SO 07 08 2004 - cdanet.de · Soziale Ordnung Das Magazin für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft....

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Soziale Ordnung Das Magazin für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. 7 - 8 / 2 0 0 4 . 1 . J u l i 2 0 0 4 . 5 7 . J a h r g a n g . I S S N 1 4 3 2 - 9 6 8 9 7-8 CDA-Verlags GmbH · Hauptstraße 164 · 53639 Königswinter PVSt · DPAG · G 6361 · Entgelt bezahlt

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  • Do., 22. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 Uhr,KV CoesfeldDr. Ralf Brauksiepe MdBCDA-Landesvorsitzender NRW, CDA-Hauptgeschäftsführer, stv. CDA-Bundesvorsitzender

    Di., 27. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Heinsberg, KV Düren und KV EuskirchenHermann-Josef Arentz MdLVorsitzender der CDA Deutschlands, Mitglied des Präsidiums derCDU Deutschlands, stv. Vorsitzender CDU-Landtagsfraktion NRW

    Mi., 28. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 Uhr, KV Bochum und KV HerneHermann-Josef Arentz MdLVorsitzender der CDA Deutschlands, Mitglied des Präsidiums derCDU-Deutschlands, stv. Vorsitzender CDU-Landtagsfraktion NRW

    Mi., 28. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Aachen, KV Kreis Aachen und KV DürenKarl-Josef Laumann MdBstv. CDA-Bundesvorsitzender, arbeitsmarkt-/wirtschaftspol.Sprecher CDU/CSU, CDU-Bundesvorstand, CDU-Bezirksvors.Münsterland

    Do., 29. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Coesfeld und KV BorkenHermann-Josef Arentz MdLVorsitzender der CDA Deutschlands, Mitglied des Präsidiums derCDU Deutschlands, stv. Vorsitzender CDU-Landtagsfraktion NRW

    Do., 29. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Siegen, KV HSK und KV SoestKarl-Josef Laumann MdBstv. CDA-Bundesvorsitzender, arbeitsmarkt-/wirtschaftspol.Sprecher CDU/CSU, CDU-Bundesvorstand, CDU-Bezirksvors.Münsterland

    Do., 29. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrSolingenUwe Schummer MdBCDA-Bundesvorstand, CDA-Bezirksvorsitzender Niederrhein

    Do., 29. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Minden-LübbeckeWilli Zylajew MdBCDA-Bezirksvorsitzender Mittelrhein, CDA-Bundesvorstand,Vors. CDU-Kreistagsfraktion Rhein-Erft-Kreis

    Fr., 30. 07. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Rhein-Kreis-Neuss und KV KrefeldWilli Zylajew MdBCDA-Bezirksvorsitzender Mittelrhein, CDA-Bundesvorstand,Vors. CDU-Kreistagsfraktion Rhein-Erft-Kreis

    Do., 05. 08. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Mark und KV OlpeUwe Schummer MdBCDA-Bundesvorstand, CDA-Bezirksvorsitzender Niederrhein

    Do., 12. 08. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Düsseldorf und KV DuisburgDr. Ralf Brauksiepe MdBCDA-Landesvorsitzender NRW, CDA-Hauptgeschäftsführer, stv. CDA-Bundesvorsitzender

    Do., 12. 08. 2004, 11.00 bis 13.00 UhrKV AachenAngelika Gemkow MdLVors. Enquete-Kommission Pflege NRW, CDA-BezirksvorsitzendeOstwestfalen-LippeThemen: Alter – Pflege – Arbeit – Dienstleistungen

    Do., 12. 08. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV WarendorfUwe Schummer MdBCDA-Bundesvorstand, CDA-Bezirksvorsitzender Niederrhein

    Fr., 13. 08. 2004, 10.00 bis 20.00 UhrKV RecklinghausenKlaus Stallmann MdLVors. Innenausschuss NRW, CDA-Bezirksvorsitzender Ruhrgebiet

    Mo., 16. 08. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Rhein-Berg und KV RemscheidAngelika Gemkow MdLVors. Enquete-Kommission Pflege NRW, CDA-BezirksvorsitzendeOstwestfalen-LippeThemen: Alter – Pflege – Arbeit – Dienstleistungen

    Do., 19. 08. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Bielefeld, KV Gütersloh und KV PaderbornUwe Schummer MdBCDA-Bundesvorstand, CDA-Bezirksvorsitzender Niederrhein

    Di., 24. 08. 2004, 10.00 bis 20.00 UhrKV Rhein-Sieg-Kreis, KV Köln und KV LeverkusenKlaus Stallmann MdLVors. Innenausschuss NRW, CDA-Bezirksvorsitzender Ruhrgebiet

    Fr., 27. 08. 2004, 11.00 UhrKV RecklinghausenFritz Kollorz MdL1. stv. CDA-Landesvorsitzender NRW, Vorstand IG BCE, Vors. Bundesknappschaft, Vors. Arbeitnehmergruppe NRW

    Mo., 30. 08. 2004, 10.00 bis 18.00 UhrKV Viersen und KV MönchengladbachDr. Ralf Brauksiepe MdBCDA-Landesvorsitzender NRW, CDA-Hauptgeschäftsführer, stv. CDA-Bundesvorsitzender

    Di., 31. 08. 2004, 10.00 bis 20.00 UhrKV WeselKlaus Stallmann MdLVors. Innenausschuss NRW, CDA-Bezirksvorsitzender Ruhrgebiet

    Fr., 03. 09. 2004, 10.00 bis 18.30 UhrKV Kleve (linksrheinisch) und KV Kleve (rechtsrheinisch)Gerald Weiß MdB1. stv. CDA-Bundesvorsitzender, Vors. ArbeitnehmergruppeGruppe CDU/CSU, CDA-Landesvorsitzender Hessen

    CDA-Sommeraktion 2004

    Weitere Informationen:CDA NRWFax: (02 11) 3 23 90 60 · Tel.: (02 11) 1 36 00 56-7E-Mail: [email protected] · [email protected]

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    Soziale OrdnungDDaass MMaaggaazziinn ffüürr PPoolliittiikk,, WWiirrttsscchhaafftt uunndd GGeesseellllsscchhaafftt..

    Editorial

    In dieser Ausgabe:

    Europawahlen:Eine etwas andere Analyse 6–8

    Von Jürgen Wahl

    Der Warnschuss 8

    Von Friedhelm Görgens

    Deutschland in Form bringen 9–11

    Von Jürgen Rüttgers

    Weiterbildung: „Aus VerlierernGewinner machen“ 12–13

    Von Martin Kamp

    Wir brauchen Charta für Pflege 20

    Von Angelika Gemkow

    Die veränderte Rolle desGrünen Punktes 24–27

    Von Hans-Peter Repnik

    Liebe Kollegin,lieber Kollege,Deutschland ist Entwicklungsland im Bereich Familien. Die Bürgerreagieren darauf, indem sie keine Kinder mehr haben. Und dies istdas größte Problem für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. EinLand, das keine Kinder mehr hat, ist mental innovationsunfähig.Das spüren wir an allen Ecken und En-den. Es geht darum, Familie und Berufbesser zu vereinbaren – aber auch umfinanzielle und materielle Gerechtig-keit.

    Das Wort Reform ist auf dem bestenWeg, das Unwort des Jahres zu werden.Im Duden steht unter Reform – „ver-bessernde Umgestaltung“. Doch dieBürger haben nicht den Eindruck vonVerbesserungen. Reformen haben eingrottenschlechtes Image, obwohl allewissen, dass Reformen nötig sind.Jeder will Reformen, aber bei ihm sol-len sie nicht stattfinden. Wir müssen dieseÄngste ernst nehmen.

    Deshalb kann unsere Antwort auf dieProbleme nur heißen, Reformen mitmenschlichem Gesicht. Keine kaltschnäuzi-gen neoliberalen Konzepte, sondern Refor-men, die so angelegt sind, dass alle begreifen, dass die Ziele zuihrem Besten sind. Dass nicht das obere Drittel der Gesellschaftprofitiert und die unteren zwei Drittel zahlen, sondern dass alleprofitieren – damit Deutschland wieder zukunftsfähig wird.

    Wer glaubt, dass mit der Zerschlagung der sozialen Sicherungssys-teme Arbeit bezahlbar bleibt, irrt. Soziale Sicherheit bleibt für dieMenschen unverzichtbar, aber sie muss neu organisiert werden.

    Das Aussterben unserer Bevölkerung nehmen wir fatalistisch hin.Dabei muss klar sein: Dass Teuerste ist, nicht in die Familie zu in-vestieren. Wir brauchen eine radikale Umsteuerung. Familie ist daszentrale Zukunftsthema. Die Familie muss heraus aus der Kuschel-ecke, darf keine Nische mehr für Sonntagsreden und Gutmenschensein, sondern ein zentraler Pfeiler für die Zukunftsfähigkeit unseresLandes. In diesen Zusammenhang gehört: Kinder, egal welcher Her-kunft, die bei uns aufwachsen, haben ein besseres Bildungssystemverdient. Deutschland wieder in Form bringen – das beginnt in derFamilie, im Kindergarten, in der Schule.

    Herzlichst euer

    Hermann-JosefArentz MdL, Bun-desvorsitzenderder CDU-Sozialaus-schüsse (CDA).Foto: Ossenbrink

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  • 4 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Prisma

    Öffentliche Institutionen genießen bei den Bundesbürgern keinen guten Ruf. Nur einFünftel der Befragten schenkt dem Bundestag oder den Gewerkschaften großes Ver-trauen – ein Hinweis darauf, dass sich die Mehrheit der Deutschen von Politikern undFunktionären nicht gut vertreten sieht. Etwas besser schneiden die Gerichte und dasBildungswesen ab. Daran glaubt immerhin nahezu die Hälfte der Befragten. Im per-sönlichen Bereich dagegen gibt es erheblich mehr Vertrauen. Fast alle Bundesbürgerhaben sehr oder ziemlich viel Vertrauen zu ihrer eigenen Familie und fast ebenso vielezu ihren Freunden.

    9223

    eigener Familie

    Freunden

    Polizei

    Nachbarn

    Arbeitskollegen

    Schulen, Bildungswesen

    Gerichten

    Kirchen

    Behörden

    Zeitungswesen

    EU

    Gewerkschaften

    Bundestag

    großen Unternehmen

    Fremden

    Von je 100 Befragten haben sehr oder ziemlich viel Vertrauen zu:

    Quelle: SOEP, DIW Berlin, Stand 2003

    98

    93

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    20

    20

    18

    12

    Wem die Bundesbürger vertrauen

    © G

    lob

    us

    Neu-TrendDie Zahl der Ministrantinnen

    und Ministranten in Deutschlandist in den vergangenen Jahrendeutlich angestiegen. Wie dieDeutsche Bischofskonferenz mit-teilte, sind Jungen und Mädchenbeim Altardienst derzeit nahezugleich stark vertreten. LautStatistik stehen insgesamt391 886 Jungen und Mädchen imliturgischen Dienst der Kirchen-gemeinden. Das sind 30 000mehr als vor fünf Jahren. Der An-teil der Mädchen beträgt insge-samt 50,37 Prozent. Mit 500 ver-zeichnet das Bistum Görlitz diewenigsten Messdiener; an derSpitze stehen Freiburg und Müns-ter mit 40 000 und 39 000.

    Deutsche Sprache immer beliebterEine aktuelle Untersuchung der

    „Internationalen Medienhilfe“(IMH) hat ergeben, dass sich dieZahl der deutschsprachigen Publi-kationen, die außerhalb des deut-schen Sprachraums produziertwerden, im vergangenen Jahr er-neut erhöht hat. Im Ausland er-scheinen nun insgesamt rund3 100 Zeitungen, Zeitschriften undMitteilungsblätter auf Deutsch,Anfang 2003 waren es noch 3 060.Die IMH geht davon aus, dassdiese Gründungswelle anhält, dasie wieder mehrere neue Zeitungs-

    projekte betreut und berät. Björn Akstinat, Geschäftsführer

    der IMH, erklärt den Grund für dasWachstum der deutschsprachigenAuslandspublikationen mit der Zu-nahme von deutschsprachigen Men-schen weltweit. Immer mehrSchüler und Auslandsdeutsche ler-nen bzw. nutzen die deutsche Spra-che. Somit wird das Leserpotenzialfür die Publikationen größer. Invielen Regionen der osteuropäi-schen EU-Beitrittsländer beispiels-weise ist Deutsch die bedeutendsteFremd- oder Zweitsprache.

    In einer Rangliste ermittelte dieIMH die Zahl der Deutschsprachigenim Ausland. Spitzenreiter der Ein-wohner, die Deutsch als Mutterspra-che oder Fremdsprache beherrschen,ist Russland mit 17 Millionen Men-schen, gefolgt von Polen mit achtund USA und Niederlande mit sechsMillionen. An fünfter Stelle liegenFrankreich und die Ukraine mit vierMillionen, danach kommen Kasachs-tan und Usbekistan mit drei Millio-nen und Brasilien, Ungarn und dieTschechische Republik mit zwei Mil-lionen Deutschsprachigen.

    Zitat„1:2 – das ist Deutschland“

    Die Düsseldorfer „RheinischePost“ nach der Niederlage

    der Völler-Elf gegen dietschechische B-Nationalmann-schaft bei der Fußball-Europa-

    meisterschaft in Portugal.

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 5

    Prisma

    Zukunftspreis 2004Zukunftspreis 2004

    Pay-TV: Jugendschutz nicht mehr abschaltbarDer deutsche Entwickler von

    Spezialsoftware für digitales Fern-sehen „Mascom“ hat mit Al-phaCrypt ein Common InterfaceModul (CI) entwickelt, das es er-möglicht, drei Entschlüsselungsar-ten in einem Gerät zu vereinen.Gemeinsam mit der Abonnenten-karte wird das Modul in einenCommon-Interface-Steckplatz ge-steckt und erlaubt den Empfangvon Pay-TV-Kanälen über jedenbeliebigen CI-Digitalreceiver.

    Das CI-Modul soll Kinder vorfalschen TV-Inhalten schützen.Bisher konnte jedoch in reinen Er-wachsenenhaushalten die ständigeAnforderung des Jugendschutz-PINs per Eingabe dauerhaft ent-fernt werden. Mit dem Start der inden vergangenen Monaten zugelas-senen Mediendienste via Satellitund Kabel hat sich die Jugend-schutz-Debatte in Deutschlandweiter verschärft. Deshalb wirdbeim nächsten Alpha-Crypt-Soft-

    wareupdate im Juni die Jugend-schutz-Abfrage nicht mehr ab-schaltbar sein.

    „Uns ist ein funktionierenderJugendschutz sehr wichtig. Geradebei den neuen Hardcore-Pornosen-dern ist die Pflicht zur ständigenPIN-Eingabe durchaus sinnvoll“,kommentiert Mascom-Geschäfts-führer Heinz Gruber. Das Updatefür AlphaCrypt kann via Astra oderORF-Transponder heruntergeladenwerden.

    Medienereignis Nr. 1 des Bonner Sommers 2004. Im Plenum des Historischen Bundestages überreichte CDA-BundesvorsitzenderHermann-Josef Arentz den 7. Zukunftspreis der CDU-Sozialausschüsse an den Offenburger Verleger und Journalist Prof. HubertBurda. Die Laudatio hielt die Preisträgerin des Jahres 2003, CDU-Chefin Angela Merkel. Mehr als 1 400 Vertreter aus Gesell-schaft, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaft ehrten den Preisträger mit einer „Standingovation“ (siehe auch die Berichte aufden Seiten 14 bis 17).

    Foto: Ossenbrink

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  • 6 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Wahltag 13. Juni

    Ist Europa auf dem richtigen Weg?Am 13. Juni 2004 waren die

    Bürger Europas aufgerufen, ihreAbgeordneten für das EuropäischeParlament zu wählen. Lediglich 15Prozent der Deutschen halten dieEntscheidungen der EU-Kommis-sion und die Inhalte der zukünfti-gen Europäischen Verfassung füreinen wichtigen Zukunftsfaktor.

    Joachim Bitterlich, einer der Ar-chitekten der EU unter Kohl, ziehtin seinem Buch Das Europa der Zu-kunft eine kritische Bilanz. Er ana-lysiert die zentralen Fragen ausder Sicht des Bürgers: Ist die Eu-ropäische Union noch auf dem

    richtigen Weg? Warum schwindetdas Interesse an Europa? Wie wirddie Europäische Verfassung ausse-hen? Das Buch baut auf einer kri-tischen Bestandsaufnahme derbeiden „Leitmotive“ des europäi-schen Einigungswerkes Vertiefungund Erweiterung auf. Im zweitenSchritt untersucht es die Rolle undZukunft des deutsch-französischenVerhältnisses als der europäischenKernbeziehung und die Perspekti-ven der Europäischen Union.

    Joachim Bitterlich, Das Europader Zukunft, Droste Verlag/Düs-seldorf, ISBN 3-7700-1181-3

    Die Europawahlen: EineEin Tag nach der Europawahl: Angela Merkel trittin Berlin vor die Medienmacher, rechts flankiertvon Hans-Gert Pöttering, Chef der EVP-Fraktion inStraßburg und CDU-Präside, links von Dieter Alt-haus, Sieger in Erfurt. Der TV-Kanal n-tv schneidetPöttering weg, erwähnt ihn nicht einmal; Innen-politik überrollt den mächtigsten Mann der EU-Völkervertretung.

    land, die den Austritt aus der EUverlangt) stieg nur um etwa drei Pro-zent an. Etwa hundert Abgeordnetekönnten EU-kritisch denken, aber eswar nicht und ist nicht zu erkennen,dass dieser bunte Haufen gemein-sam (durch eine Fraktion) handelt.

    Der Jubel über (zum Beispiel)„Berlusconis Niederlage“ war hohl,denn die Summe der römischen Ber-lusconi-Koalition blieb gleich, keinZehntelprozent fehlt. Vor allem er-starkten die Christlichen Demokra-ten neu.

    Der radikalen Bauernpartei(„Selbstverteidigung“) des polni-schen Ex-Kommunisten AndrzejLepper waren 22 Mandate vorherge-sagt worden, sie erhielt nur sechs.Die liberale polnische „Freiheitsuni-on“, die totgesagt war, erhielt vierMandate. Zur EVP-Fraktion stoßen19 Polen, vor allem jene der christ-lich-liberalen „Bürgerplattform“.Noch vier Wochen vor den Wahlenhieß es im WDR, Polen werde „fastnur EU-Feinde schicken“. Dass die

    Wahlbeteiligung gerade in neuenEU-Staaten wie Polen so tief lag,hat mit Lernprozessen zu tun, vorallem aber mit nationalem Frust an-gesichts einer vielerorts festgefah-renen Reformpolitik.

    Und Deutschland? Wir habenuns fünfzig Jahre einreden lassen,nur hohe Wahlbeteiligungen seiendemokratisch, niedrige entzögenden Politikern die Legitimation.Wenn das wahr wäre, hätten diemeisten US-Präsidenten ihr Amtnicht antreten dürfen. Allein im 20.Jahrhundert erreichte die nationaleWahlbeteiligung der US-Bürger sel-ten vierzig Prozent. Ähnlich läuft esim demokratischen MusterlandSchweiz. Die Bundespolitik interes-siert in „Heidi-Land“ selten, eherdie Gemeindewahl.

    Und noch einmal Deutschland:Haben wir etwa keine miese Beteili-gung an Betriebsratswahlen, an So-zialwahlen, häufig auch an Land-tagswahlen? Na eben.

    Natürlich wäre es für unsere

    So schafft die Meinungsindustrienicht nur in Berlin die Vorausset-zungen dafür, dass auch wieder2009, wenn die nächste Europawahlknapp bevorsteht, dreist gejammertwerden kann: „Wer kennt denn dieseEuropa-Leute, was machen die über-haupt für unser Geld, haben dieüberhaupt etwas zu sagen?“

    Fußnote: Der CDU-Generalsekretärhatte verlangt, an der Seite von FrauMerkel vor die Presse zu gehen. Erhielt sich für wichtiger als jenen Nie-dersachsen, der so gut Wahlsiegerwar wie Althaus. Die Parteivorsitzen-de entschied aber sofort für Pötte-ring. Momentaufnahme aus demnicht neuen Film „Umgang des CDU-Apparats mit CDU-Europapolitikern“.

    Jetzt liegt die Europawahl schonein Stück zurück, das Parlament wirdsich bald konstituieren und dann bisSeptember in die Ferien gehen. Werdie Machtlage im europäischen Ho-hen Hause studiert, kommt rasch zuErkenntnissen, die kaum oder nichtmit den Hast-Kommentaren am 13.und 14. Juni übereinstimmen.

    Mag ja sein, dass einige Völker ihrejeweilige Regierung durch Wahlent-haltung oder Wahl von „Euroskepti-kern“ strafen wollten, das Machtge-füge der Völkervertretung hat sichaber keineswegs radikal verändert:

    Der Anteil an EU-Kritikern undEU-Feinden (z. B. die UKIP in Eng-

    Von Jürgen Wahl

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 7

    Wahltag 13. Juni

    Das neue EU-Parlament

    Grafik 9588

    EuropäischeVolkspartei

    (Christ-demokraten)

    Liberale Sozialdemokraten

    Vereinigte Linke(Kommunisten,Sozialisten)

    Europa derNationen(europakritisch)

    sonstige

    EVP

    LIBE SPEGrüne

    KVEL/NGL

    UENEuropa derDemokratien(europakritisch)EDU

    Gesamt 732 Sitzedeutsche Abgeordnete 99

    67 20042

    39

    vorläufiger Stand

    2715

    66

    276

    49

    237

    7

    13

    Die CDA im neuen Europäischen Parlament

    etwas andere Analyse

    Die CDU-Vorsitzende Angela Mer-kel hat den Ausgang der Europa-wahl als „tolles Ergebnis“ bezeich-net: „Heute ist ein guter Tag fürdie Christlich-Demokratische Uni-on, ein guter Tag für die Unioninsgesamt, aber auch ein guter Tagfür Deutschland und Europa“, sag-te Merkel in Berlin. „Mit dieserMehrheit werden wir unsere ver-nünftige Politik in Europa fortset-zen können.“

    Für die CDA war der Tag der

    Europawahl erfolgreich. 15 der 49Unionsabgeordneten sind Mitglie-der der Christlich-DemokratischenArbeitnehmerschaft. Wir gratulie-ren: Rolf Berend, Elmar Brok,Daniel Caspary, Michael Gahler,Ingeborg Gräßler, Ruth Hierony-mi, Georg Jarzembowski, KurtJoachim Lauk, Thomas Mann,Hans-Peter Mayer, Hans-GertPöttering, Herbert Reul, IngoSchmitt, Kurt Oswald Schnell-hardt, Renate Sommer.

    Europapolitiker besser, wenn sievon mehr Bürgern getragen würden.Dass es nicht so ist, liegt in zu glei-chen Teilen an den Parteien, vor al-lem den großen, und an den Medien– mit wenigen Ausnahmen wie FAZoder Sender Phönix. Die meisten in-formieren nicht nur zu wenig, sievernachlässigen spießbürgerlichjene, die europäisch denken undhandeln. Man sehe sich nur die per-sonelle Zusammensetzung von Par-teitagspräsidien der Bundes-CDUund der Bundes-SPD an.

    Es gibt aber noch eine ent-scheidende Besonderheit bei derEuropawahl, die verschwiegen wird:Sie konzentriert sich auf nur einenSektor der Politik, auf die Entwick-lung der Europäischen Union. Bun-destagswahlen dagegen entrollenein Totalpanorama von Politiken.Warum also sollten nicht nur jenefür Europa stimmen die sich dafürinteressieren? Theorie! Richtig,denn so wie die Europawahl vonBerlin oder London aus zum Natio-naltest denaturiert oder abgefälscht

    wird, so wird uns seit Jahren bei je-der Landtagswahl, ja häufig beiKommunalwahlen, von den Parteienaufgesagt, es gehe um einen „Testder Bundespolitik“. Folglich war dasWehklagen über eine „Schieflage!“

    der Europawahl seit 1979 immer nurfade Heuchelei.

    Dies waren nur wenige Beispielezur notwendigen Kritik an Analysenund Kommentaren.

    Zum Positiven zählen einige Ergeb-nisse, die in vielen Zeitungen fehl-ten, im Privatfernsehen fast total:

    Die EVP-Fraktion kam fast auf diehohe Mandatszahl, die sie erwartethatte. Ähnlich ging es nahezu spie-gelbildlich den Sozialdemokraten(siehe Grafik). Die Italiener sindnun nach den Deutschen Nummer 2in der EVP-ED-Fraktion, die Spanierrutschten auf Platz 3 und habenweniger Europa-Experten als vorher.Unklar blieb nach der Wahlzunächst, ob italienische (PPI) undfranzösische (UDF) Abgeordnete derMitte oder der linken Mitte von derEVP-Fraktion zu den Liberalen ge-hen würden, ein Traum des abge-henden KommissionspräsidentenRomano Prodi, der einer „neuen

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  • 8 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Wahltag 13. Juni

    CDA im Thüringer LandtagAuch die Thüringer Landtagswah-

    len verliefen für die CDA erfolgreich.Mit einem Ergebnis von 43 Pro-

    zent sicherte sich die ThüringerCDU wieder die absolute Mehrheitim Erfurter Landtag. Von den 45erreichten Sitzen, werden wiederviele von Mitgliedern der CDA be-setzt. Prominentestes Beispiel istsicherlich Dieter Althaus.

    Die weiteren CDA-Landtagsabge-ordneten sind: unser stellvertre-

    tender Bundesvorsitzender GustavWerner Bergemann, MichaelPanse, Marion Walsmann, Sieg-fried Jaschke, Andreas Trautvet-ter, Dr. Klaus Zeh und ChristineLieberknecht.

    Wir wünschen allen gewähltenKollegen viel Erfolg bei der an-spruchsvollen Arbeit im ThüringerLandtag und hoffen, dass sie wei-ter helfen, die Handschrift der CDAin der Politik erkennen zu lassen.

    Fraktion der Mitte für ein föderier-tes Europa“ anhängt.

    Für die EVP-Fraktionsführung ent-stand sicher ein langlebiges Pro-blem: Es wird ja auch angesichtskonservativ-nationaler Leute ausPrag, Warschau und Budapest nichtleicht, erstens christlich-demokra-tisch in der Mitte zu bleiben undzweitens koalitionsfähig gegenüberanderen politischen „Familien“ wieden Sozialdemokraten. Denn mitletzteren allein kann die EVP-Frak-tion dem Ministerrat und/oder derKommission so kopfstark entgegen-treten, dass zum Beispiel eine mise-rable EU-Richtlinie verworfen wird.

    Über die Medien sollte die CDU-Führung besonders nachdenken. Diemeisten rafften sich erst ab etwaMärz 2004 zu so etwas wie einer Be-schreibung des Europäischen Parla-ments auf. Vorher versagten sie weit

    gehend, als man sie bat, den „Kon-vent“ und seine Reformarbeit sach-lich statt polemisch zu vermitteln.

    Für die Zukunft sollten CDU-Euro-papolitiker vor allem aufs Internetsetzen und eine eigene permanenteInformationsanstrengung machen.

    Englische Europafreunde haben von1979 bis 1998 über 400 Fälschun-gen der britischen Boulevardpresseveröffentlicht. Da könnte Deutsch-land gut mithalten. Man muss nurdie Dinge beim Namen nennen. VonBerlin aus hört man dazu wenig.

    Der Warn

    schuss

    Es soll, so weiß die „Welt amSonntag“ zu berichten, am spätenNachmittag des 13. Juni eine SMSan die führenden Funktionsträgerder CDU gegeben haben, in demfolgende Parole für die Kommen-tierung der Wahlergebnisse vorFernsehkameras ausgegeben wor-den sein soll: „Ein toller Tag fürdie CDU und ein Fiasko für Münte-fering und Schröder. EU: Unser er-hofftes Ergebnis. TH: Klarer Regie-rungsauftrag für Althaus.“

    In der Tat: Der „tolle Tag“ wurdedann gegen 19 Uhr von Generalse-kretär Laurenz Meyer proklamiert –und mancher ermattete Wahlkämp-fer wischte sich verblüfft die Au-gen: Nach ersten Hochrechnungenvier Punkte bei der Europawahlverloren, in Thüringen sogar achtProzent bei der Landtagswahl! Er-hofftes Ergebnis? Toller Tag?

    Natürlich: Schadenfreude istauch eine Freude. Fiasko für

    Schröder und Müntefering? Völligokay! Was die 21,8 Prozent für dieGenossen wirklich bedeuten, zeigtdie Umrechnung auf die Gesamt-zahl der Wahlberechtigten. Nichteinmal jeder Zehnte gab seineStimme für die größte Regierungs-partei ab.

    Nur: Ist die Bindekraft der Union2004 so schwach, dass selbst bei ei-nem neunprozentigen SPD-Verlustnicht einmal ein schwaches Pro-zentpünktchen bei CDU und CSUlandet? Mein Gott, sind wir beschei-den geworden!

    Richtig ist: Einen Zuwachs gab’sfür uns bei den Europawahlen nurim Saarland. 0,1 Prozent! Dagegen:Minus 9,4 Prozent in Sachsen, mi-nus 8,6 Prozent in Berlin, minus 6,8in Bremen, auch minus 6,6 in Bay-ern. Und kein Trost bei den gleich-zeitigen Kommunalwahlen: Wiedernur Saarland vorn (plus 0,9 Pro-zent), dafür minus 6,1 Prozent in

    Sachsen auf noch 38,4 Prozent,und in Baden-Württemberg über-flügeln bei den Gemeinderäten dieFreien Wähler (34,3) sogar dieCDU (32,4)!

    Erschreckend: In Brandenburgliegt bei der Europawahl die PDS(30,8) vor der CDU (24,0), in vie-len ostdeutschen Großstädtensind die Rechtsradikalen mit zwei-stelligen Zuwachsraten in die Räteeingezogen. Und auch die ersteHäme über das Desaster der SPD inBonn, Münster, Aachen, wo sievon den Grünen überflügelt wurde,dürfte bei den NRW-CDU-Kommu-nalwahlkampf-Strategen längstverflogen sein: Rot plus Grün gibtin der Addition in allen Städtenimmer noch mehr als Schwarz ...

    Toller Tag 13. Juni? Nein – aberhoffentlich ein Warnschuss zurrechten Zeit. Gegen Hochmut undSelbstgefälligkeit!

    Friedhelm Görgens

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    Titel

    Deutschland in Form bringen

    Rund 78,5 Prozent der Wähler inDeutschland haben bei der Euro-pawahl nicht SPD gewählt. Vonder wahlberechtigten Bevölkerungwaren es nicht einmal zehn Pro-zent. Die überwältigende Mehrheithat Parteien gewählt, die für ei-nen deutlicheren Reformkurs alsSchröder stehen. Der Grund für dasDesaster der SPD ist nicht, dassSchröder Reformen will. Es stimmtauch nicht, dass die Mehrheit imLand keine Opfer bringen will.Wenn das der Fall wäre, wäreDeutschland nicht reformfähig.Das Wahlergebnis spricht aberdeutlich eine andere Sprache.

    Die Menschen wissen:Deutschlands Wirtschaft steckt

    in der längsten Stagnationsphaseseit Gründung der Bundesrepublik.Ohne grundlegende Reformen undohne mehr Arbeit kommt sie aus derStagnation nicht mehr raus

    Deutschlands öffentliche Haus-halte sind strukturell überschuldet.Ohne grundlegende Reformen, dieallen Opfer abverlangen, sind sienicht zu sanieren

    Deutschlands Sozialsystem istnicht zukunftsfähig. Ohne grundle-gende Reformen, die auf mehr Ei-genverantwortung setzen, drohenAltersarmut und Zwei-Klassen-Me-dizin

    Deutschlands Bildungs- undWissenschaftssystem ist internatio-nal nur noch Durchschnitt. Ohne

    grundlegende Reformen von derKinderbetreuung bis zu den Hoch-schulen geht Deutschlands Wettbe-werbsfähigkeit verloren.

    Der Grund für das Wahldesasterder SPD am 13. Juni ist nicht dieReformwilligkeit des Bundeskanz-lers und der Seinen, sondern ihreReformunfähigkeit. Es wird Zeit,dass wir von Lebenslügen Abstandnehmen.

    Es stimmt doch nicht, dassDeutschland generell nicht mehr in-ternational wettbewerbsfähig ist.Wir sind Exportweltmeister. Wir sindgut beim Automobilbau, beim Ma-schinenbau, der Stahlproduktion,der Nachrichtentechnik.

    „Mitspieler“

    Aber richtig ist auch, dass wir invielen modernen Wachstumsberei-chen nicht mehr gut genug sind.Wir sind zu oft Mitspieler stattSpitze. Ein Land, das sich interna-tional so blamiert wie bei der Ein-führung der Lkw-Maut, ist nichtgut genug. In vielen Zukunftsbe-reichen wie der Informationstech-nologie, der Biotechnologie, denMaterialwissenschaften, der Tele-kommunikation sind wir nichtWeltspitze. Das gilt auch für dieVersicherungen. Das gilt auch fürunser Bankensystem.

    Unsere Aufgabe ist: wir müssenwieder in der Weltspitze mitspielen.Und diese Aufgabe lösen wir nichtdadurch, dass wir jetzt auch nochdie Deutsche Bank ins Ausland zie-

    hen lassen.Es ist unge-heuerlich,was sich daim Momentabspielt, undich begreifenicht, wie ei-ne Regierungdiesem Aus-verkauf zuse-hen kann.

    Esstimmt dochnicht, dassdie Löhne inDeutschlandzu hoch sind.Ein Drittelaller Famili-en haben pro Monat nur 150 Eurofreies Geld zur Verfügung. Deutsch-land wird den internationalen Wett-bewerb mit Polen und Tschechien,mit China und Vietnam nicht übereinen Wettbewerb bei den Lohnkos-ten gewinnen.

    „Lohnzusatzkosten“

    Wahr ist aber auch: Nicht dieLöhne sind zu hoch, die Arbeit istzu teuer. Deshalb verlagern Betrie-be ihre Produktion ins Ausland, undzwar nicht nur Großbetriebe. Jetztgeht auch der Mittelstand. DieLohnzusatzkosten müssen deshalbrunter – und nicht die Löhne.

    Arbeit für alle ist da. Aber es ge-lingt uns immer weniger, die vor-handene Arbeit in sozialversiche-

    SO-Autor Dr.Jürgen Rütt-gers ist stell-vertretenderBundesvor-sitzender derCDU und Op-positionsfüh-rer im nord-rhein-westfä-lischen Land-tag.

    Foto: Ossenbrink

    Von Jürgen Rüttgers

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  • 10 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Titel

    rungspflichtige Beschäftigung ein-münden zu lassen. Hier muss derDreh- und Angelpunkt unserer An-strengungen liegen: Nur, wenn esuns gelingt, die Lohnzusatzkostendeutlich abzubauen, wird sich dieArbeitslosigkeit verringern. JederArbeitslose, der in ein Beschäfti-gungsverhältnis findet, ist unterGesichtspunkten der Gerechtigkeit,der Inanspruchnahme staatlicherAusgleichssysteme und der Zu-kunftsfähigkeit der sozialen Siche-rungssysteme ein Gewinn für uns al-le. Und eines ist klar: Es mussSchluss sein mit dem sozialistischenIrrglauben, dass man durch Auf-blähung der Nürnberger Arbeitsver-waltung Arbeitsplätze schaffenkann. Umgekehrt wird ein Schuhdraus.

    Es stimmt doch nicht, dass dasKündigungsschutzgesetz der Grunddafür ist, dass die Betriebe keineneinstellen. Das gilt allenfalls für dieArbeitnehmer über 50 Jahre. Heutebestehen genug Möglichkeiten, be-fristete Arbeitsverhältnisse abzu-schließen. Wenn aber ein Betriebsich von einem Mitarbeiter, der ge-stohlen hat, nicht trennen kann,ohne eine Abfindung zu zahlen,wenn 700 000 Arbeitsgerichtsver-fahren pro Jahr anhängig gemachtwerden und nur 1,5 Prozent dieserVerfahren mit einem Urteil enden,die anderen aber mit Vergleichen,also Geldzahlungen, dann muss daetwas geändert werden.

    Es stimmt doch nicht, dass dieGewerkschaften an allen Verkrus-tungen auf dem Arbeitsmarktschuld sind. Die sind auch schuld.Schuld sind aber genauso die Ar-beitgeber. Ein Tarifvertrag hat zweiUnterschriften. Wenn, wie beimletzten Metalltarifvertrag, Abschlüs-se nach den Interessen von Daim-ler-Chrysler gemacht werden, diedann von allen Metallbetrieben ein-gehalten werden sollen, dann wer-

    den Arbeitsplätze vernichtet, stattneue Arbeitsplätze geschaffen.

    Wir haben noch nie so viel rück-sichtslosen Materialismus inDeutschland gehabt, mehr als unse-re Gesellschaft auf Dauer aushält.Zweistellige Millionenabfindungenfür Manager – und für Menschen,die ihr Leben lang hart gearbeitethaben, Kürzungen bei den Betriebs-renten, das passt nicht zusammen.Transparenz gilt nicht nur bei Löh-nen, sondern auch bei Vorstands-gehältern. Wer als hoch bezahlterManager Unternehmen verzockt, dermuss dafür haften. Wer MillionenVorstandsgehälter wie in Amerikawill, der muss auch die amerikani-schen Haftungsregelungen akzep-tieren. „Deutschland in Form brin-gen“, das heißt: Wir müssen um-denken.Wir brauchen

    kürzere Schulzeiten,flexiblere Berufsbildung,Hochschulexamen nicht mit

    29, sondern mit 24 Jahren,Abschaffung der Anreize zur

    Frühverrentung,freiwillige Arbeit auch über

    das 65. Lebensjahr hinaus.Schluss mit der 35-Stunden-

    Woche. Die war ein Irrweg und musskorrigiert werden – flexibel unddurch die Tarifparteien. Noch niehat ein Volk seine Probleme damitgelöst, dass es weniger arbeitet.Sondern immer dadurch, dass mehrgearbeitet wird.

    Mehr Arbeit heißt nicht nur län-ger arbeiten, sondern auch denMenschen, die heute nicht arbei-ten können, Arbeit zu ermögli-chen. Wenn unsere Gesellschaftkleiner und älter wird, ist die Er-höhung der Erwerbsquote vonFrauen eine Möglichkeit gegenzu-steuern. Viele Frauen wollen das.Beruf und Familie müssen deshalbbesser vereinbar werden. Deshalbtreten wir für ein plurales System

    der Kinderbetreuung ein: Von Ta-gesmüttern über Ganztagskinder-gärten und Kinderhorte bis zurGanztagsschule.

    „Lohnergänzungen“

    Arbeit ermöglichen müssen wirauch den Hunderttausenden, dieheute ins soziale Abseits gedrängtwerden, weil die Schwelle zum Ar-beitsmarkt zu hoch liegt. Das istunfair und ungerecht. Wir wollenLohnergänzungen statt Lohnersatz.Ich meine die dritte Stufe bei denMinijobs.

    Und: Wir müssen besser werden.Wir brauchen eine grundlegende

    Reform des Bildungswesens, dieaber in alleiniger Hoheit der Ländervollzogen werden muss.

    In Nordrhein-Westfalen hat dieLandesregierung mehr Lehrer ver-sprochen. In der amtlichen Statis-tik des Landes kann man jetztnachlesen: Im Schuljahr 2003/04gibt es an den allgemeinbildendenSchulen 2 500 Lehrerinnen undLehrer weniger als vorher. Eine Bil-dungslüge auf dem Rücken unsererKinder.

    Ein Viertel unserer Kinder inNordrhein-Westfalen kann nichtrechnen, schreiben und lesen. Einschlimmeres Zeugnis für die Bil-dungspolitik in NRW gibt es nicht.

    Kein Bildungssystem ist so unge-recht, wie unseres in NRW. Nirgend-wo hängt der soziale Aufstieg sovom Herkommen, vom Elternhausab, wie in NRW.

    Deshalb ist mein Ziel: Ich will,dass die Absolventen nordrhein-westfälischer Schulen wieder rech-nen, schreiben und lesen können.Dafür will ich

    mehr Lehrer,kleinere Klassen, kleinere Schulen,

    damit unsere Kinder den Unterrichtbekommen, den sie verdienen.

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 11

    Titel

    Der Ministerpräsident denkt statt-dessen jetzt laut über die Einheits-schule nach. Heiliger Wahnsinn!Wann kapieren diejenigen, die dieBildungskatastrophe verschuldethaben, dass Schluss sein muss mitExperimenten auf dem Rückenunserer Kinder, Eltern und Lehrer.

    Da reden die rot-grünen Hobby-Strategen von Elite-Unis und von In-novationsoffensive. Wie die Wirklich-keit aussieht, kann man an der Uni

    Düsseldorf studieren: Dort tropft esvon der Decke, in der Cafeteriaschimmelt es, in Hörsälen sind ganzeSitzreihen wegen Nässe gesperrt.

    „Forschen und lehren“

    Bei Regen rinnt das Wasser in dermathematisch-naturwissenschaftli-chen Fakultät in Sturzbächen vonden Wänden. So viel zu den rot-grü-nen Elite-Unis in NRW.

    An den Hochschulen soll ge-forscht und gelehrt werden. In denHochschulen entscheidet sich dieZukunft des Landes. Sie sind keineEinrichtungen zum Sammeln vonRegenwasser in Wassereimern. DieLösung heißt: Raus aus der staatli-chen Bevormundung. Und wenn der„volkseigene Betrieb Liegenschaf-ten“ in NRW nicht funktioniert,dann müssen die Aufgaben denHochschulen übergeben werden.

    Die Unternehmen in Deutschland sehen sich einer scharfen Lohnkonkurrenz aus Osteuropa und den neuenEU-Mitgliedern ausgesetzt. So betragen die Kosten je geleistete Arbeitsstunde in der Industrie nur umge-rechnet zwischen 1,23 Euro in Bulgarien und 9,01 Euro in Slowenien. Der Unternehmer in Deutschland musshingegen ein Vielfaches dieser Arbeitskosten in seine Kalkulation einbeziehen: in Westdeutschland rund 32Euro pro Stunde und in Ostdeutschland rund 19 Euro je Stunde im Jahr 2002. Davon entfallen etwa 60 Pro-zent auf das Direktentgelt; 40 Prozent sind Personalzusatzkosten. Zwar sind die Arbeitskosten bei der Suchenach einem geeigneten (Produktions-)Standort nicht der allein entscheidende Faktor, doch kann die ver-schärfte Lohnkonkurrenz noch häufiger als heute manchen Unternehmer dazu bewegen, sich gen Osten zuorientieren.

    Die Lohn-KonkurrenzKosten je Beschäftigtenstunde in der Industrie in Euro

    Stand 2002 9217

    insgesamt davon Personalzusatzkosten

    Slowenien

    Tschechien

    Ungarn

    Polen

    Slowakei

    Estland

    Litauen

    Lettland

    Rumänien

    Bulgarien

    Westdeutschland

    Ostdeutschland

    Quelle: iw

    zum Vergleich:

    Direktentgelt

    9,015,035,03

    4,493,46

    3,192,83

    2,291,461,23

    3,632,282,21

    1,671,44

    1,110,96

    0,60

    5,38

    2,752,822,82

    2,022,09

    1,861,59

    0,860,73

    31,67

    19,0911,65 7,44

    13,83

    0,69

    17,84

    0,500,500,50

    rundungsbedingte Differenz © Globus

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  • 12 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Titel

    Weiterbildung: „Aus Verli e

    „Testurteil gut“ oder „Testurteil mangelhaft“ –für Kühlschränke, Olivenöl oder Sonnenmilchkennt man die einschlägigen Bewertungen derStiftung Warentest. Dass die Stiftung auch eineAbteilung Weiterbildungstests hat, wissen nur we-nige. Dabei kann man gerade in diesem Bereichunabhängige Informationen gut gebrauchen:Zehntausende von Bildungsträgern bieten Hun-derttausende von Seminaren, Kursen und Maß-nahmen, von Schulungen und Tagungen an. EinDickicht, das der einzelne Arbeitnehmer kaumdurchschauen kann.

    Wie kann man mehr Transparenzund Qualitätssicherung auf demWeiterbildungssektor erreichen? –Das war nur eine der Fragen, die imMittelpunkt eines Hearings der Uni-ons-Arbeitnehmergruppe im Bun-destag standen. Gerald Weiß, Vor-sitzender der Arbeitnehmergruppe,und der Unionsberichterstatter fürberufliche Bildung, Uwe Schummer,hatten dazu viele Bildungsexperten

    und Verbandsvertreter nach Berlineingeladen. Mit dabei: Fraktions-chefin Angela Merkel.

    Sie forderte zum Auftakt der Ver-anstaltung einen „qualitativ neuenStellenwert für das Thema Weiter-

    bildung und lebenslanges Lernen“.In der Übergangsphase von der In-dustrie- in die Wissensgesellschaftgebe es viele Verlierer und Gewin-ner. „Aufgabe der Gesellschaft istes, möglichst viele Verlierer zu Ge-winnern zu machen.“ Dass man beider Qualifizierung auch an Grenzenstoßen kann, verdeutlichte die Par-tei- und Fraktionsvorsitzende an ei-nem Beispiel aus ihrem Wahlkreis inMecklenburg-Vorpommern: Dort sei-en viele landwirtschaftlich Beschäf-tigte nach der Wende arbeitslos ge-worden: „Sie können aus einem Rin-derzüchter aber nicht so einfach ei-nen IBM-Software-Spezialisten ma-chen.“

    Auch Ingrid Sehrbrock beklagteMängel: Deutschland nehme nur ei-

    nen Mittelplatz bei der Weiterbil-dung ein. „Und Weiterbildung wirdvon vielen Betrieben noch zu wenigals Investition verstanden, die sicherst mittelfristig auszahlt“, sagteSehrbrock, die dem geschäfts-führenden DGB-Bundesvorstand an-gehört. Stattdessen werde sie alsKostenfaktor empfunden – und da-her vernachlässigt. Die Folge seiFachkräftemangel.

    Die Spitzengewerkschafterin, zu-gleich stellvertretende CDA-Vorsit-zende, appellierte an Tarifpartnerund Gesetzgeber gleichermaßen.Betriebliche und tarifvertraglicheRegelungen zum lebenslangen Ler-nen müssten eine größere Rollespielen. Mehr Transparenz undQualitätssicherung will sie mit ei-nem Bundesrahmengesetz Weiter-bildung erreichen, das zugleich„Lernzeitansprüche“ und die Fi-nanzierung der Weiterbildung si-chern soll.

    Walther Kösters leitet die Abtei-lung Weiterbildungstests der Stif-

    Von Martin Kamp

    Ingrid Sehrbrock: „Weiterbildungist eine Investition, die sich aus-zahlt.“ Foto: Seibel

    Angela Merkel: „Qualitativer Stel-lenwert für Weiterbildung.“

    Foto: Erichsen

    Gerald Weiß: Initiator des Kon-gresses. Foto: Erichsen

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 13

    Titel

    i erern Gewinner machen“

    Karl-Josef Laumann: „In der Schu-le die Weichen richtig stellen.“

    Foto: Seibel

    tung Warentest. Seine Mannschaftprüft Bildungsangebote, bewertetsie und veröffentlicht die Ergebnis-se, damit sich die Verbraucher – al-so diejenigen, die an den Maßnah-men teilnehmen wollen – ein Bildmachen können. Offenbar mit Er-folg: „Nach den bisherigen Erfah-rungen erzielen die Tests die ge-wünschte Wirkung“, sagte Köstersbei der Anhörung.

    Zur Transparenz auf dem Weiter-bildungsmarkt trägt auch die Bun-desagentur für Arbeit bei. „Weiter-bildungsdatenbank Kurs“ – soheißt ein Internetangebot derNürnberger Behörde, das immerhinvier bis fünf Millionen Seitenzu-griffe monatlich verzeichnet. Da-bei kann man online nach Weiter-bildungsangeboten recherchieren.Das stellte Hannelore Roedel, Vor-standsmitglied der Arbeitnehmer-gruppe, bei einem Überblick überdie Weiterbildungslandschaft inDeutschland dar.

    Die CSU-Abgeordnete erläuterte,

    dass die Beteiligung an Weiterbil-dungsmaßnahmen sehr stark vari-iere – je nach Alter, Schul- und Be-rufsabschluss. Wer ohnehin schlechtqualifiziert sei, habe auch wenigNeigung, sich weiterzubilden – undverschlechtere seine Chancen aufdem Arbeitsmarkt noch weiter. „EinTeufelskreis, der bereits in derfrühen Jugend angelegt ist.“

    Für Karl-Josef Laumann ist des-halb klar: „Wir müssen schon in derSchule die Weichen richtig stellen!“Das aktuelle Lehrstellenproblem ha-be auch mit der mangelnden Ausbil-dungsfähigkeit vieler Jugendlicherzu tun.

    Laumann hob auch die Notwen-digkeit lebenslangen Lernens vordem Hintergrund der Bevölke-rungsentwicklung hervor. Die Zahlder jungen Arbeitnehmer werdedramatisch sinken, die der älterenBeschäftigten hingegen noch lan-ge Zeit nahezu unverändert blei-ben. „Wir müssen uns etwas ein-fallen lassen, damit wir trotzdem

    Hannelore Roedel: „Den Teufels-kreis durchbrechen.“

    Foto: Fraktion

    unsere Innovationsfähigkeit erhal-ten.“

    Vertreter der Bildungsträger kriti-sierten bei der Anhörung die neueAusschreibungspraxis der Bundes-agentur für Arbeit, die Bildungs-maßnahmen für Arbeitslose, von Ar-beitslosigkeit Bedrohte und Be-nachteiligte, darunter junge Leute,

    Maria Böhmer: „Auftakt für wei-tere Initiativen.“ Foto: Fraktion

    finanziert. Werner Sondermann, derfür die Kolping-Bildungsunterneh-men sprach, formulierte seine Be-fürchtungen so: „Durch den Strate-giewechsel der Bundesagentur fürArbeit ist die qualitativ hochwerti-ge Arbeit vieler Bildungsträger ge-fährdet.“ Bei den Abgeordnetenstieß er damit auf offene Ohren. Sowandte sich Laumann klar gegenDumping-Preise für Bildungsmaß-nahmen.

    Vize-Fraktionschefin Maria Böh-mer versprach, die Anhörung sollezu konkreten Ergebnissen führen.„Das Ende dieser Veranstaltung sollden Auftakt für weitere Initiativenauf diesem Gebiet bilden.“

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  • 14 Soziale Ordnung 7-8•2004

    7. Zukunftspreis

    „Zukunft durch gesellscZu diesem „Spitzentreffen“ deut-

    scher Politiker, Wirtschaftsvertreterund Gewerkschafter, auf Einladungdes CDA-Bundesvorsitzenden Her-mann-Josef Arentz im Bonner Bun-deshaus waren über 1 400 Gäste ge-kommen. Siebter Zukunftspreisträ-ger der Christlich-DemokratischenArbeitnehmerschaft (CDA) ist derOffenburger Verleger und JournalistProf. Hubert Burda. Der begleitendeInnovationskongress „Zukunft durchgesellschaftliches Engagement“ be-handelte das Thema, dem auch Prof.Hubert Burda tief verbunden ist. Mitseiner Stiftung unterstützt er zahl-reiche Projekte im wissenschaftli-chen und kulturellen Bereich.

    „Für Prof. Hubert Burda steht im-mer der Mensch im Mittelpunkt, seies bei seinem gesellschaftlichen En-

    gagement oder seinen unternehme-rischen Entscheidungen“, sagteArentz bei seiner Würdigung desPreisträgers. Vor allem bei der Wei-

    terbildung und Förderung der Ar-beitnehmer sei die Verlagsgruppeführend. Arentz: „Die Auszeichnungerhält Prof. Hubert Burda, weil er

    Die CDU-Chefin fand nur lobendeWorte für den Preisträger: „HubertBurda hat es verstanden, gesell-schaftli-ches En-gagementund Erfolg miteinander zu verbin-den.“ In seinem Unternehmen habeder Mensch immer im Mittelpunktgestanden. Das Leben von HubertBurda sei eine Synthese aus „Marktund Menschlichkeit“. Hubert Burdagefielen diese Worte. Zu Beginn sei-ner Ansprache meinte er mit einemAugenzwinkern: „Ich hätte Ihnenstundenlang zuhören können, FrauMerkel ...“

    Danach nahm der Journalist undVerleger die Gäste mit auf eine Rei-se durch die Geschichte der Kom-

    munikation und der damit verbunde-nen Innovationen. Und am Ende

    stellte er fest:„Wir haben inDeutschland

    fantastischeMöglichkeiten.“Aber: „Wir brau-chen eine Politikdie uns Wandelund Innovationermöglicht.“

    Eine klare Auf-forderung an An-gela Merkel:Denn für sie ließHubert Burdanoch das Bild ei-nes Alpengipfelsin der Morgen-

    sonne und den Beatles-Song: „HereComes The Sun“ einspielen. „Denwidme ich Ihnen, Frau Merkel.“(Marie Waldburg in der „Bunten“vom 24. Juni 2004)Ein Lied für Ang

    ela

    Foto: Erichsen

    Rhetorisch-fulminanter Auftakt: Saarlands Ministerpräsident Peter Mül-ler bekennt sich zu seiner CDA-Mitgliedschaft. „Ich bin stolz darauf!“

    Foto: Erichsen

    Von Friedhelm Görgens

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 15

    7. Zukunftspreis

    haftliches Engagement“

    die Verbindung von Wirtschaft undEthik vorlebt. Wirtschaft ohne Ethikist zum Scheitern verurteilt. Mitar-beiter sind das wichtigste Kapitaleines Unternehmens, deshalb ste-

    hen die Unternehmen am bestenda, die ihre Mitarbeiter am bestenbehandeln. Burda ist dafür genausoein Beispiel wie Bertelsmann.“

    Prof. Burda entgegnete: „Unter-

    „Unterneh-merischer Er-folg und so-ziale Gerech-tigkeit – dassind zweiSeiten einerMedaille“,sagte Her-mann-JosefArentz beider Übergabedes Zukunfts-preises anProf. HubertBurda.

    nehmerischer Erfolg und damit Ar-beitsplätze sind dort möglich, woInnovation und Industrie sich ver-netzen und die Politik diesen Wan-del mitgestaltet.“

    „Ich bin stolz auf meine CDA!“Saarlands Ministerpräsident PeterMüller (MdL) hatte sich gleich zumAuftakt des Innovationskongressesder CDA als Mitglied und Fan derChristlich-Demokratischen Arbeit-nehmerschaft geoutet – und ernte-te frenetischen Applaus.

    Dass sich die CDA immer wiederThemen annehme, die in die Zu-kunft weisen, sei ihre herausragen-de Stärke. Wo sich andere Arbeit-nehmervertretungen in der Eckeversteckten, gehe die CDA auchschwierigste Fragestellungen an.

    „Deutschlandin Form brin-gen!“ Das wardie Kernthesevon JürgenRüttgers, der –noch als Bun-desforschungs-minister – denallererstenCDA-Zukunfts-preis bekom-men hatte.

    Foto: Erichsen

    Foto: Adolph

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  • 16 Soziale Ordnung 7-8•2004

    7. Zukunftspreis

    Talkrunde:Vorbilder

    Großes gesellschaftliches En-gagement verband die Teilneh-mer dieser Runde von vornher-ein. Unter der Moderation vonDr. Uwe Jean Heuser, Ressortlei-ter der Wirtschaftsredaktion der„Zeit“, betonte denn auch ein je-der: In allen Bereichen, die hiervertreten waren – Hilfsorganisa-tionen, Behinderte, Industrie bishin zu Wohlfahrtsverbänden – seiehrenamtlicher Einsatz beson-ders attraktiv: Für Unternehmerbestehe einerseits die Möglich-keit, durch Sponsoring positivaufzutreten. Qualifizierte Arbeit-nehmer haben andererseits dieMöglichkeit, in dieser BrancheFuß zu fassen, ja sogar Karrierezu machen. Konstanze Frischenpräsentierte sich dabei als bestesBeispiel. Nach erfolgreicherBetätigung in Wissenschaft undJournalismus übernahm sie vorkurzem die Geschäftsführung der„Ashoka Deutschland“, eine Ge-sellschaft, die weltweit Sozialun-ternehmer sucht und fördert.

    BonnsOberbürger-

    meisterinBärbel Dieck-

    mann warbcharmant für

    ihre Stadt,wie PeterMüller fürdas Saar-

    land.

    Ehepaar Rütt-gers, AngelaMerkel, Her-mann-JosefArentz und

    Zukunfts-preis-Organi-sator Jürgen

    F. Wipper-mann.

    Bildungsrun-de u. a. mit

    Karl-JosefLaumann

    (2. v. l.), Ex-Carnegie Hall-

    Chef Prof.Franz Xaver

    Ohnesorg, Pa-ter Dr. Basili-us Streithofenund Prof. Dr.

    ChristophStölzl, Vize-

    präsidentBerliner Ab-geordneten-

    haus.

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 17

    7. Zukunftspreis

    Talkrunde: Der Stellenwert un-serer Sicherheit im21. Jahrhundert

    Sicherheit gilt nach wie vor alsdas wichtigste Thema des 21.Jahrhunderts. Sie unter techni-schen, juristischen und politi-schen Fragestellungen zu be-trachten, hatte sich deshalb dasdritte Diskussionsforum beim In-novationskongress vorgenom-men. In Anbetracht des Zeital-ters des internationalen Terroris-mus betrachteten Fachleute wieDr. Ulrich Martens, Leiter Kon-zernsicherheit Lufthansa AG,oder Michael Garvens, Vorsitzen-der des Flughafens Köln/Bonn,die Sicherheitsvorkehrungen imFlugverkehr seit dem „11. Sep-tember“. Hermann Lutz, Präsi-dent der Europäischen Polizeige-werkschaften, erinnerte aberauch an die weit reichenden Ge-fahren organisierter Kriminalität.Dennoch waren sie sich einig:„Wir müssen gemeinsam globalagieren, um zum Frieden beizu-tragen.“

    Talkrunde – Wachstumsmotoren: Bildung und Forschung

    Wenn über Innovation, überForschung und Bildung gespro-chen wird, diskutieren allzu oftNaturwissenschaftler miteinan-der – doch hier sollte ein neuerAnsatz verfolgt werden: Es gingum die gesellschaftlich-politi-

    schen Rahmenbedingungen vonsolchen „Wachstumsmotoren“:Also tauschten sich Persönlich-keiten wie Professor Franz XaverOhnesorg, ehemaliger Inten-dant der New Yorker „CarnegieHall“ und der Berliner Philhar-moniker, mit Sozialpolitikernwie Karl-Josef Laumann und(Pop-)Kulturexperten wie Dr.Balthasar Schramm, Präsidentvon „Sony Music“, aus. Im Er-gebnis wurde letztlich deutlich:Eine aussichtsreiche Zukunftvon Forschung und Bildung istmöglich – durch eine gerechteVernetzung von Kunst, Kulturin-dustrie und Bildungspolitik mitgleichen Chancen für jeden Ler-nenden.

    Jahr für Jahrinitiativ-reich: Zu-kunftspreis-Förderer Rü-diger Storim(Ströer CityMarketing),überraschteHubert Burdamit dem Ori-ginal einesWerbepla-kats.

    Eingespieltes Team: Chef-Modera-tor Martin Lohmann, CDA-ChefHejo Arentz und CDA-Pressespre-cherin Andrea Resigkeit.

    Text: Oliver RufFotos: Chris-toph Adolph(4), Fredrikvon Erichsen(1).

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  • 18 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Moderne CDA

    Unsere „Marke“ brauchtVon Andrea Resigkeit

    Mit neuem Gesicht und fit im Innern präsentiertsich die CDA-Hauptgeschäftsstelle zum Sommer-anfang: Ein neues Logo, mehr Service und schnel-lere Abläufe sollen vor allem unseren Mitgliedernzugute kommen. Die Mitgliederbilanz ist im Auf-schwung und das Interesse der Bürger an den Ak-tivitäten der CDA steigt ständig an.

    langen. Stark intensiviert habenwir die direkte Mitgliederbetreu-ung. Ziel ist es, jeden Brief inner-halb von weni-gen Tagen zu be-antworten oderweiterzuleiten.Natürlich gehtdies nicht immer– aber es bleibtunser Ziel. Denndas zufriedeneMitglied ist un-ser stärkstesArgument.

    Aber nicht nurdas Innenlebender Hauptge-schäftsstelle ha-ben wir moderni-siert und auf dieneuen Anforde-rungen ausge-richtet, auch dasäußere Erschei-nungsbild derCDA soll unserenStellenwert in-nerhalb der Par-teienlandschaftausdrücken.

    Zwar wissen wir, dass es auf denInhalt ankommt – trotzdem bestim-men immer stärker Marken unser Le-ben. Jeder kennt die lila Kuh, undjahrzehntelang hat der gelbe Wagenmit dem schwarzen Horn die Postgebracht.

    Erkennbarkeit und Unverwechsel-barkeit in der öffentlichen Kommu-nikation sind bei der Informations-flut von heute das A und O. Sichermuss zuerst der Mensch stehen, undunsere politischen Inhalte habenunser Credo zu sein, aber ein star-ker Auftritt unserer „Marke“ kanndies unterstützen.

    Dazu haben auch die neuen Servi-celeistungen der Hauptgeschäfts-stelle beigetragen. Seit März 2003haben sich die Internetzugriffe aufdie Homepage der CDA verzehnfacht– bis zu 300 000 Benutzer informie-ren sich monatlich im Worldwide-web über unsere Aktivitäten. Fasttäglich stellen wir neue Meldungen,Interviews und Beschlüsse auf dieInternetseite.

    Alle vierzehn Tage dienstagswird künftig ein Newsletter er-stellt, der ausgedruckt und verteiltwerden kann. So haben auch Mit-glieder ohne Internetzugang im-mer die neuesten Meldungen zurHand. Ebenfalls ständig im Netz –die „Soziale Ordnung“ und der „Ar-beitnehmerreport“ der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im DeutschenBundestag.

    „SO“ abrufbar

    Unser Archiv wird ständig weiterausgebaut. Künftig können alle Ar-tikel der „Sozialen Ordnung“ undandere Veröffentlichungen unterden jeweiligen Stichworten zu fin-den sein. Verstärkt werden wir auchUnterstützung bei politischen Fra-gen geben.

    Sei es das Widerspruchsformulargegen die Rentenkürzungen oderentsprechende Argumentationshil-fen zu zentralen Arbeitnehmerbe-

    Zentrales Anliegen war es, die un-verwechselbare Stärke unserer Par-tei, die Verbindung von Gemein-

    samkeit und Viel-falt, zum Aus-druck zu bringen.Neuen Schwungzu symbolisieren,aber das Bewähr-te nicht überBord zu werfen.Dies ist uns mitunserem neuenLogo gelungen,das die CDA künf-tig von Flensburgbis Freiburg mitjeweils eigenerPrägung dar-stellt. Denn unserneues Erschei-nungsbild sollbeides leisten:die Gemeinsam-keit stärken undder Vielfalt Raumgeben.

    Dabei habenwir uns stark ander neuen „Cor-porate Identity

    (CI)“ der Bundespartei orientiert.Zum einen weil das dort entwickelteBaukastenprinzip eine gute undpreisgünstige Möglichkeit ist, dasneue Logo bis in die untersten Glie-derungen umzusetzen und genugFreiraum gibt um die regionaleIdentität der CDA-Verbände darzu-stellen. Zum anderen, weil wir auchals Teil der CDU erkennbar sein wol-len.

    Wir wissen: Eine Umsetzung vonheute auf morgen ist nicht möglich,aber entscheidend ist, jetzt das Zielzu setzen und mit der Realisierungzu beginnen. Natürlich soll vorhan-

    SO-Autorin Andrea Resigkeit iststellvertretende Hauptgeschäfts-führerin und Pressesprecherin derCDA Deutschlands.

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 19

    Moderne CDA

    einen starken Auftrittdenes Material aufgebraucht wer-den, denn weiterhin müssen wirkostengünstig arbeiten. Die Haupt-geschäftsstelle unterstützt euchgern bei der Umsetzung.

    „CDA-Logozusatzzone“

    Die regionale Identität von CDU-Verbänden kommt oft auch im Ein-satz von regionalen oder lokalenSignets, Emblemen, Wappenelemen-ten etc. zum Ausdruck. Dafür ist alsOption ein eigenständiger, definier-ter Raum neben dem CDA-Logo ein-gerichtet. Die Positionierung dieserSymbole in einem eigenen „Raum“neben dem CDA-Logo bringt beidesoptisch besser und klarer zur Gel-tung.

    „Die Hausschrift der CDU“

    Seit dem Parteitag in Leipzig wirddie Schriftart „CDU Kievit“ als opti-mierte Weiterentwicklung (z. B.Lesbarkeit) eingesetzt und den Ver-bänden zur Verfügung gestellt.

    Anwendungs-beispiele: DieFlagge kanndurch regio-nale Motiveersetzt wer-den, z. B.dem BerlinerBär oder dasNRW-Landes-wappen.

    Was bedeuten „CI“ und „Signet & Logo“?

    Corporate Identity (CI)ist eine Public-Relations-Strategie, die mit den Inhalten Corporate De-sign, Corporate Behaviour und Corporate Communications das CorporateImage einer Firma oder eines Verbandes bilden soll.Der Begriff Corporate Identity kam in den 60er-Jahren in Großbritanienund den USA zum erstenmal auf und bezieht sich zunächst nur auf dasvisuelle Erscheinungsbild einer Firma.Das neue CDA-Logo und die Musterbriefe können unter www.cda-bund.deheruntergeladen werden.

    Signet & LogoDas Signet bzw. Logo ist ein Symbol mit Signalwirkung und das grund-legendste aller Mittel, mit dem sich ein Unternehmen oder ein Verbandvisuell manifestiert. Es muss zeitlos sein bzw. wird mit der Zeit margi-nal verändert oder modifiziert.Man unterscheidet zwischen vier verschiedenen Arten von Signets:

    BildmarkenWortmarkenBuchstabenmarkenKombinationen

    Logos sind in ihrer Eigenständigkeit schützbar.

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  • 20 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Pflege

    „Wir brauchen Charta für Pflege“Von Angelika Gemkow

    Eine Charta für menschenwürdige Pflege ist über-flüssig. Die Pflege morgen ist nur sicher, wenn Po-litik und Gesellschaft jetzt die Verpflichtung einermenschenwürdigen Pflege annehmen und dieGrundlagen für die Herausforderungen der älterwerdenden Gesellschaft schaffen.

    Deshalb muss gefordert werden:Rechtzeitige Befassung der

    Menschen mit dem eigenen Alterund mehr gesellschaftliche Aner-kennung der wichtigen Themen Al-ter und Pflege. Es gilt, nicht nurüber die Finanzierungsgrundlagen,sondern mehr über Inhalte derPflege zu reden. Die Ursachen fürPflegebedürftigkeit sind wichtig.Wir brauchen Untersuchungen, war-um Menschen pflegebedürftig wer-den und wie Pflegebedürftigkeit ver-hindert oder hinausgeschoben wer-den kann.

    Breite gesellschaftliche Aner-kennung für Pflegekräfte und pfle-gende Angehörige. Bessere Koordi-nierung und Vernetzung sozialerAngebote.

    Für die Zukunft brauchen wireine menschenwürdige Pflege mitZuwendung und Herz. Die Menschensollen in eine gute Pflege vertrauenkönnen. Pflege ist Beziehung vonMensch zu Mensch. Geld alleinpflegt keine Menschen. Trotzdembraucht die Pflege eine solide fi-nanzielle Grundlage. UnnötigeBürokratie und Überreglementie-rung im Pflegebereich müssen ab-gebaut werden, damit mehr Pfle-gende für die direkte Pflegeleistungzur Verfügung stehen.

    Die soziale Kompetenz der Ge-sellschaft ist ein wichtiges Zu-kunftsthema. Nötig sind verpflich-tende Schülerpraktika im Sozialbe-reich und Praktika für Manager, Po-

    litiker und sozialfernere Berufe. InBewerbungen müssen soziale undehrenamtliche Aktivitäten positivbewertet werden.

    Und: Jeder pflegebedürftigeMensch muss täglich seine Mahlzei-ten und in ausreichendem Maße Ge-tränke/Flüssigkeit in dem Tempo er-halten, in dem er kauen undschlucken kann. Baden, Waschen,Körperhygiene sind ein Teil derMenschenwürde. Jeder pflegebe-

    dürftige Mensch muss täglich zurToilette gebracht oder geführt wer-den. Windeln und Dauerkatheter alspflegeerleichternde Maßnahmenmüssen Ausnahmen bleiben. Jederpflegebedürftige Mensch muss (aufWunsch) täglich die Möglichkeit be-kommen, sein Bett zu verlassen undan die frische Luft zu kommen. Be-wegung, Kommunikation und Ge-spräche sind Teil einer guten Pfle-ge. Jeder Mensch hat das Recht auf

    sein Zuhause. Deswegen sollte jederpflegebedürftige Mensch als Bewoh-ner/-in in Pflegeheimen Mitspra-cherecht bei der Auswahl des/derMitbewohners/-in im Doppelzimmerhaben. Schließlich gehört auchmenschenwürdiges Sterben imhäuslichen und stationären Bereichdazu, Zuwendung und Zeit für Ster-bende und Angehörige. Jeder pfle-gebedürftige Mensch muss die Si-cherheit haben, dass er/sie nichteinsam und allein sterben muss.Aktive Sterbehilfe darf es wederheute noch morgen geben.

    Die von einigen Abgeordneten imBundestag ergriffene Initiative fürein Sterbehilfe-Gesetz ist für die Zu-kunft einer menschenwürdigen Pfle-ge der völlig falsche Weg. InDeutschland ist die aktive Sterbehilfestrafbar. Das muss auch so bleiben.

    In Zukunft wird es mehr alte Men-schen, mehr Pflegebedürftige undweniger junge Menschen geben. DieHerausforderungen müssen disku-tiert werden. Mein Ziel ist einemenschenwürdige Pflege heute undmorgen. Erleichterungen der Ster-behilfe führen nach meiner Mei-nung unweigerlich zu neuen – jetztvielleicht noch unbeabsichtigten –Euthanasieüberlegungen.

    Die Vision einer menschenwürdi-gen Pflege heute und morgen darfvon uns nicht aufgegeben werden.Um Geld zu sparen, gibt es – so be-fürchte ich – zukünftig bei teurerKrankheit, hohem Alter und großemPflegebedarf einen nicht zu verant-wortenden Druck auf alte und kran-ke Menschen, ihr Leben zu been-den. Die Menschenwürde und unserchristliches Menschenbild gebietenes, den Lebensschutz nicht nur amLebensanfang, sondern gerade aucham Lebensende uneingeschränkt zuachten.

    SO-Autorin Angelika Gemkow istMitglied des NRW-Landtags undBezirksvorsitzende der CDA Ost-westfalen-Lippe.

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 21

    Buch-Tipps

    Gedanken zum „Methusalem-Komplott“

    In den USA altern die Baby-Boo-mer. Aber es bleiben auch die Ge-burten konstant. Wir Europäeraltern, und es wachsen immer we-niger nach. Deshalb altert bei unsdas ganze Land, in den USA abernur der Markt. Es wird zu spätsein, wenn wir auf das Jahr 2020warten ...“ So Frank Schirrmacherin seinem Demografie-Buch „DasMethusalem-Komplott.“

    Der Autor ist kein Manager, keinOberkirchenrat, kein Funktionärund auch kein Mitglied einer Regie-rung, er ist Journalist, 44 Jahreund einer der fünf Herausgeber derFrankfurter Allgemeine Zeitung. EinMann mit kühnen Gedanken undgroßem Einfluss. Er schrieb einemitreißende Streitschrift, sie weisteinen Weg und wird das Bewusst-sein vieler seiner Generationen ver-ändern.

    Die Demografie ist das Thema. EinPortal wird aufgestoßen, überwölbtvon Informationen, unterlegt undgesichert durch Statistiken. Erwartetund umschrieben wird eine Revoluti-on, die es zuvor noch nie gegebenhat. Schon um 2010 werden die 65-Jährigen auf die Überholspuren drän-gen, sie werden den Anteil der Jun-gen an der Bevölkerung überholen.

    „Altes Testament“

    Eine deutsche „Titanic“ stampftmit voller Kraft voraus in ein totalanderes Zeitalter, und die Alten ha-ben die oberen Decks besetzt. KeineLiegestühle am Abgrund, sondernsie beschleunigen den Umbau derüberkommenen Gesellschaft. Dieheute 40- bis 50-Jährigen sinddann die Betroffenen.

    2040 – Methusalem sitzt im Krei-se seiner Freunde, es wird gefeiert,seine zweite Frau hat ihm wieder ei-nen Sohn geboren. Sein Terminan-zeiger ist gut gefüllt. SchirrmachersMethusalem finden wir im AltenTestament, im 1. Mose Kapitel 5.

    „Begrenzung der Lebenszeit“

    Als Methusalem 187 Jahre altwar, wurde ihm Lamech geboren.Nach der Geburt Lamech lebte Me-thusalem noch 782 Jahre und hatteSöhne und Töchter. Demnach be-trug seine ganze Lebenszeit 969Jahre, dann starb er.“ (Übersetzungnach D. Dr. Hermann Menge, Stutt-gart.) Das Alte Testament be-

    schreibt in diesen ersten Kapitelndie vorsintflutliche Linie derMenschheit, sie wurden alle durch-weg so alt. Im sechsten Kapitelgreift Gott ein und begrenzt dasLeben auf 120 Jahre. (Bei Schirr-macher Seite 85.)

    Ernst Jünger wurde fast 103Jahre, gegenwärtig ist die Zahl derHundertjährigen noch relativklein, aber sie steigt unaufhalt-sam. Vor gut vier Jahren erschiendas erste Buch über sie, darin sind50 mit ihrem Lebenslauf vorge-stellt, darunter Anna Stadler, Deg-gendorf. Der OB kam zu ihrem Ge-

    Von Erwin Ortmanns

    Menschen im Alter über 55 Jahre sind in Deutschland weit seltenerberufstätig als in anderen Industrieländern. Im Jahr 2002 waren nur38 Prozent der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig; 1970 waren es nochfast 50 Prozent. In Schweden dagegen liegt der Anteil der berufstäti-gen Älteren bei fast 70 Prozent, in der Schweiz bei knapp 65 und inden USA bei fast 60 Prozent. Auch andere europäische Länder wieDänemark, Großbritannien und Irland nutzen weit stärker den Erfah-rungsschatz dieser Altersgruppe als Deutschland.

    © Globus

    Ungenutzter Erfahrungsschatz

    1970

    9110

    1975 1980 1985 1990 1995 2002

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    So viel Prozent der 55- bis 64-Jährigen warenin Deutschland erwerbstätig

    So viel Prozent der 55- bis 64-Jährigen warenim Jahr 2002 in diesen Ländern erwerbstätig

    SO-AutorErwin Ort-manns, jahr-zehntelangführend inder Evangeli-schen Arbeit-nehmerbewe-gung tätig,lebt als frei-er Publizistin Köln.

    Lesen Sie bitte weiter auf Seite 22

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  • 22 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Buch-Tipps

    burtstag mit 103 Flaschen Piccolo:„Da haben Sie was fürs ganzeJahr.“ Ihre Antwort: „Ja, aber dasJahr hat 365 Tage!“ Für viele Jün-gere hört sich eine so schnelle Re-aktion erstaunlich an, sie habendas von Jugend an eingepflanzte

    Vorurteil im Kopf, das Alter zieheunweigerlich auch gesundheit-lichen Zerfall nach sich.

    Die heute 40-Jährigen müssendieses Vorurteil auflösen, abschaf-fen. Das Programm hierzu beschriebSchirrmacher so: „Unsere Missionist es, alt zu werden. Wir haben kei-ne andere.“ Diese Generationenhätten allen Versuchen zu widerste-hen, die „Fahnenflucht und Deserti-on“ in den Selbstmord als Auswegpropagierten. Etwa als Heldentodfürs jugendliche Vaterland.

    „Barmherzigkeit“

    Unsere Nachbarn, die Niederlan-de, sind schon dahin unterwegs.Die Ausdünnung der christlichenGrundlagen ist dort weit gediehen,wie Schirrmacher beschreibt. Im-mer weniger wird anerkannt, wiesehr die Barmherzigkeit eine le-benserhaltende Tugend ist, dassein Sterbender wie ein Lebenderzu behandeln sei. Starke Kräfte

    Vor dem „Komplott“ kamennoch andere Bücher auf denMarkt, auf vier wollen wir hin-weisen: Hans Mohl, Die Altersex-plosion, 1993, Kreuz-Verlag. PaulWallace, Altersbeben, 1999,Campus-Verlag. Thomas Gutsch-ker, Selbstbewusst und unbere-chenbar?, 2003, Olzog.

    Gewerkschafter – Minister – QuerdenkerWalter Riesters Abgang als Bun-

    desminister für Arbeit und Sozial-ordnung kam 2002 überraschend. Inknappen Worten informierte KanzlerGerhard Schröder damals die Öffent-lichkeit über diesen Rücktritt. Inseinem Buch „Mut zur Wirklichkeit“spricht Walter Riester nun zum ers-ten Mal Klartext.

    Riester, heute MdB für seinenWahlkreis Göppingen, räumt darinalle Spekulationen um seinenRücktritt aus dem Weg – kann

    Schröders Entscheidung nachvoll-ziehen.

    Er, der sich ein Leben lang mitder Arbeits- und Rentenpolitik be-schäftigte, hatte nicht nur die Pro-bleme erkannt, sondern gehandelt.Selbstkritisch erläutert er die Grün-de, warum sein Modell für eine ka-pitalgedeckte Rentenversicherungnicht zum Erfolg geführt hat.

    Walter Riester, Mut zur Wirk-lichkeit, Droste Verlag/Düssel-dorf, ISBN 3-7700-1173-2

    sind fleißig dabei, diese jüdisch-christlichen Prinzipien außer Kraftzu setzen.

    Eine relativ hohe Anzahl von al-ten Menschen stirbt in den Nieder-landen nicht auf eigenen Wunsch,der Druck, der von den Angehörigenausgeht, ist oft maßgebend. An-gehörige wollen nicht viele Monatepflegen, sie wollen bald erben.Gründe sind rasch gefunden, z. B.solle die alte Mutter nicht so langeleiden. Der Egoismus wird als Mitleidgetarnt. Die Euthanasie lebt wiederin Europa. Adolf Hitler und HeinrichHimmler sind aus ihren heimlichenGräbern wieder auferstanden.

    „Kosten-Nutzen-Rechnung“

    Die Euthanasie, wird in der Ketteder Argumente nicht genannt,meint der Autor. „Sie werden dieKosten-Nutzen-Rechnung aufma-chen ... und zwar leider genau andem Punkt, wo sie sich aus dennicht mehr heilenden Händen derNatur in diejenigen der Gesellschaftbegeben, mit 70 oder 80 Jahren.“

    Methusalem In den 40er-Jahren gab es in ei-nem KZ der Nazis ein Beispiel derBarmherzigkeit, als ein katholischerPriester seinen Platz mit seinem Ne-benmann tauschte. Jeder Zehntewurde erschossen, und dieser warder Zehnte.

    Wie viel Gewicht und Kraft wer-den die beiden großen Volkskir-chen aufbringen, wenn es um dieTötung alter Menschen gehen soll-te? – Schon heute dulden sie dietödliche Bedrohung durch die Ab-treibung.

    Für den französischen Philoso-phen André Comte-Sponville liegtdie Krise des christlich geprägtenEuropas nicht so sehr im Zerfall dermoralischen Werte, sondern in de-ren Verwechslung mit den politi-schen Werten.

    Wenn Schirrmachers Methusalem-Komplott seine Kreise zieht, werdenetliche Plaudertaschen leiser wer-den. darunter auch Gerhard Schrö-der.

    Frank Schirrmacher, Das Methu-salem-Komplott“, Blessing Ver-lag, ISBN 3-89667-225-8

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 23

    Arbeitsmarkt

    Ausweis gegen Schwarzarbeit!Von Holger Doetsch

    Es gibt in diesem Land ein Pro-blem, das dringlich gelöst werdenmuss. Doch es passiert irgendwienichts. Dabei würden alle, direktBeteiligte und Nichtbeteiligte da-von profitieren, wenn eben jenesProblem gelöst würde.

    Es geht um die Bekämpfung derSchwarzarbeit, und dies ist in derpolitischen Auseinandersetzungnicht erst unter Rot-Grün ein Dauer-brenner. Die aktuelle Botschaft desFinanzministers mag einfach undgriffig sein: Schwarzarbeit kostetMilliarden – Illegal ist unsozial. Ei-ne entsprechende in Hochglanzma-gazinen platzierte Anzeige springtuns seit Wochen an. Falsch ist dieBotschaft des Hans Eichel nicht,man fragt sich gar im Gegenteil,warum seine Werbeagentur nicht ei-ne schärfere Tonart gewählt hat.

    „Tonart“

    Und warum steht hinter dem „Ille-gal ist unsozial“ ein Punkt und keinAusrufezeichen? Das Ausrufezeichenwäre durchaus angebracht, ach was,im Grunde müssten hinter dem „Ille-gal ist unsozial“ gar drei Ausrufezei-chen stehen, denn Schwarzarbeit isteine himmelschreiende Sauerei, dieman mit einem Maßnahmenbündelbekämpfen muss, das sowohl auspräventiven als auch repressivenElementen besteht.

    Doch – um es zu wiederholen – espassiert irgendwie nichts. Beste-hende Gesetze greifen nicht. Unddas von Rot-Grün geplante Schwarz-arbeitsgesetz weist an entscheiden-den Stellen handwerkliche Mängelauf oder sieht geeignete Maßnah-

    men gar nicht erst vor. Ein Beispiel:Der CDA-Ehrenvorsitzende RainerEppelmann MdB hat seit längeremeine alte Forderung des Zweckver-bundes Ostdeutscher Bauverbändee. V. (ZVOB) aufgegriffen und in dieparlamentarischen Beratungen ein-gebracht. Ein elektronisch lesbarerund fälschungssicherer Sozi-alversicherungsausweis sollher!

    „Datenschutz?“

    Doch ein solcher Ausweiswird absurderweise mit demHinweis auf Datenschutzbe-stimmungen abgelehnt. Rai-ner Eppelmann zur SO: „Die-se Karte wäre ein geeignetesMittel zumindest zur deutli-chen Eindämmung derSchwarzarbeit. Sie muss end-lich kommen!“ Die Diskussi-on um die Bekämpfung derSchwarzarbeit lässt aber zu-nehmend den Verdacht auf-keimen, dass es kein wirklichernsthaftes Interesse darangibt, gegen Schwarzarbeitervorzugehen. Von der Hand zuweisen ist diese These nicht.Schwarzarbeit ist der einzigeflorierende Wirtschaftszweigin Deutschland. Hier werdenin jedem Jahr grob geschätzt370 000 000 000 Euro erwirtschaf-tet. Die nicht gezahlten Steuernwerden dem Allgemeinwohl entzo-gen, insofern bereichern sichschwarz Arbeitende und deren Auf-traggeber. Es geht nicht um Wähler-beschimpfung. Es geht darum, beiden Deutschen einen Bewusstseins-wandel herbeizuführen. Weg vom„Ich!“ hin zur Solidargemeinschaft.Nicht mehr und nicht weniger! Hier

    lässt sich vortrefflich John F. Ken-nedy zitieren, der einmal sagte, derBürger solle nicht so sehr danachfragen, was der Staat für ihn, son-dern was er für den Staat tun kann.Mit dem Steueraufkommen aus370 000 000 000 erwirtschaftetenEuro wäre der Staat mit einem Mal

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    Schwarzarbeit boomtUmsatz in Deutschland

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    saniert. Die Steuerlast der Deut-schen könnte gesenkt und der Kon-sum angekurbelt werden. Es wäreGeld für die Bildung da und für dieRenovierung von Schulen und Kin-dertagesstätten. Wie gesagt: Vonder Lösung des Problems derSchwarzarbeit würde jeder profitie-ren! Fragt sich nur, warum es offen-bar kaum jemand so richtig verste-hen mag.

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  • 24 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Umwelt

    Die veränderte RolleVon Hans-Peter Repnik

    Seit Monaten steigen weltweit die Preise fürRohöl, Deutschlands Verbraucher stöhnen über dieBenzinpreise und Konjunkturforscher sehen durchdie hohen Energiepreise den wirtschaftlichen Auf-schwung gefährdet. Vieles spricht dafür, dass wires nicht nur mit einer Überreaktion des Markteszu tun haben, sondern mit dem Beginn einesschmerzhaften Prozesses, einer tatsächlichen Zei-tenwende: der allmählichen Abkoppelung vom Öl.

    Zwar differieren die Prognosenüber die noch zur Verfügung ste-henden Mengen an Erdöl und auchErdgas, aber während seit vielenJahren keine wirklich großen Erdöl-Vorkommen mehr entdeckt wordensind, wächst der Hunger nach Ener-gie, gerade in den großen Volks-wirtschaften China und Indien. Daswachsende Missverhältnis zwischensteigender Nachfrage und sinken-dem Angebot wird mittelfristig ei-nen weiteren Preisschub bei fossi-len Energieträgern zur Folge haben.Experten wie der Ex-Shell-Vorstandund heutige Windkraftmanager FritzVahrenholt sprechen davon, dasswir uns „Zeit kaufen“ müssen, umdie unabänderliche Verlagerung hinzu anderen Energieträgern bis zurMitte dieses Jahrhunderts ohneernste Verwerfungen für Wirtschaftund Gesellschaft zu bewerkstelli-gen.

    Gleichzeitig steigen die Gefahrenpolitischer Instabilität als Folgeder Umweltzerstörung weiter an.Eine Studie des Pentagon kommtzu dem Ergebnis, dass die globalenInstabilitäten durch den Klima-wandel in rund 20 Jahren gefährli-cher sein können als die Bedro-hung durch Terrorismus. WeltweiteVerteilungskämpfe und Kriege um

    Ressourcen sind die möglichen Fol-gen.

    Wir müssen also beim grundsätz-lichen Problem des steigenden Be-darfs an fossilen Energien zwei Ge-sichtspunkte beachten: Zum einendie unerfreuliche Perspektive, inabsehbarer Zeit keine kostenver-träglichen Öl- und Gasvorkommenmehr fördern zu können. Zum an-deren die Gefahr, durch die Ver-feuerung der noch vorhandenenfossilen Ener-gieträger un-überschaubareFolgen für dieErde, ihr Klimaund letztlichauch die ge-sellschaftlicheStabilität zuprovozieren.

    Es bleibt unsnichts anderesübrig, als dievorhandenenEnergiereserveneffizienter zunutzen, neueTechniken ein-zusetzen, umden Übergangvom Ölzeitalterin ein Zeitaltermit mehr alter-nativen Ener-gien möglichstharmonisch undkonfliktfrei zugestalten. Dazugehört auch,dass wir bereitsheute alle Mög-lichkeiten derEinsparung rea-lisieren.

    Hier sind nicht nur die Politikund die Wirtschaft, sondern hier istauch der Beitrag jedes Einzelnen er-forderlich und nötig. Der Schutz un-serer natürlichen Lebensgrundlagenist ein mühsames Geschäft, der nurgelingen wird, wenn sich viele klei-ne Initiativen in der Summe zu ei-nem messbaren Umweltschutz ad-dieren.

    Das Zusammenwirken der Men-schen für den Umweltschutz ist das

    Jeder Bundesbürger hat 2003 im Durchschnitt 72,6Kilogramm Wertstoffe gesammelt und über das DualeSystem entsorgt.

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 25

    Umwelt

    des Grünen PunktesPrinzip des Dualen Systems. Alleinim vergangenen Jahr haben wirrund sechs Millionen Tonnen Ver-packungen mit dem Grünen Punktgesammelt, jeder Bundesbürger hatsomit durchschnittlich 72,6 Kilo-gramm Wertstoffe in die Sammel-behälter des Dualen Systems ge-bracht. Damit werden Deponienund Müllverbrennungsanlagen ent-lastet, wertvolle Rohstoffe ge-schont.

    Ich sehe die umweltpolitischeRolle des Grünen Punkts aber nicht„nur“ im Sammeln, Sortieren undVerwerten von Verpackungen. Im-mer wichtiger werden auch die Ein-sparung von Energie und die Ver-

    minderung von Treibhausgasen involkswirtschaftlich relevantenGrößenordnungen als Zusatznutzenunserer Arbeit. So bringt dasVerpackungsrecycling eine Energie-einsparung von rund 64,1 MilliardenMegajoule Energie im Jahr – wan-delt man diese Menge in Strom um,würde dies rund einem Drittel derStrommenge entsprechen, die imvergangenen Jahr in Deutschlanddurch Windkraftanlagen produziertwurde. Gleichzeitig verhindertRecycling die Emission von 1,32Millionen Tonnen klimaschädlicherTreibhausgase.

    Gemessen an der Vereinbarungzwischen Umwelt- und Wirt-

    schaftsministerium, den CO2-Aus-stoß zwischen 2007 und 2012 von503 auf 495 Tonnen zu reduzieren,entspricht die durch das Ver-

    SO-AutorHans-PeterRepnik istVorstands-vorsitzenderder DualesSystemDeutschlandAG und warviele Jahreerster Parla-mentarischerGeschäfts-führer derCDU/CSU-Bundestags-fraktion.

    Lesen Sie bitte weiter auf Seite 26

    „Pack the Future“ – ein Wettbewerb, der die Jugend motivieren soll!

    Die Verpflichtung, jungen Men-schen ein ökologisch intaktesLand zu hinterlassen, nimmt dieDuales System Deutschland AGsehr ernst. Auch nachfolgendeGenerationen müssen lernen, mitRohstoffen überlegt umzugehenund sie nicht zu vergeuden. Da-bei spielen die Umweltbildungund -erziehung eine entschei-dende Rolle. Erst das Wissen umdie Bedeutung von Ressourcen-schonung, Recycling und Um-weltschutz schafft die Motivationzum individuellen Engagement.

    Das aktuellste Projekt des Grü-nen Punkts in diesem Bereichrichtet sich an die Zielgruppe derJugendlichen. Unter dem Motto„Heute nicht auf Kosten von mor-

    gen leben“ wurden Auszubildendebei dem bundesweiten Wettbewerb„Pack the Future“ aufgerufen, dasThema Nachhaltigkeit mit Leben zufüllen, Lösungen für die Herausfor-derungen der Zukunft zu suchenund sich kreativ mit ihrem berufli-chen Umfeld und der Umwelt aus-einander zu setzen. Auf Initiativeder Duales System Deutschland AGund in Kooperation mit dem Bun-desinstitut für Berufsbildung, demInstitut für Umweltschutz in derBerufsbildung und der DeutschenGesellschaft für KunststoffrecyclingmbH wurde der Wettbewerb im Be-rufsschuljahr 2003/2004 durchge-führt.

    Gewonnen haben vier Azubis derFirma Rasselstein GmbH aus Ander-

    nach. Sie hatten im eigenen Be-trieb eine umfassende Recherchezum Ressourcensparen durchge-führt und das Thema Nachhaltig-keit mit selbst entwickelten Mate-rialien im Betrieb verbreitet.

    Der Grüne Punkt initiiert undfördert seit langem Projekte fürKinder und Jugendliche. Für großeResonanz sorgten zum Beispiel derRecyclingzirkus „Punkti“ sowie„Bolino der Außerirdische“, diequer durch Deutschland tourten.Seit dem letzten Jahr spricht dasUnternehmen erstmals die Ju-gendlichen an und startete dasProjekt „www.ausrede.de“. Einweiterer Baustein, mit dem dasEngagement in der Umweltbildunguntermauert wird.

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  • 26 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Umwelt

    Pilotprojekten, ob und inwieweitneue abfallwirtschaftliche Verfahrenund Techniken das Verpackungs-recycling noch effizienter machenkönnen. Erste Ergebnisse werdenzum Jahreswechsel vorliegen.

    Nicht nur die aktuelle Debatte umden Handel mit Emissionsrechtenzeigt, wie schwierig gerade in wirt-schaftlich angespannten Zeiten ei-ne Politik umzusetzen ist, die lang-fristige Perspektiven verfolgt – unddamit meine ich auch und geradewirtschaftliche Wachstumsperspek-tiven. Maßnahmen zum Schutz derUmwelt werden heute geradezu re-flexartig als ökonomisch schädlichbetrachtet. Umweltschutz ist aberkein Luxus, den man sich in gutenZeiten gönnt, um ihn in schlechtenZeiten zurückzufahren.

    Nur wenn wir in unserem dichtbesiedelten, rohstoffarmen, vom

    Wissen der Men-schen abhängigenLand die Lebens-grundlagen erhal-ten, werden wir imglobalisierten Wett-bewerb eine Chancehaben. Nur dannwerden wir weiterzu vertretbaren Um-weltlasten produzie-ren können, unsereEnergie effektiv ein-setzen, Kostenvor-teile im Wettbewerbsichern. Dies ist imÜbrigen auch ein oftvergessener Aspektdes Generationen-vertrags: unsereVerpflichtung, derJugend ein ökolo-gisch intaktes Landzu hinterlassen, umauch künftig inDeutschland lebenund arbeiten zukönnen.

    packungsrecycling eingesparteSumme bereits rund 17 Prozentder Zielgröße. Dies alles wird erstmöglich durch das tägliche Enga-gement der Bürger, die ihre Abfäl-le im Haushalt trennen. Viele klei-ne Aktivitäten führen also in derSumme zu einer umweltrelevantenGröße, die selbst in einem Indus-trieland wie Deutschland in derGesamt-C02-Bilanz sichtbar zuBuche schlägt.

    Der Grüne Punkt leistet seitknapp 14 Jahren eine erfolgreicheArbeit beim Sammeln, Sortierenund Verwerten von Verpackungen.Auf diesem funktionierenden Kern-geschäft aufbauend, interpretierenwir unsere Rolle heute umfassenderals in der Vergangenheit: Wir wol-len den Zusatznutzen des Ver-packungsrecyclings offensiver her-ausstellen, aber auch als zentraler

    Umweltdienstleister in Deutsch-land mit einem hohen ökologi-schen Qualitätsstandard in einemmarktwirtschaftlichen Umfeld agie-ren. Ich sehe es daher als unter-nehmerische Kernaufgabe dernächsten Jahre an, unsere ökologi-sche Leistung auch und gerade un-ter Rahmenbedingungen zu erbrin-gen, die von mehr Wettbewerb,höherem Kostendruck und weiter-hin hohem Anspruchsdenken vonKunden, Politik und Verbraucherngeprägt sind.

    Um diese Herausforderung dauer-haft zu meistern, haben wir nebeneiner Optimierung unternehmens-interner Prozesse und Kostenstruk-turen das „Innovationsprogramm2007“ als strategische Klammer fürunseren Modernisierungsprozess ge-startet. Im Rahmen des Programmserproben wir derzeit anhand von

    Auch im Jahr 2003 wurden im Rahmen des Dualen Systems mehr Verpackungen ver-wertet als mit dem Grünen Punkt lizenziert waren. Dies gilt vor allem für die Materia-lien Papier, Pappe und Karton sowie Weißblech und Aluminium.

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  • 71-7-8•2004 Soziale Ordnung 27

    Umwelt

    Am 1. Mai 2004 wurde die Eu-ropäische Union von 15 auf 25 Mit-gliedstaaten erweitert und umfasstjetzt rund 450 Millionen Einwoh-ner. Neun der zehn neuen Mitglied-staaten haben bereits den GrünenPunkt als Finanzierungszeicheneingeführt. Die Marke Grüner Punktwird von insgesamt 22 europäi-schen Ländern genutzt. Damit istder Grüne Punkt das am meistengenutzte Markenzeichen der Welt.

    Die europäischen Grüner-Punkt-Systeme haben sich unter demDach von „PRO EUROPE“ – derPackaging Recovery OranisationEurope s.p.r.l. zusammengeschlos-sen. PRO EUROPE entwickelt sichzum Vorreiter und zum Zentrum ei-ner internationalen Entwicklung,die im Umweltschutz bisher ohneVorbild ist.

    Mehr als 98 000 Unternehmenvertrauen europaweit auf die MarkeGrüner Punkt. Auf mehr als 460 Mil-lionen Verpackungen in der Welt ister zu finden. Von den 390 MillionenEinwohnern der Grüne-Punkt-Länderhaben bereits 230 Millionen BürgerZugang zur getrennten Erfassung.12,4 Millionen Tonnen gebrauchterVerkaufsverpackungen wurden 2003in Europa einer Wiederverwertungzugeführt, davon 1,2 Millionen Ton-nen Kunststoffe.

    Pro Europe organisiert den Dialogzwischen den Mitgliedern und ver-anstaltet seit 2001 die EuropäischeRecyclingwoche (ERW) und denPRO-EUROPE-Kongress. In diesemJahr findet die Europäische Recyc-ling-Woche vom 13. bis 24. Septem-ber in Deutschland statt. Abschlussund Höhepunkt ist der 2. Interna-

    Der Grüne Punkt internationaltionale PRO-EUROPE-Kongress mitdem Titel „Green Dot 2004 –Recycling Benefits for FutureGenerations“. Der Kongress wirdam 23. und 24. September 2004 inBerlin tagen. Schirmherr ist derehemalige Präsident der Tschechi-schen Republik, Vaclav Havel.

    In Deutschland veranstaltet dasDuale System vom 13. bis zum 17.September 2004 eine Preview-Tour, bei der der Vorstand derDuales System Deutschland AGbundesweit ausgesuchte Anlagenzur Sortierung und Verwertung ge-brauchter Verkaufsverpackungenbesucht. Im Anschluss öffnen diemodernsten Anlagen bundesweitihre Türen für die Verbraucher.Nähere Informationen gibt es abAugust 2004 unter www.gruener-punkt.de

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  • 28 Soziale Ordnung 7-8•2004

    Aus den Verbänden

    Flaschenpost durch zehn LänderDem Dachverband „Europäische

    Bewegung Deutschland e. V.“ ge-hören rund 150 europäische Institu-tionen und Verbände an. Ihre Frau-enverbände bilden eine Frauenkom-mission, die alljährlich – und dasseit 1991 – die „Frau Europas“ kürt.In diesem Jahr ist es die Malerinund Aktionskünstlerin Regina Hell-wig-Schmid aus Regensburg. IhrAtelier liegt direkt an der Donau,

    dem zweitgröß-ten Fluss Euro-pas, der nachseinem Ur-sprung in Do-naueschingennach 2 850 Kilo-metern insSchwarze Meermündet. Folg-lich hat sich diegelernte Dol-

    metscherin Gedanken gemacht, wiesie die zehn an der Donau gelege-nen Länder, die acht Sprachen unddrei Weltreligionen verkörpern, mit-einander verbinden könnte: „Ich willein Netzwerk etablieren, durch dassich die Menschen in ihrer Verschie-denheit kennen-, gegenseitig verste-hen und respektieren lernen – unddamit die Voraussetzung für einendauerhaften Frieden, für die Beach-tung der Menschenwürde und eineechte Freiheit in Europa schaffen.“

    Ihr erster Schritt: Die pax Danubia2000, eine Kunst- und Friedensper-formance, zu der sich 1 857 Künstlerund Künstlerinnen in allen zehnLändern gleichzeitig trafen. Die ver-schiedenen Kultusminister, dasGoethe-Institut Inter Nationes, dasMuseum für Moderne Kunst in Brati-slava, der Künstlerverband von Osi-jek und das Forum Stadtpark Graz,

    Politiker und Manager – alle mach-ten mit, um Regina Hellwig-SchmidsIdee als „Flaschenpost“ weiterzutra-gen. Ihr Buch „DonauWelten“ wirdauf der Expo in Hannover vorge-stellt. 2002 bringt sie im gemeinsa-men Projekt „donumenta“, eine Prä-sentation zeitgenössischer Kunst,die Donauländer einander näher,plant bis 2011 deren aktuelle Kunst-und Kulturszene von Österreich überBulgarien und Kroatien nach Ungarnund Serbien zu bringen: „Eine Span-ge zwischen West und Ost, zwischenden unterschiedlichen ideologi-schen und politischen Standpunk-ten, zwischen den verschiedenen re-ligiösen Weltanschauungen und Zu-kunftsvisionen.“ In der französi-schen Friedrichstadtkirche in Berlinwurde Regina Hellwig-Schmid derPreis „Frau Europas 2004“ verliehen.

    Rosemarie Heckmann

    Regina Hell-wig-Schmidschickt eineFlaschenpostan die zehnDonau-An-rainerländer

    Polnische Gewerkschafter an Rhein und ErftDer DGB-Kreis Rhein-Erft unter

    Leitung von Jochen Naumann, derauch CDA-Kreisvorsitzender ist,hatte eine Delegation der Gewerk-schaft Solidarnosc aus dem KreisBielsko-Biala (Südpolen) anläss-lich des 1. Mai zu einer einwöchi-gen Informations- und Diskussi-onsreise eingeladen.

    Naumann: „Am 1. Mai 2004 istdie Europäische Union größer ge-worden. Dies wollten wir mit unse-rer Einladung auch optisch deut-lich machen.“ Es war daher auchselbstverständlich, dass die Soli-darnosc-Vertreter bei der Mai-kundgebung des DGB im Rhein-Erft-Kreis von allen Teilnehmernherzlich begrüßt wurden. Die Part-nerschaft zwischen dem Rhein-

    Erft-Kreis und dem Kreis Bielsko-Biala hat der Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Werner Stump (CDA-Mitglied), schon 2001 geknüpft.

    Die polnischen Gewerkschafter,die ihr Handeln ganz bewusst ausder katholischen Soziallehre be-gründen, haben sich Industrie- undBraunkohle-Bergbauunternehmeninteressiert angesehen und sichüber die Selbstverwaltung in derKranken- und Arbeitslosenversiche-rung informiert.

    Marcin Tyrna, Vorsitzender der Ge-werkschaft Solidarnosc, Region Pod-beskidzie (Bielsko-Biala), freutesich darüber, „dass viele Dinge imArbeits- und Sozialleben in Deutsch-land nicht durch staatliche Behör-den, sondern durch Selbstverwal-

    tung der Betroffenen geregeltwerden“. Insbesondere zeigte ersich vom System der Betriebsräte-arbeit, die in engster Kooperationmit den Gewerkschaften erfolge,sehr beeindruckt. „Dies ist für unsein Beispiel für unsere Arbeit inPolen“, so Martin Tyrna.

    Die politische Verbunden