Seelenführung - P. Jean-Pierre de Caussade

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    P. J.P. DE CAUSSADE S. J.

    SEELENFHRUNG

    BENZIGER VERLAG EINSIEDELN ZRICH KLN

    Die kirchliche Druckerlaubnis erteilte:Stift Einsiedeln, den 2. Januar 1954

    * BENNO OSB., Abbas nullius

    Dritte AuflageAus dem Franzsischen bertragen

    von Hugo Harder

    Copyright 1954 by Benziger Verlag, Einsiedeln, Zrich, Kln

    Druck und Einband durch dieVerlagsanstalt Benziger & Co. AG., EinsiedelnAlle Rechte vorbehalten. Printed in Switzerland 1954

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    ZUR EINFHRUNG

    ber den Verfasser dieser geistlichen Briefe, den heiligmigen Pater JeanPierre de CaussadeS. J. (16751749 oder1751), sei hier nichts Nheres ausgefhrt. Sein Leben und Wirken wurde inder Einfhrung zum 2. Band dieser Sammlung1 skizziert.

    1P. J.P. de Caussade S. J.: Hingabe an Gottes Vorsehung. 230 Seiten. Geb. Fr. 8.90, DM 8.60. Benziger Verlag,

    Einsiedeln Kln. 1. Auflage 1945, S. 11 ff.

    Die Hingabe an Gottes Vorsehung ist aus geistlichen Briefen zusammengestellt worden, die P.de Caussade an die Schwestern des Visitandinnenklosters in Nancy richtete, dessen geistlicher

    Leiter er frher gewesen war. Da der hl. Franz von Sales wnscht, da sich die Tchter seinerKongregation mit ihren Hilfsmitteln im geistlichen Leben gegenseitig frdern, stellte man inNancy diese erste Briefsammlung zusammen. Dabei wurde aber alles Persnliche weggestrichen,um die Lehre des Pater de Caussade von der vertrauenden Hingabe an Gottes vterlicheVorsehung um so deutlicher in Erscheinung treten zu lassen.

    Pater H. Ramiere S. J., der diese Briefe 1861 unter dem Titel Traite de labandon a la providence divine erstmals herausgab, fgte in einem zweiten Teil eine andere, bedeutendumfangreichere Briefsammlung von P. de Caussade an Lettres sur la pratique de Pabandon a la providence divine. Diese insgesamt 148 Geistlichen Briefe hat der erste Herausgeber auf 7 Bcher verteilt, nach den Stufen des geistlichen Lebens und den wachsenden Prfungen einer

    tieferen Hingabe an Gott.In der vorliegenden erstmaligen deutschen bertragung folgen wir dieser Einteilung und bieten,entsprechend den 7 Bchern der Originalausgabe1 in 7 Teilen eine Auswahl von unverkrzten Briefen. Dabei bercksichtigen wir hauptschlich die lngeren, mehr programmatischen unddeshalb auch besonders charakteristischen Briefe.

    1Labandon la Providence Divine, ouvrage posthume du P. J. P. de Caussade de la Compagnie de Jesus ... edition

    augmente de Lettres etautres ecrits encore inedits du meine auteur. 2 Bnde, 22. Auflage; Paris, Librairie Lecoffre J.Gabalda & Cie, editeurs, 1934.

    Sowohl die Briefe, aus denen die Hingabe zusammengestellt ist, als auch diese GeistlichenBriefe wurden also ursprnglich an Ordensfrauen geschrieben. Und doch wre es unbegrndetund sehr bedauerlich, ihren Nutzen auf Klosterschwestern oder Personen geistlichen Standes zubeschrnken. Denn es waren nicht zuletzt auch innerliche Laien, die sich durch die Schriften vonP. de Caussade angesprochen fhlten, wenn diese im franzsischen Originaltext innert 70 Jahrenin 22 Auflagen erschienen, und wenn von der deutschsprachigen Hingabe (Bd. II unsererSammlung Licht vom Licht) fr den eng begrenzten Raum der Schweiz in weniger als einemJahr eine 2. Auflage (5. bis 7. Tausend) ntig wurde. Das kommt zunchst daher, da der Heilige

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    Geist die eifrigen Seelen nicht selten auf hnlichen Wegen des Innenlebens empor fhrt; denn dieMenschen sind nach ihrer seelischen Grundstruktur einander gleich und ihr bernatrliches Zielist fr alle Stnde das nmliche. Die Visitandinnen fhren brigens nach dem Willen ihrer Stifter,St. Franz von Sales und St. Johanna Franziska von Chantal, ein Leben, in dem sich dasbeschauliche Gebet mit einer reichen Ttigkeit in Armenfrsorge, Krankenpflege und

    Jugenderziehung verbindet. Darum sind die Prfungen ihres Innenlebens, ber die sie Pater deCaussade um Rat fragten, im wesentlichen die gleichen, denen auch unsere braven Laien oft umso mehr begegnen, je eifriger sie fr ihr geistliches Leben sorgen: Zerstreuungen, Zerfahrenheitoder gar Unfhigkeit, sich zum Gebet zu sammeln bisweilen sogar das Gefhl, Gottes Gnadeendgltig verscherzt zu haben, von Gott vllig; verlassen und vom ewigen Heil ausgeschlossen zusein aber auch Prfungen, wie sie das familire, berufliche und klsterliche Zusammenleben mitCharakteren verschiedener Veranlagung, Denkweise und Seelenkultur mit sich bringt derGedanke, wegen Schwche, Krankheit oder ganz besonders wegen der tglichen Arbeitspflichtendas Gebetsund geistliche Innenleben nicht im ersehnten und gottgewollten Mae pflegen zuknnen.

    Wer die Lehre und geistliche Methode von Pater de Caussade bereits in seiner Hingabe anGottes Vorsehung kennen und lieben gelernt hat, wird sich nicht wundern, da auch hier dieFragen des geistlichen Lebens von diesem gleichen Kerngedanken her beantwortet werden. Aberaus diesen vertraulichen Briefen von Seele zu Seele spricht der begnadete Kenner der Herzennoch viel persnlicher und berzeugender zu uns, als er es in den mehr lehrhaften undgrundlegenden Kapiteln der Hingabe tun kann.

    Gewi, die Hingabe an Gottes Vorsehung ist nicht die einzige Pflicht einer gottliebenden Seeleauf dem Weg der Vollkommenheit zu Gott. Aber sie ist eines der ausschlaggebenden Hilfsmittelfr die Tugenden des geistlichen Lebens. Wie kein anderes ist sie fr alle Stnde der Entwicklungund den Klippen des religisen Innenlebens angepat. Mit feinem seelsorglichem Takt pat P. deCaussade in diesen Briefen seine Eingabebungen dem jeweiligen Gnadenruf und

    Vollkommenheitsgrad der betreffenden Seele an und fhrt sie mit der kindlichen Eingabe anGottes vterlich liebende Vorsehung von den ersten Stufen zur intimen Gottvereinigung undheldenhaften Heiligkeit.

    Diese Mystikerbriefe aus dem 18. Jahrhundert knnen daher auch fr den modernen Menschenunserer Tage zu einer wahren Offenbarung werden, wie sie es bereits Unzhligen inVergangenheit und Gegenwart geworden sind auf ihrem Weg zum dreieinigen Vatergott.

    Freiburg (Schweiz) und Einsiedeln am 24. April 1946

    DIE HERAUSGEBER

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    ERSTER TEIL

    HOCHSCHTZUNG UND LIEBE DER GOTTHINGABE1

    1. BRIEF

    Mitten im Trubel der Geschfte verschafft die Eingabe dem Verfasser tiefen Frieden

    An Schwester MarieTherese de Viomenil, Perpignan 1740

    1 Wir bieten zuerst einige Briefe, die die Persnlichkeit von P. de Caussade ins Licht rcken.

    Was ich stets am meisten gefrchtet, ist eingetroffen. Entgegen all meinen Neigungen mute ichein Amt bernehmen, dem ich mich durchaus nicht gewachsen glaube. Doch nichts half, wederBitten noch Betteln, auch das instndigste nicht, noch das Anerbieten, lebenslnglich im Noviziatin Toulouse zu bleiben: ich mute das Opfer bringen, eines der schwersten meines Lebens.

    Aber da zeigte sich auch schon sichtbar das liebevolle Walten der Vorsehung. Nachdem ich michhundertmal im stillen aufgeopfert, nahm Gott aus meinem Innern allen frhern Widerwillen

    hinweg. Ich verlie das Profehaus, das mir, wie Sie wissen, so teuer gewesen, mit einem innernFrieden und einer Freiheit, die ich vorher nicht fr mglich gehalten htte.

    Ja, noch mehr. In Perpignan angekommen, fand ich eine Flle von ungewohnten Verpflichtungenvor. Es galt, zahlreichen Persnlichkeiten Antrittsbesuche zu machen: dem Bischof, demBrgermeister, dem kniglichen Statthalter, dem Parlament, dem Heeresobersten. Sie kennenmeinen Widerwillen gegen Aufwartungen jeder Art, besonders wenn es sich um die Groenhandelt. Doch jede Angst war verflogen. So wird Gott, hoffe ich, berall helfend eingreifen.Mich beseelt ein derartiges Vertrauen auf seine Vorsehung, da ich ber alles hinwegkomme.Inmitten von tausend Sorgen und Schwierigkeiten bleibe ich ruhig, whrend ich vordemnatrlicherweise frchtete, sie wrden mich fast erdrcken. Wohl ist es wahr, am meisten trgt zudiesem tiefen Frieden die Seelenverfassung bei, die mir Gott gndig verliehen, vor nichts zubangen, noch etwas erhaschen zu wollen in dieser kurzen Spanne Lebenszeit.

    Habe ich somit getan, was ich vor Gott glaubte tun zu sollen, stelle ich den Erfolg ihm anheim.Ihm berlasse ich ihn vllig und von ganzem Herzen, preise ihn zum voraus fr alles. Ich suche in jeder Hinsicht einzig auf seinen heiligen Willen abzustellen. Der Glaube und eine reichepersnliche Erfahrung haben mir ja gezeigt, wie alles von Gott kommt und wie er allmchtig undvterlich genug ist, um jedes Ereignis zum Besten seiner lieben Kinder zu lenken. Hat er uns nichtbewiesen, da er uns mehr als sein eigenes Leben liebt, als er es uns zulieb zum Opfer brachte?Knnten wir nach soviel Liebeserweisen noch daran zweifeln, da er uns nie im Stiche lt?

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    Ich bitte Sie also: beunruhigen Sie sich weder meinetwegen noch meiner Obliegenheiten wegen.Tun Sie, was ich selbst zu tun mich bemhe: sobald ich vor Gott und gem Gott einen Entschlugefat habe, berlasse ich Sorge und Erfolg ihm. Ich erwarte diesen Erfolg vertrauensvoll, aberruhig. Und es ist mir gleich, wenn er nicht meinen ungeduldigen Wnschen gem eintritt,sondern im Schrittma der gttlichen Vorsehung. Diese lenkt und leitet jegliches zu unserm

    Besten, mgen uns ihre Fgungen fr gewhnlich noch so rtselhaft vorkommen. Doch wiedrften wir arme Toren mit ihr ins Gericht gehen, die wir blind sind gleich den Maulwrfen unterder Erde? Nehmen wir also alles aus der Hand unseres guten Vaters an, so wird er uns in Friedenbewahren, sogar inmitten der gewaltigsten Umwlzungen auf dieser Welt, deren Gestalt wie einBlitz vergeht.Nach dem Ma unsrer Hingabe und unsres Gottvertrauens wird unser Leben heiligund ruhig dahinflieen. Umgekehrt, ohne diese Hingabe keine dauerhafte Tugend noch sichereRuhe.

    Wie konnten Sie brigens erstaunt sein, da ich die Anschauungen und Absichten von N. nichtteile? Einerseits berrascht mich nichts mehr in diesem Leben; anderseits sollten Sie meine Artdoch kennen, die Dinge, wie der hl. Franz von Sales sagt, von der Sonnenseite her zu betrachten.Diese heilsame Gewohnheit feit mich dagegen, ja macht es mir geradezu unmglich, von wemimmer bel zu denken, zu urteilen oder zu reden.

    Ich rate Ihnen dringend an, diese Gewohnheit ebenfalls anzunehmen. Sie wird Ihnen viel helfen,den Seelenfrieden und die Gewissensreinheit zu bewahren. Glauben Sie mir: es gilt, diemenschlichen Gefhle zum Opfer zu bringen und ber alles mit Hingabe und reinemGottvertrauen hinwegzukommen. Gott allein kann und mu uns alles bedeuten.

    2. BRIEF

    Gleicher Gegenstand

    An dieselbe ehrwrdige Schwester

    Ihre gtige Anteilnahme an meinem Geschick rhrt mich. Gottlob kann ich Sie beruhigen. Zwarfiel es mir anfangs uerst schwer, mit einer Flle von Sachen und Sorgen betraut zu sein, die

    meiner Liebe zu Stillschweigen und Einsamkeit zuwiderlaufen. Doch da hat die gttlicheVorsehung folgendermaen eingegriffen. Gott erwies mir die Gnade, an keinem Geschft zuhngen. So bleibt mein Geist immer frei. Den Erfolg berlasse ich Gottes Vatersorge. So rgertmich nie etwas. Oft verluft es nach Wunsch; dann danke ich Gott. Zuweilen geht alles schief.Auch dann preise ich ihn und opfere es ihm auf. Ist das geschehen, bringt Gott alles wieder insrechte Geleise. Schon wiederholt hat mir der Herr in seiner Gte solch angenehmeberraschungen bereitet. Zeit fr mich selber habe ich hier mehr als sonstwo. Besuche gibt esgegenwrtig wenige zu erledigen, ich mache ja nur die pflichtmigen und unumgnglichen.Auch unsre Patres, die meine Art kennen, sind bald mit mir fertig und ich mit ihnen. Da sie

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    wissen, da ich nicht aus Stolz oder Menschenfeindlichkeit so handle, mibilligt niemand meinVerhalten, ja manch einer ist davon erbaut.

    brigens bin ich nicht so erstorben, wie Sie glauben. Doch Gott gab mir die Gnade, unbekmmertdarum zu sein, ob mein Vorgehen Unzufriedenheit erregt oder nicht. Gott allein mssen wirunbedingt zu gefallen suchen. Ist er mit uns zufrieden, was braucht es mehr? Alles andere zhltberhaupt nicht. Nach wenig Tagen erscheinen wir vor dem Richterstuhl dieses groen Gottes,hchsten Herrn, unendlichen Wesens. Zu was wird uns dann und ewig ntzen, was nicht fr ihngeschah, bewegt von seiner Gnade und seinem Geiste?

    Wren einem diese Binsenwahrheiten gelufiger, wie gelassen fhlten sich Herz und Geist schonhienieden! Von wieviel trichter Furcht, eitlen Wnschen, nutzloser Unruhe bliebe man in Bezugauf dieses und das andere Leben bewahrt. Ich gestehe Ihnen, seit meiner Rckkehr nachFrankreich denke ich mehr denn je ans Ende dieses elenden Daseins, und zwar mit tiefem Friedenund groer Ruhe. Welch anderes Gefhl als das der Freude knnte mich beseelen, wenn ich dasEnde meiner Verbannung herannahen sehe!

    3. BRIEF

    Die Hingabe mildert die Unannehmlichkeiten der Vereinsamung

    An dieselbe ehrwrdige Schwester

    Ehrwrdige Schwester, Sie beunruhigen sich ganz unntig meinetwegen. Sie whnen dieVereinsamung, in der ich mich befinde, komme mir als ein Unglck vor. Bewahre! Tglich preiseich Gott fr diese glckliche Fgung. So lerne ich eben, allem abzusterben und allein fr Gott zuleben. In N. war ich nicht so begraben. Manches um mich und in mir untersttzte mich dort undlie mich fhlen, da ich lebte. All das fehlt mir hier. Ich stehe wie in einer Wste allein mit Gott.O, wie das gut tut!

    Dabei gesellt sich zur uern Vereinsamung gegenwrtig noch eine groe innere Leere. Sopeinlich dieser Zustand fllt, ich preise Gott darob. Wei ich doch, da er mir heilsam ist. Einallgemeines Absterben allem Sinnflligen gegenber, sogar dem religisen Sinnflligen

    gegenber, vollzieht sich. Eine Art Zunichtewerden findet statt, das durchgemacht sein will, sollman mit Christus zu einem neuen Leben erstehen; zu einem Leben ganz in Gott versunken, vonallem entblt, jeden Trostes bar, woran die Sinne irgendeinen Anteil haben. Gott will michlosgeschlt von allem uern, tot fr alles. Nur ihm soll ich leben. So geschehe denn sein heiligerWille: er erflle sich in allen Dingen und jederzeit. Das bildet die granitene Sule, an die wir unsstets klammern mssen; darin besteht das solide und unerschtterliche Fundament jeglicherVervollkommnung.

    Sehen Sie, meine gute Schwester, wie wenig das Mitleid mit mir angebracht ist. Das, worber Sie

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    mich beklagen, macht eben meine Freude aus. Allerdings empfand ich die groe Vereinsamung,die mich hier pltzlich umgab, anfnglich nur im hhern Teil der Seele als angenehm. Bald jedoch war meine Seele ganz davon eingenommen. Wieder einmal hat mir so die Erfahrunggezeigt, da wir, sogar zu unserm irdischen Nutzen, nichts Besseres tun knnen, als die Dinge imGeleise der Vorsehung schtteln zu lassen. Dahin zieht es mich urgewaltig. Mehr als je bin ich

    gewillt, mich ihr blindlings hinzugeben, rckhaltlos, in allem, ob es sich nun um eine Versetzung,einen Auftrag, einen bestimmten Zeitpunkt, kurz um was immer handelt. Seit langem bitte ichGott nur noch um die eine Gnade: in diesem Leben keinen andern Wunsch mehr zu hegen, alsihm zu behagen, keine andere Furcht, als ihm zu mifallen. Gewhrt er mir diese Gunst, bin ichfr Zeit und Ewigkeit reich genug. Ihnen wie mir wnsche ich blo diese Hingabe.

    Was htte man bei voller Gotthingabe zu frchten? Auer dem Seelenfrieden, den sie unsverschafft, fhrt sie uns noch zur Vollkommenheit. Entspringen die Verdienste vor allem demOpferbringen, was knnte es da Verdienstlicheres geben, als unsern Eigenwillen zum Opfer zubringen, sogar in Dingen, die durchaus vernnftig und untadelig sind, um einzig dem WillenGottes zu leben? Unser ganzes Sinnen und Trachten gehe also dahin, uns mit diesem unendlichbarmherzigen Willen zu vereinigen. Seien wir berzeugt, er wird alles retten, wo wir schon allesverloren glaubten.

    4. BRIEF

    Glck, das die Hingabe in einer Klarissengemeinde hervorruft

    Ehrwrdige Schwester, ich habe hier eine Entdeckung gemacht, die mich mehr freut als alledenkbaren Gensse. Die Stadt Albi beherbergt ein Klarissenkloster der groen Reform, dessenInsassen vllig von der Welt abgeschieden leben, keine Mitgift mitbringen und ihr Dasein bloaus den tglichen Almosen fristen. Die Oberin ist eine der heiligsten Personen, die mir jebegegneten. Gleich anfangs fhlte ich mich nachhaltig angetrieben, mit diesen Schwestern inheilige Gemeinschaft zu treten. Die meisten von ihnen versicherten mir ihrerseits das gleiche.Gott will mir wohl durch deren fromme Gebete einige groe Gnaden zuhalten. Diese Schwesternfhren ein tiefes Innenleben und bettigen die Gotthingabe wunderbar vollkommen. Als ich ihnenmeine Absicht kundgab, mich bei jeder gnstigen Gelegenheit fr sie zu verwenden, schienen siefast Ansto daran zu nehmen. Sie baten mich, einzig darauf bedacht zu sein, durch Unterweisungund Gebet sie innerlicher, losgeschlter und vollkommener zu machen. Ihre Einheit, Lauterkeitund Einfalt sind unaussprechlich. Betroffen von ihrer strengen Lebensweise, fragte ich sie einesTages, ob diese Hrten der Gesundheit nicht abtrglich seien und ihr Leben nicht verkrzten. Sieversicherten mir jedoch, es gebe kaum je Kranke unter ihnen und nur wenige ereile der Tod in jungen Jahren, die meisten wrden ber 80 Jahre alt. Sie fgten bei, Strengheiten und Fastenkrftigten die Gesundheit und verlngerten die Tage, wogegen das Wohlleben sie abkrze.

    Nie traf ich mehr Frohsinn und heilige Freude an als bei diesen frommen Tchtern. Will man siejedoch zufriedenstellen, darf man ihnen nur mit gttlichen Dingen kommen. Gleichgltige Reden

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    und weltliche Neuigkeiten widern sie an. Was kmmert uns das, wozu dient es uns, sagen siedann.

    Gewi sind auch Sie erbaut und meinetwegen froh ob dieser glcklichen Begegnung. Obschon ichnmlich bereits mehrfach in besagter Stadt weilte, kannte ich dieses Kloster nur dem Namen nachund betrachtete seine Insassen insgesamt als Leute, die allem entrckt und begraben sind. WelcheGnade und welcher Trost lag fr mich in dieser Begegnung! Welche Lehre auch fr meinengeistlichen Fortschritt, darf ich hinzufgen. Hier ist es am Platze, Gott zu loben und zu preisen obseiner Wundertaten in den Seelen.

    5. BRIEF

    Beweggrnde, sich Gott hinzugeben: Gottes Gre und Gte

    An Schwester Anne MarieTherese de Rosen, 1734

    Ehrwrdige Schwester, fragen Sie mich nicht um ein neues Geheimnis, wie Gottes Freundschaftzu gewinnen sei und in der Tugend rasche Fortschritte erzielt werden knnen.

    Schon mehr als einmal habe ich Sie darauf hingewiesen. Doch tglich erfahre ich seine unfehlbareWirkung erneut. Es heitHingabe an Gottes Vorsehung. Nehmen Sie es mir nicht bel, wenn ichIhnen abermals davon spreche, und werden Sie ebensowenig mde, in dieses Geheimnis

    einzudringen, wie ich nicht mde werde, es Sie zu lehren.

    Knnte ich doch berall verknden:Hingabe, Hingabe / Undwas noch? Nochmals Hingabe. Abergrenzenlose, unbedingte Hingabe. Und das aus zwei durchschlagenden Grnden.

    1. Weil Gottes Gre und seine oberste Herrschaft fordern, da alles sich beuge, alles niederfalleund wie zunichte werde vor seiner hchsten Majestt. Gottes grenzenlose Hoheit steht ja inkeinem Verhltnis zu unsrer Winzigkeit. Sie beherrscht alles, umfat alles, hllt alles ein in ihrerUnermelichkeit. Oder vielmehr, sie ist alles, weil alles, auer Gott, bei der Schpfung seinDasein von ihm empfing und jeden Augenblick noch weiter empfngt, indem es erhalten bleibt,was einer ununterbrochenen Schpfung gleichkommt. Das Sein, das uns Gott gibt, verlt ihn ja

    nie so, da es nicht zugleich in Gottes Tiefen eingetaucht bliebe. Somit ist Gott das Sein berallem Sein. Nichts ist oder lebt oder dauert oder bewegt sich, auer durch ihn und in ihm. Er ist,der da ist. Durch ihn besteht alles. In ihm hat alles Bestand. Er bedeutet alles in allen Dingen.Verglichen mit dem Nichts, zhlen die andern Dinge. Aber verglichen mit Gott verblassen sie zunichts. Nur ein geliehenes Sein kommt ihnen zu. Gott dagegen besteht durch sich und schuldet nursich selber etwas.

    Wie Gott also notwendigerweise alles zu eigen gehrt, so mu auch alles auf ihn zurckflieen.Seine Oberherrschaft hat durch jedes Geschpf, das seinen Hnden entstieg, verherrlicht zu

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    Ein weiterer Beweggrund, sich Gott hinzugeben: seine vterliche Vorsehung

    An Schwester MarieTherese de Viomenil

    Ehrwrdige Schwester, ich verstehe Ihre Unruhe nicht. Warum sich hinsichtlich der Zukunft soabqulen, wie Sie es tun, wo Ihnen doch der Glaube sagt, da diese Zukunft in den Hnden einesunsagbar guten Vaters liegt? Er liebt Sie ja mehr, als Sie sich selber lieben. Er versteht weit besserals Sie, was Ihnen fruchtet. Vergaen Sie, da alle Geschehnisse am Leitseil der gttlichenVorsehung traben? Sind Sie sich aber dessen bewut, warum noch zgern, bei geringfgigen wiebei wichtigen Geschehnissen, demtig ber sich ergehen zu lassen, was Gott Ihnen schickt?

    0 wie blind wir sind, wenn wir etwas anderes verlangen, als was Gott will. Er allein kennt dieGefahren, die im Scho der Zukunft liegen. Er allein wei, welche Hilfe uns not tut. Ich bin

    berzeugt, wir wren alle verloren, wollte Gott unsern Wnschen stets willfahren. Deshalb, sosagt der hl. Augustin, erhrt Gott aus Barmherzigkeit und Mitleid mit unsrer Blindheit nichtimmer unsre Gebete, ja lt er oft das Gegenteil von dem eintreten, worum wir ihn bitten, weildieses Gegenteil fr uns ersprielicher ist.

    Die meisten Menschen kommen mir in diesem Leben wie arme Kranke vor, die im Fieberwahneben das verlangen, was ihren Tod herbeifhren mte. Infolgedessen verweigert man es ihnenaus lauter Liebe und vernnftigem Wohlwollen.

    O mein Gott, wrde diese Wahrheit doch einmal gut erkannt! Wie blindlings hingegeben bliebeman alsdann den Fgungen Deiner Vorsehung gegenber. Welcher Friede und welcheHerzensfreude erfllte unser Inneres! Nicht blo angesichts der uern Ereignisse, sondern auchhinsichtlich unsrer innern Seelenzustnde. Sogar wenn die peinlichen Wechselflle, die Gottzult, uns zur Strafe unsrer Untreue ereilen, sogar dann haben wir Gottes Fgung darin zuerblicken und sie demtig hinzunehmen. Es heit dann, die Fehler zu verabscheuen, aber sich denpeinlichen und demtigenden Folgen dieser Fehler fgen. So rt es der hl. Franz von Sales immerwieder.

    Ginge uns dieser Grundsatz in Fleisch und Blut ber, so wre mancher Verwirrung und nutzlosenUnruhe, die unsern Herzensfrieden und geistlichen Fortschritt hemmen, ein Riegel vorgestoen.

    Wird es mir mit Hilfe der Gnade denn nie gelingen, diesen erhabenen Glaubenspunkt Ihrem Geistund vor allem Ihrem Herzen einzuprgen? Diesen Glaubenspunkt, der so wohltuend, trostvoll,

    liebwert und beruhigend ist. Oft sollten wir wiederholen: O mein Gott, das geschehe mit mir, wasdu willst, nicht was ich will. Dein heiliger Wille erflle sich, der unendlich richtig in sich selberist und sich nur segensreich auf mich auswirken kann. Ich wei, solange deine Geschpfe deinenAnordnungen entsprechen, kannst du alles blo zu ihrem Besten wollen. So geschehe denn niewas ich will, auer es stimme mit deinem Wohlgefallen vollstndig berein. Andernfalls knntees mir ja nur zum Verderben gereichen. Aber stiee es mir, o mein Gott, aus Unwissenheit oderLeidenschaft je zu, da ich auf Plnen beharrte, die den deinen zuwiderlaufen, so la alles schiefgehen und strafe mich dafr; freilich nicht in Gerechtigkeit, sondern in Barmherzigkeit und groerLiebe.

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    Mag kommen was will, uerte der hl. Franz von Sales, es lebe Jesus; ich werde es immer mit dergttlichen Vorsehung halten, sollte sich menschliches Besserwissen dabei selbst die Haareausraufen. Wenn uns gttliches Licht durchflutet, denken wir ganz anders als dieDurchschnittsmenschen. Aber auch ein Friedensquell tut sich dann auf; wunderbare Kraft sprudeltaus solcher Denkweise.

    Wie glcklich sind da die Heiligen. Ruhig leben sie, wogegen wir uns blde struben, ihreAuffassungsweise anzunehmen. Lieber bleiben wir in der dichten Finsternis menschlicherAfterweisheit stecken, was uns unglcklich, blind und schuldbar macht. Suchen wir uns doch inallem dem heiligen Willen Gottes mglichst anzuschmiegen, ob sich unser Inneres noch so sehrstrubt. Sogar in diesem Struben heit es aber Gottes Fgung erblicken und sich ihr unterwerfen!Gott lt es zu, damit wir uns gewhnen, jederzeit und in allen Dingen in einem Opferzustand vorihm zu verharren. Vor ihm ehrfurchtsvoll anbetend, zunichte geworden, unterwrfig, liebend undvertrauensvoll hingegeben tiefinnerlich zu schweigen.

    7. BRIEF

    Gleicher Gegenstand

    An dieselbe ehrwrdige Schwester

    Ehrwrdige Schwester, es tut mir leid, da Ihr Kreuz fortdauert. Aber es tte mir noch weit mehrleid, wenn Sie keinen Nutzen daraus zu ziehen verstnden. Wenigstens indem Sie, wie man sagt,aus der Not eine Tugend machen.

    Erinnern Sie sich an unsre wichtigen Kernstze. 1. Nichts ist so geringfgig oder scheinbar sogleichgltig, ohne da Gott selber es will oder zultbis zum bloen Fallen eines Blattes. 2. Gottist hinreichend weise, gut, mchtig und barmherzig, die anscheinend unseligsten Ereignisse zuNutz und Frommen derer zu lenken, die seine gttlichen Zulassungen ausnahmslos anbeten undsie hinnehmen.

    Gibt es in unserm Glauben etwas Trstlicheres als diese beiden Kernstze? Besonders wenn mansich vor Augen hlt, da unser natrlicher Widerwille das Verdienst der Unterwerfung

    keineswegs schmlert, sondern im Gegenteil erhht, falls nmlich der hhere Teil der Seele sichaufrichtig Gott beugt. Vorausgesetzt ferner, da man sich bewut bleibt, da etwas Ungeduld oderblo halbfreiwilliger rger lediglich Unvollkommenheiten und Schwchen darstellen, die alssolche die Unterwerfung nicht aufheben, sondern blo allenfalls ihr Verdienst mindern.

    Oft gereichen uns derartige Unvollkommenheiten sogar zum Vorteil. Sie erhalten uns nmlichdemtig. Dadurch bewahren sie uns davor, durch Selbstgeflligkeit alles einzuben. Denken Siean das Wort VeneIons: Es bedeutet eine groe Gnade Gottes, nicht gro und tapfer, sonderngering und bescheiden leiden zu drfen: so wird man geduldig, klein und demtig zugleich.

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    Was das tiefe Leid angeht, von dem Sie mir berichten, fgen Sie es Ihrem Kreuze als Zutat bei,zugelassen von der gttlichen Vorsehung. Anstatt eines Fiat, eines: Es geschehe, sprechen Siederen zwei. Aber dann im hhern Teil der Seele in Frieden bleiben, mgen im niedern Teil nochso heftige Strme und Unwetter toben1. Der niedere Teil gleicht dem Fu der hohen Gebirge. Dakann es in Strmen regnen und heftig hageln; der Gipfel strahlt indes im Licht. Halten Sie sich

    also stets auf jenen einsamen Flhen auf. Dort sind Sie vor Blitz und Unheil sicher.1

    Was der Verfasser hier feine Seelenspitze (fine pointe de lme) nennt, bezeichnet er anderswo als den hhern Teilder Seele. Dasselbe heit in der Sprache der Mystik des deutschen Mittelalters: Seelenfnklein oder auchSeelengrund; in der spanischen Mystik: Seelensubstanz. Gemeint ist in all diesen Fllen die menschliche Seele,insofern sie geistig und unsterblich ist, zum Unterschied von derselben menschlichen Seele, insofern sie dasLebensprinzip unseres Leibes bildet. (Der Apostel Paulus verwendet fast im gleichen Sinn die Ausdrcke: Geistund Fleisch) Vielfach spricht man heute auch von Geist und Seele, was aber den irrigen Gedanken nahelegt, alsseien das zwei verschiedene Dinge, wogegen es sich nur um zwei Seiten ein und derselben geistigen Menschenseelehandelt. (Anmerkung des bersetzers)

    Wie mir scheint, achten Sie noch viel zu sehr auf das Geschpfliche. Ich versuche, mit Gottes

    Gnade, ihn allein in allen Geschehnissen zu entdecken. Von allen Dingen schwinge ich mich zuihm empor. Nur von ihm mchte ich abhngen. Da er uns selber unsern Kreuzigern ausliefert,sind wir in Wirklichkeit ihm ausgeliefert. Wei ich doch, da er es ist, der die Menschen zumHandeln bewegt oder ihnen zu handeln erlaubt. So will ich denn alles einzig aus seiner Handannehmen, blo ihm verpflichtet bleiben, meinen Dank lediglich an ihn richten.

    Htten Sie genugsam berlegt, wie wenig die Menschen zu den Geschehnissen beitragen, so wrees Ihnen klar geworden, da es im Grunde die gttliche Vorsehung ist, die alles anordnet; vorallem denen zu Nutz und Frommen, die sich ihr hingeben; da sie es ist, die alles zum Bestenlenkt. Gott kann die Umstnde und Verhltnisse nach Belieben modeln. Ob allem und in allem seier ewig gepriesen!

    Ich wei, manche halten meine Einstellung fr allzu primitiv. Was verschlgt es? Fr mich birgtdiese heilige Einfalt, die in den Augen der Welt ein Greuel ist, einen solchen Reiz, da ich garnicht daran denke, davon abzustehen. Jedem sein Weg. Ich achte die Klugen und Weisen;persnlich jedoch begnge ich mich, einer jener Armen, Einfltigen und Kleinen zu sein, dieChristus erwhnt, und nach ihm der hl. Franz von Sales.

    Seien wir berzeugt, Gott macht alles recht. Unser Kmmern, Hasten und Jagen malt unsSchwierigkeiten an die Wand, wo oft gar keine vorliegen. Folgen wir doch Schritt auf Tritt denFgungen der gttlichen Vorsehung. Haben wir erspht, was sie will, streben wir es an; nichtsweiter. Gott versteht viel besser als wir, was uns blinden Toren frommt. Nicht selten stammen

    Unglck und Not aus erfllten Wnschen.Wenn wir alles Gott berlassen, geht alles gut. Das einzige Mittel, unsre wahren Belangeunfehlbar zu frdern, liegt darin, Gott machen zu lassen. Ich sage: unsre wahren Belange, denn esgibt falsche, die zu unserm Unheil fhren.

    Die Hingabe an die gttliche Vorsehung, so wie ich sie auffasse und anrate, ist weder so heldhaftnoch so schwierig, wie Sie meinen. Und sie bildet die Achse eines dauerhaften Friedens. Sieverschafft uns eine unwandelbare Ruhe, die den rgerlichsten Vorkommnissen standhlt. Wiewohl lohnt einem Gott die kleinen Opfer, die man ihm zulieb bringt. Zudem kostet es uns mit

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    Ich beglckwnsche Euch schlielich von Herzen zur Freude, die Euch durch dieHundertjahrfeier Eurer Hausgrndung zuteil wird. Mehr jedoch darber, da Euer Haus niemandandern zum Grnder hat als die Armut unseres Herrn in seiner Krippe und das Vertrauen auf seinegttliche Vorsehung. Die Tugenden Eurer frommen ersten Schwestern bauten auf diesemkostbaren Fundament auf. Eure Tugenden werden es erhalten und vervollkommnen zum Lobe des

    Herrgotts, der allein dessen eigentlicher Besitzer ist.

    ZWEITER TEIL

    DIE TUGEND DER HINGABE AUF DAS LEBEN ANGEWANDT

    9. BRIEF

    Grundlagen und bung der Hingabe

    An Schwester MarieAntoinette de Mahnet, 1731

    Ehrwrdige Schwester, der Herr hat mir etwas Besseres fr Sie gegeben, als was Sie wnschten,etwas, woran Sie gar nicht dachten, nmlich einige allgemeine Verhaltungsregeln auf Lebenszeit,samt der leichtesten Art und Weise, sie in die Tat umzusetzen.

    1. Regel. Die Urkraft des gesamten geistlichen Lebens bildet der gute Wille, das heit dasaufrichtige Verlangen, Gott gnzlich anzugehren. Infolgedessen lt sich dieses fromme Wollengar nicht hufig genug erneuern, soll es tiefe Wurzeln schlagen und Blten und Frchte zeitigen.

    2. Regel. Der feste Wille, Gott anzugehren, mu in uns den Entschlu reifen lassen, nur Gott im Auge zu behalten. Das geschieht auf zwei Arten. Vorerst gewhne man sich, nie absichtlichGedanken nachzuhngen, die weder direkt noch indirekt Gott betreffen. Bei den allgemeinen und

    besondern Standespflichten ist das ja der Fall. Nutzlose Gedanken jedoch werden am bestenverjagt, nicht etwa, indem man gegen sie ankmpft oder gar sich von ihnen entmutigen lt: manlt sie einfach fallen wie einen Stein ins Meer. Mit der Zeit gelingt einem dieses Fallenlassenzusehends besser.

    Die zweite Art und Weise, Gott allein im Auge zu behalten, besteht in einer Art allgemeinerAbkehr von allen Dingen. Sie vollzieht sich, indem, wie erwhnt, die unntzen Gedankenaufgegeben werden. So verrinnen allmhlich ganze Tage, ohne da man scheinbar seinAugenmerk auf etwas Bestimmtes richtet, gerade als wre man ein Tor. Oft versetzt sogar Gottgewisse Seelen in diesen Zustand, der die geistliche Leere oder auch das Im~Nichts~Stehen heit.

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    Dieses Zunichtewerden unsres eignen Geistes ebnet dem Geist Jesu Christi wunderbar den Weg.Darin besteht der mystische Tod1 unsrer Eigenttigkeit. Er befhigt die Seele, die gttlichenEinwirkungen in sich aufzunehmen.

    1

    Das ganze geistliche Leben vollzieht sich in zwei groen Bewegungen. Der alte Adam mu ausgezogen werden undJesus Christus angezogen, um in der Sprache des hl. Paulus zu reden. Das erste nennen besonders die geistlichenSchriftsteller des 18. Jahrhunderts den mystischen Tod. Er geht in zwei Etappen vor sich. Zuerst mu unser ganzesInnenleben von jeder falschen Anhnglichkeit gelutert werden. Alsdann, was dem Menschen noch vielschmerzlicher fllt, durchsiebt Gott sogar das Erkenntnis- und Willensleben in dieser Hinsicht. berwiegt schon inder ersten Etappe allmhlich die besondere Wirksamkeit Gottes, dann erst recht bei der zweiten. Der Mensch erleidetbeide Luterungen. Daher der Ausdruck: mystisches, d.h. geheimnisvolles Absterben, mystischer Tod. (Anm. d.bersetzers)

    Diese groe geistige Leere hat oft eine andere im Gefolge, die noch peinlicher fr uns ist, dieLeere des Willens. Da geht einem scheinbar jede Empfindung ab fr Gott und die Welt. Allem

    steht man gleichermaen gefhllos gegenber. Auch hier schafft Gott oft selber diese Leere ingewissen Seelen. Diesem Zustand also nicht entrinnen wollen. Er legt den Grund zu denkostbarsten gttlichen Einwirkungen. Er bedeutet einen zweiten mystischen Tod. Ihm folgt eineherrliche Auferstehung zu einem ganz neuen Leben.

    Diese zweifache Leere, dieses doppelte, fr Eigenliebe und Hoffartsgeist so beraus harteZunichtewerden ist hochzuschtzen und zu lieben. Allmhlich sollte man darin mit einer heiligeninnern Freude verweilen.

    3. Regel. Lenken wir unsre gesamte Aufmerksamkeit darauf, Gottes heiligen Willen in seinemGesamtumfang zu erfllen. Alles brige ihm anheimstellen, so die Sorge um unser irdisches, jasogar um unser geistliches Wohl, z. B. unsern Fortschritt in der Tugend.

    Diese doppelte Hingabe nimmt folgendermaen Gestalt an. Was den ersten Punkt angeht, sollenwir bei jedem Wunsch, jeder Befrchtung, jedem Plan, der uns selbst, unsre Verwandten oderFreunde betrifft, zu Gott sprechen: Herr, ich opfere dir das auf, dir berlasse ich diese Erdensorge,mag geschehen, was dir behagt, was du willst. Da es jedoch Flle gibt, wo die Vernunft fordert,da man selber berlege und selber handle, sei es fr sich oder andere, weil man die Vorsehungnicht versuchen soll, gilt es dann zu sprechen: Herr, wenn ich bei dieser oder jener Gelegenheitberlegen oder handeln mu, fle mir doch zur rechten Zeit den Gedanken dazu ein. So werdeich nichts tun, auer auf deine Einsprechung hin; auch bin ich zum voraus mit Erfolg oderMierfolg einverstanden. Nach dieser Herzenserhebung alle Wnsche und Befrchtungen gleicheinem Stein versenken. Sich nicht mehr darum kmmern, berzeugt, da Gott zur rechten Zeit

    und am rechten Ort uns erleuchtet und uns gem seinem heiligen Willen vorgehen lt.

    Und nun zur bung der zweitgenannten Hingabe, derjenigen, die den eigenen geistlichenFortschritt angeht. Wir stoen da auf den heikelsten Punkt, wo fromme Seelen am hufigstenscheitern, den Kopf verlieren und auf Gottes Wegen zurckbleiben. Hier die schlichte bung, wiesieJesus Christus selber in einer Erscheinung der hl. Theresia von Avila geoffenbart hat: MeineTochter, so sprach er zu ihr, habe einzig im Sinn, mir zu gefallen, mich zu lieben und meinenWillen zu tun. So werde ich Sorge fr dein leibliches und seelisches Wohl tragen.

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    Um diese grundlegende Anweisung gut zu verstehen, stellen Sie sich vor, jemand trete in denDienst eines mchtigen Knigs, sagen wir Salomons, dem keiner an Gre, Weisheit und Gtegleichkme. Htte der betreffende Diener auch nur einen Deut von Edelsinn und Feingefhl,gesundem Menschenverstand und Geschick, so wrde er wohl etwa folgendermaen zu seinemHerrn sprechen: Herr, du bist mir als mchtiger, guter, freigebiger und gromtiger Frst bekannt.

    Deshalb stelle ich mich dir ganz anheim. Ich will dir dienen, ohne meinen Taglohn, Jahresgehaltoder auch nur die Endabfindung zu kennen. Ich verspreche dir, nur auf deine AngelegenheitenBedacht zu nehmen, die meinen berlasse ich ganz deiner Klugheit oder vielmehr deiner Gte unddeiner Gromut. Machen Sie sich diesen Vergleich oft zunutze, so drftig er ist, auf denerhabenen Herrn bezogen, dem wir dienen. Eins ist sicher: kann der genannte Herrscher sich vonkeinem seiner Diener an Gromut bertreffen lassen, so wird unser allmchtiger und unendlichguter Gott noch weit weniger zurckstehen wollen vor einem seiner gebrechlichen Geschpfe.

    Aus dieser Einsicht ergibt sich folgende bung:

    1. Verspre ich z. B. ein heftiges Verlangen nach der Gabe des Gebetes, nach Demut, Sanftmut,Gottesliebe, so sage ich mir: Warum so viel an mein Wohl denken? Mir obliegt es, mich schlicht

    und ruhig mit Gott zu befassen und zu erfllen, was er im Augenblick von mir verlangt. Das istmeine Aufgabe. Alles brige bleibt ihm berlassen. Ihn geht mein Fortschritt an; mir kommt eszu, mich unablssig mit Gott zu beschftigen seinen Anordnungen nachzuleben.

    2. Doch da steigt in einem der Gedanke auf: Du bist noch so unvollkommen, so voller Fehlerund Gebrechen, Untreue und Schwchen; wie lange wird es noch dauern, bis du davon frei bist?Alsogleich antworte ich: Mit Gottes Gnade hnge ich keineswegs an meinen Fehlern; vielmehrbin ich fest entschlossen, sie zu bekmpfen. Frei davon werde ich allerdings erst sein, wann esGott gefllt; ihm ist das anheimgestellt. Ich habe diese Fehler einfach zu hassen, sie zumPrellbock der Geduld, Bue und Demut zu machen, bis es Gott behagt, mich ber sie obsiegenzu lassen.

    3. Du bist dermaen blind, sage ich mir ferner, siehst deine Fehler gar nicht ein, wenn es gilt, sievor Gott zu beweinen und zu beichten. Ich entgegne: Ich mchte aber ernstlich meine Fehlerkennen. Also lebe ich nicht mehr in freiwilliger Zerstreutheit.

    Dann verwende man ganz ruhig etwas Zeit zur Gewissenserforschung. Das ist es, was Gott vonuns verlangt. Wenn er es fr gut findet, wird er uns spter mehr Licht und Einsicht geben; es istdas seine Sache. Ihm vertraute man ja seinen gesamten geistlichen Fortschritt an. Fr denAugenblick darf man sich also damit begngen, einige alltgliche Versehen anzuklagen, wie Gottsie einen erkennen lt, sowie eine Snde des frhern Lebens beizufgen1.

    1In der hl. Beicht nmlich, damit einwandfrei Stoff zur Lossprechung vorhanden sei. (Anm. des bersetzers)

    4. Doch, so sage ich mir weiter, habe ich in meinem Leben berhaupt je gut gebeichtet? Hat mirGott verziehen? Steht es um meinen Seelenzustand gut oder schlecht? Welchen Fortschritt habeich im Gebetsleben und auf Gottes Pfaden zu verzeichnen? Alsbald entgegne ich: Gott wollte mirall das verhllen. Ich soll mich blindlings seiner Barmherzigkeit ausliefern. So beuge ich michund bete seine Fgungen an. Nur was er will, wnsche ich zu kennen und wandle gern im

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    Finstern, in das er mich einhllen will. Er mu wissen, wo ich stehe. Lediglich mit ihm soll ichmich befassen, ihm dienen, ihn mglichst tief lieben. Fr alles brige wird er Sorge tragen; ichlege es in seine Hnde.

    5. Aber ich bitte ihn schon so lange um gewisse Gnaden! Die mchtigsten Frbitter, so dieallerseligste Jungfrau, den hl. Joseph, die heiligen Apostel, ja den ganzen Himmel rufe ich an:doch nichts vermag scheinbar Gott zu erweichen. Meine Antwort: Er ist der Herr; was immer erwill, geschehe in mir. Ich verlange nur so viel an Gnade, Verdienst und Vollkommenheit, als esGott behagt.

    Sein bloer Wille gengt mir. Dieser Wille wird mir immerfort als Richtschnur meines Tuns undLassens dienen.

    10. BRIEF

    Gesamtbersicht des geistlichen Ringens

    An Schwester MarieThrse de Viomnil, 1731

    Gott berlie den Menschen der eignen Entscheidung. Wenn du willst, kannst du die Gebotehalten, und Treue ben hngt von deiner freien Wahl ab. Er hat dir Feuer und Wasser vorgelegt ...

    Vor dem Menschen liegen Leben und Tod. Was er will, wird ihm gegeben. (Sirach 15, 1417)

    Mit diesen Worten gibt uns die Bibel zu verstehen, da der Mensch frei ist, da unser Heil davonabhngt, ob wir unsre Freiheit gut gebrauchen. Zwar krankt seit der Erbsnde die Freiheit zumGuten, wogegen sie zum Bsen erstarkt ist. Doch mit Hilfe der Gnade, die ja nie fehlt, liegt esimmer in unsrer Hand, die natrlicherweise recht schwache Freiheit zum Guten zu festigen, unddie unglcklicherweise berstarke Freiheit zum Bsen zu dmpfen.

    Zu drei Arten von Werten kann sich unsre Freiheit heute nur schwer und ber viele Hindernissehinweg aufschwingen: 1. Zum Wert, der wesentlich ist fr unser Heil, und dessen Unterlassungeine Todsnde bedeutet; 2. Zum Wert, der durch ein weniger strenges Gebot befohlen wird,

    dessen Unterlassung lliche Snde heit; 3. Zum Vollkommenen, dessen Unterlassungwenigstens unsere Verdienste schmlert.

    Alle Neigungen, die in uns den Entschlu zur wesentlichen Pflichterfllung lhmen, so Ha,Rachsucht, Zorn, ungeordnete Anhnglichkeit, Geiz, Neid usw., bilden ebenso viele Ursachenunseres geistlichen Ruins. hnliches gilt, mit dem ntigen Abstand, von Neigungen, die uns zullichen Snden und zu Unvollkommenheiten verleiten. Denn, wer sich aus kleinen Verstennichts macht, wird bald in groe fallen, sagt der Heilige Geist. Ja, erweist man sich beim Strebennach Vollkommenheit auch nur in einem einzigen Punkt als feige, wird man sie nie erreichen.

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    Anderseits bedeutet jeder Sieg, der unsern Willen zum Guten sthlt, eine Quelle derAuserwhlung und des Heiles.

    Unablssig mssen wir deshalb darauf bedacht sein, unsrer schwachen Freiheit zum Guten dasRckgrat zu strken, unsre Neigung zum Bsen dagegen zu drosseln. Damit das gelingt, stehenuns drei Mittel zur Verfgung.

    Erstens, Gott groe Opfer bringen. Edelmtig unsern Widerwillen gerade in dem berwinden,was uns am meisten kostet.

    Zweitens, all die kleinen, tglichen Opfer auf sich nehmen, die sich unablssig darbieten, undzwar mit unwandelbarer, groherziger und umfassender Treue.

    Das dritte Mittel, das groe, liegt im Gebet. Aber in einem demtigen, einfltigen, unter demEinflu des Heiligen Geistes vollzogenen Gebet. Er ist es ja, nach einem Wort des hl. Paulus, deruns beten lehrt, der in uns seufzt, in uns fleht mit unaussprechlichem Rufen und Seufzen. DerZllner bildet ein treffliches Beispiel dafr. Er betete in Schweigen und demtiger Zerknirschung.

    Den grten Sndern und unvollkommensten Seelen steht diese Gebets weise offen. Sie trgt sie,falls sie darin ausharren, aus abgrundtiefem Elend stufenweise empor zur hchsten Heiligkeit.

    11. BRIEF

    Erstes Wirken Gottes in der Seele

    An Madame de Lesen, 1731l

    Die erste Wirkung, die das Betrachten der Hauptwahrheiten in Ihnen hervorbringt, berraschtmich keineswegs. Ich danke vielmehr Gott dafr und beglckwnsche Sie darob. Sie hatten dieselebhaften Gefhle ntig, und ich glaube, sie sollten noch fortdauern, damit der Geist derZerknirschung und Demutin Ihnen wach wird, auf dem das Haus der Heiligkeit und die geistlicheKindheit grnden. Die Verwirrung, die mit diesen Gefhlen gepaart ging, war berflssig, odervielmehr, sie war unfreiwillig, aber vielleicht notwendig und eine Wirkung der gttlichen

    Gerechtigkeit. Sollten diese Gefhle wiederkehren, werden sie fortan gemigter ausfallen.

    Schon vor Ihrem letzten Brief wute ich, da Gott Ihnen groe Gnaden verliehen hatte. Ich fhlteauch, da Sie diesen Gnaden nicht genug entsprochen hatten. Und so begreife ich denn besser als je zuvor; 1. Da Ihre Seele einem groen Raume gleicht, der aber leer steht oder doch nur rechtungeschickt mbliert ist; 2. Da dieser Raum nie passend eingerichtet sein wird, um den Herrn zubeherbergen, falls dieser nicht selber die kostbaren Mbel herbeischafft und aufstellt, die sich freinen solchen Gast geziemen ; 3. Da Gott Ihre Seele nur im Schweigen und in geistiger Ruhe mitseinen Gaben bereichern wird.

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    Halten Sie also mit Hilfe der Gnade den Saal sauber gekehrt und rein. Im brigen lassen Sie dengewhren, der es bernahm, ihn gediegen auszustatten. Kmmern Sie sich nichtunangebrachterweise um eine Angelegenheit, wo Sie alles verderben knnten, wenn Sie sicheinmischten.

    Geschehen lassen! Hinhalten wie die Leinwand, die ein groer Meister bemalen will. Doch sichmit Mut wappnen, denn ich sehe voraus, es wird eine Zeitlang dauern, bis die Farben zerriebenund gemischt, bis sie aufgetragen und abgetnt sind. Sie tun genug, wenn Sie die Leinwand gutaufgespannt halten zwischen den beiden festen Sttzen, die da sind: Demut bis zur vollenSelbstverleugnung und Ganzhingabe bis zur Auflsung allen Eigenwillens im Willen Gottes.

    12. BRIEF

    Allgemeine Leitung

    An Schwester MarieTherese de Viomenil

    Ehrwrdige Schwester;

    1. berladen Sie sich nicht mit mndlichen Gebeten, auer den Pflichtgebeten. Widmen Sie sichmehr der innern Vervollkommnung und dem innern Gebet.

    2. Es ist wohl sehr ntzlich, den Fehlern durch einigeBubungen zuvorzukommen. Vorteilhafter jedoch, als seine Bubungen zum voraus ohne Not betrchtlich zu vermehren, ist es, diebegangenen Fehler getreu zu shnen.

    3. Migen Sie Ihr Empfinden Personen gegenber, die Ihnen teuer sind, und erheben Sie diesesEmpfinden ins bernatrliche.

    4. Bentzen Sie, um eifrig zu werden, das gute Beispiel und den Umgang geistlich gesinnterLeute, jedoch ohne andern gegenber irgendwelche Geringschtzung an den Tag zu legen oderihnen freiwillig abgeneigt zu sein.

    5. Nehmen Sie es nicht so schwer, wenn Ihnen die leidige Natur so viel zu schaffen macht. DerHimmel ist all diese Kmpfe wohl wert. Vielleicht endet das Ringen schon bald, und Sie trageneinen vollstndigen Sieg davon. Jedenfalls hrt alles einmal auf, und die Ruhe wird ewig whren.Bleiben Sie also in Frieden, und Ihre Demut sei stets mit Vertrauen gewrzt.

    6.Leibliche Schwchen sollen wir zur seelischen Strkung bentzen durch den Geist der Hingabean Gottes Willen und den Geist der Christusvereinigung.

    7. Bemhen Sie sich, Ihnen abzusterben, der Natur zu entsagen, bei jeder Gelegenheit

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    Sie an zu gewissen nutzbringenden frommen Gesprchen. Doch dann sich wieder in die heiligeSeelenburg zurckziehen, die nichts anderes ist als die Sammlung und das innere Schweigen unterden Augen des Vielgeliebten. In ihm allein und in dieser einfachen, wohltuenden Gottesruheschpfen Sie Licht, Mut, Kraft und Annehmlichkeit, Geduld, Demut, Ergebung, Frieden undHerzensruhe in Flle. Das alles wnsche ich Ihnen im hchsten Mae.

    Finsternis und Drre im Gebet sollen Ihnen keine Angst machen. Versteht man, sich Gott undseinem heiligen Willen zu beugen, indem man alles annimmt, was Gott behagt, so befindet mansich wohl dabei und hat alles. Darin besteht nach der hl. Theresia das vollkommenste Gebet unddie reinste Liebe.

    Sie taten gut daran, die Meinung des hochw. Paters N. einzuholen ber den Punkt, den Sieerwhnen. Ich schtze sein Urteil dermaen, da ich fehlzugehen glaubte, wre ich andererMeinung als er. Ich hielt immer dafr, da sich niemand ins Gebet der Sammlung eindrngen solloder kann, auer er sei dazu berufen. Ja, ich bin der Ansicht, diese Gnade sei durch keine gutenWerke zu verdienen, noch durch irgendwelche Anstrengungen zu erwerben. Nur habe ich mit P.Surin und andern Geistesmnnern beigefgt, mittelbar und in entfernter Weise vermge sich die

    Seele zum Empfang dieser kostbaren Himmelsgabe vorzubereiten. Dadurch nmlich, da sie dieHindernisse wegrumt. Das geschieht durch groe Reinheit 1. des Gewissens, 2. des Herzens, 3.des Geistes, 4. der Absicht. Nur so kommt eine Seele weit voran. Ferner glaube ich, da sich jemand auch unmittelbar auf besagte Gebetsstufe vorbereiten kann und soll, durch kleinewiederholteRuhepausen nmlich, wie um dem innern Geist das Ohr zu leihen und ihm Raum zuschaffen.

    Geben Sie das dem H. Pater N. zu lesen oder senden Sie ihm dieses Blatt, falls Sie ihn nicht baldsprechen knnen. Sagen Sie ihm, ich erachte es als seine Gewissenspflicht, alle, die er irregefhrtglaubt, in meinem Namen aufzuklren; er sei von mir damit betraut, denn ich wte sonst nicht,an wen mich wenden.

    Um in diesem Stcke jedoch mit der ntigen Umsicht und Klugheit vorzugehen, ersuche ich ihn, zwei Dinge zu beachten. Erstens, da er sich persnlich ber den angeblichen Mibrauchvergewissert, indem er sich selber Einblick in das Innenleben der betreffenden Person verschafft.Vom bloen Hrensagen lt sich ber eine rein innere Sache nicht richtig urteilen.

    Man mag einwenden, jene Seelen seien aber doch offensichtlich recht unvollkommen; sie trgenauffallende Fehler an sich. Darauf antworte ich, und das ist die zweite berlegung: Die Erfahrungin der Seelenfhrung lehrt, da Gott unter einem unvollkommenen uern oft groe innereTugend verbirgt, die er allein kennt. Deshalb glaube ich, da man bei diesen Seelen nicht ohneweiteres von Tuschung und Irrtum sprechen darf, wenn Anzeichen einer solchen Gebetsweise

    vorliegen. Um so weniger, als derlei Unvollkommenheiten und Fehler hufig stark vergrert undbertrieben werden, sei es aus mangelnder Nchstenliebe oder aus noch schlimmerenBeweggrnden.

    Ich erinnere mich, da die hl. Theresia berichtet, diese Gebetsweise sei bei ihr lange frverdchtig gehalten worden. Was sie aber fr bloe Tuschung und Einbildung halten lie, wareben der Umstand, da sogar die gewiegtesten Geistesmnner, die sie zu Rate zog, eine derartigeGebets gnade fr unvereinbar hielten mit ihrem sonstigen Verhalten. Sie liebte nmlich damalsnoch das Sprechzimmer, wollte mancherlei wissen, sehen und gesehen werden, sowie weltliche

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    richten, um dort nach Herzenslust die se Ruhe und den innern Frieden zu kosten.

    Sagen Sie ihr ferner, sie solle sich immer kurz prfen, wie ihr Gebet zu Beginn, in der Mitte undgegen Ende verlaufen sei. Nmlich; 1. wie ihre Sammlung ausgefallen; 2. ob sie zuunterschiedenen Gefhlen und Gedanken gefhrt, oder ob dieser se Schlaf derart tief war, dasie sich an nichts mehr erinnert; das wre dann am besten; 3. wie sie sich beim Verlassen diesesZustands fhlte, ob zum Beispiel tief gesammelt, voll Verlangen, gut zu leben, Gott alleinanzuhangen, um einzig diesem hochheiligen Herrn zu behagen.

    Seien wir berzeugt, Gott lt sich berall mhelos finden. Denen, die ihn von ganzem Herzensuchen, steht er unablssig nahe, mag seine gttliche Gegenwart auch nicht immer fhlbar sein.Befat man sich also mit nichts Geschaffenem mehr, so da es scheint, man denke berhaupt annichts Irdisches, ist unsre Seele, ohne es zu wissen, tatschlich doch mit Gott und in Gottbeschftigt.

    Der Grund davon liegt in folgendem: Gott ist das verborgene und unsichtbare Ziel, dem sich eingerades Herz unbewut mit allen Fibern zuwendet. Solange sich somit ein Mensch den

    Geschpfen nicht verschreibt, bleibt er seinem natrlichen Zielpunkt, Gott, treu. Je lnger er sonach Gott verlangt, um so mehr erstarkt aber dieses Verlangen. Schlielich wird es lebhaftempfunden und lodert liebend auf.

    Also liegt das wahre Verweilen in Gottes Gegenwart im Grunde in nichts anderem, als da manaller Geschpfe vergit und eine geheime Sehnsucht hegt, Gott zu finden. Das ist das gttlicheinnere und uere Schweigen, das derart wertvoll, wnschbar und vorteilhaft ist, ein irdischesParadies, wo die gottliebende Seele bereits einen Vorgeschmack der himmlischen Seligkeitkostet.

    16. BRIEF

    Die bung der Hingabe bei verschiedenen Seelenzustnden

    An Mutter LouiseFrancoise de Rosen, 1735

    Ehrwrdige Schwester, der Friede unseres HerrnJesus Christus sei mit Ihnen!

    Falls man dem innern Geiste lauscht und hingegeben lebt, bewahrt er uns dermaen sicher, daman selten irregeht. Dennoch lobe ich Ihre weise Vorsicht, sich zuweilen, in heiligem Mitrauengegen sich selber, beim DienerJesu Christi auszusprechen. Bei Ihnen hat Gott diese Demut derartbelohnt, da ich Ihnen beinahe nur mit der einen Bemerkung geantwortet htte: Alles geht gut,fahren Sie fort. Doch zu Ihrem Trost will ich hinzufgen, was mir Gott beim Wiederlesen IhresBriefes fr Sie eingibt.

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    Mich entzckt, was Sie schreiben: Ich rede nicht gern viel, schreibe nicht gern viel und lese nichtgern viel! Das allein schon verrt einen Geist, der sich fr gewhnlich in seinem Innern gut zubeschftigen wei. Ein groer Geistesmann sagt von Leuten dieser Art, sie seien, ohne zuarbeiten, doch voll beschftigt. Ein anderer nennt diese vorzgliche Seelenverfassung die heiligeMue, die heilige Arbeitslosigkeit, wo, scheinbar nichts tun, alles tun bedeutet, wo, scheinbar

    nichts sagen, alles sagen heit.1. Ich finde nur Gutes in den drei Seelenzustnden, die Sie abwechselnd erleben, demjenigen desGlaubens, demjenigen der wohltuenden Gefhle und demjenigen der Trostlosigkeit, soverschieden der Wert dieser drei Zustnde sein mag. Der erste ist am einfachsten und sichersten.Er begnstigt die Eigenliebe am wenigsten. Die zweite Seelenverfassung ist angenehmer,erheischt jedoch eine groe Losschlung von jedem Geschmack und Gefhl, sogar demgttlichen, um sich ganz rein und einfach, wie Fenelon sagt, Gott zu verschreiben. Der dritteZustand ist peinlich, ja oft sehr kreuzigend, aber er hat auch den grten Wert. Alles nmlich, wasdas Innere kreuzigt, macht es reiner, befhigt es infolgedessen zu einer immer engern Verbindungmit dem ganz lautern und heiligen Gott.

    2. Dank Gottes Gte verhalten Sie sich durchaus richtig in diesen drei seelischen Lagen. FahrenSie so fort. Allerdings drcken Sie sich in einer Weise aus, die jemanden, der diese Gebetsstufenicht kennt, befremden mte. Sie behaupten, nichts zu tun. Dennoch sind Sie immer irgendwiettig; sonst lge ja reiner Miggang vor. Ihre Seele ist jedoch so sachte ttig, da Ihnen dasinnere Zustimmen und Sich~Hingeben an den Einflu des Heiligen Geistes gar nicht zumBewutsein kommt.

    Je mehr sich dieser Einflu verstrkt, um so weniger ist Eigenttigkeit am Platze. Alsdann nurdem Einflu folgen und sich leise hinreien lassen, wie Sie sich trefflich ausdrcken.

    3. Ihr Benehmen bei Strmen und Erschtterungen ist ausgezeichnet. Unterwerfung, volle,

    rckhaltlose Hingabe! Sich damit zufriedenstellen, unbefriedigt zu bleiben, wenn es Gott sobehagt. Auf diese Weise kommen wir an einem Tag weiter voran als an hundert Tagen derTrstung und Sigkeit.

    O mein Gott, was ist doch das fr eine gute, schne und solide Einstellung! Machen Sie damitjedermann bekannt und ermahnen Sie oft die arme Schwester N. dazu. Eigentlich brauchte sie zurZeit nur diesen einen Rat. Dieser Rat, beharrlich befolgt, knnte aus ihr eine Heilige machen undlinderte all ihre Leiden. Noch ein Schritt in dieser heiligen bung, und Sie werden sie in Krzeganz verndert sehen und wie umgewandelt.

    4. Ihre persnliche vollstndige, unablssige und allgemeine Gotthingabe, in einem Gefhl des

    Vertrauens und der Vereinigung mit Jesus Christus, der immer den Willen seines Vaters tut, dasbildet das erhabenste und sicherste Mittel, um alles gelingen zu lassen. Bringen Sie diese Hingabeallen bei, besonders der armen Schwester, von der soeben die Rede war.

    5. Die Gnade und die Erleuchtung, kraft deren Sie das Begehren der Natur bekmpfen undbesiegen knnen, verdient sorgfltigste Pflege. Sie wird noch zunehmen, wenn Sie ihr sogar beider flchtigsten Gelegenheit aufmerksam und treu entsprechen. Verlangen Sie jedoch nie, selbstvon den ersten sinnlichen Regungen frei zu werden. Diese helfen Ihnen, die innere Demut zubewahren, die allen Tugenden Pate steht.

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    Geist der Selbstgengsamkeit und Kritikfr etwas Geringfgiges halten. In Wahrheit luft er derreligisen Einfalt stracks zuwider und hlt zahlreiche Seelen von den Wegen des innern Lebenszurck. Denn diese Wege kann nur betreten, wer vom Heiligen Geist darauf hingefhrt wird, dersich nur den Demtigen, Kleinen und Einfltigen mitteilt.

    10. Ihre tiefe, zarte, schlichte und beinahe unmerkliche Art, den verschiedenen Versuchungen zuwiderstehen, ist ein reines Gottesgeschenk. Bewahren Sie es. Solch schlichte Hinkehr zu Gottbertrifft bei weitem alle sonstwie gearteten Akte. Es lt sich das schwer erklren. Gott alleinmacht es der Seele verstndlich und gibt es ihr ein in der Schule des mitten im Herzen wohnendenHeiligen Geistes. Friedsame Zweifel, die nach einer Versuchung in uns aufsteigen, kommen vonkeuscher Befrchtung her. Man soll sie nicht abschtteln wollen. Unruhige Zweifel dagegenentspringen der Eigenliebe; sie mssen vertrieben und verachtet werden.

    brigens ist nichts leichter zu erkennen als ein unechtes Gebet des Glaubens und der einfachenSammlung. Man braucht sich nur an die unfehlbare Regel Jesu Christi zu erinnern, wonach derBaum an den Frchten erkannt wird. Jedes Gebet also, das das Herz neugestaltet, das uns sittlichbessert, das die Laster vermeiden und die evangelischen Tugenden beobachten lt, sowie zu den

    Standespflichten anhlt, ist ein gutes Gebet. Umgekehrt, jedes Gebet, das diese Frchte nichthervorbringt oder die umgekehrten zeitigt, ist ein schlechter Baum und ein irriges Gebet, wre esauch von Erscheinungen, Verzckungen und Scheinwundern begleitet. Glaube, Liebe, Demut, soheien die Wege, die uns zu Gott fhren. Alles, was uns auf diesen Wegen vorwrts bringt, ist unsheilsam. Alles, was uns von ihnen entfernt, ist uns schdlich. Darin liegt die sichere, unfehlbareund allen zugngliche Regel. Sie entlarvt jede Tuschung und bannt sie.

    Gren Sie herzlich von mir Ihre liebe Schwester. Richten Sie ihr aus, sie mge sich weiterhinvom innern Geiste fhren lassen. Sie verweile, wie es ja der Fall ist, in restloser Hingabe in GottesHand, ebenso zufrieden mit dem, was er gibt, wie mit dem, was er nimmt.Ja, zufrieden sogar mitdem scheinbaren Nichts, worin uns Gott stecken lt, wenn es ihm behagt. In dieser Einstellung

    beruht die gesamte Vollkommenheit und der wahre Fortschritt einer treuen Seele. Oh, wie erregtIhre Schwester Gottes Wohlgefallen, wenn sie ohne Unterla seinen Bruten von dieser heiligenHingabe spricht, die allein ein dauerhaftes Band zwischen ihnen und Gott schlingt.

    17. BRIEF

    Nach Einfalt streben

    An Schwester AnneMarguerite Boudet de la Belliere

    Ehrwrdige Schwester, die Art und Weise, wie Sie die kleinen Prfungen aus Gottes Handannehmen, gefllt ihm ungemein. Ich kann Ihnen ruhig versichern, da Ihr edelmtiger, aus Liebezu Gott gettigter Verzicht auf innere Sigkeit und innern Trost Ihnen deren Flle verschaffen

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    wird, wenn die Zeit dazu gekommen. Das wenige, das Sie nach Ihrer Angabe von meinerZusprche behalten haben, enthlt deren Kern; es kann Ihnen gengen.

    Gott sieht auf das Herz, und verlangt nur das Herz. Die Vollkommenheit liegt nicht in derVielheit der Akte, nicht einmal der innern Akte. Im Gegenteil, je weiter wir voranschreiten, umso weniger ermglicht es uns Gott, sie in groer Zahl zu erwecken. Er ldt uns vielmehr ein, inSchweigen und demtiger Sammlung vor ihm zu verharren. Folgen Sie diesem Antrieb derGnade. Begngen Sie sich, von Zeit zu Zeit ganz schlicht Glauben und Liebe zu erwecken, samtvoller Hingabe und kindlichem Vertrauen.

    In den mannigfachen innern und uern Wechselfllen sagen Sie stets von Herzen: Mein Gott, duwillst es, so will ich es auch ...; ich weise nichts, das aus deiner Vaterhand kommt, zurck; ichnehme alles an, unterwerfe mich allem. In diesem einzigen, aufrechterhaltenen oder vielmehrununterbrochenen Akt besteht unsre Vollkommenheit. So bleibt im Herzensgrund derSeelenfriede bewahrt, auch wenn mannigfache Verwirrung und gegenteilige Gefhle unsbewegen. Je mehr Sie diese heilige innere Einfalt bewahren, um so weiter kommen Sie voran,oder besser, um so weiter lt Gott Sie vorankommen.

    Erwarten Sie freilich nicht, Ihren Fortschritt bemessen zu knnen. Das ist schon deshalbunmglich, weil dieser Fortschritt weniger von Ihrer Ttigkeit als von Gottes Wirken in IhrerSeele abhngt. Darum ist ein Fortschritt so schwer feststellbar.

    Immerhin gebe ich Ihnen hier einige Anhaltspunkte, woran Sie in Zukunft das Ergebnis desEinflusses Gottes und Ihrer Herzensumwandlung erkennen knnen; 1. Eine heiligeGleichgltigkeit,ja eine Art Stumpfheit fr alle weltlichen Dinge; 2. Ein tiefer Seelenfriede, dennichts umwerfen kann, nicht einmal Ihre Fehler oder Unvollkommenheiten, geschweige denndiejenigen anderer; 3. Ein gewisses Geschmackfinden an Gott und gttlichen Dingen, eine ArtHunger und Durst nach Gerechtigkeit, d.h. Tugend, Frmmigkeit und allem Guten. So lebhaft

    dieser Hunger sich regt, haftet ihm doch keinerlei Unrast an. Er veranlat uns, alles zu wollen,was Gott will, aber nicht mehr; Gott zu lobpreisen, in geistlicher Armut wie in geistlichemReichtum.

    Erinnern Sie sich stets des gewichtigen Christuswortes: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, soknnt ihr nicht ins Himmelreich eingehen. Hten Sie sich also, diese Kindeseinfaltauch nur imgeringsten je zu verletzen. Wenig gekannt und wenig geschtzt, wiegt sie doch ungemein schwervor Gott. Suchen Sie in Ihrem Denken, Reden, Fhlen, in Ihrem ganzen Tun und Lassen immeraufrichtiger und schlichter zu werden.

    Es gibt Menschen, die gerade das Gegenteil anstreben, ja, sich eine Ehre daraus machen. Wie

    entfernt sind doch solche vom Reiche Gottes, da ihnen sogar das Fundament, die Demut, mangelt!Solange Sie sich ruhigen Geistes, gesammelt und gut eingestellt zum Innern Gebetanschickenund es so verlassen, wird es Ihnen immer auf die eine oder andere Weise ntzen. Ja, wenn SieGott am entferntesten whnen, steht er Ihnen am nchsten.

    Erwecken Sie beim innern Gebet nicht mglichst viele unterschiedliche Akte, sondern ganzwenige, und auch diese ganz sanft, mit grter Geistes und Herzensruhe und tiefer Gelassenheit.Auch im Laufe des Tages suchen Sie nicht krampfhaft vielerlei Akte zu erwecken, oder gar Eiferund Andacht dabei fhlen zu wollen. Verharren Sie fest, demtig und sanft in Frieden, ruhig und

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    vllig ergeben in der Leere des Geistes und des Willens. Diese Leere des Geistes ist es, die zurreinen Liebe und Gottvereinigung fhrt.

    18. BRIEF

    Hingabe bei Erkrankungen

    An Schwester MarieAntoinette de Mahuet, 1735

    Ehrwrdige Schwester, zwar handelt es sich bei Ihnen um keine schwere Erkrankung. Dennochbin ich sicher, da Sie dabei so viele andere gromtige Seelen nachahmen, die, selbst beigeringen Unplichkeiten, sich aufs Letzte gefat machen, um so Gelegenheit zu haben, Gottdesto grere Opfer zu bringen. Doch mu man nicht, um sein Leben opfern zu knnen, wirklicheinigermaen dazu bereit sein? Und Sie verspren so wenig Bereitschaft in sich, mchten Sieeinwenden. Setzen Sie dem einfach die Antwort der Seelen gegenber, von denen ich soebensprach. Bereit oder nicht, aufgelegt oder nicht, sind sie doch immer damit einverstanden, immergeneigt, den Willen Gottes zu erfllen. Ihr seliger Ordensvater Franz von Sales machtediesbezglich eine beachtenswerte und fr Seelen jeder Stufe sehr trostreiche Bemerkung.Denken wir uns, sagte er, den grten Snder der Welt. Beim Verscheiden bringt er Gottgromtig sein Leben zum Opfer und stellt sich gnzlich dem gttlichen Willen und Gottesgtiger Vorsehung anheim. Einen solchen knnte Gott nie verdammen, wie gro seineVerbrechen auch gewesen wren.

    Das ist auch meine Auffassung. Denn ein solches Opfer ist ein Akt vollkommener Liebe. Diesertilgt fr sich allein schon alle Snden, sogar ohne Beichte, gleich der Taufe und dem Martyrium.Erwecken wir also oft solche Liebesakte, und legen wir in Gottes Hnde was er uns geliehen:schenken konnte er es uns ja nicht. Da wir nach Christi Wort wieder zu Kindern werden mssen,ahmen wir das Verhalten von Kindern nach, denen der Vater, um ihre Veranlagung zu prfen,einige Spielsachen oder Sigkeiten zurckverlangt, die er ihnen gegeben. Frwahr, sie mtensehr tricht und eigensinnig sein, um nicht zu entgegnen: Lieber Vater, nimm was du willst, ichgebe dir alles. Denn was gibt das arme Kind im Grunde zurck, wem gehrt in Wirklichkeit,was es gibt! Dennoch ruft der Vater, gerhrt ob dieser Beweise der guten Veranlagung, aus: Du

    gutes und liebes Kind! Und er kt es und verdoppelt seine Gaben. So macht es uns gegenberder liebe Gott, wenn er uns Gelegenheit bietet, ihm einige Opfer zu bringen.

    19. BRIEF

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    Geduld mit den Mitmenschen und mit sich selber

    An Schwester MarieTherhe de Viomenil

    Ehrwrdige Schwester, eine groe Gnade empfing, wer das schlechte Betragen anderer mitansehen kann, ohne sich darber aufzuhalten:

    Ohne Verrgerung, Emprung oder Ungeduld zu verspren, ja sogar, ohne unsicher zu werden.Mssen Sie aus triftigen Grnden von einem derartigen Betragen sprechen, so wachen Sie berHerz und Zunge. Kein Wrtlein mge Ihnen entschlpfen, das Gott nicht gutheien knnte.Reden Sie brigens nur aus triftigen Grnden davon. Demtigen Sie sich dabei sanft und ganzallgemein, und bedauern Sie in Frieden Fehler, die Ihnen bei derartigen Reden etwa unterlaufenknnten.

    Bitten Sie Gott oft um groe Liebe und Umsicht. Doch dann ruhig bleiben, sich im heiligenVerlangen, ganz Gott anzugehren, zu erhalten suchen; mit Glauben, Vertrauen und Hingabebeten und vor allem: sich tief vor seiner gttlichen Majestt demtigen. Gott kommt es zu, dasWerk zu vollenden, das er in Ihnen begonnen hat. Niemand sonst vermchte damit zu Ende zukommen. Beachten Sie jedoch wohl: es braucht viele Opfer, bevor Gott unser Herz mit denunaussprechlichen Wonnen seiner reinen Liebe erfllt.

    Lechzen wir nach diesem Glck, erflehen wir es unablssig, erkaufen wir es durch gromtigeOpfer: kein Preis ist zu hoch dafr. Da unser Herz nun einmal ohne Liebe nicht leben kann, woanders, wenn nicht im Herzen Gottes, soll es diese Liebe schpfen, die allein seinen Hunger stillt.

    So trufle sie denn nieder, diese Gottesliebe, sie erflle unser Herz, halte es aufrecht, entflammees, verwandle es in sich selber. berlassen wir uns bedingungslos Gott, legen wir die Zgel in dieHnde der Vorsehung, bleiben wir einzig darauf bedacht, den Weg, den Gott uns von Ewigkeither vorgezeichnet hat und den wir gerade wandeln, ohne Abweichen zu verfolgen. Es lt sichendlos ber die Vorherbestimmung streiten, mit dem einzigen Ergebnis, das Heil in die Ferne zurcken. Eines ist ber jeden Zweifel erhaben: dadurch verwirklicht sich fr einen dieVorherbestimmung, da man dem Willen Gottes stndig nachlebt.

    20. BRIEF

    Sich selber ertragen

    An dieselbe ehrwrdige Schwester

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    Leben und Tod; Trstungen und Prfungen

    An Schwester MarieAntoinette de Mahnet, 1742

    Ich befinde mich also von neuem in Albi, in einem sehr milden Klima, mit vertrglichen Leutenzusammen, an denen ich nur einen Fehler zu rgen habe, da sie mich mit Aufmerksamkeitberhufen, dem die Zurckgezogenheit stets so teuer war. Die hufigen Einladungen, die mirzugehen, werden mir zu einem wahren Kreuz. Gott wird mir zwar ohne Zweifel noch manchandere Kreuze aufbrden, um meine Freude darber zu dmpfen, da ich mich schon zumviertenmal in einer Gegend befinde, die ich immer besonders liebte.

    Gott sei in allem gepriesen. Er pflanzt berall Kreuze auf, aber ich habe schon alles zum Opfergebracht; alle Unannehmlichkeiten zum voraus angenommen und aufgeopfert, die er mir senden

    will. Nimmt man sich eine solche Einstellung fest vor, erleichtert sie einem die Prfungen, diesich einstellen, und lt sie viel weniger fhlen, als man befrchtete. Jedenfalls bin ich beglckt,da zu sein, wo Gott mich dank einer einfachen Fgung seiner liebevollen Vorsehung haben will.

    Diese Vorsehung fhrt mich immerfort an der Hand. Ich sehe mich stndig von Gottes vterlicherAufmerksamkeit umgeben, was mein Vertrauen verdoppelt.

    Obwohl ich mich stets bester Gesundheit erfreue, fhle ich doch die Jahre im Laufschrittdahineilen und mich dem ewigen Zielpunkt nher bringen, wo wir alle einmal anlangen mssen.Zwar fllt dieser Gedanke der Natur hart. Doch wer ihn als heilsam betrachtet, wird allmhlichmit ihm vertraut. Auch eine widerliche Arznei verliert ja nach und nach ihre Herbheit, wenn manihre Heilkraft versprt.

    Dieser Tage bemerkte mir gegenber ein Freund, es komme ihm vor, wenn er altere gleich mir,verrinne die Zeit immer rascher, die Wochen wrden zu Tagen, die Monate zu Wochen, die Jahrezu Monaten. Mag sein. Doch was haben einige Jahre mehr oder weniger fr uns zu bedeuten,die wir solange weiterleben sollen, als Gott selbst weiterlebt? Die uns um 20 oder 30 Jahre, ja umein Jahrhundert vorangingen, und die uns in 20 oder 30 Jahren folgen werden, sind deshalb in deruferlosen Ewigkeit nicht weiter zurck, noch weiter voraus. Alle insgesamt werden sie glauben,stets gleicherweise am Ewigkeitsanfang zu stehen. O wie vermag dieser Gedanke die Mhsaldieses kurzen und klglichen Lebens zu versen und es uns durch Geduld heilsam zu machen!

    Etwas mehr oder weniger Leben, etwas mehr oder weniger Mhsal, was bedeutet das angesichts

    des ewigen Lebens, das wir erwarten, dem wir zueilen, dem wir unablssig entgegenfliegen, wowir fast schon angelangt sind. Besonders fr mich, der sich bereits am Ufer sieht und vor derEinschiffung. So mu ich mir denn mit dem hl. Franz von Sales und Pater Surin sagen, es sei Zeit,mein Bndel zu schnren.Das beste Gepck besteht aber in den Kreuzen, die wir liebend trugen,und in den groen Opfern, die wir dem Willen Gottes brachten. Beim Tod wird uns nichtsdermaen trsten wie unsre demtige Unterwerfung gegenber den verschiedenen Fgungen dergttlichen Vorsehung. Da wir uns unterworfen haben, trotz den spitzfindigen Einwnden derEigenliebe, die oft unter frmmster Maske und mit triftigsten Vorwnden arbeitete.

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    Wundern Sie sich also nicht, ehrwrdige Schwester, da Gott Sie zwingt, diese Hingabe zubettigen. Der Wellenschlag von Wohl und Weh, von Genesung und Krankheit, den er ber Siekommen lt, ist sehr geeignet, Sie in einer bestndigen Gottabhngigkeit zu erhalten. Erveranlat Sie, das verdienstlichste Vertrauen zu erwecken. Der fromme Gebrauch unsrer Mhsalelindert alles ungemein und macht sie uns beraus ersprielich. Recht ertragen, bedeutet all das ein

    groes Opfer, vergleichbar dem Opfer jener groherzigen Christen, die ihren Glauben auf demScheiterhaufen bekannten. Die Leiden des Lebens und die Peinen, die mit den einzelnenLebensstnden verbunden sind, bilden tatschlich Mrtyrer der Vorsehung, wie die Folterungender Tyrannen Mrtyrer des Glaubens machten.

    Ihren Vergleich finde ich sehr zutreffend. Ja, unser Leben gleicht dem Wstenzug der Israeliten.Tausend Prfungen und nur allzu verstndliche Strafen der gttlichen Gerechtigkeitdurchkreuzten ihn. Ahmen wir da die glubigen Israeliten nach, anerkennen wir, da Gott unsgerechterweise straft. Betrachten wir jede Trbsal, ob offenkundig oder verborgen, alsGotteswerk und nicht als von menschlicher Bosheit gezimmert.

    Gott wrde kein bel zulassen, sagt der hl. Augustin, wenn er nicht so mchtig und gut wre, es

    fr seine Auserwhlten zum besten lenken zu knnen. Bentzen wir also die zeitliche Trbsal, soentgehen wir der ewigen. So erwerben wir den Lohn, der dem Glauben und der Geduld verheienist. Die Zeit wird kommen, und sie ist schon nah, wo wir mit David sprechen werden: Wie sindwir froh, Herr, ob aller vergangenen und dermaen rasch vergangenen bel, deren Lohn nieschwindet!

    23. BRIEF

    Gleicher Gegenstand

    An dieselbe ehrwrdige Schwester, Nancy, 21. Februar 1735

    Ehrwrdige Schwester, in der Sakristei fand ich die Mitteilung vom Tod der Ib. Schwester AnnaKatharina von Preudhomme vor. Ich beklage die Verstorbene keineswegs; ich beneide sievielmehr um ihr Los. Sooft man den Tod ins Auge blickt, mu sich zum Erschrecken das

    Vertrauen gesellen. Doch dieses soll vorherrschen.

    Vertrauen,ja das ist es, was Schwester N. braucht.

    Ich verweise Sie in diesem Stck auf den Brief von Schwester Pauline, die nach IhremGestndnis sich nicht mehr ngstigt wegen der Gnaden, die im Leben und besonders in derTodesstunde ntig sind. Sie will sich nun Gott berlassen; der Name Vater flt ihr Vertrauen undHingabe ein. Kann man keine Hingabe fhlen, so gilt es dennoch, sich Gott anheimzustellen. Dienicht gefhlte Hingabe ist noch wertvoller; denn sie bedeutet ein greres Opfer.

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    Der Brief Schwester Paulines dient mir zur geistlichen Lesung. Nachdem ich ihn beantwortethabe, kommt es mir vor, ich verstehe und verkoste gewisse tiefinnere und schwierige Punkte nochbesser. So wenig wie bei krperlichem Darben und Elend liebe ich bei geistiger Entbehrung einunruhiges Haschen nach Erleichterung.Nur wer mit sich selber zu viel Mitleid hat, handelt so. Ichwill starke und mutige Seelen haben, die tapfer die scheinbare Abwesenheit des gttlichen

    Brutigams ertragen. Er entfernt sich ja immer nur scheinbar. Er will uns von allem Sinnflligen,auch dem religisen Sinnflligen, losschlen. Die Gaben Gottes sind nicht Gott. Er allein ist alles,gilt alles und mu uns alles bedeuten.

    bermigeBefrchtungen tauchen auf, wo es an Vertrauen und Hingabe mangelt. Deshalb habeich Schwester N. auf diesen Punkt bei Schwester Pauline aufmerksam gemacht. Gott will siedermaen in der Armut das gilt brigens auch von Ihnen , da er mir nichts fr Euch eingibt.Doch hoffe ich, da Ihr aus einem ziemlich umfangreichen Brief Nutzen ziehen werdet, den ichheute morgen an jemand sandte, mit der Bitte, ihn abzuschreiben und mir die Urschrift zu weitererVerwendung zuzustellen. Dabei lie mich Gott ausgerechnet an Schwester N. denken. Imbrigen lasse ich alle Schwestern recht herzlich in Gott gren. Besonders auch SchwesterMarianna Theresia und vor allem und in Ehrfurcht Ihre ehrwrdige Mutter,L. F. de Rosen.

    DRITTER TEIL

    HINDERNISSE DER GOTTHINGABE

    24. BRIEF

    Eitelkeitsgefhle ; Hufige Untreue

    An Schwester M.Therese de Viomenil

    Ehrwrdige Schwester und treue Tochter im Herrn; der Friede Christi sei immer mit Ihnen!Sie sollen wissen, da Gott Sie erst dann von der Eitelkeitbefreien wird, nachdem er Sie rechtgrndlich hat fhlen lassen, was fr eine widerliche Eigenschaft das ist. Sie sollen ferner davondurchdrungen werden, da Sie unfhig sind, aus eigener Kraft davon zu genesen. Die ganze Ehreder Heilung mu Gott zufallen. So bleiben Ihnen denn in dieser Hinsicht nur zwei Dinge zu tun.Erstens, ruhig der Eigenliebe ins hliche Gesicht zu blicken. Zweitens, in Frieden zu hoffen undvon Gott allein den vorgesehenen Zeitpunkt Ihrer Heilung zu erwarten. Sie werden keine Ruhefinden, solange Sie nicht gelernt haben auszuscheiden, was von Gott kommt, und was von Ihnen

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    herrhrt; zu trennen, was Gott gehrt, und was Ihren Anteil bildet.

    Sie fragen mich, ob ich Ihnen den geheimnisvollen Weg dazu nicht zeigen knne. Sie wissen dagar nicht, was Sie sagen. Ich kann Ihnen den Weg wohl zeigen, aber ihn gehen knnen Sie erst,nachdem Sie in Frieden all Ihr Elend ausgekostet haben. Ich sage, in Frieden, damit denWirkungen der Gnade Raum gelassen sei. Denken Sie an das Wort des hl. Franz von Sales: Manzieht die Vollkommenheit nicht an wie man ein Kleid anzieht.

    Der geheimnisvolle Weg aber, den ich Ihnen weisen soll, verluft, rein erkenntnismig,folgendermaen. Merken Sie es sich wohl, um sich allmhlich davon zu durchdringen, so wie Siees wnschen.

    1. Alles Gute in Ihnen kommt von Gott her; alles Schlechte und Verdorbene stammt aus Ihnen.Setzen Sie also auf die eine Seite das Nichts, die Snde, die bsen Neigungen und blenGewohnheiten, eine Unsumme an Elend und Schwche, so haben Sie Ihren Beitrag. Alles brige,der Leib mit seinen Sinnesvermgen, die Seele mit ihren Krften, sowie das wenige Gute, dasgeschah, stellt Gottes Anteil dar. Dieser gehrt ihm so voll und ganz an, da Sie nicht das

    geringste davon durch das kleinste Selbstgefallen an sich ziehen knnten, ohne Gott zu bestehlen.Was Sie innerlich oft wiederholen: Herr, hab Mitleid mit mir, du kannst alles, ist am besten undeinfachsten. Mehr braucht es nicht, um Gottes mchtige Hilfe herabzuziehen. Behalten Sie dieseGepflogenheit und innere Einstellung bei. Gott wird das seinige tun, ohne da Sie es merken.

    2. Ich bin fest berzeugt, da Gott durch sein heiliges Wirken vieles in Ihnen zustande bringenwird, auer Sie seien ihm bedeutend untreu. Zhlen Sie darauf und legen Sie ihm keine freiwilligen Hindernisse in den Weg. Mten Sie aber wahrnehmen, da Sie es leider doch tun,demtigen Sie sich alsbald, kehren Sie zurck zu Gott und zu Ihnen selbst; doch immer vollVertrauen auf seine gttliche Gte.

    3. Lebhaft davon durchdrungen sein, wie armselig man ist und wie unablssig wir der HilfeGottes bedrfen, ist eine groe Gnade. Sie bereitet auf alle mglichen andern Gnaden vor,besonders aber auf das Gott so wohlgefllige Gebet der Demut und des Zunichtewerdens vor ihm.

    4. Sie sehen die Gnadenwirkungen in Ihrer Seele nicht so ein wie ich. Wrden Sie sie kennen,wren Sie darber hocherfreut. Doch Ihrer Schwche und geringen Tugend halber sind Sie nochauerstande, diese Erkenntnis zu ertragen. Die Gnadenwirkung mu noch verborgen bleiben undwie begraben im Haufen Ihrer Unzulnglichkeit und im schmerzlichen Bewutsein IhrerSchwche.

    Unter diesem Dngerhaufen bewahrt Gott seine Gnadenfrchte. Denn so abgrundtief ist unserElend, da wir Gott ntigen, uns die Gaben und den Reichtum zu verhllen, den er uns mitteilt.Sonst knnte ein Hauch Eitelkeit und ein Windsto von Selbstgengen die Blten und Frchtevernichten. Sobald Sie reif sein werden, deren Anblick zu ertragen, ohne Gefahr zu laufen, sichdaran zu weiden, wird Gott Ihnen die Augen ffnen. Dann werden Sie Gott, ohne noch irgendwiedas liebe Ich einzuschmuggeln, loben und preisen. Alle Ehre ber Ihre Befreiung zollen Sie dannIhrem gttlichen Befreier.

    Inzwischen folgen Sie der gegenwrtigen Leitung seines Hl. Geistes. Seien Sie nicht verrgert inIhrem Innern. Sie mgen wissen, da in allem, was Sie zur Zeit empfinden, keinerlei Sndevorliegt. Denn Sie leiden ja darunter und wren nur allzu glcklich, diese leidigen Spuren Ihrer

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    Sinnlichkeit tilgen zu knnen. Verharren Sie in diesem frommen Verlangen. Beten Sie darum inGeduld. Und besonders: demtigen Sie sich vor Gott. Ihm kommt es zu, das Werk zu vollenden,das er in Ihnen begonnen hat. Kein anderer vermchte es. Darin besteht das schwere Opfer, dasGott von Ihnen verlangt, bevor er Ihr Herz mit den unaussprechlichen Wonnen seiner reinenLiebe erfllt. Erst wenn diese barmherzige Absicht verwirklicht ist, werden Sie Ruhe finden. Ihr

    Herz kann ja nicht leben ohne Liebe. Beten wir also, auf da dieser Liebesdurst durch die bloeGottesliebe gestillt werde; da Gott und Gott allein es sei, der unser Herz beglckt, esaufrechterhlt, besitzt, entzckt und begeistert.

    5. Die Flut an Elend und Verderbnis, worin Gott Sie mit scheinbarer Freude eingetaucht sieht,bedeutet meines Erachtens die Gnade der Gnaden. Sie bildet die wahre Grundlage jedenMitrauens auf sich selber und des restlosen Gottvertrauens, dieser beiden Pole des Innenlebens.Wenigstens besteht in diesem Sich~eingetaucht~sehen diejenige Gnade, die ich allen andernvorziehe und in den fortgeschrittensten Seelen am hufigsten wahrnehme. Was Sie dabei von sichdenken, ist zwar schrecklich, aber doch sehr wahr und wohlbegrndet. berliee Gott Sie sichselber, wren Sie ein Knuel alles Bsen und ein Ungetm an Bosheit. Gott enthllt diese tiefeWahrheit allerdings nur wenigen Seelen. Nur wenige sind nmlich imstande, sie richtig zuertragen, das heit, im Frieden und Vertrauen auf Gott allein, ohne verwirrt oder entmutigt zuwerden.

    6. Gegenber der hufigen Untreue gibt es kein anderes Heilmittel, als darber betrbt zu sein,sich ruhig zu demtigen und mglichst bald zu Gott zurckzukehren. Unser Lebtag werden wirsolche Leiden und Demtigungen zu ertragen haben, weil wir immer wieder undankbar unduntreu sind. Doch bedeutet es schon viel, wenn blo die Schwche unsrer Natur im Spiele ist,ohne da unser Herz daran hngt. Gott kennt ja unsre Schwche; er kennt unser Elend; er wei,wie unmglich es uns ist, jeder Untreue auszuweichen. Ja er sieht, da es fr uns wichtig ist, unsin diesem klglichen Zustand zu befinden. Sonst knnten wir das unablssige Aufwallen vonStolz, Vermessenheit und geheimem Selbstvertrauen gar nicht niederhalten.

    Also nie sich entmutigen lassen, mag auch der wiederholt gefate Entschlu, Gott anzugehren,immer wieder in Brche gehen. Bentzen Sie vielmehr die stndige Erfahrung, um immer tiefer inden Abgrund Ihres Nichts und Ihrer Verderbtheit hinabzusteigen. Lernen Sie daraus, sich gnzlichzu mitrauen, um auf Gott allein zu hoffen. Wiederholen Sie oft: Herr, ich werde nichts zustandebringen, auer du vollbringst es.

    Durch traurige Erfahrungen belehrt, zhle ich lediglich auf die Allmacht deiner Gnade. Jeunwrdiger ich mich ihrer erachte, desto fester hoffe ich. Meine Unwrdigkeit wird deinErbarmen um so deutlicher zum Vorschein bringen. Im Gottvertrauen knnen Sie es gar niebertreiben. Eine grenzenlose Gte und Barmherzigkeit mu ihr Echo in einem grenzenlosen

    Vertrauen finden.

    7. Es ist ein Tuschungsmanver der Eigenliebe, unmerklich und fein, da man erfahren mchte,wie weit man im mystischen Tod schon gekommen ist1, angeblich, um sich dabei richtig zuverhalten und das Absterben grndlicher geschehen zu lassen. Sie werden das nie erfahren inIhrem Leben. Es wre auch gar nicht gut fr Sie. Denn angenommen sogar, eine Seele sei sichbereits gnzlich abgestorben, so liefe sie Gefahr, es nicht mehr zu sein, sobald sie darum wte.Fr die Eigenliebe wre eine solche Gewiheit ein derartiger Leckerbissen, da sie von neuem ihrHaupt erhbe und ein neues Leben fhrte, verschlagener und schwerer ausrottbar als das frhere.

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    O Gott, wie schlau benimmt sich doch diese leidige Eigenliebe! Sie verkriecht sich gleich einerSchlange. Und nur allzuoft gelingt es ihr, mitten im leidvollsten Absterben doch am Leben zubleiben. Von allen Tuschungen ist keine schwerer zu erkennen als diese. Verabscheuen Sie dieverruchte Eigenliebe. Aber zugleich sollen Sie wissen, da sie trotz aller Anstrengungen erst mitdem letzten Atemzug endgltig verblat.

    1 Das ganze geistliche Leben vollzieht sich in zwei groen Bewegungen. Der alte Adam mu ausgezogen werdenund Jesus Christus angezogen, um in der Sprache des hl. Paulus zu reden. Das erste nennen besonders diegeistlichen Schriftsteller des 18.Jahrhunderts den mystischen Tod. Er geh t in zwei Etappen vor sich. Zuerst muunser ganzes Innenleben von jeder falschen Anhnglichkeit gelutert werden. Alsdann, was dem Menschen noch vielschmerzlicher fllt, durchsiebt Gott sogar das Erkenntnis und Willensleben in dieser Hinsicht. berwiegt schon inder ersten Etappe allmhlich die besondere Wirksamkeit Gottes, dann erst recht bei der zweiten. Der Mensch erleidetbeide Luterungen. Daher der Ausdruck: mystisches, d. h. geheimnisvolles Absterben, mystischer Tod. (Anm. d.bersetzers)

    8. Nun zum Eindruck, den Gottes Heiligkeitauf Sie macht. Da Sie dermaen beschmt und fast

    erdrckt davon sind, stellt meines Erachtens eine groe Gnade dar, kostbarer und solider als dievorangegangenen Trstungen. Ich kann nur wnschen, dieser Zustand mge fortdauern.Widerstehen Sie also nicht lassen Sie sich erniedrigen, demtigen und zunichte machen. Nichtsvermchte Ihre Seele nachhaltiger zu lutern. Zur hl. Kommunion knnten Sie keine Einstellungmitbringen, die mehr dem ErniedrigungszustandJesu Christi in diesem Geheimnis entsprche. Erwird Sie nicht abweisen knnen, wenn Sie ihm, klein geworden und wie vernichtet, imAschengewand Ihres Elends nahetreten.

    Fehlt einem der Antrieb und die Gelegenheit, seinInneres zu erffnen, obwohl man um die Gnadedazu gebeten hat, verharre man einfach in Frieden und Schweigen. Da Sie sich entmutigenlassen, verrt wenig reine Absicht und stellt eine sehr gefhrliche Versuchung dar. Man soll ja den

    seelischen Fortschritt nur wollen, um Gott zu gefallen, nicht sich selbst zulieb. Also heit es, sichimmer mehr mit dem zufrieden zu stellen, was Gott will oder zult. Sein heiliger Wille alleinmu sogar unsere frmmsten Wnsche regeln und begrenzen.

    Man bilde sich brigens nicht ein, je einen Zustand zu erreichen, wo man mit sich selberzufrieden sein wird. Das wre auch gar nicht gut. Das sicherste Anzeichen dafr, da wirFortschritte machen, liegt darin, von seinem Elend durchdrungen zu sein. Wir sind um so reicher, je rmer wir uns vorkommen und je mehr wir innerlich klein, mitrauisch gegen uns selbst undbereit sind, einzig auf Gott zu bauen. Eben diese Gnade teilt Ihnen Gott nun allmhlich mit. Alsofort mit aller Unruhe und Niedergeschlagenheit!Jeden Tag sich von neuem sagen: Heute fang ichan.

    Sie haben eine ausgezeichnete bung angenommen, indem Sie Ihre Ansicht nicht mehrdurchdrcken wollen und sich tadeln und kritisieren lassen, auch wo Sie guteEntschuldigungsgrnde zu haben glauben. Sie bringen, wie Sie sagen, Ihren guten Namen zumOpfer. Sie schweigen still, obwohl Sie bisher der Meinung waren, es diene zur Erbauung, sich zuverteidigen, falls etwas Unrichtiges vorgebracht wurde.

    Hier meine Antwort. Tadel und ungerechte Vorwrfe jeder Art stillschweigend hinnehmen, ohneauch nur ein Wort zu seiner Rechtfertigung vorzubringen, unter welchem Vorwand es sei, dasentspricht dem Geist des Evangeliums und dem Beispiel Christi und seiner Heiligen. Ihre

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    gegenteilige Ansicht war bloe Tuschung. Bleiben Sie also bei dieser neuen, gottfrmigenEinstellung.

    Mit Recht bemerken Sie, da wir einen naturhaften Verderbnisherd mit uns herumtragen. Erkommt Ihnen wie ein schlammiges und verseuchtes Wasser vor, dem ein unertrglicher Geruchentsteigt, sobald man darin herumrhrt. So ist es tatschlich. Gott erweist Ihnen eine groeGnade, wenn er es Ihnen zum Bewutsein bringt. Diesem Bewutsein entspringen dann nach undnach ein heiliger Ha und ein vollstndiges Mitrauen sich selber gegenber. Und in diesemBewutsein besteht hauptschlich die wahre Demut.

    25. BRIEF

    Innere Verwirrung, freiwillig aufrechterhalten; Schwche

    An Schwester CharlotteElisabeth Bourcier de Monthureux, 1735

    Ehrwrdige Schwester, in den letzten Tagen hatte ich nach der nhern Umgebung und nach ganzFrankreich so viele Briefe zu schreiben, da ich nicht dazukam, Ihre lange Denkschrift zu lesen.Offen gestanden, kam sie mir auch recht unntz vor. Denn Gott gab mir die Gnade, IhrenSeelenzustand auch ohne diese Lesung zu durchschauen. Immerhin durchging ich dieHauptpunkte, die Sie besonders angestrichen hatten. Ich wurde dabei in der berzeugung

    bestrkt, die ich Ihnen gegenber schon lange hatte.

    So gestatten Sie denn, ehrwrdige Schwester, da ich die Linie der bisherigen Leitung unverrcktbeibehalte. Es ist Ihnen wohl bekommen damit. Warum wollten Sie sich nun durch des TeufelsArglist davon abspenstig machen lassen? Ich rede da nicht ins Blaue, sondern wei genau, was ichsage. Glauben Sie mir also, und beweisen Sie mir durch Ihre Fgsamkeit, da das Vertrauen, mitdem Sie mich beehren, nicht bloer Schein ist.

    Wenn Sie wirklich guten Willen haben, sowie aufrichtig und fest entschlossen sind, Gottanzugehren, mssen Sie alles daran setzen, um den Innern Frieden zu bewahren. Sonst wrdedas Engelwort Lgen gestraft: Friede den Menschen, die guten Willens sind. Doch machen Sie

    sich gefat da