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Sharon Begley

Neue Gedanken –neues Gehirn

Die Wissenschaft der Neuroplastizität beweist, wie unser

Bewusstsein das Gehirn verändert

Aus dem Englischen von Burkhard Hickisch

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Inhalt

Geleitwort des Dalai Lamas . . . . . . . . . . . . . . . . . . IXVorwort (Daniel Goleman). . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV

Kapitel 1Können wir uns verändern? . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Das überholte Dogma vom fest verdrahteten Gehirn

Kapitel 2Der verzauberte Webstuhl: . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Die Entdeckung der Neuroplastizität

Kapitel 3Frische Zellen für alte Gehirne: . . . . . . . . . . . . . . . 83Die Neurogenese

Kapitel 4Ein Kind soll sie führen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126Neuroplastizität im kindlichen Gehirn

Kapitel 5Fußabdrücke im Gehirn: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193Sinnliche Erfahrungen formen die Gehirnstruktur beim Erwachsenen

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Kapitel 6Der Geist beeinfl usst die Materie: . . . . . . . . . . . . . 232Mentale Aktivität verändert das Gehirn

Kapitel 7Natur oder Kultur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287Wie man Gene im Gehirn aktiviert

Kapitel 8Hat Mama Schuld? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324Neuverdrahtung des Gehirns zur Entfaltung von Mitgefühl

Kapitel 9Die Transformation des emotionalen Geistes: . . . . . 379Gibt es einen »Sollwert« des Glücks?

Kapitel 10Wie geht es weiter?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457Über das »Mind and Life«-Institut (Adam Engle) . . . 458Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471Über die Autorin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486

InhaltVI

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Geleitwort des Dalai Lamas

Schon fast zwanzig Jahre sind vergangen, seit die erste »Mind and Life«-Konferenz in Dharamsala stattgefunden hat. Einige Persönlichkeiten, die maßgeblich am Zustande-kommen dieses Dialogs zwischen dem Buddhismus und der modernen Wissenschaft beteiligt waren, wie Robert Li vingston und Francesco Varela, weilen inzwischen nicht mehr unter uns. Dennoch bin ich mir sicher, dass sie ihre Begeisterung mit den herausragenden Wissenschaftlern, Meditationsmeistern, Mönchen und anderen Teilnehmern an diesen Konferenzen teilen und stolz auf das sind, was bislang durch unsere Gespräche erreicht worden ist.

Obgleich die moderne Wissenschaft und die Tradition der buddhistischen Meditationspraxis sehr verschiedene historische, kulturelle und intellektuelle Ursprünge haben, verfügen beide auch über viele Gemeinsamkeiten. Auf die eine oder andere Weise haben beide Traditionen das Ziel, dem Menschen das Leben zu erleichtern. Beide leh-nen die Vorstellung absoluter Gegebenheiten ab, sei es als Existenz eines transzendenten Schöpfers oder einer unveränderbaren Seele, und befassen sich stattdessen mit dem realen Leben und den natürlichen Gesetzen von Ur-sache und Wirkung. Beide Traditionen gehen empirisch an das Wissen heran. Ein grundlegendes buddhistisches Prinzip besagt, dass der menschliche Geist ein ungeheu -res Potenzial zur Transformation hat. Im Gegensatz dazu war die Wissenschaft bis vor Kurzem noch der Meinung,

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dass der Geist seinen Sitz und Ursprung im Gehirn hat, das seine Struktur in der frühen Kindheit erhält und sich hinterher nur noch wenig verändert.

Praktizierende Buddhisten, die damit vertraut sind, wie der Geist funktioniert, wissen schon seit Langem, dass er durch Training transformiert werden kann. Neu und auf-regend ist, dass Wissenschaftler nun herausgefunden ha-ben, dass geistiges Training auch das Gehirn verändern kann. Das Gehirn entwickelt sich in Reaktion auf wieder-holte Aktivitätsmuster, sodass seine Form tatsächlich ein Ausdruck des Lebens ist, das wir führen. Dies hat weit-reichende Konsequenzen für die Auswirkungen unserer alltäglichen Gewohnheiten auf unser Leben, zeigt aber auch das positive Potenzial von Disziplin und spiritueller Praxis. Der Beweis, dass wichtige Gehirnabschnitte, wie zum Beispiel die Sehrinde, ihre Funktionsweise bestimm-ten Lebensumständen anpassen können, offenbart eine erstaunliche Formbarkeit, die nicht für möglich gehalten wurde, solange man die Gehirnaktivität rein mechanis-tisch interpretierte.

Forschungsergebnisse, die zeigen, dass das Ausmaß müt terlicher Liebe und körperlichen Kontakts mit dem Kind verschiedene genetische Reaktionen hervorrufen kann, machen deutlich, welche Bedeutung die Kinder-erziehung hat, wenn wir eine harmonische Gesellschaft schaffen wollen. Auf der anderen Seite ist es sehr ermuti-gend zu wissen, dass therapeutische Methoden denjeni-gen Menschen helfen können, die aufgrund von Vernach-lässigung in der Kindheit Schwierigkeiten damit haben, Wärme und Mitgefühl für ihre Mitmenschen zu empfi n-den. Wenn darüber berichtet wird, dass die normale Funk-tion durch Therapie wiederhergestellt werden kann, dann

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handelt es sich um aufregende, innovative Entdeckun -gen. Auch gibt es inzwischen eine positive Antwort auf eine Frage, mit der ich mich schon seit Jahren beschäf-tige. For scher haben nämlich herausgefunden, dass das, was die Menschen denken, tatsächlich ihr Gehirn verän-dert.

Wie viele Leser vielleicht wissen, interessiere ich mich nicht nur für die Wissenschaft, sondern bin auch ein leidenschaftlicher Gärtner. Aber die Gartenarbeit ist von vielen Faktoren abhängig. Man kann viel Zeit darauf ver-wenden, den Boden vorzubereiten, behutsam die Samen in die Erde zu bringen, sie regelmäßig zu gießen und ihr Wachstum zu beobachten. Und doch gibt es Einfl üsse, die wir nicht kontrollieren können, besonders nicht an einem Ort wie Dharamsala, wo ich lebe und wo es manch-mal sehr heiß und feucht ist und viel Regen fällt. Diese Einfl üsse können dazu führen, dass all unsere Mühe ver-geblich war. Es ist daher eine besondere Freude, und an-dere Gärtner werden dies sicherlich bestätigen, wenn die Pfl an zen, um die man sich so gesorgt hat, auch tatsäch-lich blü hen und gedeihen. In Bezug auf die Forschungs-ergebnisse im Bereich der Neuroplastizität (die auf un-serer Kon ferenz vorgetragen und diskutiert wurden und die in diesem Buch festgehalten sind) empfi nde ich solch ein Gefühl der Freude, denn wir haben einen Wende-punkt erreicht. Buddhismus und moderne Wissenschaft fangen an, sich gegenseitig zu befruchten, mit großen praktischen Auswirkungen auf das menschliche Wohler-gehen.

Ein bedeutender tibetischer Lehrer hat einmal gesagt, eine der erstaunlichsten Eigenschaften des Geistes be-stünde darin, dass er transformiert werden kann. Die For-

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schungsergebnisse, die in diesem Buch präsentiert werden, bestätigen, dass gezieltes Geistestraining das menschli-che Gehirn nachweisbar verändert. Die Auswirkungen dieser Erkenntnis werden sich nicht auf unser Wissen über den Geist beschränken. Sie haben eine praktische Bedeutung für unser Bildungs- und Gesundheitswesen und unterstreichen, wie wichtig es ist, ein Leben nach ethischen Grundsätzen zu führen.

Das »Mind and Life«-Institut ist zu einem bedeutenden Netzwerk von Wissenschaftlern, Gelehrten und interes-sierten Laien geworden, denen daran liegt, eine sowohl kontemplative und mitfühlende als auch streng experi-mentelle und empirische Wissenschaft des Geistes ins Leben zu rufen. Wir hoffen, dass eine solche Wissen-schaft einen positiven Einfl uss auf Medizin, Neurowis-senschaft, Psychologie, Bildungswesen und die mensch-liche Entwicklung haben wird. Ich persönlich glaube, dass die Arbeit des Instituts sehr wertvoll ist, und ich danke nicht nur den Wissenschaftlern, die keine Zeit und Mühen gescheut haben, um ihre Forschungsergebnisse vorzustellen, sondern auch denjenigen, die unsere Tref-fen und Konferenzen organisieren und koordinieren. Ein Teil der Aufgabe des Instituts besteht auch darin, für all-gemeinverständliche Publikationen unserer Konferenz-protokolle zu sorgen, sodass das, was als halbprivate Ge-spräche stattfi ndet, auch einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Ich danke daher an dieser Stelle besonders Sharon Begley dafür, dass sie aus dem Material der Konferenz 2004 ein attraktives Buch gemacht hat, das die Vorarbeiten, Gespräche und Ergeb-nisse mit großer Genauigkeit wiedergibt. Ich bin zuver-sichtlich, dass die bahnbrechenden Entdeckungen, über

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die sie berichtet, großen Einfl uss darauf haben, wie wir unsere Zukunft gestalten, und so zu einer positiven Ent-wicklung der Menschheit beitragen werden.

September 2006

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Vorwort von Daniel Goleman

Als Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, sich im Oktober 2004 für eine Woche mit einer Handvoll von Neurowissen-schaftlern an seiner indischen Residenz in Dharamsala traf, ging es um das Thema »Neuroplastizität« – die Fähig-keit des Gehirns, sich zu verändern. Bis vor Kurzem wäre es noch unvorstellbar gewesen, dass dieses Thema Ge-genstand einer ernsthaften wissenschaftlichen Diskussion sein könnte. Ein Jahrhundert lang lautete das herrschende Dog ma der Neurowissenschaft, dass das Gehirn sich in der frühen Kindheit bildet und später nicht mehr verändert.

Aber durch die Weiterentwicklung der Forschung lan-dete auch diese Annahme, wie schon so viele andere wis-senschaftliche »Tatsachen«, im Mülleimer der Geschichte. In der Neurowissenschaft gibt es mittlerweile einen auf-blühenden Forschungszweig, in dem untersucht wird, wie sich das Gehirn im Laufe des Lebens immer wieder neu strukturiert. Dieses Buch ist eine hervorragende Ein-führung in diese neue, vielversprechende Wissenschaft.

Besonders faszinierend an den Gesprächen, die hier wiedergegeben werden, sind ihre Teilnehmer. Viele welt-weit führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Neu-roplastizität reisten um den halben Globus nach Indien, um ihre Forschungsergebnisse mit dem Dalai Lama zu dis-kutieren. Der Grund: Die meditative Praxis der buddhis-tischen Mönche und Meditationsmeister bot den Neuro-wissenschaftlern die einmalige Gelegenheit, eine natür lich

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auftretende Form von Neuroplastizität zu untersuchen. Seit Jahrtausenden schon erforschen die Meditationsmeis-ter die Veränderbarkeit des Gehirns. Sie haben das, was sie herausfanden, systematisiert und als Anleitungen und Lehren an zukünftige Generationen weitergegeben, bis auf den heutigen Tag.

Eine der Fragen, die der Dalai Lama stellte, war beson-ders provokativ und lautete: Kann das Denken das Ge-hirn verändern? Im Laufe der Jahre hatte er diesen Punkt in Gesprächen mit Wissenschaftlern immer wieder vor-gebracht und meistens eine ablehnende Antwort erhalten. Was nicht weiter verwundert, denn eine der grundle-genden Annahmen der Neurowissenschaft besteht darin, dass geistige Prozesse durch die Aktivität des Gehirns zu-stande kommen. Das Gehirn erzeugt und beeinfl usst den Geist und nicht umgekehrt. Aber die Forschungsergeb-nisse, die in diesem Buch vorgestellt werden, legen den Schluss nahe, dass die Kausalkette in beide Richtungen verläuft und eine systematische geistige Aktivität auch zu physischen Veränderungen in der Gehirnstruktur führt.

Wie weitreichend diese Entdeckung ist, kann bislang niemand sagen. Aber allein die Tatsache, dass Neurowis-senschaftler anfangen, diese Möglichkeit anzuerkennen, ist eine zweite Revolution des Denkens in diesem Bereich: Das Gehirn verändert seine Struktur nicht nur unaufhör-lich im Verlauf des Lebens, wir können diesen Prozess auch aktiv mitgestalten. Ein weiteres Prinzip der Neuro-wissenschaft wird damit in Frage gestellt. Es ist die An-nahme, dass geistige Vorgänge wie Wahrnehmung und Aufmerksamkeit starren Beschränkungen unterliegen. Der Buddhismus lehrt, dass man diese Beschränkungen durch geeignetes Training überwinden kann.

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Wie stark unsere neuralen Systeme verändert werden können, zeigte uns Richard Davidson, Neurowissen-schaftler an der Universität von Wisconsin, der diesen speziellen Dialog vorbereitet hatte. Mit Hilfe des Dalai Lamas hatte er eine Anzahl buddhistischer Meditations-meister (mit 15 000 bis 55 000 Stunden Meditationspra-xis) gefunden, die sich in seinem Labor verschiedenen Tests unterzogen. Davidson präsentierte den teilneh-menden Wissenschaftlern seine Forschungsergebnisse. Sie machten deutlich, dass diese Meister während der Meditation über das Mitgefühl Gehirnbereiche akti-vierten, die für positive Gefühle und die Bereitschaft zum Handeln verantwortlich sind, und zwar in einem Aus-maß, das noch nie zuvor beobachtet worden war. Die Annahme, dass unser geistiger Apparat festen Beschrän-kungen unterliegt, ist damit nicht länger haltbar.

Dieses Buch ist das zehnte in einer Reihe von Veröffent-lichungen, mit denen die Dialoge des »Mind and Life«-Instituts (für mehr Informationen siehe Anhang und www.MindandLife.org) einem breiteren Publikum zugäng-lich gemacht werden. Gegründet durch den verstorbenen, aus Chile stammenden Neurowissenschaftler Francesco Varela, der in Paris lehrte, und den amerikanischen Ge-schäftsmann Adam Engle, arbeitet das Institut bei der Planung seines Programms eng mit dem Dalai Lama zu-sammen. Ursprünglich bestand die zentrale Aufgabe des Instituts darin, wissenschaftliche Dialoge wie die Konfe-renz zu organisieren, über die in diesem Buch berichtet wird. Dies ist auch weiterhin eine seiner Hauptaufgaben. Die Aktivitäten des Instituts umfassen inzwischen jedoch auch ein jährlich stattfi ndendes Seminar für Hochschul-absolventen über die Forschungsinhalte, die in den Dia-

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logen diskutiert werden, hauptsächlich auf dem Gebiet der kognitiven Neurowissenschaft. Das Institut vermittelt auch Forschungsstipendien an junge Wissenschaftler, die in diesem Bereich arbeiten wollen.

Jedes Buch, das eine der »Mind and Life«-Konferenzen zum Inhalt hat, hat seine eigene Form und seinen eige-nen Charakter, abhängig von der Art der Gespräche und den Stärken des jeweiligen Autors. Sharon Begley, eine der weltweit führenden Wissenschaftsjournalistinnen, hat ihre einzigartige Begabung eingebracht, um ein aufre-gendes Forschungsgebiet ins Scheinwerferlicht zu rücken. Sie nutzt die Dialoge als Ausgangspunkt für eine sorgfäl-tige und lebendig geschriebene Untersuchung der wis-senschaftlichen Entwicklung auf diesem Gebiet bis hin zu den Forschungsergebnissen, die in Dharamsala vorgestellt wurden. Das Resultat geht weit über das hinaus, was auf dieser Konferenz diskutiert wurde. Begley beschreibt die Entwicklung und den aktuellen Forschungsstand auf dem Gebiet der Neuroplastizität – eine der aufregendsten wis-senschaftlichen Revolutionen unserer Zeit.

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Kapitel 1

Können wir uns verändern? Das überholte Dogma vom fest

verdrahteten Gehirn

Die nordindische Stadt Dharamsala besteht aus einem oberen und einem unteren Stadtteil. Die wolkenverhan-genen Gipfel des Dhauladhar-Gebirges (»weiße Berge«) liegen hinter den beiden Stadtteilen wie eine Nackenrolle im Bett eines Riesen, während das Kangra-Tal, das von ei nem britischen Kolonialbeamten als »Urbild ländlicher Ruhe und Schönheit« beschrieben wurde, sich bis in die Ferne erstreckt. Das obere Dharamsala ist auch als Mc-Leod Ganj bekannt. Gegründet im 19. Jahrhundert zu Zei-ten der britischen Kolonialherrschaft als Stützpunkt in den Bergen, wurde die geschäftige kleine Ansiedlung (die nach David McLeod, dem damaligen britischen Vizegouver-neur des Punjab, benannt wurde) direkt auf einem Berg-kamm errichtet, sodass man auf den steilen, matschigen Pfaden zwischen den Gästehäusern die Trittsicherheit ei-ner Ziege haben muss und besser höllisch aufpasst, sich im Dunkeln nicht den Knöchel zu vertreten oder in einen Abgrund zu stürzen.

Kühe trotten über Kreuzungen, an denen Straßenhänd-ler am Boden hocken vor Tüchern, auf denen sich Ge-müse und Getreide stapelt, und Taxis ein Mutprobenspiel mit dem entgegenkommenden Verkehr machen, in dem der jenige seine Mannesehre verliert, der auf der einzigen, nur eine Fahrspur breiten Straße der Stadt zuerst mit sei-

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nem Wagen ausweicht. Die Straße schlängelt sich an Bett-lern und heiligen Männern vorbei, die kaum mehr als ein Lendentuch tragen und aussehen, als hätten sie seit einer Woche nichts gegessen. Dennoch halten sie jedem Frem-den, der vorbeikommt und seine Geschwindigkeit auch nur ein wenig verlangsamt, einen Computerausdruck ent-gegen, auf dem all ihre Nöte feinsäuberlich aufgelistet sind. Barfüßige Kinder stürzen sich wie aus dem Nichts auf den westlichen Besucher und betteln: »Bitte, Madam, hungriges Baby, hungriges Baby.« Sie zeigen dabei vage auf die vielen Bretterbuden rechts und links der Straße.

Wenn man von der gefl iesten Terrasse des Chonor House, eines der Gästehäuser, blickt, liegt einem die ganze Stadt zu Füßen. Sobald die Sonne aufgegangen ist, mur-meln die rotbraun gekleideten Mönche ihre Gebete und die heiligen Männer kauern in den Seitengassen und sin-gen Om mani padme hum (»Gepriesen sei der Juwel im Lotus«). Gebetstücher fl attern an den Zweigen und tragen die tibetischen Worte Mögen alle fühlenden Wesen glück-lich und zufrieden sein in den Wind. Wenn man sie sieht, denkt man: Wohin der Wind auch immer wehen mag, mö gen diejenigen, die die Gebete empfangen, von ihrem Leid befreit werden.

Während der untere Stadtteil von Dharamsala fast aus-schließlich von Indern bewohnt wird, leben in McLeod Ganj (mit Ausnahme von ein paar westlichen Aussteigern und spirituellen Suchern) fast nur tibetische Flüchtlinge, die Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama, ins Exil gefolgt sind. Viele von denen, die in Tibet blieben und nicht selbst fl iehen konnten, schmuggelten ihre kleinen Kinder über die Grenze nach Dharamsala, wo sie nun im tibeti-schen Kinderdorf leben, das nur zehn Minuten oberhalb

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der Stadt liegt. Der Preis, den die Eltern dafür zahlen, dass ihre Kinder innerhalb der tibetischen Kultur aufwachsen und damit die Tradition und Identität Tibets aufrechter-halten und ihre eigene Geschichte davor bewahren, von der chinesischen Besatzung ausgelöscht zu werden, be-steht darin, dass sie ihre Söhne und Töchter niemals wie-dersehen.

Nachdem der Dalai Lama den kommunistischen Trup-pen Chinas entkommen war, die acht Jahre zuvor in Tibet eingefallen waren, ist McLeod Ganj seit 1959 seine Hei-mat und gleichzeitig Hauptquartier der tibetischen Re-gierung. Bis heute wird sein Wohnsitz, der gleich an der Hauptverkehrskreuzung liegt, wo Busse wenden und Taxi-fahrer auf ihre Passagiere warten, rund um die Uhr von indischen Soldaten mit Maschinenpistolen im Anschlag bewacht. Am Eingang befi ndet sich eine kleine Hütte, de-ren bescheidenes Äußeres im krassen Gegensatz zum mar tialischen Auftreten der Wachen steht. Vom Wartezim-mer aus, das gerade mal Platz für ein kleines Sofa hat und wo in einem Holzregal und auf einem kleinen Kaffee-tisch abgegriffene Publikationen liegen, kommt man durch eine Tür in den Kontrollraum, wo alles, was man bei sich hat (Taschen, Notebooks, Kameras, Tonbandgeräte) durch-leuchtet wird, ehe man in eine Kabine muss, die an bei-den Seiten Vorhänge hat und in der man von tibetischen Sicherheitsbeamten von oben bis unten abgetastet wird.

Wenn man alle Kontrollen überstanden hat, steigt man auf einem Asphaltpfad aufwärts, bis man auf weiteres in-disches Wachpersonal mit Maschinenpistolen stößt, das im Schatten faulenzt. In der weitläufi gen Außenanlage wachsen Kiefern und Rhododendronbüsche; aus Keramik-töpfen quillt violette Bougainvillea, und safranfarbene Ta-

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ge tes umgeben die großzügig geschnittenen Gebäude. Das erste zur Rechten ist ein einstöckiges Haus, in dem sich das Empfangszimmer des Dalai Lamas befi ndet. Es wird ebenfalls von einem indischen Soldaten mit einer automa-tischen Waffe beschützt. Dahinter befi ndet sich die tibe-tische Bibliothek samt Archiv und weiter bergan das zwei-stöckige Privathaus des Dalai Lamas, in dem er schläft, meditiert und die meisten Mahlzeiten einnimmt. Zur Lin-ken befi ndet sich ein alter Palast, in dem der Dalai Lama gewohnt hat, als seine gegenwärtige Residenz noch nicht gebaut war. In dem Palast fi nden meistens Einweihungen von geistlichen Würdenträgern statt, aber in den nächs-ten fünf Tagen sollte hier in einem großen Saal ein ein-zigartiges Zusammentreffen stattfi nden. Auf Initiative des »Mind and Life«-Instituts kamen dort im Oktober 2004 führende Gelehrte der buddhistischen und der westlichen wissenschaftlichen Tradition zusammen, um sich mit zwei Fragen zu beschäftigen, die Philosophen und Wissenschaft-ler schon seit Jahrhunderten bewegen: Kann das Gehirn verändert werden, und welche geistige Kraft kann dies be wirken?

Das Dogma der Unveränderbarkeit

Bis vor wenigen Jahren hatten sich Neurowissenschaft -ler diese Frage noch nicht einmal gestellt, weil – fast so lange, wie es eine Wissenschaft des Gehirns gibt – in Lehr büchern, Wissenschaftsseminaren und topaktuellen For schungs studien immer die gleiche Idee wiederholt wurde.

Aber kein Geringerer als William James, der Vater der

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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Train Your Mind, Change Your Brain«

bei Ballantine Books, New York.

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100

Das für dieses Buch FSC-zertifi zierte Papier Munken Premium Cream liefert Arctic Paper Munkedals AB, Schweden.

1. Aufl ageDeutsche Erstausgabe

© 2007 der deutschsprachigen AusgabeWilhelm Goldmann Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH© 2007 Mind an Life Institute

This translation published by arrangement with Random House, an imprint of Random House

Publishing Group, a division of Random House, Inc.Lektorat: Gerhard Juckoff

Satz: Uhl + Massopust, AalenDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in GermanyISBN 978-3-442-33738-5

www.arkana-verlag.de

SGS-COC-1940

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Sharon Begley

Neue Gedanken - neues GehirnDie Wissenschaft der Neuroplastizität beweist, wie unserBewusstsein das Gehirn verändertVorwort von Daniel Goleman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 512 Seiten, 13,5 x 21,5 cmISBN: 978-3-442-33738-5

Arkana

Erscheinungstermin: Februar 2007

Naturwissenschaft am Wendepunkt: Die Grundlagen der Gehirnphysiologie müssen neu definiertwerden. Lange Zeit hielt man das Gehirn des Menschen für unveränderlich – vergleichbar der Hardwareeines Computers. Inzwischen sprechen viele wissenschaftliche Erkenntnisse dagegen. Damitnähert sich die Wissenschaft des Nervensystems dem spirituellen Weltbild des Ostens,das davon ausgeht, dass der Geist die Materie beherrscht. Die Implikationen dessen, wasWissenschaftler heute als „Neuroplastizität“ bezeichnen, sind revolutionär. Die renommierteWissenschaftsjournalistin Sharon Begley beschreibt hier die spannende Entwicklung derNeurowissenschaften, die durch Zusammenarbeit mit Meditationsmeistern herauszufindenversuchen, wie und in welchem Maße Gedanken und Emotionen unser Gehirn beeinflussen.Buddhistische Erfahrungen belegen: Wir können Depression in Freude verwandeln undAggression in Mitgefühl. Das heißt: Wir sind nicht Opfer unserer Gene, sondern selbstverantwortlich für unser Denken und Fühlen. • Eindrucksvolle Bestätigung buddhistischer Bewusstseins- und Meditationserfahrungen. • Hervorragender Wissenschaftsjournalismus: Die atemberaubenden Konsequenzen der„Neuroplastizität“.