Schule der Hohen Magie I -...

42
Schule der Hohen Magie I

Transcript of Schule der Hohen Magie I -...

Schule der Hohen Magie I

Frater V.·.D.·.

Schule der Hohen Magie IEinführung und Grundlagen der Praxis

Edition MagusPostfach 19

B-4760 BüllingenBelgien

Tel. /Fax: +32-80-549.247E-Mail: [email protected]

Web: www.eismagie.de

Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden.Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr.

Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten praktischen Hinweisen resultieren,

eine Haftung übernehmen.

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100 Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertifizierte Papier EOS

liefert Salzer Papier, St. Pölten, Austria.

Sonderausgabe 2011

Ansata VerlagAnsata ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH

ISBN 978-3-7787-7451-9

© 2001, 2011 by Ansata Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Alle Rechte sind vorbehalten. Printed in Germany.Umschlaggestaltung: Reinert & Partner Werbedesign, München

Satz: Leingärtner, NabburgDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Einstimmung und Einleitung 11Tabula Smaragdina Hermetis (lat.) 12 • Die Smaragdtafel des Her-mes Trismegistos (dt.) 13 • Einleitung oder: »Willkommen im Klub!« 14

Was ist Magie? 21

Gleich zur Praxis: Das Kleine Bannende Pentagrammritual 35Einführung in das Kleine Bannende Pentagrammritual 36 • Praxis des Kleinen Bannenden Pentagrammrituals 38 • Erläuterun-gen zum Kleinen Bannenden Pentagrammritual 41 • Praktische Übungen 52

Sigillenmagie (I) 57Einführung in die Sigillenmagie 58 • Praxis der Sigillenmagie (I) – DieWortmethode 62

Einführung in die Ritualistik (I) 77Magie ist Symbolhandlung 78 • »Visualisation und magische Sinnes-wahrnehmung 82 • Praktische Übungen 84

Einführung in die Ritualistik (II) 91Psychologie oder Spiritismus? 92 • Die Grundstrukturen des magi-schen Rituals 93 • Angewandter Paradigmenwechsel 97 • Die Wich-tigkeit der Erdung 102

Elementmagie 105Das Große Pentagrammritual 106 • Die Praxis des Großen Penta-grammrituals 107 • Weitere Erläuterungen zum Großen Penta-grammritual 113 • Die symbol-logische Unschärferelation und dieMagie 120 • Praktische Übungen 124

INHALTSVERZEICHNIS

6

I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

Planetenmagie (I) 129Einführung in das Hexagrammritual (I) 130 • Die Planetenkräfte inder Magie 133 • Die Symbol-Logik der Planetenzuordnung beimHexagramm 137 • Die Planetenprinzipien im Abriß 141 • Zur Aus-sprache des Hebräischen in der westlichen Magietradition 143

Einführung in die Ritualistik (III) 147Das Werkzeug des Magiers 148 • Der magische Tempel 151 • PraktischeÜbungen 155 • Die zweite Grundformel der Magie 158 • Die MagieAustin Osman Spares 166 • Sigillenladung und Todeshaltung 171

Planetenmagie (II) 173Einführung in das Hexagrammritual (II) 174

Einführung in die Ritualistik (IV) 179Die magische Robe 180 • Der Gürtel 184 • Das Stirnband 185 • DieSandalen 186 • Praktische Übungen 187 • Die Härtung der Aura desMagiers 192

Mantramistik (I) 195Einführung in die Mantramistik 196

Praktische Sigillenmagie (II) 199Mantrische Sigillen 200 • Die IAO-Formel 201 • Die Arbeit mit der IAO-Formel 202 • Exkurs: Die wunden Punkte der Magier-Seele (I) 206

Planetenmagie (III) 211Die Lehre von den Korrespondenzen (I) 212 • Einführung in das Hexa-grammritual (III) 217 • Praktische Übungen 228

Mantramistik (II) 233Mantras und Meditation 234 • Traditionelle Mantras 235 • Exkurs:Die wunden Punkte der Magier-Seele (II) 238 • Die Lehre von den Kor-respondenzen (II) 241 • Magie als Realitätstanz 242

7

I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

Einführung in die Ritualistik (V) 245Der magische Dolch 246 • Die Funktion von Weihrauch und Räu-chermitteln im Ritual 248 • Der Brenner 255 • Praktische Übun-gen 258

Mystik oder Magie? 261Das Überpersönliche und die Geheimwissenschaften 262 • Der Magierals Mystiker 263 • Der Magier als Anti-Mystiker 268

Praktische Sigillenmagie (III) 273Die Bildmethode 274 • Sigillenladung durch Visualisation 275 • Emo-tionen und Sigillenladung 276 • Die OMNIL-Formel 277 • DieOMNIL-Formel in der Praxis 278 • Der Gebrauch der OMNIL-For-mel 279 • Anmerkungen zur Imaginationsschulung 280 • Einführungin die Astromagie 282

Einführung in die Ritualistik (VI) 285Der magische Kelch 286 • Praktische Übungen 288 • Der magischeBlick (I) 294

Einführung in die Ritualistik (VII) 301Der magische Stab 302 • Der magische Spiegel 306 • Berichte aus dermagischen Praxis (I) 310 • Praktische Übungen 313 • Der magischeBlick (II) 314

Einführung in die Ritualistik (VIII) 319Das magische Schwert 320 • Die Krone und die Haube 326 • Dermagische Name 329 • Einführung in das Pan-Ritual 332 • Das Pan-Ritual 337 • Liber A’ash vel capricorni pneumatici 338 • Hymne anPan 341 • Berichte aus der magischen Praxis (II) 343 • PraktischeÜbungen 348

Einführung in die Geldmagie (I) 351»Geldmagie oder mit Dreck fängt man keine Mäuse« 352

8

I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

Einführung in die Ritualistik (IX) 363Das Pentakel 364 • Der Altar 369 • Magische Eide 372 • Berichte ausder magischen Praxis (III) 377 • Praktische Übungen 383

Einführung in die Geldmagie (II) 387Der Umgang mit Schulden 388 • Praktische Übungen 393 • DerMagische Wille und das Prinzip von Thelema (I) 394

Einführung in die Ritualistik (X) 399Das Lamen 400 • Der magische Ring 402 • Der Magische Wille unddas Prinzip von Thelema (II) 404 • Magie und freier Wille 407

Einführung in die Ritualistik (XI) 411Die magische Glocke 412 • Die magische Lampe 413

Strukturen magischer Trance (I) 415Die Dämpfungstrancen 416 • Berichte aus der magischen Praxis (IV) 423 • Praktische Übungen 426

Strukturen magischer Trance (II) 427Die Erregungstrancen 428

Planetenmagie (IV) 433Mondmagie 434 • Die Mondmagie in den klassischen Disziplinen 440 •Konkrete Anwendungen 441 • Hymne an Luna 443 • Hymne anHekate 444 • Exkurs: Karma und Magie 445 • Berichte aus der magi-schen Praxis (V) 448 • Praktische Übungen 453 • Glaubensbekenntniseines Kriegers 455

Die Paradigmen der Magie 457Das Geistermodell 458 • Das Energiemodell 461 • Das psychologischeModell: eine Zwischenstufe 464 • Das Informationsmodell: die Kyber-magie 467 • Die vier Magiemodelle am Beispiel des Exorzismus 471 •Geisterfallen 475

9

I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

Praktische Talismantik 479Talismane, Amulette und Fetische 480 • Der Venustalisman 481 • DasVenusamulett 482 • Der Venusfetisch 483 • Einige traditionelle Talis-mane und Amulette 485 • Zum Gravieren von Talismanen und Amu-letten 488 • Praktische Übungen 489

Einführung in die Chaos-Magie 493»Im Chaos hat man kein eigenes Antlitz« 494

Einführung in die Kybermagie 503Principia Kybermagica 504 • Die derzeitigen Hauptanwendungs-gebiete der Kybermagie 507 • Techniken der Informationsübertra-gung 508 • Das Abrufen kybermagisch übertragener Informatio-nen 512 • Kybermagie als »Technik der leeren Hand« 514

Einführung in die Ritualistik (XII) 517Geißel, Kette und – nochmals – Dolch 518 • Die Phiole und das Öl 520 • Ophitica 523

Verzeichnis der Praktischen Übungen 525

Nachtrag 528

EINSTIMMUNG

UND EINLEITUNG

12

E I N S T I M M U N G U N D E I N L E I T U N G

1. Verum, sine mendacio, certum etverissimum.

2. Quod est inferius, est sicut quod est superius, et quod est superius, est sicutquod est inferius, ad perpetranda miracula rei unius.

3. Et sicut omnes res fuerunt ab uno, meditatione unius: sic omnes res nataefuerunt ab hac una re, adaptatione.

4. Pater eius est Sol, mater eius est Luna; portavit illud ventus in ventre suo;nutrix eius terra est.

5. Pater omnis thelesmi totius mundi est hic.

6. Vis eius integra est, si versa fuerit in terram.

7. Separabis terram ab igno, subtile a spisso, suaviter cum magno ingenio.

8. Ascendit in coelum, iterumque descendit in terram, et recipit vim superiorumet inferiorum. Sic habebis gloriam totius mundi. Ideo fugiat a te omnisobscuritas.

9. Hic est totius fortitudinis fortitudo fortis; quia vincet omnem rem subtilem,omnemque solidam penetrabit.

10. Sic mundus creatus est.

11. Hinc adaptationes erunt mirabiles, quarum modus est hic.

12. Itaque vocates sum HERMES TRISMEGISTUS, habens tres partes Philoso-phiae totius mundi.

13. Completum est quod dixi de operatione Solis.

TABULA SMARAGDINA

HERMETIS

13

D I E S M A R A G D T A F E L D E S H E R M E S T R I S M E G I S T O S

1. Wahr ist es, ohne Lügeund gewiß.

2. Was oben ist, ist gleich dem, was unten ist, und was unten, istgleich dem, was oben ist, vermögend, die Wunder des Einen zuvollbringen.

3. Und wie alles aus Einem entspringt, durch das Sinnen des Einen,entspringt auch alles Gewordene durch Angleichung aus diesemEinen.

4. Sein Vater ist die Sonne, seine Mutter ist der Mond; der Wind hates in seinem Bauche getragen; die Erde ist seine Nährerin.

5. Dies ist der Vater der Allgestaltung.

6. Ungeteilt und vollkommen ist seine Kraft, wenn sie sich der Erdezukehrt.

7. Trenne die Erde vom Feuer, das Feine vom Groben, sanft, mitgroßem Geschick.

8. Es steigt von der Erde zum Himmel empor und steigt wieder herabauf die Erde und empfängt die Kraft des Oberen und des Unteren.So wirst du die Herrlichkeit der ganzen Welt erlangen. Und alleFinsternis wird von dir weichen.

9. Hier ist die Kraft der Kräfte, die alles Feine überwindet und allesFeste durchdringt.

10. Solcherart wird die Welt erschaffen.

11. Hiervon stammen die Angleichungen, deren Wesen hier mitgeteiltist.

12. Darum heißt man mich den Dreimalgrößten Hermes, der ich diedrei Teile der Weltenphilosophie besitze.

13. Vollendet ist, was ich über das Werk der Sonne verkündete.

(Aus dem Lateinischen von Frater V.·.D.·.)

DIE SMARAGDTAFEL DES

HERMES TRISMEGISTOS

14

E I N S T I M M U N G U N D E I N L E I T U N G

Magie – ein geheim-nisumwittertes

Wort, und dies schon seit Jahrtausenden. Wie viele Köpfe haben sichschon mit dieser wohl schwierigsten, vielseitigsten und faszinierend-sten aller Geheimwissenschaften befaßt, als Befürworter und als Geg-ner, als Adepten und als Unwissende! Magier galten (und gelten) oft alsverruchte Subjekte, die sich keiner fremden weltlichen Macht zu beu-gen wünschen; als Menschen, die den Frevel wagen, sich nicht mit demabspeisen zu lassen, was ihnen Religion und Gesellschaft, Priester undweltliche Herrscher als »Wirklichkeit« und »gesunde Grenzen derMoral und des Anstands« vorsetzen; als Menschen, die keinen Göttern,keinen Göttinnen dienen außer ihren eigenen, ob diese nun Hermesheißen mögen oder Hekate, Baal oder Baphomet, Lilith oder Luzifer,Idealismus oder Materialismus, Rationalismus oder Irrationalismus,Ich oder Selbst oder… oder… oder.

Schon immer war der Magier, war die Magierin Psychonauti-ker(-in), Seelenfahrer, jemand, der hinter den »Schleier der Isis« spähenwollte, ein Mensch, der nicht ruhte, bis er ergründet oder zumindesterahnt hatte, »was die Welt im Innersten zusammenhält«. Zoraster galtals Magier, aber ebenso Moses, Salomo und Milarepa, ja Jesus Christussogar; Raimundus Lullus gehörte zu dieser Schar Andersdenkender und– vor allem – auch Andershandelnder, Jacques de Molay, Agrippa von

Nettesheim, Theophrastus BombastusParacelsus, Doktor Faustus, AthanasiusKircher, Cagliostro, der Comte de SaintGermain … die Liste ließe sich beliebigverlängern, umfangreich mit wirkli-chen historischen Gestalten, schierunbegrenzt mit mythischen. Sie endet,trotz aller Verfolgung durch Kircheund Staat, auch in der Neuzeit nicht,

auch nicht im Zeitalter der sogenannten »Aufklärung«, des Rationalis-mus, des Materialismus. Zeugen unserer Zunft waren und sind RobertFludd, den man auch Robertus de Fluctibus hieß, Dr. John Dee, EdwardKelley, Frances Barrett, Alan Bennett, Eliphas Levi, Papus, Stanislas deGuaïta, Sâr Merodack Joséphin Péladan, Samuel Liddell McGregorMathers, Arthur Waite, Karl Kellner, Theodor Reuss, Aleister Crowley,Austin Osman Spare, Ludwig Staudenmaier, Musallam, Rah-OmirQuintscher, Herbert Fritsche, Franz Bardon, Gregor A. Gregorius …

EINLEITUNG ODER:

»WILLKOMMEN IM KLUB!«

Schon immer war der Magier, war die Magierin Psycho-

nautiker, Seelenfahrer.

15

E I N L E I T U N G O D E R : » W I L L K O M M E N I M K L U B ! «

Die Lebenden (und es werden ihrer immer mehr) wollen wir vondieser ohnehin unvollständigen Liste aus Gründen der Bescheidenheitund der mangelnden historischen Distanz vorläufig ausnehmen, siewerden uns dafür im Laufe unserer Ausführungen um so häufigerbegegnen.

Sie sehen also: Wenn Sie sich für den Weg der Magie entschei-den, befinden Sie sich in einer recht bunten Gesellschaft. Zu dieserzählen, wie in jeder großen Familie, Genies und herausragende Könnerebenso wie schlichtere Gemüter; und auch die – ebenfalls sehr notwen-digen – Scharlatane! Magier sind allemal Individualisten und lassensich nur ungern in Kategorien pressen oder mit bequemen Etikettenbekleben, durch welche nichts wirklich verstanden, dafür aber vielesverfälscht wird. Die scheinbaren Widersprüche in den Schriften magi-scher Autoren erklären sich sowohl aus dieser Tatsache wie auch aus derextremen Subjektivität der Magie, dieuns immer wieder begegnen wird.

Dieses Buch will Ihnen eine um-fangreiche und abgerundete Einfüh-rung in die praktische Magie geben.Dazu gehört auch, daß die Geschichteder Schwarzen Kunst, von der alleMagier bewußt oder unbewußt zehren, gründlich behandelt wird. DieBeschäftigung mit älteren Autoren hat viele Vor- und manche Nach-teile. Immerhin erspart sie es uns, wenn sie vernünftig und mit dengeschärften Augen des Geschichtsbewußten geschieht, das Rad im-mer wieder aufs neue erfinden zu müssen. Zudem werden wir dadurchder reichen Erfahrungen und des Wissensschatzes unserer Vorgängerteilhaftig.

Um ihr Werk richtig beurteilen zu können, bedarf es freilich auchder Kenntnis um die ideengeschichtlichen Zusammenhänge. Die Rollechristlicher Floskeln in mittelalterlichen Zauberbüchern* läßt sich bei-spielsweise nur verstehen, wenn man auch um das geistesgeschichtlicheUmfeld der damaligen Zauberer weiß, um die Vormachtstellung derKirche, um die Gefahren der Hexenverfolgung und so weiter. DerRespekt gegenüber unseren Urahnen ist uns also Programm.

* Den sogenannten grimoires oder, eingedeutscht, Grimoarien.

Magier sind alle-male Individualisten.

16

E I N S T I M M U N G U N D E I N L E I T U N G

Doch es muß dies auch ein kritischer Respekt sein: Nicht alles,was in der Magie alt ist, ist auch deswegen schon automatisch gut! Vie-les hat sich in die Tradition der Magie eingeschlichen, auf das wir heutebequem verzichten können – ja sollten, wenn wir tatsächlich weiter-

kommen wollen. Dazu gehört die Ge-heimnistuerei früherer Zeiten ebensowie das katalogartige Herunterleiernvon Einzelrezepten ohne die Grundge-setze und Grundstrukturen der Magiezu erklären, aus denen sich solche Re-zepte von jedem halbwegs intelligenten

Laien binnen kürzester Zeit mühelos selbst entwickeln lassen. Aus die-sem Grund wird es in unserer Schulung auch nicht an Kritik fehlen, wouns diese geboten erscheint. Sie brauchen natürlich nicht unbedingt mitallem einverstanden zu sein – auch unsere Ausführungen sind nur einsubjektiver Zugang zur Magie, ja sie können auch nichts anderes sein,weil in der Magie ohnehin nichts anderes sein kann!

Die Ausführungen, die Sie nun erwarten, dienen vor allem derPraxis. Nun mag freilich jeder unter »Praxis« etwas anderes verstehen,deshalb wollen wir hier auch sofort ganz eindeutig erklären, wie diesgemeint ist: Magische Praxis bedeutet, magische Gesetze, Lehren undTechniken anzuwenden und ihre Wirkung zu überprüfen.

Magie, die nur auf dem Papier stattfindet, ist eine Verhöhnungmagischer Erkenntnisse und magischer Weisheit. Denn mit der Magiewill der Mensch – und kann der Mensch! – Einfluß nehmen auf jeneFaktoren seines Schicksals, die sich der herkömmlichen Beeinflussungin der Regel entziehen. Wir werden mikro- und makrokosmische Ge-setze erkunden und erforschen, Techniken, die zum materiellen Erfolgführen, und solche, die der mystischen Schau und dem geistigen, spiri-tuellen Wachstum dienen.

Moderne Magie ist immer in erster Linie ein Weg zur Selbstfin-dung, zur seelischen Ganzheit. Im Gegensatz zur Religion und zumMystizismus (nicht zu verwechseln mit Mystik) verneint sie grundsätz-lich den Gegensatz von Geist und Materie. Vielmehr betrachtet siebeide als eins, als Einheit, als Ganzes. Der Geist ist nicht »besser« alsdie Materie, die Materie ist nicht »unheiliger« als der Geist. Beideergänzen einander, lernen voneinander, sind miteiander verwoben zujenem feinen Gespinst, das wir »Wirklichkeit« nennen und das unserengrößten Köpfen ebensoviele scheinbar unlösbare Probleme aufgab, wie

Nicht alles, was in der Magie alt ist, ist automatisch gut!

17

E I N L E I T U N G O D E R : » W I L L K O M M E N I M K L U B ! «

es unsere schlichtesten dazu verleitete,allzu schnelle, vordergründige Antwor-ten und seichte Systeme zur Lösung der-selben anzubieten.

Bewahren Sie sich bitte stets einegewisse kritische Distanz. ÜbernehmenSie nichts ungeprüft, glauben Sie alleserst dann, wenn Sie es durch Ihre eigenePraxis bestätigen konnten. Seien Sie ständig Forscher, Psychonaut eben,der die im Laufe der Jahrtausende schon oft besuchten, aber immer wie-der neuen Gebiete bereist und sich einen eigenen Eindruck von ihremKlima, ihrer Bodenbeschaffenheit, ihren Reichtümern und Gefahrenund … ja, auch von ihren Bewohnern macht.

Was Sie nicht selbst erlebt haben, ist nur wenig wert: ein papier-ner Traum, eine hohle Verheißung unsäglicher Abenteuer und Schätzeim Innersten Ihrer Seele, deren Grenzen Sie nicht kennen und die Sienie gänzlich ausloten werden. Nur die persönliche Erfahrung machtdiese Welt, macht dieses Universum, ja diese Universen für Sie leben-dig, macht die Magie zu mehr als einem bloßen Hirngespinst irregelei-teter, fiebernder Geister, wie es die voreingenommenen Pseudo-Skepti-ker behaupten.

Magie ist stets nur so lebendig wie der Magier selbst – ohne ihnist sie ein Nichts; doch erschrecken Sie nicht, wenn Sie eines Tages fest-stellen sollten, daß der Magier ohne die Magie ebenfalls ein Nichts ist!

Und noch eins: Wenn Sie diesen Weg gehen, so seien Sie sich vonAnfang an darüber im klaren, daß er nicht enden wird, daß mit Magiezu beginnen zugleich auch heißt, beider Magie zu bleiben. Denn nur wenigeschaffen es jemals, sich von diesem Wegauf Dauer abbringen zu lassen, wenn sieerst einmal die ersten Hürden über-wunden und die frische Luft der magi-schen Freiheit geschnuppert haben.

Magie kann dem Menschen alles geben – aber sie kann ihm auchalles nehmen, wenn er sich nicht darüber im klaren ist, daß er dienenmuß. Dienen nicht etwa irgendeiner senilen oder irren Gottheit, dieihm von anderen oktroyiert wird, sondern vielmehr dem, was seineigentliches Menschsein ausmacht: seiner Bestimmung; seinem Le-bensziel; seinem »Heiligen Schutzengel«, wie es die mittelalterliche

Moderne Magie ist immer in erster Linie ein Weg zur Selbst-

findung, zur seelischen Ganzheit.

Magie ist stets nur so lebendig

wie der Magier selbst.

18

E I N S T I M M U N G U N D E I N L E I T U N G

Magie nannte; seinem »Willen« oder »Thelema«, wie es einer der größ-ten Magier des zwanzigsten Jahrhunderts ausdrückte; seinem Selbstoder seiner Ich-Findung und Integration, wie es der Tiefenpsychologeunserer Zeit formuliert; kurz gesagt dem, was ihn überhaupt zum Men-schen – und zum Magier – macht, zum Suchenden, zum Pilger, zumdemütigen Schüler und zum erhabenen Meister.

Moderne Magie will beide Seiten der Persönlichkeit abdeckenund nutzen, die rationale wie die intuitive. Die heutige Gehirnfor-schung spricht, etwas vereinfacht dargestellt, von zwei »Gehirnhälf-ten«: Die linke ist mit dem rechten Teil des Körpers verbunden,zugleich untersteht ihr alles Rationale, also das Denken, das Rechnen,

das Planen und so weiter; die rechteHirnhälfte dagegen regiert die linkeKörperhälfte und zugleich das Intui-tive, das Fühlen und Ahnen, die Tranceund die Vision und so weiter. DiesemPrinzip werden wir gleich bei der er-sten Definition der Magie im nächstenAbschnitt begegnen, wo von Magie als»Kunst« und als »Wissenschaft« dieRede ist. Auch in unserem praktischen

Vorgehen beherzigen wir es. So werden die allgemeinen Ausführungenund Erklärungen in dieser Schulung stets in der Sie-Form gehaltensein; bei den praktischen Übungen dagegen wählen wir bewußt dieDu-Anrede. Dies entspringt der Erfahrung, daß die Du-Form im Deut-schen stärker den intuitiven, symbolisch und mythisch fühlenden undmagisch eigentlich aktiven Teil unserer Persönlichkeit anspricht; dieSie-Form dagegen entspricht dem rationalen, formal-logischen Denkenund Verstehen. Somit wollen wir Ihnen durch diesen kleinen formalen»Trick« gleich das Beste beider Welten bieten.

Und nun heißt es: »Willkommen im Klub der Magier!« Möge Ihrmagischer Weg ebenso bunt, ebenso reich, ebenso beglückend undfurchterregend, ebenso fordernd und leicht, ebenso humorvoll und durchund durch individuell sein, wie es der all unserer magischen Vorfahrenwar – und auch der Weg desjenigen, der Ihnen hier seinen eigenen Erfah-rungsschatz mit all seinen Reichtümern und Mängeln, mit seinen Stär-ken und Schwächen, seinen Weistümern und Torheiten anbietet zurÜberprüfung, zur Nachahmung, zur Ergänzung, zur Erweiterung undzur Anpassung an Ihre ureigenen Bedürfnisse und Erkenntnisse. Das

Moderne Magie will die rationale wie die intuitive Seiten der Persönlichkeit abdecken

und nutzen.

19

E I N L E I T U N G O D E R : » W I L L K O M M E N I M K L U B ! «

magische Motto des Autors dieser Zeilen lautet: »VBIQVE DÆMON…VBIQVE DEVS…« Auf deutsch: »DERDÄMON IST IN ALLEM, DER GOTTIST IN ALLEM.« Es ist dies eine Auffor-derung, stets beide Seiten der Medaillezu erkennen und zu respektieren. Sie kennen vielleicht das mundart-liche Sprichwort »Wat dem in’ sin’ Uhl, is dem annern sin’ Nachtigul«(Hochdeutsch: »Was dem einen seine Eule, ist dem anderen seineNachtigall«). Nun, der Angelsachse kennt etwas Vergleichbares, dasfreilich noch sehr viel drastischer, eindeutiger ist: »One man’s meat isanother’s poison« (»Was für den einen Fleisch, ist für den anderenGift«). Wenn Sie diesen Leitsatz beherzigen, lernen Sie nicht nur Tole-ranz gegenüber Andersdenkenden, Sie entwickeln dabei vor allem einegewisse Widerstandskraft gegen die oft so süßen, aber auch heimtücki-schen Fallen der »großen Autoritäten«, die ihrerseits oft nichts anderestaten als das, was jeder gute Magier tut: aus ihrer eigenen Realität eineigenes Universum zu erschaffen, eine eigene Atmosphäre. Das war undist gut – doch sollte jeder nur eine Atmosphäre atmen, die ihm auchbekommt, für die er (oder sie) auch geeignet ist. Und deshalb, gewis-sermaßen als »Gebrauchsanweisung« für diese Schulung, der Leit-spruch der alten Herren vom magischen Berg Drachenfels, der auchIhnen eine Hilfe zum Umgang mit allem sei, was wir Ihnen hier anbie-ten wollen:

WÄGE – WAGE

Fra V.·.D.·.

VBIQVE DÆMON .·. VBIQVE DEVS .·.

Und nun heißt es: »Willkommen im

Klub der Magier!«

WAS IST MAGIE?

22

W A S I S T M A G I E ?

Bevor wir uns mit der Praxis der Magie befassen, müssen wir natür-lich zunächst einmal wissen, worum es dabei eigentlich geht. Es

hat im Laufe der Zeit eine wahre Unzahl von Definitionen der Magiegegeben, und wir werden uns noch mitvielen von ihnen befassen müssen, wodies der Praxis dienlich ist.

Die vielleicht bekannteste De-finition stammt von einem der wich-tigsten Magier des zwanzigsten Jahr-hunderts, dem Engländer AleisterCrowley (1875–1947):

MAGIE IST DIE KUNST UND DIE WISSENSCHAFT, IM EIN-KLANG MIT DEM WILLEN VERÄNDERUNGEN HERBEIZU-FÜHREN.

Obwohl diese Definition tatsächlich den Kern magischer Praxis treffendbeschreibt, ist sie für den Laien und Anfänger doch eher zu allgemein undzu weit gefaßt. Denn in der Regel wird vom Begriff »Magie« etwas ande-res, Spezielleres erwartet, eine Disziplin nämlich, die sich eher mit »fein-stofflichen« Einflüssen wie der Beeinflussung von Schicksalsfaktoren und»Zufällen« befaßt; außerdem bietet der obige Satz keinerlei Anhalts-punkte für die bei der Magie verwendeten Techniken und Methoden.

Einige angelsächsische Autoren wie Israel Regardie und FrancisKing haben dem Rechung getragen und versucht, Crowleys Definitionzu erweitern:

MAGIE IST DIE KUNST UND DIE WISSENSCHAFT, MIT HILFEVERÄNDERTER BEWUSSTSEINSZUSTÄNDE IM EINKLANGMIT DEM WILLEN VERÄNDERUNGEN HERBEIZUFÜHREN.

Auch diese Lösung ist zwar nicht ganz unproblematisch, doch für denAnfang genügt sie, und wir wollen sie uns einmal etwas genaueranschauen, da sie bereits eine wichtige praktische Formel enthält.

Wichtig sind für uns zunächst einmal die Begriffe »Kunst« und»Wissenschaft«. Oft ist ja von den »Geheimwissenschaften« die Rede,doch versteht der Okkultist (oder Geheimwissenschaftler) unter »Wis-senschaft« in der Regel etwas anderes, als dies der sogenannte »exakte«oder »Naturwissenschaftler« tut. In dem Bemühen, von der orthodo-

Es gibt eine wahreUnzahl von Definitionen

der Magie

23

W A S I S T M A G I E ?

xen Schulwissenschaft anerkannt zu werden, haben viele Okkultistenund auch Magier den Versuch unternommen, ihre Disziplin als »wis-senschaftlich« zu erörtern. Das stimmt jedoch nur insofern, als dieMagie mit wissenschaftlicher Methodik arbeitet. Sie ist im Fachjargon»empirisch« oder »erfahrungswissenschaftlich«, zumindest gilt diesfür die Erfolgsmagie. Das bedeutet, daß sie sich zunächst einmal daranorientiert, was beobachtbar erfolgreich ist.

Hingegen meint der Begriff »Kunst« den eher intuitiven Be-reich der Magie, wozu wir sowohl das »Fingerspitzengefühl« und dasGefühl überhaupt zählen, als auch dieSensitivität für feinstoffliche Energien(wie beispielsweise beim Hellsehen oderHellfühlen). Traum und Vision zählenunmittelbar zum »Kunst«-Aspekt derMagie; zum »Wissenschafts«-Aspektdagegen gehören das Denken und dasWissen um Zusammenhänge.

Fassen wir es kurz zusammen, so bedient sich die Magie sowohlder sogenannten »rationalen« als auch der sogenannten »irrationalen«Bestandteile der menschlichen Persönlichkeit. Da das Wort »irratio-nal« im Zeitalter des Rationalismus, das heute nach wie vor noch seineHöhepunkte feiert, sehr negativ besetzt ist (es wird gerne gleichgesetztmit »unvernünftig«, »aberwitzig«, »wirr«, »undurchdacht«), spre-chen wir lieber von der intuitiven Seite des Magiers.

Wir sehen daran, daß die Magie tatsächlich auf die seelischeGanzheit und Einheit des Menschen abzielt, und dies schon aus reinpraktischen Erwägungen heraus, denn nur wenn beide Seiten harmo-nisch miteinander zusammenarbeiten, lassen sich magische Erfolgeerzielen, die ja oft den Anschein haben, als würden sie sämtliche (natur-wissenschaftliche) Naturgesetze widerlegen, was freilich, wie wir nochsehen werden, so nicht stimmt.

Nun ist Magie allerdings noch mehr als die Kunst und die Wissen-schaft, eine Einheit der Seele zu erlangen. Beginnen wir mit der Erfolgs-magie, auch »Niedere Magie« genannt, was allerdings keine Abwertungbedeutet, sondern sie lediglich technisch und inhaltlich von der ehermystisch-religiösen »Hohen Magie« unterscheiden soll. In der Praxis siehtes so aus, daß man für einen erfolgreichen magischen Akt beide Aspekte(Rationales und Intuitives) wirkungsvoll einsetzen will. Dies geschiehtdurch zwei der drei wichtigsten Grundbestandteile des magischen Akts:

Magie ist »Wissenschaft« und »Kunst«

zugleich.

24

W A S I S T M A G I E ?

durch die Verbindung von Wille undImagination. (Auf den dritten Faktor,nämlich den »veränderten Bewußtseins-zustand«, gehen wir gleich noch ein.)

In Übersicht 1 haben wir dies veranschaulicht. Betrachten Sie dieSkizze bitte eine Weile gründlich, und versuchen Sie dabei, die beidenHauptkolonnen mit ihren Merkmalen zu ergänzen. Stellen Sie also fest,was noch alles zum Bereich der »Kunst« zählt, und was im Bereich der»Wissenschaft« noch ergänzt werden könnte. Sie werden auch bemer-ken, daß wir eine Beziehung hergestellt haben zwischen »Kunst« und»Imagination« sowie zwischen »Wissenschaft« und »Wille«.

Übersicht 1: Darstellung der Grundstruktur der Magie (I)

KUNST

IMAGINATION

MAGIE

• rechte Gehirnhälfte• linke Körperhälfte• Gefühl• Vision• Spüren• Ahnen• synthetisch• zyklisch• mythisch• föderalistisch• kreatives Chaos• symbol-logisch• irrational

WISSENSCHAFT

WILLE

• linke Gehirnhälfte• rechte Körperhälfte• Verstand• Denken• Überlegen• Berechnen• analytisch• linear• faktisch• zentralistisch• bewahrende Ordnung• formal-logisch• rational

Grundbestandteile des magischen Akts

25

W A S I S T M A G I E ?

Die »Kunst« entspricht der »Imagination« durch ihren intuitivenCharakter, die »Wissenschaft« entspricht dagegen dem »Willen« durchihre Reflektiertheit und ihre klare, präzise Zielsetzung.

Wir bekommen also bereits eine vorläufige Gleichung:

WILLE + IMAGINATION = MAGIE

Tatsächlich galt dies lange Zeit als die Grundformel der Magie schlecht-hin. Disziplinen wie das Positive Denken, bei denen man sich gezielt (= »Wille«) bestimmte Ereignisse und Lebenszustände möglichst pla-stisch vorstellt (= »Imagination«), arbeiten fast ausschließlich danach,und dies durchaus mit gutem Erfolg. Wenn wir uns aber unsere Defi-nition noch einmal anschauen, bemerken wir, daß in dieser Gleichungnoch etwas fehlt: die »veränderten Bewußtseinszustände«. In der Magieverwendete, veränderte Bewußtseinszustände nennt man die MagischeTrance oder auch Gnosis. Wichtig ist dabei, daß die Magische Trance inder Regel nichts mit der hypnotischen Volltrance zu tun hat, bei der derWille des Hypnotisierten weitgehend ausgeschaltet oder zumindestfremdbeherrscht wird. Dies würde auch gegen unsere Forderung »imEinklang mit dem Willen« verstoßen, denn damit ist ein bewußter,erklärter Wille gemeint.*

Doch wenn wir schon die Imagination und den Willen einsetzen,wozu benötigen wir dann noch die Magische Trance?

Um dies zu verstehen, müssen wir wissen, nach welchem Musterunsere Psyche aufgebaut ist, und wie sie funktioniert. Denn zunächsteinmal gehen wir davon aus, daß die magische Kraft und die Fähigkeitzur Magie eine innerseelische Erscheinung ist.

Übersicht 2: Die Grundstruktur der Psyche

BEWUSSTSEIN

ZENSOR

UNBEWUSSTES

* Eine Ausnahme von dieser Regel der Nicht-Volltrance bilden die sogenannten »Besessen-heitskulte«, wie wir sie vornehmlich im afrikanischen und afroamerikanischen Bereich –z.B. Voodoo, Macumba – beobachten können.

26

W A S I S T M A G I E ?

In der Übersicht 2 haben wir in vereinfachter Form das gängigeModell der Psyche, wie es uns die moderne Tiefenpsychologie anbie-tet. Wir sehen als erstes das Bewußtsein, das wir gleichsetzen mitTages- oder Wachbewußtsein. Im unteren Teil der Skizze erkennen wirdas Unbewußte, das man auch das Unterbewußtsein nennt. Diesesumfaßt alles, was sich unserem Bewußtsein in der Regel entzieht; zwarist es ständig aktiv, doch bemerken wir das meistens nur beim Träu-men. Zwischen Bewußtsein und Unbewußtem liegt der sogenannteZensor. Dieser stellt eine Art »Zweiwegfilter« dar: Einerseits sorgt erfür die selektive Wahrnehmung der Reize der Außenwelt; andererseitsschützt er das Bewußtsein vor der unkontrollierten Überflutung durchdie Inhalte des Unbewußten, zu denen auch Verdrängungen undKomplexe gehören. Dem Zensor kommt also eine lebenserhaltendeFunktion zu, er sorgt auch für das, was wir gemeinhin als »geistigeGesundheit« bezeichnen. Es ist von großer Wichtigkeit, dies zuerkennen, bevor wir, was leider häufig geschieht, im Zensor einen»bösen Feind« sehen, der uns als Magiern den Spaß am Leben verder-ben will!

Der Zensor hat freilich auch einen erheblichen Nachteil, er istnämlich außerordentlich konservativ. Nur ungern gestattet er es demBewußtsein, einen direkten, unmittelbaren Kontakt zum Unbewußtenherzustellen, der sich seiner Kontrolle entzieht. Man könnte ihn miteinem etwas mißtrauischen »Palastwächter« vergleichen: ein treuer,braver Diener seines Herrn, doch manchmal allzu ängstlich um dessenSicherheit besorgt und nicht geneigt, Neues ungeprüft zu- beziehungs-weise einzulassen.

Tatsächlich besteht nun der wichtigste »Trick« der Magie darin,den Zensor vorübergehend auszuschalten, um die »Kraftquelle Un-bewußtes« direkt anzuzapfen und ihr gezielt Aufgaben zu erteilen.

Dies geschieht durch die Magische oderGnostische Trance. Oft gleicht dieserZustand dem Dämmerzustand kurz vor dem Einschlafen, in dem das Be-wußtsein ja auch noch aktiv ist, nureben sehr gedämpft; dann findet, bei-spielsweise durch Bilder, ein direkterAustausch zwischen ihm und demUnbewußten statt. In der MagischenTrance ist der Zensor gewissermaßen

Magie zapft die »Kraftquelle

Unbewußtes« direkt an, um ihr gezielt

Aufgaben zu erteilen.

27

W A S I S T M A G I E ?

»eingeschläfert«; im Idealfall wird er freilich einen sehr leichten»Schlaf« haben und stets dann, wenn echte, ernste Gefahr droht, wiederaktiv werden. Übrigens entspricht dies der Rolle des Schwerts in derMagie, wie wir bei unserer Beschäftigung mit den Ritualwaffen nochsehen werden.

Somit gelangen wir zur vollständigen Struktur der Magie, wiesie unserer erweiterten Definition entspricht und unten in der Über-sicht 3 dargestellt ist.

In Übersicht 4 dagegen (weiter unten) gibt dieselbe Aussage nocheinmal in Gestalt einer »mathemagischen Formel« wieder. Mit dieserArt der Darstellung sollten Sie sich schon jetzt gründlich vertrautmachen, am besten, indem Sie diese Formel auswendig lernen. Denn wirwerden ähnlichen Formeln im Laufe dieser Schulung häufiger begegnen.Das ist keine bloße Spielerei, im Gegenteil: Formeln stellen mnemoti-sche, also gedächtnisstützende Abkürzungen für Regeln und Gesetzedar, aus denen man praktische Ableitungen gewinnt. Ein Ziel dieserSchulung ist, die Grundstrukturen der Magie aufzuzeigen und verständ-lich zu machen. Das ist insofern neu, als der Großteil der vorliegendenmagischen Literatur eher »Rezeptbuchcharakter« hat. Anstatt die Grund-gesetze zu erklären, nach denen Magie funktioniert, boten nicht etwa nurältere Autoren häufig lediglich Einzelrezepturen: Rituale gegen Feind-einwirkung, magische Glyphen für Glück und Wohlstand, Amulett-zeichnungen wider Pest und Cholera, Mantras (Zauberworte), »um einenFürsten gnädig zu stimmen« oder um Geister zu beschwören, Rezeptegegen Warzen und Tränke, »um die Liebe einer Frau/eines Mannes zugewinnen«, und so weiter. Auch – und gerade! – die volkstümliche

IMAGINATION

T R A N C E

M A G I E

WILLE

Übersicht 3: Die Grundstruktur der Magie (II)

28

W A S I S T M A G I E ?

magische »Praxisliteratur« der allerjüngsten Zeit verfährt nach diesemSchema. Was dabei leider immer wieder mißverstanden wird, ist die Tat-sache, daß solche Rezepturen nicht von allein, quasi »automatisch«wirksam sind! Dies ist ein Irrtum, dem vor allem der Anfänger immerwieder zum Opfer fällt. Dann sucht er nach dem »echten, wirklichen,hundertprozentig wirksamen Ritual« oder nach der »ultimativen Zau-berformel«. Es gibt noch heute jede Menge Scharlatane, die nur zu gerndie Hand aufhalten und ihm Rezepte verkaufen, ohne ihm die Bedin-gungen zu erklären, unter denen allein sie wirksam werden können.

Nun ist es keineswegs so, als wären solche Rezepturen grund-sätzlich völlig nutzlos. Doch wenn wir bei ihrem Gebrauch nicht dieerste Grundformel der Magie beherzigen, sind sie meistens nicht ein-mal das Papier wert, auf das sie gedruckt sind. Und selbst dort, wo siegelegentlich funktionieren, läßt sich erkennen, daß Wille, Imaginationund Gnosis mit im Spiel gewesen sind.

Kennt man jedoch die Grund-gesetze und Grundformeln der Magie,so lassen sich ohne großen Aufwandeigene »Rezepturen« daraus ableiten,wie ja ohnehin jeder Magier im Grundesein eigenes Grimoire oder »Zauber-buch« schreibt.

Diesen Ableitungen werden wireinen großen Teil unserer Arbeit wid-men. Wie bei jeder Disziplin müssendazu jedoch auch hier erst die Grund-lagen »sitzen« – ohne das »Kleine Ein-

Übersicht 4: Die erste Grundformel der Magie

Legende

M = Magischer Akt

w = Willei = Imaginationg = Gnosis (Mag. Trance)

M = w + i + g

Kennt man die Grundgesetze und Grundformeln der Magie, kann man

eigene »Rezepturen« daraus ableiten.

29

W A S I S T M A G I E ?

maleins« läßt sich eben nicht rechnen! Diese Grundlagen sind diemathemagischen Strukturformeln, die wir Ihnen in immer neuenVariationen vorstellen werden.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß der Schwerpunkt dermagischen Ausbildung auf der Schulung von WILLE, IMAGINATIONund TRANCE liegen muß, wenn imRahmen dieses Paradigmas bzw. Erklä-rungsmodells optimales Arbeiten er-möglicht werden soll. Nun gibt esbereits eine Reihe magischer Werke,die sich diesen Punkten widmen. Bei-spielsweise finden Sie in den Büchernvon Franz Bardon (besonders in Der Weg zum wahren Adepten) zahlreicheGrundübungen, die vor allem der Selbstdisziplinierung bzw. Willens-schulung und der Visualisation bzw. Imagination dienen. BardonsÜbungen sind im Prinzip vorzüglich aufgebaut, und man kann mitihrer Hilfe in der Magie sehr weit kommen. Freilich geschieht dies lei-der nur im Schneckentempo, wenn man sich an die von ihm so kom-promißlos als »absolut« vorgeschriebenen Zeitangaben hält. So müßteman beispielsweise einen Gegenstand zehn Minuten lang ohne jedenKonzentrationsverlust visualisieren können, ebenso lang Gedanken-leere herstellen und so weiter. Es ist nicht zu leugnen, daß dergleichenin der Magie sehr hilfreich sein kann. Die Praxis hat jedoch gezeigt, daßmit solchen Maximalforderungen vor allem der Anfänger nur unnötigabgeschreckt, ja sogar vom eigentlichen Prinzip der Magie abgelenktwird. Die Angst, die Übung nicht »richtig« zu machen oder sie nochnicht richtig zu beherrschen, erweist sich häufig als vermeidbares Hin-dernis. Mit anderen Worten: Es geht auch erheblich einfacher undschneller, wie vor allem die Sigillenmagie beweist, mit der wir uns imnächsten Abschnitt befassen werden.

Das soll allerdings nicht bedeuten, daß der angehende Magiergetrost auf hartes, fleißiges Arbeiten verzichten könnte – dies kann erebensowenig wie der »Meister«, dem es selbst noch nach jahrzehnte-langer erfolgreicher Praxis nicht erspart bleibt, gewisse Grundübungenimmer aufs neue zu wiederholen, um nicht »einzurosten«. Zumal istvielleicht das Faszinierendste an der Magie die Tatsache, daß man indieser Disziplin niemals ausgelernt hat – immer gibt es noch etwasNeues, etwas Unerforschtes, Unbekanntes und, vor allem, Ungemei-stertes. Die Herausforderungen sind zahllos, und wer die Augen ent-

Der Schwerpunkt der magischen Ausbildung

30

W A S I S T M A G I E ?

sprechend offenhält, dem wird die Magie auch niemals langweilig wer-den. Deshalb gleich zu Anfang dieser Schulung die Grundmaxime:

FLEISSIGES, REGELMÄSSIGES ÜBEN IST DER SCHLÜSSELZUM ERWERB MAGISCHER FERTIGKEITEN!

Sie sollten wissen, daß es von Ihnen allein abhängt, wie schnell oder wielangsam die Magie bei Ihnen »klappt«. Es ist zwar nicht zu leugnen, daßes so etwas wie ein »magisches Talent« gibt, das bei verschiedenen Men-schen unterschiedlich stark ausgeprägt ist; doch wird die Wichtigkeitdieses Talents meist stark überschätzt. Begehen Sie nicht den häufigenAnfängerfehler, die »Naturtalente« zu beneiden, weil denen vieles in derMagie stets auf Anhieb (also ohne mühsames Erarbeiten und vorherge-hendes Üben) zu gelingen scheint. Denn im Grunde sind diese Natur-talente meistens eher zu bedauern: Gerade weil ihnen so viel scheinbar»geschenkt« wird und gewissermaßen in den Schoß fällt, fehlt es ihnenan der Selbstdisziplin und Härte des weniger Begabten, der sich alles erstmit Schweiß und Tränen verdienen mußte. Diese Selbstdisziplin undHärte aber stellt magisch gesehen eine wichtige Erdung dar, sie ist derbeste Schutz vor den beiden typischsten und gefährlichsten Magierkrank-heiten: Selbstüberschätzung und Verfolgungswahn. Der gute Magiermuß demütig sein im selben Sinne, wie der gute Krieger demütig ist: Erkennt seine eigenen Grenzen viel zu genau, um sich durch Wunschden-ken über sie hinwegzutäuschen; er begeht nicht den Fehler, Probleme,Gegner oder Herausforderungen zu unterschätzen; er denkt und handelt

ökonomisch, also mit einem Minimuman Aufwand bei einem Maximum anEffizienz; er ist charakterlich gefestigt,weil er im Laufe seiner Ausbildung diesinnvolle Selbstüberwindung gelernthat und zwischen rein gefühlsbetontenund sachlich begründeten Urteilen zu

unterscheiden weiß; er ist im Idealfall ein Techniker, ohne Technokrat zusein, einer, der seine Disziplin aus dem Effeff beherrscht, ihre Gesetz-mäßigkeiten – aber auch ihre Schwächen – kennt; und er respektiert undachtet sein Handwerk sowie alle, die es erlernt haben und noch erlernen.All dies wird einem Menschen nur selten in die Wiege gelegt, er muß essich vielmehr in der Regel erst aneignen. Das Naturtalent aber neigt allzuoft dazu, diese Anforderungen zu übersehen, und so lernt es mei-

Der gute Magier kennt seine eigenen Grenzen genau.

31

W I S S E , W O L L E , W A G E , S C H W E I G E

stens nur dadurch, daß es »ins Messer« läuft, also durch das Schmerzprin-zip des Irrens und Scheiterns.

Doch das Leben ist ohnehin viel zu kurz, als daß ein einzigerMensch jemals die gesamte Magie und Geheimwissenschaft auch nurannähernd ausloten könnte. Die Zeit drängt – ob Sie nun achtzehn Jahrealt sein mögen oder achtzig! Dies bedingt die Forderung nach didak-tischer und pädagogischer Ökonomie. Dieser Forderung wollen wirdadurch Rechnung tragen, daß wir nach Möglichkeit stets Übungen undPraktiken empfehlen, die so vielseitig und allumfassend sind, wie es imRahmen des pädagogisch Sinnvollen zu vertreten ist. Etwas salopp aus-gedrückt versuchen wir als moderne Magier, durch unsere Übungenmöglichst mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Sie sollenzugleich den Willen schulen, die Imagination entwickeln und denZugang zur kontrollierten Trance erschließen. Aus diesem Grunde tren-nen wir in unserer Schulung auch nicht scharf in Willens-, Imaginations-und Tranceschulung, wie es unser Modell eigentlich nahelegen würde.Im nächsten Abschnitt werden wir näher auf dieses Thema eingehen.Fürs erste soll es genügen, daß Sie sich der hier aufgezeigten Grundele-mente der Magie bewußt werden und eine Weile darüber nachdenken.

Anstatt Sie, wie manche magische Autoren es gerne tun, monate-,wochen- und jahrelang mit Übungen hinzuhalten, die in keinemerkennbaren Zusammenhang zur magischen Praxis zu stehen scheinen(was freilich oft nur das Fehlurteil des Anfängers ist!), möchten wir Siesofort und ohne große Vorarbeiten in die Praxis der Magie selbst ein-weisen. Dies bedingt allerdings, daß die Übungen, die am Schluß die-ses Abschnitts stehen, an den einen oder anderen Leser am Anfangschier unmöglich zu erreichende Anforderungen zu stellen scheinen.Keine Bange – auch in der Magie wird nur mit Wasser gekocht!Bemühen Sie sich einfach so gut es geht, und seien Sie sich stets darüberim klaren, daß vieles erst durch die Praxis selbst zu erreichen ist.

Bevor wir zum praktischen Teil diesesersten Abschnitts übergehen, wollen

wir Ihnen eine weitere Maxime mit auf den Weg geben, die in derganzen Esoterik immer wieder auftaucht und zurecht hochgeschätztwird. »Wisse, wolle, wage, schweige« lautet die Aufforderung an den

WISSE, WOLLE,

WAGE, SCHWEIGE

32

W A S I S T M A G I E ?

Geheimwissenschaftler. Dies wollen wir hier nur ganz kurz erläutern, essoll Ihnen zur weiterführenden Meditation dienen.

Ohne Wissen um das, was wir als Magier tun, sind wir nicht nur ziel-los, wir laufen auch Gefahr, grundlegende Gesetze unseres magischenTuns zu verkennen und bisweilen verheerende Fehler zu begehen.Allerdings gab es auch Zeiten, da dieses »Wissen« falsch verstandenoder stark überschätzt wurde. Es ist nämlich damit nicht allein ein rei-nes Kopf- oder Verstandeswissen gemeint, das freilich auch dazugehört; dieses wollen wir im vorliegenden Kurs umfassend vermitteln.In erster Linie geht es jedoch um intuitives oder Bauchwissen, und dasläßt sich nur durch die eigene Erfahrung erlangen. Jeder Lehrer kanndem Schüler bestenfalls zeigen, wie er zu diesem intuitiven »Fleisches-wissen« gelangt, den Lernprozeß selbst kann er ihm jedoch nichtabnehmen.

Ein Magier, der nicht weiß, was er will, ist schlußendlich hoffnungsloszum Scheitern verurteilt. Nur der unbeugsame Wille (und das ebensokompromißlose Wollen – was nicht dasselbe ist!) führt gefahrlos ansZiel. Tatsächlich sehen viele Magier der Neuzeit im Erkennen des eige-nen wahren Willens (Thelema) das eigentliche Ziel jeder hohen Magie.Gerät das Wollen ins Schwanken, »kippt« auch die ganze magischeOperation fast automatisch. Willensschulung bedeutet daher stets auchErkenntnisschulung und Disziplinierung. Denn jeder Mensch neigtdazu, allein nach dem Lustprinzip zu handeln, wenn man es ihm gestat-tet. Daran ist zwar nichts Prinzipielles auszusetzen, doch führt es leideroft zu Fahrlässigkeit und Bequemlichkeit. Dem beugt das dezidierteBefolgen des eigenen Willens wirkungsvoll vor.

Dies ist vielleicht der Grundsatz, gegen den in der Magiegeschichte amallerhäufigsten verstoßen wurde: Die nackte Angst vor der Praxisspringt uns auf zahllosen Seiten magischer Autoren an, die sich gera-dezu davor zu fürchten scheinen, daß die Magie tatsächlich funktionie-

WISSE

WOLLE

WAGE

33

W I S S E , W O L L E , W A G E , S C H W E I G E

ren könnte! Dies tut sie natürlich auch, doch wirklich effizient kannnur der Magier sein, der den Mut hat, auch durch die Tat für das einzu-stehen, was ihm sein Wille als notwendig und erstrebenswert eingege-ben hat. Beachten Sie bitte, daß wir bisher noch nichts über die Gefah-ren der Magie gesagt haben: Es ist nicht so, als gäbe es diese nicht. Dochist Magie tatsächlich nicht viel gefährlicher als das Autofahren. Einegründliche Ausbildung und nüchterne Praxis sind die beste Vorausset-zung für erfolgreiches, risikoarmes Arbeiten. Wenn man den angehen-den Fahrschüler unentwegt damit erschreckt, wie gefährlich all seinTun doch ist, erzieht man ihn lediglich zu einem verängstigten – undsomit schlechten – Autofahrer, der Unfälle und Fehlverhalten geradezuanzulocken scheint. Ebenso verhält es sich mit dem Magier. Hüten Siesich also vor den Warnungen »wohlmeinender« Nichtpraktiker, die Sieschon in der Hölle oder im Irrenhaus schmoren sehen, wenn Sie sichauch nur theoretisch mit Magie beschäftigen sollten! Vertrauen Sie lie-ber auf erfahrene »Morgenlandfahrer« und Psychonauten, die genauwissen, welche Gefahren tatsächlich drohen und welche nur eingebildetsind (und das sind die meisten!). Denken Sie an Martin Luthers Satz:»Aus einem verzagten Arsch kommt niemals ein fröhlicher Furz.«Tatsächlich stellt die Angst vor der Magie die größte Gefahr auf demmagischen Weg dar! Gerade aus diesen Überlegungen heraus ist auchdie Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten von nicht zu unter-schätzender Wichtigkeit.

Viel Unfug ist in der Vergangenheit mit der Verpflichtung zumSchweigen getrieben worden. Oft wurde dieses Gebot mit einer Auf-forderung verwechselt, die eigene Unwissenheit hinter geheimnisvol-len Andeutungen (»darüber muß ich schweigen«, »wahre Eingeweihtewerden wissen, was gemeint ist«) zu verbergen. Oft sollte auch der»profanen Masse« geheimes Wissen eifersüchtig vorenthalten werden.Doch ist dies bestenfalls das Verhalten einer verknöcherten Priester-schaft, die um ihre Vorherrschaft, welche auf der Unwissenheit der Be-herrschten fußt, bangt. Schlimmstenfalls soll der Unwissende damitgezielt in die Irre geführt werden, wodurch er um so leichter ausgebeu-tet werden kann. In Wirklichkeit schützen die Mysterien sich aus-nahmslos selbst und können überhaupt nicht »entweiht« werden!Denn ihr eigentliches »Geheimnis« ist die Erfahrung, die der Adept mit

SCHWEIGE

34

W A S I S T M A G I E ?

ihnen macht – und diese Erfahrungsdimension kann ihm niemand neh-men, sie kann von keinem Außenseiter und Unwissenden befleckt wer-den. Dennoch ist es ratsam, die eigenen okkulten Interessen nicht allzuoffenherzig preiszugeben – zu groß sind nach wie vor die Vorurteile, diedem Magier selbst in unserer »aufgeklärten« und »toleranten« Zeitbegegnen, zu groß die Energie, die er sonst darauf verwenden muß, sichselbst gegen diese Widerstände zu behaupten. Das bindet unnötigKräfte und ist deshalb tunlichst zu vermeiden. Außerdem bedeutet dasSchweigen, daß, um wieder ein Bild zu gebrauchen, »der Topf auf denDeckel« gelegt wird, damit entsprechender Druck erzeugt werdenkann. Dieser Druck ist die magische Kraft, die wir Magis nennen.

Und nun wollen wir gleich zur Praxis übergehen.

GLEICH ZUR PRAXIS:

DAS KLEINE BANNENDE

PENTAGRAMMRITUAL

Äther

Wasser

FeuerErde

Luft

36

D A S K L E I N E B A N N E N D E P E N T A G R A M M R I T U A L

Das Kleine Bannende Penta-grammritual ist eine Art

kleinster gemeinsamer Nennerzwischen Magiern fast aller west-lichen, hermetisch orientiertenTraditionen. Es wird von Europa

bis Amerika, von Asien bis Australien praktiziert – eben überall dort,wo Magier und Magierinnen in diesen Traditionen arbeiten. Die Zahlder Varianten ist groß, die wesentlichen Unterschiede zwischen ihnenjedoch vergleichsweise klein. Es läßt sich ohne Übertreibung sagen,daß das Kleine Bannende Pentagrammritual zum Grundrüstzeug einesjeden westlichen Magiers gehört. Es dient verschiedenen Zwecken: zumallgemeinen Schutz, als Teilritual einer größeren Zeremonie (meist zurEinleitung und als Abschluß verwendet), zum Ziehen des Schutzkrei-ses, als Übung für Imaginations-, Visualisations-, Konzentrations- undTranceschulung.

Das Pentagramm ist, kurz gesagt, eine uralte Glyphe, die in der westlichen Tradition für die fünf Elemente Erde, Wasser, Feuer,

Luft und Geist (Äther) steht. Stehtder Mensch aufrecht mit gespreiztenBeinen und seitlich ausgestrecktenArmen, bildet er auf natürliche Weiseein Pentagramm. Man hat im Pen-tagramm (das unter anderem auch alsDrudenfuß oder Fünfzack bezeichnetwird) daher auch die Darstellung desMikrokosmos gesehen, im Gegensatzzum Hexagramm (Davidsstern oderSechszack), dem die Planetenkräfte(und somit auch der Makrokosmos)zugeordnet werden. Die traditionelle

Zuordnung der Elemente findet sich in Abb. 1. Wir werden im er-sten Teil dieser Ausführungen den technischen Ablauf des Ritualsschildern und erst später auf Einzelheiten und Feinheiten ein-gehen.

Zusätzlich zum Kleinen Bannenden Pentagrammritual gibt es auchnoch das Große Pentagrammritual, das wir an anderer Stelle behandelnwerden.

EINFÜHRUNG

IN DAS

KLEINE BANNENDE

PENTAGRAMMRITUAL

Eine uralte Glyphe, die für die fünf Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Geist (Äther)

steht.

37

E I N F Ü H R U N G I N D A S K L E I N E B A N N E N D E P E N T A G R A M M R I T U A L

Aus der Zuordnung der Elemente ergeben sich auch bestimmteZugrichtungen des Pentagramms mit unterschiedlichen Funktionen.Technisch gesehen handelt es sich bei der im Kleinen BannendenPentagrammritual verwendeten Zugrichtung um das bannende Erd-pentagramm; das heißt, es wird von der Erde aus gebannt. Mit anderenWorten: Der Magier steht bei diesem Ritual »mit beiden Beinen aufdem Boden«, was seiner gnostischen Trance Stabilität und Konzentra-tion verleiht. Dem Anfänger sei somit empfohlen, das Kleine BannendePentagrammritual in der hier vorgestellten Form einige Monate langtäglich ein- bis zweimal zu üben, bis alles richtig »sitzt«. Dies ersetztihm auch manche andere Imaginations- und Visualisationsübung undfördert die ritualmagische Praxis ungemein.

Wir werden (zum leichteren Nachschlagen) zuerst das KleineBannende Pentagrammritual in seiner kompletten Form darstellen, umes erst hinterher zu kommentieren und zu erläutern. Wenn Sie dieErläuterungen gründlich durchgearbeitet haben, werden Sie am An-fang allenfalls nur noch einige technische Einzelheiten in Ihrer Praxisüberprüfen wollen.

Äther

Wasser

FeuerErde

Luft

Abbildung 1: Das Pentagramm und die Elemente-Zuordnung

38

D A S K L E I N E B A N N E N D E P E N T A G R A M M R I T U A L

Das Kleine Bannende Penta-grammritual ist nach einer

Viererstruktur (am Ende eines Ge-samtrituals nach einer Fünferstruk-tur) aufgebaut:

1. Kabbalistisches Kreuz2. Schlagen (Ziehen) der Pentagramme und des Kreises3. Anrufung der Erzengel/Visualisation weiterer Glyphen4. Kabbalistisches Kreuz5. Entlassungsformel (nur am Ende eines Gesamtrituals)

Das Ritual wird im Stehen durchgeführt, Blickrichtung ist Osten, dieGesten werden mit der rechten oder der linken Hand ausgeführt, dieZugrichtungen bleiben für Rechts- und Linkshänder dieselben. Mankann mit dem magischen Dolch arbeiten oder mit den ausgestrecktenZeige- und Mittelfingern, an die der Daumen angelegt wird.

Ziehe mit Fingern oder Dolch Energie von oben herab auf die Stirn,berühre diese und vibriere kräftig:

ATEH (= Dein ist);

berühre die Brust und vibriere kräftig:

MALKUTH (= das Reich);

berühre die rechte Schulter und vibriere kräftig:

VE-GEBURAH (= und die Kraft);

berühre die linke Schulter und vibriere kräftig:

VE-GEDULAH (= und die Herrlichkeit);

kreuze die Arme auf der Brust und vibriere kräftig:

PRAXIS DES

KLEINEN BANNENDEN

PENTAGRAMM-

RITUALS

1. KABBALISTISCHES KREUZ

39

P R A X I S D E S K L E I N E N B A N N E N D E N P E N T A G R A M M R I T U A L S

LE-OLAM (= in Ewigkeit);

falte die Hände vor der Stirn, ziehe sie herab vor die Brust und vibrierekräftig:

AMEN (= so ist es).

Schlage in Richtung Osten das erste Pentagramm. Atme ein, ziehe die Hand an die Brust zurück, steche ruckartig mit Fingern oderDolch in die Mitte des Pentagramms und vibriere kräftig den Gottes-namen:

JHVH (Jeh-ho-wah oder: Jod-He-Vau-He)

Mit weiterhin ausgestreckter Hand wendest du dich nach Süden (Teil-kreis abschreiten), wiederholst das Schlagen des Pentagramms und dasHineinstechen und vibrierst kräftig:

ADNI (Ah-do-nai)

Mit weiterhin ausgestreckter Hand wendest du dich nach Westen (Teil-kreis abschreiten), wiederholst das Schlagen des Pentagramms und dasHineinstechen und vibrierst kräftig:

EHIH (Äe-hi-iäh)

Mit weiterhin ausgestreckter Hand wendest du dich nach Norden (Teil-kreis abschreiten), wiederholst das Schlagen des Pentagramms und dasHineinstechen und vibrierst kräftig:

AGLA (Ah-g-lah)

Mit weiterhin ausgestreckter Hand wendest du dich zurück nach Osten(Teilkreis abschreiten) und schließt so den Kreis, der nun von Penta-grammitte zu Pentagrammitte reicht.

2. SCHLAGEN (ZIEHEN) DER PENTAGRAMME UND DES KREISES

40

D A S K L E I N E B A N N E N D E P E N T A G R A M M R I T U A L

Strecke die Arme nach Osten blickend seitlich aus, und visualisieredich selbst als überdimensionales schwarzes Kreuz, an dessen vor-derem Schnittpunkt eine große rote Rose blüht. Ist diese Visualisa-tion zufriedenstellend erfolgt, visualisierst du beim Vibrieren ihrerNamen die überlebensgroßen menschengestaltigen Formen der Erzengel.

Sprich dabei und vibriere die Namen kräftig:

Vor mir RAPHAEL;hinter mir GABRIEL;zu meiner Rechten MICHAEL;zu meiner Linken AURIEL;um mich herum flammende Pentagramme;über mir strahlt der sechszackige Stern.

3. ANRUFUNG DER ERZENGEL/VISUALISATION WEITERER GLYPHEN

��

��

Abbildung 2: Zugrichtung beim Kleinen Pentagrammritual

41

E R L Ä U T E R U N G E N Z U M K L E I N E N B A N N E N D E N P E N T A G R A M M R I T U A L

4. KABBALISTISCHES KREUZ

Verfahre wie oben unter Punkt 1.

Siehe die Erläuterungen zu diesem Punkt weiter unten.

1. Imagination während desKabbalistischen Kreuzes:Die Zughand zieht einen Strahlaus weißem Licht durch dieKrone des Kopfes in den Körper, durch den Solarplexus bis hinab zuden Füßen; dann von der rechten zur linken Schulter, so daß der Körpervon einem Lichtkreuz durchstrahlt wird.

2. Schlagen (Ziehen) der Pentagramme und des KreisesDie Pentagramme werden in Pfeilrichtung (s. Abbildung 2) vor demKörper mit etwa einem Meter Gesamthöhe geschlagen. Es empfiehlt

Abbildung 3: Das Hexagramm

5. ENTLASSUNGSFORMEL (NUR AM ENDE DES GESAMTRITUALS)

ERLÄUTERUNGEN ZUM

KLEINEN BANNENDEN

PENTAGRAMMRITUAL

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Frater V.D.

Schule der Hohen Magie I & II(Sonderausgabe)

Paperback, Broschur, 1120 Seiten, 15,0 x 22,7 cmISBN: 978-3-7787-7451-9

Ansata

Erscheinungstermin: Juli 2011

Die Schule magischer Künste Eine Schritt-für-Schritt-Schulung in den magischen Künsten durch einen welt bekannten Meister– in beispielloser Vollständigkeit und Klarheit. Wer sich ernsthaft mit Magie befassen will, findetin diesem einzigartigen Standardwerk alles, was er dazu braucht: von der Vermittlung deserforderlichen theoretischen und methodischen Wissens bis zur konkreten Anleitung für dieAnwendung magischer Praktiken.