scio. II

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POLITIK | Der erste Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung vor dem Start in Schleswig-Holstein R Seite 19 Pro & Contra | Wie Dr. Axel Schroeder und Dr. Michael Späth ein Comeback des Korbmodells beurteilen R Seite 24 Chefsache | Wer jetzt handelt, kann von niedrigen Zinsen für den Praxiskredit profitieren R Seite 26 I I | MMIX Magazin rund um das ärztliche Leben SEGELN Ärzte verraten ihre Lieblingsreviere Seite 30 ABLÖSUNG IN DEN PRAXEN? MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN

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Magazin rund um das ärztliche Leben

Transcript of scio. II

POLITIK | Der erste Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung vor dem Start in Schleswig-Holstein R Seite 19

Pro & Contra | Wie Dr. Axel Schroeder und Dr. Michael Späth ein Comeback des Korbmodells beurteilen R Seite 24

Chefsache | Wer jetzt handelt, kann von niedrigen Zinsen für den Praxiskredit profitieren R Seite 26

I I | MMIX

Magazin rund um das ärztliche LebenSEGELN

Ärzte verraten ihre

Lieblingsreviere

Seite 30

ABLÖSUNG IN DEN PRAXEN?

Medizinische Versorgungszentren

Bowler Hat und Regenschirm, Tea withMilk und Bed and Breakfast, gespenstischeHerrenhäuser und kauzige Schlossherren –all dies gilt allgemein als typisch britisch. Doch das Vereinigte Königreich hat weitausmehr zu bieten. Im Rahmen einer exklusi-ven Kreuzfahrt mit dem TV-TraumschiffDEUTSCHLAND rund um Großbritan-nien können unsere Leser in diesemSpätsommer die vielen landschaftlichen undkulturellen Besonderheiten des Inselreichsvom Wasser aus entdecken. Von den steilenKlippen Cornwalls im Süden bis zu denschottischen Highlands im Norden erwar-ten die Gäste wildromantische Landschaf-ten, lebendige Metropolen und verträumte

Fischerstädtchen. Doch auch kulturell wird viel geboten: DaGroßbritannien unter anderem als Mutter-land der Gartenkultur, des Golfspiels, desPferderennsports sowie des Fußballs gilt,hat die Peter Deilmann Reederei für dieseKreuzfahrt bestimmte themenspezifischeAusflugspakete im Programm, bei denenviele landestypische Schwerpunkte beson-ders ausführlich behandelt werden. So können sich Freunde des Fußballs,Golfspieler, Pferdeliebhaber, Garten-Enthusiasten, Radwanderer und aktiveEntdecker auf dieser Reise mit dem 5-Sterne-Superior-Schiff ganz besondersintensiv ihrem Steckenpferd widmen. Das

Ausflugsprogramm für Fußballfreundezum Beispiel wird von keinem geringerenals von Fußball-Idol Uwe Seeler begleitet. Für Unterhaltung an Bord sorgen u. a.Musical-Star Angelika Milster, SängerinPetra Lamy mit Liedern von Edith Piaf undden Beatles sowie die Harfenistin EkaterinaAfanasieva mit keltischen Harfenklängen.

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DEU325_SCIO_190x250_4c.qxp 15.06.2009 15:21 Uhr Seite 1

scio. Magazin für das ärztliche Leben 3

EDITORIAL.

Vor zwei Monaten haben Sie die erste Ausgabe von Scio erhalten. Ihre Re-aktionen waren für uns ermutigend.

Viele von Ihnen haben uns bestätigt, dass unser Konzept, die Inhalte ausschließlich an den Interessen der niedergelassenen Ärzte zu orien-tieren, ankommt. Und das bedeutet, dass Scio thematisch berücksichtigt, was Sie politisch bewegt, was Sie als Praxischef wirtschaftlich beachten müssen und was Sie in Ihrer knapp bemessenen Freizeit am liebsten tun. Bei vielen von Ihnen ist die Antwort auf die letzte Frage klar: Sie segeln. Zahlreiche Praxis-inhaber in Hamburg und Schleswig-Holstein verbringen ihre Freizeit am liebsten auf dem Wasser. Die meisten von ihnen zum Entspan-nen und Genießen. Viele aber auch, weil sie gerne Regatta segeln. Manche, wie Ihr Kollege Jörg Diesch, haben es dabei bis zum Olympia-sieg gebracht. Anderen genügt als sportliches Ziel der Lubinus Cup. Autor Frank A. Nemitz hat mit Teilnehmern über ihre Leidenschaft gesprochen. Die beeindruckenden Fotos in un-serer Rubrik Praxisschluss stammen wie schon in der ersten Scio-Ausgabe erneut von Jörg Wohlfromm. Er ist für Scio nicht nur nass geworden, son-dern hat sich auch weit nach oben gewagt. Von einem Kran hoch über Kiel hat er für Sie die größte Medizinbaustelle im Norden fotogra-fiert. Das Ergebnis sehen Sie im Blickwinkel. Wohlfromm, der in seiner Fotografen-Lauf-bahn schon so einige Baustellen aufgenommen hat, war hinterher nicht nur von der Aussicht angetan: „Eine so gut organisierte und saubere Baustelle habe ich noch nicht erlebt.“

Liebe Leserinnen und Leser,Gut organisiert muss auch ein Themen-MVZ wie das medicum sein. Bis zu fünf aneinander gekoppelte Arzttermine bekommen Patienten dort. Ist das die Zukunft der ambulanten Versorgung? Unsere Autorin Daniela Stohn hat für Scio nicht nur das medicum besucht, sondern die komplette MVZ-Szene im Norden beleuchtet. In ihren Gesprächen mit den Ärzten stieß sie auf neue Ideen, auf dankbare Ärzte in Teilzeit, auf findige Unternehmer – aber immer wieder auch auf ernst zu nehmende Bedenken von Ärzten. Ihre Bestandsaufnahme finden Sie im Titelthema ab Seite 10. Weil Medizinische Versorgungszentren derzeit für starke Unru-he sorgen, haben wir auf andere politische Themen weitgehend verzichtet.Zwei aktuelle Themen wollen wir Ihnen aber nicht vorenthalten. In Schleswig-Holstein gibt es ab Oktober den ersten Vertrag zur hausarzt-zentrierten Versorgung, der sich stark an dem AOK-Vertrag in Baden-Württemberg anlehnt. Als unsere Autorin Marion Förster die Recher-chen aufnahm, war mit einem Abschluss noch gar nicht zu rechnen. Fast zeitgleich mit der Unterschrift unter das Vertragswerk mit den Betriebskrankenkassen wurde ihr Text fertig. Noch kein Ergebnis können wir Ihnen dagegen zum Korbmodell der HNO-Ärzte präsentieren. Dafür aber Argumente: Dr. Axel Schroeder und Dr. Michael Späth setzten sich für Scio an die Tastatur und lieferten das Pro und Contra zu einem Thema, das quer durch die Ärzteschaft kontrovers diskutiert wird. Sie sind eingeladen, mit zu diskutieren und uns Ihre Meinung zu mailen oder zu schreiben.

Wir freuen uns auf Ihre Reaktionen,Ihr

Dirk Schnack

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scio. Magazin für das ärztliche LebenII | MMIX4

scio. AusgAbe II | MMIX

Editorial. Seite 3

BliCKWiNKEl. Die Medizinbaustelle der Superlative. Seite 6

SChNittStEllE. Seite 8

titElthEMa. MedIzInIsche Versorgungszentren.Ergänzung oder Gefahr für die ambulante Versorgung. Seite 10Drei Fragen an Lars Timm, RegioKliniken. Seite 12Scio-Expertentipp. Seite 13Interview mit Dr. Matthias Riedl (medicum Hamburg). Seite 17

PolitiK. Hausarzthonorare wie im Ländle. Seite 19

hauSBESuCh. Ein traditionell-chinesischer Schulmediziner: Dr. Dieter Mühlhoff. Seite 20

NaChgEhaKt. Von der schwierigen Umerziehung der Patienten. Seite 22

PraXiSPoSt. Leserbriefe. Seite 23

MEiNuNg. Zulassungen in den Korb – leere Drohung oder Trumpfkarte? Seite 24

ChEfSaChE.Praxiskredit – jetzt handeln! Seite 26So frischen Sie Ihre Praxis auf. Seite 27

SPrEChStuNdE. Für Kunden mit vielen Fragen: Medizinische Beratung am Telefon. Seite 28

PraXiSSChluSS. Segeln: Ärzte verraten ihre Lieblingsreviere. Seite 30Vorsicht vor diesem Arzt: Ansteckende Musikbegeisterung! Seite 33

CartooN. Nicht lustig. Seite 34

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inhalt.

»Kliniken sorgen dafür, dassder Begriff MVZ negativ besetzt ist«

Dr. Matthias rieDl

R Ärzte iM MVzbieten ambulante Versorgung aus einer hand. Doch viele Praxisinhaber beobachten die entwicklung mit sorge. scio hat mit den Betreibern und den Kritikern der Versorgungs-zentren im Norden gesprochen.

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iNhalt.

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Editorial. Seite 3

BliCKWiNKEl. Die Medizinbaustelle der Superlative. Seite 6

SChNittStEllE. Seite 8

titElthEMa. MedIzInIsche Versorgungszentren.Ergänzung oder Gefahr für die ambulante Versorgung. Seite 10Drei Fragen an Lars Timm, RegioKliniken. Seite 12Scio-Expertentipp. Seite 13Interview mit Dr. Matthias Riedl (medicum Hamburg). Seite 17

PolitiK. Hausarzthonorare wie im Ländle. Seite 19

hauSBESuCh. Ein traditionell-chinesischer Schulmediziner: Dr. Dieter Mühlhoff. Seite 20

NaChgEhaKt. Von der schwierigen Umerziehung der Patienten. Seite 22

PraXiSPoSt. Leserbriefe. Seite 23

MEiNuNg. Zulassungen in den Korb – leere Drohung oder Trumpfkarte? Seite 24

ChEfSaChE.Praxiskredit – jetzt handeln! Seite 26So frischen Sie Ihre Praxis auf. Seite 27

SPrEChStuNdE. Für Kunden mit vielen Fragen: Medizinische Beratung am Telefon. Seite 28

PraXiSSChluSS. Segeln: Ärzte verraten ihre Lieblingsreviere. Seite 30Vorsicht vor diesem Arzt: Ansteckende Musikbegeisterung! Seite 33

CartooN. Nicht lustig. Seite 34

30

3328R iMPressUMherausgeber: mediageno Verlags gmbh

geschäftsführung: Miriam Quentin (V.i.s.d.P.)

redaktionsleitung: dirk schnack ([email protected])

redaktionelle Mitarbeiter dieser ausgabe: carl culemeyer, Marion Förster, Frank A. nemitz, heino reents, nicola sieverling, daniela stohn, Jörg Wohlfromm (Fotos)

anschrift von Verlag und redaktion: mediageno Verlags gmbhbahnhofstraße 1–3 23795 bad segebergtelefon: 04551 – 99 99-13Fax: 04551 – 99 99-282 e-Mail: [email protected]

grafik: Layoutdeluxe | Felix bittmann, Arndtstraße 21, 22085 hamburg

druck: druckhaus Leupelt gmbh & co.Kg, heideland-ost 24, 24941 Jarplund-Weding

Bezug: einzelheft, 6 euro. Arztpraxen in hamburg und schleswig-holstein wird die zeitschrift kostenlos zugestellt.

Bankverbindung: Volksbank raiffeisenbank neumünster, bLz 21290016, Kontonummer 53265320

Erfüllungsort und gerichtsstand: bad segeberg

An allen beiträgen und Abbildungen steht der mediageno Verlags gmbh das ausschließ-liche oder einfache nutzungsrecht sowie das Verwertungsrecht i. s. d. urhg zu.

scio. – Magazin für das ärztliche Leben er-scheint alle zwei Monate. namentlich gekenn-zeichnete beiträge und Leserbriefe geben nicht immer die Meinung des herausgebers wieder; sie dienen dem freien Meinungsaus-tausch. Anzeigen und Fremdbeilagen stellen allein die Meinung der dort erkennbaren Auf-traggeber dar.der Verlag haftet nicht für unverlangt einge-sandte Manuskripte und Fotos. die redaktion behandelt jede einsendung sorgfältig. die re-daktion behält sich die Auswahl der zuschrif-ten sowie deren sinnwahrende Kürzung aus-drücklich vor. die zeitschrift, alle beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne einwilligung des herausgebers strafbar. Wenn aus grün-den der Lesbarkeit die männliche Form eines Wortes genutzt wird, ist hiermit auch die weibliche Form gemeint.

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6 scio. Magazin für das ärztliche LebenII | MMIX

BLICKWINKEL.

Die Medizinbaustelle der SuperlativeNoch ist das Partikeltherapiezentrum die größte Medizinbaustelle Kiels. Ab 2012 gehen hier Patienten aus dem gesamten Ostseeraum ein und aus.

foto | Jörg Wohlfromm

Betreiber NRoCK (Nordeuropäisches Radio-

onkologisches Centrum Kiel) spart nicht mit

Superlativen. Eines des „weltweit innovativsten

Krebsbehandlungszentren“ nennt Geschäftsfüh-

rer Ralf Kampf das Partikeltherapiezentrum in

der Kieler Feldstraße. „Ab 2012 wird hier Medi-

zingeschichte geschrieben“, meint er. Vor genau

einem Jahr war Baubeginn für das 250 Millionen

Euro teure Projekt. Inzwischen ragen nicht län-

ger nur die Kräne, sondern auch die imposanten

scio. Magazin für das ärztliche Leben 7II | MMIX

BLICKWINKEL.

Die Medizinbaustelle der Superlative

Betreiber NRoCK (Nordeuropäisches Radio-

onkologisches Centrum Kiel) spart nicht mit

Superlativen. Eines des „weltweit innovativsten

Krebsbehandlungszentren“ nennt Geschäftsfüh-

rer Ralf Kampf das Partikeltherapiezentrum in

der Kieler Feldstraße. „Ab 2012 wird hier Medi-

zingeschichte geschrieben“, meint er. Vor genau

einem Jahr war Baubeginn für das 250 Millionen

Euro teure Projekt. Inzwischen ragen nicht län-

ger nur die Kräne, sondern auch die imposanten

Wände des Partikeltherapiezentrums in die Höhe.

Auf 11.700 Quadratmetern errichten 100 Bau-

arbeiter zum Teil fast fünf Meter dicke Mauern

mit einem kobaltarmen Spezialstahl.

Das Krebszentrum versteht sich nicht als Konkur-

renz zu niedergelassenen Strahlentherapeuten.

Ziel ist eine Erweiterung des Behandlungsspekt-

rums, zu dem die Patienten Zugang durch direkte

Überweisung ihres niedergelassenen Arztes

erhalten sollen. Dafür müssen aber zunächst

Versorgungsverträge her – und die Kostenträger

geben sich noch reser-

viert. Als Einzugsgebiet gelten neben ganz Nord-

deutschland die Ostseeanrainerstaaten.

Bei der Partikeltherapie werden über ein Beschleu-

nigersystem Protonen oder Kohlenstoffionen auf

eine sehr hohe Geschwindigkeit und dann punkt-

genau ins Zielgewebe gebracht. Dort fügen die

Partikel den Tumorzellen irreparable Schäden zu.

Die millimetergenaue Berechnung und Steuerung

ermöglicht eine exakte Bestrahlung des Tumors:

das umliegende gesunde Gewebe wird geschont.

Projektpartner sind das Universitätsklinikum

Schleswig-Holstein und ein Konsortium der Firmen

Siemens AG, Bilfinger Berger und HSG Zander.

8 II | MMIX

SchnittStelle.

Mobiles Kinderhospiz braucht hilfeDer gemeinnützige Verein „Die Muschel“ hilft

bei der Betreuung schwer erkrankter Kinder und

Jugendlicher in ihrer letzten Lebensphase, un-

terstützt die Angehörigen und begleitet durch

die Trauerphase. Ziel des mobilen Kinderhos-

pizes ist es, den Kindern die letzten Wochen

ihres Lebens in der vertrauten Umgebung

zu ermöglichen. Zu den Aufgaben der Helfer

zählen aber auch emotionale und praktische

Unterstützung der Eltern und Geschwisterkin-

der. Damit dem Verein auch künftig die dafür

erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, hat

das Unternehmen TurboMed eine Spendenak-

tion gestartet, an der sich jeder beteiligen kann.

Für jede Spende über fünf Euro für die Muschel

gibt es als Dankeschön vom Unternehmen ein

Mousepad mit dem Logo der Spendenaktion.

„Auch kleine Spenden können viel bewirken.

Vom Spielzeug bis zum therapeutischen Reit-

unterricht gibt es zahlreiche Wünsche, die

finanziert werden müssen. Wir versuchen, dies

zu unterstützen“, begründet TurboMed sein

Engagement für den in der Region Bad Sege-

berg aktiven Verein.

info zur Spendenaktion: www.turbomed.deinfo über die initiative: www.die-muschel-ev.de

Ärzte, Physiotherapeuten und Apotheker sollen ab Frühjahr 2010 in die frühere Pathologie direkt neben der Asklepios

Klinik Barmbek einziehen. Der denkmalge-schützte Backsteinbau wird derzeit zum Ge-sundheitszentrum umgebaut. „Wir wollen die historische Fassade mit ihrem eindrucksvollen Portal wiederherstellen und die Altbausubstanz mit einer modernen Innenstruktur kombinie-ren“, kündigte Frank Kutschera von der Pro-jektmanagementfirma Hansa Terra GmbH an. Geplant sind Praxen aus den Fachrichtungen Pädiatrie, Inneres, HNO, Orthopädie, Gynä-kologie und Augenheilkunde auf insgesamt vier Ebenen. Nach Angaben des Unternehmens beteiligen sich auch Ärzte an den Investitionen

für das Gesundheitszentrum. Hansa Terra wirbt für das Projekt als „medizinisches Kom-petenzzentrum hinter historischen Mauern“. Kutschera hält das frühere Krankenhausgelände wegen seiner Lage für ideal als Standort für ein Gesundheitszentrum, weil die Nachbarschaft zum modernen Barmbeker Klinikum den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Klinikkollegen ermöglicht. Außerdem soll in der Umgebung neuer Wohnraum geschaffen werden. Nach Angaben der Investoren sind Zweidrittel der insgesamt 2.800 Quadratmeter großen Nutzfläche schon an private Investoren verkauft. Bei früheren Projekten ähnlicher Größenordnung hatten sich die Praxisinhaber in Hamburg eher zurückhaltend gezeigt.

Praxen ziehen in die alte Pathologie

Genossenschaft auf Wachstumskurs

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Steigende Erträge und wachsende Mitgliederzahlen verzeichnet die Ärztegenossenschaft Schleswig-Holstein. Im Geschäftsjahr 2008 näherten sich die Genossen mit Erträgen von insgesamt über 960.000 Euro (plus zwei Prozent im Vergleich zu 2007) der Millionengrenze. Neben Erträgen aus den Beteiligungen an der Generikavertriebsfirma Q-Pharm und der ädg waren vor allem Provisions- erlöse und die Betreuung von Arztgruppen verantwortlich für den Umsatz. Dieses Standbein wird immer wichtiger, inzwischen betreut die Genossenschaft acht Verträge mit einem Honorarvolumen von 19 Millionen Euro. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Abwicklung von Selektiv- verträgen. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren waren dies erst zwei Verträge mit einem Volumen von 6,5 Millionen Euro. Der gerade abgeschlossene Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung (siehe Seite 19) lässt erwarten, dass dieser Bereich weiter stark wachsen wird. Zugleich erfordert die Expansion auch Investitionen, u. a. in zusätzliches Personal. Ob der Gewinn aus dem Jahr 2008 (rund 22.000 Euro) auch in 2009 erreicht werden kann, ist deshalb unwahrscheinlich.

Techniker Krankenkasserät Patienten zur Kontrolle

Die techniker Krankenkasse (tK) Schleswig-hol-stein rät ihren Versicherten, ihre Krankenakten

einzusehen. Grund: Der morbiditätsorientierte Ri-

sikostrukturausgleich schafft Anreize, bestimmte

schwere Krankheiten häufig zu dokumentieren.

Als Beispiel nennt die Kasse die Umwandlung

einer Stimmungsschwankung in eine Depression –

für die Krankenkasse bedeutet dies einen Zu-

schlag von 800 Euro im Jahr. Der Patient dagegen

könnte Nachteile erleiden, etwa wenn er später

eine private Renten- oder Berufsunfähigkeitsver-

sicherung abschließen will. Die Diagnose könnte

zu Zuschlägen bei den Prämien oder zu einer Ver-

weigerung des Versicherungsschutzes führen. „Ei-

nige Krankenkassen haben großes Interesse daran,

dass Ärzte nachträglich Diagnosen verändern, um

höhere Zuschläge aus dem Ausgleichssystem zu

erhalten. Der Patient sollte zum eigenen Vorteil

kritisch kontrollieren, was der Arzt erfasst“, sagte

TK-Leiter Johann Brunkhorst. Konkrete Fälle, in

denen Ärzte gezielt überzogene Diagnose stellten,

nannte er nicht. Dass seine Befürchtung nicht aus

der Luft gegriffen ist, zeigte das Beispiel der Deut-

schen BKK. Die Kasse hatte sich eine Rüge des

Bundesversicherungsamtes eingehandelt, weil sie

Vertragsärzte zur Nachbesserung von Patienten-

diagnosen gedrängt hatte.

SHL Telemedizin GmbHHeinrich-Heine-Allee 140213 Düsseldorf

T 02 11 / 2 00 57-0F 02 11 / 2 00 57-111www.SHL-Telemedizin.de

Vorteile von Telemedizin in der ärztlichen Praxis nutzen

VorTeiLe für DeN PATieNTeN DUrCH ... Verbesserung der Lebensqualität... Senkung der Verweildauer im Krankenhaus... Vermeidung unnötiger Klinikaufenthalte

Um den heutigen Herausforderungen im Gesund-heitswesen zu begegnen, bedarf es innovativer und tragfähiger Lösungen, welche die Qualität der Versorgung verbessern und die zugleich kosten-effizient sind. Telemedizin ist eine solche Lösung, die bereits jetzt ein wichtiger Bestandteil in der Betreuung und therapeutischen Führung von Pati-enten mit kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetikern ist.

VorTeiLe für HAUS- UND fACHärzTe DUrCH... leitliniengerechte Betreuung der Patienten... lückenlose Dokumentation des Krankheitsverlaufes... enge Kooperation und Abstimmung mit anderen

Behandlungspartnern... elektronische Patientenakte als Informationsplattform ... umgehende Information bei Ver änder ungen des

Krank heitsbildes ... Erinnerung des Patienten an regel mäßige Haus- und

Fach arztbesuche ... Optimieren von häufigen Arztbesuchen

Layout_Anzeige.indd 1 15.06.2009 15:57:49

SchnittStelle.

Die UKe-tochter Martini-Klinik will gemeinsam mit niedergelas-

senen Urologen die Wirksamkeit von PCA3-Tests erforschen. Die-

sen Test verlangen immer mehr Patienten, weil sie sich davon eine

höhere Sicherheit über das Risiko eines möglichen Prostatakarzi-

noms versprechen. Nach derzeitigem Forschungsstand ist der PCA3-

Test ein ergänzender Parameter zum herkömmlichen PSA-Bluttest

und zur Biopsie. Die Ärzte an der Martini-Klinik wollen nach Rück-

sprache mit den Patienten und ihren behandelnden Urologen den

Wert bestimmen und in eine Datenbank einfließen lassen. „Wir wol-

len klären, zu welchem Zeitpunkt eine PCA3-Bestimmung sinnvoll

ist: vor der ersten, vor der zweiten oder vor erweiterten Biosche-

mata“, sagte PD Dr. Alexander Haese von der Martini-Klinik. Außer-

dem hofft man, die Anzahl unnötiger Biopsien reduzieren und den

Betroffenen mehr Sicherheit bieten zu können. Die Klinik bietet des-

wegen allen niedergelassenen Urologen Teströhrchen für den Test

und einen Analyseauftrag an. Das Material kann nach dem Gespräch

mit dem Patienten in der Praxis und seiner Einwilligung angefordert

werden. Der Urologe sendet den Urintest und die Unterlagen an die

Klinik zurück. In regelmäßigen Abständen fragt die Klinik den wei-

teren klinischen Verlauf und das Ergebnis der Biopsie ab. Die Kos-

ten von rund 300 Euro werden als IGeL abgerechnet, einige private

Krankenkassen erstatten die Kosten für den Urintest.

MARTINI-KLINIK ERFoRSCHT PCA3-TESTS

Geschäftsführer Thomas Rampoldt erwartet, dass sich die Investitionen im laufenden Jahr mittelfristig aber auszahlen. Eine positive Entwicklung gibt es auch bei der Mitgliederzahl. Ende 2008 waren 2151 Ärzte Mitglied in der Genossenschaft, dies waren 13 mehr als zu Beginn des selben Jahres.

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2 Verträge,6,5 Mio. Euro Honorarvolumen

6 Verträge, 12 Mio. Euro Honorarvolumen

8 Verträge, 19 Mio. Euro Honorarvolumen

2006:

2007:

2008:§§ §§ §§ §§

§§ §§ §§

§§

R BetreUte VerträGe Der ärzteGenoSSenSchaft

10

TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

scio. Magazin für das ärztliche Leben

Viele Jahre führte der hausärztliche Internist Dr. Klaus Engelke seine Einzelpraxis in der Caspar-Voght-Straße in Hamburg-Hamm. Einige Patienten betreute er mehrere Jahrzehnte lang. Als er keinen Nachfolger fand, wollte er nicht einfach seine

Praxis schließen und die Patienten vor der Tür stehen lassen. „Ich bin mit Leib und Seele Arzt“, sagt der 66-Jährige. „Ich habe eine Verantwortung für die Menschen, die zu mir kommen.“ Froh war er daher, als das Me-dizinische Versorgungszentrum (MVZ) medicum Hamburg ihm anbot, seinen Kassensitz zu kaufen. Jetzt praktiziert er dort, 26 Stunden in der Woche, seine Patienten hat er mitgenommen. „Ich bin in Altersteilzeit“, sagt er zufrieden. „Der wirtschaftliche Druck ist weg und meine Alters-vorsorge gesichert.“Dass er mal in einem MVZ arbeiten würde, hätte sich Engelke noch vor fünf Jahren nicht vorstellen können. Damals war die Aufregung groß, als das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung Medizinischen Versorgungszentren und damit auch Klinikkonzernen und Krankenkassen die ambulante Versorgung der gesetzlich Kranken-versicherten erlaubte. Das Ziel der Reform: eine Verzahnung unterschied-licher ärztlicher Fachgebiete, eine koordinierte medizinische Versorgung aus einer Hand – und eine Kostensenkung durch mehr Wettbewerb.Seitdem ist das Gesundheitswesen in Deutschland im Umbruch: MVZ haben sich etabliert und verschärfen den Wettbewerb in der Patienten-versorgung. Galt bis dahin der niedergelassene Arzt mit eigener Praxis als Leitbild der Ärzte, sichern sich nun auch Kliniken und fremde Träger ihren Teil an der ambulanten Behandlung. Und sie expandieren fleißig, seit das Vertragarztrechts-Änderungsgesetz 2007 die Rahmenbedingun-gen veränderte: 48 MVZ gibt es inzwischen in Schleswig-Holstein, davon ist bereits jedes zweite in Klinikhand. Von den 36 MVZ in Hamburg wer-den 22 Prozent von Krankenhäusern betrieben, 17 Prozent von anderen Trägern wie Krankenkassen oder Laboren (siehe Kästen, Seite 12, 13).Die Meinungen über diese Entwicklung sind geteilt. „Die Gründung von MVZ ist grundsätzlich eine sehr positive Entwicklung. Es ist wichtig, dass sich andere Strukturen im Gesundheitswesen ausbilden“, sagt der Gesundheitswissenschaftler Professor Dr. Gerd Glaeske von der Univer-sität Bremen. Seit sechs Jahren sitzt er im Sachverständigenrat zur Be-gutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Und meint: „MVZ oder auch Gemeinschaftspraxen bieten zwei entscheidende Vorteile: Für die wachsende Anzahl der älteren, multimorbiden Patienten bieten sie eine interdisziplinäre Versorgung unter einem Dach. Elektronische Pa-tientenakten ermöglichen Transparenz und eine effiziente Behandlung. Und Ärzte, die kein finanzielles Risiko eingehen oder Familie und Beruf verbinden möchten, finden dort flexiblere Arbeitszeitmodelle vor, die zu ihrer Zufriedenheit beitragen.“ Ein Zusammenschluss mit Kollegen, so Glaeske, biete Synergieeffekte wie die gemeinschaftliche Anschaffung teurer Geräte, die Nutzung von Personal und EDV. Praxis-MVZ eröff-neten außerdem erhebliche wirtschaftliche Möglichkeiten, da sie den

text | Daniela Stohn fotos | Jörg Wohlfromm

Seit die Gesundheitsreform 2004 die Einrichtung Medizinischer Versorgungszentren möglich macht, haben sich die ambulanten Versorgungsstrukturen in Deutschland verändert. Befürworter loben die interdisziplinäre Versorgung der Patienten, kurze Wartezeiten und die straffe Verwaltung. Kritiker warnen vor einem Verdrängungswettbewerb mit den niedergelassenen Ärzten und Versorgungslücken. Was hat sich verändert für Ärzte und Patienten? Und was können die Praxisinhaber tun, um sich für die Zukunft zu rüsten?

Zukauf von weiteren Zulassungen und Zweigpraxen erlauben, die dann mit angestellten Ärzten besetzt werden könnten. MVZ seien also eine Or-ganisationsform, die niedergelassenen Ärzten deutlich mehr Freiheiten ermöglichten.Ob sich diese Vorteile auch in der Praxis bewähren, überprüfte eine Um-frage des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren (BMVZ) im vergangenen Jahr kritisch. Das ernüchternde Ergebnis: Nur 44 Prozent der MVZ beschäftigen mindestens eine Person, die sich um die zentrale Verwaltung, die Buchhaltung, Einkauf und betriebswirtschaftliche Or-ganisation kümmert. Elektronische Patientenakten werden zwar von 80 Prozent der MVZ geführt. Die BMVZ-Umfrage ergab jedoch, dass in der Hälfte der MVZ nur zehn Prozent der Patienten eines Zentrums von mehr als einem Arzt behandelt werden.Fünf Prozent der 146 befragten MVZ gaben in der Umfrage an, Proble-me mit der Akzeptanz durch niedergelassene Kollegen zu haben. Diese jedoch sehen die Entwicklung der vergangenen Jahre mehr als skeptisch. Eine Umfrage der LifeScience Consulting Group ergab, dass die meisten niedergelassenen Ärzte MVZ als gefährliche Konkurrenz und Bedrohung der Freiberuflichkeit ansehen.

MVZ IsT nIcHT MVZDie schnell wachsende MVZ-Szene ist vielfältig, sowohl in der Größe als auch in der fachlichen Ausrichtung und vor allem in der Zielsetzung der Betreiber. Wie sie einzuordnen sind, welche Chancen und Risiken sie bieten, ist daher pauschal nicht so einfach zu beantworten. Laut der Un-tersuchung „MVZ-Survey 2008“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ist ein Trend zu größeren MVZ-Einheiten zu erkennen. Dadurch werde neben den Krankenhaus geführten und den vertragsarztgeführten MVZ künftig ein dritter MVZ-Typ eine größere Rolle spielen: das von einer Managementgesellschaft betriebene vertragsärztliche MVZ, das sich abgrenzt vom vertragsärztlichen MVZ als Variante zur Gemeinschafts-praxis. „Hier liegt eine Gefahr, MVZ vorrangig als Geschäfts- und nicht als Ver-sorgungsmodell zu sehen: Gewinnorientierte Kapitalgesellschaften als MVZ-Eigner könnten versuchen, aus wirtschaftlichen Gründen direkten Einfluss auf die ärztliche Tätigkeit zu nehmen. Dem muss der Gesetzge-ber vorbeugen“, so der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Köhler.„Konkurrenz sind MVZ sicher dort, wo sie Praxen aus weniger versorgten Gegenden in Regionen abziehen, die eigentlich über ausreichend Ärzte verfügen, sodass Engpässe entstehen“, meint Dr. Frank Ulrich Montgo-mery, Präsident der Ärztekammer Hamburg. So geschehen in Hamburg-Finkenwerder, wo ATRIO-MED die Versorgungsstruktur im vergangenen Jahr durcheinanderwirbelte: Für den Standort in Hamburg-Winterhude kaufte das mit der Techniker Krankenkasse kooperierende MVZ elf Zulassungen im ganzen Stadtgebiet auf, das zulassungsrechtlich als ein

Ergänzung oder Gefahr für die ambulante Versorgung?

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«Gewinnorientierte Kapitalgesellschaften als MVZ-Eigner könnten versuchen,

aus wirtschaftlichen Gründen direkten Einfluss auf die ärztliche Tätigkeit

zu nehmen. Dem muss derGesetzgeber vorbeugen.»

Professor Dr. Gerd Glaeske, Gesundheits-wissenschaftler von der Universität Bremen

Ärzte im MVZ Gorch Fock in Kropp verknüpfen haus- und fachärztliche Versorgung auf dem Land.

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TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

Seit die Gesundheitsreform 2004 die Einrichtung Medizinischer Versorgungszentren möglich macht, haben sich die ambulanten Versorgungsstrukturen in Deutschland verändert. Befürworter loben die interdisziplinäre Versorgung der Patienten, kurze Wartezeiten und die straffe Verwaltung. Kritiker warnen vor einem Verdrängungswettbewerb mit den niedergelassenen Ärzten und Versorgungslücken. Was hat sich verändert für Ärzte und Patienten? Und was können die Praxisinhaber tun, um sich für die Zukunft zu rüsten?

Zukauf von weiteren Zulassungen und Zweigpraxen erlauben, die dann mit angestellten Ärzten besetzt werden könnten. MVZ seien also eine Or-ganisationsform, die niedergelassenen Ärzten deutlich mehr Freiheiten ermöglichten.Ob sich diese Vorteile auch in der Praxis bewähren, überprüfte eine Um-frage des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren (BMVZ) im vergangenen Jahr kritisch. Das ernüchternde Ergebnis: Nur 44 Prozent der MVZ beschäftigen mindestens eine Person, die sich um die zentrale Verwaltung, die Buchhaltung, Einkauf und betriebswirtschaftliche Or-ganisation kümmert. Elektronische Patientenakten werden zwar von 80 Prozent der MVZ geführt. Die BMVZ-Umfrage ergab jedoch, dass in der Hälfte der MVZ nur zehn Prozent der Patienten eines Zentrums von mehr als einem Arzt behandelt werden.Fünf Prozent der 146 befragten MVZ gaben in der Umfrage an, Proble-me mit der Akzeptanz durch niedergelassene Kollegen zu haben. Diese jedoch sehen die Entwicklung der vergangenen Jahre mehr als skeptisch. Eine Umfrage der LifeScience Consulting Group ergab, dass die meisten niedergelassenen Ärzte MVZ als gefährliche Konkurrenz und Bedrohung der Freiberuflichkeit ansehen.

MVZ IsT nIcHT MVZDie schnell wachsende MVZ-Szene ist vielfältig, sowohl in der Größe als auch in der fachlichen Ausrichtung und vor allem in der Zielsetzung der Betreiber. Wie sie einzuordnen sind, welche Chancen und Risiken sie bieten, ist daher pauschal nicht so einfach zu beantworten. Laut der Un-tersuchung „MVZ-Survey 2008“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ist ein Trend zu größeren MVZ-Einheiten zu erkennen. Dadurch werde neben den Krankenhaus geführten und den vertragsarztgeführten MVZ künftig ein dritter MVZ-Typ eine größere Rolle spielen: das von einer Managementgesellschaft betriebene vertragsärztliche MVZ, das sich abgrenzt vom vertragsärztlichen MVZ als Variante zur Gemeinschafts-praxis. „Hier liegt eine Gefahr, MVZ vorrangig als Geschäfts- und nicht als Ver-sorgungsmodell zu sehen: Gewinnorientierte Kapitalgesellschaften als MVZ-Eigner könnten versuchen, aus wirtschaftlichen Gründen direkten Einfluss auf die ärztliche Tätigkeit zu nehmen. Dem muss der Gesetzge-ber vorbeugen“, so der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Köhler.„Konkurrenz sind MVZ sicher dort, wo sie Praxen aus weniger versorgten Gegenden in Regionen abziehen, die eigentlich über ausreichend Ärzte verfügen, sodass Engpässe entstehen“, meint Dr. Frank Ulrich Montgo-mery, Präsident der Ärztekammer Hamburg. So geschehen in Hamburg-Finkenwerder, wo ATRIO-MED die Versorgungsstruktur im vergangenen Jahr durcheinanderwirbelte: Für den Standort in Hamburg-Winterhude kaufte das mit der Techniker Krankenkasse kooperierende MVZ elf Zulassungen im ganzen Stadtgebiet auf, das zulassungsrechtlich als ein

Bezirk gilt. ATRIO-MED ziehe Arztsitze aus Stadtteilen ab, in denen es eine unterdurchschnittliche Versorgung gebe und verlege diese nach Winterhude, wo eine gute ausgebaute Praxisstruktur existiere, und „verschlechtere damit die Versorgung“, kritisierte Walter Plassmann, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Hamburg. Die Folge: In Finkenwerder gab es nach dem Aufkauf eines Hausarzt-Kassensitzes durch ATRIO-MED eine kurzfristige Versorgungs-lücke. Fünf Hausärzte blieben übrig für knapp 12.000 Einwohner. Die KV schuf über die Sonderbedarfszulassung einen neuen Kassensitz. In Billstedt fehlt außerdem ein Internist, dort läuft das Verfahren für eine Sonderbedarfszulassung noch. Ein Augenarzt am Schulterblatt bekommt ebenfalls Unterstützung von der KV, weil er nach dem Aufkauf eines Kassensitzes durch ATRIO-MED in der Nähe seiner Praxis überlastet ist.In Schleswig-Holstein gibt es nach Auskunft der KV noch keine Versor-gungslücken. „Wir befürchten aber, dass es dazu kommen wird, wenn große, Gewinn orientierte Kapitalgesellschaften noch stärker in der am-bulanten Versorgung aktiv werden“, sagt KV-Sprecher Marco Dethlefsen. „Bei Fachärzten ist es jetzt schon so, dass sie durch MVZ zusammengezo-gen werden und die Patienten längere Fahrtzeiten in Kauf nehmen müs-sen.“ Er weiß von Fällen, in denen Kliniken aufgekaufte Praxissitze 50 Kilometer verlegt hätten. „Das ist ein Problem, denn die Anzahl der Ärzte in der Bedarfsplanung ändert sich nicht. Wir können jedoch niemanden zwingen, an einen bestimmten Standort zu gehen. Die Kommunen müss-ten selbst Anreize schaffen, zum Beispiel niedrige Mieten, um attraktiver für Ärzte zu werden.“

Ergänzung oder Gefahr für die ambulante Versorgung?

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«Gewinnorientierte Kapitalgesellschaften als MVZ-Eigner könnten versuchen,

aus wirtschaftlichen Gründen direkten Einfluss auf die ärztliche Tätigkeit

zu nehmen. Dem muss derGesetzgeber vorbeugen.»

Professor Dr. Gerd Glaeske, Gesundheits-wissenschaftler von der Universität Bremen

Ärzte im MVZ Gorch Fock in Kropp verknüpfen haus- und fachärztliche Versorgung auf dem Land.

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TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

scio. Magazin für das ärztliche Leben

MVZ ALs REZEpT GEGEn ÄRZTEMAnGEL AuF dEM LAndBesonders auf dem Land finden viele Praxisinhaber, die ihre ärztliche Tätigkeit aufgeben wollen, inzwischen keinen Nachfolger mehr. Allein im Kreis Steinburg gibt es 14 offene Hausarztstellen, denn viele jüngere Ärz-te scheuen das wirtschaftliche Risiko einer eigenen Praxis. MVZ können jedoch, bei dem passenden Konzept, auch als Rezept gegen Ärztemangel auf dem Land dienen und dort die medizinische Grundversorgung si-chern: In einer Anstellung ist die Arbeit in entlegenen Gebieten offenbar deutlich attraktiver.Diese Erfahrung machte das Ärzteehepaar Dr. Jochem Herweg und Dr. Ursula Horn-Herweg aus Tellingstedt. Die beiden wandelten ihre 1992 gegründete Gemeinschaftspraxis in ein MVZ um, gemeinsam mit dem Apotheker Udo Laskowski. Zwei Kollegen im Umkreis gingen damals bald in Rente. „Irgendwann wären wir die einzige Praxis in der Region gewesen“, so Herweg. Um den Patientenandrang bewältigen zu können, brauchten sie Unterstützung. Da keine Ärzte zu finden waren, die das Risiko einer Niederlassung auf dem Land auf sich nehmen wollten, war die Gründung eines MVZ und die Anstellung von Ärzten die Lösung für das Ehepaar. Zwei Ärztinnen arbeiten inzwischen im Angestelltenverhält-nis in einer Zweigstelle ihres MVZ.Ein weiteres Beispiel: das MVZ Gorch Fock in Kropp. In der 6500-Ein-wohner-Gemeinde bei Schleswig ließ sich das Ärzteehepaar Siegfried und Beate Bethge vor zwei Jahren nieder. „Wir haben eine Region gesucht, in der zwei Kassensitze frei waren und demnächst weitere Kollegen in Rente gehen“, so Bethge. Die Idee: einen hohen Patientenservice anbieten und die fachärztliche Versorgung zu den Menschen bringen. Hoher Patienten-service bedeutet für Bethge eine Wohlfühlatmosphäre in der Praxis und ein interessantes medizinisches Angebot, das neben der traditionellen Medizin auch Akupunktur, Chirotherapie, Sportmedizin, Naturheilkun-de, Ernährungsberatung und Homöopathie bietet. Drei Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und zwei Fachärzte für Augenheilkunde halten außerdem an zwei Vormittagen und zwei Nachmittagen ihre Sprechstunden im MVZ ab, eine Zahnarztpraxis, ein Logopäde und ein Ergotherapeut befinden sich im selben Gebäude. „Wir haben nach vor-ne geschaut statt zu jammern und überlegt, mit welchen Konzepten die Versorgung auf dem Land gesichert werden kann und wie wir den Pati-enten besseren Service bieten können“, sagt Siegfried Bethge. „Durch die Verknüpfung von haus- und fachärztlicher Versorgung sichern wir der ländlichen Bevölkerung die ärztliche Versorgung auf kurzem Wege – auch in Zeiten eines sich abzeichnenden Ärztemangels in der nahen Zukunft.“Eine hausärztlich tätige Internistin wurde zusätzlich angestellt. Ab Januar 2010 kommt eine psychotherapeutische Kollegin dazu. Gesucht wird noch

ein Orthopäde. „Unser Konzept ist auf bis zu sieben Kollegen angelegt, angestellt oder freiberuflich, damit wir in naher Zukunft durchgängige Öffnungszeiten anbieten können“, so Bethge, der mit seinem Konzept den Unternehmenspreis „GründerChampions 2009“ der KfW Mittel-standsbank gewann. „Wir müssen noch mehr Fachärzte in Rotation aufs Land bringen, als überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft – das ist die Zukunft“, ist er überzeugt.Bethges Engagement hat auch verschiedene Klinikgruppen auf den Plan gerufen. Sie bieten mit um Kassensitze, an denen er ebenfalls interessiert ist. Angst hat Bethge trotz der übermächtigen Konkurrenz nicht: „Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt.“ Eine Kooperation mit einer Klinik, die ihm für seine fachärztlichen Sprechstunden Mediziner abstellt, kann er sich jedoch gut vorstellen.

KLInIKEn ExpAndIEREn, uM dIE pATIEnTEnsTRöME Zu sTEuERnImmer mehr Krankenhausträger erwerben Kassenzulassungen und betreiben ambulante MVZ, um sich Zuweisungen zu sichern – aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine sinnvolle Strategie, für die benach-barten Praxisinhaber jedoch eine unliebsame Konkurrenz. Wie aktiv die Krankenhäuser sind, zeigt folgende Zahl: Von den letzten 15 MVZ-Neueröffnungen in Schleswig-Holstein wurden allein zwölf von Kliniken gegründet. Die Allgemeinmedizinerin Dr. Ulla von Hahn aus Wedel: „Da werden stationäre Leistungen ausgelagert, unser ambulanter Topf wird zusätzlich ausgeschöpft. Die Kliniken haben viel Geld, sie kaufen Kas-sensitze, die junge Nachwuchsärzte nicht bezahlen können. Das ist ein Wettbewerb mit ungleichen Mitteln.“Besonders expandierfreudig sind die Regio Kliniken: Sie betreiben neben ihren drei Krankenhäusern im Kreis Pinneberg inzwischen acht MVZ mit fachärztlicher und hausärztlicher Versorgung – darunter eines in der Europapassage in der Hamburger Innenstadt und eines in Itzehoe. „Wir haben sechs MVZ rund um unsere drei Kliniken in Pinneberg, Elms-horn, Uetersen und Norderstedt. Die etwas weiter von unseren Kliniken entfernten Standorte Hamburger Innenstadt und Itzehoe sind Regionen, in denen wir Marktpotenzial erschließen und neue Patienten an unsere Kliniken binden wollen“, sagt Lars Timm, Kaufmännischer Direktor der Regio Kliniken. „MVZ sind politisch gewollt. Wir wollen damit Patien-tenströme in unsere Kliniken lenken, stationäre Leistungen ambulantisie-ren und unser Einzugsgebiet gegen die Konkurrenz sichern.“ Die aktive Akquisitionsphase sei abgeschlossen, man habe jetzt die Standorte etab-liert, die man wollte. „In Zukunft werden wir nur noch Arztsitze kaufen, wenn für Praxen keine Nachfolger gefunden werden, um die Versorgung sicherzustellen.“Das Jahresergebnis der Regio Kliniken weist für 2008 ein Defizit von sie-ben Millionen Euro aus. Timm: „Einige unserer MVZ machen Minus, ei-nige schreiben schwarze Zahlen. Unser langfristiges Ziel ist es, das Geschäft zu konsolidieren. Einen hohen Gewinn müssen die MVZ nicht machen,

Drei Fragen an ...Lars Timm, Kaufmännischer Direktor der Regio Kliniken in Elmshorn und Wedel scio: Nervt es Sie eigentlich, dass ständig über Kliniken-MVZ geschimpft wird?Lars Timm: Ich kann es teilweise verstehen, weil einige der Mei-nung sind, dass Kliniken durch die Gründung von MVZ das Glo-balpunktevolumen der niedergelassenen Ärzte reduzieren. Es ist jedoch politisch gewollt, dass Wettbewerb entsteht und auch Klini-ken ambulante MVZ betreiben. Die Sektoren sollen verschmelzen. Wir setzen also lediglich um, was politische Rahmenbedingung

ist. Als wir vor zwei Jahren anfingen zu akquirieren, mussten wir reagieren, weil andere Klinikenbetreiber in unsere Einzugsbereiche vordrangen. Was machen Sie, um Ihre Einweiser nicht zu vergrätzen?Ich treffe mich in Elmshorn alle drei Monate mit dem Ärztestamm-tisch, dort können die niedergelassenen Ärzte ihre Kritik loswer-den und diese mit mir auf der Sachebene diskutieren. In Wedel läuft der Austausch auch gut mit dem Praxisnetz. Ein permanenter Dialog ist wichtig, denn niedergelassene Ärzte sind unsere Partner, keine Konkurrenten. Ich muss allerdings zugeben, dass in einigen Regionen die Fronten verhärtet sind, weil die Praxisinhaber dort der Meinung sind, wir würden Konkurrenz darstellen. Ihnen muss man sagen, dass es politisch gewollt ist, Wettbewerb herzustellen. Letztendlich entscheidet der Patient, wo er am besten behandelt wird und wo er sich am wohlsten fühlt. Die Praxisinhaber beschweren sich, dass sie finanziell mit den Kliniken nicht mithalten können …Es wird schon mit ungleichen Waffen gekämpft, und wir müssen mit unseren MVZ noch nicht einmal Geld verdienen. Aber wir wollen ja nicht die kleinen Praxen verdrängen, sondern verstehen sie als unsere Zuweiser und Kunden. Wir würden auch nie einen Arztsitz auf dem Land kaufen, ihn dann in eine andere Region verlegen und dann die Bevölkerung ohne Arzt stehen lassen. Das ist nicht unser Ansinnen. Bei künftigen Ankäufen von Arztsitzen sprechen wir das mit dem betreffenden Praxisnetz ab. Wenn kein Nachfolger gefunden wird, übernehmen wir, um die Versorgung sicherzustellen.

«Wir haben nach vorne geschaut statt zu jammern und überlegt, mit welchen Konzepten die Versorgung auf dem Land gesichert werden kann.»

Siegfried und Beate Bethge, MVZ Gorch Fock, Kropp

Lars Timm, Kaufmännischer Direktor der Regio Kliniken in Elmshorn und Wedel

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TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

MVZ ALs REZEpT GEGEn ÄRZTEMAnGEL AuF dEM LAndBesonders auf dem Land finden viele Praxisinhaber, die ihre ärztliche Tätigkeit aufgeben wollen, inzwischen keinen Nachfolger mehr. Allein im Kreis Steinburg gibt es 14 offene Hausarztstellen, denn viele jüngere Ärz-te scheuen das wirtschaftliche Risiko einer eigenen Praxis. MVZ können jedoch, bei dem passenden Konzept, auch als Rezept gegen Ärztemangel auf dem Land dienen und dort die medizinische Grundversorgung si-chern: In einer Anstellung ist die Arbeit in entlegenen Gebieten offenbar deutlich attraktiver.Diese Erfahrung machte das Ärzteehepaar Dr. Jochem Herweg und Dr. Ursula Horn-Herweg aus Tellingstedt. Die beiden wandelten ihre 1992 gegründete Gemeinschaftspraxis in ein MVZ um, gemeinsam mit dem Apotheker Udo Laskowski. Zwei Kollegen im Umkreis gingen damals bald in Rente. „Irgendwann wären wir die einzige Praxis in der Region gewesen“, so Herweg. Um den Patientenandrang bewältigen zu können, brauchten sie Unterstützung. Da keine Ärzte zu finden waren, die das Risiko einer Niederlassung auf dem Land auf sich nehmen wollten, war die Gründung eines MVZ und die Anstellung von Ärzten die Lösung für das Ehepaar. Zwei Ärztinnen arbeiten inzwischen im Angestelltenverhält-nis in einer Zweigstelle ihres MVZ.Ein weiteres Beispiel: das MVZ Gorch Fock in Kropp. In der 6500-Ein-wohner-Gemeinde bei Schleswig ließ sich das Ärzteehepaar Siegfried und Beate Bethge vor zwei Jahren nieder. „Wir haben eine Region gesucht, in der zwei Kassensitze frei waren und demnächst weitere Kollegen in Rente gehen“, so Bethge. Die Idee: einen hohen Patientenservice anbieten und die fachärztliche Versorgung zu den Menschen bringen. Hoher Patienten-service bedeutet für Bethge eine Wohlfühlatmosphäre in der Praxis und ein interessantes medizinisches Angebot, das neben der traditionellen Medizin auch Akupunktur, Chirotherapie, Sportmedizin, Naturheilkun-de, Ernährungsberatung und Homöopathie bietet. Drei Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und zwei Fachärzte für Augenheilkunde halten außerdem an zwei Vormittagen und zwei Nachmittagen ihre Sprechstunden im MVZ ab, eine Zahnarztpraxis, ein Logopäde und ein Ergotherapeut befinden sich im selben Gebäude. „Wir haben nach vor-ne geschaut statt zu jammern und überlegt, mit welchen Konzepten die Versorgung auf dem Land gesichert werden kann und wie wir den Pati-enten besseren Service bieten können“, sagt Siegfried Bethge. „Durch die Verknüpfung von haus- und fachärztlicher Versorgung sichern wir der ländlichen Bevölkerung die ärztliche Versorgung auf kurzem Wege – auch in Zeiten eines sich abzeichnenden Ärztemangels in der nahen Zukunft.“Eine hausärztlich tätige Internistin wurde zusätzlich angestellt. Ab Januar 2010 kommt eine psychotherapeutische Kollegin dazu. Gesucht wird noch

ein Orthopäde. „Unser Konzept ist auf bis zu sieben Kollegen angelegt, angestellt oder freiberuflich, damit wir in naher Zukunft durchgängige Öffnungszeiten anbieten können“, so Bethge, der mit seinem Konzept den Unternehmenspreis „GründerChampions 2009“ der KfW Mittel-standsbank gewann. „Wir müssen noch mehr Fachärzte in Rotation aufs Land bringen, als überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft – das ist die Zukunft“, ist er überzeugt.Bethges Engagement hat auch verschiedene Klinikgruppen auf den Plan gerufen. Sie bieten mit um Kassensitze, an denen er ebenfalls interessiert ist. Angst hat Bethge trotz der übermächtigen Konkurrenz nicht: „Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt.“ Eine Kooperation mit einer Klinik, die ihm für seine fachärztlichen Sprechstunden Mediziner abstellt, kann er sich jedoch gut vorstellen.

KLInIKEn ExpAndIEREn, uM dIE pATIEnTEnsTRöME Zu sTEuERnImmer mehr Krankenhausträger erwerben Kassenzulassungen und betreiben ambulante MVZ, um sich Zuweisungen zu sichern – aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine sinnvolle Strategie, für die benach-barten Praxisinhaber jedoch eine unliebsame Konkurrenz. Wie aktiv die Krankenhäuser sind, zeigt folgende Zahl: Von den letzten 15 MVZ-Neueröffnungen in Schleswig-Holstein wurden allein zwölf von Kliniken gegründet. Die Allgemeinmedizinerin Dr. Ulla von Hahn aus Wedel: „Da werden stationäre Leistungen ausgelagert, unser ambulanter Topf wird zusätzlich ausgeschöpft. Die Kliniken haben viel Geld, sie kaufen Kas-sensitze, die junge Nachwuchsärzte nicht bezahlen können. Das ist ein Wettbewerb mit ungleichen Mitteln.“Besonders expandierfreudig sind die Regio Kliniken: Sie betreiben neben ihren drei Krankenhäusern im Kreis Pinneberg inzwischen acht MVZ mit fachärztlicher und hausärztlicher Versorgung – darunter eines in der Europapassage in der Hamburger Innenstadt und eines in Itzehoe. „Wir haben sechs MVZ rund um unsere drei Kliniken in Pinneberg, Elms-horn, Uetersen und Norderstedt. Die etwas weiter von unseren Kliniken entfernten Standorte Hamburger Innenstadt und Itzehoe sind Regionen, in denen wir Marktpotenzial erschließen und neue Patienten an unsere Kliniken binden wollen“, sagt Lars Timm, Kaufmännischer Direktor der Regio Kliniken. „MVZ sind politisch gewollt. Wir wollen damit Patien-tenströme in unsere Kliniken lenken, stationäre Leistungen ambulantisie-ren und unser Einzugsgebiet gegen die Konkurrenz sichern.“ Die aktive Akquisitionsphase sei abgeschlossen, man habe jetzt die Standorte etab-liert, die man wollte. „In Zukunft werden wir nur noch Arztsitze kaufen, wenn für Praxen keine Nachfolger gefunden werden, um die Versorgung sicherzustellen.“Das Jahresergebnis der Regio Kliniken weist für 2008 ein Defizit von sie-ben Millionen Euro aus. Timm: „Einige unserer MVZ machen Minus, ei-nige schreiben schwarze Zahlen. Unser langfristiges Ziel ist es, das Geschäft zu konsolidieren. Einen hohen Gewinn müssen die MVZ nicht machen,

damit wir Deckungsbeiträge auch für Investitionen nutzen können.“Können Kliniken mit MVZ überhaupt Geld verdienen? Auch die bei-den MVZ des Klinikums Itzehoe in Steinburg und Glücksstadt, die sich auf fachärztliche Versorgung konzentrieren, arbeiten noch nicht kostendeckend, genauso wenig wie die MVZ der Damp Holding AG, die bislang zwei MVZ in Schleswig-Holstein und Hamburg (Kappeln und Hamburg-Harburg) betreibt und bei vielen frei werdenden Arztsitzen mitbietet. „Zurzeit befinden wir uns in der Aufbauphase“, sagt Nicola Ströh, Projektmanagerin Ambulante Systeme der Damp Holding AG. „Wir verfolgen eine langfristige Strategie: Unser Ziel ist es, über MVZ oder Kooperationen Netzwerke zu spannen, um die Patienten von An-fang bis Ende zu begleiten und die Qualität der Behandlung zu sichern.“ Anfängliche Verluste sind dabei eingeplant.Auch die Asklepios Kliniken, die MVZ in Bad Oldesloe, in Geesthacht und in den Hamburger Stadtteilen Bergedorf und Harburg sowie im nie-dersächsischen Seevetal betreiben, werden weiter expandieren. „In den nächsten drei Jahren werden wir vermutlich pro Jahr acht bis zehn Praxen kaufen und weitere Gesundheitszentren eröffnen“, so Asklepios-Sprecher Rudi Schmidt. Er verweist auf die hohe Zahl der Ärzte, die bald in den Ruhestand gehen und keinen Nachfolger finden. „In diesen Fällen sprin-gen wir ein, wenn es zum Angebot unserer Kliniken passt, und sichern so die Versorgung.“ Asklepios habe im Rahmen einer Selbstverpflichtungs-erklärung der KV zugesagt, Arztsitze nicht in andere Bezirke zu verlegen.

ÄRZTEVEREInE wEHREn sIcH GEGEn KLInIK-MVZDie Expansion der Kliniken in den ambulanten Bereich stößt bei den niedergelassenen Ärzten auf große Skepsis, die eine übermächtige Kon-kurrenz in ihrer Nachbarschaft befürchten. In Eiderstedt zum Beispiel eröffnete das Westküstenklinikum Heide zum Jahreswechsel das MVZ St. Peter-Ording – gegen den Willen der niedergelassenen Ärzte. 19 Praxis-inhaber aus der Umgebung schlossen sich daher zur Arbeitsgemein-schaft „Freie Arztpraxen Eiderstedt“ zusammen. „Das MVZ bedroht die Existenzfähigkeit der Haus- und Facharztpraxen vor Ort und auf ganz Eiderstedt“, sagt die Allgemeinmedizinerin Dr. Babett Seidler aus Gar-ding. „Die Gründung geschah ohne Not, ohne Maß und ohne Rücksicht. Unsere Patienteneinweisungen haben bislang zur Existenzsicherung die-ses Krankenhauses beigetragen, die Zusammenarbeit hat auf allen Ebenen sehr gut funktioniert.“ Das Angebot mit einem Internisten, einem Reha-Mediziner und einem Badearzt sei durch die niedergelassenen Ärzte in St. Peter-Ording bereits abgedeckt gewesen. „Eine Fachspezialisierung mit einem Urologen oder einem Augenarzt hätten wir unterstützt, weil es den Patienten lange Wege erspart hätte“, so Seidler. „Aber ein MVZ nur zu gründen, damit Heide eine Zuweiserpraxis bekommt, ist unlauter.“ Die Ärztevereinigung will künftig jungen Ärzten, die sich niederlassen wollen, Hilfestellung geben, um so zur Aufrechterhaltung der flächendeckenden Versorgung auf der Halbinsel Eiderstedt durch niedergelassene Ärzte

R scIo-ExpERTEnTIpp

von professor dr. Gerd Glaeske, Gesundheitswissenschaftler an der universität Bremen

R niedergelassene Ärzte mit einer Einzelpraxis sollten sich kritisch fragen: Hat mein Modell auch in Zukunft Bestand oder sollte ich mich besser mit Kollegen zusammenschließen, um sinnvolle Synergien wie gemeinsame Geräte, Personal, EDV nutzen zu können? Eine Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis oder in einem MVZ trägt zur Arbeitszufriedenheit vieler Ärzte bei, weil sie sich mit Kollegen austauschen können, Vertretungsmöglichkeiten haben und geregelter arbeiten können.

R Einzelpraxisinhaber werden es künftig schwerer haben, können aber erfolgreich sein, wenn sie: sich spezialisieren und Zusatzangebote wie Akupunktur, Homöopathie oder Prävention anbieten, um ihr Profil zu schärfen und eine hohe Patientenbindung zu schaffen. Sie müssen sich Zeit nehmen, aufklären, besser informieren, ihre Versorgungsqualität darstellen, Patienten in Entscheidungen einbeziehen und sie auch über Themen wie Prävention und Lebensstil beraten, kundenorientiert arbeiten, d. h. einen guten Service, ein schönes Ambiente und freundliches Personal vorweisen.

«Wir haben nach vorne geschaut statt zu jammern und überlegt, mit welchen Konzepten die Versorgung auf dem Land gesichert werden kann.»

Siegfried und Beate Bethge, MVZ Gorch Fock, Kropp

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TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

scio. Magazin für das ärztliche Leben

um die medizinische Versorgung aktiv mitgestalten zu können. Proble-matisch sei es, dass die Niederlassung an Attraktivität verliere. „Die Ho-norare müssen besser werden, sonst werden viele Praxisinhaber keinen Nachfolger finden. Die Arbeit eines niedergelassenen Arztes muss wieder angemessen vergütet werden“, so Dethlefsen weiter.

EInZELpRAxEn EIn AusLAuFModELL?Die Industrialisierung von medizinischen Dienstleistungen werden die Ärzte jedoch nicht aufhalten können. Die Zukunft gehört, da sind sich die meisten Experten einig, Gesundheitszentren, Klinikketten und Ärzte-netzen. „Einzelkämpfer werden es künftig schwer haben, gegen Kliniken und MVZ standzuhalten“, glaubt auch Barbara Heidenreich von der KV Hamburg. Es werde viele Selektivverträge geben. „Dadurch besteht die Gefahr, dass es keine freie Arztwahl mehr gibt, sondern den TK- oder den AOK-Arzt.“ Der Trend ist offensichtlich: Vor allem große MVZ schlie-ßen Verträge mit Krankenkassen, so zum Beispiel ATRIO-MED mit der Techniker Krankenkasse, das ForumVitalis in Hamburg-Lokstedt oder das Medizinische Versorgungszentrum Lubinus in Kiel mit den Betriebs-krankenkassen. In einer BMVZ-Umfrage gaben 28 Prozent der befragten MVZ an, über IV-Verträge zu verfügen.Sind Einzelpraxen also ein Auslaufmodell? Auch der Gesundheitswis-senschaftler Gerd Glaeske glaubt: „Die Zeit der Einzelpraxen geht zu Ende, das System hat erkennbare Mängel in der Effizienz.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Rolf Koschorrek, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Bundestages, sagte dem Ärztlichen Nachrichtendienst: „Ich sehe nicht, dass die Einzelpraxis das Zukunftsmodell sein wird. Wir müssen nur aufpassen, dass öffentlich finanzierte Kliniken nicht ihr öf-fentliches Geld nehmen, um Kassenarztsitze aufzukaufen und MVZ in die Landschaft zu streuen, und dass Kapitalgesellschaften und externe Investoren nicht daran mitverdienen.“Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg,

beurteilt MVZ zwar als Chance für Patienten wie Ärzte, geht aber da-von aus, dass Einzelpraxen weiterhin wichtig bleiben: „Den Patienten gibt es nicht. Der eine will in kurzer Zeit mit kurzen Wegen medizi-nische Leistungen abfordern, der andere den Arzt seines Vertrauens aufsuchen.“ Er ist der Meinung, dass es in Zukunft mehr Vielfalt geben wird: „Das MVZ, aber auch die Gemeinschafts- oder Einzelpraxis, zu der Patienten gehen, die sich von genau diesem einen Arzt oder dieser einen Ärztin behandeln lassen wollen. Und natürlich ist das MVZ auch aus ärztlicher Sicht eine zusätzliche Alternative zur Arbeit im Kranken-haus oder der eigenen Praxis.“

dAs THEMEn-MVZSusanne Müller, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren (BMVZ), glaubt, das Gesundheitswesen brauche ein pluralisiertes Angebot, MVZ seien darunter nur eine Möglichkeit. „So lange es Wartezeiten gibt und das Gefühl, da ist noch Ärztebedarf, wird es auch weitere MVZ geben.“ Die Zukunft der MVZ liegt für sie in der sektorenübergreifenden Verzahnung, von der Prävention über den ambulanten und stationären Bereich bis zur Rehabilitation, und in der Schwerpunktbildung: Ein MVZ sei dann am konkurrenzfähigsten, wenn es nicht in Fachrichtungen, sondern in Krankheitsbildern denke.So wie das medicum Hamburg von Dr. Matthias Riedl und Dr. Pe-ter Minartz. Sie haben ihre diabetologische Gemeinschaftspraxis in ein Themen-MVZ umgewandelt, das eine Rundum-Versorgung von Diabetes und Adipositas-Patienten anbietet – neben den fünf Dia-betologen kümmern sich im medicum u.a. Allgemeinmediziner, ein Augenarzt, ein Kardiologe, Internisten, Ernährungsmediziner, und Diabetesberater um die Patienten. „Unsere Patienten sollen nicht mehr von einem Arzt zum nächsten geschickt werden, sondern alle Termine in kurzer Zeit unter einem Dach erledigen können. Deshalb haben wir Ärzte der wichtigsten übergreifenden Fachrichtungen für Diabetes ver-

beizutragen. In welche Klinik sie ihre Patienten in Zukunft überweisen, wollen sich die Ärzte gut überlegen.Ärger gab es auch in Kappeln: Dort kaufte die Damp Holding AG zwei Kassensitze auf und gründete ein MVZ. Dabei setzte sich das Unterneh-men gegen niedergelassene Ärzte durch: Der Internist Dr. Matthias Gloge stand ebenfalls mit seiner Gemeinschaftspraxis in Verhandlungen mit ei-nem abgebenden Hausarzt, dessen Zulassung schließlich von der Klinik-gruppe übernommen wurde. Auch für den freiwerdenden Gynäkologen-sitz gab es ein weiteres Angebot von einem niedergelassenen Arzt. „Der Preis hat letztlich über den Zuschlag entschieden“, so Gloge. Ihn ärgert die Ohnmacht der Praxisinhaber gegenüber den großen Kliniken, die die Preise in die Höhe treiben. „Unser einziges Machtmittel ist es, Patienten nicht mehr in die entsprechende Klinik zu schicken“, sagt er. „In Kappeln haben wir mit Flensburg, Schleswig und Eckernförde durchaus Alterna-tiven.“ Für ihn steht zwar die Qualität der Patientenversorgung an erster Stelle. Aber sollte es in Zukunft zu weiteren Übernahmen von Kassensit-zen durch Kliniken in der Region kommen, die zu ihnen in Konkurrenz stünden, würden die niedergelassenen Ärzte an die Klinik herantreten und klarmachen, dass sie keine Patienten mehr schicken würden.In Wedel zum Beispiel ist das Gesundheitsnetz so gut organisiert, dass Aktivitäten der Kliniken bislang abgewendet werden konnten. Sowohl Asklepios als auch die Regio Kliniken hatten sich dort um frei werdende Arztsitze bemüht. Durch eine organisierte Zusammenarbeit der nieder-gelassenen Ärzte konnten die Sitze jedoch an freiberufliche Kollegen ver-mittelt werden. „Ein geschlossenes Auftreten der Ärzte kann helfen, eine gute Patientenversorgung zu sichern“, meint Marco Dethlefsen, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein. Er fordert die Politik auf, nachzubessern: „Der Markt ist für den Wettbewerb geöffnet worden. Jetzt muss die Politik dafür sorgen, dass die Wettbewerbsteilneh-mer gleich ausgestattet sind. Sonst kann kein Wettbewerb auf Augenhöhe stattfinden.“ Die KV fordert außerdem, selbst MVZ gründen zu dürfen,

R medicum Hamburg

das medicum in Hamburg ist als großes Themen-MVZ konzipiert. die patienten bekommen mehrere Termine hintereinander, um doppeluntersuchungen und wartezeiten zu vermeiden. 70 prozent der patienten werden hier von mehreren Ärzten behandelt. das medicum beschäftigt 60 Mitarbeiter, darunter angestellte 13 Ärzte.

R MVZ bundesweit (stand dez 08)

Anzahl der Zulassungen im MVZ 1206

Gesamtzahl der im MVZ tätigen Ärzte 5536

Ärzte im Anstellungsverhältnis 4270

MVZ-Größe 4,6 Ärzte durchschnittlich

Vorwiegende Gründer Vertragsärzte, Krankenhäuser

Vertragsärzte als Träger 54,1 %

Krankenhausträgerschaft 37,4 %

Vorwiegende Rechtsform GmbH, GbR, Partnerschaft

Häufigste Fachgruppen Hausärzte, Internisten

QuELLE: KBV

R MVZ in schleswig-Holstein (stand April 09)Anzahl der MVZ 48

Anzahl der Zulassungen im MVZ 70

Gesamtzahl der im MVZ tätigen Ärzte 225

Ärzte im Anstellungsverhältnis 155 (= 121,25 Stellen)

Vertragsärzte als Träger 24

Krankenhaus oder andere Träger 24

Vorwiegende Rechtsform GmbH, GbR

Häufigste Fachgruppen Hausärzte, Chirurgen

QuELLE: KVsH

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TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

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um die medizinische Versorgung aktiv mitgestalten zu können. Proble-matisch sei es, dass die Niederlassung an Attraktivität verliere. „Die Ho-norare müssen besser werden, sonst werden viele Praxisinhaber keinen Nachfolger finden. Die Arbeit eines niedergelassenen Arztes muss wieder angemessen vergütet werden“, so Dethlefsen weiter.

EInZELpRAxEn EIn AusLAuFModELL?Die Industrialisierung von medizinischen Dienstleistungen werden die Ärzte jedoch nicht aufhalten können. Die Zukunft gehört, da sind sich die meisten Experten einig, Gesundheitszentren, Klinikketten und Ärzte-netzen. „Einzelkämpfer werden es künftig schwer haben, gegen Kliniken und MVZ standzuhalten“, glaubt auch Barbara Heidenreich von der KV Hamburg. Es werde viele Selektivverträge geben. „Dadurch besteht die Gefahr, dass es keine freie Arztwahl mehr gibt, sondern den TK- oder den AOK-Arzt.“ Der Trend ist offensichtlich: Vor allem große MVZ schlie-ßen Verträge mit Krankenkassen, so zum Beispiel ATRIO-MED mit der Techniker Krankenkasse, das ForumVitalis in Hamburg-Lokstedt oder das Medizinische Versorgungszentrum Lubinus in Kiel mit den Betriebs-krankenkassen. In einer BMVZ-Umfrage gaben 28 Prozent der befragten MVZ an, über IV-Verträge zu verfügen.Sind Einzelpraxen also ein Auslaufmodell? Auch der Gesundheitswis-senschaftler Gerd Glaeske glaubt: „Die Zeit der Einzelpraxen geht zu Ende, das System hat erkennbare Mängel in der Effizienz.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Rolf Koschorrek, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Bundestages, sagte dem Ärztlichen Nachrichtendienst: „Ich sehe nicht, dass die Einzelpraxis das Zukunftsmodell sein wird. Wir müssen nur aufpassen, dass öffentlich finanzierte Kliniken nicht ihr öf-fentliches Geld nehmen, um Kassenarztsitze aufzukaufen und MVZ in die Landschaft zu streuen, und dass Kapitalgesellschaften und externe Investoren nicht daran mitverdienen.“Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg,

beurteilt MVZ zwar als Chance für Patienten wie Ärzte, geht aber da-von aus, dass Einzelpraxen weiterhin wichtig bleiben: „Den Patienten gibt es nicht. Der eine will in kurzer Zeit mit kurzen Wegen medizi-nische Leistungen abfordern, der andere den Arzt seines Vertrauens aufsuchen.“ Er ist der Meinung, dass es in Zukunft mehr Vielfalt geben wird: „Das MVZ, aber auch die Gemeinschafts- oder Einzelpraxis, zu der Patienten gehen, die sich von genau diesem einen Arzt oder dieser einen Ärztin behandeln lassen wollen. Und natürlich ist das MVZ auch aus ärztlicher Sicht eine zusätzliche Alternative zur Arbeit im Kranken-haus oder der eigenen Praxis.“

dAs THEMEn-MVZSusanne Müller, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren (BMVZ), glaubt, das Gesundheitswesen brauche ein pluralisiertes Angebot, MVZ seien darunter nur eine Möglichkeit. „So lange es Wartezeiten gibt und das Gefühl, da ist noch Ärztebedarf, wird es auch weitere MVZ geben.“ Die Zukunft der MVZ liegt für sie in der sektorenübergreifenden Verzahnung, von der Prävention über den ambulanten und stationären Bereich bis zur Rehabilitation, und in der Schwerpunktbildung: Ein MVZ sei dann am konkurrenzfähigsten, wenn es nicht in Fachrichtungen, sondern in Krankheitsbildern denke.So wie das medicum Hamburg von Dr. Matthias Riedl und Dr. Pe-ter Minartz. Sie haben ihre diabetologische Gemeinschaftspraxis in ein Themen-MVZ umgewandelt, das eine Rundum-Versorgung von Diabetes und Adipositas-Patienten anbietet – neben den fünf Dia-betologen kümmern sich im medicum u.a. Allgemeinmediziner, ein Augenarzt, ein Kardiologe, Internisten, Ernährungsmediziner, und Diabetesberater um die Patienten. „Unsere Patienten sollen nicht mehr von einem Arzt zum nächsten geschickt werden, sondern alle Termine in kurzer Zeit unter einem Dach erledigen können. Deshalb haben wir Ärzte der wichtigsten übergreifenden Fachrichtungen für Diabetes ver-

eint“, sagt Riedl. „Das Angebot in einem MVZ sollte schließlich nicht nur aus ökonomischer, sondern auch aus medizinischer Sicht zusammenpassen.“ (Mehr dazu im Interview, Seite 17.) Das medicum als Themen-MVZ ist in dieser Form im Norden bislang ein-malig. 60 Mitarbeiter arbeiten an den medicum-Standorten in der Hambur-ger Innenstadt und in Farmsen, darunter 13 angestellte Ärzte. Elektronische Patientenakten helfen, kostspielige Doppeluntersuchungen zu vermeiden – fast 70 Prozent des Patientenstammes werden im medicum Hamburg von mehreren Ärzten behandelt und müssen ihre Krankheitsgeschichte nicht mehrmals erzählen. Ein Drittel der Kollegen arbeitet Teilzeit.

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Das klingt selbstverständlich. Damit dies auch in schwierigeren Phasen so bleibt, behandeln unsere Spezialisten ein breites Spektrum an psychosomatischen Störungen. Unser Therapiekonzept ist verhal tens­medi zinisch ausgerichtet und integriert medizinische und psycho­therapeutische Maßnahmen. Mit nachweisbarem Erfolg und einer überdurchschnittlich hohen Patientenzufriedenheit. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

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«So lange es Wartezeiten gibt und das Gefühl, da ist nochÄrztebedarf, wird es auch weitere MVZ geben.»

Susanne Müller, Geschäftsführerin des BMVZ

R MVZ in schleswig-Holstein (stand April 09)Anzahl der MVZ 48

Anzahl der Zulassungen im MVZ 70

Gesamtzahl der im MVZ tätigen Ärzte 225

Ärzte im Anstellungsverhältnis 155 (= 121,25 Stellen)

Vertragsärzte als Träger 24

Krankenhaus oder andere Träger 24

Vorwiegende Rechtsform GmbH, GbR

Häufigste Fachgruppen Hausärzte, Chirurgen

QuELLE: KVsH

R MVZ in Hamburg (stand Mai 09)Anzahl der MVZ 36

Anzahl der Zulassungen im MVZ 39

Gesamtzahl der im MVZ tätigen Ärzte 239

Ärzte im Anstellungsverhältnis 200

Vertragsärzte als Träger 20

Krankenhaus oder andere Träger 16

Vorwiegende Rechtsform GmbH, GbR

Häufigste Fachgruppen Hausärzte, Laborärzte

QuELLE: KVHH

16 II | MMIX

TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

scio. Magazin für das ärztliche Leben

scio: Wie kamen Sie auf die Idee, ein MVZ zu gründen?dr. Matthias Riedl: Ich habe bis vor eineinhalb Jahren als Diabetologe mit zwei Kollegen in diesem Gebäude am Ber-liner Tor eine Gemeinschaftspraxis betrieben. Irgendwann standen wir vor der Frage: Wie können wir unsere Praxis für die Zukunft wettbewerbsfähig machen? Langfristig schien uns ein Themen-MVZ das geeignete Konzept zu sein. Wir hatten früher viele Typ-I-Diabetiker, die nie zum Augenarzt gingen, obwohl die Untersuchung vorgeschrieben ist. Jeder zweite Diabetiker hat Parodontitis. Die Idee unseres MVZ ist es, Diabetikern das Leben so einfach wie möglich zu ma-chen, ihnen mehr Service zu bieten. Sie finden bei uns heute alles unter einem Dach – präventive Angebote, Ernährungs-beratung, die für Diabetiker wichtigsten Facharztbereiche wie Kardiologie, Augenheilkunde und Parodontologie. Das spart Wege, denn die Patienten können bei uns Koppelter-mine vereinbaren und bis zu fünf Arztbesuche an einem Vormittag abhaken. Das hört sich toll an. Aber klappt das auch organisatorisch?Wir hatten Anfangsschwierigkeiten, inzwischen klappt es schon in 80 Prozent der Fälle gut. Ein Problem ist, dass keine Arzthelferin so breit ausgebildet ist, wie wir es hier im MVZ mit all unseren Fachrichtungen bräuchten. Wir lassen jetzt Auszubildende im MVZ rotieren, bilden unsere Arzthelfe-rinnen fort und verbessern das Qualitätsmanagement, um die Organisation weiter zu optimieren.

Im Sommer zieht sich Ihr Partner zurück, dann sind Sie der alleinige Gesellschafter und das gesamte unternehmerische Risiko liegt bei Ihnen. Warum haben Sie sich für dieses Modell entschieden?Um ein Entscheidungswirrwarr zu vermeiden und effizient und flexibel arbeiten zu können. Dazu braucht man eine schlanke Führung. Freiberufliche Ärzte hätten wir für unser MVZ nicht bekommen, denn die für Diabetiker wichtigen Untersuchungen sind finanziell für einen Augenarzt und einen Kardiologen nicht interessant, sie verdienen ihr Geld mit lukrativen Lasereingriffen oder Herzkatheteruntersu-chungen. Deshalb haben wir stattdessen Kollegen angestellt. Mit Augenheilkunde und Kardiologie verdienen wir im me-dicum Hamburg kein Geld, sondern decken nur die Kosten. Uns geht es um das Gesamtangebot, unsere Kostenrechnung ist eine Mischkalkulation.

«Kliniken sorgen dafür, dass der Begriff MVZ negativ besetzt ist.»Dr. Matthias Riedl, 46, hat vor eineinhalb Jahren das Themen-MVZ medicum Hamburg in der Hansestadt gegründet. Inzwischen hat er 60 Angestellte, darunter 13 Ärzte, und eine Zweigstelle in Farmsen. Ein Gespräch über richtige Konzepte, finanzielle Risiken und den nötigen Idealismus.

dAs KLEInE MVZ uM dIE EcKEEin anderes Konzept verfolgt die Hamburger MVZ-Kette MaxCura: Sie setzt auf kleine, wohnortnahe Ver-sorgungszentren mit hausärztlicher und gynäkologischer Betreuung und schlanker Verwaltung. Entscheidend sei die Bindung zwischen Arzt und Patienten, glaubt MaxCura-Gründer Dr. Michael Ehlebracht, selbst Arzt und Unternehmensberater, und die kann er in vielen großen Versorgungszentren nicht erkennen: „Die Patienten wollen nicht weit fahren. Also kommen wir zu ihnen.“ In Hoheluft und Farmsen ist MaxCura mit vier Vertragsarztsitzen bereits tätig. Sieben weitere Filialen will Ehlebracht bis 2015 aufbau-en, in Stadtteilen, in denen die Konkurrenz übersichtlich ist und in denen viele Patienten leben. Das „Aldi-Prinzip“ nennt Ehlebracht seine wirtschaftlich bereits erfolgreiche Strategie. Der Vorteil des MaxCura-Konzeptes: ein gemeinsamer Einkauf, einheitliche EDV und ein zentrales Marketing sowie kurze Wege und eine persönliche Betreuung für die Patienten. Alle Ärzte sind angestellt und überwiegend weiblich – weil Frauen eine Anstellung im MVZ wegen der Teilzeitmöglichkeiten attrak-tiv fänden und dabei qualitativ gute Arbeit leisteten. Eine russisch und eine türkisch sprechende Medizinerin hat Ehlebracht angestellt, so will er neue Zielgruppen erschließen.Damit sich ein MVZ trägt, ist der 49-Jährige überzeugt, braucht man schlanke Strukturen. Die bekommt er über seine Unternehmensbera-tung DMI-Systems, die seit zehn Jahren Betriebe des Gesundheitswesens berät. Führen lässt Ehlebracht die Filialen von leitenden medizinischen Fachangestellten, die sich dezentral um Dienstpläne, Buchhaltung und Abrechnungen kümmern. „Auch das entspricht dem Aldi-Prinzip: Dort sitzt der Niederlassungsleiter mit an der Kasse“, sagt Ehlebracht.

FRüHZEITIG EIn KonZEpT FüR dEn AussTIEG EnTwERFEnMichael Ehlebracht glaubt, dass der Markt noch weitere MVZ zulässt. „In-zwischen gehen mindestens die Hälfte der frei werdenden Vertragsarzt-sitze in solche Strukturen hinein. Diese Entwicklung wird weitergehen.“ Das Berliner Unternehmen Polikum zum Beispiel, mit rund 40 Fach- und Hausärzten aus 13 Fachrichtungen unter einem Dach in Berlin-Friede-nau das größte Medizinische Versorgungszentrum in Deutschland, plant 2010 den Markteintritt in Hamburg. Polikum-Marketingleiterin Carola Bräuer: „Der Standort in Hamburg ist eines unserer nächsten, wichtigsten Projekte. Auch dort planen wir ein ambulantes Gesundheitszentrum im Sinne einer medizinischen Vollversorgung, sodass sukzessive alle medizi-nischen Fachbereiche unter einem Dach vertreten sein werden.“ Drei Ge-sundheitszentren in Berlin betreibt das Unternehmen bereits, nun sollen München und Hamburg folgen – mit dem Ziel, ein deutschlandweites

Versorgungsnetzwerk zu schaffen. Das Konzept von Polikum: eine

Vollversorgung unter einem Dach, lange Öffnungszeiten, kurze Wartezeiten und eine zentrale Steuerung der nicht

medizinischen Bereiche.Einzelpraxisinhaber müssen sich

angesichts der wachsenden Konkurrenz kritisch fragen, ob sie für die Zukunft

gut aufgestellt sind. Der Gesundheitswissenschaftler Glaeske empfiehlt ihnen, zu prüfen, ob sie sich mit Kollegen zusammenschließen können, um sinnvolle Synergien wie gemeinsame Geräte, Personal, EDV zu nut-zen. Der Unternehmensberater Michael Ehlebracht, der Krankenkassen, Kliniken und die Medizinprodukteindustrie berät, empfiehlt ihnen ein Coaching, um teamfähig zu werden und Zusammenarbeit zu lernen. Und um die steigenden Anforderungen bewältigen zu können, wie mit Krankenkassen zu verhandeln, sich Patientenströme zu sichern, profes-sionelles Praxismanagement zu betreiben und Erträge zu sichern. Zehn Jahre hat Ehlebracht selbst als Chirurg praktiziert. Niedergelassenen Ärzten rät er, spätestens mit 55 Jahren über die Nachfolgeregelung nach-zudenken. Macht es Sinn, jetzt schon einen Vorverkaufsvertrag und eine Altersteilzeitregelung abzuschließen? „Heute ist die Praxis vielleicht mehr wert als in zehn Jahren“, so Ehlebracht. „Viele Ärzte möchten ihre Pati-enten in gute Hände übergeben und wollen lange weiterarbeiten, weil sie ihre Arbeit als Berufung und nicht als Job empfinden. Die Frage ist: Wie können sie das, was sie machen, erfolgreich weiterführen?“ Er empfiehlt Beratungsgespräche mit einem Praxisberater, mit der KV und der Apo-theker- und Ärztebank, um ein individuelles Modell zu entwerfen und herauszufinden, welche Investitionen in den nächsten zehn Jahren nötig seien, wie die Nachfolgeregelung gelöst werden könne, ob der Eintritt in ein MVZ oder eine Gemeinschaftspraxis Sinn mache. „Mit 63“, sagt er, „ist es dafür zu spät.“Für Einzelpraxen, die bestehen bleiben, werden ein guter Service, Zusatz-angebote und eine hohe Patientenbindung immer wichtiger. Lars Timm von den Regio Kliniken glaubt nicht, dass nur die Großen überleben werden: „Es ist ein Qualitätswettbewerb und kein Preiswettbewerb wie im Einzelhandel. Ein guter Arzt wird sich durchsetzen – auch in einer Einzelpraxis.“

text | Daniela Stohn fotos | Jörg Wohlfromm

Husum

St.-Peter-Ording

Kappeln

Kiel

Lübeck

Bad Oldesloe

Geesthacht

Pinneberg

Uetersen

Quickborn

Itzehoe

GlückstadtElmshorn

Bad Bramstedt

Norderstedt

Hamburg*

Heide

*Klinik-MVZ in Hamburg:Ambulanzzentrum des UKEKindermedizinisches Versorgungszentrum Hamburg des Katholischen Kinderkrankenhauses WilhelmstiftMVZ am Altonaer KinderkrankenhausMVZ am MarienkrankenhausMVZ Europapassage der Regio KlinikenAsklepios MVZ HarburgAsklepios MVZ BergedorfAsklepios MVZ Nord Asklepios Klinik Nord

R MVZ IM noRdEn Klinik-MVZ in Hamburg und Schleswig-Holstein:

Klinik-MVZ in schleswig-Holstein:Bad Bramstedt MVZ Bad Bramstedt der Rheumaklinik Bad BramstedtBad oldesloe MVZ Bad Oldesloe der Asklepios Nordseeklinik Westerland,ElmshornMVZ Elmshorn der Regio KlinikenGeesthacht MVZ Helios Geesthacht der Helios KlinikenMVZ Geesthacht der Asklepios KlinikenGlückstadtMVZ Glückstadt des Klinikum Itzehoe

Heide WestDoc MVZ des Westküstenklinikums Brunsbüttel und HeideHusum MVZ Husum des Klinikum NordfrieslandItzehoe MVZ Itzehoe City der Regio KlinikenMVZ Klinikum Itzehoe des Klinikums ItzehoeKappeln MVZ Kappeln der Ostseeklinik Damp MVZ Margarethenklinik der Diako Flensburg KielMVZ Ambulanzzentrum des UK S-H Campus Kiel;MVZ Lubinus des Lubinus Clinicums;Städtisches MVZ Kiel des Städtischen Krankenhauses KielLübeck MVZ Ambulanzzentrum des UK S-H Campus Lübecknorderstedt Kardiologisches Versorgungszentrum der Segeberger Kliniken; MVZ Norderstedt I der Regio KlinikenMVZ Norderstedt II der Regio Klinikenpinneberg MVZ Pinneberg der Regio KlinikenMVZ Pinneberg II der Regio KlinikenQuickborn MVZ Quickborn der Regio Kliniken st. peter-ordingMVZ St. Peter-Ording des Westküstenklinikums Heideuetersen MVZ Uetersen der Regio Kliniken

II | MMIX scio. Magazin für das ärztliche Leben 17

TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

scio: Wie kamen Sie auf die Idee, ein MVZ zu gründen?dr. Matthias Riedl: Ich habe bis vor eineinhalb Jahren als Diabetologe mit zwei Kollegen in diesem Gebäude am Ber-liner Tor eine Gemeinschaftspraxis betrieben. Irgendwann standen wir vor der Frage: Wie können wir unsere Praxis für die Zukunft wettbewerbsfähig machen? Langfristig schien uns ein Themen-MVZ das geeignete Konzept zu sein. Wir hatten früher viele Typ-I-Diabetiker, die nie zum Augenarzt gingen, obwohl die Untersuchung vorgeschrieben ist. Jeder zweite Diabetiker hat Parodontitis. Die Idee unseres MVZ ist es, Diabetikern das Leben so einfach wie möglich zu ma-chen, ihnen mehr Service zu bieten. Sie finden bei uns heute alles unter einem Dach – präventive Angebote, Ernährungs-beratung, die für Diabetiker wichtigsten Facharztbereiche wie Kardiologie, Augenheilkunde und Parodontologie. Das spart Wege, denn die Patienten können bei uns Koppelter-mine vereinbaren und bis zu fünf Arztbesuche an einem Vormittag abhaken. Das hört sich toll an. Aber klappt das auch organisatorisch?Wir hatten Anfangsschwierigkeiten, inzwischen klappt es schon in 80 Prozent der Fälle gut. Ein Problem ist, dass keine Arzthelferin so breit ausgebildet ist, wie wir es hier im MVZ mit all unseren Fachrichtungen bräuchten. Wir lassen jetzt Auszubildende im MVZ rotieren, bilden unsere Arzthelfe-rinnen fort und verbessern das Qualitätsmanagement, um die Organisation weiter zu optimieren.

Im Sommer zieht sich Ihr Partner zurück, dann sind Sie der alleinige Gesellschafter und das gesamte unternehmerische Risiko liegt bei Ihnen. Warum haben Sie sich für dieses Modell entschieden?Um ein Entscheidungswirrwarr zu vermeiden und effizient und flexibel arbeiten zu können. Dazu braucht man eine schlanke Führung. Freiberufliche Ärzte hätten wir für unser MVZ nicht bekommen, denn die für Diabetiker wichtigen Untersuchungen sind finanziell für einen Augenarzt und einen Kardiologen nicht interessant, sie verdienen ihr Geld mit lukrativen Lasereingriffen oder Herzkatheteruntersu-chungen. Deshalb haben wir stattdessen Kollegen angestellt. Mit Augenheilkunde und Kardiologie verdienen wir im me-dicum Hamburg kein Geld, sondern decken nur die Kosten. Uns geht es um das Gesamtangebot, unsere Kostenrechnung ist eine Mischkalkulation.

Arbeiten Sie bereits kostendeckend?Ich arbeite mit mehr als 70 Stunden pro Woche fast doppelt so viel wie vorher und verdiene die Hälfte. Damit bin ich aber nicht unzufrieden, denn langfristig wird sich die Inves-tition lohnen. Wir haben das Ziel vor Augen, ein besonderes Angebot für die Patienten zu schaffen. Schon im nächsten Jahr wollen wir noch schwärzere Zahlen schreiben.

Wer kümmert sich im medicum Hamburg um die kaufmännische Seite?Wir haben eine strikte Aufgabenteilung: Die Praxismanage-rin und der kaufmännische Leiter kümmern sich um den Betrieb, um Einkauf, Personalwesen, EDV und Marketing. Ich bin für die ärztliche Leitung verantwortlich, muss aber als Geschäftsführer neben dem Praktizieren noch viel Zeit für Verwaltungsthemen wie Neueinstellungen, Organisati-onsverbesserung und EDV-Optimierung aufwenden.

Wo haben Sie die Kassensitze für Ihr MVZ zugekauft?In der Umgebung. So kamen wir auch zu unserer Filiale in Farmsen. Internistische und allgemeinmedizinische Betreu-

«Kliniken sorgen dafür, dass der Begriff MVZ negativ besetzt ist.»Dr. Matthias Riedl, 46, hat vor eineinhalb Jahren das Themen-MVZ medicum Hamburg in der Hansestadt gegründet. Inzwischen hat er 60 Angestellte, darunter 13 Ärzte, und eine Zweigstelle in Farmsen. Ein Gespräch über richtige Konzepte, finanzielle Risiken und den nötigen Idealismus.

Versorgungsnetzwerk zu schaffen. Das Konzept von Polikum: eine

Vollversorgung unter einem Dach, lange Öffnungszeiten, kurze Wartezeiten und eine zentrale Steuerung der nicht

medizinischen Bereiche.Einzelpraxisinhaber müssen sich

angesichts der wachsenden Konkurrenz kritisch fragen, ob sie für die Zukunft

gut aufgestellt sind. Der Gesundheitswissenschaftler Glaeske empfiehlt ihnen, zu prüfen, ob sie sich mit Kollegen zusammenschließen können, um sinnvolle Synergien wie gemeinsame Geräte, Personal, EDV zu nut-zen. Der Unternehmensberater Michael Ehlebracht, der Krankenkassen, Kliniken und die Medizinprodukteindustrie berät, empfiehlt ihnen ein Coaching, um teamfähig zu werden und Zusammenarbeit zu lernen. Und um die steigenden Anforderungen bewältigen zu können, wie mit Krankenkassen zu verhandeln, sich Patientenströme zu sichern, profes-sionelles Praxismanagement zu betreiben und Erträge zu sichern. Zehn Jahre hat Ehlebracht selbst als Chirurg praktiziert. Niedergelassenen Ärzten rät er, spätestens mit 55 Jahren über die Nachfolgeregelung nach-zudenken. Macht es Sinn, jetzt schon einen Vorverkaufsvertrag und eine Altersteilzeitregelung abzuschließen? „Heute ist die Praxis vielleicht mehr wert als in zehn Jahren“, so Ehlebracht. „Viele Ärzte möchten ihre Pati-enten in gute Hände übergeben und wollen lange weiterarbeiten, weil sie ihre Arbeit als Berufung und nicht als Job empfinden. Die Frage ist: Wie können sie das, was sie machen, erfolgreich weiterführen?“ Er empfiehlt Beratungsgespräche mit einem Praxisberater, mit der KV und der Apo-theker- und Ärztebank, um ein individuelles Modell zu entwerfen und herauszufinden, welche Investitionen in den nächsten zehn Jahren nötig seien, wie die Nachfolgeregelung gelöst werden könne, ob der Eintritt in ein MVZ oder eine Gemeinschaftspraxis Sinn mache. „Mit 63“, sagt er, „ist es dafür zu spät.“Für Einzelpraxen, die bestehen bleiben, werden ein guter Service, Zusatz-angebote und eine hohe Patientenbindung immer wichtiger. Lars Timm von den Regio Kliniken glaubt nicht, dass nur die Großen überleben werden: „Es ist ein Qualitätswettbewerb und kein Preiswettbewerb wie im Einzelhandel. Ein guter Arzt wird sich durchsetzen – auch in einer Einzelpraxis.“

text | Daniela Stohn fotos | Jörg Wohlfromm

«Patienten können bei uns Koppeltermine vereinbaren und bis zu fünf Arztbesuche an einem Vormittag abhaken.»

Heide WestDoc MVZ des Westküstenklinikums Brunsbüttel und HeideHusum MVZ Husum des Klinikum NordfrieslandItzehoe MVZ Itzehoe City der Regio KlinikenMVZ Klinikum Itzehoe des Klinikums ItzehoeKappeln MVZ Kappeln der Ostseeklinik Damp MVZ Margarethenklinik der Diako Flensburg KielMVZ Ambulanzzentrum des UK S-H Campus Kiel;MVZ Lubinus des Lubinus Clinicums;Städtisches MVZ Kiel des Städtischen Krankenhauses KielLübeck MVZ Ambulanzzentrum des UK S-H Campus Lübecknorderstedt Kardiologisches Versorgungszentrum der Segeberger Kliniken; MVZ Norderstedt I der Regio KlinikenMVZ Norderstedt II der Regio Klinikenpinneberg MVZ Pinneberg der Regio KlinikenMVZ Pinneberg II der Regio KlinikenQuickborn MVZ Quickborn der Regio Kliniken st. peter-ordingMVZ St. Peter-Ording des Westküstenklinikums Heideuetersen MVZ Uetersen der Regio Kliniken

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TITELTHEMA. MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN.

ung hatten wir gar nicht geplant. Als einige Kollegen ihre Kassensitze nicht veräußern konnten und ihre Praxen schlie-ßen wollten, haben wir zugegriffen. In Farmsen haben wir daher jetzt zwei allgemeinmedizinische und einen internis-tischen Kollegen, in der Innenstadt zwei, die uns ihre Sitze verkauft haben und ihre Patienten im medicum Hamburg weiterbehandeln. Wir achten darauf, keine Versorgungslü-cken zu reißen. Gegen Kliniken haben wir im Bieterwettbe-werb übrigens keine Chance. Einen zweiten Kardiologensitz zum Beispiel, den wir bräuchten, können wir uns nicht leis-ten. Dafür zahlen Kliniken schon mal 500.000 Euro.

Ärgert es Sie, dass immer mehr Kliniken im MVZ-Bereich stark expandieren?Nein, mich stören nur die ungleichen Waffen. Wir haben das medicum Hamburg mit einer Investitionssumme von 2,5 Millionen Euro fit gemacht. Krankenkassen und Klinik-betreiber nehmen locker das Doppelte in die Hand, weil sie ganz andere finanzielle Mittel haben. Mich ärgert, dass wir auf derselben Basis honoriert werden, obwohl unser Kon-zept mit einer Rundum-Versorgung der Patienten die Vorga-ben der Politik erfüllt, während andere MVZ-Betreiber ohne ein patientenzentriertes Konzept Kosten sparen beziehungs-weise sich Zuweisungen sichern wollen. Sie sorgen dafür, dass MVZ einen schlechten Ruf haben. Wir streichen den Begriff Medizinisches Versorgungszentrum deshalb gerade aus unseren Unterlagen, weil wir mit diesem negativ behaf-teten Begriff gar nicht assoziiert werden wollen. Wie denken noch über einen neuen Begriff nach.

Was tun Sie, um das Verhältnis zu Ihren Einweisern nicht zu strapazieren?Die hausärztliche Führungsrolle ist sehr wichtig, deshalb wollen wir eng mit unseren Einweisern zusammenarbeiten. Anfänglich gab es Irritationen, als wir auch hausärztlich tä-tig wurden. Wir haben unsere Einweiser aufgesucht und uns ihre Bedenken angehört, ihre Angst, Patienten zu verlieren, wenn sie sie zu uns schicken. Das ist unbegründet, denn Patienten haben eine sehr starke Bindung an ihren Haus-arzt, und wir wollen nur den Patienten, die bislang keinen Hausarzt haben, bei uns eine hausärztliche Heimat geben.

Ein hausärztlicher Verbleib von Überwiesenen kommt also nicht vor – schon aus Kapazitätsgründen. Wir planen gerade einen Fragebogen, indem die Einweiser uns mitteilen kön-nen, wie weit unsere Betreuung gehen soll. Wir sehen uns als Dienstleister für die Hausärzte.

Haben Sie Selektivverträge mit Krankenkassen abgeschlossen?Für die Krankenkassen ist unser Konzept sehr interessant, weil es teure Doppeluntersuchungen vermeidet und wir Sprechzeiten anbieten, zum Beispiel Freitagnachmittag und bald auch an Sonnabenden, die Klinikeinweisungen über-flüssig machen können. Gerade an Freitagnachmittagen kommen die problematischsten Patienten, die eben so an einer Klinikeinweisung vorbeischrammen. Wir verhandeln zurzeit mit einigen Kassen über Verträge, damit unser Ange-bot auch entsprechend honoriert wird. Für uns sind solche Verträge wirtschaftlich notwendig.

Wie viele Patienten werden bei Ihnen von mehreren Ärzten behandelt?Etwa 60 bis 70 Prozent unserer insgesamt 8000 Patienten. Damit erfüllen wir die ursprüngliche Idee der Gesundheits-reform – Angebote für Patienten zu machen, von denen die-se profitieren. Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung: Wird es noch viele neue MVZ geben?Ich glaube, dass sich die MVZ-Euphorie bald legen wird, weil das Modell des niedergelassenen Arztes an sich gut ist. Ich denke, es wird stadteilbezogen vor Ort eine hausärztliche Betreuung geben sowie Facharztzentren, bei denen MVZ die effizienteste Organisationsform sind, weil sie unternehme-risch schnelle und flexible Entscheidungen ermöglichen. Für chronische Krankheiten wie Diabetes und Rheuma sehe ich durchaus noch Bedarf an Themen-MVZ, denn ein Angebot wie unseres bekommt man mit Gemeinschaftspraxen nicht hin, weil die finanziellen Nachteile zu groß sind. Das lohnt sich nur als Mischkalkulation.

Wie geht es weiter im medicum Hamburg?Wir suchen noch einen Gynäkologen, einen Psychothera-peuten für die Behandlung von Essstörungen und einen Nephrologen, um unser Angebot abzurunden. Langfristig sollen die Kollegen beteiligt werden. Die Idee ist, dass wir das Ganze später in eine Aktiengesellschaft überführen, sodass die Mitarbeiter davon profitieren.

«Wir verhandeln zurzeit mit einigenKassen über Verträge, damit unser Angebot

auch entsprechend honoriert wird.»

scio. Magazin für das ärztliche Leben

POLITIK.

„Wir wollen endlich das tun, wofür wir Ärzte ausgebildet sind: vernünftig behandeln. Und nicht Patienten durchschleusen, um un-sere Kosten zu decken“, sagt Nicolay Breyer. Der Hausarzt aus dem nordfriesischen Schwabstedt ist verärgert, dass es beim Thema haus-arztzentrierte Versorgung Monate lang kaum Fortschritte gab. Seit ei-nem Monat jedoch ist der Landesvorsitzende des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein seinem Ziel ein Stück näher gekommen: Gemein-sam mit der Ärztegenossenschaft Schleswig-Holstein und dem BKK-Landesverband Nord hat er einen Vertrag zur hausarztzentrierten Ver-sorgung abgeschlossen, der im Oktober startet. Statt jede Leistung einzeln abzurechnen, erhalten die Hausärzte zwi-schen Ost- und Nordsee für die BKK-Patienten künftig Pauschalen (siehe Kasten). Pro Fall rechnet der Vorsitzende der Ärztegenossen-schaft Schleswig-Holstein, Dr. Klaus Bittmann, mit 70 bis 90 Euro pro eingeschriebenem Patient und Quartal – rund doppelt so viel wie bis-her. Bei den Pauschalen haben sich die Vertragspartner stark am Haus-arztvertrag in Baden-Württemberg orientiert, der vielen als Vorbild dient – und im Norden bislang noch nicht erreicht wurde. „In Zukunft sind das meine Privatpatienten“, sagt Breyer. Die Abrechnung läuft nicht mehr über die Kassenärztliche Vereini-gung, sondern über die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft mit Sitz in Köln. In Schleswig-Holstein ist rund jeder fünfte bei einer BKK versichert.Auch der Hamburger Hausärzteverband will eine pauschale Vergütung nach dem Vorbild Baden-Württemberg – und jetzt auch Schleswig-Holstein – durchsetzen. Deshalb hat der Verband den bestehenden Vertrag mit der KV und der AOK Rheinland/Hamburg zum 30. Juni gekündigt und verhandelt neu. 80 Euro für jeden eingeschriebenen Patienten fordert Michael Klemperer vom Hamburger Hausärztever-band. Das ist zu viel, meint die AOK. „Wenn so etwas flächendeckend eingeführt wird, kostet es vier Milliarden Euro zusätzlich“, ergänzt Hamburgs Ersatzkassenchef Günter Ploss: „Das kann und will keiner bezahlen.“Bis zum 1. Juli 2009 hätte laut Gesetz eigentlich jede Krankenkasse einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung abschließen müssen. Doch die Verhandlungen mit dem Ersatzkassenverband, den AOKen und Innungskrankenkassen gestalten sich sowohl in Schleswig-Hol-stein als auch in Hamburg schwierig. „Wir müssen zunächst die Man-datierung überprüfen“, heißt es von Kassenseite – ob also tatsächlich die Mehrheit der Hausärzte ihren Verband beziehungsweise die Ge-nossenschaften mit Verhandlungen beauftragt hat. „Ein Spiel auf Zeit“, meinen dagegen Ärztevertreter. Der Kampf um Macht, Geld und um die Frage, welche Rolle die Kassenärztlichen Vereinigungen in Zukunft spielen werden, ist ent-brannt. „Mir bringt das KV-System nichts mehr“, sagt Nicolay Breyer. „Ich halte nichts davon, ein Monopol – die KV – durch ein anderes

Hausarzthonorare wie im Ländle

– den Hausärzteverband – zu ersetzen“, hält Günter Ploss, dagegen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen begnügen sich – gezwungenermaßen – vorerst mit der Rolle der Beobachter. Sollten die Verhandlungen zwischen Kassen, Verbänden und Ärztegenos-senschaften scheitern, wird ein Schiedsverfahren eingeleitet. Der genaue Ablauf und die Dauer eines solchen Verfahrens sind allerdings noch völlig unklar. Die Folge: eine Drei-Klassen-Medizin mit Privatversicherten, ein-geschriebenen BKK-Patienten und der großen Mehrheit der übrigen GKV-Versicherten.

text | Marion Förster

Betriebskrankenkassen, Hausärzteverband und Ärztegenossenschaft bieten Hausärzten im Norden einen vergleichbaren Vertrag wie das AOK-Vorbild in Baden-Württemberg

R INFO Neuer Hausarztvertrag im Norden:

Honorar: • PauschaleP1:EinschreibeneinesPatientenindenVertrag:65Euro• PauschaleP2:Abdem2.QuartalkontaktabhängigePauschale40Euro (Patientenunter60Jahren:25Euro)• PauschaleP3:kontaktabhängigerChroniker-ZuschlagproQuartal:15Euro• PauschaleP3a:ModulefürHypertonie,Depression,rheumatoideArthritis undHerzinsuffizienz:30Euro• Zuschlägeu.a.fürZusatzqualifikationPsychosomatik6Euro, rationaleArzneimitteltherapie4Euro• Überleitungsmanagement:40Euro• EinführunginBehandlungspflege:75EuroLeistungen u.a.: • UmfassendeDokumentation• CaseManagement• SprechstundeamWochenende• EinmalwöchentlichAbendsprechstunde

«In Zukunft sind das meine Privatpatienten.»

Landarzt Nikolay Breyer über die Patienten im Hausarztvertrag mit der BKK

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20 scio. Magazin für das ärztliche Leben

HAUSBESUCH.

II | MMIX

«Tigerknochen oder Nashornpulver sind tabu, Küchenschaben und Würmer erlaubt.»

text | Frank A. Nemitz fotos | Jörg Wohlfromm

Dr. Dieter Mühlhoff vereint Traditionelle Chinesische Medizin und Schulmedizin. Auch in der Provinz steigt die Nachfrage.

Das Praxisschild am Ärztehaus in Felde am Westensee ver-rät noch nichts über die Zusatzqualifikation von Dr. Dieter Mühlhoff. Patienten erfahren nur, dass er auch Arzt für Na-turheilverfahren ist. Mühlhoff arbeitet nach den Regeln der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). „Ich bin ein begeisterter und klassischer Internist. Ich spiele die beiden medizinischen Richtungen aber nicht gegeneinander aus, sondern vereine sie. Beide können hervorragend nebenein-ander existieren“, sagt Dr. Dieter Mühlhoff. Seine Entscheidung ist abhängig von der Indikation. „Die chinesische Medizin ist häufig differenzierter. Wenn ich in der Universitätsmedizin keine Antworten finde, suche ich in der chinesischen Medizin. Mir ist das Wissen über beide Richtungen wichtig, um es zu gegebener Zeit einzusetzen. Die westliche Medizin ist eher geneigt, mit Medikamenten die Schmerzen zu bekämpfen. Sie ändert den Patienten nicht grundlegend“, sagt Mühlhoff.Schon während des Studiums in Kiel haben ihn Naturheil-verfahren interessiert. Berufsbegleitend begann er 1989 die chinesische Medizin gründlich zu studieren, überwiegend in der Schweiz und den Niederlanden. „Dort gibt es chinesische Professoren, die ihr Wissen lehren“, berichtet Mühlhoff. Hö-hepunkt waren zwei Aufenthalte in Peking: „Ich war dort auf englischsprechende Professoren angewiesen. Außer ein paar Brocken kann ich kein Chinesisch.“Fast acht Jahre hat diese Ausbildung gedauert. Trotzdem spricht er nicht davon, die chinesische Medizin zu beherr-schen. „Das ist eine 4.000 Jahre alte Medizin. Auch ein chi-nesischer Professor kann sie nicht vollständig beherrschen. Für mich bleibt es ein lebenslanges Lernen“, sagt Mühlhoff.Er beobachtet eine langsam wachsende Nachfrage. „Es wird bekannter, dass chinesische Medizin wirkt. Sie wirkt oft auch da gut, wo andere Mittel nicht mehr helfen“, sagt Mühlhoff. Allerdings sei Deutschland in diesem Punkt ein Entwick-

lungsland. „In Belgien, Holland, England oder Italien wird diese Richtung viel breiter praktiziert“, weiß Mühlhoff.Deutlich mehr als 90 Prozent der chinesischen Medikamente stammen aus Pflanzen. Allerdings gibt es auch Exotisches. Küchenschaben, Würmer, Schlangen, Tausenfüßler oder Skorpione. „Der Sud eines abgekochten Skorpions hilft ge-gen eine spastische Lähmung der Gesichtsnerven“, versichert Mühlhoff. Eines würde er auf keinen Fall verordnen: Tiger-knochen oder Nashornpulver. „Die spielen in der chinesi-schen Medizin zwar eine Rolle, aber ich kann das nicht mit dem Artenschutz vereinbaren“, stellt Mühlhoff klar.Ein wichtiges Anwendungsgebiet ist die Akupunktur. Mühl-hoff ist Dozent für Akupunktur und Prüfer für das Zertifi-kat Akupunktur bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein. Rund 200 Stunden Zeit müssen Ärzte in die Fortbildung investieren. Das Interesse ist rückläufig. „Akupunktur wird immer schlechter bezahlt. Viele Kollegen sehen das nicht als wirtschaftlich tragbar an“, räumt Mühlhoff ein. Hin-zu kommt, dass die Krankenkassen die Kosten nur selten übernehmen. Als Folge verzichten auch viele Patienten. Sie müssten die Akupunktur als individuelle Gesundheitsleis-tung privat bezahlen. „Möglicherweise würden die Kassen ja sogar mehr bezahlen. Aber sie dürfen nicht“, erläutert Mühlhoff. Grund: Akupunktur ist als nicht wissenschaft-lich bewiesen eingestuft. Lediglich in zwei Fällen werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen: bei Rückenschmerzen und bei Arthrose im Knie. Mühlhoff hat Verständnis dafür: „Die Weltgesundheitsorganisation hat 40 Diagnosen anerkannt. Homöopathie ist auch nicht wis-senschaftlich anerkannt, wird aber häufig von den Kassen übernommen.“Mühlhoff setzt Akupunktur zum Beispiel bei Heuschnupfen ein. Rund 350 Euro kostet eine Grundbehandlung. Die müs-sen Patienten dann selbst bezahlen, genauso wie die anderen Leistungen der chinesischen Medizin. Die Patienten scheint das nicht zu schrecken. Sie kommen aus ganz Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vor-pommern nach Felde.

Chinesische Medizin verbreitet sich über die Welt, steht auf dieser Kalligraphie. Sie hängt in der Praxis.

«Die chinesische Medizin ist häufig differenzierter. Wenn ich in der Universitätsmedizin keine Antworten finde, suche ich in der chinesischen Medizin.»

R ZUR PERSON

Dr. Dieter Mühlhoff, Jahrgang 1959, hat in Kiel studiert und dort 1986 promoviert. Schwerpunkte seiner Facharztausbildung waren Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie. In der Traditionellen Chinesischen Medizin hat er sich berufsbegleitend an verschiede-nen Kliniken und Instituten in der Schweiz, den Niederlanden und in China ausbilden lassen. Privat ist er ein begeisterter Hobbykoch. Gerne kocht er Gerichte aus der chinesischen Küche, die er bei sei-nen Aufenthalten entdeckt hat. Außerdem ist er Hobbypilot.

»Akupunktur wird immer schlechterbezahlt. Viele Kollegen sehen das nicht

als wirtschaftlich tragbar an «

scio. Magazin für das ärztliche Leben 21II | MMIX

«Tigerknochen oder Nashornpulver sind tabu, Küchenschaben und Würmer erlaubt.»Dr. Dieter Mühlhoff vereint Traditionelle Chinesische Medizin und Schulmedizin. Auch in der Provinz steigt die Nachfrage.

„Ich kann die Erfolge auch nicht immer erklären. Die Uni-versität ebenso wenig. Aber der Erfolg ist da. Bei der Traditio- nellen Chinesischen Medizin kommt es eben darauf an, zu wissen, was hilft. Es ist nicht so wichtig, warum es hilft“, be-tont Mühlhoff. Werben, zum Beispiel auf dem Praxisschild, darf er allerdings nicht mit der chinesischen Medizin. Das wäre ein Verstoß gegen das Berufsrecht. Die Vorbehalte kann er nicht so recht nachvollziehen. „In China hat die westliche Medizin auch Einzug gehalten, zumindest in den Städten. Beide Richtungen arbeiten harmonisch zusammen und er-gänzen sich. Das würde ich mir auch für Deutschland wün-schen“, sagt Mühlhoff.Von ihm verordnete Arzneimittel müssen in der Regel extra zusammengemischt werden. Mühlhoff verzichtet auf reine Kräuter und setzt ausschließlich auf flüssige Extrakte, weil die sich genauer dosieren lassen. In Deutschland gibt es 50 bis 60 Apotheken, die Rezepte der Traditionellen Chinesischen Medizin verarbeiten können. Eine davon ist direkt in Felde, die Apotheke Am Westensee von Dr. Michael Mocha. „Es ist nicht anders als bei konventionellen Rezepten. Der Apothe-ker stellt zusammen, was der Arzt verordnet hat. Man muss eben nur die entsprechenden Substanzen haben“, erklärt Mocha. Das können tierische, pflanzliche oder mineralische Substanzen sein. Rund 150 verschiedene Extrakte hält der Apotheker vorrätig. Anfragen bekommt er aus ganz Schles-wig-Holstein. Nur eines ist anders. „Bei einem Rezept der westlichen Medizin sind meist nur ein oder zwei Wirkstoffe in der Medizin. Bei einem Rezept der chinesischen Medizin sind es oft um die zehn Wirkstoffe. Dort ist nicht nur der einzelne Wirkstoff, sondern auch das Zusammenspiel mit den anderen Substanzen entscheidend.“

«Die chinesische Medizin ist häufig differenzierter. Wenn ich in der Universitätsmedizin keine Antworten finde, suche ich in der chinesischen Medizin.»

Dr. Dieter Mühlhoff setzt eine Akupunkturnadel in das Ohr des Patienten, um seine Rückenschmerzen zu behandeln.

Bei der Moxibustion wird Beifuß an einer Nadel entzündet. Das spendet dem Patienten Energie.

Mit einer Akupunkturnadel im Arm behandelt Dr. Dieter Mühlhoff die Schmerzen im Ellenbogen des Patienten (links).

»Akupunktur wird immer schlechterbezahlt. Viele Kollegen sehen das nicht

als wirtschaftlich tragbar an «

Die Punkteidentifikationstafel zeigt die richtige Lage der Akupunkturpunkte.

22 II | MMIX

NACHGEHAKT.

Jeder von uns freut sich über gesunde Patienten. Die junge Frau in meiner Praxis war eine von den wenigen Patienten, bei denen alle Werte in Ordnung waren: Blutdruck, Gewicht, Zucker, Cholesterin – alles im grünen Bereich. Der Haken an der Sache: Ich konnte die Leistungen nicht gegenüber der Krankenkasse abrechnen, weil die Untersuchungen aus medizinischen Gründen nicht angezeigt waren. Die Frau war ohne Beschwerden zu mir gekommen. Die Untersuchungen benötigte sie für einen Nachweis, den ich ihr ausstellten sollte. Auf dem Zettel las ich „Zu-satzprämie für erfolgreich gemessene gute Gesundheitswerte“. Weiter unten erfuhr ich, dass die Frau dafür von ihrer Kasse 60 Euro erhielt. Er-staunt war meine Patientin, als ich ihr erklärte, dass die Untersuchungen und das Ausfüllen der Bescheinigung keine Kassenleistungen waren. Und dass ich diese Leistungen auch nicht umsonst erbringen wollte. Bei einfa-chem GOÄ-Faktor fallen bescheidene 6,99 Euro für die Untersuchungen und 5,36 Euro für das Ausfüllen des Nachweises an.Auf meine Frage, ob sie denn nicht vorher von ihrer Krankenkasse darü-ber aufgeklärt worden sei, verneinte sie. Die Kasse schickte also gesunde Patienten zu mir, ohne dass die dabei abgerufenen Leistungen über-nommen werden? Das konnte ich nicht glauben. In einer Ausschuss-sitzung sprach ich einen DAK-Vertreter auf das Problem an. Auch der war erstaunt – denn tatsächlich gibt es eindeutige Mitteilungsblätter für die Patienten, die auf die entstehenden Kosten hinweisen. Er zeigte mir schwarz auf weiß, was dort für den Patienten steht: „Die Kosten für die Messung der Gesundheitswerte trägt der Versicherte.“ Klar und deutlich. Jeder Patient, der sich für das Programm (oder wohl eher für die Prämie) interessiert, bekommt dieses Mitteilungsblatt. Die Patientin hatte dies nicht beachtet. Arzt und Kassenvertreter waren sich schnell einig: Die

Jahrzehnte lange Praxis, dass alle vom Arzt erbrachten Leistungen auch von der Kasse übernommen werden, hat sich in den Köpfen der Men-schen festgesetzt. Verstärkt wird die Einstellung noch durch kostenlose Check-up-Angebote von Apotheken. Wenn man aber mit den Patienten einmal darüber spricht, erkennen sie das Problem. Die junge Frau hat die bei mir abgerufenen Leistungen sofort bezahlt.

Kostnix gibt’s nicht – von der schwierigen Umerziehung der PatientenEine Patientin, die kerngesund zum Arzt geht, um sich dies bescheinigen zu lassen, hat keinen An-spruch auf eine kostenlose Untersuchung. Dies überrascht viele Patienten, die wie selbstverständlich davon ausgehen, dass die abgeforderten Leistungen in den Praxen entweder von der Krankenkasse erstattet oder vom Arzt unentgeltlich erbracht werden. So war es zunächst auch bei einer Patientin, die sich ihren tadellosen Gesundheitszustand bescheinigen lassen wollte, um damit von der Kranken-kasse eine Bonuszahlung zu erhalten. Carl Culemeyer legte den Fall für Scio unter die Lupe.

R ZUR PERSON

Carl Culemeyerist Landarzt in Ascheffel in den Hüttener Bergen (Schleswig-Holstein). Neben seiner Praxis engagiert sich der Allgemeinmediziner seit Jahren in der Standespolitik. Für Scio kümmert sich Culemeyer regelmäßig um typische Ärgernisse, die den Praxisinhabern die Arbeit erschweren.

text | Carl Culemeyer foto | Jörg Wohlfromm

Der Fall

Eine junge Patientin hatte von einem verlockenden Ange-bot der DAK gehört: Ihre Krankenkasse lobt im Programm DAKpro Balance eine Barzahlung von 60 Euro oder alter-nativ von 6.000 Punkten aus (die angerechnet und dann für attraktive Prämien genutzt werden können), wenn sie gute Gesundheitswerte nachweist. Diesen Nachweis können Ärzte und Apotheker für die Versicherten erbringen. Die Heilberufe verfahren unterschiedlich: Manche leisten die Untersuchungen unentgeltlich, andere rechnen ab. Die junge Patientin war zunächst überrascht, dass sie die Leistung nicht unentgeltlich erhielt – war dann aber schnell bereit, die Kosten zu übernehmen.

scio. Magazin für das ärztliche Leben 23

Für uns Fachärzte besteht ein Arbeitslosigkeitsrisiko gleich Null. Es ist zwar bedauerlich, wenn wir sechsstellige Investitionen abschreiben müssen; aber die Hauptlast der Abschaffung freiberuflicher Kassenärzte wird bei den GKV-Patienten liegen. Einige von uns werden Privatpraxen betreiben, die anderen ein Auskommen in MVZ finden und erst einmal zur Kur fahren.Es geht nicht um ein paar Euro mehr oder weniger und schon gar nicht darum, dass ein freiberuflicher Arzt keine Risiken zu tragen bereit wäre, sondern um den Systemumbau – und der ist viel weiter, als die Leute verstanden haben. Deshalb ist eine Einmischung der Ärzte in den Wahlkampf ein legitimer Akt der Selbstverteidigung (und der Verteidigung der Patienten). Ich kann nicht verstehen, wie Prof. Jansen all die eingeleiteten Veränderungen ablehnen, eine politische Stellungnahme dagegen aber verurteilen kann. Wo sind die Stellungnahmen der Patientenverbände, wo die Brandreden in den großen Tageszeitungen? Dass Herr Isenberg vom Verbraucherzen-trale Bundesverband nichts gegen die Reform gesagt hat, kann man jetzt verstehen, wo er beim Hauptprofiteur des Systemumbaus, der Bertels-mann AG, beschäftigt ist. Wir Ärzte haben nicht das Gefühl, dass es noch andere gibt, die den für den Patienten unmittelbar verantwortlichen freiberuflichen Arzt erhalten wollen. So werden viele dieses eine letzte Mal noch um die alten Werte kämpfen (zur Not auch allein und im Wartezimmer). Und falls es schief geht, und die SPD weiter die Politik bestimmt, den Kampf dann aufge-ben, das Land verlassen, in Frührente oder ins Angestelltenverhältnis gehen. Es ist das letzte Gefecht!

Dr. Martin Fischer, Kinder- und Jugendarzt in Hamburg

PraxisPost.

Einigen Passagen aus dem Statement von Prof. Jansen aus Heft 1/2009 möchte ich widersprechen. Er scheint nicht verstanden zu haben,

welche Wirkung die unter Ulla Schmidt verantworteten Gesundheitsre-formen schon entfaltet haben und noch entfalten werden: Es geht um nichts weniger als das Ende der Freiberuflichkeit der im GKV-System tätigen Fachärzte und das Einbinden der Allgemeinärzte in Hausarzt-verträge, deren Bedingungen bis ins Detail der Arbeitszeitverteilung von den Krankenkassen bestimmt werden. Nur im privatärztlichen Teil des Gesundheitswesens, der dank des Widerstands der Union noch eine Zukunft zu haben scheint, wird es noch freiberufliche Fachärzte geben. Die KVen sind mitnichten die Interessenvertretungen der Vertragsärzte, sondern die staatlicher Verordnungs- und Gesetzgebung unterstehenden Körperschaften öffentlichen Rechts, die die Vertragsärzte regional ver-walten. Die Verwaltungskosten werden zwar von den Ärzten getragen, die Entscheidungen von Vertreterversammlungen oder Vorständen aber gegebenenfalls von Gesundheitsministern per Verwaltungsanordnung ausgehebelt (wie z. B. angedroht bei der „E-Card“).

Natürlich ist die Honorarreform eine Katastrophe, aber deshalb, weil die Spielregeln von der Politik sehr straff gefasst und verändert wurden. Die im Schlichtungsverfahren unterlegene Partei für das Desaster mitverant-wortlich zu machen, ist unlauter.

Leserbriefe zum thema: «Wie weit dürfen Ärzte im Wahlkampf gehen?» scio, ausgabe i/MMix, seite 28/29

«Einmischung in den Wahlkampf ist legitimer Akt der Selbstverteidigung»

Dr. Martin Fischer

Partiell haben beide, Dr. Heinrich und Prof. Jansen Recht. Eine unpo-litische Praxis wäre die falsche Forderung der Politik. Informationen

für unsere Patienten müssen sein, und zwar auch durch den Arzt.

Aber eine parteipolitische Einflussnahme auf den Patienten verbietet sich für uns Ärzte. Dies wäre auch Ausnutzen der ärztlichen Autorität auf ei-ner falschen Ebene. Hier wäre nur eine Situation, in der eine Partei auf medizinischem Gebiet Gesetze auf den Weg bringt, die Ethik und Moral verletzen, eine Rechtfertigung einer ärztlichen Positionierung. Das, was im Dritten Reich leider nicht stattgefunden hat.

Dr. Wolfgang Barchasch, Frauenarzt in Flensburg

Eine parteipolitische Einflussnahme auf den Patienten verbietet sich für uns Ärzte.

Dr. Wolfgang Barchasch

selten waren Ärzte so motiviert wie in diesem Jahr, sich in den Wahlkampf

einzumischen – auch durch Gespräche mit Patienten im Sprechzimmer. Selbst

Plakate mit Sprüchen wie „Wer tut uns allen weh? CDU und SPD“ sind kein

Tabu mehr in den Arztpraxen. In unserer ersten Scio-Ausgabe hat HNO-

Arzt Dr. Dirk Heinrich aus Hamburg für dieses ungewöhnliche Engagement

argumentiert. Der Vorsitzende des Patientenombudsvereins Schleswig-

Holstein, Professor Günther Jansen, hatte sich gegen eine solche Einmischung

ausgesprochen und auf das besondere Berufsethos der Ärzte verwiesen. Die

Positionen der beiden haben unsere Leser beschäftigt.

R schreiben sie uns ihre MeinungRedaktion Scio, mediageno Verlags GmbH

Bahnhofstr. 1-3, 23795 Bad Segeberg

E-Mail: [email protected]

Wir freuen uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das Recht zur Kürzung

vorbehalten.

24 II | MMIX

MEINUNG.

Die Arbeitsbedingungen für Vertragsärzte haben sich in den vergangenen 18 Jahren

stetig verschlechtert. Der Kollektivvertrag ist kein Garant mehr für eine vertragsärztliche Versorgung. Die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre wurden gegen den erbitter-ten Widerstand der Ärzte durchgesetzt. Mit der aktuellen Honorarreform wird deutlich, dass die medizinische Versorgung von GKV- Patienten nicht mehr kostendeckend möglich ist. Die Unterdeckung der Praxiskosten beträgt 31 %. Damit steht eine wohnortnahe, flächen- deckende gute Versorgung zur Disposition.

Gesundheitsfonds, EBM-Reform 2009, Re-gelleistungsvolumen und gekündigte Son-derverträge entziehen unserem System die finanzielle Grundlage. Die kassenärztliche Selbstverwaltung wird zunehmend demon-tiert – zum Nachteil für die Patienten. Mit dem Korbmodell und einem kollektiven Zulassungsverzicht können wir deutliche Zei-chen setzen:

1.) An die Kassenärztlichen Vereinigungen: Das Kollektivvertragssystem muss auch wirt-schaftlich gesichert sein, um eine qualifizierte ärztliche Versorgung zu leisten.

2.) An die Politik: Ärzte sind bereit, geschlos-sen aus dem System auszutreten. 3.) An die Patienten: Ärzte bieten eine Alter-native zum bestehenden System.4.) An die Kostenträger: Unter den bestehen-den Bedingungen ist eine gute vertragsärztli-che Versorgung nicht mehr zu leisten.

Ein Gesundheitssystem, welches den Ver-tragsärzten die medizinischen und wirt-schaftlichen Grundlagen entzieht, riskiert den Ausstieg aus diesem System. Der Korb ist eine Demonstration, ein Zeichen: bis hier und nicht weiter! Denn Vertragsärzte können und wollen die Gesundheitsversorgung nicht mehr in diesem Mangel leisten.Politik und Gesellschaft, Kassen und KVen sind gefordert, Rahmenbedingungen für eine gute Patientenversorgung zu schaffen. Dazu gehört auch eine ausreichende Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung. Der Korb ist eine Chance, wenn nicht sogar eine Verpflichtung, für einzelne Fachgruppen mit einem speziellen Versorgungsauftrag re-gional den geschlossenen Systemausstieg zu praktizieren. Bricht vertragsärztliche Versor-gung in bestimmten Fachbereichen weg, tritt Unterversorgung ein. Dann bricht das ambu-lante System irreparabel zusammen. Dies gilt es, mit dem Korb zu verhindern. Ein „Worst- case Szenario“, für das der Gesetzgeber im So-zialgesetzbuch vorgesorgt hat. Es sichert einen Direktvergütungsanspruch gegen Kassen, in

Höhe des einfachen GOÄ-Satzes. Alternativ können Kassen mit den Ärzten Einzel- und Direktverträge abschließen. Voraussetzungen sind Vernetzungen der Vertragsärzte, als Per-spektive mit Zukunft, gerade unter dem As-pekt Systemumstieg (Selektivverträge) und/oder Systemausstieg! Nur Ärztenetze und Verbünde, regional und überregional, haben künftig noch eine Chan-ce, außerhalb des Kollektivvertrages zu be-stehen. Es empfiehlt sich, sich auf Planungs-bereiche oder Landesebene zu organisieren, um als Gesprächspartner für KV, Politik und Kassen ernst genommen zu werden. Sei es in Landesverbänden der Facharztgruppen, regi-onalen Ärztenetzen oder der Ärztegenossen-schaft Schleswig-Holstein. Hauptsache, enga-giert und mit hohem Organisationsgrad. Korbmodelle für einen kollektiven Zulas-sungsverzicht erfordern also nicht mehr und nicht weniger als einen hohen Solidarisie-rungsgrad in einer jeweiligen Facharztgrup-pe und Region. Ein Korb, an dem sich zum Beispiel 70 Prozent der Ärzte einer Region beteiligen, würde dazu führen, dass das bis-herige System ausgetauscht werden muss, um die Versorgung der gesetzlich Krankenversi-cherten sicherzustellen.Die Zeit gilt es zu nutzen, für eine zukünftige qualifizierte Patientenversorgung.

Zulassungen in den Korb – leere Drohung oder Trumpfkarte?Korbmodelle sind nicht neu, aber immer noch aktuell. Derzeit testen die HNO-Ärzte in Schleswig-Holstein, ob eine kollektive Rückgabe der Zulassungen ihren Forderungen Nachdruck verleihen kann.

»Das Korbmodell ist ein geeignetes Mittel zum Zweck!«

Der Korb ermöglicht eine konstruktive Erneuerung des Vergütungssystems.

Dr. Axel Schroeder, Vorsitzender der Gemein-

schaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) in

Schleswig-Holstein, ist niedergelassener Urologe

in Neumünster.

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«Der Korb ist eine Demonstration, ein Zeichen: bis hier und nicht weiter!»

scio. Magazin für das ärztliche Leben 25

MEINUNG.

„Wenn es die KV nicht gäbe, müsste man Sie erschaffen ...“ Dieses Zitat ist nicht neu, aber aktueller denn je. Es sind inzwischen neun Jahre vergangen, seit die Politik den Kassenärztlichen Vereinigungen den alleini-gen Sicherstellungsauftrag entzogen hat, um unter dem Motto „Mehr Wettbewerb“ das Monopol der Kassenärztlichen Vereinigun-gen zu brechen. Der Sicherstellungsauftrag in Verbindung mit dem Kollektivvertrag war und ist für Kassen und Politik aus deren Sicht der negative Garant dafür, dass zu viele Versichertengelder für die ambulante Ver-sorgung ausgegeben werden. Welche Ironie! Die davon Betroffenen, die Vertragsärzte und -psychotherapeuten, sehen dies genau umge-kehrt. Sie werfen der KV vor, dass sie nicht erfolgreich genug verhandele und zu wenig für die hochwertige ambulante Versorgung heraushole.

Vertragsärzte und -psychotherapeuten haben Recht, dass sie zu wenig Geld für ihre Tätig-keit erhalten und die Preise für die einzelnen Leistungen zu niedrig sind. Ein Irrtum ist es allerdings zu glauben, dass ohne die KVen die Vergütung für die ambulanten Leistungen in einem System der gesetzlichen Krankenversi-cherung besser wäre. Im Gegenteil zeigen die vergangenen Jahre seit der Zersplitterung des Sicherstellungsauftrages, dass die Kassenärzt-lichen Vereinigungen für ihre Mitglieder un-ter dem Strich mehr herausgeholt haben, als

die diversen Versuche mit Selektivverträgen, Verträgen zur Integrierten Versorgung oder sonstige Sonderverträge gebracht haben.

Seit dem Wegfall der Anschubfinanzierung für die Integrierte Versorgung ist diese Ver-tragsform praktisch tot. Alle anderen Verträge stehen zur Disposition, weil die Krankenkas-sen nicht wissen, wie viel sie in 2009 tatsäch-lich aus dem Gesundheitsfonds und dem Risikostrukturausgleich erhalten. Und der Baden-Württembergische Hausarztvertrag zeigt, dass die AOK selbst im hausärztlichen Bereich zu Lasten der Hausärzte selektiert. Von über 6000 zugelassenen Hausärzten in Baden Württemberg wird gerade einmal die Hälfte akzeptiert. Die anderen bleiben außen vor und müssen zusehen, wie sie klar kommen.

Allen Versuchen dieser Art ist eines gemein-sam: Unter dem Titel „Vertragsvielfalt“ oder „Vertragswettbewerb“ wird nichts anderes gemacht, als Ärzte und Ärztegruppen gegen-einander auszuspielen, um den niedrigsten Preis im Dumping-Wettbewerb zunächst zu eruieren und dann durchzusetzen. Anstatt unsere eigene Vertretung, die KVen, nach Kräften zu stärken, helfen wir der Politik und den Kassen, uns durch Zersplitterung noch weiter herunterzuhandeln. Das Dro-hen mit der Rückgabe der Zulassung ist kein probates Mittel, diese selbstzerstörerische Entwicklung aufzuhalten. „Wie bezahle ich

dann meine Praxiskosten? Wer garantiert für nicht bezahlte Privatrechnungen? Ich arbei-te in einem armen Bezirk, meine Patienten können die Rechnungen gar nicht bezahlen, auch nicht in Vorleistung gehen ...“ Das sind nur einige der Fragen, die uns Kollegen im Zusammenhang mit einer „Korbmodell“-Entscheidung stellen.

Ohne ein professionelles Szenario für den Tag nach der Zulassungsniederlegung spielen wir das Spiel der Politik. Die Zersplitterung würde noch zunehmen. Unsere „Macht“ als große gesellschaftlich relevante Gruppe wä-re dahin. Wenn wir klug sind, stärken wir jetzt unsere Selbstverwaltungsgremien bei der Durchsetzung der Forderungen, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung beim Deutschen Ärztetag in Mainz an die Adres-se der Politik gerichtet hat (http://www.kbv.de/23390.html). Sollte nach der Bundestags-wahl die dann im Amt befindliche Regierung unsere berechtigten Forderungen nicht erfül-len, sollten wir geschlossen und gemeinsam mit unseren Selbstverwaltungen dieses Sys-tem verlassen. Dabei sollte sich die KV an die Spitze der Bewegung setzen, denn auch nach einer Rückgabe der Zulassung brauchen wir eine Organisation, die mit den Versicherern abrechnet und verhandelt. Zum gemeinsa-men Erfolg führt nur eine Vorgehensweise: Geschlossenheit auf allen Ebenen.

Die Euphorie war groß, als sich im vergange-

nen Jahr über 7.000 bayerische Hausärzte in der

Nürnberg-Arena zum Korbmodell entschlos-

sen. Ein paar Wochen später folgte die große

Ernüchterung – der für einen erfolgreichen Korb

notwendige Anteil an Zulassungen war deut-

lich verfehlt worden. Doch die Ärzte lassen sich

nicht entmutigen. Die bayerischen Fachärzte

starteten den „Erlanger Korb“, zugleich wollen

die HNO-Ärzte in Schleswig-Holstein ein Korb-

modell starten. Viele Ärzte sehen darin den ein-

zigen Weg, sich gegen Zumutungen von Politik

und Krankenkassen zu wehren. Andere halten

einen Korb für eine leere Drohung, mit der sich

die Ärzteschaft nur selbst schadet.

R Schreiben Sie uns Ihre MeinungRedaktion Scio, mediageno Verlags GmbH

Bahnhofstr. 1–3, 23795 Bad Segeberg

E-Mail: [email protected]

»Nicht mit der Rückgabe derZulassung drohen!«

Viele Kollegen haben Bedenken vor den Folgen eines Ausstiegs aus dem System.

Dr. Michael SpäthVorsitzender der KV-

Vertreterversammlung, war lange Zeit KV-Vorsit-zender in der Hansestadt. Späth ist Geschäftsführer einer Laborgemeinschaft.

R Info

So funktioniert ein Korbmodell: Innerhalb einer Region und/oder einer Fachgruppe entscheiden sich Ärzte zur Rückgabe ihrer Zulassung – unter einer Voraussetzung: Ein bestimmter Anteil von Kollegen macht mit. Dieser Anteil sollte so hoch sein, dass aus der Rückgabe der Zulassungen die von den Ärzten erhofften Konsequenzen gezogen werden. Damit dies eintritt, wird ein Anteil von 70 Prozent der Arztgruppe für den erforderlichen Schwellenwert gehalten. Damit die teilnehmenden Ärzte kein Risiko eingehen, gilt die Rückgabe nur, wenn der festgelegte Anteil auch erreicht wird. Deshalb werden die zurückgegebenen Zulassungen bei einem Notar gesammelt und nur wirk-sam, wenn die Quote erfüllt wird. Wenn nicht, erfährt niemand von der Rückgabe des einzelnen Arztes.

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CHEFSACHE.

Praxiskredit: jetzt handeln!

Die Zeit ist günstig. Dank der mehrfachen und drastischen Zinssenkungen

durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist das Zinsniveau auf einem un-

gewöhnlich niedrigen Niveau. Das freut nicht nur die Häuslebauer, die jetzt

deutlich günstiger an einen Kredit kommen. Auch für Ärzte, die für ihre Pra-

xis ein Darlehen aufgenommen haben, bedeuten die niedrigen Zinsen eine

gute Gelegenheit, über eine Umschuldung nachzudenken.

Die schlechte Nachricht vorweg: Eine allgemeine, für jedermann gültige

Vorgehensweise gibt es dabei nicht. Ob überhaupt, wie und mit wem eine

Umschuldung erfolgt, hängt ganz stark von den individuellen Bedürfnissen

des Kreditnehmers ab. Und weil Praxisfinanzierungen nicht mit Immobilien-

finanzierungen vergleichbar und Begriffe wie Cap-Darlehen oder Euribor

sicher nicht jedem auf Anhieb geläufig sind, ist es in einem ersten Schritt

ratsam, sich einen unabhängigen Experten mit ins Boot zu holen.

Zusammen mit ihm sollte man nun diskutieren, wie wahrscheinlich denn

überhaupt steigende Zinsen sind. Zahlreiche Experten wie etwa der Fi-

nanzdienstleister MLP rechnen mittel- bis langfristig mit einem Anstieg

der Inflation und damit verbunden mit einem Anstieg der Zinsen. Geht der

Kreditnehmer jedoch davon aus, dass die Zinsen auch auf lange Sicht niedrig

bleiben, macht eine Umschuldung keinen Sinn, das Thema wäre erledigt.

Zweifelsfrei prognostizieren kann man die Zinsentwicklung sicher nicht,

aber es ist mehr als wahrscheinlich, dass die EZB in den nächsten Monaten

und Jahren die Zinsen wieder anheben wird.

Bei der Überlegung, ob und wie man umschuldet, spielt auch eine Rolle,

welche Finanzierungsform der Arzt für seine Praxis gewählt hat. Gängig in

der Praxisfinanzierung sind sogenannte Cap-Darlehen, bei denen der Zins

variabel ist und eine gewisse Obergrenze für den Darlehenszins besteht. Das

hat den Vorteil, dass das Zinsrisiko für den Kunden begrenzt ist. Der Zins-

satz wird jedoch nicht wie bei einem klassischen Darlehen für zum Beispiel

zehn Jahre festgeschrieben, sondern regelmäßig dem aktuellen Zinsniveau

angepasst, das sich am sogenanten Euribor orientiert. Dies ist ein Referenz-

zinssatz, zu dem sich die Banken das Geld untereinander ausleihen.

Der Kreditnehmer sollte nun kritisch prüfen, ob es angesichts der günstigen

Zinsen Sinn macht, in ein Festzinsdarlehen zu wechseln. Damit würde er

sich über einen längeren Zeitraum die derzeit günstigen Zinsen sichern. Eine

Alternative ist es, das Cap-Darlehen nachzuverhandeln und möglicherweise

die Gebühr, die für einen solchen Kredit fällig ist, zu drücken. Wichtig: Mit

einem starken Experten an der Seite hat man dabei bessere Chancen, als

wenn man es alleine versucht.

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Heino Reents (41) ist freier Wirtschaftsjournalist in Lüneburg und auf Geldanlagen und Finanzierung spezialisiert.

Praxisinhaber können von den niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt profitieren

Während man bei den variablen Cap-Darlehen in der Regel jederzeit eine

Sondertilgung bis zu 100 Prozent vornehmen und somit vorzeitig aus dem

Vertrag aussteigen kann, sehen die Bedingungen für Festzinsdarlehen an-

ders aus. Ein vorzeitiger Ausstieg ist nicht vorgesehen. Wenn Sie aber vor-

her aussteigen wollen, verlangt die Bank für die entgangenen Zinsen eine

sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung – und die frisst die Zinsersparnis

möglicherweise wieder auf. Banken sind nämlich laut Gesetzgeber nicht ver-

pflichtet, Kreditnehmer vorzeitig aus ihren Verträgen zu entlassen.

Die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung ist aber Verhandlungssache

und wird von jeder Bank anders berechnet. Lohnen kann sich die Umschul-

dung dann, wenn die Laufzeit des neuen Darlehens deutlich länger ist als

die Restlaufzeit des alten – und wenn bis zum Ablauf des alten Kredits mit

steigenden Zinsen zu rechnen ist. Unproblematisch ist der Ausstieg aus

einem Festzins-Darlehen erst nach zehn Jahren Laufzeit. Dann kann jeder

Kredit mit einer Frist von sechs Monaten ganz oder teilweise zurückgezahlt

werden. Einige Banken bieten aber andere Sondertilgungsrechte an.

Wie auch immer Ihre Entscheidung am Ende ausfällt: Wichtig ist, dass

Sie möglichst bald aktiv werden – solange die Konditionen noch so günstig

sind. Aber Vorsicht: Verführerisch niedrige Zinssätze sollten nicht den Blick

auf die tatsächlichen Kosten des Kredits verstellen. Die hoch komplizierte

Berechnung, ab wann sich ein Darlehenswechsel lohnt, sollten Sie nicht al-

leine vornehmen. Andernfalls kann Ihnen als Kreditnehmer – vom Zinsrisiko

abgesehen – ein vermeintlich billiger neuer Kredit auch durch versteckte

Gebühren oder schlechte Vertragsbedingungen unter dem Strich teuer zu

stehen kommen.

R INFO

Die Verbraucherzentralen bieten eine unabhängige Finanzberatung an, dafür ist aber ein Honorar fällig. Zwei Stunden kosten etwa 120 Euro. Ob sich die Berater mit der recht komplizierten Materie der Praxis- finanzierung auskennen, sollte vorher geprüft werden. Der Finanzdienst-leister MLP hat sich auf die Bedürfnisse von Ärzten spezialisiert und gehört deshalb zu den meist genutzten Ansprechpartnern. Daneben findet man aber im Internet mehrere Verbände unabhängiger Finanzberater, den Bundesverband Finanzplaner e.V. etwa oder den Bundesverband freier Berater. Eine Beratung ist in der Regel kostenlos, der oder die Berater bekommen bei einem Abschluss Provisionen von den Gesellschaften. Wem das nicht gefällt, sollte sich an den Verbund deutscher Honorarberater wenden, dort wird auf Honorarbasis gearbeitet – ohne Provision. Nachteil: Das Honorar ist deutlich höher als bei den Verbraucherzentralen.

«Mit einem starken Experten an der Seite hat man bei Kreditverhandlungen bessere Chancen, als wenn man es alleine versucht.»

26 II | MMIX

Heino Reents

So frischen Sie IhrePraxis auf

unterstützt durch neue Designs und eine nicht zu erkennende Stoßfuge. Sie lassen

sich schnell austauschen, wenn ein Fleck nicht mehr herausgeht. In den Behandlungs-

zimmern genügen Glattbeläge in Bereichen, wo es aus hygienischen Gründen not-

wendig ist. An Wandflächen und bei Accessoires empfehle ich aktuelle Trendfarben.

Sie lassen sich später leicht wieder verändern. Auch farblich gemusterte Tapeten

können schöne Effekte erzielen und monotone Flure auffrischen. Weitere Gestal-

tungsmöglichkeiten bieten Beschriftungen und grafische Symbole, die, übergroß

und gut gesetzt, neben den optischen Aspekten auch die Orientierung erleichtern.

Vorhänge sind nicht nur besser zu reinigen als Vertikallamellen, sie schaffen auch

eine angenehme Atmosphäre und schlucken den Schall.

Eine entscheide Rolle spielt die Beleuchtung. Wandleuchten, Hängeleuchten und

Stehleuchten in Kombination mit den funktional notwendigen Arbeitsplatzbeleuch-

tungen ermöglichen eine differenzierte Ausleuchtung, die man den Jahres- und

Tageszeiten anpassen kann.

Diese unterschiedliche Zonierung ist auch im Wartezimmer vorzunehmen. Eine Kin-

derspielecke, Tische mit Stühlen und gepolsterte Bänke mit ein paar Sesseln können

das Wartezimmer von einer bahnhofsartigen Wartehalle in eine Lounge verwandeln.

Neben den beliebten Möbelklassikern werden leider noch viel zu oft Büromöbel aus

Metall, Glas und Kunststoff verwendet. Hochwertige Holzmöbel, die zumeist deut-

lich günstiger sind, schaffen eine behaglichere Atmosphäre. Wichtig ist: Ein erkenn-

bares Gesamtkonzept sowohl bei der Gestaltung als auch bei der Funktion muss

erkennbar sein – auch wenn aus Kostengründen nur abschnittsweise umgebaut

wird. Bedenken Sie auch, dass die Praxis zu den weiteren gestalterischen Elemen-

ten wie Praxislogo, Internetseite oder Broschüren passen sollte.

Braune Nadelfilzböden zieren den Fußboden, vergilbte Vertikallamellen

versperren den Blick ins Freie und zusammengewürfelte Möbel erinnern

an Wohngemeinschaften aus Studententagen. Solch ein Erscheinungs-

bild von Arztpraxen wird spätestens dann zum Problem, wenn die Patien-

ten den Eindruck von mangelnder Hygiene bekommen – und lieber eine

andere Praxis aufsuchen.

Gerade der erste Eindruck zählt, auch beim Eintritt in eine Praxis. Neben

Arzt und Personal ist eine freundliche Gestaltung mit guter Beleuchtung

das wichtigste Kriterium für eine vertrauensvolle Atmosphäre. Es ist kein

Zufall, dass sich immer mehr Kliniken „Hotelstandard“ aneignen. Auch

in der Arztpraxis sollte der Patient das Gefühl bekommen, willkommen

zu sein.

Dennoch arbeiten zahlreiche Praxen schon seit Jahrzehnten in den glei-

chen Räumen und mit unveränderter Ausstattung, weil diese zusammen

mit der Zulassung übernommen wurden. Daraus resultieren gestalteri-

sche, vor allem aber funktionale Mängel. Unverzichtbar ist für jede Praxis

wegen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung die Barrierefreiheit

einer Praxis. Zugang, WC-Anlagen, Umkleideräume und die Orientierung

in den Praxisräumen müssen altengerecht geplant werden. Ein Problem

in vielen Praxen entsteht durch mehrfache Umbauten und Erweiterun-

gen von Teilbereichen. Damit wird der Funktionsablauf einer Praxis ge-

stört. Besser ist eine ganzheitliche Optimierung der Anforderungen und

Abläufe. Dies schafft Spielräume für andere Tätigkeiten des Personals.

Ein anderes Problem ist die Diskretion an der Anmeldung. In vielen Pra-

xen ist selbst der Wartebereich in Hörweite – dies verstößt nicht nur

gegen den Datenschutz, sondern ist vielen Patienten schlicht unange-

nehm. Eine Umgestaltung der Praxis und Schall absorbierende Materi-

alien helfen bei der Lösung dieses Problems. Diese Maßnahmen sind

effektiv und kosten weniger, als viele Ärzte annehmen.

Bei der modernen Gestaltung einer Praxis lassen sich zwei Trends er-

kennen. Es gibt eine Entwicklung hin zum wohnlichen Charakter mit

dunklem Holz und gedeckten Farben. Andere setzen auf eine peppige

Umgebung mit kräftigen Farbakzenten und expressionistischen Formen.

Beides hat seinen Charme – wenn Gestaltung und Material aufeinander

abgestimmt sind und auch zum Praxisinhaber und dem Personal passen.

Der Arzt muss sich mit der Gestaltung identifizieren, sonst fühlt er sich in

seiner Praxis so unwohl wie in Kleidern, die ihm nicht passen.

Zur Möblierung: Holzoberflächen sind nach wie vor im Trend. Statt Buche

sind heute Eiche und dunkel gebeizte Hölzer gefragt. Oberflächen-

beschichtungen werden zunehmend strapazierfähiger, sodass Kunststoff

dafür kaum noch notwendig ist.

Bei den Bodenbelägen sind PVC-Böden in Holzdekor derzeit erste Wahl.

Sie haben aber auch Nachteile: Der Boden ist schallhart, was oft akustische

Probleme mit sich bringt. Außerdem muss der Untergrund sehr eben

sein. Bei den Teppichen gibt es eine Renaissance der Teppichfliesen,

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Arnd Woelcke (41), Inhaber des Kieler Büros für Architek-tur und Raumgestaltung

Moderne Praxisgestaltung zeigt, dass Patienten willkommen sind.

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CHEFSACHE.

scio. Magazin für das ärztliche Leben 27

28

SprechStunde.

II | MMIX

Soeben war eine junge Mutter am Telefon, bei deren Kind Scharlach diagnostiziert wurde. Der Kinderarzt habe zu einer Antibiotika-Therapie geraten. Gibt es noch Alternativen? Dr. Helga Christoffel klärt über die übliche Behandlung auf und bekräftigt den Therapievorschlag des Hausarztes. Dabei kann sie bei Bedarf auch auf die hausinterne Datenbank zurückgreifen. Sie wird von ihren Fachkollegen stets auf den ak-tuellen Stand gebracht. Auf Wunsch erhält die besorgte Mutter die Informationen per Mail oder Fax. Sollte die Suche via Internet oder Da-tenbank zu lange dauern, ruft Dr. Helga Chris-toffel zurück. Garantiert. Schließlich will sie diesen Kunden bestmöglich informieren, damit er mit dieser Zweitmeinung eine gute Entschei-dungsgrundlage bekommt. Von der Frau mit dem kranken Kind kennt Dr. Helga Christoffel nur den Namen. Als Pa-tientin wird sie bewusst nicht bezeichnet. Sie ist Kundin. Ihr Gesicht wird sie nie sehen. Sie weiß jedoch, dass die Mutter bei der Techniker Krankenkasse versichert sein muss. Denn wer die Telefonnummer des TK-Ärztezentrums wählt, das Familientelefon anruft oder Hilfe jenseits der deutschen Grenze über Auslands-Assistance abruft, landet im malerischen Gut Nehmten bei Plön. Hinter historischen Mauern

Für Kunden mit vielen Fragen: medizinische Beratung am telefonVolle Behandlungszimmer, Zeitdruck und schlechte Bezahlung – die Arbeit in der Praxis gefällt nicht jedem Arzt. Kein Wunder, dass die Nachfrage nach Stellen als Tele-Arzt hoch ist.

text | Nicola Sieverling fotos | Jörg Wohlfromm

hat die ife-Gesundheits-AG ihren Sitz. Ein An-bieter für Telemedizin mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell und Vertragspartner der Tech-niker Krankenkasse. Im ersten Stock des mit Kronleuchtern, hohen Wandspiegeln und Ahnenportraits der Guts-besitzer ausgestatteten Gebäudes arbeitet Dr. Helga Christoffel. Schreibtisch, PC, Telefon und Headset – fertig ist der Tele-Arzt. Der Versicher-te ist Taktgeber. Er entscheidet, wie lange ein Gespräch dauert. „Die Zeit in der Praxis reicht ihm für die vielen Fragen oft nicht aus. Hier bekommt er Antworten.“ Die Allgemeinärztin ist auch eine von vier Stellvertreterinnen der Ärztlichen Leitung der ife-Gesundheits-AG. Das Qualitätsmanagement sichern, Fortbildun-

gen organisieren, Gesprächsschulungen für die anderen Ärztinnen und Ärzte auf Gut Nehmten anbieten. „Die Leitungsfunktion macht Spaß. Der interdisziplinäre Austausch mit den Kolle-gen hat mir in den Praxen immer gefehlt. Hier kann ich mein Wissen über andere Fachberei-che erweitern“, schwärmt Dr. Helga Christoffel und blickt aus den hohen Fenstern auf die Par-kallee und die Pferdestallungen des Gutes.96 Kollegen, vom Internisten über die Zahn-ärztin bis zum Kinderarzt, beraten wie sie auf Gut Nehmten. Sie kommen sogar aus dem über 100 Kilometer entfernten Hamburg angefahren. Medizinische Individualhilfe 24 Stunden lang,

an 365 Tagen im Jahr. Alle – außer der Leitung und ihre Stellvertreter – müssen eine aktuelle Tätigkeit in einer Praxis oder Klinik nachwei-sen. Mindestens acht Stunden in der Woche, maximal vier Tage, dürfen die Tele-Ärzte ihren Dienst machen. „Den Kampf ums Budget und den Frust habe ich hier nicht. Es wird unabhän-gig von der Anzahl der Beratungen am Telefon ein fester Stundensatz gezahlt“, formuliert Dr. Helga Christoffel die finanziellen Vorteile ihrer Arzttätigkeit. Der Job ist begehrt, die Liste der Bewerber für die ife-Telemedizin lang.Wenn Dr. Helga Christoffel einen Kunden berät, leuchtet das rote Lämpchen auf ihrem Computer. Dann wissen die beiden anderen Kollegen am Dreiertisch, dass gesprochen wird. Einen festen Arbeitsplatz hat hier niemand. Das fördert den Austausch und steigert den eigenen Wissenspool im Kopf über andere Krankheits-bilder und deren Behandlung. „Ich mache keine Ferndiagnosen und verschreibe auch keine Me-dikamente. Wir sind lediglich ein Informations-dienst“, betont die dunkelhaarige Frau. Wenn also eine Kundin anruft, deren Magen kneift, verweist Christoffel auf den Notfalldienst oder empfiehlt den nächstgelegenen Facharzt am Wohnort. Um 8 Uhr morgens beginnt ihr Dienst, wenn es gut läuft, ist sie am frühen Nachmittag wie-der daheim. Dann hat sie Zeit für ihre beiden Kinder, von denen eins mit einem Handicap ge-boren wurde. Stress im Job als Ärztin? Da kann sie nur milde lächeln. „Dieser Zeitdruck, die Hektik und die vollen Wartezimmer. Das hat

»Ich mache keine Ferndiagnosen und verschreibe auch keine Medikamente. Wir sind lediglich ein Informationsdienst.«

Versicherte der techniker Krankenkasse zählen zu den Anrufern bei den Tele-Ärzten auf Gut Nehmten.

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dr. helga christoffel (44) wurde im Rheinland geboren. Nach ihrem Medizin-studium in Lübeck war sie fünf Jahre internistisch am Kieler Universitätsklinikum tätig, anschließend nahm sie sich eine Erziehungszeit, bevor sie ihre chirurgische Tätigkeit an einer Reha-Klinik im Weser-Bergland aufnahm. 2003 zog es die junge Familie wieder nach Schleswig-Holstein zurück. In der Nähe von Kiel arbeitete sie in einer hausärztlichen Praxis, schloss die Weiterbildung Allgemein- medizin ab. 2004 wechselte sie in die ife-Gesundheits-AG auf Gut Nehmten und wurde stellvertretende Ärztliche Leiterin. Dr. Helga Christoffel ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Ihre Familie wohnt in einem kleinen Ort bei Kiel.

scio. Magazin für das ärztliche Leben 29

SprechStunde.

mich in meiner Praxistätigkeit immer gestört. Als Tele-Ärztin habe ich das nicht“, erklärt Dr. Helga Christoffel. Auf der Strecke bleibt jedoch der persönliche Kontakt, das Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Der dankbare Hände-druck des Patienten, dem sie mit einer Spritze oder einem Medikament schnell helfen konnte. Das Telefonat mit dem Kunden bleibt hingegen immer ein Stück anonym. „Ja“, sagt Dr. Helga Christoffel etwas nachdenklich, „der langfristi-ge Kontakt und die jahrelange Begleitung eines Patienten fehlen mir schon.“ Aber die vielen Vorteile ihrer Tätigkeit bei der ife-Gesundheits-AG machten das wieder wett.

Es bleiben jedoch die Vorurteile aus dem Freundes- und Bekanntenkreis: Die Kritik ihrer Arztkollegen, die sie öfter mal fragen, „wann sie richtig als Ärztin arbeiten wolle“. Manche sind auch neidisch auf diesen Job mit festem Einkommen, festen Arbeitszeiten und dem reiz-vollen Ambiente in einem Gutshaus mit riesiger Parkanlage. Die stellvertretende Ärztliche Leite-rin ist sich sicher: „Viele Ärzte wissen nicht so genau, was wir hier machen. Sie lehnen meine Arbeit aus Unkenntnis ab. Dabei arbeiten wir nicht gegen die Ärzte in den Praxen und Klini-ken. Wir wollen sie entlasten.

die tele-Ärzte erhalten Schulungen zur Gesprächsführung am Telefon.

Stets freundlich und aufmerksam: Die „Kunden“ von Dr. Helga Christoffel wissen das zu schätzen.

Alltag bei den tele-Ärzten: Am Dreiertisch werden die Gespräche entgegengenommen (oben).

Gut nehmten bei plön (rechts) bietet eine

besondere Arbeitsatmosphäre.

Ganz rechts: Dr. Ekko Schrader,

Vorstand der ife-Gesundheits-AG. F

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scio. Magazin für das ärztliche Leben

Von Schweden bis zur Adria: Wo Ärzte ihren Alltag vergessenSegeln ist eines der beliebtesten Hobbys von Ärzten. Manche bringen es bis zum Olympiasieger, für andere ist es der ideale Ausgleich zum Beruf.

text | Frank A. Nemitz fotos | Jörg Wohlfromm

PRAXISSCHLUSS.

Dr. René Schwall ist ein sehr erfolg-reicher Segler. Der niedergelassene Orthopäde aus Kiel ist dreifacher

Welt- und Europameister im Tornado-Segeln. Bei den Olympischen Spielen in Sidney gewann er 2000 eine Bronzemedaille. Dort liegt auch sein Lieblingsrevier. „Der Pazifik vor Perth und Fremantl ist traumhaft für sportliches Segeln und bietet verlässliche Winde. Täglich um die vier bis fünf Windstärken. Dazu kommen tolle Wasserfarben und eine wunderbar lange Welle“, berichtet Dr. René Schwall.Segelsport hat im Hause Schwall einen hohen Stellenwert. Auch Ehefrau Dr. Nina Schwall ist eine erfolgreiche Sportlerin, unter anderem zweifache Weltmeisterin im Swan World Cup. „Ich segle am liebsten vor Sardinien. Das ist ein-fach traumhaft. Wind und Wetter sind perfekt. Es ist ein Nervenkitzel, bis dicht an die Felsen heranzusegeln“, erzählt sie.

Sie ist Orthopädin am Lubinus-Clinicum in Kiel. Die Klinik ist dem Segelsport eng verbun-den und hat in Zusammenarbeit mit dem Kieler Yachtclub bereits zum achten Mal den Lubinus-Cup ausgerichtet. In einer Regatta treten dabei die Mitarbeiter der Klinik gegeneinander an. Die zweite Regatta ist offen für alle Profi-Segler.Dass unter den Orthopäden besonders vie-le Segler zu finden sind, kann Dr. Alexander Scholz aus Rendsburg erklären: „Orthopädie hat sehr viel mit Sport zu tun. Segeln ist ideal und deshalb bei Orthopäden sehr beliebt.“ Der niedergelassene Arzt hat schon als Jugendlicher

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«Ich segle am liebsten vor Sardinien. Das ist einfach traumhaft.»

Dr. Nina Schwall

« Auf dem engen Raum an Bordmuss man sich schon gut kennen oderman lernt sich kennen. »

Christoph Spoo, Orthopäde und Unfallchirurg am Kieler Lubinus-Clinicum

Zahlreiche Ärzte starteten beim diesjährigen Lubinus-Cup in der Kieler Bucht. Die Segler zieht es aber auch auf internationale Gewässer.

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PRAXISSCHLUSS.

Von Schweden bis zur Adria: Wo Ärzte ihren Alltag vergessenSegeln ist eines der beliebtesten Hobbys von Ärzten. Manche bringen es bis zum Olympiasieger, für andere ist es der ideale Ausgleich zum Beruf.

text | Frank A. Nemitz fotos | Jörg Wohlfromm

Dr. René Schwall ist ein sehr erfolg-reicher Segler. Der niedergelassene Orthopäde aus Kiel ist dreifacher

Welt- und Europameister im Tornado-Segeln. Bei den Olympischen Spielen in Sidney gewann er 2000 eine Bronzemedaille. Dort liegt auch sein Lieblingsrevier. „Der Pazifik vor Perth und Fremantl ist traumhaft für sportliches Segeln und bietet verlässliche Winde. Täglich um die vier bis fünf Windstärken. Dazu kommen tolle Wasserfarben und eine wunderbar lange Welle“, berichtet Dr. René Schwall.Segelsport hat im Hause Schwall einen hohen Stellenwert. Auch Ehefrau Dr. Nina Schwall ist eine erfolgreiche Sportlerin, unter anderem zweifache Weltmeisterin im Swan World Cup. „Ich segle am liebsten vor Sardinien. Das ist ein-fach traumhaft. Wind und Wetter sind perfekt. Es ist ein Nervenkitzel, bis dicht an die Felsen heranzusegeln“, erzählt sie.

Sie ist Orthopädin am Lubinus-Clinicum in Kiel. Die Klinik ist dem Segelsport eng verbun-den und hat in Zusammenarbeit mit dem Kieler Yachtclub bereits zum achten Mal den Lubinus-Cup ausgerichtet. In einer Regatta treten dabei die Mitarbeiter der Klinik gegeneinander an. Die zweite Regatta ist offen für alle Profi-Segler.Dass unter den Orthopäden besonders vie-le Segler zu finden sind, kann Dr. Alexander Scholz aus Rendsburg erklären: „Orthopädie hat sehr viel mit Sport zu tun. Segeln ist ideal und deshalb bei Orthopäden sehr beliebt.“ Der niedergelassene Arzt hat schon als Jugendlicher

gesegelt und gesurft. „Bei viel Wind nehme ich das Surfbrett, bei wenig Wind das Segelboot. Kiel war daher für mich ein idealer Studienort“, sagt Dr. Alexander Scholz. Er segelt besonders gerne in den schwedischen Schären. „Das ist an-spruchsvoll, man muss schon recht gut segeln können. Die wundervolle Landschaft ist dann aber ein echtes Erlebnis“, versichert Dr. Alexan-der Scholz.Christoph Spoo ist Orthopäde und Unfallchi-rurg am Lubinus-Clinicum – außerdem lei-denschaftlicher Segler. „Mit Opti-Segeln an der Adria hat alles begonnen. Damals war ich sechs Jahre alt“, erinnert er sich. Als Windsurfer sind ihm Wind und Wasser vertraut. Als der gebür-tige Bochumer zum Studium nach Kiel kam, konnte er seine Lust am Segeln ausleben. „Für

mich ist Segeln immer wie ein kleiner Urlaub. Der Weg ist das Ziel und der Kopf wird wieder frei“, sagt Spoo. Er segelt gerne mit anderen zu-sammen. „Auf dem engen Raum an Bord muss man sich dafür schon gut kennen oder man lernt sich kennen“, weiß der junge Mediziner. Sein Lieblingsrevier ist die dänische Südsee. „Von Kiel aus ist das ideal. Sehr abwechslungs-reich, eine wundervolle Landschaft und viele kleine Inseln, vor denen man gut ankern kann“, sagt Christoph Spoo. Gerne würde er sich später in Kiel niederlassen. „Aber der Markt für Or-thopäden ist hier schon sehr gesättigt.“

Sein Kollege Andreas Rosenau ist weniger kom-promissbereit. „Auch wenn es noch ein paar Jahre dauert: Wenn ich mich niederlasse, ist die Nähe zum Meer ein entscheidendes Kriterium“, sagt der 33-Jährige. Der gebürtige Möllner kam zum Studium nach Kiel, entdeckte das Segeln und kann seitdem nicht mehr davon lassen. „Mein Vater war Segler und da wollte ich es auch ausprobieren. Wer einmal richtig mit dem Segeln angefangen hat, hört so schnell nicht mehr damit auf“, berichtet er. Für ihn ist es ein guter Ausgleich zum Beruf. Mindestens einmal pro Woche geht er aufs Wasser. Drei bis vier Regatten kommen im Jahr dazu. „Man vergisst an Bord sehr schnell die Alltagssorgen. Segeln nimmt einen Menschen komplett in Anspruch. Der Kampf gegen den Wind ist eine sportliche und gleichzeitig geistige Herausforderung. Da-bei körperlich anstrengend“, sagt Rosenau.

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«Ich segle am liebsten vor Sardinien. Das ist einfach traumhaft.»

Dr. Nina Schwall

«Bei viel Wind nehme ich das Surf-brett, bei wenig das Segelboot.»

Dr. Alexander Scholz

«Mit Opti-Segeln an der Adria hat alles begonnen.»

Christoph Spoo

«Wenn ich mich niederlasse, ist die Nähe zum Meer ein Kriterium.»

Andreas Rosenau

Zahlreiche Ärzte starteten beim diesjährigen Lubinus-Cup in der Kieler Bucht. Die Segler zieht es aber auch auf internationale Gewässer.

PRAXISSCHLUSS.

Vertragsbeginn voraussichtlich 01.10.09. Hausärzte und Patienten, die bereits Teilnehmer des bestehenden Vertrages „Hausarztzentrierte Versorgung“ der ÄGSH und BKK Landesverband NORD sind, werden automatisch in den neuen Vertrag übernommen. Beitrittsunterlagen erhalten Sie bei der Ärztegenossenschaft Schleswig-Holstein, Tel.: 04551 - 9999 - 21. Das Vertragsmanagement für die BKK betreut FormareMed.

Neuer Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung in Schleswig-Holstein!

BKK - Landesverband NORDHausärzteverbandSchleswig-Holstein

in der Regel keine Praxisgebühr* besserer Service* verzahnte Behandlung durch * verknüpfte Facharztmodule

leistungsgerechte Vergütung in* festen Pauschalen & Einzelleistungenengere Kooperation Hausarzt/Facharzt * bei chronischen Erkrankungenschlanke Abwicklung*

Vorteile für Ihre Patienten Vorteile für Sie als Arzt

Er segelt meist in der Kieler Bucht. Sie ist gut er-reichbar und der Arzt kommt schnell aufs Was-ser. Ideal, um auch noch nach Dienst heraus-zufahren. Längere Törns führen auf die Schlei oder in die dänische Südsee. Sein Traumrevier aber ist die Adria. Das ist einfach nur schön. Blaues Wasser und bestes Wetter. Da reichen meist T-Shirt und kurze Hose, um aufs Wasser zu gehen“, schildert Andreas Rosenau seine Ein-drücke, die er vor der Küste Sloweniens ersegelt hat. Außerdem treten an den Küsten der Adria häufig plötzliche Starkwinde auf. „Sportlich ei-ne echte Herausforderung“, sagt Rosenau.

Fast schon eine Segellegende ist Dr. Jörg Diesch, Orthopäde in Kiel. Noch als Medizinstudent ge-wann er zusammen mit seinem Bruder Eckart bei den Olympischen Spielen 1976 die Gold-medaille im Flying Dutchman. Viermal waren die Brüder Diesch Deutscher Meister in dieser Bootsklasse. Heute sucht man Dr. Jörg Diesch vergeblich auf der Kieler Förde. „Sportlich segle ich überhaupt nicht mehr. Nur noch zum Ver-gnügen und dann in meinem Lieblingsrevier, der türkischen Riviera“, sagt der 57-Jährige. Im Hafen von Fethiye hat er sein Boot liegen. Einen 26 Meter langen und 60 Tonnen schweren Mo-

torsegler. „Das ist mein Hausboot. Es bietet den gleichen Komfort wie ein Ferienhaus. Warum sollte ich noch in der Ostsee segeln. Da steige ich lieber in den Flieger und sitze drei Stunden später bei bestem Wetter an Deck und genieße einen Drink“, sagte Dr. Jörg Diesch. Er sei nahe-zu auf der ganzen Welt gesegelt, aber dort gefal-le es ihm hervorragend. „Das Wetter ist immer gut, kristallklares sauberes Wasser und perfekte Windverhältnisse. Was will ich mehr“, fragt sich Diesch. Bis zu zehn Wochen im Jahr verbringt er auf seinem Boot.

Segeln beim Lubinus-Cup ist echter Wettkampfsport.Unter den Ärzten der Klinik ist Segeln wohl der beliebteste Ausgleich zum Beruf.

scio. Magazin für das ärztliche Leben 33

Praxisschluss.

Vorsicht vor diesem arzt:

ansteckende Musikbegeisterung!

Die Bergedorfer Musiktage haben seit ihrem Start fast 10.000 Besucher und Hunderte von

Musikern in das Hamburger Randgebiet gelockt. Möglich war das, weil ein Arzt jedes Jahr wieder

seine Mitmenschen mit seiner Begeisterung für klassische Musik infiziert: Dr. Farhang Logmani.

Dr. Fahrhang Logmani (rechts) sitzt gern selbst am

Klavier. Einmal im Jahr organisiert er zusammen

mit anderen Ärzten und Freunden die Bergedorfer Musiktage, zu denen von

Jahr zu Jahr mehr Menschen kommen.

Er ist einer der Menschen, die vor Energie sprühen.

Er ist ständig in Bewegung, redet viel und gern.

Die Menschen in Bergedorf und den umliegenden

Orten kennen und mögen Dr. Farhang Logmani so.

Es gibt aber auch die andere Seite des Dr. Farhang

Logmani. Die des Musikliebhabers, der spätestens

dann zum stillen Genießer wird, wenn die Berge-

dorfer Musiktage beginnen. In diesen Momenten

genießt Logmani nicht nur die Klänge von Händel,

Mozart oder Brahms, sondern das Gefühl, etwas

Außergewöhnliches erreicht zu haben. Denn die

Musiktage sind sein Werk, auch wenn der gebür-

tige Perser dies nicht zugeben würde. „Ohne unse-

ren Dr. Logmani liefe hier nichts“, bescheinigen ihm

Mitstreiter. Seine Frau Sigrid attestiert ihm, die Ta-

lente anderer Menschen zu erkennen und diese zu

nutzen. Diese Fähigkeit setzt Logmani mit großem

Erfolg für sein Hobby, die Bergedorfer Musiktage,

ein. Logmani ist es gelungen, einen respektablen

Kreis von Unterstützern für die Musiktage zu ge-

winnen. Manche fördern mit Geld, andere mit tat-

kräftiger Unterstützung. Seine Überzeugungskraft

setzt er auch bei Berufskollegen ein. Rund zwölf

Ärzte aus der Region zählen zu den Unterstützern.

Dass er mit seinem Werben um Unterstützung für

sein Hobby so großen Erfolg hat, führt Logmani

auch auf seine langjährige Kassenarzttätigkeit am

Ort zurück. „Dadurch lernt man viele Menschen

kennen. Und ihrem Hausarzt schlagen die Men-

schen so leicht nichts ab“, sagt Logmani.

Weniger Erfolg hatte der gebürtige Perser vor

Kurzem vor dem paritätisch besetzten Prüfungs-

ausschuss in Bad Segeberg. Der fast 72-Jährige

wollte nach Aufhebung der Altersbegrenzung

zurück in die Kassenarzttätigkeit, um die nach

text | Dirk Schnack

seiner Beobachtung zunehmenden Wartezeiten am

Ort abbauen zu helfen. Als Privatarzt war Logmani

ohnehin die ganzen Jahre weiterhin tätig. Der Aus-

schuss sah für die neue Zulassung keinen Grund

und verweigerte sie. Es war eine der wenigen Ent-

täuschungen für Logmani in seiner langjährigen

ärztlichen Tätigkeit. 1960 war er nach Deutschland

gekommen, um hier Medizin zu studieren. Nach

seiner Niederlassung in Bergedorf, schwärmt er

noch heute, ist er dort mit viel Wärme aufgenom-

men worden. „Davon versuche ich, ein bisschen

zurückzugeben.“

In diesem Jahr ist es ihm und seinen Mitstreitern

wieder gelungen, ein außergewöhnliches Pro-

gramm auf die Beine zu stellen. Seit dem 16. Mai

spielen internationale Künstler in Bergedorf. Am

10. Juli klingen die Musiktage mit Brahms, Schu-

bert und Suk im Bergedorfer Spiegelsaal aus. Für

Logmani und sein Team beginnen dann schon die

Vorbereitungen für das kommende Jahr.

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Joscha Sauer Er kann rabenschwarz, hintergründig, absurd und manchmal auch herrlich sinnfrei: Joscha Sauer zeichnet seit neun Jahren bekloppte Yetis, lebensmüde Lemminge und schräge Gestalten aus der Medizin. Die Humorperlen des ge-bürtigen Frankfurters gibt es in Buchform beim Carlsen-Verlag und unter www.nichtlustig.de.

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