SKRIPT BGB AT allgemeiner Teil allgemeines … · Inhalt der Vorlesung 4 3. Vorüberlegungen zur...

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Skript Bürgerliches Recht BGB Allgemeiner Teil / BGB AG Schuldrecht Allgemeiner Teil Autor: Jan F. Kling Rechtsanwalt in Mannheim Stand: 15. April 2012

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Skript

Bürgerliches Recht

BGB Allgemeiner Teil / BGB AGSchuldrecht Allgemeiner Teil

Autor: Jan F. Kling

Rechtsanwalt in Mannheim

Stand: 15. April 2012

Inhalt: Seite:

1. Überblick: Wichtige Wirtschaftsgesetze 3

2. Inhalt der Vorlesung 4

3. Vorüberlegungen zur Anspruchsprüfung 4

4. Die Anspruchsprüfung 5

5. Unterscheidung: Vertragliche und gesetzliche Ansprüche 5

6. Die juristische Arbeitsweise 7

7. Rechtsfähigkeit 8

8. Unterscheidung: Geschäftsfähigkeit - Deliktsfähigkeit 8

9. Rechtsgeschäfte von und mit Kindern ("Taschengeld-Paragraf") 9

10. Die "Willenserklärung" 9

11. Zustandekommen von Verträgen 10

12. Sonderfälle 11

13. Gefälligkeitsverhältnisse 12

14. Auslegung von Willenserklärungen, Verträgen und Gesetzen, Rechtsnormen 13

15. Besondere Formvorschriften 14

16. Bedingungen und Befristungen 16

17. Anfechtung von Willenserklärungen 16

18. Das Abstraktions-/ Trennungsprinzip 18

19.1 AGB-Recht, das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen 18

19.2 AGB im geschäftlichen Verkehr 20

20. Stellvertretung und Vollmacht 22

21. Rücktrittsrecht und Kündigung 24

22. Schadensersatz und Aufwendungsersatz 25

23. Störung und Wegfall der Geschäftsgrundlage 29

24. Erfüllung und Zurückbehaltungsrechte 30

25. Verjährung und Fristberechnung 31

26. Aufrechnung 32

27. Übergang und Abtretung von Forderungen 32

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1. Überblick: Wichtige Wirtschaftsgesetze

Wichtige Gesetze für den Wirtschaftsverkehr:

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

regelt u.a.- allgemeine Regeln zur Geschäftsfähigkeit, Vertragsschluss, Stellvertretung etc. - allgemeine Regeln bei Leistungsstörungen (Verzug, Kündigung, Schadensersatz,

Rücktritt, Unmöglichkeit)- Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen- die wichtigsten Vertragsarten (Kauf-, Dienst-, Werkvertrag, Darlehen, Auftrag,

Bürgschaft etc.)- Eigentum und Besitz - Grundstücks-, Immobilienrecht- Familienrecht - Erbrecht

HGB Handelsgesetzbuch

regelt u.a.- Sonderrecht für den gewerblichen Geschäftsverkehr- Register- und Publizitätspflichten- besondere Vertragstypen (z.B. Handelsvertreter, Fracht- und Speditionsgeschäft)- Buchhaltungs- und Bilanzregeln - sowie die drei Gesellschafts-Arten: - Offene Handelsgesellschaft (OHG) - Kommanditgesellschaft (KG) - stille Gesellschaft

ProdHaftungsG Produkthaftungsgesetz

Erweitert die Haftung von Herstellern für ihre Produkte über die allgemeinen vertrags- und deliktsrechtlichen Regeln hinaus.

UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerbz.B. unlautere oder irreführende Werbung

GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

z.B. - Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen zwischen Unternehmen

(Preisabsprachen, Kartelle u.a.)- Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens

GmbH-Gesetz, AktG, GenG, PartGG, SE

Sondergesetze über die verschiedenen Unternehmens- / Gesellschaftsformen

InsO Insolvenzordnung

regelt insbesondere die frühzeitige Insolvenzantragspflicht von Kapitalgesellschaften bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zum Schutz der Geschäftspartner

Das deutsche Recht (und auch das kontinental-europäische Recht) ist stark Gesetzes-geprägt, d.h. es bestehen viele Gesetze und Rechtsnormen zur Beantwortung von Rechtsfragen.

In anderen Ländern, insbesondere in angelsächsischen Ländern (England, USA) nimmt hingegen mangels vergleichbar hoher Regelungsdichte das sog. case-law (die Gesamtheit der gesamten früheren, auch sehr alter) (Gerichts-) Urteile eine noch stärkere Bedeutung ein. Dort entfalten alte Gerichtsurteile auch eine stärkere Bindungswirkung als im europäischen und speziell deutschen Rechtsraum.

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In Deutschland gilt z.B. im Grundsatz, dass Gerichte verschiedener Instanzen nicht an Urteile anderer Gericht zu vergleichbaren Fällen gebunden sind (es besteht im Wesentlich lediglich Bindung im selben Instanzenzug, d.h. erste Instanz - Berufungsgericht - Revisionsgericht.

Ausnahme: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

2. Inhalt der Vorlesungen

Inhalt dieser Vorlesung (1. Semester) ist der sog. Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 1 - 432 BGB. Zum Verständnis der Zusammenhänge werden exemplarisch auch wichtige Normen der nachfolgenden Paragrafen (§§ 433 ff. BGB) betrachtet.

Zweites Semester: Die einzelnen Vertragstypen (Kauf-, Werkvertrag, Darlehen, Bürgschaft etc.), Delikts- und Bereicherungsrecht, Eigentum und Besitz ("Sachenrecht").

Drittes Semester: Sonderregeln im Handels- und Geschäftsverkehr & Gesellschaftsrecht

Viertes Semester: Arbeitsrecht, Insolvenz, Zivilprozess

F r a g e : Welche Themen müsste ein Gesetzbuch über die Rechte und Pflichten zwischen Mitmenschen regeln?

Bitte schlagen Sie jetzt das Inhaltsverzeichnis des deutschen Zivilgesetzes, das "Bürgerliches Gesetzbuch" (kurz BGB) auf und ü b e r f l i e g e n die Haupt-Gliederungspunkte.

3. Vorüberlegungen zur Anspruchsprüfung

Die Prüfung von Rechtsbeziehungen (und Ansprüchen) beginnt i.d.R. mit folgender Ausgangsüberlegung:

Wer will was von wem woraus,

(1) "wer": welches Rechtssubjekt erhebt einen Anspruch, z.B. eine natürliche Person, eine juristische Person (GmbH), eine Personengesellschaft (OHG, KG);

(2) "will was": auf welche Rechtsfolge geht die Begehr.

Beispielsweise (a) auf Geldzahlung z.B. auf

- Kaufpreiszahlung - Schadensersatz wegen Vertragsverletzung - Aufwendungsersatz wegen rechtswidrig-schuldhaft verursachter Mehrausgaben;

oder (b) auf Rückgabe einer Sache, z.B. wegen

- Rückabwicklung eines Vertrages; - Änderung der Vertragsbedingungen, z.B. im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses wie Miete, Pacht;

oder (c) auf Abgabe einer Willenserklärung, z.B.

- Widerruf einer öffentlichen Äußerung - Auskunft oder Offenlegung bestimmter Informationen oder Unterlagen, etc.

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(3) "von wem": gegen wen richtet sich die Forderung oder Begehr

(4) "woraus": aus welcher Rechtsnorm kann die Forderung oder ein Anspruch hergeleitet werden (Suche nach der "Anspruchsgrundlage", kurz AGL). Z.B. aus

- Vertrag, § 433 I, II BGB - ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 I 1 Alt. 1 BGB - rechtswidriger Eigentumsverletzung, § 823 I BGB

4. Die Anspruchsprüfung

Nachdem obige Vorfragen beantwortet wurden und eine (möglicherweise) einschlägige Rechtsnorm (als sog. "Anspruchsgrundlage") gefunden wurde läuft die konkrete Prüfung als Anspruchsprüfung regelmäßig wie folgt ab:

(1) Ist der Anspruch wirksam entstanden?

a) Vertragsschluss oder

b) Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs "kraft Gesetzes" (z.B. Schadensersatz nach böswilliger

Beschädigung einer fremden Sache, § 823 I BGB)

(2) keine rechtshindernden Einwendungen (z.B. unwirksamer Vertrag mit einem geschäftsunfähigen

Minderjährigen, § 104 ff. BGB; Unwirksamkeit wegen Nichteinhaltung einer gesetzlich vorgeschriebenen

Schriftform, § 125 BGB; Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoß, § 134 BGB, oder Sittenwidrigkeit, § 138 BGB)

(3) eventueller Übergang des Anspruchs (wo zunächst Person A Forderungsinhaber war und später Person B)

z.B. durch Abtretung einer Forderung / Anspruch, §§ 398 ff. BGB, oder "Übergang" eines Anspruchs kraft

Gesetzes, z.B. durch Tod (Übergang auf den Erben), oder durch Zahlung des Bürgen an Stelle des

Hauptschuldners.

(4) Ist der Anspruch nachträglich erloschen?

z.B. durch Erfüllung (§ 362 BG), Anfechtung (§§ 119, 142 BGB), Kündigung (z.B. § 314; 620 ff., 573, 573c

BGB), Aufrechnung (§ 389 BGB)

sog. rechtsvernichtende Einwendungen

(5) eventuell (dauerhafte oder vorübergehende) Undurchsetzbarkeit wegen rechtshemmender Einreden z.B.

aufgrund

- Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB)

- Verjährung (§§ 194 ff. BGB)

- Verstoß gegen Treu & Glauben, Unredlichkeit und widersprüchliches Verhalten (§ 242

BGB)

5. Unterscheidung: Vertragliche und "gesetzliche" Ansprüche

Rechtssystematisch werden Anspruchsnormen in zwei große Gruppen unterteilt:

(1) vertragliche Ansprüche und

(2) gesetzliche Ansprüche

Der Begriff "gesetzlich" hat hier nichts mit "Rechtmäßigkeit" oder "Legalität" zu tun, sondern beschreibt das Zustandekommen eines Anspruchs und Rechtsverhältnisses mit Rechten & Pflichten kraft Gesetzes (automatisch bei Eintritt besonderer Umstände, insbesondere ohne vertragliche Beziehungen zwischen den Beteiligten, d.h. die "gesetzlichen Ansprüche" entstehen i.d.R. ohne vorherige Einwilligung der einen Seite.

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Im deutschen Recht sind (glücklicher Weise) viele der sog. gesetzlichen Schuldverhältnisse im Detail abstrakt geregelt, was die Rechtsanwendung durch einzelne Richter vorhersehbarer und in den meisten Fällen gerechter macht.

Def.: Als "Schuldverhältnis" bezeichnet das Gesetz ein Rechtsverhältnis zwischen Personen, innerhalb dessen eine Person rechtlich etwas von einer anderen Person v e r l a n g e n d a r f . E i n s o l c h e s "Schuldverhältnis" kann sowohl aufgrund Vertrages (1) wie "kraft Gesetzes" (2) entstehen.

Bitte lesen Sie hierzu auch § 241 II und § 311 BGB.

Der im 1. Semester behandelte sog. "allgemeine Teil des BGB" ist von einer hohen Abstraktheit geprägt, was die Materie insbesondere als Einstieg nicht leicht macht.

Wenn es Ihnen im Laufe der Vorlesung an Verständlichkeit mangelt so bitten Sie bitte zu jeder Zeit ungefragt um einen entsprechenden Beispielsfall.

Vertragliche Ansprüche z.B.: "Gesetzliche" Ansprüche" z.B.:

- aus Kaufvertrag, § 433 I, II BGB

- aus Mietvertrag, § 535 I, II BGB

- aus Dienstvertrag, § 611 I BGB

- aus Werkvertrag, § 631 I BGB

- aus Reisevertrag, § 651a I BGB

- aus Maklervertrag, § 652 I BGB

- aus Bürgschaftsvertrag, § 765 I BGB

- aus Vergleich, § 779 I BGB

a) wenn jemand eine fremde Sache beschädigt -> sog. "deliktische" Ansprüche, §§ 823 ff. BGB

b) wenn jemand mit einem fremden Mobiltelefon telefoniert und dadurch Kosten bei einem anderen auslöst-> sog. "Bereicherungs"-Ansprüche, §§ 812 ff. BGB

c) wo jemand eine verletzte zugelaufene Katze aufnimmt, sie zu einem Tierarzt zur Behandlung bringt und später nach Feststellung des Eigentümers der Katze von diesem Erstattung der Tierarztkosten verlangt.-> Ansprüche aus dem Rechtsinstitut der sog. "Geschäftsführung ohne Auftrag" (GoA), §§ 677 BGB.

d) wo jemand in gutem Glauben eine Sache besitzt, diese wirtschaftlich verbessert (z.B. Repariert oder verschönert) und sich hinterher das fehlende Eigentums- oder Besitzrecht des Handeln ergibt und dieser den Gegenstand an die andere Person herausgeben muss.-> Ansprüche aus Eigentum, Besitz, und dem sog. "Eigentümer-Besitzer-Verhältnis", §§§ 854 ff., 985 ff. BGB.

e) Auch die Pflicht, Steuern zu zahlen, begründet ein gesetzliches (öffentlich-rechtliches) Rechts- und Schuldverhältnis.)

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Überblick: Bitte schlagen Sie nochmals das Inhaltsverzeichnis des BGB auf und schauen Sie die einzelnen Untergliederungen des Allgemeinen Teils, (§§ 1 ff. BGB), des Rechts der Schuldverhältnisse (§§ 241 ff. BGB) und der einzelnen Schuld-/Vertragsverhältnisse (verschiedene Vertragstypen), (§§ 433 ff. BGB) an.

Bitte schauen Sie anschließend in das Handelsgesetzbuch (HGB) und dort im Inhaltsverzeichnis in das "4. Buch", (§§ 343 ff. HGB)

6. Die juristische Arbeitsweise

Die Prüfung der Rechtslage erfolgt, indem zunächst nach der speziellsten einschlägigen Vertragsregel oder Rechtsnorm gesucht wird. Soweit diese für die Beantwortung der Rechtsfrage keine Aussage macht ist sucht man nach der nächst allgemeineren Norm. Ist auch dort die Rechtsfrage nicht gesetzlich geregelt muss man auf nächst allgemeinere Rechtsgrundsätze wie den Grundsatz eines "Verhaltens nach Treu und Glauben" oder die "Verhältnismäßigkeit" o.ä. zurückgreifen.

Z.B.: Bei Vorliegen eines Kaufgeschäfts zwischen zwei Personen würde man zunächst der Reihe nach prüfen

(1) konkrete Regeln in einem schriftlichen Kaufvertrag

(2) abstrakte Regeln in eventuell mitvereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, (soweit diese Anwendung finden)

(3) spezielle gesetzliche Regeln, z.B. der handelsrechtlichen Sonderregeln über den "Handelskauf", §§ 373 ff. HGB

(4) die allg. privat-/ zivilrechtlichen Regeln zum Kaufvertrag, §§ 433 ff. BGB.

(5) die noch allgemeineren Regeln über Verträge, z.B. §§ 145 ff., §§ 311 ff. BGB

(6) die noch allgemeineren Regeln über "Schuldverhältnisse", z.B. §§ 241 ff. BGB

Als Subsum(p)tion bezeichnet man die Prüfung, ob eine bestimmte Rechtsnorm auf einen konkreten (Lebens-)Sachverhalt Anwendung findet (man abstrahiert den konkreten, individuellen Lebenssachverhalt und vergleicht ihn mit dem abstrakten Regelungsbereich den Voraussetzungen einer Rechtsnorm).

Beispiel: A stiehlt nach 2 Glas Bier das Mobiltelefon von B. Welche Ansprüche hat B?

Aufgabe: Bitte prüfen Sie § 823 I BGB und subsumieren dessen Tatbestandsmerkmale.

Lösung:

- Verletzung eines der in § 823 I BGB genannten Rechtsgüter, hier "Eigentum"?: Das Eigentumsrecht beinhaltet die vollumfängliche Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit (im Rahmen der Gesetze und der verfassungsmäßigen Ordnung). Durch die Besitzentziehung wurde die Verfügungsmacht und Nutzungsmöglichkeit von B verletzt und damit Teilbereiche des Eigentumsrechts verletzt, Eigentumsbeeinträchtigung (+)

- durch ein kausales, adäquates, dem A zurechenbares Verhalten des A (+)

- Rechtswidrigkeit: Rechtswidrigkeit wird durch das Fehlen von Rechtfertigungsgründen indiziert. (+), da keine Rechtfertigungs-gründe für die Tat des A

- Verschulden: Siehe § 276 BGB, Vorsatz oder Fahrlässigkeit des A, hier "vorsätzlich", da aufgrund bewussten, zielgerichteten, steuerbaren Handeln des A.

- Schuldfähigkeit des Täters: Ja, auch nach 2 Glas Bier war A noch zurechnungsfähig bezügl ich der konkreten Deliktsverwirklichung, weil 2 Glas Bier noch nicht zu einem die

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Schuldunfähigkeit begründenden Alkoholisierungsgrad führt, vgl. § 827 S. 1 + 2 BGB; siehe in diesem Zusammenhang auch § 829 BGB.

- Schadenseintritt bei B: (+) Verlust der Nutzungsmöglichkeit und der Verfügungsmacht als Ausschnittsrechte des geschützten Eigentums.

RF: Anspruch auf Schadenskompensation / "Schadensersatz", §§ 249 ff. BGB, in Form von Naturalkompensation oder Wertersatz.

7. Rechtsfähigkeit

Das "Recht" regelt im Wesentlichen Rechte und Pflichten zwischen all den "Personen", die am Rechtsleben ("Rechtsverkehr") teilnehmen können, d.h. Rechtsfähigkeit besitzen.

Def.: Rechtsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Unterschieden werden "natürliche" und "juristische" Personen.

Rechtsfähige "Personen" sind

1. alle Menschen ("natürliche Personen"), § 1 BGB;

2. juristische Personen, die ebenfalls volle Rechtsfähigkeit besitzen können (GmbH, § 13 I GmbHG; AG, § 1 I AktG; rechtsfähiger Verein, § 21 BGB; rechtsfähige Stifung, § 80 I BGB);

3. Rechtssubjekte die wenigstens Teilrechtsfähigkeit besitzen, z.B. die Personengesellschaften GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder auch als BGB-Gesellschaft bezeichnet), § 705 BGB; OHG, § 105 HGB; KG, § 161 HGB. Diese können Inhaber bestimmter Rechte und Pflichten sein.

Davon abzugrenzen sind Gemeinschaften. Diese besitzen im Regelfall keine Rechtsfähigkeit).

Gemeinschaften sind dadurch gekennzeichnet, dass mehrere (mindestens 2) "Personen" einen Gegenstand (z.B. ein Grundstück, ein Auto oder ein Patent) gemeinschaftlich "besitzen", dass also das Eigentum bzw. die Inhaberschaft mehreren Personen zusammen zusteht. Dieses gemeinschaftliche Eigentum steht den Mitgliedern der Gemeinschaft nach ideellen Bruchteilen zu, ohne dass man sagen könnte, dass ein bestimmter physisch greifbarer Teil einer bestimmten Person zustünde. Diese Rechts-Gemeinschaften besitzen im Regelfall nicht selbst Rechtsfähigkeit, sondern ausschließlich die hinter ihnen stehenden (natürlichen oder juristischen) Personen. (Ausnahme: WEG, Wohnungs-eigentümergemeinschaft). Vgl. zum Rechtsinstitut der "Gemeinschaft" §§ 741 ff. BGB.

Beispiel:

- Miteigentümer(gemeinschaft)

- Miterben(gemeinschaft)

- mehrere Inhaber eines Patentes oder

- mehrere Inhaber eines Urheberrechts an einem gemeinsam komponierten Musikstück.

8. Unterscheidung: Geschäftsfähigkeit - Deliktsfähigkeit

Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, selbständig rechtlich wirksam handeln zu können. Dieser Rechtsbereich ist in §§ 104 ff. BGB geregelt.

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Das deutsche Recht betrachtet Kinder unter 7 Jahren als geschäftsunfähig, § 104 Nr. 1 BGB, d.h. diese können nicht selbst (nicht selbständig) rechtsgeschäftlich handeln, sondern müssen durch andere vertreten werden, i.d.R. durch die Eltern, in Ausnahmefällen auch durch sog. Ergänzungspfleger, § 1909 BGB.

§ 106 BGB: Kinder im Alter zwischen 7 - 18 Jahren sind beschränkt geschäftsfähig nach Maßgabe der §§ 106 ff. BGB.

Die Volljährigkeit beginnt für Zwecke des Zivilrechts mit Vollendung des 18. Lebensjahres, § 2 BGB. Dies wurde erst mit Wirkung zum 01.01.1975 von 21 auf 18 Jahre herab gesetzt. (Bis 1875 galt in vielen Landesteilen Deutschlands eine Volljährigkeitsgrenze ab 25 Jahren.) Strafgesetze, Wahlgesetze u.a. sehen z.T. noch heute andere Altersgrenzen vor.

Bei (volljährigen) Personen, die aufgrund psychischer Krankheiten oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderungen entweder nur eingeschränkt oder gar nicht geschäftsfähig sind (§ 104 Nr. 2 BGB) oder die für (bestimmte) Rechtshandlungen Hilfe und Schutz vor Rechtsnachteilen benötigen kann eine sog. "rechtliche Betreuung" angeordnet werden, §§ 1896 ff. BGB.

Von dieser rechtsgeschäftlichen Handlungsfähigkeit ist die Deliktsfähigkeit zu unterscheiden, d.h. die Schuldfähigkeit und Verantwortlichkeit (+ Haftung) für eigenes (reales) Handeln. Die Deliktsfähigkeit ist in §§ 827 - 829 BGB geregelt und stellt zwischen dem 7. - 18. Lebensjahr auf die persönliche "Einsichtsfähigkeit" ab.

Die Deliktsfähigkeit ist das zivilrechtliche Gegenstück zur strafrechtlichen Schuldfähigkeit. Die sog. Strafmündigkeit beginnt (erst) mit dem 14. Lebensjahr, § 19 Strafgesetzbuch (kurz StGB).

9. Sonderfall: Rechtsgeschäfte von / mit Kindern ("Taschengeld-Paragraf" und beschränkte Geschäftsfähigkeit)

Rechtsgeschäfte eines Kindes unter 7 Jahren sind generell unwirksam, §§ 105, 104 BGB.

Rechtsgeschäfte eines Kindes zwischen dem 7. - 18. Lebensjahr (sog. beschränkte Geschäftsfähigkeit) bedürfen für ihre Wirksamkeit der Zustimmung der Eltern, §§ 106, 107 BGB.

Die vorherige Zustimmung nennt das Gesetz "Einwilligung", s. § 183 BGB,

die nachträgliche Zustimmung nennt das Gesetz "Genehmigung", s. § 184 BGB.

a) Ein ohne Einwilligung der Eltern geschlossener Vertrag (Vertrag = zweiseitiges Rechtsgeschäft) ist jedoch nicht per se nichtig, sondern nach dem Gesetz "schwebend unwirksam". Dies bedeutet, dass der Vertrag von den Vertretungsberechtigten (den Eltern) nachträglich noch genehmigt werden kann, §§ 108, 109 BGB. Bei Ablehnung der Genehmigung wird der Vertrag endgültig unwirksam.

b) Einseitige Rechtsgeschäfte des Minderjährigen sind von vornherein unwirksam / nichtig, § 111 BGB.

Ausnahme 1: Rechtsgeschäfte, durch die der Minderjährige ausschließlich rechtliche Vorteile erlangt sind von vornherein wirksam (Umkehrschluss aus § 107 BGB). Z.B. Schenkungsversprechen; Verzicht eines Gläubigers auf eine Forderung gegenüber dem Minderjährigen; Eigentumsübertragungen an einen Minderjährigen.

Ausnahme 2: Rechtsgeschäfte, die von einem beschränkt Geschäftsfähigen (Minderjährigen) oder von einem Geschäftsunfähigen (Volljährigen) mit sog. Taschengeld abgeschlossen + beglichen werden. Diese Geschäfte sind nach deutschem Recht grundsätzlich wirksam, §§ 105a, 110 BGB (letzt. der sog. Taschengeld-Paragraf).

Bitte lesen Sie §§ 112, 113 BGB, Dienst-, Arbeitsverhältnisse des Jugendlichen

§§ 104 - 113 BGB, Überblick Rechtsgeschäfte Minderjähriger

§ 131 BGB, Sondervorschrift bei Abgabe von WE gegenüber Minderjährigen.

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10. Die "Willenserklärung"

Kern jeden rechtsgeschäftlichen Handelns ist die Abgabe einer Willenserklärung ("WE"). Darunter versteht man eine Willensäußerung, die auf die Herbeiführung einer rechtlichen Wirkung gerichtet ist (auf Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges gerichtet).

Beispiele:

- Angebot zum Verkauf seiner gebrauchten Abitur-Schulbücher.- Auslobung von Finderlohn wegen eines entflogenen Wellensittich. - Annahme eines Angebots über einen Last-Minute Trip nach London.

Im Einzelnen setzt sich die WE wie folgt zusammen:

(1) ein nach außen erkennbares Verhalten, das den Schluss auf folgende 3 innere (subjektive) Willenselemente zulässt:

(2) Handlungswille: hieran fehlt i.d.R. nur z.B. bei ungesteuerten Reflexen oder Fremdeinwirkung (ein Schüler hebt den Arm seines Nachbarn, um für diesen den Eindruck dessen Wortmeldung zu erwecken)

(3) (Potentielles) Erklärungsbewusstsein: Das Bewusstsein, (irgend-)eine rechtlich relevante Erklärung abzugeben.

Die Rechtsprechung lässt es an dieser Stelle ausreichen, wenn der Erklärende bei Anwendung der im (Rechts- oder Geschäfts)Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass sein Verhalten als rechtsgeschäftliches Handeln aufgefasst wird (daher potentielles Erklärungsbewusstsein). Beispiel: Jemand winkt im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung aus dem Publikum heraus mit der Hand einem eintretenden Bekannten; der Auktionator erteilt daraufhin (irrtümlich) dieser Person den Zuschlag.

(4) Geschäftswille: Der auf einen ganz bestimmten / konkreten rechtlichen Erfolg gerichtete (Geschäfts-)Wille.

Bitte lesen Sie jetzt §§ 130, 133, 145, 147, 149, 150, 154, 155, 157 BGB und §§ 116 - 118 BGB.

11. Zustandekommen von Verträgen

Verträge kommen im Grundfall zustande durch

Angebot + Annahme.

Sowohl das Angebot wie die "Annahme" müssen die Anforderungen rechtswirksamer "Willenserklärungen" (WE) erfüllen. Die Wirkungen von Willenserklärungen können im Einzelfall aber auch durch konkludentes Verhalten (schlüssiges Handeln) herbeigeführt werden (z.B. Kopfnicken; Fingerzeig auf ein Brötchen beim Bäcker, wortlose Übergabe des geforderten Geldbetrages).

1. Angebot (WE, §§ 116 ff) + Abgabe + Zugang Bitte lesen Sie hierzu §§ 130 - 132 BGB, sowie Bindungsfristen für das "Angebot": § 145, 146, 153 BGB. +2. Annahme des Angebots (= WE 2) + Abgabe + Zugang + 3. innerhalb Annahme-Frist, §§ 147 - 150 BGB +4. eventuelle Form-Erfordernisse (z.B. Schriftform, notarielle Form), sonst i.d.R. Nichtigkeit, § 125 BGB

5. kein Verstoß gegen gesetzliche Verbote, § 134 BGB; keine Sittenwidrigkeit oder Wucher, § 138 BGB

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=> i.d.R. wirksamer Vertragsschluss.

Bitte lesen Sie jetzt auch § 154 I, II BGB einerseits und § 155 BGB andererseits. (Unterschiedliche Rechtsfolgen bei offenem und verdecktem Einigungsmangel und vertraglicher Schriftform-Absicht)

Abgabe der Willenserklärung:

Willenserklärungen müssen zu ihrer Wirksamkeit auch abgegeben werden, d.h. vom Erklärenden so in Verkehr gebracht werden, dass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Zugang beim bestimmungsgemäßen Empfänger gerechnet werden kann.

Fall: Die Sekretärin findet ein adressiertes und kuvertiertes Schreiben auf dem Tisch ihres Chefs, nimmt dieses in gut gemeinter Absicht an sich, frankiert es und bringt es zur Post.

Frage: Liegt hier eine wirksame Willenserklärung des Chefs vor?

Antwort: Hier fehlt der Wille des Urhebers des Schreibens (des Chefs) zur Abgabe der Erklärung, wenn er sich den tatsächlichen Versand vorbehalten und das Schreiben deswegen noch nicht der Sekretärin zum Postversand übergeben hat.

(In Betracht kommen lediglich möglicherweise sekundäre Haftungstatbestände wegen eventuell zurechenbaren Setzens eines Rechtsscheins, siehe z.B. § 311 II BGB; oder eine Haftung der Sekretärin gegenüber dem Empfänger des Briefes).

B i t t e lesen Sie nochmals §§ 145 - 148 BGB und §§ 130 f. BGB.

Zugang der Willenserklärung:

Grundsätzlich muss jede Willenserklärung zu ihrer Wirksamkeit dem beabsichtigten Empfänger auch zugehen. Lesen Sie hierzu bitte §§ 130 - 132 BGB.

Eine Willenserklärung gilt als zugegangen, wenn sie so in den Herrschafts- / "Machtbereich" des Empfängers gelangt ist, dass dieser die Willenserklärung unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen kann und mit Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

Beispiel: Briefe gelten im Rechtssinn erst dann als zugegangen, wenn Sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt sind (Einwurf in Briefkasten) und die Zeit eingetreten ist, zu der "unter gewöhnlichen Umständen mit deren Kenntisnahme zu rechnen ist". Ein zur Nachmittagszeit eingeworfener Brief gilt i.d.R. erst am Folgetag zu der Zeit als zugegangen, zu der die Post gewöhnlich Briefe im Bezirk des Empfängers zustellt.

Varianten: Auf Seiten des Erklärenden oder Empfängers können Mittelspersonen auftreten.

a) Erklärungsbote: Wer eine fremde Willenserklärung weitergibt, z.B. das Kind, das von den Eltern geschickt wird, beim Bäcker eine Torte für das kommende Wochenende vorzubestellen (Vorbestellung als Rechtsgeschäft über den Kauf einer Torte mit Fälligkeit zum Freitag oder Samstag).

b) Erklärungsvertreter: Wenn der Handelnde im Namen eines Anderen (z.B. der Eltern) handelt und zugleich die Befugnis hat, den Inhalt der Willenserklärung (mit-) zu bestimmen, z.B. wenn dem Kind von den Eltern gestattet wurde, die Art des beim Bäcker zu bestellenden Sonntagskuchens selbst auszusuchen, den Vertrag aber im Namen der Eltern zu schließen

c) Empfangsbote: Wo die abzugebende Willenserklärung an jemanden erteilt wird, der diese Erklärung an den eigentlichen Adressaten weiterleiten soll, sofern diese Mittelsperson dem Empfänger zuzurechnen ist (andernfalls Erklärungsbote). Die Erklärung ist dem eigentlichen Adressaten noch nicht bei "Übergabe" an den

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Boten zugegangen, sondern erst, wenn der Empfänger nach dem normalen Verlauf der Dinge mit einer Weiterleitung an den Adressaten rechnen darf.

d) Empfangsvertreter: Wenn der Empfänger einen befugten Vertreter hat gilt eine an diesen Vertreter abgegebene Willenserklärung bereits in diesem Moment als dem eigentlichen Adressaten zugegangen. Lesen Sie z.B. bitte § 131 BGB.

12. Sonderfälle

(1) Konkludentes Handeln: Willenserklärungen werden häufig auch wortlos, allein durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten ausgedrückt, z.B. im obigen Fall der öffentlichen Versteigerung durch Handzeichen, bei Kaugummiautomaten an der Straße, durch das Versenden von Ware als erstmalige (konkludente) Angebots-/Vertrags-Annahme ...

(2) Schweigen: Schweigen auf ein Angebot führt i.d.R. nicht zu einem Vertragsschluss.

Lesen Sie hierzu bitte auch § 241a BGB, einer ausdrücklich gesetzlich geregelten Fallgruppe zu diesem Fragekreis.

"Ausnahme von der Ausnahme":

a) Wenn die Beteiligten zuvor ausdrücklich vertraglich vereinbart haben, dass ein Schweigen als Vertragsannahme gelten soll;

b) Schweigen kann im kaufmännischen / gewerblichen Geschäftsverkehr gemäß § 362 HGB unter engen Voraussetzungen als Zustimmung gelten. (B i t t e lesen Sie die Norm).

(3) § 151 BGB Bitte lesen Sie bitte zunächst den Wortlaut der Norm.

Unter den Voraussetzungen der Norm muss die Angebots-Annahme nicht gegenüber dem anderen Vertragspartner erklärt werden. Es muss jedoch eine nach außen unzweideutig in Erscheinung tretende WE erfolgen. Z.B. im Versandhandel Vertrags-Annahme nach Bestell-Eingang bereits im Zeitpunkt der Versandaufgabe der Ware -> Vertragsannahme durch dieses nach außen tretende Verhalten, ohne dass dieses Erklärungsverhalten gegenüber dem Besteller unmittelbar erkennbar gewesen sein muss. Ohne die Norm des § 151 BGB käme der Vertrag erst durch Eintreffen der Ware (innerhalb der Annahmefrist des § 147 II BGB) beim Empfänger / Vertragspartner zustande.

Beispiel: Der in der Praxis häufigste Anwendungsbereich liegt bei für eine Seite ausschließlich vorteilhaften Geschäften, wie Schenkung, Verzicht, Schuldanerkenntnis, Schuldversprechen etc.

(4) Protestatio facto contraria non nocet (widersprüchliches Verhalten): Darunter versteht man eine Erklärung, die in eklatantem Widerspruch zu einem tatsächlichen Verhalten steht. Z.B. ein Fahrgast, der in eine Straßenbahn einsteigt, am Fahrer vorbeigeht und sagt, er widerspreche einem konkludent zustande kommenden (entgeltlichen) Beförderungsvertrag. Dieses widersprüchliche Verhalten führt trotz der entgegenstehenden Willensäußerung zum Zustandekommen eines entgeltlichen Beförderungsvertrages.

(5) Zugangsvereitelungen (z.B. Nichtunterhaltung eines Briefkastens) gehen i.d.R. zu Lasten des den Zugang vereitelnden Empfängers. Wer z.B. mit einer Kündigung seitens des Arbeitgebers rechnet und deswegen seinen Briefkasten abmontiert oder das Namensschild entfernt muss sich im Regelfall den gescheiterten Zugang wegen Rechtsmissbrauchs fiktiv zurechnen lassen. (Fiktiv: Ein Zugang im Rechtssinne hat zwar faktisch nicht stattgefunden, die Rechtsfolgen des vereitelten Zugangs werden gleichwohl wegen missbräuchlichen Verhaltens angenommen, "fingiert")

13. Gefälligkeitsverhältnisse

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Sog. Gefälligkeitsverhältnisse können je nach Einzelfall mit oder ohne (stillschweigenden) Rechtsbindungswillen erfolgen.

(a) Gefälligkeitsverhältnisse i.d.R. ohne Rechtsbindungswillen z.B.

- Mithilfe beim Umzug

- Möbeltransport

- "Versprechen" einer Einladung ins Theater etc.

(b) "Grenzwertig" sind z.B. Fälle aus folgenden Fallgruppen:

- Beaufsichtigung von (Nachbars-, fremden) Kindern

- Mitnahme im Pkw (problematisch im Einzelfall, str.)

(c) Gefälligkeits-Verträge mit Rechtsbindungswillen z.B.

- Schenkung, § 516 BGB (beachte aber § 518 I, II BGB)

- Leihe, § 598 BGB

- Auftrag, 662 BGB

Wesentliche Kriterien zur Annahme oder Verneinung eines (stillschweigenden) Rechtsbindungswillens sind z.B. ob der gefälligkeitshalber Tätige ein eigenes Interesse an der Tätigkeit hat; die Haftungsgefahren, -risiko; die Bedeutung der Gefälligkeitstat für den anderen. Je nachdem, ob man ein (unentgeltliches) vertragliches Schuldverhältnis bejaht oder verneint ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen:

Bei Verneinung eines Rechtsbindungswillen: Zur Anwendung kommen dann nur noch die sog. gesetzlichen Schuldverhältnisse als Anspruchsgrundlagen, z.B. die sog. "deliktischen" Ansprüche aus §§ 823, 831 BGB, die z.B. keinen Ersatz von bloßen Vermögensschäden gewähren.

Bejahenden Falls: Z.B. zusätzlich einklagbare Haupt- und Nebenleistungsansprüche; Schadensersatz auf Vermögensschäden wegen schuldhafter Nebenpflichtverletzung (z.B. bei Annahme eines bindenden Auskunftsvertrages - gegenteilige Rechtsfolge zu § 675 II BGB; erweiterte Einstandspflicht für Gehilfen, § 287 BGB.

14. Auslegung von Willenserklärungen, Verträgen und Gesetzen, Rechtsnormen

I Willenserklärungen werden nach dem sog. objektiven Empfängerhorizont ausgelegt: Maßgeblich für den (zurechenbare) Inhalt einer Willenserklärung ist das, was der Erklärende mit seiner Erklärungshandlung tatsächlich gemeint hat, soweit dieses tatsächlich Gemeinte für den (Erklärungs-)Empfänger erkennbar war. Der Empfänger einer Willenserklärung muss diese nach den erkennbaren Umständen zunächst selbst auslegen / interpretieren, §§ 133, 157 BGB.

Eine falsche Bezeichnung ("falsa demonstratio") ist unschädlich, sofern der Empfänger das vom Erklärenden Gemeinte erkennen kann, lat. "falsa demonstratio non nocet". Gleiches gilt auch für erkennbare Irrtümer oder erkennbare Versprecher oder Verschreiben.

Beispiel: Eine Gärtnerei aus München bestellt bestimmte Pflanzen bei einer Baumschule in Schleswig Holstein. Die Vertragsparteien bezeichnen die Pflanzen in der schriftlichen Bestellung oder Vertrag mit dem falschen lateinischen botanischen Namen. Soweit der Empfänger aus der Vorkorrespondenz oder anderen Umständen erkennen kann, was der Besteller tatsächlich gemeint hat, ist die Falschbezeichnung beispielsweise durch einen falschen lateinischen Namen oder ein falsche Artikel-Nr. unschädlich.

Lesen Sie bitte §§ 133, 157 BGB. Bitte lesen Sie auch §§ 139 - 141 BGB (mehr hierzu s.u.).

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Eine Willenserklärung ist (im Interesse des Schutzes des Rechtsverkehrs) so auszulegen, wie sie ein vernünftiger Mensch in der Rolle des Empfängers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte bzw. verstehen musste.

Maßgeblich ist der sog. objektivierte Empfängerhorizont.

Ausnahme zur vorgenannten Regel der Auslegung nach dem Empfängerhorizont: Testamente sind allein aus Sicht des Testierenden auszulegen, nicht aus Sicht eines objektiven Dritten. (Grund: Da die Testierung allein den Interessen des Erblassers dient und als Willenserklärung nicht empfangsbedürftig ist).

Sofern ein Vertrag bestimmte Punkte unbeabsichtigt nicht geregelt hat ist zunächst zu prüfen, (1) ob das Gesetz eine Regelung für die offenen Fragen vorsieht. Verneinenden Falls - oder wo die gesetzliche Regelung erkennbar nicht zu den anderen vertraglichen Regelungen passt - (2) kommt es zu einer "ergänzenden Vertragsauslegung". Dabei wird versucht, die offenen Rechtsfragen anhand des hypothetischen Willens der Parteien zu beantworten, d.h. es wird gefragt, was die Parteien unter Berücksichtigung

- der bisherigen Gewichtungen und Regelungen des Vertrages, - nach Treu und Glauben und - anhand Verkehrssitte / Verkehrsüblichkeit

vermutlich vereinbart hätten.

II Gesetze und Rechtsnormen sind auszulegen anhand

(1) deren Wortlaut / Wortsinn

Der Wortlaut gibt den maximalen Auslegungsrahmen vor. Was nicht mehr vom Wortlaut umfasst wird kann nur noch unter dem Gesichtspunkt einer (lückenfüllenden) Gesetzes-Analogie begründet werden.

(2) anhand von Sinn und Zweck der Norm (sog. teleologische Auslegung; Frage: Was hat der Gesetzgeber - das Parlament - mit der gesetzlichen Regelung bezweckt und regeln wollen?)

(3) nach dem systematischen Verhältnis der auszulegenden Norm zu anderen Normen und Gesetzen

(4) historische Auslegung: Berücksichtigung der Entwicklung der gesetzlichen Regelung(en), Vorläufer-Normen, frühere Regelungen u.ä.

Gesetzes-Analogie: Eine analoge (entsprechende) Anwendung von bestehenden Rechtsnormen über ihren Wortlaut hinaus kommt in Einzelfällen in Betracht, wo

(1) eine planwidrige (d.h. vom Gesetzgeber unbeabsichtigte) Regelungslücke besteht und

(2) die Interessenlage und der Sinn & Zweck der analog herangezogenen Rechtsnorm mit der anstehenden offenen Rechtsfrage vergleichbar sind.

15. Besondere Formvorschriften

Die Tätigung von Rechtsgeschäften und der Abschluss von Verträgen ist grundsätzlich formfrei,

es sei denn, das Gesetz (oder ein Vertrag) schreibt im Einzelfall eine bestimmte Form vor.

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In der Praxis dient der Abschluss von Verträgen in schriftlicher Form vorrangig Beweiszwecken und der Klarheit über den Vertragsinhalt.

Soweit das Gesetz - in Ausnahmefällen - die Schriftform vorschreibt dient dies

(a) dem Übereilungsschutz: Schutz des Erklärenden vor unüberlegten mündlichen Zusagen (z.B. bei Grundstücksverträgen, Schenkungsversprechen, Bürgschaftserklärungen)

(b) der Rechtsklarheit für den Erklärungsempfänger (z.B. bei Kündigungserklärungen)

(c) der Rechtsklarheit für Dritte über bestimmte Rechtsverhältnisse (z.B. langfristige Mietverträge)

(d) der Information und Dokumentation (z.B. Verbraucherinformationen bei Verbraucher-Darlehensverträgen, schriftliche Belehrung über Widerrufsrechte)

Beispiele:

a) Im Rahmen von Verträgen:

- Verpflichtungs-Verträge zur Übertragung von Grundstücken, § 311b BGB

- Verbraucher-Darlehensverträge, §§ 492 I, 494 I BGB

- Schenkungsversprechen (+ notarielle Form, jedoch vollständige Heilung der Formmängel bei Vollzug der Schenkung), § 528 BGB

- Mietverträge > 1 Jahr Laufzeit; mangels Schriftform a.o. Kündigung möglich, § 550 BGB

- arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag, § 623 BGB

- Bürgschaftserklärung, § 766 BGB (Ausnahme: im Handelsverkehr, § 350 HGB)

- Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis, § 780 f. BGB (Ausnahme: im Handelsverkehr, § 350 HGB)

- Eigentumsübertragung oder (dingliche) Belastung von Grundstücken / Immobilien, § 873 I, II BGB

b) Schriftform bei (einseitigen) Rechtsgeschäften:

- Kündigung eines Wohnraum-Mietverhältnisses, 568 I BGB- Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, § 623 BGB

Eine Regel dahingehend, dass Rechtsgeschäfte oder Verträge ab einem bestimmten Wert (z.B. 100.000 oder 1 Mio. Euro) der Schriftform bedürften kennt das deutsche Recht nicht.

Die Rechtsfolge der Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen (Schrift)Form ist regelmäßig die Nichtigkeit (= Unwirksamkeit) des Rechtsgeschäftes / Vertrages, § 125 BGB, in Ausnahmefällen auch geringere Sanktionen, vgl. § 550 BGB.

Bitte lesen Sie nunmehr die §§ 125 - 129 BGB Bitte lesen Sie auch §§ 140, 141 BGB.

Beispiele zu § 140 BGB (Umdeutung nichtiger Rechtsgeschäfte):

- Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine wirksame ordentliche Kündigung; Umdeutung einer Kündigung mit unrichtigem Kündigungstermin in Kündigung zu richtigem Termin;

- Umdeutung einer unwirksamen Anfechtung in eine wirksame Kündigung;

- Umdeutung einer im Einzelfall unwirksamen Forderungs-Abtretung in eine wirksame Einziehungsermächtigung;

- Umdeutung eines dinglichen Vorkaufsrechts in ein vertragliches / persönliches Vorkaufsrecht;

Die gleiche Nichtigkeitsfolge ergibt sich auch, wo das Rechtsgeschäft / Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, § 134 BGB, oder bei Sittenwidrigkeit, § 138 BGB.

Sofern nur einzelne Teile eines Rechtsgeschäfts (i.d.R. einzelne Vertragsbestimmungen, aber auch bei mehreren sachlich zusammenhängende Verträgen möglich) nichtig sind geht das (deutsche) Recht als Grundsatz von einer Gesamtnichtigkeit aus, § 139 BGB.

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Dieser Grundsatz wird jedoch nicht selten durch andere gesetzliche Normen oder durch die Gerichte unter Abstellen auf den wahren oder hypothetischen (mutmaßlichen) Parteiwillen d u r c h b r o c h e n, da die Gesamtnichtigkeit im Einzelfall z.T. den schützenswerten Interessen der Beteiligten zuwider läuft. § 139 BGB wird von der Rechtsprechung daher als - widerlegbare - Vermutungsregel aufgefasst.

Ebenso sollen sog. "salvatorische Klauseln" in Verträgen nach der Rechtsprechung nicht (umgekehrt) stets zur Wirksamkeit eines Vertrags-Rests führen, sondern ebenfalls nur eine Beweislast-/Vermutungsregel darstellen, die durch Gegenbeweis widerlegt werden kann.

Bitte lesen Sie in diesem Zusammenhang nochmals §§ 139 - 141 BGB, sowie zur Wiederholung §§ 125, 134, 138 BGB.

Wir sehen also, dass auch die Gerichte die Gesetzesnormen nicht starr anwenden, sondern die Rechtsfälle im Einzelfall einer interessengerechten Lösung "innerhalb des noch möglichen Interpretationsspielraums der Gesetze" zuzuführen versuchen. (Das Recht soll dem Menschen dienen, nicht über den Menschen herrschen).

Vgl. auch §§ 276 III, 444, 475 I, 536d BGB u.v.m. (hier jeweils keine Gesamtnichtigkeit, sondern nur Unwirksamkeit einzelner Vertrags-Klauseln)

Im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Grundsatz der Gesamtnichtigkeit ebenfalls aufgehoben, s. § 306 I BGB.

16. Bedingungen und Befristungen

Rechtsgeschäfte und Verträge können auch unter der Bedingung stehen, dass bestimmte Rechtsfolgen (z.B. die Wirkungen einer WE oder eines Vertrages) erst eintreten sollen, wenn bestimmte Voraussetzungen eingetreten sind. Man unterscheidet zwischen (a) aufschiebenden und (b) auflösenden Bedingungen.

a) Beispiele für aufschiebende Bedingungen:

- Bestell-Angebot unter der Bedingung, dass die Lieferung innerhalb einer bestimmten Frist erfolgt;

- Wirksamkeit eines Kaufvertrages unter der Bedingung, dass eine Vertragspartei zuvor eine bestimmte Handlung vornehmen muss (z.B. Leistung einer Anzahlung; Begleichung früherer Schulden)

- Eigentumsvorbehalt, vgl. § 449 I BGB

b) Beispiele für auflösende Bedingung:

- Ende eines Miet-, Geschäftsführer-, Arbeitsverhältnisses bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses.

Bitte lesen Sie hierzu §§ 158 ff. BGB.

In gleicher Weise können Verträge oder Rechtsgeschäfte aufschiebend oder auflösend befristet werden, vgl. §§ 163 i.V.m. 158 BGB. (Z.B. zeitlich befristete Miet-, Arbeits-, Darlehensverhältnisse).

"Bedingung" meint die Abhängigkeit von einem ungewissen zukünftigen Ereignis,

"Befristung" kennzeichnet das Anknüpfen an einen zukünftigen Zeitpunkt.

Aufgabe: B i t t e denken Sie nach über eine Situation, in der Sie einmal einen bedingten oder befristeten Vertrag geschlossen haben.

Anschließend überlegen Sie sich b i t t e eine Situation, in der Sie bei Ihrer Arbeit veranlasst sein könnten, eine Bedingung oder Befristung einzusetzen.

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17. Anfechtung von Willenserklärungen

Manchmal geschieht es, dass bei der Abgabe von Willenserklärungen Fehler unterlaufen, z.B. weil man sich verschreibt, ein Zahlendreher bei einer Bestellnummer oder einem Angebotspreis passiert o.ä. Dann würde sich der Erklärende vielleicht gerne von seiner ursprünglichen WE lösen oder diese wenigstens korrigieren wollen. Auf der anderen Seite ist der Empfänger der Willenserklärung schutzbedürftig - vielleicht hat er im Vertrauen auf die WE bereits bestimmte Handlungen vorgenommen, z.B. eine Sonderanfertigung nach den ursprünglichen Angaben des Bestellers produziert, Materialien eingekauft, eine Ware zum Versand aufgegeben.

Das Gesetz löst dieses Spannungsverhältnis dadurch, dass es die sog. "Anfechtung" von WE einerseits unter bestimmten Umständen zulässt, andererseits dem Empfänger der WE einen (begrenzten) Schadensersatz zubilligt, falls er im Vertrauen auf den Bestand der WE bestimmte Dispositionen getroffen hat.

Durch die Anfechtung einer WE werden deren primäre Rechtsfolgen rückwirkend beseitigt. Bitte lesen Sie hierzu § 142 Abs. I BGB.

Das Gesetz lässt folgende Anfechtungsgründe zu:

Inhaltsirrtum, § 119 I Alt. 1 BGB:

("Wer bei ... über deren Inhalt im Irrtum war ...")

Beispiel: Schriftliche Bestellung für "Artikel Nr. 2114" in der Vorstellung, dass es sich dabei um das Mobiltelefon Hersteller XY Modell 123, Farbe Silber handeln würde, während es sich entweder um einen ganz anderen Gegenstand, anderen Hersteller, anderes Modell oder eine andere Farbe handelt.

Erklärungsirrtum, § 119 I Alt. 2 BGB:

("Wer ... eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte ...")

Beispiel: Versprechen, Verschreiben, Vertippen etc.

- Irrtum in der Erklärungshandlung -

Eigenschaftsirrtum, § 119 II BGB:

(Irrtum über eine verkehrswesentlich Eigenschaft)

Irrtum über "unmittelbare, verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person oder Sache" - einzelfallabhängig, mit normativen/wertenden Elementen, je nach Verhältnissen z.B.

- Alter einer Sache- Produkteigenschaften, -funktionen

Nicht zur Anfechtung berechtigen: - Kalkulationsirrtum (Irrtum über Berechnungsgrundlagen die z.B. über die Gewinnmarge eines Geschäfts entscheiden)

- Motivirrtum: Kauf von Lilien bei einem Floristen in der Erwartung, die Freundin würde Lilien mögen

- Rechtsfolgenirrtum: Irrtum über weitere rechtliche Konsequenzen eines Rechtsgeschäfts

- Irrtum über Sach-/Rechtsmängel nach Gefahrübergang (Grund: Nach Übergabe der Ware sollen die speziellen gesetzlichen Gewährleistungsregeln zur Anwendung kommen und nicht durch die allg. Anfechtungsregeln verdrängt/ausgehebelt werden, die Einzelheiten sind z.T. strittig)

Bei falscher Übermittlung: § 120 BGB

Anfechtbarkeit bei arglistiger Täuschung oder rechtswidriger Drohung:

§ 123 BGB

Bei beidseitigem Motivirrtum können eventuell die Regeln über die Störung / Fehlen / Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Anwendung kommen, § 313 BGB.

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Die Anfechtung ist unverzüglich (§ 121 BGB) nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner zu erklären, § 143 BGB. Bei Arglist und Drohung beträgt die Anfechtungsfrist ausnahmsweise 1 Jahr, § 124 BGB.

Unmittelbare Rechtsfolge der Anfechtung ist die Nichtigkeit der WE und des Rechtsgeschäfts mit Wirkung "ex tunc" (rückwirkend auf den Anfang / von Anfang an), § 142 BGB.

- > Rückabwicklung eines vollzogenen Geschäfts nach §§ 812 I 1 Alt. 1, 818 BGB.

Weitere Folge:

- > Ggf. Schadensersatzpflicht des Anfechtenden (Höhe: Begrenzt auf den Vertrauensschaden / sog. negatives Interesse, z.B. Vertragsabschluss-, Transport-, Lagerkosten, i.d.R. nicht entgangener Gewinn des Verkäufers. Obere Grenze des Schadensersatzes: Das sog. Erfüllungsinteresse des anderen Anfechtungsgegners - wie dieser bei Wirksamkeit der angefochtenen WE stehen würde.)

Bitte lesen Sie in diesem Zusammenhang auch nochmals § 144 BGB.

18. Das Abstraktions- / Trennungsprinzip

Vertragsverhältnisse bestehen in der Regel aus

I einem "schuldrechtlichen" sog. Grund-/ Kausal- Verhältnis, z.B. - einem Kauf-, Dienst-, Werk-, Miet-, Bürgschafts-, Darlehensvertrag,

und

II einem "dinglichen" sog. Erfüllungs-/ Vollzugsverhältnis, z.B. - die Übergabe und Übereignung der verkauften Ware, - die Auszahlung des Darlehensbetrages, - die Überlassung einer vermieteten Wohnung. - i.d.R. Besitz-/ Eigentumsverschaffung

Die Nichtigkeit des Grund- bzw. Kausalverhältnisses (z.B. wegen Form-Verstoßes, aufgrund Anfechtungserklärung, Sittenwidrigkeit etc.) führt nach deutschem Recht nunmehr grundsätzlich nicht zugleich zur Nichtigkeit auch des Erfüllungs- / Vollzugsverhältnisses, sondern letzteres bleibt im Regelfall wirksam und muss selbständig "rückabgewickelt" werden (i.d.R. über §§ 812 ff. BGB). Das schuldrechtliche und das dingliche Rechtsverhältnis sind getrennt voneinander zu beurteilen, daher Abstraktions-/ Trennungsprinzip.

Zur Lösung eines Falls bietet sich an, die Rechtsbeziehungen zwischen 2 Personen A und B stets wie folgt vorstellen:

AKausalverhältnis, z.B. Kaufvertrag, § 433 BGB

Bdingliches Rechtsverhältnis, z.B. Eigentums-übertragung, § 929 BGB

Auf diese Weise, dem "Über- und Unter-dem-Strich-Denken", lässt sich die rechtliche Situation viel leichter durchdenken.

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19.1 AGB-Recht - Das Recht der "allgemeinen Geschäftsbedingungen"

Die Rechtsgrundlagen des AGB-Recht finden sich in §§ 305 - 310 BGB.

Def.: Allgemeine Geschäftsbedingungen sind vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Partei vor Vertragsschluss zur Regelung von Nebenfragen stellt.

Bitte lesen Sie jetzt § 305 I BGB.

Die wirksame Einbeziehung und Wirksamkeit von AGB wird i.d.R. wie folgt geprüft:

I. Anwendungsbereich

II. Einbeziehungskontrolle

III. Auslegung

IV. Inhaltskontrolle

V. Rechtsfolgen

I Anwendungsbereich

Im AGB-Recht gibt es zwei grundlegende "Weichenstellungen" in Betreff ihres Anwendungsbereichs.

a) Sachlicher Anwendungsbereich des AGB-Rechts: § 310 IV BGB:

Die gesetzlichen Regeln zum AGB-Recht finden keine Anwendung in den Bereichen Erbrecht (insbesondere bei Erbverträgen), Familienrecht (insbesondere bei Eheverträgen), Gesellschaftsrecht (insbes. bei Gesellschaftsverträgen, z.B. OHG, KG, GmbH, GbR), bei Tarifverträgen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen.

Im Bereich des Arbeitsrechts (insbesondere bei Arbeitsverträgen) gelten die §§ 305 - 310 BGB nur eingeschränkt.

Bei Vertragsverhältnisse über Elektrizität, Gas, Wasser, Fernwärme finden bestimmte Vorschriften keine Anwendung, s. § 310 II BGB.

Bitte lesen Sie nochmals § 310 IV BGB.

b) Persönlicher Anwendungsbereich: § 310 I BGB. Es wird unterschieden zwischen der Verwendung von AGB

(1) gegenüber einem Unternehmer (zum "Unternehmer"-Begriff s. § 14 BGB) -> hier gelten bestimmte (Schutz-)Vorschriften nicht: §§ 305 II, III, 308, 309 BGB finden keine Anwendung.

(2) gegenüber einem "Verbraucher" (s. § 13 BGB).

- Es gelten die erweiterten Schutzvorschriften, §§ 305 II, III, 308, 309 BGB, s. § 310 I BGB; - AGB gelten als "vom Unternehmer (einseitig) gestellt", § 310 III Nr. 1 BGB; - die meisten Schutzvorschriften finden bereits dann Anwendung, wenn vorformulierte Klauseln schon zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, § 310 III Nr. 2 BGB.- s. auch § 310 III Nr. 3 BGB.

II. Wirksame Einbeziehung von AGB-Klauseln in den Vertrag

a) Bei AGB-Verwendung gegenüber

=> Unternehmern kommen § 305 II, III BGB nicht zur Anwendung (s. § 310 I BGB) mit der Folge insbesondere, dass (a) ein ausdrücklicher Hinweis auf die AGB i.d.R. entbehrlich ist

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(b) die AGB nicht inhaltlich gezeigt werden müssen.

In jedem Fall muss aber auch bei Verwendung gegenüber Unternehmern eine nach den allg. Regeln wirksame (i.d.R. konkludente) Zustimmung zu den AGB des Vertragspartners vorliegen und nachgewiesen werden.

=> Verbrauchern sind insbesondere die § 305 II Nr. 1 und Nr. 2 BGB zu beachten. Bitte lesen Sie die Normen nochmals.

b) Individuelle Abreden verdrängen eventuelle entgegenstehende Klauseln, § 305 b BGB.

c) "Überraschende" (ungewöhnlich-exotische) Klauseln bleiben wirkungslos, § 305 c I BGB.

III. Auslegung von AGB-Klauseln

Auslegung zunächst nach den allgemeinen Regeln, §§ 133, 157 BGB. Bei unklaren Klauseln gehen Zweifel der Auslegung zu Lasten des "Verwenders" der AGB, § 305 c II BGB.

IV. Inhaltskontrolle

(1) Klauselverbote gemäß § 309 BGB (bei AGB gegenüber Verbrauchern, s. § 310 I)

(2) Klauselverbote gemäß § 308 BGB (bei AGB gegenüber Verbrauchern, s. § 310 I)

(3) Generalklausel gemäß § 307 BGB (Verbraucher und Unternehmer, s. § 310 I 1, 2)

Die Prüfungsreihenfolge verläuft von der speziellsten Norm (§ 309 BGB) zur allgemeinsten (§ 307 BGB)

V. Rechtsfolgen

-> I.d.R. Unwirksamkeit der einzelnen Klausel, s. §§ 309, 308, 307 BGB + subsidiäre Anwendung der "gesetzlichen" Regelungen für die von der unwirksamen Klausel betroffene Rechtsfrage, § 306 II BGB.

Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen, § 306 I BGB, Ausnahme: § 306 III BGB.

19.2 AGB im geschäftlichen Verkehr

Als Privatperson und Verbraucher hat man aufgrund der weitreichenden gesetzlichen Verbraucher-Schutzvorschriften häufig selten tatsächlich negative Erfahrungen mit AGB gemacht. Dies ist im unternehmerischen Verkehr ganz anders.

Ein Beispiel: Im Verkehr zwischen Unternehmern sind Vertragsstrafen-Klauseln in AGB keine Seltenheit, gleichwohl treffen sie die andere Seite häufig gänzlich unerwartet. Die Regelung von Vertragsstrafen in AGB (z.B. wegen Lieferzeit-Überschreitungen) ist im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern nach Auffassung der Rechtsprechung im Grundsatz zulässig, bei Verwendung gegenüber „Verbrauchern“ (§ 13 BGB) dagegen unwirksam, vgl. § 309 Nr. 6 BGB. Siehe auch § 343 BGB und § 348 HGB.

Die Regelungen des BGB über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) differenzieren zwischen der Verwendung von AGB gegenüber

a) Verbrauchern (i.S.d. § 13 BGB) b) Unternehmern (i.S.d. § 14 BGB)

Das BGB verwendet hier (aufgrund zwischenzeitlicher Gesetzes-Modernisierungen und EU-Harmonisierungen) die neuen Begriffe „Verbraucher“ und „Unternehmer“, die in §§ 13, 14 BGB definiert sind. Der Begriff des „Unternehmers“ i.S.d. BGB deckt sich nicht voll mit dem „Kaufmanns“ i.S.d. HGB, sondern umfasst insbesondere auch Kleingewerbetreibende und Freiberufler.

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Während die (Schutz-)Vorschriften der §§ 305 - 309 BGB voll für Verträge mit Verbrauchern zur Anwendung kommen (Ausnahme: § 310 II, IV BGB), gelten

- die besonderen Hinweispflichten der § 305 II, III BGB gar nicht (§ 310 I 1 BGB)

- die konkreten Klausel-Verbote der §§ 308, 309 BGB nicht unmittelbar (§ 319 I 2 BGB)

bei AGB gegenüber Unternehmern.

Im geschäftlichen Verkehr ist

1. eine erleichterte Einbeziehung von vielfältigen Klauseln möglich und

2. sind auch viele ungleichgewichtige (einseitig benachteiligende) Klauseln häufiger wirksam.

Das bekannte Prüfungsmuster von AGB gilt auch hier:

III. Anwendungsbereich (persönl. u. sachlicher) der §§ 305 ff. BGB: § 310 I 1, 2, III, IV BGB

IV. Einbeziehungskontrolle, s.u.

V. Auslegung - §§ 133, 157 BGB (allgemeine BGB-Regeln) - § 305b BGB (Vorrang der Individualabrede) - § 305c II BGB (verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des AGB-Verwenders)

VI. Inhaltskontrolle, s.u.

VII. Rechtsfolgen, § 306 BGB

Im geschäftlichen Verkehr sind insbesondere folgende Besonderheiten zu beachten:

Oben zu II. Einbeziehungskontrolle: Nicht erforderlich ist (1) ein besonderer, expliziter Hinweis auf die AGB und (2) ein unaufgefordertes Zeigen der AGB. Dies ergibt sich daraus, dass gemäß § 310 I 1 BGB die besonderen Hinweisvorschriften des § 305 II Ziff. 1 und 2 BGB nicht zur Anwendung kommen. Daher richtet sich die Frage de wirksamen Einbeziehung von AGB nach der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre und den allgemeinen Regeln über Verträge, § 145 ff. BGB.

In der Praxis bedeutet dies, dass jeder Vertragspartner zur Einbeziehung seiner AGB bis zum Zeitpunkt des wirksamen Vertragsschlusses erkennbar, i.d.R. aber nur konkludent (nicht ausdrücklich) auf seine AGB hinweisen muss oder Bezug nimmt und die Gegenseite dem nicht widerspricht. Der fehlende Widerspruch der anderen Seite stellt hierbei keinen "Vertragsschluss durch Schweigen" (s. § 362 HGB) dar, sondern als pauschale Zustimmung zum Vertragsangebot der Gegenseite; und im Vertragsangebot der Gegenseite war als Nebenbedingung auf die AGB hingewiesen worden. Lediglich "überraschende Klauseln" werden gem. § 305c I BGB nicht wirksam Bestandteil des Vertrages.

Die Einbeziehung bzw. der Hinweis auf die eigenen AGB muss dabei entweder vor oder spätestens unmittelbar im Zusammenhang mit der Angebots-Annahme / Vertragsschluss erklärt werden. Eine spätere Einbeziehung oder Hinweis auf eigene AGB ist i.d.R. ohne Rechtswirkung.

Ausnahme: Die Erklärung des Eigentumsvorbehalts bei auszuliefernder Ware. Diese Erklärung - da einseitig Wirkung entfaltend (da kein Vertrag) - kann auch noch nach Vertragsschluss und einseitig wirksam (aber häufig vertragswidrig / rechtswidrig*) erfolgen. Doch muss auch in diesem Fall der Eigentumsvorbehalt rechtzeitig vor oder mit der Aushändigung und gegenüber einem auf der Gegenseite Verhandlungs- / (rechtsgeschäftlich) Vertretungsberechtigten erklärt werden, was ohne besondere Vorkehrungen i.d.R. nicht erreicht wird. Ein schriftlicher (nachträglicher) Eigentumsvorbehalt lediglich auf dem Lieferschein bei Auslieferung ist häufig wirkungslos.

*Erkennen Sie die Unterschiede: Rechts- oder vertragswidrig und trotzdem wirksam: Rechtswidrig, da unter

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Verstoß gegen die vertraglichen Abreden (schuldrechtliche Ebene), aber wirksam auf dinglicher Ebene (Eigentum).

Oben zu IV. Inhaltskontrolle. Maßgeblich ist § 307 BGB, wobei Abs. I 1 i.V.m. Abs. II Nr. 1 und Nr. 2 vorrangig vor Abs. I 1 zu prüfen sind. Zwar sind die §§ 309 und 308 BGB gegenüber Unternehmern gem. § 310 I 1 BGB nicht unmittelbar anwendbar. Eine Unvereinbarkeit einer Klausel mit einem Fall des § 309 BGB stellt jedoch ein Indiz für eine Unwirksamkeit der Klausel (auch) nach den Maßstäben des § 307 BGB dar.Nach h.M. stellen auch die in § 308 BGB geregelten Fälle Konkretisierungen der Generalklausel des § 307 BGB dar, so dass bei Verstoß gegen § 308 BGB auch im unternehmerischen Verkehr vielfach eine Unwirksamkeit nach § 307 I oder II BGB vorliegen wird; dies umso mehr, als die Fälle des § 308 BGB bereits konkretisierungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten. die eine Berücksichtigung der Besonderheiten des Geschäftsverkehrs gestattet, siehe § 310 I 2 BGB.

Es e m p f i e h l t sich, wenigstens bei bedeutenden Geschäften

1. die AGB des Geschäftspartners zu überfliegen

2. ggf. dagegen (oder gegen einzelne Klauseln) zu widersprechen.

Es genügt i.d.R. eine Email oder Fax: „Der Einbeziehung Ihrer AGB widersprechen wir“ oder „Der Klausel Nr. 13 (z.B. Vertragsstrafe) und Nr. 15 (z.B. Unverbindlicherklärung von Lieferfristen) Ihrer AGB widersprechen wir“

und / oder die problematischen Punkte konkret zu besprechen und individuell zu regeln (§ 305b BGB)

3. oder bereits im Vorhinein auf das Vorhandensein von sog. Abwehrklauseln (gegen gegnerische AGB) in eigene AGB zu achten und die eigenen AGB bei den Erklärungen zum Vertragsabschluss einzubeziehen, z.B.

„... nehmen wir Ihr Angebot vom ... unter Einbeziehung unserer AGB an“

oder z.B. in der Fußzeile der Geschäftskorrespondenz der Hinweis „es gelten unsere AGB“.

Umstritten ist, ob der bloße Abdruck eigener AGB auf der Rückseite der Geschäftskorrespondenz bereits wirksam zur Einbeziehung der AGB führt.

20. Stellvertretung und Vollmacht

a) Jeder kann sich vielfach freiwillig durch eine andere Person vertreten lassen, z.B. können Sie Ihrem Ehegatten Vollmacht für Ihr Konto erteilen, Ihrem Anwalt Vollmacht zu Ihrer Vertretung in einem bestimmten Rechts- oder Prozessverhältnis, Ihren Eltern Vollmacht zu Ihrer Vertretung für unerwartete Fälle bei längerer Urlaubsabwesenheit. In all diesen Fällen würden Sie eine sog. rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung erteilen.

Die Vertretungsmacht für einen anderen kann sich auch kraft gesetzlicher Anordnung ergeben, so z.B. die gesetzliche Vertretungsmacht von Eltern für ihre minderjährigen Kinder oder die gesetzliche Vertretungsmacht von Vorständen oder dem Aufsichtsrat einer AG oder eines Sportvereins und von Geschäftsführern einer GmbH zur Vornahme von Rechtshandlungen mit Wirkung für die juristische Person (GmbH, AG, e.V.; wenngleich diese sog. organschaftlichen Vertreter von juristischen Personen i.d.R. von den Gesellschaftern oder dem Aufsichtsrat gewählt werden.)

b) Der Unterschied zwischen einem (Stell-)Vertreter und einem Boten liegt darin, dass der Vertreter mit eigenem Beurteilungsspielraum ausgestattet ist; er gibt eine eigene Willenserklärung in fremdem Namen. Der Bote hingegen gibt / leitet lediglich eine fremde Willenserklärung weiter. Lesen Sie hierzu § 164 I BGB.

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c) Der Vertreter wird häufig nicht ausdrücklich erklären, dass er eine Willenserklärung "in fremdem Namen" abgibt wo dies aus den äußeren Umständen bereits erkennbar ist. Z.B. bei Mitarbeitern eines Unternehmens. Sofern das Handeln für einen anderen aus den äußeren Umständen erkennbar ist reicht dies für eine ordnungsgemäße Vertretung aus. Bei fehlender Erkennbarkeit des Handelns "in fremdem Namen" verpflichtet das Geschäft den Handelnden selbst, § 164 II BGB. Eine Anfechtung dieses Irrtums (des Handelnden) wäre hier nicht gestattet.

d) Ein für die Praxis wichtiger Fall hierzu aus der jüngsten Rechtsprechung:

"Bei Abschluss eines Mietvertrags durch eine Aktiengesellschaft ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn alle Vorstandsmitglieder unterzeichnen oder eine Unterschrift den Hinweis enthält, dass das unterzeichnende Vorstandsmitglied auch die Vorstandsmitglieder vertreten will, die nicht unterzeichnet haben." BGH, Urteil vom 4. 11. 2009 - XII ZR 86/07.

Bei formbedürftigen Rechtsgeschäften wie langfristigen Mietverträgen, Grundstücksübertragungen, miet- oder arbeitsrechtlichen Kündigungen kann daher das Fehlen des einfachen Vertreterzusatzes "i.V." zur Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts führen. Die oben beschriebene Rechtsfolge gilt außer der Aktiengesellschaft ebenso für andere juristische Personen (z.B. GmbH, Vereine) und Personengesellschaften (GbR, OHG, KG).

Aufgabe: Bitte wenden Sie das oben beschriebene Urteil auf den Fall an, in dem ein Pärchen eine Wohnung anmieten möchte, die Eingangszeile des Mietvertrages lautet "Mietvertrag zwischen A als Vermieter und B & C als Mieter", A und B den Vertrag unterzeichnen und C aber vorab die Einwilligung hierzu erteilt hat. Bitte lesen Sie hierzu ebenfalls nochmals § 550 BGB.

e) Die Erklärung über die Vollmachtserteilung kann sowohl gegenüber dem zu Bevollmächtigenden wie gegenüber dem Dritten erfolgen, dem gegenüber der Bevollmächtigte handeln soll, § 167 I BGB.

Zur Wirkungsdauer bei

- urkundlich - öffentlich oder - gegenüber Dritten

erklärten Vollmachten siehe §§ 170 - 173, 176 BGB.

f) Bei der Vollmachtsausübung ist zwischen dem sog. Innen- und Außenverhältnis zu unterscheiden. Das Innenverhältnis betrifft das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter; das Außenverhältnis betrifft das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Dritten.

Es kann vorkommen, dass der Vertreter seine Pflichten aus dem Innenverhältnis verletzt, der Dritte dies jedoch nicht erkennt. Hier gilt grundsätzlich, dass das Vertreterhandeln wirksam ist und der Vertretene nur im Innenverhältnis den Vertreter in Regress nehmen kann (kurz: In der Regel trägt der Vertretene das Missbrauchsrisiko).

Ausnahmen hiervon: Wenn der Vertreter und der Dritte bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken oder dem Dritten der Missbrauch der Vertretungsmacht erkennbar ist oder sich der Verdacht eines Missbrauchs zumindest objektiv aufdrängen musste.

g) Soweit jemand im Namen eines Dritten handelt, hierzu aber nicht bevollmächtigt war tritt im Grundsatz dieselbe Rechtsfolge ein wie bei Handeln eines beschränkt geschäftsfähigen Kindes, d.h. der Vertrag ist schwebend unwirksam, § 177 BGB. Der (unbewusst) Vertretene kann den Vertrag genehmigen oder dessen Rechtswirkungen ablehnen. Dies gilt zunächst für zweiseitige Rechtsgeschäfte, i.d.R. für Verträge.

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Bei einseitigen Rechtsgeschäften (z.B. Kündigungen, Anfechtungs-, Rücktrittserklärungen, Vollmachtserteilungen, Auslobung) durch einen ohne Vollmacht Handelnden gilt grundsätzlich ähnliches wie bei o.g. zweiseitigen Rechtsgeschäften mit geringen Modifikationen. Bitte lesen Sie hierzu §§ 180 und 174 BGB.

Wer ohne Vertretungsmacht als Vertreter auftritt ("Vertreter ohne Vertretungsmacht", unberechtigte Vertretung) hat denjenigen, der auf die Wirksamkeit des Vertreterhandelns vertraute, nach dessen Wahl - so zu stellen, als wäre das Vertreterhandeln wirksam (Anspruch auf Erfüllung des Rechtsgeschäfts) oder - Schadensersatz zu leisten.

B i t t e lesen Sie hierzu § 179 BGB.

h) In der Praxis wichtig: Hat ein Vertreter ein einseitiges Rechtsgeschäft (z.B. eine Kündigung) gegenüber einem Dritten vorgenommen, jedoch keine Vollmachtsurkunde vorgelegt, so hat der Dritte die Möglichkeit, die Willenserklärung unverzüglich zurückzuweisen. In diesem Fall treten die Rechtswirkungen der einseitigen Willenserklärung des Vertreters nicht ein. Dies kann insbesondere bei fristgebundenen Erklärungen misslich sein, da die Erklärung mit Verzögerung und unter Vollmachtsvorlage erneut vorgenommen werden müsste. Lesen Sie hierzu bitte § 174 BGB.

i) Zwischen dem Vertreter und dem Dritter bestehen regelmäßig keine rechtsgeschäftlichen (z.B. vertragliche) Beziehungen, sondern lediglich zwischen dem Vertretenen und dem Dritten. (Den Vertreter treffen i.d.R. lediglich die gesetzlichen Pflichten aus "Delikt", § 823 BGB u.ä., z.B. wenn er den Dritten am Körper verletzt eine Sache des Dritten beschädigt).

Vertretener ────────── Dritter

Vertreter

In Ausnahmefällen können den Vertreter jedoch nebenvertragliche Sorgfalts-, Rücksichtsnahme- u.ä. Pflichten treffen sowie bei Verletzung dieser Pflichten Schadensersatzpflichten. Bitte lesen Sie hierzu §§ 311 III, 241 II BGB.

j) Eine Stellvertretung ist in folgenden Fällen verboten und rechtlich unwirksam:

- Vornahme von Rechtsgeschäften in Vertretung für den Vertretenen einerseits und mit sich im eigenen Namen andererseits, § 181 Alt. 1 BGB (sog. Insichgeschäft);

- Vornahme von Rechtsgeschäften durch denselben Vertreter auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts, z.B. wäre unwirksam die Vertretung des Verkäufers und Käufers eines Vertrages durch denselben Vertreter, § 181 Alt. 2 BGB (Verbot der Doppelvertretung);

- kollusives Zusammenwirken zwischen dem Vertreter und einem Dritten zum bewussten Nachteil des Vertretenen (Unwirksamkeit des Vertreterhandelns gemäß §§ 242; 826 BGB)

B i t t e überlegen Sie sich 3 Situationen, in denen die oben genannten Fallgruppen in Ihrem Privatleben oder Unternehmen relevant werden könnten.

21. Rücktritt & Kündigung

Das Gesetz (oder der zwischen zwei Parteien geschlossene Vertrag) gewährt zum Teil Rücktritts- oder Kündigungsrechte. Rücktritts- und Kündigungsrecht stehen in einem Entweder-Oder Verhältnis, d.h. entweder

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kommen für einen bestimmten Vertragstyp abstrakt Rücktritts- oder Kündigungsrechte in Betracht, regelmäßig aber nicht beide zugleich.

A Bei Dauerschuldverhältnissen (Miet-, Pacht-, Darlehens-, Dienstvertrag) kommen in der Regel Kündigungsrechte zur Anwendung. Diese können bestehen als Recht zur

a) ordentlichen Kündigung, z.B. § 573 c beim WohnraumMietV, § 580 a beim GewerberaumMietV, § 622 beim ArbeitsV, oder

b) außerordentlichen Kündigung ("a.o. Kündigung"), z.B. §§ 543, 569 beim MietV, § 626 beim ArbeitsV.

Soweit innerhalb einzelner Rechtsverhältnisse nicht ausdrücklich außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten vorsehen sind kommt i.d.R. das allg. gesetzliche Recht zur a.o. Kündigung "aus wichtigem Grund" zur Anwendung, § 314 BGB.

B Bei anderen als Dauerschuldverhältnissen kommt i.d.R. ein Rücktrittsrecht in Betracht. Dies kann wiederum aufgrund vertraglicher Vereinbarung (z.B. auch durch AGB) oder kraft gesetzlicher Anordnung bestehen.

a) Spezialgesetzliche Rücktrittsrechte sind beispielsweise geregelt im Rahmen der Regelung der Mängel-Gewährleistungsrechte, z.B. §§ 437 Nr. 2, 440 BGB beim Kaufvertrag; § 376 HGB beim "Handelskauf"; §§ 634 Nr. 3, 636 BGB beim Werkvertrag;

b) unabhängig von besonderen Vertragstypen sind allgemeine Rücktrittsrechte vorgesehen nach §§ 323, 324 und 326 BGB.

Durch die Ausübung des Rücktrittsrechts (durch Erklärung gegenüber der anderen Seite) erlischt das Rechtsverhältnis nicht, sondern es wandelt sich um in ein sog. Rückabwicklungs-Schuldverhältnis, das nach §§ 346 ff. BGB abzuwickeln ist. (Rechtsfolgen-Seite).

Beachte: Die Vorschriften der §§ 323 ff. BGB setzen das Vorliegen "gegenseitiger" Verträge voraus, (siehe den Wortlaut der Normen). Diese liegen i.d.R vor, wenn beide Seiten zu einer Hauptleistung verpflichtet sind, so bei Kaufvertrag, Werkvertrag, Miete, Pacht. Nicht bei Auftragsrecht, §§ 662 ff. BGB, Leihe, § 598 ff. BGB.

Prüfungsaufbau:

1. a) Liegen vertragliche Regelungen über Rücktrittsrechte vor?

b) Sieht das Gesetz spezialgesetzliche Rücktrittsrechte vor, z.B. zum Kaufvertrags-recht,

Werkvertragsrecht etc.

c) Im übrigen Rückgriff auf die allg. gesetzlichen Rücktrittsrechte, i.d.R. § 323 ff. BGB

2. Rechtsfolgen (RF): §§ 346 ff. BGB

22. Schadensersatz, Aufwendungsersatz und Schuldnerverzug

A Ebenso wie im Fall der Rücktrittsrechte sieht das Gesetz für bestimmte Vertragstypen spezialgesetzliche vertragliche Schadensersatz-Normen (SE) vor, z.B. in

- §§ 437 Nr. 3, 440 BGB i.V.m. §§ 280 ff. BGB beim Kaufvertrag- §§ 634 Nr. 4, 636 BGB i.V.m. § 280 ff. BGB beim Werkvertrag- §§ 536 a, 536 b beim Mietvertrag

- obige Anspruchsgrundlagen sind Gegenstand der Vorlesung im nächsten Semester -

und allgemeine vertragliche Schadensersatz-Normen, z.B.

- § 280 I BGB: Grundlegende und subsidiäre SE-Anspruchsgrundlage;

- § 280 I, III BGB i.V.m. § 281 BGB: SE an Stelle ("statt") der Hauptleistung;

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- §§ 280 I, III BGB i.V.m. §§ 282, 241 II BGB: SE an Stelle der Hauptleistung bei gravierender Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten und dadurch unzumutbar gewordener Hauptleistung, z.B. bei erheblicher Zerstörung der Vertrauensgrundlage durch Täuschungsversuch, fehlehaft-dilettantischem 1. Leistungsversuch;

- § 280 I, III i.V.m. § 283 BGB in besonderen Fällen des Wegfalls der Leistungspflicht des Schuldners nach § 275 BGB

- § 311a II BGB: SE (wegen Nichtleistung) bei bereits anfänglichen Leistungshindernissen

- § 280 I, III, i.V.m. § 283 BGB: SE (wegen Nichtleistung) bei nachvertraglichen Leistungshindernissen

Schadensersatz "statt der Leistung" im Sinne von § 281 und § 282 BGB bedeutet, dass

an die Stelle des Erfüllungsanspruchs ein Kompensationsanspruch in Geld tritt,

soweit der ursprüngliche Erfüllungsanspruch nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt wird (z.B. mangelhafte Kaufsache oder mangelhafte Werkleistung, auch wo "Mangelhaftigkeit" durch Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten verursacht).

Die Schadensersatz-Norm des § 280 I BGB erfasst hingegen alle anderen, nicht anderweitig geregelten Schäden (Mangelfolge- und Begleitschäden) an anderen Rechtsgütern, Rechten oder Interessen des Gläubigers (Käufers), insbesondere wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, z.B. Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Sachen des Vertragspartners, Verletzung von Verkehrssicherungs- und Aufklärungspflichten (z.B. Treppengeländer, das bei einem Kundenbesuch einbricht; Rutschgefahr bei nicht geräumtem eisglatten Besucherparkplatz; Verletzung von Mitarbeitern wegen mangelnder Aufklärung über verborgene Gefahren im Umgang mit der Kaufsache).

Unter § 280 I BGB fallen des weiteren Begleitschäden und Mangelfolgeschäden einer unterbliebenen oder mangelhaften Leistung, z.B.- Nutzungsausfallschäden, entgangener Gewinn, Rechtsverfolgungskosten (je nach Fall sind diese aber auch

nach Verzugsregeln zu ersetzen), Sachverständigenkosten- Schäden an anderen Rechtsgütern des Gläubigers / Bestellers / Käufers - Betriebsausfallschäden (str., a.A.: AGL §§ 280 I, 286 BGB)- Belastung mit SE aus Weiterverkauf einer mangelhaften Sache- Schäden, die durch Nacherfüllung nicht kompensiert werden - ggf. Schmerzensgeld

Zur Abgrenzung zwischen § 280 I BGB einerseits und §§ 280 I, III, 281 BGB andererseits kommt es insbesondere darauf an, ob ein Schaden beim Kunden durch ordnungsgemäße "Nachholung" (Erfüllung, Nacherfüllung, Ersatzlieferung, Nachbesserung oder andere Nachholung seitens des Vertragspartners, z.B. des Verkäufers, Werkunternehmers, Vermieters) noch verhindert werden kann.

Für Leistungsstörungen wegen nachträglicher (nach Vertragsabschluss eintretender) Leistungshindernisse i.S.v. § 275 BGB enthält § 283 BGB eine Sonderregelung; für anfängliche Leistungshindernisse (bereits bei oder vor Vertragsschluss) i.S.v. § 275 BGB enthält § 311a II BGB eine Sonderregelung.

Beispiele für Fälle des § 275 BGB:- Die Kaufsache wird durch Brand, Blitz, Hochwasser, Hagel oder Vandalismus zerstört oder durch Diebe

unauffindbar entwendet;- eine als "mangelfrei" verkaufte Sache weist tatsächliche erhebliche Vorschäden auf, die zwar repariert

wurden, aber einem gebrauchten Pkw z.B. als Manko wegen "nicht mehr unfallfrei" anhaften können;- der Solist eines Konzertes erkrankt zu dem einzigen Konzerttermin;- Bestehen oder nachträglicher Erlass eines Herstellungs-, Handels- oder Exportverbotes bezüglich des

Vertragsgegenstandes (z.B. bezüglich bestimmter Chemikalien oder Pflanzenschutzmittel oder Vertrag über Lieferung von Rohren nach Syrien oder in den Iran);

- anderweitige Erreichung des Leistungserfolges: Z.B. das zu bergende Schiff kommt durch eine hohe Flut oder Sturm wieder frei; der Patient wurde anderweitig vor Behandlung durch den Vertragspartner wieder gesund;

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- Unmöglichkeit bei Zeitablauf (sog. absolute Fixgeschäfte): Hotelzimmer-, Taxireservierung; Mietsache / Partyservice / Dienst- / Werkleistung für bestimmte Veranstaltung (Messe, Konzert, betriebliche 125-Jahr-Feier).

Ob mangelbedingte Verzögerungsschäden nach § 280 I BGB oder § 280 I, II, 286 BGB zu ersetzen sind ist derzeit in der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft umstritten.

Zur Terminologie: Der eigentliche vertragliche Erfüllungsanspruch wird auch als Primäranspruch bezeichnet, die Gewährleistungsansprüche als Sekundäransprüche.

Merke: In der Regel kein Schadensersatz ohne Verschulden.

Beachte: Das Gesetz verlangt als weiteres Tatbestandsmerkmal des Schadensersatzanspruchs in § 280 I 2 BGB ein Vertretenmüssen, d.h. Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit, siehe hierzu § 276 BGB. Mit der "negativen" Formulierung in "§ 280 I S. 2 BGB zum Verschulden drückt das Gesetz eine Beweislastumkehr bezüglich des Verschuldens als Tatbestandsmerkmal aus, d.h. diesbezüglich muss - im Umkehr von den allgemeinen Grundsätzen - ausnahmsweise der Schuldner ggf. das Fehlen eigenen oder zurechenbaren (§ 278 BGB) Verschuldens nachweisen.

B Schuldnerverzug und Verspätungsschäden: Bei verzögerter Leistung (i.d.R. verspäteter Zahlung, aber auch bei verspäteter Lieferung der Kaufsache oder verspäteter Reparatur) kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 II i.V.m. §§ 286, 288 BGB Ersatz des durch die Verzögerung eingetretenen (weiteren) Schadens verlangen.

§ 286 BGB regelt hierbei die Frage, wann "Verzug" (als Voraussetzung eines daraus folgenden Verspätungsschadensersatzanspruchs) vorliegt. Dabei ist häufig eine vorherige Mahnung (d.h. Aufforderung zur Leistung) Voraussetzung für den Verzugsschadensersatzanspruch, siehe § 286 I BGB. Unter den Voraussetzungen des § 286 II ist eine vorherige Mahnung jedoch eventuell entbehrlich.

Beachte: § 286 II Nr. 1 BGB setzt eine einvernehmliche (d.h. vertragliche, in der Praxis per AGB) Bestimmung der Leistungszeit voraus. Eine einseitige Festlegung durch den Gläubiger (z.B. in der Rechnung "zahlbar innerhalb 14 Tagen bis zum 20. März) genügt im Regelfall nicht. Ausnahmen hiervon bestehen u.a. im Recht der öffentlichen Versorgungsleistungen wie Elektrizität, Wasser, Müllabfuhr u.ä., - hier i.d.R. i.V.m. §§ 315 f. BGB - auch wenn diese z.T. durch Private erfüllt werden, z.B. durch RWE, EON etc.

Ein Verzug kann bei Übersendung von Rechnungen auch ohne vorherige Mahnung in bestimmten Fällen automatisch nach 30 Tagen eintreten, siehe § 286 III BGB. Die Norm differenziert danach, ob "Schuldner" ein Verbraucher oder ein Unternehmer ist (§§ 286 III i.V.m. § 13, 14 BGB)

Bitte lesen Sie § 286 BGB vollständig und in Ruhe und unterstreichen die wichtigsten Schlüsselbegriffe.

Die Höhe der Verzugszinsen ist in § 288 BGB bestimmt, zusammengesetzt aus dem (2 mal jährlich wechselnden) Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zzgl. 5 oder 8 Prozentpunkten, abhängig davon, ob an dem Rechtsgeschäft ein "Verbraucher" (§ 13 BGB) oder andere Personen beteiligt sind.

Zum Unternehmer- und Verbraucher-Begrifft siehe §§ 13 und 14 BGB.

Beachten Sie bitte, dass der Gläubiger gem. § 288 III BGB auch einen höheren Verzugszins-Schaden geltend machen kann, wenn ihm tatsächlich ein solcher entstanden ist, z.B. wenn er Bankkredit in Anspruch nimmt und hierauf monatlich höhere als die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 BGB zu bezahlen hat.

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Auch die Geltendmachung anderer Verzögerungsschäden, die nicht Zinsschäden sind, bleibt möglich, siehe § 288 IV BGB.

Der Basiszinssatz liegt seit dem 01. Juli 2011 bei 0,37% und schwankte in den letzten 10 Jahren zwischen 0,12 - 4,26%. Zum Basiszinssatz siehe u.a. www.Bundesbank.de oder www.Basiszinssatz.info.

C Eine besondere Fallgruppe des Verzugs ist der sog. Gläubigerverzug. In diesem Fällen befindet sich nicht der Schuldner, sondern der Leistungsberechtigte (der Empfangsberechtigte) in Verzug, insbesondere wenn er die vom Schuldner angebotene Leistung nicht annimmt oder eine erforderliche Mitwirkungshandlung nicht vornimmt. Siehe hierzu §§ 293 ff. BGB.

Die Rechtsfolgen des Gläubiger-Verzugs sind insbesondere

- eine Haftungs-Milderung zu Gunsten des die Leistung ordnungsgemäß Anbietenden, § 300 BGB, (Regelung zur sog. "Gefahrtragung");

- der Erhalt des Gegenleistungsanspruchs (i.d.R. der Vergütungsanspruch), wenn der Leistungsgegenstand in der Zeit des Gläubigerverzugs aus nicht vom Schuldner zu vertretenden Umständen "untergeht", §§ 275, 326 II BGB;

- Ersatz der Mehraufwendungen des Schuldners, § 304 BGB.

D Drei weitere besondere Schadensersatz-Regelungen sind in §§ 311 II, III und 311 a II BGB enthalten.

(1) § 311 II BGB bestimmt, dass bereits ab dem Zeitpunkt der Aufnahme von Vertragsverhandlungen u.ä. vertragliche Schadensersatzansprüche entstehen können, i.d.R. bei Verletzung von Nebenpflichten. (Dies nennt man auch Haftung aus c.i.c., culpa in contrahendo)

§ 311 III BGB bestimmt, dass in (seltenen) Fällen auch Nichtvertragspartnern, aber mittelbar betroffenen Dritten, Schadensersatzansprüche aus Vertrag zustehen können. Dies kann insbesondere in folgenden Konstellationen eintreten:

- Bei Verträgen "mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter", z.B. Einbeziehung der bei ihren Eltern lebenden Kindern in die vertraglichen Schutzpflichten aus dem durch die Eltern (als alleinige Vertragspartner) und der Vermieterseite geschlossenen Mietvertrag;

- bei Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens, wo z.B. ein Geschäftsführer mit besonderen persönlichen Zusagen (unter Hinweis auf dessen besondere Kenntnisse) erheblich zu einem Vertragsabschluss zu Gunsten der von ihm geführten GmbH beiträgt und sich die Zusagen im weiteren als nicht haltbar erweisen.

(2) § 311a II BGB: Schadensersatzanspruch, wo ein Schuldner bei besonderer Leistungserschwerung oder "Unmöglichkeit" (Unmöglichkeit der Leistungserbringung, § 275 BGB) zwar nicht mehr zur Haupt-Leistung gezwungen werden kann, jedoch zum Schadensersatz, sofern Verschulden vorliegt. Unter § 311a II BGB fällt die Eingehung nicht erfüllbarer Verträge, z.B. Versprechen eines Werkes (z.B. Software, Gebäude, Maschine) das mit den vereinbarten Beschaffenheiten nicht erstellt werden kann (Kompatibilität von verschiedener Software; Erdbeben- oder Sturmfestigkeit über bestimmten Werten; Haltbarkeit über bestimmte Dauer hinaus; Arbeitsgeschwindigkeit von bestimmten Maschinen) oder Verkauf einer konkreten Sache als Mangelfrei, die tatsächlich einen nicht behebbaren Mangel enthält.

Unterscheide: § 311 a II BGB regelt den Fall der sog. anfänglichen (objektiven oder subjektiven) "Unmöglichkeit", während bei nachträglicher (nach Vertragsschluss entstehender) "Unmöglichkeit" sich eventuelle Ansprüche nach §§ 280 ff., 326 BGB ergeben.

E Nachdem ein Schadensersatz-Anspruch festgestellt wurde bestimmt sich der konkrete Umfang / die Rechtsfolgen-Seite, nach §§ 249 ff. BGB.

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Das Gesetz geht im Grundsatz davon aus, dass Schadensbehebung durch sog. "Naturalrestitution" erfolgen soll, siehe § 249 I BGB, sieht jedoch zugleich weitreichende Möglichkeiten vor, nach denen in der Praxis sofort Schadenswiedergutmachung durch Geldersatz verlangt werden kann, §§ 249 II, 250, 251 BGB. Ein - trotz vollständiger Reparatur - eventuell verbleibender sog. "merkantiler Minderwert" ist vielfach nach § 251 BGB ersatzfähig, insbesondere bei höherwertigen, langlebigen Gegenständen.

§ 252 BGB regelt die in der Praxis wichtige Fallgruppe des SE wegen entgangenen Gewinns. (A liefert nicht oder liefert eine mangelhafte Sache an B; deshalb kann B nicht wie beabsichtigt an C weiterverkaufen und "verliert" seine Gewinn-Marge).

Ein Mitverschulden des Geschädigten kann i.d.R. anspruchsmindernd berücksichtigt werden, § 254 BGB.

G Aufwendungsersatzansprüche sind u.a. in § 284 und § 304 BGB vorgesehen.

Bitte lesen Sie die Normen und betrachten sie jeweils den Regelungszusammenhang mit dem Schadensersatz, §§ 280 ff. BGB, bzw. dem Gläubiger-/Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB.

23. Störung und Wegfall der Geschäftsgrundlage

In Fällen, in denen nach Vertragsabschluss außergewöhnliche, unvorhergesehene, ganz erhebliche Umstände eintreten, die einer Partei das Festhalten an dem Vertrag (insbesondere zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen) unzumutbar machen, kann ein Anspruch auf

a) Anpassung des Vertragesb) hilfsweise auf Rücktritt bzw. außerordentliche Kündigung

bestehen, § 313 BGB. (Geldinflation nach Krieg; Weltwirtschaftskrise u.ä.)

Der Anwendungsbereich von § 313 BGB bedarf häufig genauer Abgrenzung zu den Fällen der Unmöglichkeit nach § 275 BGB (Wegfall der Leistungspflicht wegen faktischer, technischer, wirtschaftlicher, normativer "Unmöglichkeit").

Zur Veranschaulichung einige Beispielsfälle aus der jüngeren Rechtsprechung: (I.d.R. Original-Leitsätze):

Beispiele zu § 313 I BGB

(a) "Kann der Berechtigte sein auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungsrecht wegen eines medizinisch notwendigen Aufenthalts in einem Pflegeheim nicht ausüben, kommt die Begründung einer Zahlungspflicht des Verpflichteten im Wege der Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (nur) in Betracht, wenn der Heimaufenthalt auf Dauer erforderlich ist und die Vertragschließenden nicht mit dem Eintritt dieses Umstands gerechnet haben; fehlen diese Voraussetzungen, kann die ergänzende Vertragsauslegung einen Geldanspruch des Berechtigten begründen." BGH, Urteil vom 19. 1. 2007 - V ZR 163/06. (Anm.: Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt nicht generell zum Erlöschen des Wohnungsrechts, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht.)

(b) "Nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommen wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung (hier: Wohnhaus) geschaffen wurde, dessen Alleineigentümer der andere Partner ist, nicht nur gesellschaftsrechtliche Ausgleichsansprüche, sondern auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 I S. 2 Alt. 2 BGB) sowie nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht (Aufgabe der bish. Rspr., vgl. etwa BGH v. 6. 10. 2003, II ZR 63/02, FamRZ 2004, FAMRZ Jahr 2004 Seite 94, NJW 2004, NJW Jahr 2004 Seite 58 und v. 8. 7. 1996, II ZR 193/95, NJW-RR 1996, NJW-RR Jahr 1996 Seite 1473). BGH, Urteil vom 9. 7. 2008 - XII ZR

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179/05. Das kann auch dann der Fall sein, wenn die Partner Miteigentümer einer Immobilie zu je ½ sind, der eine aber erheblich höhere Beiträge hierzu geleistet hat als der andere." BGH, Urteil vom 9. 7. 2008 - XII ZR 39/06.

(c) "Erklärt ein Gesellschafter vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft (hier: durch Mitteilung an die Belegschaft des Unternehmens, er werde das Unternehmen verlassen), er habe nicht die Absicht, seiner bisherigen Gesellschaft zu schaden und werde weder ein Konkurrenzunternehmen gründen noch - entgegen verbreiteten Gerüchten - zu einem konkurrierenden Unternehmen wechseln, und tritt er anschließend seinen Geschäftsanteil an seinen Mitgesellschafter ab, kann dieser nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage Anpassung des vereinbarten Kaufpreises verlangen oder u. U. den Kaufvertrag anfechten, wenn der ausgeschiedene Mitgesellschafter sofort anschließend in eine leitende Position bei einem konkurrierenden Unternehmen (hier: Spedition) wechselt und dort veranlasst, dass der Hauptauftraggeber seiner bisherigen Gesellschaft zu dem neuen Unternehmen wechselt." BGH, Urteil vom 8. 2. 2006 - VIII ZR 304/04.

(d) "Der Vermieter ist nicht berechtigt, im Falle der Unwirksamkeit einer Klausel zur Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter von diesem eine Mieterhöhung in Form eines Zuschlags zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu verlangen. ...Den Kl. steht der beanspruchte Zuschlag zur ortsüblichen Vergleichsmiete auch nicht gem. § 313 I BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu. Nach dieser Vorschrift kommt eine Anpassung des Vertrages in Betracht, wenn einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage besteht jedoch kein Raum, wenn nach der gesetzlichen Regelung derjenige das Risiko zu tragen hat, der sich auf die Störung beruft. Bei der Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen weist § 306 BGB grundsätzlich dem Verwender das Risiko der Unwirksamkeit und der daraus erwachsenden Folgen zu. Denn nach § 306 II BGB richtet sich der Inhalt des Vertrags in diesem Fall nach den sonst zur Anwendung kommenden gesetzlichen Regelungen. Das bedeutet hier, dass die Kl. als Vermieter mangels wirksamer Abwälzung der Schönheitsreparaturen gem. § 535 I 2 BGB die Instandhaltungslast in vollem Umfang zu tragen haben. Die wirtschaftlichen Nachteile der Klauselunwirksamkeit sind also ihrer Risikosphäre zugewiesen." BGH, Urteil vom 9. 7. 2008 - VIII ZR 181/07.

(e) War der Vermieter aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert, die Miete für Wohnraum in den neuen Bundesländern nach den Bestimmungen der 1. oder 2. Grundmietenverordnung oder nach den §§ 11, 12 MHRG zu erhöhen, obwohl deren Voraussetzungen erfüllt waren, so kann er die Heraufsetzung der Miete nach den Grundsätzen über die Anpassung eines Vertrags wegen wesentlicher Änderung der Geschäftsgrundlage verlangen. BGH, Urteil vom 22. 12. 2004 - VIII ZR 41/04.

Beispiele zu § 313 II BGB

(a) Haben der Krankenhausträger und der Patient die gemeinsame Vorstellung, dass eine gesetzliche Krankenversicherung bestehe, die die Kosten des Krankenhausaufenthaltes übernehme, und stellt sich dies als Irrtum heraus, so fehlt dem zwischen dem Krankenhausträger und dem Patienten abgeschlossenen Behandlungsvertrag die Geschäftsgrundlage. Die bei Fehlen der Geschäftsgrundlage gebotene Anpassung des Behandlungsvertrags führt dazu, dass der Krankenhausträger die nach den §§ BPFLV § 10ff. der Bundespflegesatzverordnung zu ermittelnde Vergütung für die allgemeinen Krankenhausleistungen von den Patienten fordern kann. BGH, Urteil vom 28. 4. 2005 - III ZR 351/04.

(b) Wird ein im Ausland befindliches und gegenüber den deutschen Finanzbehörden nicht deklariertes Wertpapierdepot nach Verschenkung durch den Erben einer Nachversteuerung unterzogen, die in etwa sein gesamtes übriges Erbe aufzehrte, so bedarf die Schenkung hinsichtlich der Aufteilung der Steuerlast einer Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. BGH, Urteil vom 21. 12. 2005 - X ZR 108/03.

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24. Erfüllung & Zurückbehaltungsrechte

a) Wenn ein Vertragsverhältnis ordnungsgemäß erfüllt wird erlischt das Schuldverhältnis im Regelfall, s. § 362 BGB. Es können sich jedoch nachvertragliche Treuepflichten, Auskunfts-, Informations- oder ähnliche Pflichten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben.

b) Soweit im Rahmen von gegenseitigen Verträgen (mit i.d.R. beiderseitigen Hauptleistungspflichten) keine Vorleistungspflicht einer Seite besteht kann jede Partei ihre Haupt-Leistung so lange zurückhalten, bis ihr die Erbringung der Gegenleistung im gleichen Atemzug angeboten wird (z.B. Kaufpreiszahlung erst nach Angebot von Übergabe und Übereignung der Kaufsache "Zug-um-Zug"). Dieses Recht ist für gegenseitige Verträge in § 320 BGB geregelt, sog. Einrede des nicht erfüllten Vertrages.

c) Ein alternatives Zurückbehaltungsrecht kann sich nach § 273 BGB ergeben. Hier ist nicht wie bei § 320 BGB Voraussetzung, dass sich zwei Haupt-Leistungen gegenüberstehen. Voraussetzung sind hier insbesondere:

(1) Anspruch und Gegenanspruch(2) beide Ansprüche müssen fällig sein (d.h. wo Erfüllung verlangt werden kann)(3) Konnexität zwischen beiden Ansprüchen (beide Ansprüche müssen aus "demselben Lebensverhältnis"

herrühren.

d) Unsicherheitsreinrede, § 321 BGB

In Fällen, in denen nach Vertragsabschluss neue Umstände erkennbar werden, die begründete Zweifel an der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit des Vertragspartners wecken, ist der andere Vertragspartner auch im Fall ursprünglicher Vorleistungspflicht berechtigt,

1. seine Leistung vorübergehend zurück zu halten, § 321 I 1 BGB,2. der anderen Vertragspartei eine Frist zu setzen zur Stellung von Sicherheiten oder Erbringung der

Gegenleistung "Zug-um-Zug" gegen die Leistung, § 321 II I BGB,3. im Fall ergebnislosen Fristablaufs ist der Vorleistungsverpflichtete zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, § 321

II 2 BGB. (Aber kein SE-Anspruch des Zurücktretenden).

25. Verjährungsrecht und Fristberechnung

A Ansprüche können nach Ablauf längerer Zeit "undurchsetzbar" werden: Der Anspruch erlischt in diesem Fall nicht, aber sobald der Schuldner die "Einrede der Verjährung" geltend macht wird der Anspruch dauerhaft undurchsetzbar, 214 BGB.

Praxis-Hinweis: Übersieht oder Vergisst der Schuldner hingegen die Erhebung der Verjährungseinrede so würde er vor Gericht - trotz Verjährung - verurteilt werden.

Im Bereich des Verjährungsrechts ist zwischen der Verjährung von Hauptansprüchen einerseits (z.B. Kaufpreiszahlungsanspruch, Anspruch auf Arbeitslohn, Anspruch auf Zahlung von Darlehenszinsen) und Sekundäransprüchen andererseits, insbesondere Gewährleistungsansprüchen (z.B. Schadensersatz-, Aufwendungsersatz-, Minderungsansprüchen) zu unterscheiden: Für letztere (sog. Sekundäransprüche) bestehen häufig Sonderregelungen innerhalb der einzelnen Vertragstypen, die den allgemeinen Verjährungsregeln vorgehen, so z.B. im Kaufrecht § 438 BGB, und § 634 a BGB im Werkvertragsrecht.

Soweit keine Sonderregeln zur Anwendung kommen bestimmt sich das Recht der Verjährung nach §§ 194 ff. BGB. Dabei ist zu bestimmen

(1) Fristdauer, i.d.R. 3 Jahre, § 195 BGB,

(2) Fristbeginn, i.d.R. zum Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den maßgeblichen, für den Anspruch relevanten Umstände erlangt hat oder hätte erlangen müssen (Fälle der fahrlässigen Unkenntnis), § 199 I BGB

(3) Fristende.

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Nur wenige Ansprüche unterliegen der 30-jährigen Verjährung, § 197 BGB. Deren Verjährung beginnt - anders als bei der 30-jährigen Regel-Verjährung - nicht am Schluss des Jahres, sondern unterjährig mit der Entstehung des Anspruchs, § 200 BGB.

Hinweis: Ab dem Jahr 2010 wurde die Verjährungsfrist von erbrechtlichen Ansprüchen nicht mehr der 30-jährigen Verjährungsfrist nach § 197 BGB unterstellt, sondern richtet sich jetzt ebenfalls nach der 3-jährigen Regelverjährung, § 195 BGB.

Soweit aufgrund Sondervorschriften die Verjährungsfrist nicht zum Ende eines Jahres beginnt, sondern unterjährig beginnt (so z.B. in Fällen des §§ 438 II und 634 a BGB) ist der genaue Fristbeginn und das Fristende nach den Regeln der §§ 186 ff. BGB im Einzelfall taggenau zu bestimmen.

§ 199 II - IV BGB enthält "Spätestens-"Verjährungsregeln für Fälle, in denen sich der Beginn des Verjährungslaufs verzögert, wo der zu verjährende Anspruch zwar früh entsteht (§ 199 I Nr. 1 BGB), der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen jedoch gar nicht oder erst mit langer Verzögerung Kenntnis erlangt, § 199 I Nr. 2 BGB.

B Bitte sehen Sie sich ebenfalls die in der Praxis wichtigen Tatbestände der Hemmung (§ 209 BGB) des Verjährungslaufs an bei

- Aufnahme von Verhandlungen, § 203 BGB

- Klageerhebung, § 204 I Nr. 1 BGB

- Einleitung des Mahnbescheidsverfahrens, § 204 I Nr. 3 BGB

sowie die Voraussetzungen des Neubeginns des Verjährungslaufs bei Leistung von Abschlagszahlungen durch den Schuldner oder andere Arten ausdrücklicher oder konkludenter Anerkenntnis, § 212 I NR. 1 BGB.

Hinweis: Die Möglichkeiten zur Hemmung des Verjährungslaufs und des Neubeginns (wegen ausdrücklichen oder konkludenten Anerkenntnisses) sind in der Praxis sehr hilfreich. Bitte lesen Sie nochmals die oben zitierten §§ 203, 204 I Nr. 1 und Nr. 3 sowie § 212 I BGB.

26. Aufrechnung

Soweit zwei Personen jeweils gegeneinander Forderungen haben können sie diese i.d.R. gegeneinander durch Erklärung aufrechnen, §§ 387 ff. BGB, mit der Wirkung, dass anschließend nur noch der eventuell auf einer Seite überschießende Betrag auszugleichen ist.

Der Verjährungseintritt einer der Forderungen schließt die Aufrechnungsmöglichkeit grundsätzlich nicht aus, siehe § 215 BGB.

27. Übergang und Abtretung von Forderungen

Forderungen können in bestimmten Fällen kraft Gesetzes (sog. "cessio legis", z.B. § 774 bei einem Bürgschaftsverhältnis) oder durch vertragliche Vereinbarung übergehen. Die letzte Fallgruppe des rechtsgeschäftlichen Forderungsübergangs ist in §§ 398 ff. BGB geregelt.

Anwendungsfälle wären, z.B.

- eine Bank lässt sich zur Sicherung eines Darlehens an Unternehmer A die Forderungen des Unternehmers A gegenüber dessen Kunden B, C und D abtreten, welche zukünftig fällig werden; (Forderungsabtretung zur Kreditabsicherung);

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- ein Unternehmen A sein Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem anderen Unternehmen B nicht erfüllen kann und und dem Gläubiger B eine Forderung von A gegen einen Dritten abtritt, aus der B Befriedigung wegen seiner Forderung gegen A erlangen soll.

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