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Athletik-Training Fußball Schnelligkeit SPORTLEREI AKADEMIE Copyright © Sportlerei Akademie 2018 Seite | 1 Schnelligkeit & Wahrnehmung im Fußballsport Lehrbrief zum Fernlehrgang der Athletik-Training Fußball A-Lizenz Autoren: Tom Geitner Benedikt Menges Florian Münch Impressum: SPORTLEREI AKADEMIE Kistlerhofstr. 70, Gebäude 160 81379 München Tel: 089 / 72630740 Fax: 089 / 72634068 Net: www.sportlerei-akademie.de E-Mail: [email protected] Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2018 Alle Rechte vorbehalten Hinweis: Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, wurde auf das gemeinsame Verwenden männlicher und weiblicher Bezeichnungen verzichtet. Wir danken allen Leserinnen für ihr Verständnis.

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Schnelligkeit & Wahrnehmung im Fußballsport

Lehrbrief zum Fernlehrgang der Athletik-Training Fußball A-Lizenz

Autoren:

Tom Geitner

Benedikt Menges

Florian Münch

Impressum:

SPORTLEREI AKADEMIE

Kistlerhofstr. 70, Gebäude 160

81379 München

Tel: 089 / 72630740

Fax: 089 / 72634068

Net: www.sportlerei-akademie.de

E-Mail: [email protected]

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Alle Rechte vorbehalten

Hinweis:

Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, wurde auf das gemeinsame Verwenden

männlicher und weiblicher Bezeichnungen verzichtet. Wir danken allen Leserinnen für ihr

Verständnis.

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Bearbeitung des Lehrbriefes

So gehen Sie vor:

• Zunächst lesen Sie bitte das gesamte Kapitel durch!

• Bearbeiten Sie dann die einzelnen Abschnitte des Kapitels!

• Lesen Sie sie aufmerksam durch und versuchen Sie dabei, die Sachverhalte der einzelnen

Abschnitte zu erfassen und auf bereits vorhandenes Wissen oder Erfahrungen aus der Praxis

zu beziehen (die wichtigsten Informationen werden am Ende des Kapitels

zusammengefasst)!

• Nutzen Sie im Zweifel auch andere Nachschlagewerke (z. B. Bücher oder das Internet)!

• Mit den Aufgaben am Ende des Kapitels können Sie überprüfen, ob Sie das Kapitel

verstanden haben und in der Lage sind, das erarbeitete Wissen wiederzugeben. Die

Lösungen finden Sie im Anhang.

• Fachwörter und fremdartige Begriffe sind unterstrichen und im angehängten Glossar erklärt.

• Verweise auf bereits behandelte Themen und Inhalte sind mit Q (für Querverweis

gekennzeichnet)

• Zu den Übungen sind keine Lösungen angegeben, da zumeist individuelle Antworten

gefordert sind und die Übungen zur Vertiefung des Lernstoffes teilweise in den

Praxisseminaren gemeinsam bearbeitet werden.

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Lernziele dieses Lehrbriefes

Mit Durcharbeitung dieses Lehrbriefes sollen Sie…

• Den Begriff Schnelligkeitstraining inhaltlich verstanden haben und wissen welche

körperlichen Voraussetzungen für ein Schnelligkeitstraining notwendig sind.

• Die verschiedenen Arten der Schnelligkeit verstanden haben.

• Die Methoden des Schnelligkeitstrainings kennengelernt haben.

• Die verschiedenen Muskelfasertypen kennengelernt haben.

• Die Wahrnehmung und ihren Einfluss auf die fußballspezifische Schnelligkeit verstanden

haben.

• Übungen zur Wahrnehmung durchführen können.

• Die Datenverarbeitung und ihren Einfluss auf die fußballspezifische Schnelligkeit verstanden

haben.

• Die Reaktionsfähigkeit und ihren Einfluss auf die fußballspezifische Schnelligkeit verstanden

haben.

• Übungen zur Reaktionsfähigkeit durchführen können.

• Die athletische Schnelligkeit und ihren Einfluss auf die fußballspezifische Schnelligkeit

verstanden haben.

• Übungen zur athletischen Schnelligkeit durchführen können.

• Übungen zum Agility Training durchführen können.

• Den Begriff Ausdauertraining inhaltlich verstanden haben.

• Die Methoden des Ausdauertrainings kennengelernt haben.

• Übungen zum Ausdauertraining durchführen können.

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Inhalt

1 Schnelligkeitstraining Allgemein .............................................................................................................. 7

1.1 Bedeutung der Schnelligkeit .................................................................................................................. 7

1.2 Anatomisch-physiologische Grundlagen der Schnelligkeit .................................................................... 7

1.2.1 Muskulatur ........................................................................................................................................ 8

1.2.2 Fasertypen ......................................................................................................................................... 9

1.2.3 Kraft der Muskulatur ....................................................................................................................... 11

1.2.4 Nur kontrollierte Geschwindigkeit ergibt Sinn ................................................................................ 13

1.2.5 Biochemie der Muskulatur .............................................................................................................. 13

1.2.6 Neuromuskuläre Steuerungsprozesse ............................................................................................ 14

1.2.7 Aufwärmen und Erwärmungszustand der Muskulatur ................................................................... 14

1.3 Ermüdung und „Repeated Sprint Ability“ ............................................................................................ 15

1.3.1 Ermüdung ........................................................................................................................................ 15

1.3.2 Trainierbarkeit der Repeated Sprint Ability .................................................................................... 16

1.4 Arten der Schnelligkeit ........................................................................................................................ 17

1.5 Periodisierung des Schnelligkeitstrainings .......................................................................................... 18

1.6 Methoden des Schnelligkeitstrainings ................................................................................................. 19

1.6.1 Die Wiederholungsmethode ........................................................................................................... 19

1.6.2 Die Intensive Intervallmethode ....................................................................................................... 19

1.6.3 Die Spielmethode ............................................................................................................................ 19

1.6.4 Zusammenfassung von Kapitel 1 ..................................................................................................... 21

1.6.5 Lernkontrollfragen zu Kapitel 1 ....................................................................................................... 21

2 Wahrnehmung und Schnelligkeit im Fußball .......................................................................................... 22

2.1 Faktoren zur Verbesserung der Schnelligkeit ...................................................................................... 22

2.1.1 Zeitlicher Ablauf der Schnelligkeit ................................................................................................... 23

2.1.2 Erklärung aus der Sportartanalyse Fußball ..................................................................................... 23

2.2 Die Wahrnehmung .............................................................................................................................. 24

2.2.1 Das Auge .......................................................................................................................................... 24

2.2.2 Das Sehen ........................................................................................................................................ 25

2.2.3 Der Prozess des Sehens ................................................................................................................... 27

2.2.4 Fehlsichtigkeit ................................................................................................................................. 29

2.2.5 Wahrheit oder Wirklichkeit ............................................................................................................. 30

2.3 Die Datenverarbeitung ........................................................................................................................ 32

2.3.1 Einführung ....................................................................................................................................... 32

2.3.2 Das Gehirn ....................................................................................................................................... 32

2.3.3 Das Gehirn als Filter ........................................................................................................................ 37

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2.3.4 Training durch Bewegung................................................................................................................ 38

2.3.5 Die Bedeutung der Informationsverarbeitung für den Fußballspieler ............................................ 39

2.3.6 Beispielübungen zur Datenverarbeitung ........................................................................................ 40

2.4 Die Entscheidung ................................................................................................................................. 41

2.4.1 Einführung ....................................................................................................................................... 41

2.4.2 Kopf vs. Bauch ................................................................................................................................. 41

2.4.3 Zusammenarbeit von Großhirnrinde und limbischen System ........................................................ 42

2.4.4 Treffen von Entscheidungen im Fußball .......................................................................................... 43

2.5 Die Reaktion ........................................................................................................................................ 45

2.5.1 Einführung ....................................................................................................................................... 45

2.5.2 Exkurs in andere Sportarten ............................................................................................................ 46

2.5.3 Definition ......................................................................................................................................... 46

2.5.4 Ablaufphasen von Reaktionen ........................................................................................................ 46

2.5.5 Arten der Reaktion .......................................................................................................................... 47

2.5.6 Einflusskomponenten auf die Reaktionsleistung ............................................................................ 48

2.6 Zusammenfassung von Kapitel 2 ......................................................................................................... 50

2.7 Lernkontrollfragen zu Kapitel 2 ........................................................................................................... 51

3 Bewegungsmuster im Sprint .................................................................................................................. 52

3.1 Der erste Schritt ................................................................................................................................... 52

3.1.1 Einführung ....................................................................................................................................... 52

3.1.2 Anzahl, Intensität und Länge der Sprints im Fußball ....................................................................... 52

3.1.3 Bewegungsbeschreibung „erster Schritt“ ....................................................................................... 53

3.1.4 Bewegungsmuster „erster Schritt“ ................................................................................................. 53

3.2 Übungen Wall Drills ............................................................................................................................. 55

3.3 Das Beschleunigen ............................................................................................................................... 58

3.3.1 Einführung ....................................................................................................................................... 58

3.3.2 Schnelligkeit in Abhängigkeit vom funktionierenden Bewegungsapparat ...................................... 58

3.3.3 Die Arbeit der oberen Extremität und des Rumpfes bei der Beschleunigung ................................ 67

3.3.4 Die Arbeit der Beine beim Beschleunigen ....................................................................................... 68

3.3.5 Der „Core“ als wichtiger Faktor für Schnelligkeit ............................................................................ 71

3.3.6 Bewegungsbeschreibung Sprinten .................................................................................................. 72

3.3.7 Biomechanische Determinanten des Sprints .................................................................................. 73

3.3.8 Einfluss der Kraft auf die Sprintleistung .......................................................................................... 73

3.3.9 Frequenz und Schrittlänge .............................................................................................................. 74

3.3.10 Übungen zum Beschleunigen...................................................................................................... 75

3.4 Zusammenfassung von Kapitel 3 ......................................................................................................... 80

3.5 Lernkontrollfragen zu Kapitel 3 ........................................................................................................... 80

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4 Agilität ................................................................................................................................................... 81

4.1.1 Die Entwicklung der Agilität im Leistungssport ............................................................................... 82

4.2 Steigerung der Agilität als leistungssteigernder Faktor ....................................................................... 83

4.3 Das Abbremsen.................................................................................................................................... 84

4.3.1 Einführung ....................................................................................................................................... 84

4.3.2 Bewegungsbeschreibung ................................................................................................................ 84

4.4 Der Richtungswechsel ......................................................................................................................... 85

4.4.1 Einführung ....................................................................................................................................... 85

4.4.2 Bewegungsbeschreibung ................................................................................................................ 86

4.5 Die Reaktionsschnelligkeit als Leistungsparameter ............................................................................. 88

4.5.1 Agility Ladder ................................................................................................................................... 90

4.6 Lernkontrollfragen zu Kapitel 4 ........................................................................................................... 94

5 Ausdauertraining ................................................................................................................................... 95

5.1 Einführung ........................................................................................................................................... 95

5.2 Vorteile des Ausdauertrainings ........................................................................................................... 95

5.3 Muskuläre Faktoren des Ausdauertrainings ........................................................................................ 96

5.4 Ausdauertestung mit Shuttle Run Test ................................................................................................ 96

5.4.1 Der große Vorteil des Shuttle-Run-Tests ......................................................................................... 96

5.4.2 Ablauf des Shuttle Run Tests ........................................................................................................... 97

5.5 Methoden des Ausdauertrainings ....................................................................................................... 99

5.5.1 Dauermethode ................................................................................................................................ 99

5.5.2 Intervallmethode ........................................................................................................................... 100

5.5.3 Wiederholungsmethode ............................................................................................................... 100

5.5.4 Spielmethode ................................................................................................................................ 101

5.6 Fußballspezifisches Ausdauertraining ............................................................................................... 101

5.7 Zusammenfassung von Kapitel 5 ....................................................................................................... 103

5.7.1 Lernkontrollfragen zu Kapitel 5 ..................................................................................................... 103

6 Lösungen zu den Lernkontrollfragen ................................................................................................... 104

6.1 Lösungen zu Kapitel 1 ........................................................................................................................ 104

6.2 Lösungen zu Kapitel 2 ........................................................................................................................ 104

6.3 Lösungen zu Kapitel 3. ....................................................................................................................... 105

6.4 Lösungen zu Kapitel 4 ........................................................................................................................ 106

6.5 Lösungen zu Kapitel 5 ........................................................................................................................ 106

7 Glossar ................................................................................................................................................. 107

8 Tabellen & Abildungsverzeichnis ......................................................................................................... 110

9 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. 112

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1.2.2 Fasertypen

Der menschliche Muskelapparat besteht aus drei Arten von Muskelfasern, die überall am Körper in Kombination

vorkommen. Zum einen gibt es die roten, langsam zuckenden Muskelfasern (slow twitch), die eine erhöhte

Ermüdungsresistenz vorweisen und somit überwiegend für langanhaltende oder stetig wiederkehrende

Belastungen herangezogen werden. Zum anderen existieren die weißen, schnell zuckenden Muskelfasern (fast

twitch) welche zwar schneller ermüden, dafür eine erhöhte Kontraktionsgeschwindigkeit aufweisen und somit

bei schnellen und schnellkräftigen Bewegungen notwendig sind. Diese Faserart gilt es beim

Geschwindigkeitstraining so zu trainieren, dass deren Rekrutierung und die Kraftentfaltung verbessert werden.

Der dritte Typ wird als Intermediär-Typ bezeichnet und stellt eine Art „Zwitter“ der beiden vorgenannten dar. Je

nach Anforderung kann dieser Fasertyp die Aufgaben der schnellen oder der langsam zuckenden Fasern

unterstützen.

Die roten Slow—Twitch-Fasern (ST-Fasern), reichlich besetzt mit aeroben Enzymen (für Glykogen- und

Fettstoffwechsel, Mitochondrien, Myoglobin und Triglyzeriden, sind eher als ermüdungsresistente Fasern zu

bezeichnen.).

Die weißen Fast-Twitch-Fasern glykolytischer Prägung (FTG-Fasern verfügen über mehr anaerobe Enzyme,

Phosphat- und Glykogenspeicher). Sie sind die schnell ermüdenden „Kurzleister“ für höhere Intensitäten. Die

Fast-Twitch-Fasern oxidativer Ausprägung (FTO-Fasern) nehmen enzymatisch eine Art Mittelstellung ein. Als

intermediärer Fasertyp weisen sie auch die stärksten Anpassungsreaktionen auf spezifische Belastungen auf.

Grundsätzlich aber kommt es bei allen drei Muskelfasertypen (je nach Belastungsgestaltung) zu einer

metabolischen Ausdifferenzierung in die aerobe oder anaerobe Richtung.

Tabelle 1 wesentliche Merkmale der einzelnen Muskelfasertypen (nach Badtke et al., 1995)

In Tabelle 1 und 2 werden die Eigenschaften der Fasern übersichtlich dargestellt.

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Tabelle 2 Fasertypen in Belastung (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Natürlich reagieren die unterschiedlichen Fasertypen auch in verschiedener Weise mit Adaptionen auf

Trainingsbelastungen. Dies wird in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tabelle 3 Training der Fasertypen (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE nach Weineck, 2010 und Weineck, 2010b)

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Abbildung 1 Rekrutierungsmuster der Fasern (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

In obiger Abbildung ist zusammenfassend die Faserrekrutierung in Abhängigkeit von der elektrischen Schwelle

zu sehen. Werden viele elektrische Impulse an die Muskulatur gesendet bzw. ist das elektrische Signal stark, so

werden vorwiegend Typ II-Fasern benutzt und die Kraft steigt. Sehr deutlich ist zu erkennen, dass es ein

fließender Verlauf ist und man nicht sagen kann, dass ab einer gewissen Schwelle nur noch Typ I oder Typ II

Fasern verwendet werden (Baechle, 2008).

Die Faserverteilung ist genetisch vorgegeben, wonach es also „geborene Sprinter“ und Langzeitausdauersportler

gibt. Durch Training kann allerdings sehr stark ein positiver Einfluss auf die Muskelfasern genommen werden und

so die Kraftentfaltung gesteigert werden; auch wenn nur wenige spezielle Fasern vorhanden sind.

Hinsichtlich der Muskelfasertypen werden „weiße“, dicke, schnellzuckende (FTG Fasern) von „roten“, dünnen,

langsamen (ST Fasern) und gemischten (FTO Fasern) unterschieden. Aus zahlreichen Untersuchungen geht

hervor, dass Ausdauersportler mehr Slow Twitch Fasern aufweisen als FT Fasern. Bei Sprintern und Springern ist

die Verteilung umgekehrt. Nach derzeitigem Wissensstand ist zum einen eine Dominanz des genetischen Faktors

bekannt. Sprinter verfügen über z. B. bis zu 80 % an FTG und FTO Fasern, zum anderen besteht Klarheit darüber,

dass sich sowohl die Ultrastruktur als auch die metabolische Kapazität jeder einzelnen Muskelfaser spezifisch

dem unterschiedlichen Training anpassen können.

1.2.3 Kraft der Muskulatur

Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit im Schnelligkeitsbereich – dies gilt besonders für ihre Teilkomponente,

die Beschleunigungsphase – basiert auf einem verschiedenen Ausgangsniveau an Koordinations- und

Kraftvermögen. Eine Verbesserung der speziellen Kraft geht stets auch mit einer Erhöhung der

Bewegungsgeschwindigkeit einher. Die Zunahme des Muskelquerschnittes ermöglicht mehr Brückenbindungen

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2 Wahrnehmung und Schnelligkeit im Fußball

Nicht nur die rein körperliche Schnelligkeit, sondern auch die Schnelligkeit im Kopf sollte trainiert werden. Immer

mehr wird von „handlungsschnellen“ oder „reaktionsschnellen“ Spielern gesprochen, die einen Vorteil haben.

Im Endeffekt sind diese Spieler bei der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen schneller im Kopf als

andere Spieler. Dadurch können sie auf unvorhergesehene Situationen schneller reagieren. Solche Aktionen

schließen logischerweise fast alle Aktionen im Fußball mit ein, denn es ist unvorhersehbar wie sich der Gegner

verhält. Allenfalls kann man aus der Beobachtung Schlüsse ziehen und antizipieren. Auch für das Ballverhalten

gelten gleiche Abläufe. Dieses schnelle Reagieren findet jedoch eher unterbewusst statt.

Durch ein gezieltes Training der Wahrnehmung und Umsetzung kann der Spieler einen enormen

Wettbewerbsvorteil erzielen. Es ist so möglich den berühmten „Schritt schneller“ zu sein oder „schneller

umzuschalten“. Koppelt man diese Fähigkeit noch mit der rein physischen Schnelligkeit (siehe Kapitel 1 Q) und

Kraft (siehe LB 1), so hat man einen Spieler mit enormen körperlichen wie mentalen Fähigkeiten.

Es sei darauf hingewiesen, dass Kapitel 2 einen besonderen Stellenwert im Lehrbrief hat, was sich am Tiefgang

und am Umfang erkennen lässt. Als Grund ist eindeutig ein besonderer Wert dieses Wissens zu sehen, da ein

Fokus auf Wahrnehmung momentan seltener anzutreffen ist. Sowohl im Amateur-, Halbprofi-, aber auch

Profibereich gibt es noch den vorherrschenden Fokus auf rein physische Schnelligkeit. Deshalb möchte die

SPORTLEREI AKADEMIE den angehenden Athletiktrainern durch die Behandlung der Wahrnehmung ein möglichst

hochwertiges Material an die Hand geben, das sich von vielen anderen Trainingsmethoden/Philosophien und

althergebrachten Meinungen unterscheidet.

Um die Wahrnehmung des Fußballspielers zu verstehen, muss ein Ausblick in die Anatomie des Auges, Gehirns

und der Funktionsweise der beteiligten Systeme gewagt werden. Dies soll im zweiten Kapitel erfolgen. Außerdem

werden beispielhafte Übungen vorgestellt anhand derer der Trainer mit seinem Wissen und den Erfahrungen der

Praxisphase ein wirksames Programm zur Betreuung seiner Mannschaft/Spieler kreieren kann.

2.1 Faktoren zur Verbesserung der Schnelligkeit

Wenn es um das Training der Schnelligkeit geht, fallen versierten Trainern sofort unzählige Begriffe ein.

• Zyklische Schnelligkeit

• Azyklische Schnelligkeit

• Reaktionsschnelligkeit

• Aktionsschnelligkeit

• Handlungsschnelligkeit

Aus dem Kraftbereich sind dies u. a.:

• Startkraft

• Explosivkraft

• Reaktivkraft

• Schnellkraft

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Wenn es aber darum geht, z. B. die Reaktionsschnelligkeit isoliert zu trainieren, dann fällt vielen der altbekannte

Sprint auf ein vom Trainer gegebenes Signal ein. Doch mit diesem Sprint wird nicht nur die Reaktion trainiert,

sondern auch die Start-, Explosiv- und Schnellkraft, sowie die zyklische Schnelligkeit und evtl. deren Ausdauer.

Hat ein Spieler Schwächen in der Reaktion, kann er diese Eigenschaft nicht einzeln trainieren, sondern übt immer

viele andere Eigenschaften mit. Bei einem effektiven Technikerwerbstraining übt man aber auch nicht

Zweikampf, Ballmitnahme, Passen, Tempodribbling und Torschuss in einer Übung, da dies zu viele Elemente auf

einmal sind und damit die Effektivität sinkt

2.1.1 Zeitlicher Ablauf der Schnelligkeit

• Wahrnehmung

• Datenverarbeitung

• Entscheidung

• Reaktion

• Loslaufen

• Beschleunigen

• Richtungswechsel

2.1.2 Erklärung aus der Sportartanalyse Fußball

Die Individual- und Teamleistungsfähigkeit im Fußball hängt neben technischen, taktischen und mentalen

Einflussgrößen, vor allem von konditionell-physischen Faktoren ab. Im Hinblick auf die konditionell- physischen

Anforderungen, besteht Fußball primär aus explosiv-schnellen und schnellkräftigen Aktionen (Sprints, Sprünge,

Schüsse und Zweikampfsituationen).

Die Anforderungen an einen Fußballspieler sehen daher wie folgt aus:

• Ca. 1.000 – 1.400 Kurzzeitaktionen die sich alle vier bis sechs Sekunden ändern

• Variable Bewegungsaktionen mit intermittierender Belastungscharakteristik

• Ca. 10 – 12km Gesamtlaufleistung während des 90-minütigen Spiels

• Ca. 0,5 bis 11 % der Gesamtlaufleistung sind Sprints

• Geringe Steigerung der Gesamtwegstrecke in den letzten 20 Jahren

• Anstieg des Anteils mit hohen Geschwindigkeiten (> 15 km/h) von ca. 12 % auf 24 – 28 %

• Laufstrecken über 20 Meter bei hoher Intensität spielen eine untergeordnete Rolle

• Ca. 90 % aller Tore werden innerhalb des Strafraums erzielt.

• D. h. Tore werden überwiegend in „Ballungsräumen“ erzielt, in denen höchster Gegner- und Zeitdruck

herrscht

Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass im Schnelligkeitstraining für Fußball mehr Komponenten berücksichtigt

werden müssen als die typischen Kraft- und Ausdauerelemente. Je höher das Leistungsvermögen einzelner

Spieler ist, desto mehr spielen Kleinigkeiten bei der Entscheidung eines Zweikampf- oder Kopfballduells, eine

tragende Rolle. Es ist davon auszugehen, dass bei zwei technisch und athletisch gleichstarken Spielern derjenige

die Situation für sich entscheidet, der diese schneller wahrgenommen, verarbeitet und in eine physische

Bewegung umgesetzt hat.

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2.2 Die Wahrnehmung

Das Auge beeinflusst 90 % der menschlichen Wahrnehmung. Umgekehrt macht das, was der Mensch sieht aber

nur 10 % dessen aus, was er wahrnimmt. Er sieht das, was er aufgrund seiner Wahrnehmung glaubt zu sehen.

Für die meisten Menschen ist es so selbstverständlich sehen zu können, dass sie sich darüber keine Gedanken

machen. Wenn jemand das Sehen beschreiben soll, dann stellt er sich das Auge als Linse eines Projektors vor,

von der aus das Bild irgendwie in das Bewusstsein projiziert wird.

Tatsächlich existiert das Bild der Welt, so wie es auf einem Foto zu sehen ist, nur bis auf die Netzhaut. Danach

geht es in ein Feuerwerk von elektrischen Impulsen über. Nur diese Nervenimpulse kann das Gehirn verarbeiten.

2.2.1 Das Auge

Einführung

Das Auge ist eines der faszinierendsten Organe des Menschen. Mit über 60 Mio. Nervenfasern direkt mit dem

Gehirn verbunden, leisten unsere Augen fast unermüdlich Präzisionsarbeit: Ständig in Bewegung stellen sie sich

nahezu verzugslos auf alles scharf, was zu sehen ist. Zudem ist das Auge das einzige Sinnesorgan, das man gezielt

ein- und ausschalten kann.

Anatomie des Auges

Abbildung 4 Das Auge (Quelle: SOV, 2002)

1. Glaskörper, corpus vitreum 2. Aderhaut, chorioidea, 3. Netzhaut, retina, 4. Netzhautgrube, fovea, 5.

Sehnerv, nervus opticus, 6. Lederhaut, sklera, 7. Hornhaut, cornea, 8. Regenbogenhaut, iris, 9. Pupille, pupilla,

10. Augenlinse, lens cristallina, 11. Kammerwasser, humor aqueus, 12. Ziliarkörper, corpus cilare

Der rundliche Augapfel besteht aus dem Glaskörper, einer transparenten, gallertartigen Masse. Dieser wird von

der Lederhaut umschlossen, die vorne in die uhrglasförmige, lichtdurchlässige Hornhaut übergeht. Unter der

Lederhaut liegt die gefäßreiche Aderhaut, welche das Auge mit Nährstoffen versorgt. Vorne geht die Aderhaut

in die Regenbogenhaut über, in deren Mitte das "Guckloch", die Pupille, liegt. Hinter der Iris sitzt die Augenlinse,

welche das durch die Pupille einfallende Licht durch den Glaskörper auf die dahinterliegende Netzhaut abbildet,

welche die Sehzellen (Stäbchen und Zapfen) enthält. Direkt gegenüber der Pupille liegt die Netzhautgrube mit

dem Bereich des schärfsten Sehens. Geschützt wird diese von einer Zellschicht, die "gelber Fleck" genannt wird.

Nasal davon, dort, wo der Sehnerv in die Netzhaut eintritt, verfügt diese über keine Sehzellen und ist daher

lichtunempfindlich ("Blinder Fleck"). Der Bereich zwischen Linse und Hornhaut wird Augenkammer (eingeteilt in

vordere und hintere Augenkammer) genannt. Sie ist mit dem Kammerwasser gefüllt, das diese Augenpartie

versorgt.

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3 Bewegungsmuster im Sprint

Nachdem nun sowohl die allgemeinen Komponenten der Schnelligkeit (siehe Kapitel 1 Q) und die

wahrnehmungsbasierte Schnelligkeit (siehe Kapitel 2 Q) behandelt wurden, soll nun genauer auf die Lauf- und

Sprintbewegung eingegangen werden.

Es wird sowohl der erste Schritt im Bewegungsmuster analysiert, wie auch die Bedeutung des Rumpfes, der Arme

und der Beine beim Beschleunigen vorgestellt. Außerdem wird die Bedeutung der Kraft auf die Schnelligkeit

verdeutlicht und die Biomechanik des Sprints in Betracht gezogen.

3.1 Der erste Schritt

3.1.1 Einführung

Je nach Position des Spielers zu seinem Gegenspieler, je nach Aktion, auf die er reagieren muss bzw. auf die er

startet, untergliedert sich der „erste Schritt“ in verschiedene Startbewegungen. Grundvoraussetzung für einen

schnellen ersten Schritt ist ein tiefer Schwerpunkt zu Bewegungsbeginn. Der erste Schritt sollte immer auch mit

dem richtigen Bein in die richtige Richtung gemacht werden. Je nach Typ Sprinter kann der erste Schritt

raumgreifend gemacht werden.

3.1.2 Anzahl, Intensität und Länge der Sprints im Fußball

Die Spielfeldgröße und das taktische Verhalten im Raum stellen die Basis für die Länge der Sprintdistanzen im

Fußball dar. Analysen zeigen, dass 96% der Sprints in einem Fußballspiel Distanzen von bis zu 30 m aufweisen.

Dabei sind 49% der Sprintdistanzen zehn Meter und kürzer. Aus dieser Verteilung der Sprintdistanzen kann

abgeleitet werden, dass sowohl das Sprintantrittsverhalten als auch die maximale Sprintgeschwindigkeit wichtige

Ausprägungen der Sprintleistungsfähigkeit im Fußball sind.

In der Premier League absolvieren die Spieler im Durchschnitt 183 Läufe mit hoher Intensität, wovon im Mittel

84,6 Sprints unter zwei Sekunden und drei Sprints mit einer Dauer von über sechs Sekunden waren. In der

Summe absolviert jeder Feldspieler über 100 Sprints mit einer Gesamtstrecke von über 1000 Metern. Bezogen

auf die Dauer der durchschnittlichen Sprintzeiten zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den

unterschiedlichen Spielpositionen. Jedoch hatten Mittelfeldspieler kürzere Erholungszeiten zwischen den Sprints

als Stürmer oder Abwehrspieler. Dabei richten sich 48,7% aller zielgerichteten Laufwege direkt nach vorne, 7%

direkt nach hinten. Annähernd 9% zielen nach lateral rechts oder links und weitere 10% nach diagonal rechts

oder links vorne.

Es lässt sich also zusammenfassen:

• 60 % der Sprints werden aus der Laufbewegung absolviert

• Bei ca. 75 % der Sprintaktionen kommt es zur Bedrängnis durch Gegner

• Die Gesamtleistung bei Anzahl und Strecke der Sprints steigt mit der Spielklasse

• In der ersten Halbzeit sind die Sprintleistungen etwa 5 % größer als in der zweiten Halbzeit

Die Summe aus Drehungen, Richtungswechseln, Sprints und intensiven Läufen ergibt die Anzahl der ersten

Schritte:

• 183 Läufe mit hoher Intensität

• 904 Drehungen

• 50 schnelle Richtungswechsel

Ein Fußballer macht während eines Spiels im Durchschnitt über 1100 „Erste Schritte“.

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3.1.3 Bewegungsbeschreibung „erster Schritt“

Bisher gibt es kaum einen Athletiktrainer im Fußball, der sich dem Thema „erster Schritt“ intensiv gewidmet hat.

Für viele ist es ein nicht zu beachtender Bewegungsablauf, der selbstverständlich zum Loslaufen dazu gehört.

Befragt man Fußballspieler, wie ihnen beigebracht wird loszulaufen, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit

sagen, dass sie viele kleine Schritte beim Loslaufen machen sollen. Diese Aussage ist zum einen weder

vollkommen falsch, noch ist sie wirklich richtig.

Es gilt dabei ganz individuell von Spieler zu Spieler zu unterscheiden. Ein gutes Beispiel kommt aus der

Leichtathletik. Einer der weltbesten Starter der Sprinterszene ist der ehemalige Weltmeister Asafa Powell

(9,74sec). Auch wenn ein Fußballer nie aus der Startposition eines 100 m Läufers starten wird, so gilt es sich

trotzdem in einem idealen Technikbild an den schnellsten Menschen zu orientieren. Betrachtet man seine

Starttechnik so fällt besonders sein enorm großer explosiver erster Schritt auf. Die gesamte Bewegung ist auf

eine möglichst große horizontale Beschleunigung ausgelegt. Dabei spielen mehrere Faktoren eine wichtige Rolle.

Zum einen kann er anders als ein Fußballspieler aus einer tiefen Position starten. Dadurch gelingt es ihm, den

Oberkörper weit nach vorne zu richten. Dies unterstützt er zusätzlich durch ein „Nachuntenneigen“ des Kopfes.

Ein übergroßer und explosiver Armschwung in der Startphase unterstützt das Abdrücken der Beine aus dem

Startblock. Beobachtet man den Moment, indem Powell den Startblock verlässt, erkennt man eine komplette

Körperstreckung vom Sprunggelenk bis zum Kopf. Mit dem ersten Schritt beschleunigt er auf 10,5 km/h. Diese

enorme Beschleunigung erreicht er aufgrund zweier Faktoren. Zum einen eine sehr lange Bodenkontaktzeit von

0,19sec während der ersten Stützphase und zum zweiten durch einen übermäßig ausgebildeten M. Iliopsoas. Der

sogenannte Sprintermuskel ermöglicht Powell ein äußerst schnelles Vor- und Zurückschwingen der Beine.

Dadurch kompensiert er die lange erste Bodenkontaktzeit.

Diese physischen Gegebenheiten sprechen für einen langen ersten Schritt. Im Vergleich dazu steht der japanische

Sprinter Nobuharu Asahara (10,02sec). Während seines ersten Schrittes beschleunigt er während einer

Bodenkontaktzeit von 0,16sec auf 9,4 km/h. Beim Betrachten des MRT Bildes seines M.Iliopsoas fällt der große

Unterschied im Muskelquerschnitt im Vergleich zum Jamaikaner auf. Daher ist der Japaner ein Sprinter, der

aufgrund „mangelnder“ Kraft mehr Schritte in der gleichen Zeit machen muss wie Asafa Powell. Dennoch reicht

dies allein nicht als entscheidender Vorteil. Näheres dazu im Kapitel „Frequenz und Schrittlänge“ 3.2.9 Q.

3.1.4 Bewegungsmuster „erster Schritt“

Wie weiter oben bereits beschrieben, kommt ein Fußballspieler nie in die gleiche Startposition, wie ein

Leichtathlet. Trotzdem gelingt ein effektiver erster Schritt nur dann, wenn der Körperschwerpunkt vor dem

Bewegungsbeginn abgesengt wurde. Gleichzeitig nehmen Armschwung, Körperstreckung und Kniehub Einfluss

auf die Schrittlänge. Somit startet ein Fußballspieler aus einer ähnlichen Startposition, wie es der 100 m Sprinter

tut. Im Vergleich zum Leichtathlet, der ein rein lineares Loslaufen trainiert, kommen beim Fußballspieler jedoch

weitere Bewegungsrichtungen vor, die folgendermaßen gewichtet werden können:

1. 1. Schritt nach vorne (ca. 49 %)

2. 1. Schritt diagonal nach vorne (ca. 10 %)

3. 1. Schritt zur Seite (ca. 9 %)

4. 1. Schritt direkt nach hinten (ca. 7 %)

Übungen zum ersten Schritt

Walldrills

Um Wall Drills trainieren zu können, benötigt man nicht viel Equipment. Um die richtige Technik zu erlernen

reicht Anfangs ein sogenanntes Stützelement. Dies kann eine Wand, Zaun oder aber auch ein Trainingspartner

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Abbildung 31 Training mit der Vipr (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

3.3.3 Die Arbeit der oberen Extremität und des Rumpfes bei der Beschleunigung

Die Armarbeit ist ein sehr wichtiger Faktor bei der Sprintbewegung, da sie als Gegenbewegung zu den Beinen

stattfindet und somit für die Stabilität der Bewegung verantwortlich ist. Die Arme sorgen weiterhin dafür, dass

die Haltung während der Laufbewegung aufrechterhalten wird, da sie sehr großen Einfluss auf die Bewegung des

Schwerpunktes haben. Vor allem beim Start der Sprintbewegung wird ein großer Teil der Bewegungsenergie

durch die Arme entwickelt, bis der gesamte Bewegungsapparat in Schwung gekommen ist. Hier ist die Frequenz

der Armarbeit im rhythmischen Einklang mit den Beinen ein essenzieller Faktor für die Entwicklung einer hohen

Endgeschwindigkeit.

Eine aggressive Armarbeit ist ein Muss beim Sprint, wobei der ganze Arm als Einheit arbeiten muss. Dabei sollte

der Ellenbogen um ca. 90 Grad gebeugt sein. Die Hände bleiben mehr oder weniger entspannt, wobei die

Armbewegung so weit geht, dass die Hände bis auf Nasenhöhe nach vorne-oben gebracht werden und beim

Durchschwung bis knapp hinter das Gesäß schwingen.

Abbildung 32 Armarbeit zur Beschleunigung (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Entscheidend dabei ist, dass die Armbewegung geradlinig ist und nicht seitlich ausgewichen wird. Sobald die

Ellenbogen nach außen genommen werden, verändert sich die Oberkörperhaltung und es geht Energie verloren.

Die gesamte Armbewegung resultiert aus der Schulter heraus, wobei die Bewegung im Ellenbogengelenk so

gering wie möglich gehalten wird. Die Hände können während des Sprints geschlossen oder leicht geöffnet sein,

sollten aber überwiegend entspannt gehalten werden. Der Daumen zeigt während der Bewegung geradlinig nach

vorne oder oben und gibt die Richtung der Bewegung vor. Die Handgelenke sind nach Möglichkeit fest und

gerade, da Veränderungen in diesem Bereich sowohl Einfluss auf die Haltung, die Richtung und die Energie der

Bewegung haben.

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Abbildung 33 Armarbeit als Schwungkomponente für die Schnelligkeit (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Die Arme dienen als Schwungelemente und beeinflussen die Laufrichtung. Je schneller die Arbeit der Arme und

je stabiler die obere Extremität in der Bewegung ist, desto höher kann die Endgeschwindigkeit werden. Für eine

effiziente Armarbeit sind ein funktionierender Schultergürtel und eine gut ausgeprägte Armmuskulatur

notwendig. Daher muss im Athletiktraining besonders der Bereich der Schulterbeweglichkeit aber auch der

Bereich der Schulterstabilisierung berücksichtigt werden. Hierfür eignen sich dynamische Schwungbewegungen

aus den Armen heraus und Stützübungen. Kombinierte Stützbewegungen führen gleichzeitig zu einer

Verbesserung der Kraft und der Beweglichkeit.

Auch die Hals- und Nackenmuskulatur muss im Training gefordert werden, damit es nicht während des Sprints

zur Ermüdung und somit zu einer Verspannung in diesem Bereich kommt. Für die Ausbildung der oberen

Extremitäten müssen die Muskelgruppen der Schulter, die der Brust und die der oberen Rückenmuskulatur

trainiert werden.

3.3.4 Die Arbeit der Beine beim Beschleunigen

Die Beine leisten ohne Frage die Hauptarbeit bei der Sprintbewegung und tragen den Spieler über die geforderte

Distanz. Im Bereich der Beine gibt es einige leistungsentscheidende Faktoren, wie das optimale Zusammenspiel

von Beweglichkeit, Kraft und Koordination in allen Gelenken. An den unteren Extremitäten finden sich vom

Boden beginnend das Sprunggelenk, dann das Kniegelenk und schließlich das Hüftgelenk, welche allesamt

harmonisch zusammenarbeiten müssen um eine runde und flüssige Laufbewegung realisieren zu können. Die

Beinmuskulatur steht in einer gegenseitigen Abhängigkeit, wobei jede Muskelkette großen Einfluss auf alle

benachbarten Muskelketten hat. Beispielweise können abgeschwächte Außenrotatoren im Hüftgelenk eine

übermäßige Pronation des Sprunggelenkes verursachen.

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Abbildung 34 Spirallinie (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Beim Athletiktraining der Beine sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Jede Art von komplexen

Bewegungsabläufen mit Schwerpunkt auf die Beinmuskulatur funktioniert zur Verbesserung der

Kraftentwicklung. Es können Kniebeugen, Ausfallschritte, Sprünge und Wechselsprünge als Basisbewegungen für

Übungen dienen. Sobald diese Bewegungen perfekt ausgeführt werden, sind selbstverständlich auch alle

möglichen Kombinationen aus den voran genannten Beispielen machbar.

Wie in Abbildung 49 zu sehen ist, muss bei den meisten Schritt- und Gangbewegungen die gesamte rückwärtige

Kette der Muskeln aktiv mitarbeiten. Vor allem bei Ausfallschrittbewegungen wird diese Muskelverkettung stark

beansprucht und somit gezielt in Bewegung trainiert. Es muss dringend vermieden werden, einzelnen Muskeln

die Aufgabe zur Beschleunigung zuzugestehen. Komplexe Bewegungen (und da gehört das Laufen dazu) laufen

immer in Muskelketten und Muskelschlingen ab, die ihre Leistungsfähigkeit gezielt durch intermuskuläre

Koordination und komplexe Bewegungsmuster verbessern. Hat man diesen Zusammenhang verstanden, dann

wird es einfacher, sinnvolle Übungen auszusuchen und zu kombinieren um den Sportler schneller und agiler zu

machen.

Aus diesem Zusammenhang ergibt sich aber auch die Tatsache, dass die Verkettungen jeweils nur genauso stark

sind wie ihr schwächstes Glied. Sollte in einem oder mehreren Muskeln ein Defizit, eine Verspannung oder

Immobilität vorliegen, leidet darunter die Performance der gesamten Muskelkette. Demnach müssen nicht nur

kräftigende Elemente, sondern vor allem auch mobilisierende und regenerierende Einheiten eingeplant werden.

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Abbildung 35 Rückwärtige Muskelkette (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Bei der Beinarbeit ist ebenfalls wieder die Beweglichkeit entscheidend für die Leistungsentwicklung des

Sportlers. Vor allem im Bereich der Schrittlänge aber auch der Beinhubbewegung, kann aus einer mangelnden

Beweglichkeit sehr schnell eine falsche Haltung und schlechte Laufleistung resultieren. Bei der Beinstreckung ist

eine ausreichende Hüftstreckung notwendig um dem Sprintschritt nach hinten eine ausreichende Länge zu

geben. Gleichzeitig ist aber auch eine ausreichende Hüftbeugefähigkeit notwendig um das Bein ausreichend

hochheben zu können um den Schritt nach vorne möglichst effizient zu gestalten.

Im Kniegelenk und im Sprunggelenk ist die Stabilität von entscheidender Bedeutung, da diese beiden Gelenke

für die Geradlinigkeit der Laufbewegung verantwortlich sind und sehr hohen Belastungen standhalten müssen.

Wohingegen im Sprunggelenk die Flexibilität im Vordergrund steht. Je größer die Beweglichkeit im Sprunggelenk

des Spielers ist, desto mehr Kraft kann er auf den Untergrund übertragen. Daher muss an der Flexibilität und

Stabilität aller beteiligten Gelenke gearbeitet werden.

Während des Sprints sollten die Füße permanent in einer Dorsalflexion (nach oben ziehen des Fußes) sein und

diese nur im Moment der Bodenberührung verlassen. Bei Bodenberührung ist das gesamte Gewicht auf den

Fußballen, direkt unterhalb des Läufers und nicht auf der Ferse. Nach Verlassen des Bodens beschreibt der Fuß

eine Bogenbewegung nach oben in Richtung zum Gesäß. In diesem Moment kommt das Knie nach oben und der

Oberschenkel ist nahezu parallel zum Boden. Dabei ist das Knie um ca. 90 Grad gebeugt. Danach wird das Bein

aggressiv nach vorne unten, unter das Kniegelenk gestreckt, bis wieder Bodenkontakt vorhanden ist. Diese

Bewegung wird zyklisch mit beiden Beinen im Wechsel wiederholt.

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4 Agilität

Nun hat der Leser schon einen Überblick über Schnelligkeit (Kapitel 1 Q), Wahrnehmung (Kapitel 2 Q), den

konkreten Sprint (Kapitel 3 Q) und den damit verbundenen Themenkomplexen erhalten. Dies allein würde schon

reichen, um einen Spieler schneller zu machen. Noch fußballnäher ist sogar ist aber die Agilität. Diese Fähigkeit

wird im Folgenden vertieft. Es wird geklärt was Agilität ist, wie sie sich zusammensetzt und wie man sie trainieren

kann.

Nähert man sich dem Begriff „agil“ aus dem Lateinischen, so findet man in der Übersetzung des Wortes „agere“

tun, machen handeln. Darin liegt auch gleichzeitig das Problem. In dem Wort Agilität liegt ein extrem großer

Interpretationsspielraum. Die Interpretationen reichen von Beweglichkeit, Beinarbeit, Koordination über

schnelle Beine, Wendigkeit bis hin zu Loslaufen oder schnellen Drehbewegungen. Laut Duden bezeichnet die

Reaktion das „Wirkung zeigen auf einen bestimmten Reiz“ – also eine Verhaltensänderung aufgrund eines

Ereignisses (Dudenredaktion, 2013).

Bei jeglicher Art von Startvorgang, bei dem auf ein akustisches oder visuelles Signal geachtet und reagiert werden

muss, profitiert der Sportler von einer guten Reaktionszeit und der Fähigkeit, auf jenes Signal zweckmäßig und

effizient zu reagieren.

Unter der Reaktionszeit versteht man die Zeitspanne, die zwischen einem Reaktionsanlass und der darauf

ausgerichteten Handlung liegt.

Viele Reaktionsleistungen beruhen auf der Fähigkeit der Antizipation, nämlich genau dann, wenn man bereits

weiß, dass es einen gewissen Reaktionsanlass geben wird und sich auch schon im Klaren darüber ist, wie man

darauf reagieren kann und wird. Diese Handlungsantizipation hängt wiederum von der Bewegungsfähigkeit ab,

also davon, wie gut der Bewegungsapparat darin ist, in kürzest möglicher Zeit möglichst hohe Leistungen zu

erbringen. Dabei ist eine gut ausgeprägte intermuskuläre Koordination von Vorteil, da dadurch sehr viel

Muskelmasse zweckmäßig und zielgerichtet eingesetzt werden kann. Demnach darf man Agilität nicht mit reiner

Beinarbeit verwechseln. Zwar tragen die unteren Extremitäten den Körper, doch ist der gesamte

Bewegungsapparat an agilen Bewegungen beteiligt. Ähnlich der körperlichen Belastung beim Sprung, ist für

reaktive und agile Bewegungsmuster ein synergistisches Zusammenarbeiten des gesamten Körpers notwendig.

Eine verbesserte Agilität lässt die Bewegungen des Sportlers geschmeidiger wirken und verleiht ihm die Fähigkeit

auch unbekannte Situationen besser zu meistern. Man kann also sagen, dass es sich bei der Agilität um die

Bewegungskomponente im Zusammenhang mit der Reaktionsgeschwindigkeit handelt. Betrachtet man den

Begriff Agilität näher, so wird er oft in Assoziation mit Flinkheit und Wendigkeit gesehen. Dies gibt ihm eine

zeitliche Abhängigkeit, was so viel bedeutet wie, dass derjenige, der er schafft, den gleichen Bewegungsablauf in

kürzerer Zeit zu meistern, als wendiger, flinker oder agiler angesehen wird. Also spielt auch hier der Faktor

Muskelfaserrekrutierung und die intermuskuläre Koordination eine übergeordnete Rolle.

Interessanterweise ist die Agilität primär eine neuronale Fähigkeit (Graham, 2014). So dürfe ein Sportler nicht

nur die Kraft entwickeln um agiler zu werden, sondern müsse auch komplexe sportartnahe Agilitätsübungen

durchführen. Eine sehr interessante Studie zum Thema „Agilität und kognitive Leistungsfähigkeit“ der US Air

Force durch Lennemann et al. (2013) mit 41 Teilnehmern konnte nicht nur zu erwartende Verbesserungen in der

Agiliät, sondern auch in der kürzeren Verarbeitungszeit auf akustische Signale, verbesserte Gedächtnisleistung

und visuelle Wachsamkeit feststellen. Außerdem wurde die VO2max deutlich gesteigert. In der Studie wurde

normales Training mit Agilitätstraining verglichen.

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Abbildung 45 Training mit Reaction-Belt (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Eine gute Agilität bzw. die Fähigkeit sich zweckmäßig, unter Anwendung korrekter Technik auch in unerwarteten

Situationen zu bewegen wertet die Leistungsfähigkeit des Athleten stark auf. Im Fußball besitzt die Agilität

beispielsweise bei folgenden Situationen eine herausragende Bedeutung:

Angriff - mit Ball auf den Verteidiger reagieren und zweckmäßig

handeln

Verteidigung - schnellstmöglich auf die Bewegung des Angreifers

reagieren und handeln können

4.1.1 Die Entwicklung der Agilität im Leistungssport

Wie bereits erwähnt sind das Leistungsniveau und die Körperlichkeit im Leistungssport in den letzten Jahren

deutlich gestiegen. Viele Sportarten sind in ihren Bewegungen schneller und athletischer geworden. So auch der

Fußball (siehe LB 1 Q) Je besser sich der Fußballer also bewegen kann, desto besser wird er auf seinem

Leistungsniveau zurechtkommen. Die Agilität ist ein entscheidender Faktor um mit dem eigenen Körper

zielgerichtet und zweckmäßig arbeiten zu können, aber gleichzeitig auch dazu in der Lage zu sein, Verletzungen

durch Reaktionsanlässe zu vermeiden und auf unerwartete Situationen mit Körperbewegungen zu reagieren.

Wie Liebenson (2014) unter Bezug auf Cronin und Hansen klarstellt, findet in den meisten Sportarten nie ein

Erreichen der Maximalgeschwindigkeit statt. Vielmehr ist der Antritt und die Fähigkeit die Richtung zu wechseln

(entspricht dann etwa Agilität) entscheidend. Außerdem stellen Sheppard und Buck (2006) unter Berufung auf

zahlreiche Quellen (Baker, Buttifant, Tsitskarsis, Young) fest, dass die Agilität nicht stark mit der maximalen

Geschwindigkeit verbunden ist. Gleiches fanden Brughelli et al. (2008) heraus. Sie fanden ebenfalls keinen

Zusammenhang mit der Geschwindigkeit und anderen Kraftwerten. Dennoch kommen auch sie zu dem Schluss,

dass ein Agilitätstraining vor allem mit seitlichen und vertikalen Sprüngen und hoher Sportartspezifität

erfolgreich ist. Dies würde auch die Resultate von Spiteri und Kollegen (2014) unterstützen, die zwischen Agilität

und exzentrischer Maximalkraft einen hohen Zusammenhang herstellen konnten. Diese Form der Kraft wird beim

Aufkommen auf den Boden stark gefordert. Young et al. (2002) unterstützt diese Befunde indem er keinen

beziehungsweise keinen einheitlichen Zusammenhang zwischen konzentrischer Beinkraft und der

Geschwindigkeit von Richtungswechseln im Sprint feststellt, jedoch schnelleren Versuchspersonen durchaus

auch höhere Reaktivkräfte beim Drop Jump bescheinigt. Dies spricht somit auch für die Bedeutung der

exzentrischen Maximalkraft.

Das gilt auch für den Fußball. Liebenson führt weiter aus, dass Mark Verstegen einer der ersten Trainer war, der

vom reinen Training der Maximalgeschwindigkeit abkam und großen Wert auf Richtungswechsel legte.

Verstegen wurde nicht umsonst durch seine Arbeit mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft berühmt.

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4.2 Steigerung der Agilität als leistungssteigernder Faktor

Aufgabe des Trainers ist es, das Bewegungsbewusstsein des Spielers dahingehend zu verbessern, dass dieser

komplexe Bewegungsmuster bewältigen kann und auch in unerwarteten Situationen in der Lage ist zu reagieren

und somit Verletzungen zu vermeiden.

Der Fußballer, der sich seiner Bewegungen bewusst ist und diese auch unter Stress (Gegner, Zeitdruck) abrufen

kann, wird einen entscheidenden Leistungsvorteil gegenüber den Kontrahenten haben, die dazu nicht in der Lage

sind. Die Verbesserung der Bewegung, in Abhängigkeit der Bewegungsgeschwindigkeit, stellt einen nicht zu

unterschätzenden Erfolgsfaktor dar. Je besser der aktive Bewegungsapparat des Sportlers ausgebildet ist und je

optimaler er diesen auch einsetzen kann, desto eher wird er in der Lage sein auch schwierige Techniken und

Anforderungen seiner Sportart zu bewältigen. Vor allem, wenn rhythmische oder fließende Bewegungen

gefordert sind, ist eine verbesserte Agilität von Vorteil.

Um die Agilität nachhaltig zu verbessern, müssen komplexe Bewegungsaufgaben in das Training integriert

werden um möglichst viel vom aktiven Bewegungsapparat zu fordern und zu schulen. Die Arbeit mit

Hindernissen, Gegnern und unerwarteten Situation wirkt sich leistungssteigernd auf die Agilität und das

Bewegungsbewusstsein des Sportlers aus. Aus einer über zwei Jahre durchgeführten Studie an

Nachwuchsfußballern geht hervor, dass begleitendes Krafttraining die Fähigkeit zum Richtungswechsel deutlich

erhöhen kann. Die deutsche Forschergruppe um Keiner (2014) führte über zwei Jahre Krafttraining mit

jugendlichen Fußballern in klassischer Blockperiodisierung mit Kraft-/Hypertrophie- und Kraftausdauertraining

durch.

Übungen zur Agilität:

Diamond

Abbildung 46 Übung Diamond (Quelle: Sportlerei Akademie)

Beim Diamond befindet sich der Start und das Ziel mittig eines Vierecks (ca. 15 x 15 m). Von dem Starthütchen

aus wird digonal vowärts zum ersten aussen stehnden Hütchen gesprintet und wieder zurück zur Mitte. Der

gleiche Ablauf direkt mit den drei anderen aussen stehenden Hütchen.