Martin Probst ist Physiotherapeut und leitet das Skoliosezentrum Regensburg, Praxis für Physiotherapie, www.praxis-martinprobst.de Fortbildungsanfragen beantwortet die Fortbildungsakademie Markus Pschick GmbH, Regensburg, www.fobi-akademie.de

Wann mit der Therapie beginnen?So früh wie möglich! Skoliose-Therapien sind besonders bei Kindern effektiv, aber auch wenn das Wachstum abgeschlossen ist, sollte die The-rapie fortgeführt werden, um Folgebeschwerden der Skoliose einzugrenzen. Gefährdet sind in ers-ter Linie Gelenke, aber auch die Atmungsorgane, die nach Verwringung des Brustkorbs beeinträch-tigt sein können.

INFO UNSER DOZENT

Skoliose TherapieDie Skoliose der Wirbelsäule verlangt eine Therapie, in der Therapeuten nicht an die gängigen aufrichtenden Haltungskorrekturen anknüpfen können. Korrigierende Übungen und Lagerungen verfolgen das Ziel einer dreidimensionalen Korrektur, die sich auf Wirbelsäule, Brustkorb, Becken und Kopfhaltung auswirkt. Bei der Skoliose-Behandlung nach Katharina Schroth wird die Wirbel-säule aktiv gestreckt und „entdreht“. Gezieltes Muskeltraining stabilisiert das Korrekturergebnis.

Eine Skoliose ist eine fixierte oder teilfixierte Krümmung der Wirbelsäule in der Sagittal-, Frontal- und Transversalebene

sowie eine Torquierung (Verdrehung) einzelner Wirbelkörper. Die meisten Skoliosen (80–90€%) sind idiopathisch (Ursache un-bekannt); Mädchen sind 10-mal häufiger betroffen als Jungen; Skoliosen verstärken sich in der Pubertät (Wachstumsschub); sind unbehandelt auch nach Abschluss des Wachstums progre-dient [Quelle: physiolexikon]. Je stärker die Verkrümmung und so mehr wirkt sie sich auf die Form des Brustkorbs und auch auf den Beckenring aus. Die Folgen sind Beeinträchtigungen der At-mungs- und auch der Verdauungsorgane. Sichtbare Symptome sind der sog. Rippenbuckel und ein Beckenschiefstand.

Ursachen der SkolioseEtwa 85 % der Skoliosen sind idiopathischen Ursprungs, d. h. ihre Ursache ist nicht bekannt. Je nach Erkrankungsbeginn las-sen sich idiopathischen Skoliose folgendermaßen einteilen:

— Infantile Skoliose: 0.–3. Lebensjahr — Juvenile Skoliose: 4.–10. Lebensjahr — Adoleszente Skoliose: nach dem 10. Lebensjahr

Unterschieden werden strukturelle und nichtstrukturelle Sko-liosen. Bei den strukturellen Skoliosen kommt es zu Verän-

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derungen an Bindegewebe, Knorpel und Knochen. Die nicht-strukturellen werden auch als funktionelle Skoliosen bezeich-net. Es besteht keine Fixation, sie sind gut korrigierbar und tre-ten oft als Folge einer Schonhaltung auf.

Entstehung und TherapieansatzDie Ursachen funktioneller Skoliosen können nach Erfahrun-gen aus dem Skoliosezentrum Regensburg so erstaunlich wie vielfältig sein. Das lässt sich mit dem Himbeereis-Szenario an-schaulich erklären: Der Körper ist ein hochbewegliches, verket-tetes Statiksystem aus Knochen, Muskeln und Faszien, das sich ständig ständig gegen die Schwerkraft ausbalanciert. Verfängt sich ein Himbeerkörnchen zwischen den Zähnen, kann das zu einer millimetergeringen Verschiebung des Kiefergelenkes führen. In einer Kettenreaktion kommt es dann zu Ausgleichs-bewegungen, die sich von der Halswirbelsäule bis zum Becken-gürtel und schließlich bis zu den Füßen auswirken.

Beim gesunden Erwachsenen richten solche temporären bio-mechanischen Fehlstellungen, noch dazu wenn ihre Ursache erkannt und ausgeschaltet wird, kaum bleibende Schäden an. Anders sieht das bei Kindern und Jugendlichen aus. Gerät das empfindliche System aus Knochen, Muskeln und Sehnen mitten

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03|17 VPTMAGAZIN

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Skoliose-TherapieDer Kurs von Martin Probst ist anerkannt zur Rückenschul-Lizenzverlängerung

Fortbildungspunkte: 20

Nächster Termin: 25.03. – 26.03.2017

Veranstalter: VPT Hamburg Schleswig-Hol-stein, www.vpt-hh-sh.de

Ort: Hamburg

Gebühr VPT-M: 195,00 €, NM: 195,00 €

Weitere Kursorte und Termine im VPT-Service-Teil ab Seite 21.

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in der Wachstumsphase durch einen bio-mechanischen Einfluss in Schieflage, pas-sen sich nicht nur die Muskeln und Ge-lenkstellungen vorübergehend an diese Schieflage an, sondern auch der Wirbel-körper selbst wächst ungleichmäßig. So kann sich eine skoliotische Fehlhaltung ausprägen, die von der idiopathischen Skoliose zu unterscheiden ist, bei der aber prinzipiell der gleichen Therapiean-satz gilt.

Besonders Kinder sind vielen Störfak-toren ausgesetzt, die – wenn sie uner-kannt bleiben – zu einer skoliotischen Fehlhaltung führen können. Beispiele sind etwa eine Schiefhaltung des Kop-

nern werden. Aber auch bei Patienten mit manifestierten, idiopatischen Skolio-sen und bei älteren Patienten ist eine Re-duzierung der Verkrümmung noch mög-lich. Bei der Dreidimensionalen Skoliose-Behandlung nach Katharine Schroth wird die Wirbelsäule aktiv gestreckt und ent-dreht. Die Korrektur wird durch gezieltes Training der umliegenden Muskeln stabi-lisiert.

Chancen der PhysiotherapieHeute wird die Schroth-Therapie als At-mungs-Orthopädie System bezeichnet. Der Begriff beschreibt, dass sowohl kor-rigierende Bewegungsübungen wie ge-zielte Atemübungen genutzt werden, um den Wirbelsäulenkrümmungen und -verdrehungen entgegenzuwirken. Un-terstützt wird die aktive Therapie durch ausgeklügelte Lagerungstechniken. Ziel ist es, zum Beispiel die Ausgangstellung einer Übung mittels Lagerungssäckchen, speziellen Polstern oder anderen Hilfs-mitteln so zu optimieren, dass die fol-gende Übung oder Atembewegung ihre dreidimensionale korrigierende Wirkung im Bereich der Wirbelsäule bestmög-lich entfalten kann. Spiegel werden zur Selbstbeobachtung genutzt. Die Betrof-fenen lernen so immer besser, die Skoli-ose zu verstehen und zunehmend selbst-ständig gegen die Zunahme der Krüm-mung zu arbeiten. Der Komplexität der Wirbelsäulenverkrümmung wegen ist es allerdings unbedingt erforderlich, dass sich auch Patienten mit guter Compli-ance immer wieder in physiotherapeuti-sche Behandlung begeben und sich im-mer wieder Feedback und neue Übungs-anpassungen holen.

Postoperative BehandlungJe nach Schwere der Skoliose können Teil-versteifungen der Wirbelsäule notwen-dig sein. Postoperativ besteht die He-rausforderung der Physiotherapie darin, osteosynthetisch versteifte Wirbelsäu-lenabschnitte nicht zu mobilisieren, also auch weiterlaufende Mobilisationseffek-te zu vermeiden und dennoch im nicht operativen Gebiet weiter eine Zunahme der Krümmungen zu verhindern. Thera-peuten müssen dafür sehr genau über die Operation ihres Patienten informiert sein. ◄

fes durch einen Sehfehler, ein Sturz vom Apfelbaum, ständig schiefes Sitzen vor dem Computer, ein vermeintlich harm-loses Umknicken mit dem Fuß beim Fußball: Alltägliche Situationen können sich vom rein biomechanischen Störfak-tor in der Wachstumsphase zu einer spä-teren Skoliose manifestieren. Deshalb ist die Früherkennung in der Physiothe-rapie so wichtig.

Bei entsprechend frühem Eingrei-fen lässt sich eine funktionelle Skoliose durchaus wieder rückgängig machen. Darin liegt nach Meinung des Skoliose-zentrums Regensburg die große Chance, dass Physiotherapeuten zu Früherken-

Rippenbuckel aufder Konvexseite

der Skoliose

Beugt sich der Patient vor, wird die Verformung des Brustkorbs infolge der Verkrüm-mung der Wirbelsäule deutlich. Besonders auffallend ist der sog. Rippenbuckel auf der konvexen Seite der Krümmung.

Torsion desDornfortsatzeszur Konkavität

Torsion desWirbelkörperszur Konvexität

Angulus costae bildetden Rippenbuckel

Konvexitätder Wirbelsäule

Konkavitätder Wirbelsäule

ZUM WEITERLESEN

BuchtippLehnert-Schroth C, Gröble P. Dreidimensionale Skoliosebehandlung. Atmungs-Orthopädie System Schroth. 8. Aufl. Elsevier 2014 Wir verlosen drei Exemplare. Schreiben Sie ans VPTMAGAZIN: E-Mail: vptmagazin@vpt.de

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