Entgegenkommenauszusprechen. Vielen Dank schlielich auch noch meinem verehrten Fakultts-kollegen, Herrn Geheimrat v. Arnim fr mehrere wertvolle Winke, sowieHerrn Professor Dr. Marckwald, frherem Oberbibliothekar der StraburgerUniversitts- und Landesbibliothek, der so liebenswrdig war, die Korrektur-bogen mit mir zu lesen.

    Frankfurt a. M., im Juli 1921.Der Verfasser.

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    IiihaltsYerzeichnisdes I. Teils.

    Vorbemerkungen, Eriugenas Persnlichkeit und Entwicklung.Allgemeine wissenschaftliche Bedeutung, Kenntnis des Griechischen 1, bersetzer-ttigkeit 2, die drei Stadien seiner wissenschafthchen Entwicklung 3, allgemeinerCharakter seiner Erkenntnislehre 4.

    I. Prolegomena zur Erkenntnislehre des Eriugena.A. Die metaphysischen Grundvorstellungen.

    Die Grundlage des Systems. Das Verhltnis von Gott und Welt 5.Die causae primordiales.

    Platonische Elemente 7, sptplatonische Modifikationen der Ideenlehre 8,Nachwirkungen in der Patristik 9, bei Eriugena 10, seine Auffassung desVerhltnisses von Urgrnden und Logos 11, Quellen fr die Lehre vonden Primordialursachen 11.

    Die ovoiai.Zwiefache Bestimmung derselben 13, Eigenschaften 14.

    Die Entstehung der Erscheinungswelt 15.Materie und Form.

    Materie und Form als Elemente des Dinges 16, Begriff der Materie, Ver-wendung der Krperlehre des Gregor von Nyssa 16, Unterscheidung einerdoppelten Form 19.

    B. Allgemeine anthropologische Anschauungen.Der Mensch im Urzustand.

    Praeexistenzgedanke, Vorstellung einer urzustndhchen Ausstattung desMenschen bei Posidonius, Philo, Origenes, Gregor von Nyssa 22, EriugenasLehre vom ersten oder allgemeinen Menschen, von dessen spirituellem Leib 23,materialistische Elemente des stoisch-posidonischen Seelen begriffs bei Gregorvon Nyssa und Eriugena, Frage der Wirklichkeit des Urzustands, das Er-kennen des Urmenschen 24.

    Der empirische Mensch,a) Der Leib.

    Verbleiben der hheren Leiblichkeit nach dem Sndenfall 27, Unterscheidungeines inneren und ueren Leibes, Ursprung des letzteren, Verhltnis beiderLeiber zueinander 28.

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    VIII b) Leben und Seele.

    Ursprung des Lebens 29, Allbeseelung, Gliederung der Lebensstufen 30,Seelenkrfte, bersicht 31, Eigenschaften, Verhltnis zur Seele 32.

    c) Das Verhltnis von Seele und Leib.Spiritualistisch-aktivistische Auffassung 33, schpferische Ttigkeit der Seele,der Leib als ein materielles Gebilde 34, Medien zwischen Seele und Leib,hnhchkeit zwischen letzteren, keine Begrenzung der Seele durch den Leib 35.

    IL Erkenntnislehre.Die erkennenden Ttigkeiten der Seele.Die Sinneswahrnehmung (sensus).

    Allgemeines.Wesen der Sinneswahrnehmung 36, die wahrnehmende Kraft etwas Ein-faches 38, die Wahrnehmung Denken in sich einschlieend 39.

    Die einzelnen Sinne.Objekt des Gesichtsinns, Anatomisches 39, Physiologisches 40, immaterielleBeschaffenheit der Farben, Gehrssinn 42, die brigen Sinne 43, Grund-lagen des Wahrnehmungsprozesses 44.

    Phantasia und Phantasma; memoria.Begriff der phantasia 44, des phantasma, dessen empirischer Ursprung, diememoria als Gedchtnis, dessen Inhahe 45, Stadien des Rezeptionspro-zesses 46, die memoria als Einbildungskraft 47.

    Die drei Bewegungen des Geistes.Allgemeines.Annahme einer dreifachen geistigen Bewegung bei Dionysius Pseudo-Areo-pagita 47, bei Maximus Gonfessor 48, Einleitung in Eriugenas Lehre 50.

    a) Die Vernunft (intellectus).Die Vernunft als essentia des Menschen 51, ihr Objekt, ihre Vermittlungabsoluten Wissens, gnostischen" Erkennens 52, Organ der negativenTheologie 53, Voraussetzungen fr die Bettigung, Entstehung der Theophanie,Erkenntnis des Gttlichen nur mit gtthcher Hilfe mglich 54, Vorbereitungzur Erlangung der Theophanie, Erklrung der durch die Vernunft erfolgen-den spekulativen Gotteserkenntnis 57, Zusammenhang zwischen der Lehrevon der Theophanie und der der ersten Bewegung.

    b) Der Verstand (ratio).Der Verstand als Organ der affirmativen Theologie 60, die Idealwelt, Objektund Subjekt der Verstandeserkenntnis, der Verstand als Produkt der Ver-nunft 62, als deren Erscheinung 63.

    c) Der innere Sinn (sensus interior).Wesen, Funktion (Begriffsbildung) 64.

    Die freien Knste.Die freien Knste als seelische Ttigkeiten 65, ihr Verhltnis zum Geist 66.

    Anliang. Scientia und sapientia 67.

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    Vorbemerkungen.Eriugenas Persnlichkeit und Entwicklung.Als einsame Gre ragt unter den Zeitgenossen die Denkergestalt des

    Johannes Scottus oder Johannes Eriugena^) hervor. Seine wissen-schaftlichen Leistungen stehen nicht nur turmhoch ber den kompilatorischen,vorzugsweise unter dem Gesichtspunkt der Stoffzufuhr verfaten Produkteneines Cassiodor, Isidor von Sevilla, eines Alkuin und Hraban, sondern stempelnihn zu einem der genialsten und interessantesten Kpfe des ganzen Mittel-alters. Speziell in seinem Hauptwerk ITegl (pvoewg jusqiojliov id est De divisionenaturae, wo er das Wagnis des Origines, aus Philosophie und christlicherTheologie ein einheitliches System herzustellen, wiederholt, bewundern wirden gewaltigen Schwung der Spekulation und die Gewandtheit der Dialektik;wir sind von der Khnheit, mit welcher er der Philosophie gegenber derTheologie selbstndige Bedeutung zu geben sucht, nicht weniger berraschtals von einzelnen Gedankengngen, welche erst viele Jahrhunderte spter imneuzeitlichen Philosophieren wieder Vertretung gefunden haben.Um 810 ist Eriugena in Irland geboren.^) Man hat neuerdings die Be-hauptung aufgestellt, da seine Heimat die ihr gewhnlich zugeschriebeneRolle in der berHeferung der alten Kultur nicht gespielt hat. und da sichdie vielen Iren des frhen Mittelalters die ihnen eigene hohe Bildung aufReisen auerhalb Irlands erworben haben.^) Wie dem auch sein mge, dieVoraussetzungen fr die Entwicklung des Kloster- und insofern auch desUnterrichtswesens drften doch gnstigere als auf dem von den Strmender Vlkerwanderung durchtobten Festland gewesen sein. Jedenfalls konnten

    ^) Zur Schreibweise vgl. Gl. Baeumker, Ein Traktat gegen die Amalricianer, Jahrb. f.Philos. u. spek. Theol VII (1893), 346; VIII (1894), 222; L. Traube, M. O. Poetae lat, aeviCarol. III, 1896, 518, NA.; denselben, Roma nobilis. Philol. Unters, aus d. Mittelalter, Abh.d. philos.'philol. Kl. d. bayr. Akad. d. W. 19 (1892), 360; Manitius, Gesch. d. lat. Lit. d. Mittel-alters, I. Teil, Mnchen 1911, 332.

    ^) Fr seine Biographie vgl. u. a. A. Staudenmaier, Joh. Scot. Erigena und die Wissen-schaft seiner Zeit, Bd. 1, Frankfurt 1834; Theod. Christlieb, Leben und Lehre des Joh. Scot.Erig., Gotha 1860, 14ff.; Joh. Huber, Joh. Scot. Erig., Mnchen 1861, 36 ff.; Osk. Hermens,Das Leben des Erig., Jena 1868; kurz neuerdings berweg-Baumgartner, Grundr. d. Gesch.d. Philos. 10 (1915) 223f. (hier 222f. die bibliographischen Angaben und 108* die Literatur berLeben und Lehre Eriugenas); Manitius a. a. 0. 323 ff.

    3) L. Traube, Einl. in d. latein. Philol. d. M.-A., Mnchen 1911, 172ff.Schriften der Straburger Wissenschaftlichen Gesellschaft N. F. III. 1

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    2 jene Iren die Kenntnis des Griechischen auf ihre Wanderschaft mitnehmen.^)Bei Eriugena steht auer Zweifel, da er sich auerdem in seiner Heimat be-reits umfangreiche Literaturkenntnisse erworben hatte. ^) Anfang der vierzigerJahre (vor 847) finden wir ihn auf frnkischem Boden. Karl der Kahle beriefihn als Vorstand der Hofschule nach Paris. Mit dessen Tode im Jahre 877hren die Nachrichten ber ihn auf. Auf seine Stellung im Prdestinations-streit ist hier nicht weiter einzugehen. Seine schriftstellerische Ttigkeit wareine sehr mannigfaltige; als bersetzer, Erklrer und Verfasser eigener syste-matischer Abhandlungen hat er sich verdient gemacht.

    Fr die Entwicklung seiner eigenen wissenschaftlichen Anschauungen wardie von ihm als bersetzer entfaltete Ttigkeit von hchster Bedeutung.In griechischer Urschrift fand er in Paris die plotinisch-prokiische Gedankenmit Christlichem verschmelzenden Schriften des vermeintlichen AreopagitenDionysius vor; damals fr echt gehalten, waren sie Ludwig dem Frommenim Jahre 827 durch eine Gesandtschaft als Geschenk des Kaisers Michael II.,des Stammlers, berbracht worden. Im Auftrage Karls bersetzte sieEriugena um 858 ins Lateinische. Von groem Einflu war sodann die Be-schftigung mit noch zwei anderen griechischen Autoren. Gleichfalls durchKarl veranlat, bertrug er die Amhigua des Dionys geistesverwandten AbtesMaximus^), eine Auslese schwieriger Stellen aus den Reden des Gregorvon Nazianz, zu deren Erluterung der Pseudo-Areopagite nicht selten vonMaximus herangezogen worden war, ferner auch dessen Schollen zu Dionys.Fr seine eigenen Zwecke bersetzte er weiter die Sptplatonisches mit Stoi-schem verbindende Schrift Gregors von Nyssa De hominis opificio.^)

    ^) Dies gibt auch Traube zu und erklrt es durch die Annahme, da Irland von griechi-scher Seite dem Christentum zugefhrt wurde (a> a.O. S. 39).

    2) Aus den vielfachen bereinstimmungen zwischen den Martian-Kommentaren Eriu-genas und des Iren Dunchad schhet Manitius, da schon ltere Kommentare zu Martianvorhanden waren, die vielleicht auch schon der irischen Wissenschaft ihren Ursprung verdankten(J)unchads u. Joh. Scoilus' Martian-Kommentar, Didaskaleiorif Turin 1912, S. 172J. Diese An-nahme spricht sicherlich dafr, da die Wissenschaft frhzeitig in Irland gepflegt wurde.

    ^) ber Eriugenas Verhltnis zu Maximus, insbesondere seine Anfhrungen aus dessenAmbiguen vgl. Draeseke, Joh. Scot. Erig. u. dessen Gewhrsmnner in s. Werke De div. nat. I. V,Stud. z. Gesch. d. TheoJ. u. Kirche^ (1902), 521?.; ferner in d. Zeitschr. f. wiss. Theol. 46 (1903),563; 47 (1904), 250ff.; Theol. Stud. u. Krit. 84 (1911), 20ff., 204ff.

    *) Hatte Draeseke es in dem in vor. Anm. zuerst erwhnten Aufsatz S. 40 noch alszweifelhaft hingestellt, ob Johannes eine lateinische bersetzung der Schrift des Nyssenersvorfand und benutzte oder aber sie fr seine Zwecke selbst bersetzte, so konnte er auf Grundweiterer Untersuchung in Gregorios von Nyssa in den Anfhrungen des Joh. Sc. Erig., Theol.Stud. u. Krit. 82, Gotha 1909, 532 die Richtigkeit des letzteren Standpunktes feststellen. Inder Frage, ob Eriugena Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz miteinander verwechselteoder ihn als solchen erkannte, zeigt Draeseke in Joh. Sc. Erig. u. dessen Geuhrsmnner,a. a. O. 45f., sowie in Greg. v. Nyssa in den Anfhrungen des Joh. Sc. Erig. 531 f. gegenber Flo,Huber, Noack, Christlieb und Brilliantoff (ber dessen russisch geschriebenes Werk,Der Einflu der Orient. Theol. auf die okzidentalische in den Werken des Joh. Sc, Erig., Peters-burg 1898, er in der Zeitschr. f. wissemch. Theol. 47 [Leipzig 1904], 126 f. Mitteilungen macht).

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    Das Vertrautwerden mit den in diesen Abhandlungen niedergelegtenGedanken bedeutete fr Eriugena in vielen Punkten die Bekanntschaft miteiner neuen Welt. Aufgewachsen war er in der Kenntnis der blichen lateini-schen Autoren, vor allem Augustins. Dementsprechend werden auch in derder frhesten Periode seiner schriftstellerischen Ttigkeit entstammenden, 851gegen Gottschalk gerichteten Schrift De divina praedestinatione nur lateinischeQuellen erwhnt. Ganz anders ist die Sachlage in einer Reihe exegesierenderAbhandlungen, den Expositiones super hierarchiam caelestem S. Dionysii, inden Fragmenten des Comrnentarius in S. evangelium sec. loannem, der Homiliain prol. S. evanyelii sec. loannem und vor allem in dem frher schon erwhnten,um 867 verfaten Hauptwerk selbst bestellt. Die vorhin genannten griechi-schen Autoren werden nicht nur auerordentlich oft zitiert, sondern benauch sachlich einen greren Einflu als die lateinischen aus. Der Neuplato-iiismus tritt als Grundrichtung jetzt in einer Weise hervor, da Eriugenaals dessen entschiedenster Vertreter in der Scholastik zu gelten hat.^)

    In diesen zwei von Ja quin bereits in Eriugenas wissenschaftlicherEntwicklung unterschiedenen Stadien wird man noch ein drittes hinzufgenknnen. Es liegt nmlich Grund zu der Annahme vor, da Eriugena seinenKommentar zu den Opuscula sacra des Boethius gegen Ende seines Lebensgeschrieben hat. 2) In diesen Scholien erfolgt aber ein ganz aufflliges Ab-da die betreffenden, jene Verwechslung scheinbar bezeugenden Textesworte als Emschwr-zungen von unkundiger Hand zu streichen sind. J. A. Endres stimmte ihm bei (Philos. Jahrb.d. Grres-Oes. 16 [1903], 455 f.^. Fr Eriugenas Zitate aus De hom. opif. vgl. Draeseke in denTheol. Stud. u. Krit. 82 (1909), 5.34 ff. Quicherat und L. Traube schreiben Eriugena diebersetzung der Solutiones des Priscianus Lydus (ed. Bywater, Suppl. Arist. I, 2, Berlin1886) zu; vgl. Manitius a. a. 0. S. 331, 338. Eine Einwirkung der hier entwickelten Anschau-ungen ich denke im Hinblick auf das uns hier interessierende Material speziell an die psycho-logischen Partien auf die 5>enkweise Eriugenas ist nicht ersichtlich. ber Eriugena als ber-setzer vgl. auch F. Overb eck, Vorgeschichte und Jugend d. mittelalt. Scholastik. Aus demNachla herausg. von C. A. Bernoulli, Basel 1917, 133 ff.

    ^) Wenn er den Plato als philosophorum summus (Div. nat. III, 36. PL. 122, 728A.),als philosophantium de mundo maximus (T, 31; 476 C) bezeichnet (vgl. sein Urteil ber Aristo-teles I, 14; 462Df.), so ist dieses Urteil im Rahmen semer Zeit jedoch nichts Aufflliges (s. meineAbhandlung Die abendlndische Spekulation des XII. Jahrhunderts in ihrem Verhltnis zu Aristo-teles und der arabisch-jdischen Scholastik, Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. M.-A. XVII, 4, Mnster1915, S. 3ff.

    2) Gegenber Usener, der in s. Anecdoton Holderi (Bonn 1827) die Ansicht aussprach,da der betr. Kommentar vor der Zeit Eriugenas entstand, schlo Schepss (Neues Arch. f.lt.d. Geschichtsk. 11 [1885], 128ff.; aus einer Stelle des Kommentars, welche einen Brief desPapstes Nikolaus I. vom J. 867 erwhnt, und wo Formosus, der 891 Papst wurde, noch Bischofgenannt wird, da der Kommentator ein Zeitgenosse Eriugenas war. E. K. Rand, welcherdiese von Peiper in seiner Ausgabe der Consol. und der Opp. theol. zum Teil verffentlichtenGlossen zu Boethius vollstndig publizierte (Johannes Scottus, Quellen u. Unters, z. lat. Philol.d. M.-A. I, 2, Mnchen 1906, herausg. von TraubeJ, stellte fest, da der Verfasser niemandanders als Eriugena selbst war und auf Grund der Hinweise von Schepss da er sie gegenEnde seines Lebens geschrieben hat (a. a. 0. 18; 21). Durch emen Fuldaer Katalog aus dem16. Jahrh. erhielt sein Beweis die urkimdliche Besttigung (vgl. Manitius, Zu Joh. Scottus u.

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    rcken von den Griechen. Nur die Lateiner werden wieder zitiert, vor allemAugustinus. Die hier entwickelte Denkweise ist, mit derjenigen des Haupt-werkes verglichen, eine ungleich orthodoxere. Wenn auch die Mglichkeit,da er sich unwillkrlich dem Grcist der Opuscula sacra strker anpat, nichtvon der Hand zu weisen ist, so liegt doch auch die Annahme, da ihm seineBevorzugung der Griechen verdacht, vieUeicht auch seine Rechtglubigkeitin Zweifel gezogen war, oder er doch zum mindesten Anla hatte, solcheszu befrchten, sehr nahe.^) Dem erwhnten Kommentar drfte in seinerSchriftstellerei daher in der Tat, wie Rand bemerkt hat 2), eine hnliche Stel-lung zukommen wie in derjenigen Augustins dessen Betractationes einnehmen.

    Von diesen Wandlungen ist auch die Erkenntnislehre Eriugenas nichtunberhrt geblieben. Zur Entwicklung der eigentlich charakteristischen, be-deutungsvolleren Theorien und Stze kam es auf noetischem wie philosophi-schem Gebiet berhaupt erst in der zweiten, also griechisch orientierten Pe-riode. Zu den Lateinern, die in dieser Zeit, allerdings sekundr, eine Rollespielen, gehrt, wie gleich bei dieser Gelegenheit erwhnt sei, auer Augustinvornehmlich Boethius.^) Wenn auch im Hinblick darauf, da nunmehr inEriugenas schriftstellerischen Leistungen der griechische Einflu das ber-gewicht hat, von einer neuen Periode gesprochen werden kann, so soll damitindessen keinesfalls gesagt sein, da seine Anschauungen innerhalb dieser Zeitselbst die gleichen sind. Dies ist nicht einmal in dem Hauptwerk der Fall.Wie sich hier in metaphysischer Hinsicht die Neigung zum Monismus, Pan-theismus und Emanatismus mit derjenigen zum DuaHsmus, Theismus undKreatianismus kreuzt, so wechseln in erkenntnistheoretischer Hinsicht sub-jektive und objektive, idealistische und realistische Elemente, je nachdembei ihm der spekulative Philosoph oder aber der christhche Theologe die Ober-hand gewinnt, nicht selten miteinander ab. In den BoethiusschoHen tretendagegen nicht nur die pantheisierenden Elemente, sondern auch die subjekti-vistische und idealistische Denkweise zurck; auch seiner begriffsrealistischenTendenz lt der Verfasser nicht wie anderwrts in gleichem Mae die Zgelschieen.zur Bibliothek Fuldas, Neues Arch. f. alt. d. Geschichtsk. 34 (1909), 759 ff.; dens. in s. Gesch. d. lat.Lit. d. M.'A. I (1911), 330, 337f.

    ^) Verdchtig ist vor allem die gegenber dem Hauptwerk vernderte Haltung in derTrinittsformel bezglich des Ausgangs des hl. Geistes. Whrend er dort eine zwischen derabendlndischen \mA griechischen Auffassung vermittelnde Stellung einnimmt, wendet er sichin den oben erwhnten Scholien scharf gegen die Griechen (vgl. Rand 24f.). Auffllig ist u. a.auch seine vernderte Stellung gegenber dem im 9. Jahrh. lebhaft errterten Problem derExistenz der Antipoden (s. Rand 20 ff.). Ausgeschlossen ist jedenfalls nicht, da wie sptergegen Wilhelm von Conches (vgl. Philos. mundi I, 23. PL. 172, 56) und Albert d. Gr.(vgl. meine Schrift berDte Psychol. Albertsd. Gr., Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. M.-A. IV, 56,Mnster 1903 u. 1906, 295 ff.) unliebsame Angriffe erfolgt waren. ^) S. 18.

    ^) Von Verachtung Boethius gegenber (vgl. H. F. Stewart, Boethius, Ix)ndon 1891,S. 255) ist keine Rede; das Gegenteil ist der Fall. Vgl. S. 17 A. 6.

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    Mehrfach wurde bereits von einer Erkenntnislehre" Eriugenas ge-sprochen. Es sei nachtrglich bemerkt, da dieser Ausdruck nicht so auf-zufassen ist, als liege bei dem Frhscholastiker eine zusammenhngende, selb-stndige Behandlung der erkenntniswissenschaftHchen Probleme vor. Dasist bei Eriugena sowenig wie in der Antike, der Patristik und dem sonstigenMittelalter der Fall. Wohl aber liegt bei ihm ein derartiges Interesse fr Fragennoetischer Natur vor, da er sich dadurch allein schon weit ber das Niveauseiner Zeit erhebt. In zahlreichen, mehr oder minder ausgedehnten, in son-stige Betrachtungen eingestreuten Ausfhrungen kommt es zum Ausdruck.

    So sehr auch einzelne seiner Stze an moderne Erkenntnistheorien an-klingen, so ist Eriugena doch von dem kantischen Gedanken, da der meta-physischen Spekulation die Prfung der dazu erforderlichen Erkenntnismittelvorauszugehen hat, noch weit entfernt. Die Erkenntnislehre hat bei ihmnoch keine selbstndige Bedeutung der Metaphysik gegenber, sie steht wiebeim Piatonismus berhaupt vielmehr eher umgekehrt im Dienste der Speku-lation. Eine Reihe der uns im vorliegenden Zusammenhang interessierendenAnnahmen sind ohne die Kenntnis der allgemeinen metaphysischen Grund-lagen des Systems sowie der damit wieder zum Teil in Zusammenhang stehen-den anthropologischen Anschauungen nicht zu verstehen. Es ist daher not-wendig, uns mit diesen Voraussetzungen seiner Erkenntnislehre bekannt zumachen. Um spter strende Exkurse zu vermeiden, sei deren Errterungder weiteren Untersuchung vorangestellt.

    I. Die Prolegomena zur Erkenntnislehre des Eriugena.A. Die metaphysischen Grundvorstellungen.

    Die Grundlagen des Systems. Das Verhltnis von Gott und Welt.Gleich die ersten Stze von Eriugenas Hauptwerk lehren, da dieserschon in seinen allgemeinsten philosophischen Vorstellungen andere Wege als

    seine Zeitgenossen und die Scholastik berhaupt geht. Nicht ein besonderes Sein,weder das der Kreatur noch auch dasjenige Gottes nimmt er zum Ausgangseiner Untersuchung; seine Spekulation beginnt vielmehr mit einem Begriff,der nicht nur Gott und Geschpf, sondern schlechthin alles, was sich dem Geistals erkennbar und nicht erkennbar und darum als seiend und nicht seienddarstellt, in gleicher Weise umspannen soll, dem der Natur.^) Diese betrachteter wieder nicht als etwas Starres, in sich Verharrendes, sondern lt sie viel-mehr in vier Formen auftreten. Er unterscheidet 1. eine solche, welche schafftund nicht geschaffen wird, nmlich Gott als die bewirkende Ursache, 2. eine,

    1) Div. nat. I (441 A.) Vgl. Rand a. a, 0. 19 A. 3, welcher meint, da die Ausfhrungendes Boethius in C. Eutych. et Nestor. (Peiper 188f.) auf Eriugenas Lehre von der Natur einengewissen Einflu ausgebt haben.

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    G welche geschaffen wird und schafft, die bald nher zu errternden caumeprimordiales, die gttlichen Ideen und Grundursachen von allem, 3. eine, diegeschaffen wird und nicht schafft, die Welt der Erscheinungen, und schlie-lich 4. eine, welche weder schafft noch geschaffen wird, d. i. Gott als Endzielaller Dinge. ^) Whrend die drei ersten Formen vermutlich einer Stelle beiAugustin ^) nachgebildet sind, drfte die Anregung fr die Annahme der viertenStufe, der Rckkehr aller Dinge zu Gott, von der Apokatastasislehre des Ori-gines^) und des sich in dessen Bahnen bewegenden Gregor von Nyssaausgegangen sein. Da Anfang und Ende bei dieser Vierteilung zusammen-fallen sollen, so ergibt sich, da das Ganze als ein Kreislauf betrachtet wird,in dem die Allursache sich durch die Vermittlung der causae 'primordiales zurVielheit der Dinge differenziert, und diese dann wieder zu ihrer ursprnglichenEinheit im Absoluten zurckkehren. Wie bei Dionys*) ist die Gottheit somitAnfang, Mitte und Endziel, weil alles von ihr herstammt, nur in ihr unddurch sie subsistiert, und alle Dinge sich schlielich wieder zu ihr hinwenden.^)Nicht als lauterer Akt, als reine Wirklichkeit, wie in der Philosophie des Ari-stoteles, sondern vielmehr als Gegenstand eines ewigen Entwicklungsprozesseswird die Gottheit hier betrachtet.

    Treten wir in das System selbst ein, so begegnet uns an dessen Schwellebereits der Gedanke, da es nur ein Sein, nmlich das gttliche gibt. Deusomnia essentia est, qui solus vere est^), erklrt Eriugena in Berufung auf Dionysim Sinne des Neuplatonismus.'^) Allem brigen wird nach platonischem^)Muster nur insofern ein Sein zuerkannt, als es am gtthchen partizipiert.^)Eriugena zgert nicht, die Kreatur zur bloen Erscheinung und Selbstoffen-barung der einen gttlichen Substanz zu machen. In ihrer Hervorbringung,belehrt er uns, schafft die Gottheit sich selbst; sie wird in allem alles und ihreeigene Ausdehnung ist alles.^) Dem Pantheismus zu entgehen und den An-

    1) I, 1 (442AB).^) J. Hub er a. a. 0. 164 A. 1 weist hier auf De civ. Dei V, 9 {PL. 41, 151) : Causa itaque rerumquae facit, nee fit, Deus est. Aliae vero causae et faciunt et fiunt, sicut sunt omnes creati Spi-

    ritus maxime rationales, corporales autem causae, quae magis fiunt quam faciunt, non suntinter causas efficientes anumerandae.

    2) Eriugena zitiert in den Ausfhrungen ber die Rckkehr der Dinge zu Gott des Ori-giiies Hauptwerk 77. dg^cv (V, 27; PG. 11, 929). Er kannte diese Schrift zwar nicht im Urtext,wohl aber in der bersetzung bzw. berarbeitung des Rufinus (vgl. Draeseke, J. Sc. Erig.u. s. Gewhrsmnner 28 ff.). Wie Plato und Plotin, die Stoiker und Pythagoreer drfte sich Ori-gines die ijiavQdcoacg nur als einen zeitweisen Abschlu der Weltentwicklung, nicht als absolutesWeltende gedacht haben.

    4) Vgl. G. F. Mueller, Dionys, Proklos, Plotin, Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. M.-A. 20,3 4,Mnster 1918, 63.5) I, 11 (451 Df.). ) 1,3 (443B).

    ') Vgl. G. F. Mueller, a.a.O. Zellcr, 7). Philos. d. Gr. III, 2*, 553 ".*') Belege bei G. Buchwald, Der Logosbegriff des Joh. Sc. Erig., Leipzig 1884, 42.

    '>) I, 12 (454A); III, 3 (630AC); III, 9 (644AB), wo Eriugena sich auf Dionys beruftund Cael. hier. 4, 1 (PG. 3, 177 C; im Auge hat.

    ^^) III, 9 (643 A): Attingit autem a fine usque ad finem et velociter currit per omnia, hoc

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    7 forderungen des theistisch-christlichen Gottesbegriffs zu entsprechen, versuchter in der gleichen Weise wie sein Vorbild Dionys. Das Mittel ist der neu-platonischen Philosophie entnommen, indem nmhch mit dem Gedanken,da die Welt dem gtthchen Sein immanent ist, die Vorstellung der Transzen-denz Gottes zu vereinigen gesucht wird. Die Kreatur soll zwar in der Gott-heit aufgehen, nicht jedoch auch diese in jener. Abgesehen von der Schwierig-keit, welche darin liegt, da die Welt die Bewegung und Ausbreitung Gottes,diese selbst aber unvernderlich und von allem Kreatrlichen getrennt seinsoU^), hat Eriugena den Gedanken der gttlichen Transzendenz nicht berallin seinem Hauptwerk konsequent festgehalten. GelegentHch bricht der Ge-danke der vlligen Einerleiheit von Gott und Welt hervor.^)

    Whrend im Hauptwerk die neuplatonisch-pantheisierende Richtunggegenber der theistischen entschieden berwiegt, tritt sie in den allem An-schein nach spter geschriebenen Schollen zu Boethius zurck.

    Die causae primordiales.Fr das Verstndnis der Erkenntnislehre Eriugenas ist besonders seine

    Lehre von der zweiten Natur wichtig. Es sei daher auf diesen Punkt etwasnher eingegangen.

    Nach dem Vorbild des Dionys steht fr den Scholastiker fest, daGott, wie der sptere Piatonismus gelehrt hatte, die ber alle Gegenstzeund jegliche Teilung erhabene absolute Einheit bildet. Daraus ergab sichfr ihn die Schwierigkeit des Nachweises, wie sich Gott trotz seiner absolutenEinfachheit in der Mannigfaltigkeit der Erscheinungswelt zu manifestierenvermag. Er sucht daher nach einem diesen Gegensatz berbrckenden Zwi-schengliede, dem sowohl die schaffende Kraft der Gottheit als auch die Naturdes Geschaffenen zu eigen ist. Dieses erblickt er in den causae ^primordiales.

    Nach seiner Angabe sind sie zunchst das, was die Griechen als Ideenbezeichneten, d. h. die ewigen Arten oder Formen, die unvernderlichenGrnde, nach welchen und in welchen die sichtbare und unsichtbare Weltest, sine mora fecit omnia, et fit in omnibus omnia et . . . extendit se in omnia et ipsa extensioest omnia. {646A): ... in omnia procedit et in omni creatura fit et eontinet omnia.

    ^) III, 9 (643AB) mit Berufung auf Dionys: Manet ergo in se ipso universaliter et sim-pliciter .... et ab omnibus segregatum subsistit, extendit se in omnia. 20 (683 B): Dum inomnibus fit, super omnia esse non desinit. IV, 5 (759 A): Ut enim Dens et supra omnia et in omni-bus est . . . extra omnia totus esse non desinit. Vgl. femer u. a. I, 12 (452 C sqq.); III, 4 (633 A),17 (675C; 676B). Vgl. G. F. Mueller a. a. 0.

    2) Vgl. III, 17 (677 C bzw. 678 C), wo Gott und die Kreatur una atque eadem natura bzw.unum et id ipsum genannt werden. Vgl. im brigen Christlieb 143ff. Gegenber R. L. Poole,Illustration oj ihe history of medieval thought, London 1894, S. 67 f. und H. F. Stewart a. a. 0.255, welche die christlich-theistische Richtung fr die strkere ansehen, ist auf das oben Aus-gefhrte zu verweisen. Die pantheistischen Aussprche sind keineswegs bloe Paradoxien.Deshalb braucht aber nicht geleugnet zu werden, da Eriugena ehrlich Christ sein wollte; erglaubte es offenbar nicht minder wie der Areopagite" zu sein, von dessen Lehre er ausging.

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    8 gebildet und regiert wird".^) Die primordialen Ursachen tragen demnachin unverkennbarer Weise die Zge der platonischen Idee an sich; sie er-scheinen als die ewigen Musterbilder der Dinge und sind darum idealer Natur.

    Wie aus weiteren Stzen sich ergibt, vertritt Eriugena die platonischeIdeenlehre nicht in ihrer ursprnglichen Form, sondern vielmehr in Ver-bindung mit gewissen Modifikationen, zu welchen es erst in spterer Zeit kam.

    Zur Erklrung der empirischen Welt mit HiKe der Ideen hatte Platozwar bereits selbst mancherlei Anstze gemacht, indem er ihnen Bewegung,Kraft, Kausahtt zuschrieb. Die weitere Durchfhrung dieser Gedankensuchen wir indessen bei ihm vergebens. Da er das Intelligible von vornhereinnur unter dem Gesichtspunkt der abstrakten Substanz, nicht aber unter demdes Wirkens betrachtet hatte, so fehlten ihm die fr die Ableitung des Sinn-lichen aus dem bersinnlichen notwendigen Voraussetzungen. ^) Philo, dem esgerade auf die Erklrung des gttUchen Wirkens in der Welt ankam, ver-band mit der platonischen Ideenlehre die stoische von den Xoyoi ojieQjuarixoi.Ihm stellten die Ideen nicht blo die Musterbilder des Sinnlichen, sondernzugleich auch die bewegenden Krfte dar, welche die Stoffe ordnend undzusammenhaltend sich als geistige Strmungen durch das Weltall verbreiten.^)

    Zu einer weiteren Modifikation kam es im spteren Altertum dadurch,da die im Timaeus vorgetragene Auffassung der Ideen als neben der Gott-heit bestehender Realitten aufgegeben wurde. Statt sie, wie dort Platogetan, Gott als Gegenstand seiner Anschauung gegenberzustellen, legte mansie vielmehr als Gedanken Gottes in Gott hinein. Diese Annahme wurdebei den spteren Piatonikern und den Neupythagoreern*) zur herrschenden.So lehrte Philo, und zwar, wie man erkannt hat^), unter dem Einflu desposidonianischen Timaeuskommentars die Schpfung einer intelligiblenWelt und lie sie im gtthchen Denken existieren.^) Griechische Philosophie

    ^) A.a.O. II, 36 (615D sq.): Causae primordiales sunt . . . quas Graeci ideas vocant,hoc est, species vel fonnas aetemas et incommutabiles rationes, secundum quas et in quibusvisibiUs et invisibiUs mundus formatur et regitur. Ideoque a Graecorum sapientibus TiQCOTTimaappellari meruerunt, hoc est, principia exempla, quae pater in filio fecit et per sanctum (Spi-ritum) in effectus suos dividit atque multiplicat. Ugooglaata quoque vocantur, id est prae-destinationes, in ipsis enim, quaecunque divina prudentia et fiunt et facta sunt et futura sunt,simul et semel et incommutabiliter praedestinata sunt. Nil enim naturaliter in creatura visibiliet invisibili oritur, praeter quod in eis ante omnia tempora et loca praedefinitum et praeordi-natum est. Item a philosophis d^ela d^elrj^aTa, id est divinae voluntates nominari solent, quo-niam omnia, quaecunque voluit Dens facere, in ipsis primordialiter et causaliter fecit, et quaefutura sunt, in eis ante saecula facta sunt. Vgl. II, 2 (529 AB).

    2) Vgl. Zeller, a. a. O. II, 1 * 749fif.3) Vgl. Zeller, a.a.O. III, 2 * 408 ff., ferner Hans Meyer, OeschicJUe der LeJirc von

    den Keimkrften von der Stoa bis zum Ausgang der Patristik, Bonn 1914, 32.*) Vgl. Zeller, a. a. 0. 111,2* 136f.^) Vgl. Schm ekel. Die Philos. d. mittleren Stoa, Berlin 1892, 430 f.; K. Gronau, Posei-

    donius und die jdisch-christliche Qenesisexegese, Leipzig und Berlin 1914, 24; 199.6) De m. ofif. 20 (Ck)hn u. Wendl. I, 6).

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    9 mit jdischer Theologie verschmelzend bestimmte er des nheren als denintelligiblen Ort dieser bersinnhchen Welt denLogos.^) Dieser trgt nichtnur die Zge des ausgesandten Wortes Gottes im Sinn der schon Philos Vor-gngern bekannten Sitte, die Xoyoi Gottes, seine Worte und Krfte als Engelzu bezeichnen, sondern auch die der alttestamentlichen Weisheit**. 2) Warder Logos fr den Pantheismus der Stoa die immanente Weltvernunft, sowurde er hier zur vorbildlichen, weltschpferischen Gedankenwelt des persn-lichen Gottes. Als Einheit sollte er die Ideen bzw. Krfte, welche nichtblo nebeneinander, sondern auch ineinander, nmlich im Verhltnis vonGattungs- und Artbegriffen gedacht wurden^), umfassen, ihr Inbegriff sein*),das Allgemeinste von allem Gewordenen^), die lea Idecbv^) bilden und, weilauf der Grenze zwischen Schaffendem und Geschaffenem stehend, das Binde-glied zwischen Gott und Welt bedeuten.^) Die gleiche nderung an der pla-tonischen Ideenlehre begegnet uns im Neuplatonismus. Dem Logos Philosentspricht bei Plotin der aus dem gttlichen Urgrund emanierende vovgydem gleichfalls, wie der Gattungsbegriff die Artbegriffe, das Allgemeine dasBesondere in sich enthlt, die Ideen immanent sein sollen.^) Schlielich seinoch hervorgehoben, da auch fr Plutarch der Logos nichts anderes alsdas Urbild der Welt im gttlichen Geist bedeutete.^)An diese Gedankengnge hatte die Trinittsspekulation und die Schp-fungslehre der Patristik sehr bald angeknpft. Unter dem Einflu desneuen und alten Testaments wie vermutlich auch schon der alexandrinisch-jdischen Logoslehre nahm, um die Weltbildung mit der gttlichen Transzen-denz in Einklang zu bringen, schon Justin als Mittler den gttlichen Logosan und lie durch ihn alles geschaffen und geordnet sein.^^) Nicht nher kannim einzelnen hier verfolgt werden, wie die stoisch-philonischen Elementestrker sodann bei Klemens von Alexandrien, dem der Logos die Zu-sammenfassung der Ideen und schpferischen Krfte bedeutete i^), hervor-treten, wie Athanasius^^) und Basilius^^) sich zur Setzung der Weltidee

    ^) Die zahlreichen Belege z. B. bei Zeller, a. a. 0. 420 A. 5. Sonstige Literatur u. a.Lebreton, Les theories du logos au debut de Vere chretienne, Etudes CVI, Paris 1906, 769; Drum-niond. Philo ludaeus, or the Jewish Alexandrian philosophy in its develojmient and completion II,lyondon 1888, 171 ff.; Engelb. Krebs, Der Logos als Heiland im 1. Jahrh., Freiburg 1910, 41ff.H.Meyer, a.a.O.SOS.

    2) Vgl. E. Schwartz, Aporien im 4. Evangelium, Gttinger Nachrichten 1908, 549.3) Vgl. Zeller, a. a. 0. 411 A. 2.*) De m. opif. 24 (I, 7): vev v etnoi xv vorjrdv xa/iov elvai i] d^eov Kyov i',ri

    xoaonoiovvTog,5) Leg, alleg. U, 86 (I, 107). ^) De m, opif. 25 (I, 8).') Quis rer, div. her. sit 206 (III, 47). ) Enn. V, 9, 6; 8.) Lebreton, a.a.O. 319ff.; dazu E.Krebs, a. a. 0. 36 A. 2.") Belege bei H.Meyer, a.a.O.^U.") S. a. a. 0. 96f. Vgl. 0. Willmann, Gesch. des Idealismus II (1907), 159.^^) Leonh. Atzberger, Die Logoslehre des hl. Afhanasius, Mnchen 1880, 127; 138f.13) Hexaem. I, 5 (PG. 29, ISABj. Vgl. Gronau, a.a.0.2d.

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    15 Die Entstehung der Erscheinungswelt.

    Zeigten schon die vorausgegangenen Errterungen, da bei seinem Unter-nehmen, neuplatonische Philosophie und christliche Theologie zu verschmelzen,letztere erheblich zu kurz kommt, so lassen auch die Ausfhrungen ber dieEntstehung der Welt schwerlich die Ansicht zu, da es sich dabei um die Tateiner reflektierenden, sich frei bestimmenden Gottheit handelt. Die Welterscheint hier vielmehr als das Produkt eines sich mit Notwendigkeit ab-spielenden Emanationsprozesses. So erfahren wir, da die Gottheit in dieUrgrnde und von da aus weiter in die mannigfachsten Formen ihrer Wir-kungen bis zu den untersten Stufen des Daseins steigt^), oder, wie gelegent-lich in der bilderreichen Sprache des Neupiatonismus bemerkt wird, daeinem Strome gleichend sich die gttliche Gte ergiet und durch Hhereszum Niederen herabrinnt.^) Dann wieder erscheint der Emanatismus in logi-sches Gewand gehllt. Die Entfaltung der Gottheit wird zum dialektischenProze, wenn aus der Idealwelt, in die Gott sich zunchst determiniert,aus den primordialen Ursachen bzw. den in ihnen gesetzten ovoiai als denallgemeinsten Wesenheiten der Dinge die allgemeineren Gattungen, ausdiesen die spezielleren, aus diesen die Arten entstehen sollen, bis schlielichdie Individuen hervorgehen.^) Eine wirkliche Erklrung, wie der ganzeProze eingeleitet wird und vor sich geht, vermag uns Eriugena nicht zugeben. In welcher Weise die bekanntlich als schaffende Krfte aufgefatenUrgrnde ihre schpferische Kraft bettigen, bleibt in Dunkel gehllt. Inden mannigfachsten Wendungen wird nur immer der Gedanke wiederholt,da die Ursachen in den Wirkungen hervortreten (apparere, procedere, pro-fluere, provenire) ^) Nur hinsichtUch der Organismen kommt es zu einemVersuch einer Erklrung. Er spricht einmal von einer in den Urgrndenbzw. den Substanzen mitgesetzten Kraft, durch die das in diesen der Ursachenach Geschaffene vermittelst Fortpflanzung in die sichtbaren Formen undArten bergeht; an die rationes seminales Augustins vermutlich denkend,erwhnt er dabei, da die Vter sie vis seminum genannt htten.^) Da imbrigen aber die philosophischen Mittel nicht ausreichen, greift er zu theo-logischen. Er fhrt den gesamten Entstehungsproze auf ein Eingreifendes hl. Geistes zurck^), das er sich als eine Befruchtung der Idealprinzipien,auf Grund deren diese alsdann in die Gattungen, Arten und Individuen ber-gehen, zu denken scheint.') Durch diese christliche Verbrmung kann frei-

    1) 111,20 (683B). 2) in, 4 (632BC).^) S. die spteren Ausfhrungen ber den Begriffsrealismus Eriugenas.') Vgl. z. B. II, 29 (597 A); III, 15 (66.3C; 665BD); III, 20 (681 A; 683B). ber die Art,

    wie Eriugena die ihm unangenehme Konsequenz, da die Wiikuugen ebenso ewig wie die Ur-sachen sind, abzuwehren sucht, vgl. Christlieb 2.34 und Rand 9f.

    5) 111,28 (704CD). fi) 11,22 (.563B bis 564A; .565B).") A.a.O. (566 A).

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    17 kommende Bestimmungen fehlen sollen. Zu dieser Ansicht hatte sich Au-gustin in den Confessiones bekannt i); sie findet sich auch bei einer Reihevon Autoren des zwlften Jahrhunderts wieder. 2) In diesen Fllen bildetdie im Timaeus gegebene Schilderung der Materie als einer regellos und chao-tisch durcheinanderwogenden krperlichen Masse den Ausgangspunkt. Anden augustinischen Standpunkt werden wir bei Eriugena nur insofern er-innert, als dieser ihr zwischen dem wahren Sein, d. h. den Urgrnden unddem Nichts den Platz anweisend, sie als ein Fast-nichts bezeichnet.^) In ihrernheren Bestimmung aber ging er ganz andere Wege; er gelangt hier zueiner Auffassung, deren Grundlage der Krperlehre des Gregor von Nyssaentstammt. Um zu erklren, wie der immaterielle Gott die materielle Schp-fung bewirken konnte, hatte letzterer gelehrt, da die am Krper wahrzu-nehmenden Bestimmungen wie Farbe, Schwere, Festigkeit, Menge, Gre,Gestalt usw., einzeln fr sich betrachtet, sich der vom Verstand vorgenomme-nen Analyse als rein geistige Elemente, nmlich als Begriffsinhalte (evvoiai,Xoyoi, ifdd vo^juara) erweisen.*) Man wird nicht fehlgehen, wenn man dieseBetrachtung des Krperlichen als bloen Geflechts intelligibler Qualittenauf sptplatonischen Einflu zurckfhrt; es handelt sich um Gedanken,die bereits Philo und die Neuplatoniker ausgesprochen hatten.^) MitRecht konnte Eriugena sich in seinen Ausfhrungen daher auch auf Boethiusberufen.^) Der spiritualistische Grundgedanke der Theorie Gregors wird vonihm mit der aristotelischen Lehre von den zehn Kategorien in Verbindung

    ^) Vgl. H. Meyer 151.2) S. meinen Aufsatz ber Metaphysische Begriffe des Bartholomaeus Anglicus in den

    Studien z. Gesch. d. Philos. (Festgabe z. 60. Geburtstag Cl. Baeumkers), Mnster 1913, 146 ff.^) II, 15 (546D sqq.): Nihil vicinius ad non vere esse quam informis materia; est enim,

    ut ait Augustinus (Conf. XII, 8, PL. 32, 829^, informe prope nihil. hnliclies in den Schol.zu des Boeth. Opusc. sacr. (Rand 36, 14ff.).

    *) De opif. hom. 24. In hexaem. (PG. 44, 212f.; 69C;. Vgl. J. N. Stigler, Die Psychol.d. hl. Greg. v. N., Regensburg 1857, 65 f.; Diekamp, Die Gotteslehre Gregors von Nyssa, Mnster1896, 226ff., 250fif.; H.Meyer Ulf.

    5) Vgl. Cl. Baeumker, Problem der Materie, Mnster 1890, 380ff., 402ff.; Gronau 113.) I, 55 (498 CD): . . . Boethio . . . in libris suis De Arithematica [s. De instit. arithm.

    ed. Friedlein I, 1 p. 7, 268, 13. Vgl. Draeseke, Joh. Scot. Erig. u. s. Gewhrsmnner in denStud. z. Gesch. d. Theol. u. d. Kirche IX (1902), 12f.] talia asserente: . . . Esse autem illa dici-mus, quae nee intentione crescunt nee retractione minuuntur nee variationibus permutantur.... Haec autem sunt qualitates, quantitates, formae, magnitudines, parvitates, aequali-tates, habitudines, actus, dispositiones, loca, tempora et quidquid adunatum quodam modocorporibus invenitur; quae ipsa quidem natura incorporea sunt et immutabilis substantiaeratione vigentia, participatione vero corporis permutantur et tactu variabilis rei in vertibileminconstantiam transeunt. Es mag bei dieser Gelegenheit bemerkt sein, da die Gegnerschaftzwischen Eriugena und Boethius, welche gelegentlich (vgl. S. 4 A. 1) behauptet wurde, nichtzutrifft, worauf schon Rand S. 19 mit Recht hinweist. Abgesehen von der im allgemeinen zu-stimmenden Haltung, welche Eriugena in seinem Kommentar zu De Trinitate einnimmt, sttztdieser sich, wie obiger und sonstige Flle zeigen, auch in De div. nat. mehrfach auf die Autorittdes Boethius.

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    18 gebracht. Diesen wird nmlich smtlich Unkrperlichkeit zuerkannt. Und zwarder Substanz, weil sie in und mit den primordialen Ursachen gesetzt ist und da-her auch deren Natur teilen mu. Damit ist aber auch die Immaterialitt derbrigen Kategorien gegeben, da alles, was der Substanz inhriert, in ihr sub-sistiert, ohne sie nicht sein kann, in diesem Punkt mit ihr bereinstimmenmu. Sind die Kategorien somit smtlich immaterieU, so soll doch deshalbihre Erkennbarkeit nicht die gleiche sein. Eriugena unterscheidet hier zweiGruppen. Auer der Substanz sind nach ihm noch Beziehung, Ort, Zeit,Tun und Leiden schlechthin nur intelligibel, der Sinneswahrnehmung unterallen Umstnden entzogen; von den brigen vier, Quantitt, Quahtt, Lageund Zustand (habitus) wird dagegen in Berufung auf Gregor behauptet,da sie insofern Gegenstand sinnlicher Anschauung wrden, als sie auf Grundeiner wunderbaren Vereinigung die Materie bildeten.^) Gre und Eigenschaftsollen nmlich nicht als solche, d. h. in ihrer Allgemeinheit, in der sie inden primordialen Ursachen existieren, wohl aber als bestimmte Gre undbestimmte Eigenschaft, nicht als quantitas und qualitas berhaupt, indessenals das quantum und qule, in das sie auf Grund ihrer wechselseitigenModifikation hervorbrechen, sinnlich wahrgenommen werden.^) Die Materiestellt sonach das Ergebnis der gegenseitigen Durchdringung und Determi-nation der erwhnten vier Kategorien bzw. der meist allein nur erwhntenQuantitt und Qualitt dar. Es ist hervorzuheben, da das sich hieraus er-gebende Produkt noch nicht der Krper der Erscheinungswelt, die sichtbareMaterie bedeutet; in diesem Falle mssen, wie Eriugena bemerkt, noch zuder aus Quantitt und Qualitt hervorbrechenden materia inforwis Formenund Farben hinzutreten.^) Seine Krperlehre ist insofern komplizierter als

    ^) I, 33sq. (478 Dsq.): Non te latet, ut arbitror, nullam praedictarum categoriarum,quas decem esse Aristoteles definivit, dum per seipsam, hoc est, in sua natura rationis contuituconsideratur, sensibus corporeis succumbere. Nam ovaia incorporalis est, nidlique corpcieosensui subiacet; circa quam aut in qua aliae novem categoriae versantur. At si illa incorporeaest, num tibi aliter videtur, nisi ut omnia, quae aut ei adhaerent aut in ea subsistunt et sine eaesse non possunt, incorporea sint ? Omnes igitur categoriae incorporales sunt per se intellectao.Earum tamen quaedam inter se mirabili coitu, ut ait Gregorius (vgl. De honu opif. a. a. O.),materiem visibilem conficiimt. Quaedam vero in nuUo apparent, semperque incorporales fiunt. Namovoia et relatio, locus, tempus, agere, pati, nuUo sensu corporeo attinguntur. Quantitas vero, quali-tasque, situs et habitus, dum inter se coeuntes materiem . . . iungunt, corporeo sensu percipi solent.

    ^) I, 53 (495 C): Quantitas vero et qualitas ita invisibiliter sunt in ovola, ut in quantumet qule visibiliter erumpant, dum corpus sensibile inter se coniunctae componunt. 1, 49 f. (492C ff.).ber das verschiedene Verhltnis der Akzidentien zur Substanz erfahren wir aus dem Scholionzu den Opusc. sacr. des Boethius, da nach den Kategorien" f',,Aug.*% Categ. 8; PL. 32,1425^ Quahtt und Quantitt immer intra usiam seien (Rand 41, 19ff.). Von diesen beidenerscheint die Qualitt als die wichtigste unter den bei der Krperbildung beteiligten Kategorien,als die Grundlage der brigen. Der Krper wird I, 49 (492 C) geradezu als ovolag quantitas,et ut verius dicam, non quantitas, sed quantum definiert.

    ^) III, 14 (663 A): Quantitates siquidem et qualitates, dum per se incorporeae sint, inunum vero coeuntes informem efficiunt materiam, quae adiectis formis coloribusque incorporeisin diversa corpora movetur.

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    20 Ding bewirkt. 1) Die Schwierigkeit, welche darin liegt, da die qualitativeForm zur Qualitt in Beziehung stehen, die Materie aber ein aus dieser undder Quantitt bestehendes Gebilde sein soll, hat Eriugena nicht zu beseitigenvermocht. Versucht hat er es zwar, indem er sagt, da die das Ding bildendenElemente Substanz, Qualitt und Quantitt seien, und da der Quahtt dieForm, der Quantitt die Materie entstammt ^) ; indessen widerspricht er damitseiner eigenen Behauptung, da der Stoff aus Quantitt und Qualitt hervor-geht. Die Unklarheit wird noch grer, wenn er die qualitative Form derVerbindung mit der Quantitt ihre Sichtbarwerdung verdanken lt^), jasie gelegentlich aus der Quantitt direkt ableitet.^) Konsequenter verfhrter, wenn er den Zusammenhang oder richtiger die Abhngigkeit der Formvom Stoff anerkennt, indem er die Form dem Stoff anhaften und damitdessen Unbestndigkeit teilen, nmlich infolge der durch alle mglichen vonauen und innen kommenden Einwirkungen entstehenden Vernderungen derQualitten und Quantitten selbst im Flu begriffen sein lt.^) Gerade indiesen ihr eigentmlichen Schwankungen wird schlielich ein wichtiges Momenterblickt, durch das sie sich von der substantialen Form, die ohne den Krperdurch sich selbst in ihrer Gattung verharrend weder mit ihm beginnt, nochauch mit ihm zugrunde geht, unterscheiden soU.^) Die Verbindung zwischender qualitativen Form und der Materie erscheint als rein uerliche undmechanische, insofern die erstere als materiae adiecta^ adiuncta oder adhaerensbezeichnet wird.

    Eritigenas Formlehre entfernt sich somit in der Tat weit von der desAristoteles. Die Form als ein die stofflichen Bedingungen nach einemihnen immanenten Gesetz verarbeitendes und beherrschendes inneres Prinzipkennt er berhaupt nicht. Die Beziehung, in welche er die substantiale Formzum Dinge bringt, ist kaum klarer als das zwischen diesem und der platoni-schen Idee bestehende. Der Grund, weshalb Eriugena sich zur Annahme

    ^) III, 27 (701 A): . . . forma et species, quae materiae adiecta omne solidum atquesensibile corpus effielt; siquidem sola materia carens speeie nullum corpus peragit, quia per seinformis est, adiecta vero speeie corpus perfectum fit. II, 16 (548 B): Omnis siquidem corporalissensibilisque creatura ex materia et forma constituitus atque ideo materia carens forma in-formis dicitur, hoc est, carens forma et invisibilis et incomposita seu inanis et vacua; accedentevero forma visibilis dicitur et composita, solidaque atque perfecta, naturae suae certis finibuscircumscripta.

    ^) Diese Unklarheit wrde auch der Hinweis, da die Quantitt das bei dei- Bildungder Materie wichtigste Akzidenz sei (vgl. S. 18 A. 2), nicht vllig beseitigen knnen.

    3) 111,27 (701 D, s. S. 19 A. 6).*) Comm. ad Boeth. De Trin. 4 (Rand 41, 1.3): In quantitate forma comprelienditur; ideoiuxta eam ponitur.^) A.a.O. (701 Df). Vgl. auch Comm. ad Boeth. De Trin. 2 (Rand 34,32): Est autem

    forma tota fabrica acuius corporis cum materia. ber die Eigenschaft der Unvernder-lichkeit vgl. S. 14.

    *) De div. naU (702 AB).

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    24 in der Weise, da er das sldog auf den spirituellen Leib bezieht, indem er ihnals den Inbegriff der allen Menschenleibern gemeinsamen Bestimmungen auf-fat. Eldog mit forma bersetzend, bezeichnet er ihn infolgedessen als for^naspiritualis.^) Wie sich aus seinen weiteren Ausfhrungen ergibt, soll das eldogbzw. der innere Leib nichts anderes sein als die der Seele eigentmliche Form.Um diesen Gedanken historisch verstndlich zu machen, sei zunchst ein-geschaltet, da Gregor den stoisch-posidonischen Seelenbegriff mit allenseinen Zgen sich zu eigen machte, ja trotz aller Behauptung der Unkrper-lichkeit und Einfachheit der Seele sich auch dessen materialistischen Ele-menten nicht vllig entziehen konnte. Dort, wo er die vorhin erwhnte Unter-scheidung einer zwiefachen Seite der menschlichen Natur vornahm, ent-wickelte er zugleich, da der Leib infolge seines Zusammenhanges mit derSeele an ihr Spuren und Zeichen hinterlt, so da sich spter bei der Auf-erstehung das zu ihr Passende leicht wiederfinden kann.^) Wir lesen hierferner, da die Seele bei einer durch Krankheit erfolgenden Entstellung desKrpers selbst verhllt und bei der Wiederkehr des normalen Zustandes inihren eigenen Merkmalen wieder hervortritt.^) Fr das Materialistische dieserDenkweise zeigt sich Eriugena voll empfnglich. Er macht sich mit dieseneschatologischen Lehren^) auch die in ihnen vertretene sinnliche Auffassungder Seele zu eigen. Er entnimmt Gregor, da die Seele eine ,,Form" besitzt.Diese lt er nicht nur sich im inneren Leibe ausdrcken und insofern dessenForm sein, sondern er identifiziert auch die der Seele eigene Form mit demhheren Leib.5)

    Keine Klarheit besteht in der Frage nach der Wirklichkeit des Ur-zustandes. Wir lesen, da Gott den Sndenfall des Menschen voraussahund diesen infolgedessen sofort bei seiner Schpfung mit dem materiellenund geschlechtlichen Leibe bekleidete^), eine Auffassung, die sich mit derGregor zumeist beigelegten Annahme deckt.'') Fr die Idealitt des Ur-zustandes spricht ferner die Bemerkung, da der Mensch sogleich nach seinerSchpfung sndigte, da zwischen dieser und dem Fall keinerlei Zeit ver-flo, und der Mensch sofort mit dem gewhnlichen Leib existierte.^) Adamsoll berhaupt gar keine geschichtliche Persnlichkeit, sondern nur der Re-

    ^) IV, 12 (801 CD): Quodcunque enim in humanis corporibus immutabile intelligitur,primae conditionis proprium est . . . Universaliter autem in omnibus corporibus humanisuna eademque forma communis omnium intelligitur et semper in omnibus incommutabiliterstat. . . . Ipsa igitur forma spiritvalis spirituale corpus est, in prima conditione hominis factum.

    2) A.a.O. (225C). ^) A.a.O. (225Dsq.). *) IV, 13 (802CD).^) A.a.O. (802 D): ... ad formam animae, quod est interius corpus . . . Est enimexterius et materiale corpus signaculum interioris, in quo forma animae exprimitur ac per hoc

    forma eius rationabiliter appellatur. %6) IV, 23 (846AB).') Unmittelbar vor dem Erscheinen der Hiltschen Arbeit hat noch Krampf diesen

    Standpunkt vertreten. ber andere Autoren vgl. die Polemik Hilts 97 ff,) IV, 15; 20 (809D; 838 B).

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    27 den und umspannenden Mittelpunktes, der Gedanke des Mikrokosmus einenwichtigen Platz einnimmt. Dabei denkt er zunchst an den Urmenschen,dann aber auch an den Menschen schlechthin. Wegen der in diesem Zusammen-hang vorhandenen wichtigen erkenntnistheoretischen Gedankengnge wirderst an spterer Stelle hierauf eingegangen werden.

    Der empirische Mensch.Eine natrliche Erklrung fr den bergang des idealen Menschen in

    den empirischen vermag Eriugena nicht zu geben. Indem er sich fr diesenZweck der biblischen Lehre vom Sndenfall bedient, erblickt er die Ursachein dem gleichen Umstand, dem der Piatonismus die Schuld beima, in derNeigung der Seele zum Sinnlichen. Wie er die Einzelheiten des biblischenBerichts allegorisch deutet, gehrt nicht hierher.^) Es gengt fr uns, zuwissen, da auf Grund der Snde dem idealen Zustand ein anderer folgte, inwelchem er mit dem grberen, materiellen, geschlechtlich differenzierten Leibbehaftet ein Bestandteil der Erscheinungswelt wurde. 2)

    Als Bestandteile des empirischen Menschen werden mehrfach denn auchausdrcklich Seele und Leib genannt.^) Hren wir, was Eriugena ber jedendieser beiden Faktoren und ihr gegenseitiges Verhltnis zu sagen wei.

    a) Der Leib.So einschneidend die Folgen der Snde fr den Menschen Eriugena

    auch ansieht, so lt ihn im Anschlu an Gregor doch der Gedanke an dieEbenbildlichkeit des Menschen mit Gott daran festhalten, da der mensch-lichen Natur ihr eigentHches Wesen trotzdem nicht verloren ging.*) Wie dieFhigkeit, zu erkennen und die Willensfreiheit^), so verblieb ihr auch diehhere Leiblichkeit. Sie behielt ihre ursprngliche Form, aber, wie im Hin-blick auf den materiellen Leib hinzugefgt wird, mit dem Unterschiede, dasie jetzt Vergngliches annehmen konnte.^) Indem der Philosoph mit dem

    1) Nheres z.B. bei Huber 321 ff.; Christlieb 304ff.; Stckl, Geschichte der Philo-sophie des Mittelalters I (Mainz 1864), 102 ff.

    2) Der Schwierigkeit, wie denn die von der hl. Schrift als Ursnde angegebene Fleisches-lust angesichts des Umstandes, da der Mensch vorerst noch keinen materiellen Leib besa,berhaupt mglich war, sucht Eriugena bald dadurch zu entgehen, da er das, was die hl. Schriftselbst ber Adams Versuchung und Fall erzhlt, als in Wahrheit erst nach der Vertreibung ausdem Paradiese oder, was das gleiche bedeutet, nach dem Herabsinken in den irdischen Zustandgeschehen lt, und letzteres auf den dem Urmenschen zugesprochenen Hochmut zurckfhrt(III, 5 [811]); bald wieder macht er sich die Annahme Gregors von Nyssa zu eigen, der zufolgeGott in Voraussehung des Sndenfalls den Menschen sofort bei seiner Schpfung mit dem ma-teriellen Leib bekleidete (vgl. S. 24 A. 6).

    3) ni, 36 (729C); IV, 11 (786C) Komm, zu des Boeth. Op. sacr. (Rand 36, 2ff.).4) 11,5 (531 BC); 111,35 (863 B).5) 11,5 (531BC); IV, 9 (777BC). De praedesL (373BC). 6) V, 6 (872AB).

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    29 Zunchst wird der stoffliche Leib, wie schon angedeutet wurde, als etwasrein uerlich Hinzukommendes (superadiectum, superadditum) und ber-flssiges angesehen.^) Daher sein Vergleich mit einem Gewand; er gilt alsbloes Zeichen, das auf den geistigen Leib hinweist.^) Dann soll wieder deruere Leib keineswegs ein bloes supermachinatum darstellen, sondern durchinnere Umwandlung aus dem geistigen hervorgegangen sein.^)

    b) Leben und Seele.Zum Begriff der Seele gelangt Eriugena auf dem Wege einer Unter-

    scheidung der verschiedenen Formen, in welchen das Leben sich uert.Seiner begriffsrealistischen und emanatistischen Denkweise entspricht es, wenner die verschiedenen, den einzelnen Arten von Kreaturen eigentmlichenLebensstufen auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zurckfhrt und alsdessen Ausstrahlungen ansieht.^) Welches ist nun diese Quelle allen Lebens ?Die Bemerkung, da dieses Prinzip des einen durch sich selbst subsistierendenLebens teilhaftig sei^), lt uns zunchst an die anderwrts^) als per se ipsamvita bezeichnete Primordialursache denken. Dabei ergbe sich aber die Schwie-rigkeit, da dieser wie allen brigen vom menschlichen Verstand unterschiede-nen primordialen Prinzipien der objektive Seinscharakter abgesprochen wird.')An der hier vorliegenden Stelle heit es aber weiter, da jene Quelle von denPhilosophen als Weltseele ^), von den Theologen als ,,das Leben im allgemeinen"bezeichnet werde.^) Welches seiner Meinung nach die richtigere Auffassungist, sagt Eriugena nicht. Da er den hl. Geist auch fr den Spender der natr-lichen Gaben ansieht ^^), so wre es an sich nicht weiter wunderlich, wenn er,wie spter im zwlften Jahrhundert Bernhard Silvestris, Thierry von Chartres

    1) S. die S. 28 A. 2; 5; 6 angegebenen Stellen.^) S. S. 28 A. 6, ferner IV, 12 (802 A): Quod corpus materiale et exterius veluti quod-dam vestimentum signaculum interioris et naturalis non incongrue intelligitur. Das Bild vomGewand fand Eriugena bei Gregor (De kom. opif. 27 ; 225DJ vor; vgl. auch dazu De an. (PG. 45,

    216 Bj. Das Bild kommt im brigen bei den Piatonikern nicht selten vor. Nemesius schreibtes Plato selbst zu (Domanski, Die Psychologie des Nemesius^ Beitr. z. Gesch. d. Philos. d.M.-A. III, 1, Mnster 1900, 59 A. 1). Vgl. Porphyr, De antro nymph. c. 14: xal ^I'^mv ys x6a&fxa rfj ipvxfj o y/j.(pi8orai; Amhiosina, Hexaem. VI, 6 (PL. 14, 256CD^; Claudianus Mam.,De stat. an. I, 26 (PL. 53, 734B, ed. Huemer 94; ; Gregor d. Gr., Moral. V, 38; IX, 36 (PL. 75,7I8C, 891 f.; ; Hugo von St. Victor (Ostler, Psychologie des H. v. Sf. F., Beitr. z. Gesch. d.Philos. d. M.-A., Mnster 1906, 79).

    3) IV, 12 (800 BC). 4) Vgl. III, 36 (728Df.). s) ^. a. O. (729 A). ^) III, 1 (622C).') S. das Kapitel, in welchem ber die subjektiven und objektiven Elemente in der Lehre

    von den Primordialursachen gehandelt wird.^) Piatos Lehre von der Weltseele als Ausgangspunkt der Einzelseelen erwhnt Eriugena

    im Anschlu an Chalcidius in seinen Martianscholien (s. Manitius, Zu Dunchads u. Joh. Scotus'Martiankommentar, Didaskaleion, Turin 1912, 162).^) III, 36 (729A): Haec autem generahssima vita a sapientibus mundi universalissi-ma anima vocatur; divinae vero sophiae speculatores communem vitam appellant.1) Vgl. S. 15.

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    30 und Wilhelm von Conches taten, Weltseele und hl. Geist identifizierte. Diestut er aber nicht. Seiner praktischen Stellung nach zu urteilen, drfte erauf Seiten der ,,Theologen" stehen, nmlich sich den Inhalt des Begriffs Lebenhypostasiert und als ovoia in der Primordialweit mitgesetzt denken.

    Nicht wenig interessant ist, da unser Frhscholastiker eine Allbesee-lung annimmt. Sich nicht nur von Gregor von Nyssa^), sondern der blichenpatristischen wie scholastischen Denkweise berhaupt entfernend, hebt Eriu-gena unter Berufung auf Piatos Timaeus und die Naturgeschichte des lte-ren Plinius 2) im Einklang mit dem antiken Neuplatonismus 3) den Unterschiedvon Belebtem und Unbelebtem auf und nimmt eine Verbreitung des Lebensdurch die gesamte Natur an. Von diesem Panpsychismus aus findet ereinen Unterschied zwischen dem Leben und dem Licht: whrend ersteresalles durchdringt und erfat, ist dies bei letzterem nicht der Fall.^) Wenn-gleich er auch die Kraft des Lebens als die in allem Geschehen waltende undregierende Macht ansieht^), so fehlt ihm doch wie dem Piatonismus berhauptdas Interesse, sie unter dem biologischen Gesichtspunkt nher zu prfen.Die noetische Betrachtungsweise ist es vielmehr, von der aus die Gliederungder Lebensstufen schlielich unternommen wird. Und zwar wird zunchstdie vita rationalis und irrationalis einander gegenbergestellt. Die ersteresoll Engel und Mensch zukommen, und zwar jenem des nheren wieder alsvita intellectualis und diesem als vita rationalis im engeren Sinn oder aberkrzer als intellectus bzw. als anima rationalis. Eriugena fgt indessen dieBemerkung bei, da diese Differenzierung des Geisteslebens von Engel undMensch auf einen bloen Wortunterschied hinauslaufe.) Vom vernunftlosen

    *) De Iwm. opif. 8 (145B) bezeichnet Gregor als unterste Stufe des Seienden ausdrck-lich das juoiQov xad^okov Cojfjg.

    ^) III, 38 (735 C): M,: Aiunt enim, omnia corpora, quae intra hunc mundum sensibilemcontinentur, vitali motu contineri, sive in statu sint, sive in motu. D.: Omnibus philosophan-tibus ac philosophos legentibus illud notissimum est. Nam et Plato in Timaeo et Pliniussecundus in Naturali historia manifestissime de his nos edocent. Vgl. III, 36 (728). WasPlato betrifft, so denkt Eriugena an die im Timaeus angenommene Verbreitung der Weltseeledui'ch das Weltganze. Die Bezeichnung des Verfassers der Naturalis historia als Plinius secundusist natrlich irrtmlich. Da der Scholastiker die Schrift des lteren Plinius gekannt hat, istanzunehmen (vgl. Draeseke, Joh. Scotus u. dessen Gewhrsinnner a. a. 0. 11). ber eineanderweitige Benutzung des Plinius s. Rand 84.

    ^) Vgl. Zeller, 111,2*611.*) III, 36 (729 AB): Quae (sc. generalissima vita) dum sit particeps illius unius vitae,

    quae per se substantialis est omnisque vitae fons et creatrix suis divisionibus visibilium et in-visibilium vitas iuxta divinam ordinationem distribuit, quemadmodum sol iste sensibus notusradios suos ubique diffundit, non tamen ita vita in omnia pervenit, sicut solares radii. Uli si-quidem non omnia penetrant; interiora etenim multorum corporum non transeunt. Vitae veronulla creatura seu sensibilis seu intelligibilis expers esse potest. Nam et corpora, quae nostrissensibus videntur veluti mortua, non omnino vita relinquuntur.

    ^) A.a.O. (728D).") II, 37 (732 C): Generalissime igitur vitae prima maximaque divisio est in eam diffe-

    rentiam, quae rationabilem ab irrationabili segregat. Et rationalis quidem vita angelis homini-

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    31 Leben sagt er, da es bald mit, bald ohne Sinneswahrnehmung auftritt. i)Statt der blichen platonisch-aristotelischen Dreiteilung^) stoen wir so beiihm auf eine Vierteilung, nmlich die vita intellectualis beim Engel, die v.rationalis beim Menschen, die v. sensualis beim Tier^) und die v. insensualisbei der Pflanze und den brigen Krpern.*)

    Das vernnftige Erkennen bildet natrlich nicht die einzige Funktionder menschlichen Seele; mit ihm wird nur die hchste Leistung des dem Men-schen eigenen Lebens bezeichnet. Wo der Philosoph die psychischen Fhig-keiten selbst zusammenstellt, werden deren fnf aufgezhlt, nmlich die Lebens-bewegung (auctus vitalis) und der uere Sinn (exterior sensus) , welche durchdie Beziehung der Seele zum Leibe gegeben sind, und sodann die drei reingeistig gedachten Krfte, der innere Sinn (inferior sensus), der Verstand(ratio) und die Vernunft (intellectus) .^) Bei der Angabe der niederen Krftefolgte er Gregor von Nyssa^), die Zusammenstellung der drei hheren ent-nahm er Maximus Confessor.') Whrend in diesem Zusammenhang dasStreben berhaupt nicht erwhnt wird, ist seiner doch an anderer Stellegedacht, wo zugleich auch ein Hinweis auf das Gedchtnis erfolgt. Als Krfte,die der Mensch mit dem Tier gemeinsam hat, werden dort nmlich das Er-nhrungsvermgen, der uere Sinn und das sinnliche Gedchtnis (memoriasensibiliuin) sowie das unvernnftige Streben (irrationalis appetitus) wie Wut(furor)^) und Begierde (cupiditas) angegeben. Mit dem Engel soll der Menschdagegen jene drei vorhin schon genannten hheren Erkenntniskrfte, fernerbusque distributa est; sed in angelis veluti specialis significationis causa intellectualis dicitur,in hominibus vero rationalis. Veruntamen consulta veritate et in angelis et in hominibus in-tellectualis et rationalis est; ideoque communiter de iis praedicatur vita intellectualis et ratio-nis. Ad differentiam tarnen relinquitur, ut ipsa vita intellectus in angelis, in hominibus animavocitetur. Eriugena denkt hier an den geistigen und vernnftigen Charakter, der dem englischenund menschlichen Denken zukommt, nicht aber an die mit den Ausdrcken intellectus und ratiofr gewhnlich verknpfte platonisch-aristotelische Unterscheidung von unmittelbarem undmittelbarem Erkennen. Was den Gebrauch des Ausdrucks anima betrifft, so sei erwhnt,da anderwrts (z. B. III, 39, 736C f.) auch das tierische Lebensprinzip damit bezeichnet wird.Vermutlich unterscheidet Eriugena in diesem Fall wie Gregor von Nyssa (De Jiom. opif. 15,176Cf.) zwischen eigentlicher und uneigentlicher Benennung.

    1) III, 37 (733 A).2) Gregor von Nyssa bietet nur die seit Plato bliche Unterscheidung von Pflanzen-,

    Tier- und Menschenseele (vgl. De hom. opif. 2 (133Af.), 8 (144 Df.), 14 (176A). Unbekannt istdiese Einteilung Eriugena natrlich nicht (vgl. z. B. IV, 11; 787 A).

    ^) Als selbstndiger Denker zeigt sich Eriugena, insofern er u. a. (III, 39; 736Cflf.) frdie Fortdauer der Tierseele eintritt, und zwar mit der Begrndung, da alle Tierarten mit demMenschen zusammen die eine Gattung animal bildeten und unmglich alle Arten dieser Gattungmit der alleinigen Ausnahme derjenigen des Menschen untergehen knnten (vgl. Hub er .307 f.).

    4) III, 37 (733 A).^) Z. B. V, 6 (874 A). Trotz ihrer ganz verschiedenen Natur werden sensus exterior und

    inferior nicht selten kurz als sensus angefhrt; vgl. z. B. II, 23 (571 A).) Vgl. Hilt 27; 35. ') S. das ber die betreffenden Krfte handelnde Kapitel.^) Offenbar der platonische #r//dg.

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    32 die (im einzelnen nicht nher angegebenen) Tchtigkeiten (virtutes) ^) unddas intellektuelle Gedchtnis teilen.2) Wird damit in diesem Zusammenhangauch der emotionellen Elemente des Seelenlebens gedacht, so ist doch dieGrundrichtung des Hauptwerks eine ausgesprochen intellektualistische. Nichtberall aber hat Eriugena diesen Standpunkt vertreten. In seiner SchriftDe praedestinatione, in welcher er noch nicht von den Griechen, sondernvon Augustin geleitet ist, lt er, wie dieser, die Seele ihrer innersten Naturnach vielmehr Wille sein.^)Was die Eigenschaften des Seelenwesens betrifft, so werden einmal Un-krperlichkeit und Geistigkeit genannt. Fr ihre Einfachheit entwickelt Eringenaunter dem Einflu Gregors von Nyssa*) das nmliche Interesse wie seine vonAugustin inspirierten scholastischen Vorgnger. Das Grundmotiv teilt er mitihnen; es ist der spekulativ-theologische Gedanke, die Seele als Abbild deseinen Gottes erscheinen zu lassen.^) Zu diesem Zweck bestreitet er jedesZusammengesetztsein der Seele auf das allerentschiedenste. Die eine mitsich selbst identische Seele soll sich bei all ihren Funktionen mit der Totalittihrer Natur beteiligen. Aus der verschiedenen Benennung der Ttigkeit darfkeineswegs auf eine Verschiedenheit ihres Trgers geschlossen werden.^)

    Gelegentlich scheint es einmal, als wolle Eringena die Substanz derSeele aktuahstisch auflsen ; er erklrt, da ihr Sein mit ihrem Bewegtwerden,also mit ihren Funktionen, identisch sei.') So wenig er indessen dort, wo ermens, peritia und disciplina als partes animae bezeichnet, diesen Ausdruckim eigentlichen Sinne gebraucht, jene drei in Wahrheit vielmehr in Anlehnungan die augustinische Psychologie als konnatural und konsubstantial auffat^),beabsichtigt er an der erwhnten Stelle die Wege der Aktualittspsychologiezu wandeln; mit grter Harmlosigkeit sttzt er sogar jene Behauptung mitdem Hinweis, da die Seele eine einfache und ungeteilte Substanz sei, dienur durch die Mannigfaltigkeit ihrer Bewegungen als verschieden erscheint.

    ^) Wie das griechische gexriy so hat auch das lateinische virtus keineswegs nur rein ethischeBedeutung. Bei seinem Intellektualismus denkt Eriugena hier vor allem auch an noetischeTchtigkeiten, wie er denn auch III, 3 (629 AB); IV, 7; 767 B scientia und sapientia als mrlviesbezeichnet. Zum scholastischen Gebrauch von virtus vgl. auch Cassiodor, De an. 5 (PL. 70,1290f.;.

    2) IV, 5 (752D f.). .3) 8, 2 (385B): Tota animae natura voluntas est. Vgl. De civ. Dei XTV, 6 {PL. 41, 409):

    Voluntas est quippe in omnibus, immo omnes nihil aliud quam voluntates sunt.'*) Eriugena beruft sich IV, 11 (787 f.) ausdrcklich auf ihn (vgl. dessen De Jiom. opif. 15;

    177B, auch Hilt 39).^) IV, 5 (754B). 6) A.a.O. (754BD).^) II, 23 (570 A): Non aliud est noatrae naturae esse et aliud moveri. Ipsa siquidem in

    motibus suis subsistit, suique motus in ipsa subsistunt. A.a.O. (574 B): Non enim aliud estanimae essentialiter esse et substantialiter moveri. Ipsa siquidem in motibus suis subsistit,suique motus m ipsa subsistunt; est enim simplex natura et iiidividiui. motunmque suorumsubstantialibus differentiis solummodo discreta.

    ) IV, 7 (767 CD).

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    34 Er gilt als bloes Organ und Hilfsmittel fr den Verkehr mit der Auenwelt.i)ber diese bei den Piatonikern ^) traditionelle Denkweise geht der Scho-lastiker aber einen erheblichen Schritt hinaus. Unter dem Eindruck derEbenbildlichkeit des menschlichen Geistes mit Gott stattet er die Seele miteiner der

    ^gttlichen Schpferkraft hnlichen Fhigkeit aus. Er spricht ge-

    legentlich die Erschaffung des Leibes der Seele selbst zu. Die Krperlehre desGregor vonNyssa auch hier heranziehend, lt er sie den Lfeib zwar nicht ausNichts, wohl aber aus den an sich unkrperlichen kategorialen Bestimmungenbilden. Diese soll sie, die Quantitt gewissermaen als Unterlage benutzend,zu einem einheitlichen Gebilde verschmelzen. Ist so das fr die Bettigungihrer vegetativen Funktionen geeignete Substrat entstanden, dann verleihtsie ihm noch die entsprechende Gestalt und Lebensbewegung, durch die seineBelebung, Ernhrung sowie sein Wachstum bewirkt wird, und schlielich dieueren Sinne.^) Eriugena vertritt hier somit einen Standpunkt, der einwenig an denjenigen erinnert, den spter Thomas von Aquin einnahm,in dem dieser im Unterschiede von seinem Lehrer Albert dem Leib nichtnur seine Bestimmtheit als Organismus, sondern auch als Krper berhauptdurch die Seele zuteil werden lie.^) Die Berhrung zwischen Eriugena undThomas betrifft freilich nur die Bewertung der psychischen Leistung im all-gemeinen; was Ausgangspunkt und Durchfhrung des Gedankens anbelangt,so haben beide nichts miteinander gemeinsam.

    Der uere Leib ergibt sich der Analyse des Verstandes somit als einaus immateriellen Elementen bestehendes Gebilde. Unter dem metaphysi-schen Gesichtspunkte verliert sich somit die Heterogenitt zwischen Seeleund Leib. Indem Eriugena jene spiritualistische Theorie, welche Gregor vonNyssa zwar aufstellte, indessen nur fr die Erklrung der Erschaffung desStoffes durch den gttHchen Geist verwandte, konsequent auch in andererHinsicht und somit fr die Lehre von der Bildung des menschHchen Leibesverwertet, gelangt er zu einem Standpunkt, der das spiritualistische Gegen-stck zu dem dualistisch - materialistischen Monismus bildet, welchen Ter-

    1) 1,54 (497 C); U, 24 (580B), 29 (598C). Vgl. Gregor von Nyssa, De hom. opif. 8(147C), 9 (149Bf.); Nemesius a.a.O. 2 (560AB).

    2) Fr Plotin vgl. Zeller III, 2 * 637, fr Augustin Storz 120; Klin 16f.3) Nachdem Eriugena II, 24 (581) die begriffbildende Ttigkeit der Seele als ihre prin-

    cipalis summaque operatio geschildert, fhrt er fort: Secimda vero est, quae ... in creationesui corporis cognoscitur, inque eins sollicito reginaine aperitur. Primo siquidem materiam einsex qualitatibus rerum sensibilium accipit, eique nullo temporali spatio interposito formam vita-lemque motum accommodat, quo ipsam materiam et vivificat et nutrit, inque augmenta per-fectae staturae per numeros locorum et temporum provehit, sensum quoque exteriorem ei prae-stat (450 BC). Vorher war schon bemerkt worden: Anima namque incorporales qualitates inunum conglutinante et quasi quoddam subiectum ipsis qualitatibus ex quantitate sumenteet supponente corpus sibi creat (580 B).

    *) Vgl. meine Schrift ber Die Psychologie Alberts d. Gr., Beitr. z. Oesch. d. Philos. d.M.'A. IV, 5-6, Mnster 1903/6, 20ff.

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    35 -^tullian im Anschlu an die stoische Beweisfhrung vertreten hatte. i) Irgend-welche Konsequenzen fr das Verhltnis von Seele und Leib hat unser mittel-alterliche Denker aus dem Umstand, da auch der Leib in Wahrheit unkrper-lich ist, nicht gezogen. Praktisch verhlt er sich so, wie wenn der von der empiri-schen Betrachtungsweise nahegelegte qualitative Unterschied beider Faktorenauch metaphysisch zu Recht bestnde. So sucht er, Seele und Leib als einanderentgegengesetzt ansehendunddamit einfachder augustinischen Tradition folgend,nach einem die J^xtreme berbrckenden Bindeglied, welches er in der Lebensbe-wegung,d . h . in den vegetativenFunktionenund der Sinneswahrnehmungfindet. 2)

    Ferner ist hervorzuheben, da die Seele den Leib sich selbst hnlichschaffen soll. Da speziell diesen Satz keine empirischen Erwgungen diktier-ten, liegt auf der Hand. Eriugena steht bei dieser merkwrdigen Ansichtunter dem Einflu einer rein spekulativ-theologischen Bemerkung Gregors.Ausgehend von dem Gedanken der neuplatonischen Metaphysik, da sich dieUrsache in der Wirkung widerspiegelt, da das Hhere vom Niederen nach-geahmt wird, fhrte der griechische Kirchenlehrer aus, da in hnlicher Weise,wie der Geist der Abglanz der Gottheit ist, so auch wieder der Leib durch desGeistes Schnheit geschmckt wird und so gleichsam einen Spiegel des Spiegelsbedeutet.^) Durch Kombination dieses Gedankens mit der der Seele zugeschrie-benen schpferischen Ttigkeit ergab sich dem Scholastiker, da die Seele denLeib nach ihrem eigenen Bilde schafft, gleichwie sie von Gott dem seinigenentsprechend geschaffen wurde.*)

    Bei seiner extrem spiritualistisch-aktivistischen Denkweise erscheint nichtweiter auffllig, da er sich nicht dazu verstehen kann, in irgendwelcher Formeine Eingrenzung der Seele durch den Leib zuzugeben, und in dieser Hinsichtnoch schrfer, als dies sonst zu seiner Zeit der Fall war^), die Partei der Seeleergreift. Gleichwie sich Gott durch alles Seiende verbreitet, ohne von diesemerfat zu werden, so soll sie ihrerseits zwar den Krper vllig durchdringen,indessen nicht durch diesen irgendwie eingeschlossen werden.^)Nach erfolgter Einsicht in die allgemeinen anthropologischen Annahmenunseres Philosophen wenden wir uns nunmehr dem Hauptteil der Unter-suchung, der Entwicklung seiner Erkenntnislehre, zu. Auf Eriugenas Ver-

    1) De an. 6f. ^) Vgl. S. 31. ) De hom. opif. 12 (161 CD).*) II, 27 (585 CD): Et quemadmodum nQmxoxvnov imaginem suam creavit, in qua poti-

    tiam quandam de se ostenderet; ita imago imaginem sibi fecit, in qua motus suos per se occultosmanifestaret. Anima namque imago Dei est, corpus vero imago animae ... De quibus quis-que plenius scire voluerit, legat librum sancti Gregorii Nyssaei De imagine.5) Vgl. Ostler, Die Psychologie des Hugo v. St. Victor, Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. M.-A.VI, 1, Mnster 1906, 62.

    ) IV, 11 (788 A). Vgl. III, 36 (731 B). Die Gegenber- und Gleichstellung der Seelemit Gott fand Eriugena mehrfach bei Gregor von Nyssa vor. Mit Recht hebt Gronau 165hervor, da diese Vergleiche mit Gott schon bei den Stoikern bHch waren; es kommt indessenfr Gregor noch der Einflu des bibhschen Ebenbildlichkeitsgedankens hinzu. 8*

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    38 von Emesa, Nemesius, im Anschlu an seine Quellen auf niemand andersals Plato selber zurckfhrte.^)

    Gregor 2) ist weiterhin Eriugenas besonderes Vorbild, wenn dieser dieempfindende und wahrnehmende Kraft der Seele als eine einfache und einzigeder Mannigfaltigkeit ihrer krperlichen Werkzeuge gegenberstellt.^) DerGrund fr ihre Differenzierung wird daher auch nicht in ihr selbst, sondernin der Vielheit ihrer Organe gesucht. Eriugena sagt in dieser Hinsicht, dieSinneskraft sei eine fnffache, nicht, weil sie in sich fnffach geteilt wre, son-dern weil sie durch die fnf Organe gleichwie durch die fnf Tore einer Stadtdie Bilder der sinnlichen Dinge im Innern aufnimmt und einem Trhterund Boten gleich das von auen Zugefhrte dem inneren Sinn gewissermaenmeldet.*) Die Analyse dieses Satzes ergibt freilich sofort Unklarheiten. Umdie behauptete Einheit der empfindenden Kraft durchzufhren, wird dieseim ersten Bild als eine zentrale aufgefat, welche aus den einzelnen Sinnes-organen als fnf verschiedenen Quellen ihr Material bezieht. Mit dieser Auf-fassung aber geht offenbar der Begriff des sensus exterior in den des sensus

    ^) De nat. hom. 6 (PG. 40, 637 A^ : UMtcov de rrjv aia^rjaiv Keyei, ywxfJQ xal ac/narog xoivcoviavTiQOQ x exxoQ. J yoQ vva/ig tpv^^ijg r e Qyavov aco/narog ' /j,q)(o de id q)avTaoiag dvTikrjTtuxd tcve^c^ev. Bei Plut., Pluc. phil. IV, 8 und Stob., Ecl 1, 42, 1102 fast wrtlich dasselbe. WieH. Di eis, Doxogr. Graeci, Berol. 1879, 45 E. hinweist, schpften sie aus des Aetius Placita.

    ^) De hom. opif. 6 (140A): Mia ydq rig eari vvajLiigy avzg 6 eyxeievog vovg, 6 di' exdarovT(bv aio'drjTrjQUV ie^icbv, xal xCbv vrcov iTiiQaaa/iievog.. Vgl. Nemesius, De nat. hom. 6 (636):"Eari de ah'&rjT^Qia fiev nevxe, (uod^aig de fxia, r] rpvxixi] ri yvcogi^ovaa td xwv akf&rjxrjQlcov xd evavxolg yivsva nddr].

    *) IV, 11 (787 C): Magna enim differentia est inter naturam simplicis animi et corporaliuminstrumentorum multiplicem varietatem. II, 23 (569D s. A. 4). Auf Grund einer merkwrdigenetymologischen Analyse der griechische Terminus aiadTjxijtov wird in ala-^aEcog xtjqUi zer-legt werden a. a. 0. (569 C) die Sinnesorgane als die Wachtposten (custodiae) bezeichnet, durchwelche die sinnliche Kraft behtet wird. Es wird auch darauf aufmerksam gemacht, da dergewhnUche Sprachgebrauch zwischen Sinn und Sinnesorgan nicht unterscheidet, das GesichtAuge, das Gehr Ohr usw. nennt (vgl. Nemes. a. a. 0. 6 p. 636C).

    *) II, 23 (569 C ff.): Non autem propterea quinquepertitus sensus dicitur, quod in seipsoquinario numero dividatur; est enim simplex et uniformis et in corde veluti principali sede pos-sidet; sed quod per quinquepertitum corporis instrumentum veluti per quasdam cuiusdamcivitatis quinque portas, sensibihum rerum simihtudines ex qualitatibus et quantitatibus ex-terioris mundi venientes, ceterisque, quibus sensus exterior formatur, interius recipiat et velutiostiarius quidam intemuntiusque ea, quae extrinsecus introducit, praevidenti interiori sensuiannimtiet. Das Bild der Stadt wird noch V, 36 (977 C) gebraucht: Phantasiae . . . per visum,. . . per auditum etc. . . . veluti per quinque portas civitatem animae intrant. Wird eshier auf die Seele angewandt, so erscheint es III, 36 (731 D f.) auf die memoria bezogen (berdiesen Gebrauch und die Entlehnung des Budes in diesem Fall aus De hom. opif. des Gregorvon Nyssa s. Nheres in den Ausfhrungen ber die memoria), Gronau hlt a. a. 0. 167 A. 1eine Beziehung zwischen dem Vergleich des Geistes mit einer Stadt und Varro, Sat. frg. 240(Buech.): sensus portae, venae hydragogiae, clovaca intestini mglich. Der Ausgangspunktdrfte in letzter Linie die platonische Republik sein (vgl. Chalcid. 233; Wrobel 269). Be-merkt sei, da in der Anthropologie der lauteren Brder (vgl. Dieterici, Die Philosophieder Araber im 10. Jahrh.y 2. Teil: Mikrokosmus, Leipzig 1879, 89) der Krper mit einer Stadt,seine ffnungen mit Toren verglichen werden.

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    40 das Innere im Auge ausgestattet denkt. Als dessen Ursprungsstelle siehter das Herz an, welches wir bei ihm bereits als Zentralorgan der empfin-denden Kraft kennen lernten. Vom Feuer des Herzens soll zur Hirnhaut,welche, wie er bemerkt, die Griechen juijviy^^) und die Lateiner membranulanannten, Licht emporsteigen und von da durch feine ffnungen zu denAugen herabstrmen.2)

    Den physiologischen Proze erblickt Eriugena in einer Ausstrahlungdieses dem Auge eigentmlichen Lichtes. Dabei wird angenommen, da dieSehstrahlen sich mit grter Schnelligkeit den Farben und Formen der be-treffenden Dinge, auf die sie fallen, entsprechend konformieren, so da inihnen ein Abbild entsteht, das unmittelbar^) zur Empfindung gelangt.*) Ausder Erfahrung, da ein und derselbe Gegenstand, z. B. eine Turmspitze, vonverschiedenen Betrachtern zur gleichen Zeit gesehen werden kann, wird ge-schlossen, da die von ihren Augen ausgehenden Sehstrahlen sich nicht mit-einander vermengen.^) Eriugena sieht das Sehen somit nicht als wesent-liche Leistung der Seele allein an, wie Laktanz, an gewissen Stellen auchAugustin und im Anschlu an diese auch Isidor von Sevilla getan hatten,nach deren Ansicht die Seele die sinnflligen Gegenstnde durch die Augenwie durch Fenster betrachtet^); er lt auch nicht die ueren Lichtstrahlen

    ^) Mrjviy^ kommt bei Galen vor (vgl. negi %eiag OQicov VIII, 9 ed. Khn III, 659);dieser Ausdruck bezeichnet bei ihm die Hirnhaut schlechthin und umfat sowohl die harte wie dieweiche Hirnhaut. Arachnoidea und pia mater trennte er noch nicht voneinander; diese Unter-scheidung ist auch Eriugena noch unbekannt, wie aus seinen Martianschohen noch nher her-vorgeht. Die menica wird hier als die UrsprungssteU