„Schreiben Sie noch oder emojisieren Sie schon?“ · Fotos sind, dann sind es Smileys und...

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Universität Zürich Prof. Dr. Christa Dürscheid Deutsches Seminar 165 Aufbaumodul 2 LING: BA Seminar Digitale Kommunikation FS 2015 „Schreiben Sie noch oder emojisieren Sie schon?“ 1 Untersuchung der Funktionen von Emoticons und Piktogrammen in WhatsApp Larissa Bonderer Abgabedatum: 17.04.2015 1 Aus: Bula (2014, 21).

Transcript of „Schreiben Sie noch oder emojisieren Sie schon?“ · Fotos sind, dann sind es Smileys und...

Universität Zürich Prof. Dr. Christa Dürscheid

Deutsches Seminar 165 Aufbaumodul 2 LING:

BA Seminar Digitale Kommunikation

FS 2015

„Schreiben Sie noch oder emojisieren Sie schon?“1

Untersuchung der Funktionen von Emoticons und

Piktogrammen in WhatsApp

Larissa Bonderer

Abgabedatum: 17.04.2015

1 Aus: Bula (2014, 21).

2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung .................................................................................................................................. 3

2. Die WhatsApp-Kommunikation ............................................................................................... 4

3. Emojis – Zur Beliebtheit von Bildzeichen in der digitalen Kommunikaiton ............................ 7

4. Emoticons ................................................................................................................................ 10

4.1 Funktionen auf pragmatischer Ebene ............................................................................... 11

4.2 Funktionen auf syntaktischer Ebene ................................................................................ 17

4.3 Häufigkeit......................................................................................................................... 19

5. Piktogramme ........................................................................................................................... 22

5.1 Funktionen auf pragmatischer Ebene ............................................................................... 23

5.2 Funktionen auf syntaktischer Ebene ................................................................................ 25

5.3 Häufigkeit......................................................................................................................... 29

6. Fazit und Ausblick .................................................................................................................. 30

7. Bibliographie ........................................................................................................................... 31

3

1. Einleitung

Digitale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und die Kommuni-

kation über diese Medien wird immer wichtiger. In der vorliegenden Arbeit wird eine

mittlerweile sehr beliebte Form der digitalen Kommunikation betrachtet: Die Kommu-

nikation über WhatsApp. Dabei wird das Augenmerk jedoch nicht – wie zu vermuten –

auf die Schrift-, sondern auf die Bildzeichen gelegt. Diesen kommt in der WhatsApp-

Kommunikation eine wichtige Bedeutung zu, was auch in den Medien häufig themati-

siert wird, wie dieses Zitat aus der Zeitung Schweiz am Sonntag zeigt:

Anstatt in Sprache, wird immer häufiger in Bildern «gesprochen». Wenn es nicht selbst geknipste Fotos sind, dann sind es Smileys und Piktogramme, welche sich zwischen die geschriebenen Wör-ter auf Whatsapp drängen und diese zuweilen sogar ersetzen.2

Auch in der vorliegenden Arbeit wird die Kombination von Schrift- und Bildzeichen in

der WhatsApp-Kommunikation thematisiert. Ausgangspunkt der Arbeit ist die These,

dass Emojis3 sehr häufig verwendet werden und vielseitig einsetzbar sind – sowohl auf

pragmatischer als auch auf syntaktischer Ebene. Aufgrund dieser These stellt sich die

Frage, aus welchen Gründen man solche Bildzeichen verwendet und welche Funktionen

sie haben.

Im ersten Teil der Arbeit wird ein Überblick über die WhatsApp-Kommunikation gege-

ben. Anschliessend wird auf die gegenwärtige hohe Präsenz der Emojis eingegangen.

Im dritten Teil der Arbeit werden Emoticons thematisiert. Anhand konkreter Beispiele

soll gezeigt werden, welche Funktionen sie – auf pragmatischer und syntaktischer Ebe-

ne – in der WhatsApp-Kommunikation einnehmen. Mit Hilfe eines kleinen Korpus

werden anschliessend einige Fragen zur Häufigkeit gestellt. Die Ergebnisse sollen je-

doch keine Verallgemeinerung darstellen, sondern beschränken sich lediglich auf die

untersuchten Nachrichten. Im letzten Teil der Arbeit werden die gleichen Fragen auch

in Bezug auf die Piktogramme gestellt. Ziel ist es, einen ersten Einblick in die Verwen-

dung von Emojis in WhatsApp zu geben. Erkenntnisse auf wissenschaftlicher Basis

werden aus dem Forschungsprojekt „Whats’up, Switzerland?“ resultieren.

2 Siehe http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/kultur/verhunzen_die_smileys_unsere_sprache/ <10.03.2015>. 3 Der Begriff „Emoji“ und die Abgrenzung zwischen Emoticons und Piktogrammen werden weiter unten erläutert.

4

2. Die WhatsApp-Kommunikation

Technische Neuerungen wie die Einführung von internetfähigen Smartphones haben die

mobile schriftliche Kommunikation beeinflusst. Eine entscheidende Neuerung im Be-

reich der Kurzmitteilungen ist die Einführung von Messenger-Systemen wie WhatsApp,

die zu nachhaltigen Veränderungen geführt hat. (vgl. König/Bahlo 2014, 8) WhatsApp

Messenger ist eine plattformübergreifende mobile Nachrichten-Applikation, die auf ein

Smartphone heruntergeladen werden kann und den kostenlosen Austausch von Nach-

richten ermöglicht.4 Die Zahlentastatur – mittels derer man noch die „alte SMS“ ver-

fasst hat – wird nun meistens durch eine virtuelle Tastatur auf dem Touchscreen des

Mobilfunkgeräts ersetzt. Aus diesem Grund kann man die WhatsApp-Kommunikation

als Keyboard-to-Screen-Kommunikation5 bezeichnen. (vgl. König/Bahlo 2014, 8f.) Die

App vereint laut Katja Arens „die Mobilität der SMS und die quasi synchrone Kommu-

nikation wie im Chat/Instant Messaging in einem Gerät.“ Zudem bieten sich neben dem

normalen Nachrichtenaustausch weitere kostenlose Kommunikationsmöglichkeiten wie

die Gründung von Gruppenchats, der Versand von Fotos, Videos, Links und Audioda-

teien sowie seit kurzer Zeit das Telefonieren an. (vgl. Arens 2014, 82) Die entscheiden-

de Neuerung ist also die Multimodalität: Durch die Verwendung unterschiedlicher tech-

nischer Zeichenträger kommen unterschiedliche Kodierungsformen zustande. Das ge-

schriebene Wort verbindet sich mit weiteren Mitteilungsformen wie Piktogrammen oder

Fotos und dadurch entsteht ein multimodaler Text. (vgl. Arens 2014, 84)

Ziel der Gründer Jan Koum und Brian Acton war es, eine bessere Alternative zur SMS-

Nutzung zu schaffen. Eines ihrer Argumente, warum sie diese Applikation geschaffen

haben, ist, dass irgendwann jeder ein Smartphone besitzen wird.6 Die aktuellen Zahlen

zur Smartphone Nutzung in der Schweiz scheinen den beiden Gründern Recht zu geben: Hatten im Jahr 2010 noch erst rund die Hälfte der Jugendlichen Handynutzer ein Smartphone und 2012 rund vier Fünftel, sind es im Jahr 2014 97%. Der kleine „Alleskönner“ hat sich bei den Ju-gendlichen folglich flächendeckend durchgesetzt und das herkömmliche Feature Phone abgelöst (Willemse et al. 2014, 57).

WhatsApp ist seit 2009 verfügbar und gewinnt in den letzten Jahren immer mehr an

Bedeutung (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 154). Mittlerweile ist es bei den Schweizer Ju-

gendlichen die beliebteste App: „Der Messenger WhatsApp […] ist der grosse Favorit

der Jugendlichen“ (Willemse et al. 2014, 63). Auch ein Blick auf die jährlich durchge-

4 Siehe http://www.whatsapp.com/ und http://www.whatsapp.com/about/ <19.03.2015>. 5 Zum Begriff siehe Dürscheid/Frick (2014, 152-155). 6 Siehe http://www.whatsapp.com/ und http://www.whatsapp.com/about/ <19.03.2015>.

5

führte JIM-Studie – eine Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in

Deutschland – zeigt die zunehmende Beliebtheit: Im Jahr 2012 werden bei den wich-

tigsten Apps die Instant Messenger ICQ, MSN und Skype aufgezählt (vgl. Feierabend et

al. 2012, 54), WhatsApp wird jedoch in der ganzen Studie nicht erwähnt. Im darauffol-

genden Jahr wird die Applikation jedoch in die Studie eingefügt: Im letzten Jahr verzeichnete die Messenger-App „WhatsApp“ besonders hohe Download-Zahlen. […] Um die Relevanz dieser App bei den Zwölf- bis 19-Jährigen zu beziffern, wurde in der JIM-Studie 2013 der Besitz dieser App konkret abgefragt. Insgesamt 70 Prozent der jugendlichen Han-dy-Besitzer haben „WhatsApp“ auf ihrem Handy installiert […]. Auch bei der Frage nach den wichtigsten Apps (bis zu drei Nennungen) spiegelt sich die weite Verbreitung von „WhatsApp“ wider. Für 81 Prozent der App-Besitzer gehören Messenger-Apps zu den wichtigsten – fast alle Nennungen in dieser Kategorie entfallen dabei auf „WhatsApp“ (80 %) (Feierabend et al. 2013, 53).

Im Jahr 2014 wird schliesslich vermerkt, dass Messenger-Apps inzwischen die Kom-

munikation via SMS abgelöst haben, wobei WhatsApp die grösste Rolle spielt (vgl.

Feierabend et al. 2014, 49). Es scheint, als wäre das oben erwähnte Ziel, eine bessere

Alternative zur SMS-Nutzung zu schaffen, bereits erreicht. Mittlerweile wird die App

relativ ausführlich thematisiert und ihr wird gar eine eigene Graphik gewidmet: Zur Grundausstattung bei Jugendlichen gehört inzwischen WhatsApp. 94 Prozent der Besitzer von internetfähigen Handys haben diese App installiert […]. Gegenüber der JIM-Studie 2013 hat sich dieser Wert deutlich um 25 Prozentpunkte erhöht. Dieses Kommunikationsangebot wird dann auch rege genutzt: 86 Prozent nutzen WhatsApp täglich und weitere sechs Prozent mehrmals pro Wo-che. Die häufige Nutzung erklärt sich durch die Rolle von WhatsApp als zentrale technische Platt-form für die Kommunikation im Freundeskreis, sei es durch Text-, Bild- oder Sprachnachrichten, oder auch nur durch das Versenden von Symbolen wie bspw. sogenannten „Smileys“. Dies erklärt dann auch die hohe tägliche Frequenz: durchschnittlich rufen Jugendliche WhatsApp 26 Mal pro Tag auf. Jeder Fünfte, der diese App täglich nutzt, macht dies sogar häufiger als 50 Mal am Tag, jeder Dritte immerhin noch zwischen 20 und 49 Mal täglich (Feierabend et al. 2014, 50).

Abb.1: Nutzungshäufigkeit von WhatsApp pro Tag 2014 (Feierabend et al. 2015, 50)

6

Der Name WhatsApp ist abgeleitet von What's Up, was so viel bedeutet wie „Was

geht?“ oder „Was geht ab?“7 und weist auf eine gewisse Mündlichkeit – auf eine kon-

zeptionelle Mündlichkeit – hin. Der Chat-Charakter der App verstärkt diesen Eindruck:

Es gibt die Möglichkeit, Gruppenchats zu bilden und es wird im Online-Status ange-

zeigt, ob eine Person gerade online ist oder wann sie zuletzt online war. Zudem besitzen

die Nachrichten die Form einer Sprechblase, was ebenfalls eine gewisse Mündlichkeit

nahelegt. Neben dem Versand von Bildern, Video-und Audiodateien steht eine Auswahl

an Emoticons und Piktogrammen zur Verfügung, die über ein App auf das Smartphone

geladen werden kann. Diese Bilder können über eine separate Tastatur ausgewählt und

zum Text hinzugefügt werden. (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 165f.) Diese Bildelemente

werden als Emojis bezeichnet und werden weiter unten genauer thematisiert.

WhatsApp ist zwar häufiges Thema in den Medien, doch es gibt noch keine grösseren

Forschungsarbeiten dazu. Zu erwähnen ist jedoch der Aufsatz „Keyboard-to-Screen-

Kommunikation gestern und heute: SMS und WhatsApp im Vergleich“ von Christa

Dürscheid und Karina Frick. Zudem gibt es einen kleinen Exkurs zu WhatsApp in Caro-

line Schnitzers Dissertation „Linguistische Aspekte der Kommunikation in den neueren

elektronischen Medien. SMS – E-Mail – Facebook“, der jedoch nicht genauer auf die

Eigenarten der WhatsApp-Kommunikation eingeht. Detailliertere Informationen vermit-

telt die Publikation „SMS, WhatsApp & Co. Gattungsanalytische, kontrastive und varia-

tionslinguistische Perspektiven zur Analyse mobiler Kommunikation.“ Der Beitrag von

Katja Arens beschäftigt sich mit den multimodalen Möglichkeiten in der WhatsApp-

Kommunikation. Wichtig ist zudem das universitäre Forschungsprojekt „What’s up,

Switzerland?“. Dieses Projekt verfolgt das Ziel, die sprachlichen Merkmale in der

WhatsApp-Kommunikation zu untersuchen8. Die App wird also bereits wissenschaftlich

untersucht und das Projekt wird wichtige Erkenntnisse auf wissenschaftlicher Basis lie-

fern.

7 Siehe http://www.whatsapp.com/about/ <19.03.2015>. 8 Siehe http://www.whatsup-switzerland.ch/de/ <19.03.2015>.

7

3. Emojis – Zur Beliebtheit dieser Bildzeichen in der digitalen

Kommunikaiton

Die Emojis (japanisch: e = Bild, moji = Schriftzeichen9) werden in der vorliegenden

Arbeit in zwei Bereiche unterteilt: In Emoticons und Piktogramme. Dabei wird der Be-

griff Emoticon für die gelben Gesichtszeichen verwendet (vgl. Abb. 3), als Piktogram-

me werden die übrigen Bildzeichen bezeichnet. Diese Trennung ist jedoch nicht unprob-

lematisch und die Grenzen verschwimmen, denn einige als Piktogramme bezeichnete

Bildelemente sind beispielsweise eher symbolhaft.

Emojis sind gegenwärtig omnipräsent. Der Titel der Arbeit, der einem Artikel aus dem

St.Galler Tagblatt entnommen ist, verweist bereits auf den häufigen Gebrauch dieser

Bildzeichen. Darin ist davon die Rede, dass diese Bilder mittlerweile die Handysprache

erobert haben (vgl. Bula 2014, 21). In den Medien ist gar von einer Invasion der Emojis

die Rede und davon, dass sie Chatdienste und soziale Netzwerke überfluten: „Was einst

mit schlichten Smileys begann, entwickelt sich zu einer neuen Weltsprache.“ (Bethge

2015, 114) Dass diese kleinen Bilder immer wichtiger werden, zeigt beispielsweise das

soziale Netzwerk Emojli – „the emoji-only network“. Das Motto lautet: „No words. No

spam. Just emoji.“ Den beiden Gründern Tom Scott und Matt Gray ging es darum, eine

Applikation zu schaffen, mittels derer man nur mit Hilfe von Emojis kommunizieren

kann.10 Die Internetseite Emojianalysis bietet die Möglichkeit, seine eigene Befindlich-

keit aufgrund der zuletzt gebrauchten Emojis analysieren zu lassen. Selbst gedruckte

Bücher sind vor den kleinen Bildchen nicht mehr sicher: Der Klassiker „Moby Dick“ ist

bereits in Emojis erschienen und unter dem Titel „Emoji Dick“ als gedrucktes Buch

erhältlich. (vgl. Bethge 2015, 116) Der Begriff wurde vom Global Language Monitor

gar zum Wort des Jahres gewählt: „Emoji was crowed as this year’s top-trending word

by the Global Language Monitor, and it was added to the Oxford English Dictionary.“11

Genau genommen war es das Herzsymbol: The Emoji ideograph for Heart (and Love) is the Top Word for 2014 according to the 15th Annual survey to the English language by the the Global Language Monitor. The Heart and Love emoji, emoticon, and variations thereof appear billions of times a day around the world — across lan-guages and cultures. This is the first time an ideograph has captured Word of the Year honors.12

9 Aus: Bethge (2015, 115). 10 Siehe http://emoj.li/ <19.03.2015>. 11 Siehe http://www.nytimes.com/2014/07/27/fashion/emoji-have-won-the-battle-of-words.html <03.04.2015>. 12 Siehe http://www.languagemonitor.com/new-words/the-emoji-heart-is-top-word-of-2014-for-worldwide-english/ <03.04.2015>.

8

Mittlerweile gibt es um die 900 solcher Bildzeichen, und es werden immer mehr: Das

Unicode Konsortium führt in Unicode 7.0 250 neue Emojis ein.13 Dem Konsortium ge-

hören viele grosse Softwarefirmen wie Apple und Microsoft an, die nun daran arbeiten,

die neuen Bildelemente auf ihre Geräte zu adaptieren (vgl. Bula 2014, 21). Im Apple-

Betriebssystem sind bereits neue Emojis verfügbar – unter anderem gleichgeschlechtli-

che Eltern. Wie die Sprache, so entwickeln sich also auch Emojis und sie werden bei-

spielsweise politisch korrekt. Eine wichtige Neuerung dieses Jahres sind die Multikulti-

Emojis. Bisher gab es fast nur gelbe und weisse, doch nun sind verschiedene Hautfarben

verfügbar: „Der Clou: Wer mit dem Finger lange auf ein Personen-Emoji klickt, kann

sich durch die verschiedenen Hauttöne wählen.“14

Abb. 2: Die neuen Emojis mit verschiedenen Hautfarben15

Emojis haben also das Smartphone längst erobert, doch damit nicht genug, denn die

Bildsprache soll bald auch auf dem Laptop verfügbar sein: Die kanadische Firma Disk

Cactus will eine Emoji-Tastatur für Mac-Anwender präsentieren, die über die bisherige

Tastatur geklebt werden soll. Die Firma sammelt zurzeit Geld für ihr Projekt.16

Zudem sind die kleinen Bilder bereits häufiges Thema in den Medien. Dabei wird bei-

spielsweise diskutiert, ob der Gebrauch von Emojis unsere Sprache verändert: „Pikto-

gramme und Emoticons sind überall – auf Whatsapp, Facebook und Twitter. Die Bilder

schleichen sich zurück in die Sprache und verändern unsere Kommunikation.“ Dieser

Ausschnitt stammt aus einem Artikel aus Schweiz am Sonntag von Raffael Schuppisser.

Es wird behauptet, dass man immer häufiger mit Bildern kommuniziert, anstatt mit

Sprache. Neben Fotos spielen dabei Emoticons und Piktogramme eine wichtige Rolle, 13 Siehe http://www.nzz.ch/mehr/digital/unicode-7-250-neue-emojis-1.18324106 <24.03.2015>. 14 Siehe http://www.blickamabend.ch/news/weiss-gelb-schwarz-apple-bringt-multikulti-emojis-id3514204.html 24.03.2015>. 15 Siehe http://www.blickamabend.ch/news/weiss-gelb-schwarz-apple-bringt-multikulti-emojis-id3514204.html 24.03.2015>. 16 Siehe http://uebermorgen.blog.nzz.ch/2015/03/27/emojis-fuer-den-laptop/ <02.04.2015>.

9

die sich laut Schuppisser „zwischen die geschriebenen Wörter auf Whatsapp drängen

und diese zuweilen sogar ersetzen.“ Weiter unten im Artikel wird diese Aussage zwar

relativiert, doch gänzlich ohne Einfluss werde die zunehmende Nutzung der Emojis auf

unsere Sprache nicht bleiben. Im Artikel wird auf Karina Frick – Sprachwissenschaftle-

rin an der Universität Zürich – Bezug genommen: „Das Verhältnis von Bild und Schrift

dürfte sich verändern. [...] Dadurch könnten sich neue Sprachkonventionen herausbil-

den.“17 Auch in der NZZ wurde kürzlich diese Frage gestellt: „Sogenannte Emojis ha-

ben unsere Buchstabenreihen erobert. Eine Gefahr für die Schriftsprache?“18 Als ein

weiterer Artikel unter vielen sei noch der Bericht aus der Tageszeitung Kurier erwähnt:

„Kunterbunte Hieroglyphen. Emojis. Die kleinen Bildzeichen aus Japan sind aus unse-

rem Kommunikationsalltag nicht mehr wegzudenken.“ Darin wird auf die spezielle

Wirkung dieser Bildchen verwiesen: „Die Symbole […] sorgen in WhatsApp-

Nachrichten, SMS oder eMails für fröhliche Farbtupfer im eintönigen Buchstaben-

wald.“ In diesem Artikel wird auch auf die Website emojitracker.com verwiesen, auf

der sich „der Siegeszug der Emojis live mitverfolgen“ lässt. Auf dieser Website wird

dokumentiert, welche Symbole wie oft auf Twitter verwendet werden.19

Dies ist nur eine kleine Auswahl an Artikeln, denn Emojis sind gegenwärtig in den Me-

dien sehr präsent und dies auch in Zusammenhang mit WhatsApp. Es stellt sich nun die

Frage, weshalb diese Bildelemente so beliebt sind und wie sie gebraucht werden. Dieser

Frage soll in Bezug auf die WhatsApp-Kommunikation nachgegangen werden. Neben

den Funktionen sollen anhand eines kleinen Korpus auch einige Aussagen zur Häufig-

keit gemacht werden. Es wurden 1297 Einzelnachrichten von insgesamt zehn verschie-

denen Personen untersucht. Dabei ist anzumerken, dass der Gebrauch von Emojis sehr

individuell ist. Gewisse WhatsApp-Nutzer verwenden sie sehr häufig, andere weniger.

Zudem hat jeder Nutzer, der die Bildelemente verwendet, gewisse Lieblingsemojis,

welche er auch am häufigsten benutzt. Die Liste der zuletzt verwendeten Emojis in

WhatsApp trägt zusätzlich zur Wiederholung bei. Dies lässt darauf schliessen, dass das

Ergebnis anders ausgefallen wäre, wenn man Nachrichten anderer Personen untersucht

hätte. Da also nur Einzelnachrichten von insgesamt zehn verschiedenen Personen und

nur sehr wenige Nachrichten untersucht wurden, ist eine verallgemeinernde Aussage auf

17 Siehe http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/kultur/verhunzen_die_smileys_unsere_sprache/ <10.03.2015>. 18 Siehe http://www.nzz.ch/wissenschaft/bildung/sie-lachen-sie-kuessen-und-sie-weinen-1.18520880 <16.04.2015>. 19 Siehe http://kurier.at/lebensart/leben/emojis-kunterbunte-hieroglyphen/111.804.352 <19.03.2015>.

10

wissenschaftlicher Basis nicht möglich – was jedoch auch nicht angestrebt wurde. Die

vorliegende Arbeit soll lediglich einen Einblick in die Verwendung von Emojis in

WhatsApp geben.

4. Emoticons

Da es sich bei der WhatsApp-Kommunikation um eine Keyboard-to-Screen-

Kommunikation handelt, fehlt im Gegensatz zur Face-to-Face-Kommunikation die phy-

sische Anwesenheit der beteiligten Personen. Dadurch ergeben sich grundlegende Un-

terschiede: Während sich die Face-to-Face-Kommunikation bewusst oder unbewusst

sprachlicher, aber auch non-, paraverbalen und intonatorischen Signale bedient, be-

schränkt sich der Kontakt per Bildschirm und Tastatur hauptsächlich auf die textuelle

Dimension. (vgl. Kaczmarek 2012, 98) Dadurch ergeben sich Probleme und Missver-

ständnisse – z.B. wenn der Rezipient der sprachlichen Nachricht nicht realisiert, dass

der Produzent etwas ironisch meint. Dies war auch der Grund, weshalb man das Smiley

überhaupt erst erfunden hat. Scott E. Fahlman gilt als „inventor of the sideways smiley

face”. Es stellt sich die Frage, wie es dazu kam:

By the early 1980’s, the Computer Science community at Carnegie Mellon was making heavy use of online bulletin boards or “bboards”. These were a precursor of today’s newsgroups, and they were an important social mechanism in the department – a place where faculty, staff, and students could discuss the weighty matters of the day on an equal footing. […] Given the nature of the community, a good many of the posts were humorous (or attempted humor). The problem was that if someone made a sarcastic remark, a few readers would fail to get the joke, and each of them would post a lengthy diatribe in response. That would stir up more people with more responses, and soon the original thread of the discussion was buried. In at least one case, a humorous remark was interpreted by someone as a serious safety warning.20

Man begann also, nach Wegen zu suchen, diese Missverständnisse zu umgehen: This problem caused some of us to suggest (only half seriously) that maybe it would be a good idea to explicitly mark posts that were not to be taken seriously. After all, when using text-based online communication, we lack the body language or tone-of-voice cues that convey this infor-mation when we talk in person or on the phone. Various “joke markers” were suggested, and in the midst of that discussion it occurred to me that the character sequence :-) would be an elegant solution – one that could be handled by the ASCII-based computer terminals of the day. So I suggested that. In the same post, I also suggested the use of :-( to indicate that a message was meant to be taken seriously, though that symbol quickly evolved into a marker for displeasure, frustration, or anger.21

In den darauffolgenden Jahren suchte man immer nach neuen Mitteln, Mimik und Ges-

tik zu imitieren, denn bei der Produktion getippter Gespräche müssen neue Techniken

für den Ausdruck des Nonverbalen herangezogen werden, die in der schriftlichen

20 Siehe https://www.cs.cmu.edu/~sef/sefSmiley.htm <19.03.2015>. 21 Siehe https://www.cs.cmu.edu/~sef/sefSmiley.htm <19.03.2015>.

11

Kommunikation mittels textueller oder graphischer Codierung möglich sind. Auch kör-

perliche Ausdruckselemente wie beispielsweise Erröten, Erblassen und Schwitzen ver-

suchte man mittels graphischer Formen auszudrücken. Im Gegensatz zur Face-to-Face-

Kommunikation wird dies in der Keyboard-to-Screen-Kommunikation jedoch bewusst

und absichtlich gemacht. Wegen des fehlenden Blickkontakts verdeutlichen Emoticons

also nicht nur Gesichtszüge, sondern auch emotionale Konditionen und physische Er-

scheinungen. (vgl. Kaczmarek 2012, 100-105)

In der internetvermittelnden Kommunikation wird neben bestimmten Wörtern, Majus-

keln oder Graphemwiederholungen besonders häufig auf solche Emoticons zurückge-

griffen, um expressive Bedeutungen auszudrücken. Das Lexem Emoticon setzt sich zu-

sammen aus emotion und icon. (vgl. Marx/Weidacher 2014, 147) Ihnen kommt auch in

der WhatsApp-Kommunikation eine wichtige Funktion zu: Durch sie können para-

sprachliche Phänomene wie ein Lächeln ersetzt werden. Insgesamt versucht man also

durch Emoticons, Mimik, Gestik und andere körperliche Ausdruckselemente der Face-

to-Face-Kommunikation in die Keyboard-to-Screen-Kommunikation zu übertragen.

(vgl. Schnitzer 2014, 118-123) Waren es früher in der „alten SMS-Kommunikation“ –

mittels Handys mit Zahlentastatur – Kombinationen von Satzzeichen, mit denen man

solche Smileys erzeugen musste, so gibt es mittlerweile eine ganze Auswahl an Emoti-

cons, die über eine separate Tastatur ausgewählt und eingefügt werden können (vgl.

Abb. 3).

Abb. 3: Emoticons

4.1 Funktionen auf pragmatischer Ebene

Emoticons können verschiedene für die Bedeutung einer sprachlichen Äusserung rele-

vante Funktionen haben. Die grundlegende Funktion von Emoticons wurde bereits deut-

lich: Durch die räumliche Distanz zwischen den Interaktionspartnern mussten neue

Ausdrucksformen entwickelt werden, um beispielsweise Gefühlsreaktionen ausdrücken

12

zu können (vgl Kaczmarek 2012, 93). Emoticons können also verwendet werden, um zu

verdeutlichen, wie eine Aussage gemeint ist. Auch Christa Dürscheid und Karina Frick

stellen fest, dass Emoticons in WhatsApp analog zur SMS ebenfalls häufig in der

Kommentarfunktion verwendet werden – etwa um die Modalität einer Aussage zu

kennzeichnen, einen Sachverhalt zu kommentieren, zu bewerten oder gefühlsmässig

einzuordnen (vgl. Dürscheid/Frick 2014, 173).

Wenn Emoticons mit einem Text kombiniert werden, muss beides zusammen als Be-

deutungseinheit gesehen werden. Dabei werden sie – in den untersuchten Nachrichten –

den jeweiligen Sprechhandlungen fast immer nachgestellt, selten vorangestellt oder in

den Verlauf der Äusserung eingebaut. Eine erste Funktion von Emoticons auf pragmati-

scher Ebene ist es, zu kennzeichnen, wie eine Aussage gemeint ist, also „to signal the

propositional attitude that underlies the utterance and which would be difficult to identi-

fy without the aid oft the emoticon.“ (Yus 2014, 518) Die folgenden Beispiele zeigen

diese Funktion.

Abb. 4

Der Inhalt dieser Nachricht ist, dass der Produzent und der Rezipient der Nachricht Lei-

densgenossen sind und beide „flachliegen“. Durch die Emoticons wird die Interpretation

dieser Äusserung vereinfacht, indem durch sie verdeutlicht wird, dass beide krank sind.

Bei diesem Beispiel wird das Befinden durch die drei Emoticons Weary Face22, Face

with Medical Mask und Sleepy Face verdeutlicht. Das Emoticon Sleepy Face zeigt be-

reits, dass Emoticons ambigue sind, denn in diesem Zusammenhang versteht man es

vielmehr als Gesichtszeichen, das Schnupfen hat und nicht als schläfriges Gesicht.

Abb. 5

In Abbildung 5 wird durch die beiden Emoticons Unamused Face und Pensive Face

verdeutlicht, dass der Produzent der Nachricht bedauert, dass der Rezipient alleine essen

muss. Ohne die Bildzeichen wäre es nicht möglich, das Bedauern zu identifizieren.

22 Die Bezeichnungen der Emojis sind aus www.typografie.info <24.03.2015> entnommen.

13

Bei der Kombination von Emoticons mit sprachlichen Äusserungen ergibt sich als wei-

tere Funktion die Hervorhebung. Bei dieser Funktion wird das Befinden verbal ausge-

drückt und durch Emoticons verstärkt. (vgl. Marx/Weidacher 2014, 148) Diese Funkti-

on soll durch vier Beispiele verdeutlicht werden.

Abb. 6

Die Aussage dieser Nachricht ist, dass die Person sich hinlegt, da sie sehr müde ist. Das

MÜDE SEIN wird nun durch das treffende Emoticon Sleeping Face hervorgehoben.

Abb. 7

In Abbildung 7 wird die Aussage, dass man entsetzt und empört ist, durch das Emoticon

Flushed Face hervorgehoben, welches in diesem Zusammenhang jedoch als schockier-

tes Gesicht und nicht nur als errötetes Gesicht zu interpretieren ist.

Abb. 8

In Abbildung 8 wird die Aussage „Es macht mich froh“ durch das Emoticon Smiling

Face with Smiling Eyes hervorgehoben und dadurch die Freude im Bildzeichen sichtbar

gemacht. Auch Interjektionen und Onomatopoetika, die selbst schon sehr expressiv

sind, können durch Emoticons hervorgehoben werden, was in Abbildung 9 deutlich

wird: In diesem Beispiel wird ein Lachen nachgeahmt und durch die beiden Face with

Tears of Joy Emoticons deutlich hervorgehoben.

Abb. 9

Neben den genannten Funktionen kann ein Emoticon auch benutzt werden, um eine

Aussage zu illustrieren, ohne direkt auf die Stimmung des Produzenten zu verweisen,

was in Abbildung 10 verdeutlicht werden kann.

14

Abb. 10

Hier werden die Ferien mit Sonne in Beziehung gesetzt, worauf ein Smiling Face With

Sunglasses zur Illustrierung folgt. Piktogrammen kommt jedoch bei dieser Funktion

eine grössere Bedeutung zu, was weiter unten noch genauer thematisiert wird.

Als eine weitere Funktion von Emoticons ergibt sich die Abschwächung bzw. Relativie-

rung einer Äusserung. Dabei fungieren sie als Emotionsregulatoren: Sie dienen dazu,

schriftlich fixierten Mitteilungen die Schärfe zu nehmen. (vgl. Marx/Weidacher 2014,

149) Dabei wird die illokutionäre Kraft eines Sprechaktes gemildert (vgl. Yus 2014,

520). Laut Verena Thaler können Emoticons somit zur Abschwächung einer face-

bedrohenden Handlung beitragen. Dabei bewirken sie eine Modifikation der illokutio-

nären Kraft derjenigen Äusserung, der sie hinzugefügt werden. Nach der Höflichkeits-

theorie von Brown/Levinson bedeutet der Begriff face das positive Selbstbild, das jeder

Mensch vor sich und seinen Mitmenschen aufrechterhalten will. (vgl. Thaler 2012, 42)

Somit wird versucht, durch die ausgleichende Wirkung der Emoticons die Gefahr einer

Beziehungsstörung zu verhindern, sodass eine Kritik, ein Vorwurf oder eine Aufforde-

rung nicht als direkter Angriff verstanden werden (vgl. Thaler 2012, 169). Häufig wer-

den für solche Modifikationen lächelnde oder lachende Emoticons benutzt, um die po-

tenzielle face-Bedrohung zu entschärfen. Hinter eine Kritik wird also beispielsweise ein

lächelndes Emoticon hinzugefügt, um eine ausgleichende Wirkung zu erzielen. (vgl.

Thaler 2012, 167-169) Die Funktion der Abschwächung bzw. Relativierung zeigt er-

neut, wie wichtig es ist, sprachliche Äusserungen und Emoticons als Bedeutungseinheit

zu sehen, da Letztere die Illokution einer Äusserungen modifizieren können und somit

deren kommunikative Bedeutung wesentlich mitbestimmen (vgl. Thaler 2012, 171).

Diese Funktion soll anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden.

Abb. 11

In Abbildung 11 wird der Wunsch geäussert, dass die Person nicht immer so „zickig“

sein soll, was als indirekter Vorwurf verstanden werden kann. Dieser kritischen Aussa-

15

ge wird jedoch durch das Emoticon Smiling Face with Open Mouth and Smiling Eyes

die Schärfe genommen.

Abb. 12

Die Beleidigung in Abbildung 12 wird durch die abschwächenden Emoticons Grinning

Face with Smiling Eyes und Face with Tears of Joy relativiert: Der Aussage wird die

Schärfe genommen und damit wird die Gefahr einer face-Bedrohung verhindert.

Abb. 13

Das Beispiel in Abbildung 13 zeigt, wie eine Person der anderen Vorschriften macht:

Sie soll besser auf die Ernährung achten und nicht immer nur Pizza, sondern auch Ge-

müse essen. Wenn diese Nachricht ohne die regulierenden Emoticons verfasst worden

wäre, könnte es durchaus eine „beziehungsgefährdende Aussage“ sein, denn wer lässt

sich schon gerne vorschreiben, was man essen soll. Doch durch die beiden Emoticons

Smiling Face with Open Mouth and Smiling Eyes und Smiling Face with Smiling Eyes

wird diese Gefahr verhindert.

Der illokutionäre Akt eines Sprechaktes kann jedoch auch verstärkt werden, was in Ab-

bildung 14 gezeigt wird: Die Aufforderung „Lass mich in Ruhe“ wird durch das Angry

Face Emoticon verstärkt.

Abb. 14

Emoticons können auch dazu dienen, eine humoristische Äusserung zu kennzeichnen.

Dabei wird durch das Emoticon der Wahrheitsgehalt einer Äusserung umgekehrt und

verdeutlicht, dass man die Äusserung nicht wörtlich nehmen darf (vgl. Marx/Weidacher

2014, 148). Durch Emoticons können also Scherze gekennzeichnet und somit Missver-

ständnisse vorgebeugt werden.

16

Abb. 15

Abb. 16

In den Abbildungen 15 und 16 wird durch die Emoticons Smiling Face with Open

Mouth and Smiling Eyes und Face with Stuck-Out Tongue and Winking Eye verdeut-

licht, dass man die Aussage nicht wörtlich nehmen soll und sie nicht ernst gemeint ist.

Abbildung 16 zeigt, dass es eine deutlich negative Aussage wäre, wenn man nur die

textuelle Komponente betrachtet, doch durch das Emoticon Face with Stuck-Out

Tongue and Winking Eye wird der Wahrheitsgehalt der Äusserung umgekehrt.

Eine weitere Funktion, die eng damit verbunden ist, ist die Kennzeichnung von Ironie.

Dabei wird der Wahrheitsgehalt der Äusserung ebenfalls durch das Emoticon umge-

kehrt. Die Ironie kann im folgenden Beispiel veranschaulicht werden.

Abb. 17

Der Aussage „Bad reinigen ist so lässig“ werden drei Grinning Face with Smiling Eyes

Emoticons hinzugefügt und damit die Ironie kenntlich gemacht. Auch der Wahrheitsge-

halt der Äusserung „Ich freue mich wahnsinnig auf das Montpellier-Revival“ wird

durch das Face with Stuck-Out Tongue and Winking Eye umgekehrt.

Die Bezeichnung Emoticon generiert bereits, dass es grundsätzlich um Gefühlszustände

geht. So kann als eine letzte Funktion auf pragmatischer Ebene der Ausdruck von Emo-

tionen und Gefühlen gesehen werden, was jedoch eng mit der erst genannten Funktion

verbunden ist, doch Yus merkt an: „Feelings and emotions (and the affective attitudes

attached to utterances) are different from propositional attitudes, but the dividing line is

often blurred.“ (Yus 2014, 522) Bei dieser Funktion wird also mit Hilfe eines Emoti-

cons eine gewisse Emotion oder ein gewisses Gefühl verdeutlicht.

17

Abb. 18

In Abbildung 18 wird mit Hilfe von Emoticons auf den Gefühlszustand des Verfassers

verwiesen: Nach der eher neutralen sprachlichen Äusserung wird durch die beiden

Crying Face Emoticons die Stimmung deutlich gemacht.

Abb. 19

Auch bei diesem Beispiel wird die Emotion, die man gerade empfindet, durch das Emo-

ticon Unamused Face kenntlich gemacht. Obwohl die Emoticons also zur richtigen In-

terpretation der Äusserung dienen, sind sie selbst mit Missverständnissen verbunden,

denn sie können ambigue sein, was weiter oben bereits angesprochen wurde. Dies wird

beispielsweise beim Emoticon Face Savouring Delicious Food deutlich.

Abb. 20

Dieses Emoticon bezieht sich normalerweise auf schmackhaftes Essen – wie in

Abbildung 20 – , doch es wird beispielsweise auch synonym zum Face with Stuck-Out

Tongue and Winking Eye verwendet, wie man in den Abbildung 21 und 22 sehen kann:

Abb. 21 Abb. 22

4.2 Funktionen auf syntaktischer Ebene

Bis anhin wurden Emoticons im Zusammenhang mit sprachlichen Äusserungen betrach-

tet. Da es mittlerweile jedoch so viele verschiedene Emoticons gibt, braucht es nicht

18

immer einen begleitenden Text. Das folgende Beispiel soll zeigen, dass eine Verständi-

gung anhand von Emoticons – ohne Begleittext – möglich ist.

Abb. 23

Durch die drei erröteten Pouting Face Emoticons wird die Wut sehr deutlich. Der Ge-

sprächspartner versucht nun, durch die Emoticons Smiling Face with Smiling Eyes, Smi-

ling Face with Open Mouth and Smiling Eyes und Kissing Face With Closed Eyes die

Stimmung zu verbessern, was gelingt, da nun drei Angry Face Emoticons verwendet

werden, was aufgrund der fehlenden roten Gesichtsfarbe eine Abschwächung bedeutet.

Die Wut sowie der Versuch des Gesprächspartners, diese zu schlichten, kann also ohne

Text verdeutlicht werden. Es kommt auch vor, dass Emoticons alleine – ohne Begleit-

text – als Reaktion auf eine Aussage oder auf ein empfangenes Bild verwendet werden,

wie in den Abbildungen 24 und 25.

Abb. 24

In Abbildung 24 wird die Freude über das Bild und die Tatsache, dass man die Kanin-

chen süss findet, nicht durch eine sprachliche Äusserung verdeutlicht, sondern durch

drei Smiling Face With Heart-Shaped Eyes Emoticons. Die Emoticons können also ge-

wissermassen für einen ganzen Satz bzw. für eine ganze Aussage stehen.

19

Abb. 25

In Abbildung 25 wird als Reaktion keine sprachliche Äusserung, sondern nur ein Emo-

ticon verwendet. Durch ein Pensive Face wird deutlich gemacht, dass man es bedauert.

In den erwähnten Beispielen nehmen die Emoticons also die Rolle von Wörtern oder

gar Sätzen ein.

Wenn man wieder Kombinationen von Schrift- und Bildzeichen betrachtet, kann man

eine weitere Funktion beobachten – jedoch nicht auf pragmatischer, sondern auf syntak-

tische Ebene. In den hier untersuchten Nachrichten lässt sich beobachten, dass nach

einer neutralen sprachlichen Äusserung oftmals ein Smiley anstatt eines Punkts gesetzt

wird. Es lässt sich also die These aufstellen, dass das Emoticon häufig den Punkt ersetzt

und dies als eine weitere Funktion gesehen werden kann. Das Emoticon kann also auf

syntaktischer Ebene die Interpunktion ersetzen, was sehr häufig vorkommt.

Als eine weitere Funktion auf syntaktischer Ebene könnte die Referenz für ein Verb

oder Adjektiv gesehen werden. Anstelle des Wortes froh im Satz „Ich bin froh“ könnte

das Emoticon Smiling Face with Smiling Eyes stehen oder anstelle des Wortes schwit-

zen im Satz „Ich schwitze“ das Emoticon Face with Cold Sweat. Diese Funktion wurde

jedoch in den untersuchten Nachrichten nicht ersichtlich.

4.3 Häufigkeit

In den 1297 Einzelnachrichten kamen insgesamt 816 Emoticons vor – und 31 verschie-

dene. Interessanterweise wurde in den untersuchten Nachrichten häufig auf die alten

Zeichenkombinationen zurückgegriffen, anstatt aus der grossen Anzahl der zur Verfü-

gung stehenden Emoticons auszuwählen: 293 davon bestanden aus solchen alten Zei-

chenkombinationen, also immerhin 36% der gesamten Emoticons. Die folgende Tabelle

gibt einen Überblick:

20

Emoticon Häufigkeit

:) 182

;) 66

:D 14

:-) 13

:( 10

:P 4

:S 2

:O und :/ 1

Ein Grund für das Zurückgreifen auf diese älteren Formen könnte die grosse Auswahl

der in WhatsApp zur Verfügung stehenden Emoticons sein. Es ist zeitsparender, schnell

eine Zeichenkombination in die virtuelle Tastatur einzugeben, anstatt das passende

Emoticon zu suchen. Dennoch wird überwiegend auf die kleinen gelben Bildelemente

zurückgegriffen. Die folgende Tabelle zeigt die am häufigsten verwendeten:

Rang Emoticon Bezeichnung Häufigkeit

1 Face with Tears of Joy 153

2 Grinning Face with Smiling Eyes 52

3 Face Throwing a Kiss 49

4

Smiling Face with Smiling

Eyes/White Smiling Face23 43

5 Winking Face 41

6

und

Smiling Face with Open Mouth and

Smiling Eyes und Face with Stuck-

Out Tongue and Winking Eye

38

7 Smiling Face With Open Mouth 34

8 Flushed Face 26

9 Crying Face 12

10 Pensive Face 11

23 Diese zwei Emoticons wurden nicht voneinander unterschieden.

21

Die genannten Häufigkeiten beschränken sich nur auf die untersuchten Nachrichten und

es sollen keine allgemeinen Aussagen getroffen werden, denn der Gebrauch von Emoti-

cons ist sehr individuell: Jeder benutzt sie unterschiedlich häufig und jeder hat bestimm-

te Lieblingsemoticons. Vergleichend dazu sollen die „Top 20 Emojis“ betrachtet wer-

den, die sich aus den ersten Ergebnissen des Forschungsprojektes „What’s up, Switzer-

land?“ ergeben haben:

Abb. 26: Top 20 Emojis der vorläufigen Ergebnisse aus den ersten zwei Wochen des Projekts „What’s up, Switzerland?“ (Stark et al. 2014, 5)

Man sieht, dass sich die Emoticons Face with Tears of Joy, Face Throwing a Kiss,

Winking Face, Smiling Face with Open Mouth and Smiling Eyes und Face with Stuck-

Out Tongue and Winking Eye in beiden Tabellen ähnlicher Beliebtheit erfreuen. Auch

die Emoticons White Smiling Face, Smiling Face With Open Mouth und Flushed Face

ergaben sich bei beiden Untersuchungen als sehr beliebt. Das Emoticon Grinning Face

with Smiling Eyes, welches im Korpus dieser Arbeit am zweithäufigsten verwendet

wurde, wird unter den Top 20 Emojis jedoch nicht aufgeführt. Auch die beiden

Emoticons Crying Face und Pensive Face werden unter den Top 20 Emojis nicht

22

aufgeführt. Als mögliche Entsprechungen könnten jedoch die Emoticons Loudly

Crying Face und Face with Cold Sweat gesehen werden.

Trotz der beschränkten Aussagekraft der untersuchten Nachrichten erkennt man, wie

häufig Emoticons verwendet werden. Der am 15. Oktober 2014 erschienene Artikel im

St. Galler Tagblatt „Viele, Viele bunte Symbole“ thematisiert ebenfalls die häufige

Verwendung dieser Bildelemente und zitiert dabei Christa Dürscheid vom Deutschen

Seminar der Universität Zürich: „Wer eine Nachricht nicht mit einem Smiley oder Bild

abschliesst, sendet heute beinahe eine negative Beziehungsbotschaft.“ (Bula 2014, 21)

In den hier untersuchten Nachrichten lässt sich beobachten, dass nach einer neutralen

sprachlichen Äusserung oftmals ein Smiley anstatt eines Punkts gesetzt wird. Diese Be-

obachtung stützt die Aussage von Christa Dürscheid, denn durch ein lächelndes Emoti-

con am Satzende wirkt eine neutrale Aussage positiver.

5. Piktogramme

Neben den Emoticons gibt es in WhatsApp zahlreiche andere Bildelemente, die hier

verallgemeinernd als Piktogramme bezeichnet werden. Zurzeit sind rund 800 Pikto-

gramme verfügbar, die in unterschiedliche Kategorien unterteilt sind und unter anderem

Tiere, Nahrungsmittel, Pflanzen und Alltagsgegenstände umfassen. Diese Bildelemente

sind ein grosser Unterschied zur „alten SMS“ mittels Handys mit Zahlentastatur, denn

wo Smileys noch relativ einfach anhand von Zeichenkombinationen gebildet werden

konnten, ist dies bei Piktogrammen fast unmöglich. Ein kleiner Vergleich anhand des

Weihnachtsmannes soll den grossen Unterschied zu früher verdeutlichen:

o-(:-{o{{{{24

Wenn man den Kopf beim zweiten Beispiel nach links dreht, kann man mit etwas Fan-

tasie ebenfalls ein Weihnachtsmann erkennen. Da Piktogramme jedoch mehr oder we-

niger unmittelbar verständlich sein sollten, kann dies nicht als solches bezeichnet wer-

den. Wie oben beschrieben, wird die Anzahl an auf dem Smartphone verfügbaren Pik-

togrammen immer grösser und es stellt sich auch hier die Frage, weshalb sie verwendet

werden und welche Funktionen sie einnehmen.

24 Aus Aeschbacher (2008, 99).

23

5.1 Funktionen auf pragmatischer Ebene

Auch beim Zusammenspiel von Text und Piktogrammen ergeben sich verschiedene

Funktionen auf pragmatischer Ebene. Piktogramme können – wie Emoticons – ebenfalls

etwas über die Befindlichkeit und Stimmungslage des Produzenten ausdrücken (vgl.

Arens 2014, 87). Ein Beispiel dafür ist das Piktogramm See-No-Evil Monkey, das in den

untersuchten Nachrichten relativ häufig vorkommt. Dieses Piktogramm kann verdeutli-

chen, dass man etwas bedauert oder dass man die Augen vor einer negativen Tatsache

verschliessen möchte, wie in Abbildung 27 und 28.

Abb. 27

Abb. 28

Wie Emoticons können Piktogramme dazu verwendet werden, bereits versprachlichte

Elemente hervorzuheben. In Abbildung 29 wird die sprachliche Äusserung durch das

Hinzufügen von fünf Happy Person Raising One Hand Piktogrammen hervorgehoben,

indem das Winken durch Bildzeichen sichtbar gemacht wird.

Abb. 29

In der Face-to-Face-Kommunikation wird ein Gespräch fast immer durch Gesten unter-

stützt. Dies ist in der WhatsApp-Kommunikation zwar nicht möglich, doch gewisse

Piktogramme können die Funktion der redebegleitenden Geste übernehmen (vgl. Arens

2014, 88). Diese Funktion wird in den Abbildungen 30 und 31 ersichtlich: Durch die

beiden Piktogramme Thumbs Up Sign und OK Hand Sign wird eine Geste nachgeahmt.

Abb. 30

24

Abb. 31

Eine weitere Funktion von Piktogrammen ist die Illustrierung oder Kommentierung

einer Aussage. Diese Funktion kommt besonders häufig vor und dient zur Veranschau-

lichung und bildlichen Gestaltung des geschriebenen Textes (vgl. Arens 2014, 89).

Abb. 32

In Abbildung 32 wird die Aussage „Schlaf gut“ durch die Piktogramme Glowing Star,

Raised Hand, First Quarter Moon With Face und das Emoticon Sleeping Face

illustriert. Das Piktogramm Two Women Holding Hands bezieht sich eher auf die erste

Aussage „Ich habe gerade an dich gedacht“, da die Unterhaltung zwischen zwei Frauen

stattfindet. Durch das Hinzufügen dieser Piktogramme wirkt die Aussage

bedeutungsvoller. Auch Arens bemerkt, dass Aussagen durch die „Verbildlichung“

einprägsamer werden und persönlicher wirken (vgl. Arens 2014, 89). Im oberen

Beispiel wirkt die Aussage durch die Piktogramme um einiges persönlicher als die

Standardformel „Gute Nacht“ alleine.

Abb. 33

Bei diesem Beispiel wird die Aussage, dass man das Badezimmer putzen wird, durch

die drei passenden Piktogramme Toilet, Bathtub und Shower illustriert. Die textuelle

Komponente wird dem Rezipienten durch diese drei Bildelemente vor Augen geführt.

Abb. 34

In Abbildung 34 wird das „neue Spiel“ ebenfalls durch die passenden Piktogramme

Video Game, Alien Monster, Playing Card Black Joker und Game Die illustriert.

25

Abb. 35

Abbildung 35 zeigt, wie das „Mittagessen“ durch zwei passende Piktogramme –

Spaghetti und Slice Of Pizza – illustriert wird. Auf pragmatischer Ebene erweitern Pik-

togramme den schriftlichen Text also oft um eine anschauliche bildhafte Komponente

und stehen meistens in Beziehung zum Referenzsubjekt (vgl. Arens 2014, 100).

5.2 Funktionen auf syntaktischer Ebene

Neben den erwähnten Funktionen, die alle Kommentarfunktionen darstellen, bieten sich

die zahlreichen Piktogramme für weitere Verwendungsweisen an. Philip Bethge spricht

gar von einer „Invasion bunter Bildchen, die sich manchmal schon zu ganzen Sätzen

formieren und damit die jahrhundertelange Herrschaft der Buchstaben infrage stellen.“

(Bethge 2015, 114) Das folgende Beispiel zeigt, dass eine Aussage nicht nur mit Hilfe

von Buchstaben, sondern auch durch eine Abfolge von Piktogrammen gemacht werden

kann. Statt dem Satz „Es ist so schlechtes Wetter“ werden Umbrella With Rain Drops,

Cloud und High Voltage Sign Piktogramme verwendet.

Abb. 36

Der Rezipient einer Nachricht kann ebenfalls nur mit Hilfe von Piktogrammen – ohne

auf Schriftzeichen zurückzugreifen – reagieren. Im untersuchten Korpus wurde auf die

Frage „Chan öpert vo eu nos papier use tue...“ nur mit zwei Thumbs Up Sign Pikto-

grammen reagiert bzw. geantwortet, was verständlich war, denn anschliessend folgte ein

„Daankr [sic!]“ der ersten Person.

Piktogramme können nicht nur anstelle von ganzen Aussagen stehen, sondern auch ge-

wisse Wörter im Satz oder Teile eines Wortes ersetzten. In diesem Fall werden Schrift-

mit Bildzeichen kombiniert und anstelle eines Substantivs kann beispielsweise ein Pik-

togramm eingefügt werden. Das Bildzeichen ist in diesem Fall die Referenz für ein

26

Substantiv. Abbildung 37 zeigt diese Referenzfunktion: Es zeigt das sogenannte

„>piktorale< Schreiben“ (Dürscheid/Frick 2014, 173). Statt des Substantivs Sonne wird

das Piktogramm Black Sun With Rays eingefügt, gefolgt von einem Emoticon mit

Sonnenbrille zur Illustrierung. Das Substantiv Getränke ist ebenfalls durch die

Piktogramme Cocktail Glas, Beer Mug und Tropical Drink ersetzt. Das Piktogramm

Surfer ist jedoch nicht mehr ganz eindeutig: Es könnte in diesem Zusammenhang

beispielsweise für Wellen oder Meer stehen.

Abb. 37

In Abbildung 38 wird das Substantiv Rakete durch das Piktogramm Rocket ersetzt und

die Aussage wird durch die Illustrierung anhand des Collision Symbol verstärkt.

Abb. 38

In Abbildung 39 wird nicht ein Substantiv, sondern ein Verb ersetzt: Das Piktogramm

Fishing Pole And Fish steht für das Verb angeln. Interessanterweise wird hier das

Piktogramm sogar als flektiertes Verb benutzt, was im Kontext ohne weiteres zu

verstehen ist.

Abb. 39

In Abbildung 40 wird nicht ein ganzes Wort, sondern nur ein Teil des Wortes durch ein

Bildzeichen ersetzt: Der zweite Teil des Substantivkompositums Versuchskanninchen

wird durch das Piktogramm rabbit face ersetzt.

27

Abb. 40

Piktogramme können also neben der Kommentarfunktion auch eine Referenzfunktion

übernehmen. Dabei muss der Empfänger die Piktogramme durch das Übertragen vom

bildlichen in den sprachlichen Kode in den Text eingliedern (vgl. Dürscheid/Frick 2014,

174).

All die aufgeführten Beispiele wären auch ohne Piktogramme verständlich. Statt der

Bildzeichen können die Wörter geschrieben werden, eine Illustrierung ist nicht nötig,

denn der Text genügt für das Verständnis. Es stellt sich also die Frage, wieso man sich

den grösseren zeitlichen Aufwand macht, um einen Text mit Piktogrammen zu gestal-

ten. Eine mögliche Antwort ist, dass man die Verwendung von Piktogrammen als Spie-

lerei betrachten kann. Für diese Erklärung spricht der Umstand, dass sie manchmal ver-

wendet werden, obwohl man die Aussage anschliessend noch erklären muss, da es ohne

Text nicht verständlich wäre. In den drei folgenden Beispielen wird der erklärende Text

jeweils in Klammern hinter die verwendeten Piktogramme und Emoticons gesetzt. Zeit-

ersparnis kann also nicht der Grund für die Verwendung der Piktogramme sein, denn

hier wurde gleich doppelter Aufwand betrieben. Es handelt sich in den folgenden Bei-

spielen um eine Spielerei, die eine Nachricht auflockert und spezieller macht.

Abb. 41

In Abbildung 41 wurde anstatt des Substantivkompositums Scherzkeks das Emoticon

Face with Tears of Joy für den ersten Teil und das Piktogramm Cookie für den zweiten

Teil des Kompositums verwendet. Da diese Bilderkombination nicht verständlich ist,

muss es anschliessend in Klammern erklärt werden. In Abbildung 42 wird die Aussage

„Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen“ durch die Piktogramme Gem Stone,

Heavy Black Heart, Black Rightwards Arrow und Office Building illustriert. Diese Il-

lustrierung ist jedoch nicht vollständig verständlich, weshalb sie durch einen Text in

Klammern erklärt wird. Dabei wird erneut auf ein Piktogramm zurückgegriffen, um den

ersten Teil des Substantivkompositums Wolkenkratzer mit dem Piktogramm Cloud zu

ersetzten.

28

Abb. 42

Das letzte Beispiel zeigt, wie die Bezeichnung „Frau Blumenkohl“ durch die beiden

Piktogramme Happy Person Raising One Hand und Melon illustriert werden. Da es

keinen Blumenkohl als Piktogramm gibt, wurde eine Melone gewählt und dies an-

schliessend in Klammern erklärt.

Abb. 43 Dies zeigt erneut, dass die Verwendung dieser Bildchen als Spiel zu betrachten ist, als

„fröhliche Farbtupfer im eintönigen Buchstabenwald“25. Sie können laut Christa Dür-

scheid als Stilmittel gesehen werden, „auf das Insider nicht mehr verzichten wollen“

(Bula 2014, 21). Dass es ein Stilmittel ist, zeigt auch die Beobachtung, dass auch ältere

Personen nicht mehr auf die bunten Bildelemente verzichten wollen, was Abbildung 44

verdeutlichen soll: Diese Nachricht stammt von einer Frau, die etwas älter als 50 Jahre

ist. Wie man sehen kann, ist die Nachricht gespickt von diesen Bildelementen. Es

scheint so, als könne man nicht mehr behaupten, dass besonders junge Menschen auf

Emoticons – und nun auch Piktogramme – zurückgreifen, wie es Caroline Schnitzer in

ihrer Dissertation in Bezug auf die SMS-Kommunikation getan hat: „Sehr deutlich ist,

dass die jüngeren SMS-Schreiber vermehrt zu Emoticons greifen. […] Die Älteren

verwenden kaum Emoticons“ (Schnitzer 2012, 125). Nun scheint es nicht mehr so zu

sein, doch möglicherweise werden die Ergebnisse von „What’s up, Switzerland?“ auch

auf die Frage nach dem Altersaspekt eine Antwort liefern.

25 Siehe http://kurier.at/lebensart/leben/emojis-kunterbunte-hieroglyphen/111.804.352 <19.03.2015>.

29

Abb. 44

5.3 Häufigkeit

In den 1297 Einzelnachrichten kamen insgesamt 260 Piktogramme vor und es wurden

76 verschiedene verwendet. Durchschnittlich kommt also auf jede fünfte Nachricht ein

Piktogramm, wobei die meisten nur vereinzelt vorkommen. Die fünf am häufigsten

verwendeten werden in folgender Tabelle aufgeführt:

Rang Piktogramm Bezeichnung Häufigkeit

1

und

See-No-Evil Monkey und Thumbs

Up Sign

35

2 Party Popper 34

3 Clapping Hands Sign 16

4 Black Sun With Rays 9

5

und

Face With OK Gesture und Happy

Person Raising One Hand 8

Die beiden Piktogramme Party Popper und Thumbs Up Sign gehören auch zu den „Top

20 Emojis“ von „What’s up, Switzerland?“ (siehe oben). Die restlichen werden jedoch

nicht erwähnt, was auf persönliche Vorlieben in den untersuchten Nachrichten

zurückzuführen ist. In Bezug auf die oben genannten Funktionen ist zu sagen, dass die

Referenzfunktion nur eine geringe Rolle spielt, denn von den 260 Piktogrammen kam

30

sie nur rund 30 mal vor. Besonders eine der zehn Personen des Korpus greift häufig auf

diese Referenzfunktion zurück. Wären also keine Nachrichten dieser Person untersucht

worden, wäre die Zahl noch geringer. Fast immer wurden die Piktogramme in

Kommentarfunktion verwendet, meistens um eine Aussage zu illustrieren.

6. Fazit und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit wurde der Gebrauch von Emojis in der WhatsApp-

Kommunikation thematisiert. Im ersten Teil wurde ein Überblick über WhatsApp und

über Emojis gegeben. Es hat sich gezeigt, dass die App mittlerweile sehr verbreitet ist

und dass auch Emojis sehr präsent sind, was die Medienberichte gezeigt haben. Im

zweiten Teil der Arbeit wurden die Emoticons betrachtet. Als Funktionen haben sich die

Kennzeichnung, wie eine Aussage gemeint ist, die Hervorhebung, die Illustrierung, die

Abschwächung bzw. Relativierung, die Verstärkung, die Kennzeichnung von Scherzen

und Ironie und das Ausdrücken von Gefühlen und Emotionen ergeben. Bei den im un-

tersuchten Korpus am häufigsten verwendeten Emoticons haben sich einige Parallelen

zu den „Top 20 Emojis“ des Projekts „What’s up, Switzerland?“ ergeben. Im letzten

Teil der Arbeit wurden die Piktogramme betrachtet. Es hat sich gezeigt, dass sie ver-

wendet werden, um auszudrücken, wie eine Aussage gemeint ist, um eine sprachliche

Äusserung hervorzuheben, um eine redebegleitende Geste nachzuahmen und um einen

Text zu illustrieren oder kommentieren. Zudem können diese Bildelemente stellvertre-

tend für ganze Aussagen, Sätze oder bestimmte Wortarten stehen. In den untersuchten

Nachrichten werden die Piktogramme besonders zur Illustrierung benutzt und, wie sich

gezeigt hat, sind sie als Spielerei oder Stilmittel zu betrachten.

Diese Arbeit soll lediglich einen Einblick in den Gebrauch der Emojis geben und zei-

gen, dass sie als Chance gesehen werden können, die sprachlichen Möglichkeiten im

Bereich der WhatsApp-Kommunikation zu erweitern und die Kommunikation lebendi-

ger und anschaulicher zu gestalten. In einem weiteren Schritt könnte beispielsweise da-

nach gefragt werden, wie oft die verschiedenen Geschlechter oder Altersgruppen diese

Bildzeichen benutzen.

31

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