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Sinnlichkeit und Transzendenz Zur Anthropologie Ludwig Feuerbachs und Karl Rahners PD Dr. René Buchholz Vorlesung WS 2007/08

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Sinnlichkeit und TranszendenzZur Anthropologie

Ludwig Feuerbachs und Karl Rahners

PD Dr. René BuchholzVorlesung WS 2007/08

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Teil 1: Ludwig FeuerbachDaten und Texte

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Paul Johann AnselmRitter von Feuerbach

(1775 - 1833)

Ludwig Andreas Feuerbach

wurde am

28. Juli 1804 in Landshut geboren.

Mutter: Wilhelmine Tröster *1774

Vater: Paul Ritter Anselm von Feuerbach, Strafrechtslehrer.

Werke u.a.: Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern (1813); Über deutsche Freiheit und Vertretung deutscher Völker durch Landstände (1814); Kaspar Hauser. Beispiel für ein Verbrechen am Seelenleben des Menschen (1832).

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oben: Iphigenie, 1871

links: Im Frühling, 1868

1829 - 1880

Ludwig Feuerbachs Neffe:Der Maler Anselm Feuerbach

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Georg Wilhelm FriedrichHegel (1770-1831)

1823 studiert Feuerbach Theologiein Heidelberg bei dem

Hegelianer Karl Daub.

1824 übersiedelt Feuerbach nach Berlin, wo er Hegel hört. Feuerbachs Interesse gilt nun der Philosophie ; zum Wintersemester

1825/26 Wechsel nach Erlangen (naturwissenschaftliche

Studien), wo er 1828 promoviert.

„Die Theologie kann ich nicht mehr studieren. Vater, laß deinen Sohn gewähren; wo die innere Möglichkeit gebricht, halten nicht mehr die Baustützen und Balken anderer Rücksichten, Reflexionen und äußerliche Gründe.“ (Brief Feuerbachs an den Vater aus dem Jahr 1825)

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In den Jahren 1827/28 artikuliert Feuerbach erste Zweifel am System Hegels.

1830 erscheint anonym die Schrift „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“ mit einem

Anhang „Satirisch theologische Distichen“. Die Schrift wird verboten und ist,

nachdem Feuerbachs Verfasserschaft bekannt wurde, seiner weiteren akademischen Laufbahn abträglich.

1832 gibt Feuerbach seine akademische Lehrtätigkeit auf.

Ludwig Feuerbach Stich von Hugo Bürkner

um 1890

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„Die Menschheit lebte in dem Heidentum in der Einheit der ihr Leben umfassenden und begründenden Elemente oder Momente; Volk, Staat, Religion und Kunst war im Wesen eine Sache, Gott und die Welt eine Welt. Da diese Einheit aber immereine natürliche war, die Einheit eines besondern, durch seineeigentümliche Natur von andern Völkern unterschiedenenVolkes, so war Gott selbst, wie er Gegenstand des Heidentumswar, der Gott eines besondren Volkes, ein besondrer Gott, die Einheit damit eine den andern Einheiten oder Völkern entgegengesetzte und feindlich gegenüberstehende, und folglich, als eine solche, in Widerspruche gegen den Geist, welcher das Wesen der Menschheit und als ihr Wesen dieAllgemeine Einheit aller Völker und Menschen ist.“ (1833 = GW 2, 5)

1833 erscheint die „Geschichte der neuern Philosophie von Bacon von Verulam bis Benedikt Spinoza“ (21844,

31847)

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1834 Abälard und Héloise oder der Schriftsteller und der

Mensch.1837 Heirat mit Bertha Löwe, Übersiedlung nach Bruckberg bei Ansbach. Feuerbach beteiligt sich an der Porzellanfabrik seines Schwagers, was ihm

ökonomische Unabhängigkeit sichert. Im gleichen Jahr erscheint „Entwicklung und Kritik der Leibnizschen Philosophie“.

1838 „Pierre Bayle. Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Menschheit“

Schloss Bruckberg

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„Das Ich ist beleibt – heißt aber nichts anderes als: Das Ich ist nicht nur ein activum, sondern auch passivum. Und es ist falsch, diese Passivität des Ich unmittelbar ausseiner Aktivität ableiten oder als Aktivität darstellen zu wollen. Im Gegenteil: Das passivum des Ich ist das activum des Objekts. …

Oder ist der animalische Leib überhaupt so identisch mitdem Ich, daß es aus sich selbst schöpft, was es aus dem Leibe schöpft? Allein das Ich ist keineswegs „durch sich selbst“ als solches, sondern durch sich als leibliches Wesen, also durch den Leib der „Welt offen“. … Im Leib sein heißt in der Welt sein. Soviel Sinne – soviel Poren, soviel Blößen. Der Leib ist nichts als das poröse Ich.“ (1841 = GW 9, 150f)

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1841 „Das Wesen des Christentums“, Feuerbachs religionskritisches Hauptwerk.

„Aber die Religion ist, allgemein ausgedrückt, Bewußtsein des Unendlichen; sie ist also und kann nichts andres sein als das Bewußtsein des Menschen von seinem, und zwar nicht endlichen, beschränkten, sondern unendlichen, Wesen. Ein wirklich endliches Wesen hat keine, auch nicht die entfernteste Ahnung, geschweige Bewußtsein von einem unendlichen Wesen, denn die Schranke des Wesens ist auch die Schranke des Bewußtseins. … Bewußtsein im strengen oder eigentlichen Sinne und Bewußtsein des Unendlichen ist identisch. … Aber was ist denn das Wesen des Menschen, dessen er sich bewußt wird oder was konstituiert die Gattung, die eigentliche Menschheit im Menschen? Die Vernunft, der Wille, das Herz. … Die göttliche Dreieinigkeit im Menschen über dem individuellen Menschen ist die Einheit von Vernunft, Liebe, Wille “ (1841 = GW 5, 29-31)

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„Der Philosoph muß das im Menschen, was nicht philosophiert, was vielmehr gegen die Philosophie ist, dem abstrakten Denken opponiert, das also, was bei Hegel zur Anmerkung herabgesetzt ist, in den Text der Philosophie aufnehmen.“ (1842 = GW 9, S. 254)

1842 „Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie“ (21843)

„Die Religion ist die erste, und zwar indirekte, Selbsterkenntnis des Menschen. Die Religion geht daher überall der Philosophie voraus, wie in der Geschichte der Menschheit, so auch in der Geschichte der einzelnen. Der Mensch verlegt sein Wesen zuerst außer sich, ehe er es in sich findet. Das eigne Wesen ist ihm zuerst als andres Wesen Gegenstand.“ (1841 = GW 5, S. 47)

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Unterschrift Feuerbachs

„Persönlichkeit, Egoität, Bewußtsein ohneNatur ist nichts oder, was eins, ein hohles,wesenloses abstractum. Aber Natur ist …nichts ohne den Leib. Der Leib ist alleinjene verneinende, einschränkende, zusammenziehende, beengende Kraft,ohne welche keine Persönlichkeitdenkbar ist.

„Nimm deiner Persönlichkeit ihren Leib – und nimmst ihr ihren Zusammenhalt. Der Leib ist der Grund, das Subjekt der Persönlichkeit. Nur durch den Leib unterscheidet sich die reale Persönlichkeit von der eingebildeten eines Gespenstes. … Aber der Leib ist nichts ohne Fleisch und Blut. Fleisch und Blut ist Leben und Leben allein die Realität, die Wirklichkeit des Leibes. Aber Fleisch und Blut ist nichts ohne den Sauerstoff der Geschlechtsdifferenz. Die Geschlechtsdifferenz ist keine oberflächliche oder nur auf gewisse Körperteile beschränkte; sie ist eine wesentliche; sie durchdringt Mark und Bein. … Die Persönlichkeit ist daher nichts ohne Geschlechtsdifferenz;die Persönlichkeit unterscheidet sich wesentlich in männliche undweibliche Persönlichkeit.“ (1841 = GW 5, 177f)

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1843 „Grundsätze der Philosophie der Zukunft“ (21846)

§ 1 Die Aufgabe der neueren Zeit war die Verwirklichung und Vermenschlichung Gottes – die Verwandlung und Auflösung der Theologie in die

Anthropologie. …

§22 Wie das göttliche Wesen nichts anders ist als das Wesen des Menschen, befreit von der Schranke

der Natur, so ist das Wesen des absoluten Idealismus nichts anderes als das Wesen des Subjektiven Idealismus, befreit von der … Sinnlichkeit oderGegenständlichkeit überhaupt.…

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§24 Die Identität von Denken und Sein, der Zentralpunkt der Identitätsphilosophie, ist nichts andres als eine notwendige Folge und Ausführung von dem Begriffe Gottes als des Wesens, dessen Begriff oder Wesen das Sein enthält. … Die Identität von Denken und Sein ist daher nur der Ausdruck von der Gottheit der Vernunft - der Ausdruck davon, daß das Denken oder die Vernunft das absolute Wesen, der Inbegriff aller Wahrheit und Realität ist …“

(1843 = GW 9, S. 265, 298 und 302)

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1845 „Das Wesen der Religion“1846 „Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist“

„Die Unsterblichkeitsfrage vom Standpunkt der Anthropologie“

„Fragmente zur Charakteristik meines philosophischen Curriculum vitae“Die erste Gesamtausgabe seiner Werke erscheint

ab 1846 bei Wigand in Leipzig.

1848/ 1849 „Vorlesungen über das Wesen der Religion“ im Rathaussaal zu Heidelberg; der Text erscheint 1851.

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Auszug aus „Wider den Dualismus von Leib und Seele“ (1846)

„Die Kenntnis des menschlichen Gehirns und Körpers überhaupt hat der Mensch aus der Anatomie der menschlichen Leichname geschöpft; indem er daher sein Hirn denkt, so denkt er das Leben unwillkürlich unter dem Bilde des Todes, das Hirn als ein anatomisches Objekt – ein Objekt folglich, mit dem es ihm ebenso unmöglich ist, den Denkakt zu verbinden, als mit dem Leichnam das Leben. Von seiner Einbildungskraft hintergangen, sieht er nicht ein, daß das Hirn als Subjekt, als lebendiges ein ganz anderes Wesen ist denn als Objekt, daß das Hirn, wie überhaupt das innere des Organismus nur im Tode in die Kategorie des eigentlichen Materialismus verfällt, nur im Tode ein äußerliches, tastbares, sichtbares, riech- und schmeckbares Objekt wird, im Leben aber nur ein Objekt des inneren Sinnes, d. i. Selbstgefühls ist.“ (1846 = GW 10, 126)

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1857 „Theogonie aus den Quellen des klassischen, hebräischen und christlichen Altertums“

1860 Konkurs und Liquidation der Bruckberger Porzellanfabrik; Feuerbach verliert seine ökonomische Unabhängigkeit, Umzug mit Frau und Tochter nach Rechenberg bei Nürnberg.

1863 „Über Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die

Willensfreiheit“(Auseinandersetzung mit Schopenhauer)

1866 Erster Schlaganfall, 1870 folgt der zweite.

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1868 Lektüre des Marxschen ‚Kapitals‘.

1870 Beitritt zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei

Die letzten Lebensjahre

Oben: Karl Marx im Jahr 1872

1872 Feuerbach stirbt am 13. September in

Nürnberg

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„Die Zuordnung von Theologie und Anthropologie ist ein Grundzug gegenwärtiger Theologie geworden. Insofern ist F[euerbach]s anthroplogisch motivierte Religionskritik eine wirksame theologische Herausforerung...” Heinrich Fries (1979, 92)

„Gerade um der Objektivität ökonomischer Kategorien willen wird es künftig darauf ankommen, eine – materialistisch begründete – Theorie der Subjektivität zu entwickeln.“Alfred Schmidt (1988, 266)

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Teil 2: Karl Rahner

Daten und Texte

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Freiburg/Br. 1929

Karl Josef Erich Rahner

wird am 3. März 1904

als viertes von sieben Kindern

in Freiburg/Br. geboren.

Schulzeit in Freiburg, 1922 Abitur1922 Eintritt in die Gesellschaft Jesu

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Jesuitenkolleg „Stella Matutina“ in Feldkirch

1922 Noviziat in Feldkirch, Kolleg

„Stella Matutina“

1924 bis 1927 philosophische Studien in Pullach

Thomistische Metaphysik; Erste Studien Kants, Maréchalsund Heideggers

1929 bis 1933 Studium der Theologie in Valkenburg (an der holländisch-deutschen Grenze).

1932 Priesterweihe; 1933/1934 Terziat

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1934 bis 1936 Studienjahre in Freiburg, Rahner besucht Vorlesungen und Seminare Martin Heideggers zu Kant, Schelling, Hegel und Leibniz

Martin Heidegger (1889 - 1976)

Die Promotion mit der Arbeit „Geist in Welt“ bei Martin Honecker (1888-1941) scheitert.

1936 bis 1938: Innsbrucker Jahre, Rahner promoviert 1936 in Theologie.

1937 Habilitation (Dogmatik); Dozent in Innsbruck

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Karikatur einesStudenten

(1938)

1939 Erscheint „Geist in Welt“

„Und das Letzt-Erkannte, Gott, leuchtet nur auf in der grenzenlose Weite des Vorgriffs, in der Begierde nach Sein überhaupt, von der jede Tat des Menschen getragen ist, die am Werk ist nicht nur in seinen letzten Erkenntnissen, sondern auch darin, daß der freie Geist Sinnlichkeit wird und werden muß, um Geist zu sein und sich so aussetzt allen Schicksalen dieser Erde.

So begegnet der Mensch sich, wenn er sich in der Welt findet und wenn er nach Gott fragt, und wenn er nach seinem Wesen fragt, findet er sich immer schon in der Welt und unterwegs zu Gott … “ (Geist in Welt, SW 2, 299)

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Karl Rahner in Wien (1940)

1939 Schließung des Innsbrucker Jesuitenkollegs durch die NS-Behörden

- Rahner wird Mitarbeiter im Wiener Seelsorgeamt.

1941 Zu den Vorträgen, die Rahner in Wien hält, gehört auch die Reihe „Hörer des Wortes“

1943 Rahner lernt Alfred Delp SJ kennen. - - Beteiligung an einem theologischen Gutachten („Philosophische und theologische Zeitfragen“) anlässlich der Kritik des Freiburger Bischofs Konrad Gröber an den Tendenzender zeitgenössischen Theologie.

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1944 /45 Seelsorger in Niederbayern

1945 bis 1948 Dozent für Dogmatik in Pullach b. München, ab

1948 bis 1964 Dozent für Dogmatik in Innsbruck,

1949 o. Prof. für Dogmatik

1954 erscheint Band 1 der „Schriften zur Theologie“.1955 Mitherausgeber des „Lexikons für Theologie und

Kirche“; ab 1960 Mitarbeit in der Paulus-Gesellschaft, Diskussion

über das Verhältnis von Theologie, Philosphie und Naturwissenschaft

1950 Enzyklika „Humani Generis“; lehramtliche Kritik der „Nouvelle Théologie“; Rahner publiziert den Aufsatz „Über das

Verhältnis von Natur und Gnade“

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„… ich glaube, daß das, was wir das Materielle an uns und unserer Umwelt nennen …, nicht einfach identisch ist mit dem Wesenlosen und Scheinhaften, dem einmal Abgetanen, demjenigen, das vor dem Endgültigen des Menschen vergeht. Wenn aber das Materielle nicht einfach die objektive Täuschung und nicht bloß das abzutuende Material ist, an dem die Geschichte der Geister sich in Freiheit einübt, bis ihre Tat getan ist, sondern ein Stück der wahren Wirklichkeit selbst, dann geht sie eben laut der Verheißung Gottes mit ein in die Vollendung, dann kann sie auch der Endgültigkeit und Vollendung teilhaftig werden. … Wer die irdische Welt abtut und den vollendeten spiritualistisch oder existenzialistisch oder wie immer endgültig von dieser Erde wegweist in eine Seligkeit des (angeblich) reinen Geistes, verkürzt und verrät die wahre Wirklichkeit des Menschen, des Kindes dieser Erde.“ (Schriften II, 223f)

Karl Rahner: Auferstehung des Fleisches

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1962 bis 1965 Zweites Vatikanisches Konzil

Rahner begleitet als „Peritus“ Kardinal König (Wien) nach Rom.Mitarbeit an den

Vorlagen wichtiger Konzilstexte („Lumen Gentium“, „Dei Verbum“, „Gaudium et Spes“)

1964 bis 1967: Dozent für „Christliche

Weltanschauung und Religionsphilosophie“ in München als Nachfolger Romano Guardinis.

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Theologie und Anthropologie (1966)

[2] Gott aber ist kein Gegenstand neben anderen im aposteriorischen Erfahrungsbereich des Menschen, sondern der ursprüngliche Grund und die absolute Zukunft aller Wirklichkeit.Als solcher kann er nur als das absolute Woraufhin des Menschen erfaßt werden. Jede solche Theologie also ist notwendig transzendentale Anthropologie, jede Ontologie ist Onto-logie.

[1] „Die Frage nach einem bestimmten Gegenstand als philosophische ist aber notwendig die Frage nach dem erkennenden Subjekt, weil es apriorisch den Horizont der Möglichkeit solcher Erkenntnis mitbringen muß und darin die – wieder ‚transzendentalen‘ - Strukturen des Gegenstands mitgesetzt sind.

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[3] „Will man nicht in einen häretischen positivistischen Fideismus verfallen, gilt … auch von einer Offenbarungstheologie: sie selbst hat in sich als inneres Moment und Bedingung ihrer Möglichkeit den transzendental-unbegrenzten Horizont des menschlichen Geistes, von dem her so etwas wie ‚Gott‘ überhaupt nur verstanden werden kann.

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[4] ‘Natürlich-philosophische‘ Theologie ist zuerst und zuletzt nicht Geschäft neben einer Offenbarungstheologie, so daß beide in schlechthinniger Unabhängigkeit voneinander getrieben werden könnten, sondern ein inneres Moment an der Offenbarungstheologie selbst;

[5] wenn diese philosophische Theologie aber eine transzendentale Anthropologie ist, gilt dies also auch von der Offenbarungstheologie.“ …

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[6] „Platon, Aristoteles, Thomas werden immer lebendige Philosophen bleiben, von denen wir zu lernen haben. Das ändert aber nichts an der Tatsache …, daß eine heutige Philosophie und somit auch die Theologie hinter die transzendental-anthropologische Wende der neuzeitlichen Philosophie seit Descartes, Kant, über den deutschen Idealismus

(einschließlich seiner Gegenschläge) bis zur heutigen Phänomenologie, Existenzphilosophie und Fundamentalontologie nicht zurück kann und nicht zurück darf.“

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[7] „… Wird in dieser kommenden Philosophie die Thematik sein: Hoffnung, Gesellschaft, Ideologiekritik, neue Gestalt der Freiheit in neuer gesellschaftlicher Bindung, die Erfahrung Gottes in der Erfahrung des sich planenden Menschen usw.,

[8] dann ist der Mensch, sein sich selbst ins Geplante und eben auch ins Unverfügbare aufgegebene Wesen nochmals das Thema der Philosophie.[9] Und darum ist auch von der epochalen Gestalt der Philosophie von morgen her die Wendung zu einer transzendentalen Anthropologie eine Forderung an die Theologie von heute und morgen.“

(Schriften zur Theologie VIII, 50f, 56 u. 57f)

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rechts: Max Horkheimer (1895 – 1973)

links: Milan Machovec (1925-2003) „Jesus für Atheisten“ (Stuttgart 1972)

oben: Ernst Bloch (1885 - 1977)

1964 bis 1968 Tagungen der Paulusgesellschaft, Diskussion zwischen

Christen und Marxisten

1967 Diskussion zwischen K. Rahner, J.B. Metz und M. Machovec in Marienbad und Münster

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M a c h o v e c

„Ich verstehe als tiefsten Sinn der Marxschen Lehre: Der Mensch soll danach suchen, alle Formen der Entfremdung zu überwinden. Dann ist die Geschichte der Lehre von der Erbsünde und von Aufklärung, von Augustinus bis Kant, natürlich die sehr authentische Vorgeschichte dieser Suche. … Die Lehre vom Kommunismus soll kein Gespenst sein. Der authentische Inhalt ist doch die Lehre vom möglichen künftigen gesellschaftlichen Zustand, in welchem jedes Wesen zu einer freien, vollen Persönlichkeit reifen könnte. Die große prophetische Zukunftsoffenheit, die große Gabe und Entdeckung der jüdisch-christlichen Tradition soll der Menschheit bleiben. Aber sie soll mit der wissenschaftlichen Fähigkeit und Analyse der modernen Jahrhunderte aufs engste verbunden werden.“ (in: Rahner 1970, 81f)

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„Das Christentum hat gewissermaßen gar keinen anderen Humanismus als den, daß es die … Anthropologia negativa aufrechterhält und sich gegen jeden Versuch einer abschließenden positiven Formulierung des Wesens des Menschen, einer, wenn man so sagen kann, positiven Zielsetzung, das irgendwie innerweltlich ausgewiesen werden kann, grundsätzlich wehrt und gleichsam die Eröffnetheit auf eine solche Theologia und Anthropologia negativa als gearde das eigentlich Erlösende und Befreiende sieht.“(Rahner 1970, 94)

R a h n e r

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1968 bis 1971: Ordinarius für Dogmatik und Dogmengeschichte in Münster

1972 erscheint „Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance“

1971 bis 1975 Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg;

- Emeritierung

Karl Rahner Joseph Ratzinger auf der Synode in Würzburg

1976 erscheint „Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums“

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„Man könnte … den Menschen … definieren als das, was entsteht, wenn die Selbstzusage Gottes, sein Wort, in das Leere des gott-losen Nichts liebend hinausgesagt wird. Man hat auch deswegen den menschgewordenen Logos das abgekürzte Wort Gottes genannt. Die Abkürzung, die Chiffre Gottes selbst ist der Mensch, d.h. der Menschensohn und die Menschen, die letztlich sind, weil es den Menschensohn geben sollte.“ (Grundkurs, 42f und 222)

„Der Mensch ist trotz der Endlichkeit seines Systems immer schon als ganzer vor sich gebracht. … Indem er die Möglichkeit eines bloß endlichen Fragehorizontes setzt, ist diese Möglichkeit schon wieder übeholt, erweist sich der Mensch als der Mensch als das Wesen eines unendlichen Horizontes. Indem er diese Endlichkeit radikal erfährt, greift er über diese Endlichkeit hinaus, erfährt er sich als Wesen der Transzendenz, als Geist.“

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1983 Karl Rahner / Heinrich Fries: Einigung der Kirchen – reale Möglichkeit (QD 100)

1981 Umzug nach Innsbruck

1984 Erscheint der 16. Band der „Schriften zur Theologie- Karl Rahner stirbt am 30 März in der Innsbrucker Universitätsklinik

1982 30. November, Vortrag: „Vergessene Anstöße

dogmatischer Art des II. vatikanischen Konzils“ (jetzt: Schriften XVI, 131-142)

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Verwendete Quellen und Monographien:

Feuerbach, Ludwig: Gesammelte Werke, hrsg. von Werner Schuffenhauer, Berlin

1967ff.

Imhof, Paul / Biallowons, Hubert (Hgg.): Karl Rahner. Bilder eines Lebens, Zürich-Freiburg u.a. 1984.

Fries, Heinrich: Feuerbach, in: Karl-Heinz Weger (Hrsg.), Religionskritik von der Aufklärung bis zur Ggenwart, Freiburg/Br. 1979, 78-

100.

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Rahner, Karl: Sämtliche Werke, Band 2: Geist in Welt , Freiburg-Basel-Wien 1996.

- Schriften zur Theologie, Einsiedeln-Zürich-Köln, 16 Bände, 1954-1984.

- Kritisches Wort. Aktuelle Probleme in Kirche und Welt, Freiburg-Basel-Wien

1970.Schmidt, Alfred: Emanzipatorische Sinnlichkeit.

Ludwig Feuerbachs anthropologischer Materialismus, München-Zürich 1988.

Raffelt, Albert / Verweyen, Hansjürgen: Karl Rahner, München 1997.

Kohut, Adolph: Ludwig Feuerbach. Sein Leben und seine Werke, Leipzig 1909.

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Winiger, Josef: Ludwig Feuerbach. Denker der Menschlichkeit. Eine Biografie, Berlin 2004.

Vorgrimler, Herbert: Karl Rahner verstehen. Eine Einführung, Neuausgabe Kevelaer 2002.