Social Network - Hilfe ich habe meinen Facebook Account gelöscht. Aus dem Jahr 2009
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!INDEPENDENT BRAND AND MARKETING CONSULTANT
- RETROSPEKTIVE - !!WWW.JULIUSGEIS.COM
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!!!!!!
SOCIAL NETWORK (2009) HILFE ICH HABE MEINEN FACEBOOK ACCOUNT GELÖSCHT!
!Eine Retrospektive von Julius Geis aus dem Jahr 2009 !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
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PROLOG !!Im Jahr 2009 ist dieser Artikel von mir geschrieben worden und der Social Media-Boom war für mich schon Realität. !Erfolgreich bin ich für Marken- und Markenkampagnen wie: Cab - Addicted to Party, Windows 7 - Leben ohne Grenzen und KIA verantwortlich gewesen und konnte dabei miterleben wie sich ein Netzwerk Namens Facebook, dass zu diesem Zeitpunk noch als etwaige Alltagsfliege gehandelt wurde, zu einem Global Player entpuppte. !Und gleichzeitig fing ich an mich auch kritisch mit Netzwerken und der Idee einer vernetzen Welt auseinander zu setzten. Eine Retrospektive auf eine Bewegung die bis heute unsere Gesellschaft polarisiert. !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
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„HILFE ICH HABE MEINEN FACEBOOK ACCOUNT GELÖSCHT“ !- Aus dem Jahr 2009 -
Dieses Mistding, es fängt an mich zu nerven: „Freundes-Netzwerk“, „weltweit mit allen meinen
Freunden vernetzt sein“. – Grenzenloser Austausch ohne Rücksicht auf Zeitverschiebungen oder die
geografi- sche Distanz zwischen Wohnorten. Globalisiertes Privatleben á la Social Networks macht‘s
möglich. Ein Hohn. Alles ist überladen, aus- gelöst durch die – meist – sinnlose Informationsflut meiner
Freunde. Sie scheinen infiziert und abhängig zu sein von einer neuen Welt na- mens „Facebook“.
„Welcher Hund passt zu dir?“, oder „Sven hat die Glücksnuss aufgemacht und sein Glück ist...“ oder
„Lars Level Up in Mafia Wars“ oder „Nina nimmt an ‚Welches Zitat passt zu dir’ teil“. Alles Inhalte mit
denen sich meine Freunde im Netzwerk auseinander- setzen. Das allein reicht aber noch nicht.
Zusätzlich wird das sinn- lose Geblubber von Freunden und Freundes-Freunden mit Textnachrich- ten
kommentiert. Heraus kommt die “Startseite“ von Facebook. !Alle Unwissenden, die noch kein Profil haben, aber reinwollen ins Facebook-Land, werden an der Pforte
mit folgenden Worten freundlich begrüßt: „Facebook helps you connect and share with the people in
your life.“ Verstehe ich nicht. Warum helfen mir Glücksnüsse, Hunde- Quizze oder Zitat-Zuordnungs-
Fragen, um mit meinen Freunden aus meinem Leben in Kontakt zu treten und mich mit ihnen
auszutauschen? Was heißt das? Etwa, dass alle Facebook-Nutzer, die an Spielen solcher Art teilnehmen
und ihre Ergebnisse den Freunden als kommentierbares Infofutter zur Verfügung stellen, keine weiteren
Anknüpfungspunkte im echten, realen (Freundschafts-)leben benötigen? Traurige Vorstellung oder
traurige Tatsache. !Ein Zitat aus dem Film „He is just not that into you“ trifft so ziemlich auf den Punkt, was Facebook für
viele Mitglieder in der tatsächlichen Lebensumsetzung bedeutet: „Wenn ich attraktiver für andere
werden will, gehe ich nicht zum Friseur, sondern frisiere mein Facebook-Profil“. Betrachtet man die
aufgemotzten Profile der Mitglieder, gleichen diese mehr Sed-Karten einer Casting Agentur – wie es
Lara Fritzsche in Ihrem Buch „Das Leben ist kein Ponyhof“ passend beschreibt –, als dem Spiegelbild
einer realen Persönlichkeit. Wo bleiben die Ecken und Kanten, die jeder Mensch unweigerlich hat und
ihn einzigartig machen? Wo seine Fehler, seine Schwächen? Wo bleibt die Menschlichkeit? Hierfür hat
Facebook scheinbar keinen Platz. In den Profilmasken können die Mitglieder zunächst etwas über ihre
harten Fakten verraten: Wann sie geboren sind, welches Sternzeichen sie haben, wo sie wohnen usw.
Ein Bild, das uns jedes Bewerbungsschreiben vermitteln könnte. – Aber dann geht es doch mehr und
mehr ans Eingemachte: „Du bist Mann oder Frau“ – „Du bist interessiert an einem Mann oder Frau“ –
„Du bist auf der Suche nach Freundschaft, Date, Beziehung oder willst Kontakte knüpfen“ – dann
schon heikler: „Deine politische Einstellung ist“ – und auch nicht eben unproblematisch:
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„Deine religiösen Ansichten sind“. Schizophren. Im ersten Schritt wird den Mitgliedern kaum Raum
gelassen, ihre Persönlichkeit zu beschreiben aber im zweiten kommt die Plattform mit der Blutgrätsche,
indem sie nach den politischen und religiösen Ansichten der Mitglieder fragt. Im Fußball gäbe es hierfür
ganz klar eine rote Karte. „Ist doch kein Problem, wenn ich auf meinem Facebook-Profil bekannt gebe,
welcher Religion ich angehöre oder mit welcher politischen Richtung ich sympathisiere – hier sind doch
alle meine Freunde.“ Beachtliche Freunde müssen das sein, die miteinander ein Glücksnuss-Ergebnis
teilen, aber nicht das, was sie in ihrem Leben vor den Toren des Web 2.0 wirklich beschäftigt. Aber
vielleicht alles nur halb so schlimm, denn es gibt das noch die Kategorie „Persönliches“. Hier darf der
User seine Charaktereigenschaften bekannt geben und das Unternehmen Facebook hat die Möglichkeit
zu zeigen, dass auf seiner Plattform tatsächlich Platz für das „echte“ Leben ist. Und los geht’s. Jetzt ist
das Mitglied gefragt. „Aktivitäten“, „Interessen/Hobbies“, „Lieblingsmusik“, „Lieblingsfernsehsen-
dung“, „Lieblingsfilm“, „Lieblingsbuch“, „Lieblingszitate“ und dann „Über mich“. Toll! Ein Segen! „Über
mich“ – der Platz an dem ich ganz ich selbst sein darf. Natürlich nur auf eine bestimmte Zeichenzahl
begrenzt. Internet das grenzenlose Medium. – Oder so ähnlich. Das ist dann wohl die „Generation
Facebook“ – so wie sie einst das Magazin DER SPIEGEL bezeichnet hat: Ein Stück persönliche
Oberflächlichkeit, gewürzt mit weltoffenem Bildertausch, dazu ein Hauch Diskussion und eine Prise
minimale Kommunikation zwischen mehr oder weniger Bekannten. Fertig ist das Lebensquiz „Rate wer
ich wirklich bin. !Das Spannende jedoch ist die eigentliche Grundidee der Social Networks: Mehrere schlaue Köpfe – wie
z.B. Mark Zuckerberg, Tom Anderson & Chris de Wolfe, Kevin Rose oder Ehssan Dariani –, haben das
wertvolle Potential des Internets erkannt und schließlich genutzt, um Menschen miteinander in digitalen
Kontakt zu bringen. Dabei ging es Anfangs nur um gemeinsame Interessen wie etwa das Bewerten von
Internet-Seiten: digg.com entstand. Oder die schicksalhafte Gemeinsamkeit des Studentenstatus:
studiVZ wurde ins Leben gerufen. Die (Geschäfts-)idee, Menschen digital zu kategorisieren, gibt es, seit-
dem es das Internet gibt. Dass die praktische Weiterentwicklung aber einen solchen gesellschaftlichen
Einfluss nehmen und zu einer gewaltigen Geldmaschine mutieren würde, das hätte keiner der Gründer
von Facebook, studiVZ, MySpace und Co sich auch nur träumen lassen.
!Ein beeindruckendes, aber auch scharfes Machtinstrument wird allerdings sichtbar, wenn man sich vor
Augen hält, was für unüberschaubare Möglichkeiten die verschiedenen Social Networks für die Welt be-
reithalten. Wow! Tiefschürfende Veränderungen könnten politische Minderheiten – wie etwa die
Bevölkerung des Heiligen Landes Tibet – für sich erreichen, wenn sie ihre Kräfte vereinten. Sich mit
Gleichgesinnten per Internet verbrüderten. Billiglohnkräfte aus Indien könnten ihr Leid online
dokumentieren. Kleine Welten könnten der großen zugänglich gemacht werden. Die Unterdrückten
könnten sich Gehör verschaffen, auf ihre eigene, authentische Weise. Was für eine mediale, politische
und gesellschaftliche Kraft ein Zusammenschluss dieser Art bilden kann, hat uns die Twitter-Community !www.juliusgeis.com! von !5 11@ 2014 Julius Geis
im Sommer 2009 während der Unruhen im Iran eindrucksvoll bewiesen.
Nicht nur das es den Menschen gelang, sich aus einer politischen Diktatur und Nachrichtzensur heraus
Gehör zu verschaffen. Das Medium Twitter wurde zur zentralen Nachrichtenagentur in Echtzeit. Viele
professionelle Medien – auch renommierte Publikationen wie der SPIEGEL, die ZEIT, die Herald Tribune
oder die New York Times etc.. – bedienten sich der Informationen für ihre Berichterstattung. Ein
anderes Beispiel ist der Klimaschutz. Dieser könnte durch die inhaltliche Verbrüderung im Netzwerk –
endlich – zu einem global greifbaren Thema werden. Das alles ohne Einflussnahme durch schlecht
recherchierte oder stellenweise manipulierte Artikel in bezahlten Medien. Genial! Wenn man sich
vorstellt, welche Chance diese moderne Form der Berichterstattung für das ganzheitliche weltpolitische
Handeln birgt. Wir alle sollten uns dieser Möglichkeit bewusst werden und uns mit gesell-
schaftspolitischen Gruppierungen über unser Facebook-Profil solidarisieren und diese durch die
Multiplikatorenfunktion des Programms aktiv mitgestalten. Wenn wir uns die vereinte Kraft von 25
Millionen Facebook-Mitgliedern in Deutschland bzw. gobal 300 Millionen ausmalen und welchen
Einfluss diese Gemeinschaft auf die Politik, die Menschenrechte, den Umweltschutz, die soziale
Gerechtigkeit uvm. ausüben könnte. Unvorstellbar! Die Welt würde womöglich zusammenrücken. Die
Weltgesellschaft stünde für sich ein.
!Nina und Meike leihen sich heute einen Film aus. 14 Kommentatoren „gefällt das“. Ganze 35
Stellungnahmen zählt die Bekanntgabe der beiden schlussendlich. Allerdings stammen nur fünf der
Kommentare von Ninas oder Meikes Freunden, die anderen 30 haben sich die beiden online selbst
geschrieben. Bizarr, denn während die Freundinnen kommentieren was das Zeug hält, sitzen sie
nebeneinander auf der Couch ihrer WG. Sie führen ihre Unterhaltung also über Facebook, die vir-
tuellen Freunde sollen und wollen (!) ihnen währenddessen folgen – „Big Brother“ lässt grüßen. Oder
Alex. Sie findet „heute ist es ziemlich kalt – brrr“. Zehn Facebook-Mitglieder loben diesen Beitrag mit
„gefällt das“, durch weitere fünf Textbotschaften kommentiert dann auch Alex ihre frühmorgendliche
Erkenntnis wieder und wieder. Peter, 09:00 Uhr: „Guten Morgen! Aufstehen und Kaffee machen“, 09:30
Uhr: „Endlich Rolladen geöffnet – was ein Wetter“, 10:30 Uhr: „Auf dem Weg in die Arbeit. Stau!“, 13:30
Uhr: „Endlich Mittagspause. Mal Essen fassen“, 13:40 Uhr: „Gefunden, heute gibt Spagetti Napoli –
hmm lecker“, 14:05 Uhr: „Gut war’s“, 16:30 Uhr: „Seit einer Stunde im Meeting“, 17:30 Uhr: „Freut sich
auf Fußball heute Abend – Olé Olé“, 19:30 Uhr: „Jetzt Fußball-Bier aufmachen“, 23:46 Uhr „Ein
bisschen enttäuscht über’s Spiel und nun totmüde“. – Das bewegte Leben der Facebook-Mitglieder ist
fraglos spannend, aber haben sie denn niemand, der ihnen direkt zuhört und ihnen dabei in die Augen
schaut? !Mir stellt sich die quälende Frage „was mache ich denn eigentlich hier?“ Was macht mein ehrlich
ausgefülltes Profil in dieser virtuellen Welt voller Heuchler? Was macht meine idealistische Vorstellung
von einer vernetzten, grenzenlosen Gesellschaft in einem virtuellen Netzwerk wie dem von Facebook?
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Ein Online-Medium, das vielmehr einem Profilhandel gleicht, als einer ehrlichen Plattform zum
Austausch von Interessen, Erinnerungen oder Erlebnissen aus meinem Leben mit meinen Freunden.
Freundschaften. Was bedeuten sie überhaupt im Rah- men der Social Networks? Ich kenne Leute, die
haben über 500 „Freunde“ auf Facebook. Beim besten Willen, aber wie kann es zu schaffen sein, sich
mit 500 Menschen so tiefgründig auseinander zusetzten, dass das Wort Freundschaft diese Beziehung
passend beschreibt? „Freunde“ – auf Facebook wird das Wort missbraucht und zur reinen
Werbebotschaft für das Medium selbst. Social Networks entwickeln sich mehr und mehr zu einer
Handelsplattform auf dem Rücken von „Freundschaften“. Sie verkommen zu einer stumpfen
Verbindung zwischen Menschen, die ihr Privatleben bislang nicht über ein Social Network geführt
haben, sondern in der Familie, der Schule, dem Fuß- ball- oder dem Tennisverein ihre persönliche
Schaltzentrale innehatten. Direkte Kommunikation war der natürlich Umgang miteinander. Und ist es
nicht erst 20 Jahre her, dass man in der ehemaligen DDR kaum ein Telefon besaß, um Verabredungen
zu treffen? Die Menschen besuchten sich damals einfach direkt, auf gut Glück. Der persönliche Aus-
tausch folgte also mehr dem Zufallsprinzip als dem heute mühelosen Blick auf die Buddylist: Wer ist
gerade online? Zu meiner Schulzeit noch (10 Jahre her) war es nur jeweils einem kleinen ausgewählten
Kreis an Personen möglich, das freundschaftliche Vertrauen eines Menschen zu genießen. In Social
Networks sieht das heute anders aus. Hier werden freundschaftliche Privilegien nicht mehr ganz so
groß geschrieben. Hier wird gleich jeder als Freund bezeichnet, den man kennt oder mal gesehen hat.
Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob beim Metzger, Frisör, im Nagelstudio, im Urlaub, in der Disko,
im Supermarkt oder beim Händeschütteln in einer Vorstellungsrunde von Freundes-Freunden. Freund
ist, wer sein Gegenüber grob zuordnen kann. Sympathie, gemeinsame Erinnerungen, gemeinsame
Erlebnisse oder eine gemeinsame Vergangenheit – alles Dinge die bei Social Networks-Freunden als
überschätzt gelten. Der Eindruck, dass Facebook mehr einer künstlich erbauten Scheinwelt gleicht, als
einer Erweiterung des echten Lebens, ist schwer zu verneinen. Dabei geben sich die verschiedenen
Netzwerke große Mühe, ihren zigtausend Mitgliedern das Gegenteil vorzuleben. Krampfartig wird mit
freundschaftlich anmutenden Bildern, Texten und Aufforderungen in der werblichen Kommunikation der
Plattformen daran gearbeitet, das Bild der heilen Freundschaft zu wahren. Bei genauem Hinsehen kann
einem nur schlecht werden kann. Doch die Blase soll nicht platzen. !Denn ohne das Leben in Social Networks stünden nicht nur Millionen von Mitgliedern vor der großen
Frage, was sie in ihrer Freizeit Sinnvolles tun könnten, zusätzlich würden Millionen an Werbegeldern
nicht mehr in die Taschen der Betreiber und Vermarkter fließen. – Und das würde gerade noch fehlen!
Der immense Aufwand, den beide Dienstleister in den letzten Jahren betrieben haben, um Markenunter-
nehmen und Mediaagenturen davon zu überzeugen, Werbegelder doch lieber in die Social Networks als
in die klassischen Medien zu investieren. Keine Streuverluste dank Targeting – in Social Networks sucht
sich die Werbung den passenden Konsumenten einfach selbst. Ganz subtil und leise schleichen sich
die bunten Bilder in die virtuelle Lebenswelt ein. Die User scheint das aktuell (noch) nicht zu stören,
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egal wie plump Werbebotschaften dabei in Erscheinung treten. Im Gegenteil. Es wird sogar als cool
empfunden, und die User schätzen die Nähe und den Austausch, mit dem sich Marken mit ihren Pro-
dukten in Facebook-Apps wie „Mafia Wars“ neuerdings präsentieren. Solange sich die Nutzer nicht
daran stören, können Betreiber und Vermarkter ordentlich verdienen – und alle haben was davon.
Blicke ich zurück auf meine Facebook-Entjungferung, ist in der Zwischenzeit ganz schön viel passiert.
Südfrankreich im Frühjahr 2006. Nach einer beruflichen Bruchlandung, suchte ich Entspannung und
den klaren Blick auf die Atlantikküste. Hier sollte es passieren. In einem Internet Café mit
wunderschönem Meerblick trat ich in die Welt von Facebook ein und erfuhr eine nie zuvor erlangte
Dimension sozialer Vernetzung. Meine Intention war klar – Reisebekanntschaften, Freunde und gute
Bekannte als Freunde hinzufügen, um mit ihnen passiv als auch aktiv in Kontakt zu bleiben. Eine tolle
Erfindung, denn somit war es möglich, zu wissen, was die Freunde beschäftigt, wo sie sich aktuell
aufhalten und das, ohne ständig, individuell und aktiv – etwa per E-Mail – Kontakt zu halten. Ich hatte
doch tatsächlich den Eindruck, Freundschaften könnten global entstehen und wachsen. Gemeinsame
Interessen könnten mit kulturellem Austausch einhergehen. Der positive Nutzen des Internets wurde,
nach meinem Empfinden, auf charmanteste Art und Weise in Szene gesetzt. Zu dieser Zeit war
Facebook weit weg von 1 Millionen Mitgliedern (in Deutschland) und wurde nur von einer kleinen
Zielgruppe wahrgenommen und genutzt. Drei Jahre sind mittlerweile vergangen. Das Medium Facebook
wurde durch die Print- und Online-Medien bekannt und ist heute nicht mehr nur das kleine Netzwerk für
Individualisten, sondern ein Massenmedium. Großkonzerne beteiligen sich mit Millionen Summen und
Vermarkter tüfteln an neuen Methoden, um jeden Schritt der User so transparent wie möglich zu
halten. Jeder möchte ein Stück vom Kuchen. Interessant, dass so Vieles auf der Welt sich schwer damit
tut, seinem Ursprung treu zu bleiben. Es scheint als würden alle Beteiligten den Blick für das
Wesentliche verlieren, sobald ihre kleinen persönlichen Errungenschaften an Bekanntheit und
Aufmerksamkeit gewinnen. Ungewollt bringen sie den Prozess der Selbstentwurzelung in Gang. Die
Einzelteile des Ganzen beginnen, sich nicht mehr echt anzufühlen. Alles wird kompliziert und der
Mensch beginnt sich zu fragen: „Was mache ich denn eigentlich hier?“ Die Entscheidung ist jedem
selbst überlassen – bleibe ich dabei oder trete ich aus? Lösche ich im Fall Facebook meinen Account –
oder nicht? !Die Auseinandersetzung mit dieser Frage, die ich mir immer öfter stelle, führt auch bei mir zu einem
Unwohlgefühl. Ausgelöst durch die Gewissheit, mich durch die Trennung von Facebook ins Ungewisse
zu stürzen. Einerseits würde ich mich zwar zurückbesinnen auf die ursprüngliche Form von
zwischenmenschlicher Kommunikation. Würde mich wieder mehr mit meinen Freunden in der Kneipe
verabreden, meine Verwandtschaft wieder öfter persönlich besuchen und Frauen direkt ansprechen
anstatt mich über Facebook umständlich an sie heranzupirschen. – Aber ginge das wirklich? Könnte
ich es mir erlauben, nicht mehr Teil dieser modernen Kommunikationsform zu sein? Mich dem ver-
meintlichen Fortschritt zu verschließen? Die Sorge, etwas zu verpassen und dadurch nicht mehr Teil der
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Gesellschaft zu sein, verfolgt mich. Sie wird zum ständigen Begleiter meiner täglichen Streifzüge durch
meine Profilwelten bei den Social Medias. Wie würde ich erfahren, wie es meinen entfernten Freunden
geht? Wie erfahren, an welchem Ort sie sich befinden? Oder: Wie gehe ich mit neuen Bekanntschaften
um, die ich auf Reisen treffe: „No, sorry, I cancelled my account. Email me?” E-Mail – damals eine
Revolution, heute mehr eine Ausmusterungsstück der Online-Gesellschaft.
Für was sind E-Mail- Adressen im privaten Gebrauch noch gut, wenn nicht zum Anmelden für diverse
Social-Networks, Newsletter oder zur Teilnahme an Gewinn-spielen? Zu nichts mehr, wenn jeder sein
Privatleben mehr und mehr in Social Networks organisiert und darüber mit seinen Kontaktpersonen
kommunizieren kann. Wer kennt z.B. noch die Telefonnummer seiner Freunde, seit dem er ein Handy
mit Telefonbuchfunktion besitzt? Eben, und so könnten auch Freundschaften in Vergessenheit geraten.
Gar nicht mal aus böser Absicht, sondern schlicht und ergreifend deshalb, weil sie aus dem
persönlichen Radar verschwunden sind. Weil die Hektik der heutigen Gesellschaft es einem nicht mehr
erlaubt, mal darüber nachzudenken, wer oder was wichtig für einen ist oder war. Daran möchte ich
nicht den Social Networks die Schuld geben, aber sie treiben das schnelle, oberflächliche Handeln in
unserer Gesellschaft an und halten Menschen durch ihre Usability davon ab, greifbar aktiv zu werden. –
Und trotz alledem, ich möchte auf das Potential von Facebook nicht verzichten und finde viele
Funktionen des Programms faszinierend. Die Möglichkeit, mich mit meinen Freunden, der Familie und
Verwandten kostenfrei und zu jederzeit zu verbinden, mich mit ihnen auch auf passive Weise
auszutauschen, die ist toll. Sie – diese Menschen aus meinem Leben – bleiben der Grund meiner
Registrierung. Es ist ja nicht das Medium, das wir verändern sollten, sondern das Bewusstsein im
Umgang damit. Wir sollten aufhören, uns als etwas darzustellen, das wir nicht sind. Spätestens un-
sere wirklichen Freunde werden uns entlarven. Wir sollten Social Networks als Chance für kulturellen
und intellektuellen Austausch nutzen und nicht als Massenmedium zur Volksverblödung. Nicht als
schlechten Ersatz für fundierte Berichterstattung durch qualifizierte Journalisten. Im Gegenteil, wir
sollten diesen wieder lauter fordern und uns an Debatten beteiligen. Wir sollten die Reichweite der
Social Networks nutzen, um Aufmerksamkeit für soziale Wahrheiten zu bekommen und nicht stumpfer
Werbung die Chance geben, sich inhaltslos in unsere – nicht nur virtuelle – Lebenswelt
einzuschleichen. Wir sollten sie als Sprachroh nutzen, um laut zu brüllen, wenn Menschenrechte
missachtet werden und nicht den häufigen Banalitäten von Fremd-Applikationen folgen. Und ja, wir
sollten Facebook auch nutzen, um einfach nur herzhaft zu lachen – Facebook macht Spaß, das soll hier
nicht unerwähnt bleiben und jedem zugestanden sein. Aber Facebook kann mehr sein als ein stumpfes
Fun-Tool! Facebook schenkt dem User kostenlos, unglaublichen Bewegungsspielraum und dieser sollte
insbesondere auf gesellschaftspolitischer Ebene viel mehr zum Zuge kommen. Nicht zuletzt der Erfolg
der Piratenpartei bei den letzten Bundestagswahlen hat gezeigt, dass die Menschen im Web 2.0
angekommen sind und sich auf den modernen virtuellen Plattformen politisch engagieren möchten.
Sich mit Gleichgesinnten austauschen, sich inspirieren lassen möchten. Aus diesen Verbindungen
können dann sogar Freundschaften entstehen, die auch im wahren, konventionellen Leben – ohne
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Strom und Profilbildchen – Bestand haben. !Aber nicht vergessen: „Facebook helps you connect and share with the people in your life.” !!!!!SCHLUSSWORT !Im Jahr 2012 habe ich im Zuge eines Experimentes „Unplugged Experiment - der Aufstieg zum Ausstieg“
tatsächlich alle Accounts Sozialer Netzwerke gelöscht und diese Reise dokumentiert. !Blogbeiträge zu diesem Projekt finden Sie hier:
http://unpluggedexperiment.wordpress.com/2012/07/31/auf-der-suche/#more-274
http://unpluggedexperiment.wordpress.com/2012/05/12/gedanken-unplugged/ !Erst im April 2013 bin ich wieder LinkedIn aktiv, seit 2014 auf XING und seit September 2014 wieder
auf Facebook. Und um ehrlich zu sein befinde ich mich bis heute aus in einem Wechselbad der Gefühle
gegenüber Sozialen Netzwerken und Technologie. Und doch, glaube ich an die Idee und an die
Menschen, dass wir lernen Technologie sinnvoll zu nutzen. !!!!!!!!!!!!!
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!!!!ÜBER JULIUS GEIS !„Neugier steht an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden muss“, sagt Julius Geis. Für ihn
verbinden sich Innovation und Inspiration, strategisches Denken und modernste Technologie zu einem
harmonischen Ganzen. Ein ebenso spannendes wie erfolgreiches Konzept. !Julius Geis ist der ausgewiesene Experte für Digitale Kommunikation- und Marketing, Markenstrategie
und Markenführung, vor allem im Hinblick auf die effektive Nutzung von allen
Kommunikationsplattformen. !Julius Geis begann seine Karriere als Brand und Marketing Manager für internationale
Sportunternehmen wie Hawk, Gotcha und Nitro Snowboards. Er betreute als Marketing Manager
sueddeutsche.de und verantwortete als Berater der H2OMEDIA bekannte Online- und Social Media
Kampagnen unter anderem für Windows, Windows Live Messenger, Hotmail, Bing, Cab - Cola & Beer,
Goretex und Kia. !2010 gründete Julius Geis die Agentur On Any Given Monday, die für renommierte Firmen wie Sony
Music, Willy Bogner und Bogner Fire & Ice, Brax, Telekom, Ritter Sport sowie für die Münchner Olympia-
Bewerbung 2018 PR-, Social Media- und Marketing-Konzepte entwickelte, erfolgreich umsetzte und
begleitete. !2011 verkaufte Julius Geis seinen Agenturanteil, um wieder als freier Brand- und Marketing-Berater und
Digital Consultant zu arbeiten. Außerdem veranstaltet er Workshops und hält Vorträge, in denen er
aufzeigt, dass digitale Konzepte bei weitem nicht nur für Unternehmensstrukturen und den
geschäftlichen Erfolg von großem Nutzen sind, sondern auch für eine freie Persönlichkeitsentwicklung. !Neben der Arbeit für internationale Firmen bewies Julius Geis aber auch immer wieder seine
unternehmerische Kompetenz und sein Gespür für erfolgversprechende Start ups, die er mit gründete
oder als Berater zur Seite stand. !!
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