Schwerpunktthema Österreich Spiegel Nr.70 Mai/Juni

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www.sprachportal.at ÖSTERREICH SPIEGEL 70.2015 Sommer 10 | Schwerpunkt: Zusammenhalt Singen für die Kinder Südafrikas „An der Lyric Opera of Chicago war er zuletzt Wagners Tannhäuser. In der New Yorker MET ist er in derselben Partie im Herbst in einer alten Otto- Schenk-Inszenierung zu hören. Heute Mittwoch steht Johan Botha noch einmal als Parsifal auf der Bühne der Wiener Staatsoper. Und ein Herzensanliegen ist für den Tenor und künstlerischen Botschafter Südafrikas, mit Pretty Yende am 20. April im Wiener Konzerthaus ein Benefiz mit Opern- und Operettenklassikern für das Nelson-Mandela-Kinderkranken- haus in der Sieben-Millionen-Metro- pole Johannesburg, zu singen. „Es wird das zweite in Südafrika sein und war auch der große Traum von Nelson Mandela“, sagt Botha im KURIER- Gespräch. „Dafür sammeln wir Geld. Auf dem rie- sigen Kontinent Afrika gibt es überhaupt nur fünf Kinderspitäler. Und das ist viel zu wenig.“ Mit einem „Ohrwurm-Programm“, so Botha, feiert man das 20-Jahr-Jubiläum der Demokratie in Südafrika: Arien von Verdi, Donizetti, Bellini, Giacomo Puccini, Lehár und Johann Strauß. Gewidmet dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten Nelson Mandela. Ihn bewundert Botha, der auf der Farm seines Großvaters in Südafrika zur Zeit der Apartheid aufgewachsen ist, und „nie verstanden hat, warum Schwarze weniger wert sein sollten als Weiße“: „Als Mandela nach 27 Jahren 1990 aus dem Gefängnis entlassen wurde, hätte er sagen können: ,Krieg!‘ Aber Mandela hat das Gegenteil getan. Er ist der einzige Mensch, den ich in meinem Leben gesehen habe, der die Bibel gelebt hat, wie es sein soll. Er hat auf Vergebung und Versöhnung gesetzt und dazu aufgerufen, gemeinsam eine Nation zu bilden, damit unsere Kinder miteinander in Frieden leben können. Das schätze ich an ihm. Das ist sein Ver- mächtnis.“ 08.04.2015, Werner Rosenberger Mehr zeigen als Gewalt D as gesellschaftliche Klima wird schärfer. Unruhen, Attentate und Terror entsetzen die Öffentlichkeit. Diese verbindet mit arabischen und islamischen Ländern Aufstände sowie Aus- peitschungen und Hinrichtungen. So berichten die Medien, meist korrekt, gelegentlich zugespitzt, manchmal vereinfacht. Die Öffentlichkeit ist auf Nachrichten angewiesen, um sich ein Bild von der Welt zu machen. Doch wenn wir uns nur mit den berichteten Grausamkeiten beschäftigen, wird es uns nicht gelingen, andere Religionen und Kulturen zu verstehen. Schon gar nicht werden wir so Ver- ständigung und Zusammenhalt herstellen. Genau dazu aber vepflichten Offenbarungsreligionen – wie Judentum, Christentum und Islam – ihre Gläubigen. Verbrechen sind zu verurteilen, die Würde des Menschen ist durchzusetzen. Überall. Berechtigte Revolte und illegitime Herrschaft sind beim Namen zu nennen. Darüber ist zu reden – aber nicht nur über TV-Schreckensbilder eines Terrors im Namen des Islam, den dessen Gelehrte ausdrücklich verur- teilen. Wir müssen unseren Blick erweitern. Das ist der erste Schritt zu jenem Zusammenhalt, den alle wünschen, und den Medien zu fördern haben, indem sie mehr zeigen als Gewalt. Frühling 2015, Claus Reitan Medien sollen Zusammenhalt im Alltag thematisieren. Opernsänger Johan Botha sammelt in Wien Spenden für Südafrika. Integration macht Schule „Ob Hobbys, Einstellungen, Lebenspläne oder eben die Herkunft – die Jugendlichen in meiner Klasse unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht“, sagt Manfred Schwarzgruber. „Diese Vielfalt kann manchmal zu Verunsicherung und Angst und im schlimmsten Fall zu Gewalt führen.“ Um das von vornherein zu vermeiden, hat der Lehrer für poli- tische Bildung das Projekt „Wir – Für Respekt, gegen Gewalt“ initiiert. Dabei steht der wertschät- zende Umgang mit Unterschieden im Mittelpunkt. Über mehrere Monate hinweg bearbeiten die Schüler gemeinsam Fragen wie: Wer sind wir? Was verbindet uns, was trennt uns? Wo kommen wir her und wo wollen wir hin? „Migrationshinter- grund ist dabei ein wichtiges ema, aber nicht das einzige“, sagt Schwarzgruber. Konkret erarbeiten die Jugendlichen in Gruppen Hintergründe zu den emen Respekt, Unterschiede und Gewalt. Dabei erhalten sie Unterstützung durch Experten, etwa aus der Schulpsychologie, Kinder- und Jugendan- waltschaft oder der Polizei. „So erarbeiten die Schüler gemeinsam, wie sie miteinander umgehen wollen“, sagt Schwerzgruber. „Bei der Abschluss- veranstaltung des Projekts präsentieren sie einander dann ihre Ergebnisse. Diese Erfahrung ist nicht nur in der Schule anwendbar – sondern auch im Berufsleben oder in der Freizeit, etwa beim Fortgehen.“ Frühling 2015 spenden für die gruft statt vieler geschenke Franz Reindl wollte kein Geburtstagsgeschenk bekommen, das er ohnehin nicht braucht. Deshalb hat sich der 70-Jährige für seinen runden Geburts- tag etwas Außergewöhnliches überlegt: Anstatt ihm Geschenke zu überreichen, hat er Freunde und Familie gebeten, für die Gruft der Caritas Wien zu spenden: „Ich wollte etwas für die Menschen tun, denen es nicht so gut geht wie uns“, sagt Reindl. Und das hat gut funktioniert – schon drei Wochen vor der Geburtstagsfeier haben Freunde Säcke und Kartons gebracht. „Manche haben zu Hause geschaut, was sie hergeben können. Andere waren extra einkaufen“, schildert Reindl. Nach dem Geburtstagsfest hat der 70-Jährige gemeinsam mit seiner Frau Claudia drei Autoladungen in die Gruft gebracht: 40 Kartons und 20 Säcke, gefüllt mit Kleidung, Hygieneartikeln und Lebensmitteln, davon allein 23 Liter Speiseöl. „Wir haben uns sehr gefreut“, sagt Elisabeth Pichler, stellvertretende Leiterin der Gruft. Denn brauchen könne man immer was. Am dringendsten benötigt werden derzeit Feuerzeuge, Sportschuhe, Jeans, waschbare Wolldecken, Sirup und Speiseöl. 31.03.2015 WWW.WEINFRANZ.AT KEN HOWARD | METROPOLITAN OPERA Wunsch zum 70. Geburtstag

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www.sprachportal.atÖSTERREICH SPIEGEL70.2015 Sommer

10 | Schwerpunkt: Zusammenhalt

Singen für die Kinder Südafrikas

„An der Lyric Opera of Chicago war er zuletzt Wagners Tannhäuser. In der New Yorker MET ist er in derselben Partie im Herbst in einer alten Otto-Schenk-Inszenierung zu hören.

Heute Mittwoch steht Johan Botha noch einmal als Parsifal auf der Bühne der Wiener Staatsoper.

Und ein Herzensanliegen ist für den Tenor und künstlerischen Botschafter Südafrikas, mit Pretty Yende am 20. April im Wiener Konzerthaus ein Benefiz mit Opern- und Operettenklassikern für das Nelson-Mandela-Kinderkranken-haus in der Sieben-Millionen-Metro-pole Johannesburg, zu singen.

„Es wird das zweite in Südafrika sein und war auch der große Traum von Nelson Mandela“, sagt Botha im KURIER- Gespräch. „Dafür sammeln wir Geld. Auf dem rie-sigen Kontinent Afrika gibt es überhaupt nur fünf Kinderspitäler. Und das ist viel zu wenig.“

Mit einem „Ohrwurm-Programm“, so Botha, feiert man das 20-Jahr-Jubiläum der Demokratie in Südafrika: Arien von Verdi, Donizetti, Bellini, Giacomo Puccini, Lehár und Johann Strauß. Gewidmet dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten Nelson Mandela.

Ihn bewundert Botha, der auf der Farm seines Großvaters in Südafrika zur Zeit der Apartheid

aufgewachsen ist, und „nie verstanden hat, warum Schwarze weniger wert sein sollten als Weiße“: „Als Mandela nach 27 Jahren 1990 aus dem Gefängnis entlassen wurde, hätte er sagen können: ,Krieg!‘ Aber Mandela hat das Gegenteil getan. Er ist der einzige Mensch, den ich in meinem Leben gesehen habe, der die Bibel gelebt hat, wie es sein soll. Er hat auf Vergebung und Versöhnung gesetzt und dazu aufgerufen, gemeinsam eine Nation zu bilden, damit unsere Kinder miteinander in Frieden leben können. Das schätze ich an ihm. Das ist sein Ver-mächtnis.“

08.04.2015, Werner Rosenberger

Mehr zeigen als Gewalt

D as gesellschaftliche Klima wird schärfer. Unruhen, Attentate und Terror entsetzen

die Öffentlichkeit. Diese verbindet mit arabischen und islamischen Ländern Aufstände sowie Aus-peitschungen und Hinrichtungen. So berichten die Medien, meist korrekt, gelegentlich zugespitzt, manchmal vereinfacht. Die Öffentlichkeit ist auf Nachrichten angewiesen, um sich ein Bild von der Welt zu machen. Doch wenn wir uns nur mit den berichteten Grausamkeiten beschäftigen, wird es uns nicht gelingen, andere Religionen und Kulturen zu verstehen. Schon gar nicht werden wir so Ver-ständigung und Zusammenhalt herstellen. Genau dazu aber vepflichten Offenbarungsreligionen – wie Judentum, Christentum und Islam – ihre Gläubigen.

Verbrechen sind zu verurteilen, die Würde des Menschen ist durchzusetzen. Überall. Berechtigte Revolte und illegitime Herrschaft sind beim Namen zu nennen. Darüber ist zu reden – aber nicht nur über TV-Schreckensbilder eines Terrors im Namen des Islam, den dessen Gelehrte ausdrücklich verur-teilen. Wir müssen unseren Blick erweitern. Das ist der erste Schritt zu jenem Zusammenhalt, den alle wünschen, und den Medien zu fördern haben, indem sie mehr zeigen als Gewalt.

Frühling 2015, Claus Reitan

Medien sollen Zusammenhalt im Alltag thematisieren.

Opernsänger Johan Botha sammelt in Wien Spenden für Südafrika.

Integration macht Schule„Ob Hobbys, Einstellungen, Lebenspläne oder eben die Herkunft – die Jugendlichen in meiner Klasse unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht“, sagt Manfred Schwarzgruber. „Diese Vielfalt kann manchmal zu Verunsicherung und Angst und im schlimmsten Fall zu Gewalt führen.“ Um das von vornherein zu vermeiden, hat der Lehrer für poli-tische Bildung das Projekt „Wir – Für Respekt, gegen Gewalt“ initiiert. Dabei steht der wertschät-zende Umgang mit Unterschieden im Mittelpunkt.

Über mehrere Monate hinweg bearbeiten die Schüler gemeinsam Fragen wie: Wer sind wir? Was verbindet uns, was trennt uns? Wo kommen wir her und wo wollen wir hin? „Migrationshinter-grund ist dabei ein wichtiges Thema, aber nicht das einzige“, sagt Schwarzgruber. Konkret erarbeiten die Jugendlichen in Gruppen Hintergründe zu den Themen Respekt, Unterschiede und Gewalt. Dabei erhalten sie Unterstützung durch Experten, etwa aus der Schulpsychologie, Kinder- und Jugendan-waltschaft oder der Polizei. „So erarbeiten die Schüler gemeinsam, wie sie miteinander umgehen wollen“, sagt Schwerzgruber. „Bei der Abschluss-veranstaltung des Projekts präsentieren sie einander dann ihre Ergebnisse. Diese Erfahrung ist nicht nur in der Schule anwendbar – sondern auch im Berufsleben oder in der Freizeit, etwa beim Fortgehen.“

Frühling 2015

spenden für die gruft statt vieler geschenke

Franz Reindl wollte kein Geburtstagsgeschenk bekommen, das er ohnehin nicht braucht. Deshalb hat sich der 70-Jährige für seinen runden Geburts-tag etwas Außergewöhnliches überlegt: Anstatt ihm Geschenke zu überreichen, hat er Freunde und Familie gebeten, für die Gruft der Caritas Wien zu spenden: „Ich wollte etwas für die Menschen tun, denen es nicht so gut geht wie uns“, sagt Reindl.

Und das hat gut funktioniert – schon drei Wochen vor der Geburtstagsfeier haben Freunde Säcke und Kartons gebracht. „Manche haben zu Hause geschaut, was sie hergeben können. Andere waren extra einkaufen“, schildert Reindl. Nach dem Geburtstagsfest hat der 70-Jährige gemeinsam mit seiner Frau Claudia drei Autoladungen in die Gruft gebracht: 40 Kartons und 20 Säcke, gefüllt mit Kleidung, Hygieneartikeln und Lebensmitteln, davon allein 23 Liter Speiseöl.

„Wir haben uns sehr gefreut“, sagt Elisabeth Pichler, stellvertretende Leiterin der Gruft. Denn brauchen könne man immer was. Am dringendsten benötigt werden derzeit Feuerzeuge, Sportschuhe, Jeans, waschbare Wolldecken, Sirup und Speiseöl.

31.03.2015

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Wunsch zum 70. Geburtstag

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Ein Pakistani und der Wiener Schmäh

D ie Plattform „Flüchtlinge Willkommen“ vermittelt Asylwerbern ein Zimmer in

einer studentischen Wohngemeinschaft – gemein-sam mit Österreichern. Ein Bett, ein Schrank und ein Schreibtisch stehen in Muhammads* Zimmer. Muhammad gehört hier kaum etwas. Trotzdem fühlt er sich „angekommen“.

Vor vier Jahren ist Muhammad aus Pakistan geflohen. Danach musste er ständig umziehen: von Traiskirchen nach Tirol, dann wieder Traiskirchen und nun Wien. Dazwischen: Aufenthalte in Paris und Kopenhagen.

„Als ich zum ersten Mal die Wohnung betrat, wusste ich, dass ich hier leben möchte“, sagt Muhammad. Das liegt auch an seinen Mitbewoh-nerinnen: Lisa Linkeseder studiert Komparatistik und Kunstgeschichte an der Uni Wien, Eva Linkeseder Soziale Arbeit an der Fachhochschule Salzburg. Die beiden sind Cousinen.

Seit einem Monat teilen sie sich eine Altbau-Wohnung im achten Bezirk. Das gemeinsame WG-Leben spielt sich abwechselnd in Evas und Lisas Zimmer ab: „Wir haben einen Tisch, der wandert“, sagt Eva. Wenn Zeit ist, kochen und essen sie zusammen.

„Wir waren gespannt, schließlich wussten wir nicht, ob wir uns überhaupt in einer Sprache ver-ständigen können“, sagt die Studentin. Sie haben zu einer gefunden: Eine Mischung aus Englisch und Deutsch – Muhammad macht gerade seinen dritten Deutschkurs. Überhaupt sei die Sprache nicht so wichtig: „Wir haben denselben Schmäh“, sagt Eva.

Zusammengefunden hat die WG über „Flücht-linge Willkommen“. Die Plattform wurde nach deutschem Vorbild im Jänner dieses Jahres als Non-Profit-Organisation gegründet. Sie vermittelt

Flüchtlingen leerstehende Zimmer in Wohnge-meinschaften. „Wir wollen den Kontakt mit der Gesellschaft herstellen und somit die Flüchtlinge besser integrieren“, sagt der Politikwissenschafts-student David Zistl, der das Projekt mitbegründet hat.

Die Anmeldung läuft übers Internet: Die Zimmer-suchenden und -bietenden können sich per Frage-bogen registrieren. Zistl und seine Kollegen stellen dann – nach Alter und Interessen – passende Kombi-nationen zusammen. So lief es auch bei Muhammad ab. Gemeinsam mit einem österreichischen Freund besuchte er Lisa und Eva, die „im Radio von dem Projekt gehört“ hatten. Sie waren auf der Suche nach einem Zwischenmieter. Da kam das Projekt gelegen. Die einzige Priorität, die die Cousinen bei der Mitbewohnersuche angaben: „Uns ist Gemeinschaft wichtig, wir wollen nicht nebeneinander herleben.“Das hat Muhammad gefallen. Nun sind sie die erste WG in Österreich, die über die Plattform entstanden ist.

Derzeit leben laut Innenministerium 7.400 Flüchtlinge in Wien, rund drei Viertel davon in privaten Unterkünften. Flüchtlinge, die privat wohnen, erhalten im Rahmen der Grundversorgung 320 Euro pro Monat: 200 Euro für die Verpflegung, 120 Euro Mietzuschuss.

Mit 120 Euro ist es schwer, in Wien eine Woh-nung zu finden. Genau dabei will „Flüchtlinge Willkommen“ ansetzen: Die Plattform unterstützt die WGs beim Crowdfunding für die Miete. Auf Facebook baten Lisa und Eva um Unterstützung: „Binnen 24 Stunden hatten wir das Geld für acht Monatsmieten sicher“, sagt Eva. Ehemalige Lehrer, Freunde und Studienkollegen überweisen monat-lich einen Fixbetrag auf das Konto der Wohnge-meinschaft.*Auf Wunsch wurde der Name von der Redaktion geändert.

05.03.2015, Lisa Breit, Selina Thaler

Vermittler zwischen den KulturenSibel Uranüs, 24 Die Tochter österreichisch-türkischer Eltern kennt die Frage, warum sie kein Kopftuch trägt:

„Manchmal werde ich gefragt, wieso ich einen türkischen Namen habe, aber kein Kopftuch trage“, erzählt Sibel Uranüs. „Die Frage stört mich nicht. Ich erkläre dann, dass das die perönliche Entschei-dung jeder Frau ist. Meist kann ich nach einem kurzen Gespräch dabei zuschauen, wie sich etwaige Vorurteile beim Gegenüber von selbst auflösen.“ Auf das Thema angesprochen wird Uranüs vor allem im privaten Umfeld, etwa auf Partys. „In meinem Beruf als Juristin spielt das keine Rolle“, sagt sie. „In der Branche gelten internationale Wurzeln und zusätzliche Sprachkenntnisse sogar als Vorteil.“ Die Tochter österreichisch-türkischer Eltern fühlt sich in beiden Kulturen zu Hause. „Meine Familie feiert Weihnachten und Bayram“, sagt Uranüs. „Darauf bin ich stolz.“

Frühling 2015, Aleksandra Klepic

Sibel Uranus hat türkisch-österreichische Eltern und fühlt

sich in beiden Kulturen zuhause.

23.03.2015,

Lisa Nimmervoll

Einer von fünf Schul-buben wird gemobbt

Laut OECD-Report sind in keinem der 27 unter-suchten Länder so viele Buben in der Schule von Mobbing betroffen. Ihr Anteil ist doppelt so groß wie im OECD-Schnitt, fünfmal größer als in Schweden. Es ist ein unrühmlicher erster Platz, den Österreich im neuesten Report der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (OECD) einnimmt. Dieser widmet sich „Skills for Social Progress: The Power of Social and Emotional Skills“. Und demzufolge berichtet hierzulande einer von fünf Buben im Alter von elf bis 15 Jahren von zumindest zwei „Bullying“-Erfahrungen in den vergangenen zwei Monaten in der Schule. Mit 21,3 Prozent weist Österreich damit einen fast doppelt so hohen Anteil an Mobbingopfern im Schulumfeld aus als der OECD-Schnitt der 27 unter-suchten Länder mit elf Prozent. Die absolut niedrigste Bullying-Rate hat Schweden mit nur vier Prozent.

Unter „Bullying“ versteht man Mobbing in der Schule, also systematische und wiederholte Aggression unter Schülern, seien es verbale durch Beleidigungen, soziale durch Streuen von Gerüchten oder andere Formen öffentlicher Beschämung und Schikanen sowie physische in Form von körper-lichen Attacken. Die OECD-Autoren sehen darin ein „ernstes, gesamtgesellschaftliches Problem, das Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter haben kann.“

Als Gegenmaßnahmen empfehlen die Studien-autoren schulische Interventionen, die das Selbst-wertgefühl der Kinder fördern, die ihnen helfen, mit Emotionen wie Wut und Aggression umzugehen und die die Resilienz der Schülerinnen und Schüler, also deren psychische Widerstandsfähigkeit, auf-bauen und stärken. Dies könne helfen, Bullying, aber auch die langfristigen Gesundheits- und Sozial-kosten für die Folgen von Mobbing zu reduzieren.

Ausschnitt aus der Cybermobbing-Kampagne von Pro Juventute

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