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Sonntag, 13. Dezember 2015 (20:05-21:00 Uhr) KW 50 Deutschlandfunk / Abt. Hörspiel/ Hintergrund Kultur FREISTIL Piaf, mon amour Erinnerungen an eine Sängerin der Liebe. Von Daniel Guthmann Redaktion im DLF: Klaus Pilger Produktion: SWR/ NDR 2013 M a n u s k r i p t Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - ggf. unkorrigiertes Exemplar -

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Sonntag, 13. Dezember 2015 (20:05-21:00 Uhr) KW 50

Deutschlandfunk / Abt. Hörspiel/ Hintergrund Kultur

FREISTIL

Piaf, mon amour

Erinnerungen an eine Sängerin der Liebe.

Von Daniel Guthmann

Redaktion im DLF: Klaus Pilger

Produktion: SWR/ NDR 2013

M a n u s k r i p t

Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - ggf. unkorrigiertes Exemplar -

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Musik 1 Instrumentalfassung Klavier „Non, je ne regrette rien“(akzenthaft)

O-Ton 1 (TV Reporter) Edith Piaf, la dernière fois que je vous ai vu chanter, c’était il

y a un an à peu près dans un petit cinéma de province à Dieppe. Vous vous en souvenez?

Ü Rep Edith Piaf, das letzte Mal, als ich Sie habe singen sehen, war vor einem

Jahr in einem kleinen Provinzkino in Dieppe. Erinnern Sie sich daran?

O-Ton 1 (Edith) Oui, je m’en souviens très bien.

Stimme Ed Ja, ich erinnere mich sehr gut daran

-Ton 1 (TV Reporter) C’est une souvenir cruel.

Ü Rep Es ist eine grausame Erinnerung.

O-Ton 1 (Edith) Oui, un souvenir très pénible pour moi.

Stimme Ed Ja, eine sehr unangenehme Erinnerung für mich.

O-Ton 1 (TV-Reporter ) Je dois dire que pour moi aussi un souvenir cruel. J’étais

arrivé à Dieppe avant vous et dans l’après-midi, pendant que j’étais au

cinéma, les spectateurs ont téléphoné, parce que la rumeur, le bruit avait

couru depuis Paris que vous étiez morte, Edith Piaf.

(Edith ) murmelt etwas….

(TV-Reporter ) Vous savez ce qu’on disait? On disait que votre tournée

était une tournée suicide.

Ü Rep Für mich auch. Ich war damals schon vor Ihnen in Dieppe

angekommen und Zuschauer meldeten sich bei mir, weil aus Paris das

Gerücht aufgekommen war, dass Sie verstorben wären.

Wissen Sie, was man damals sagte? Man sagte, dass Ihre Tournee eine

Selbstmord-Tournee sei.

O-Ton 1 (Edith ) Ca veut dire que je voulais aller jusqu’au bout, mais j’ai eu tort.

Stimme Ed Ich wollte einfach bis zum Schluss durchhalten, aber das war ein

Fehler.

O-Ton 1 (TV-Reporter) Pourquoi voulez-vous aller jusqu’au bout ?

Ü Rep Warum wollten Sie es bis zum Äußersten treiben

O-Ton 1 (Edith) Parce que je vais toujours jusqu’au bout.

Stimme Ed Weil ich immer bis zum Äußersten gehe.

O-Ton 1 (TV-Reporter) De tout ce que vous faites ?

Ü Rep Bei allem, was Sie tun ?

O-Ton 1 (Edith) Oui

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Stimme Ed Ja

Musik hoch

O-Ton 2 (Troller) Das Singen war ja alles, sie probte ja bis zur Unendlichkeit. Sie war

bereit zu allen Freuden und allen Leiden, macht ihr nicht aus, solange sie

singen konnte, solange sie ihr Publikum hatte. Und das Publikum war, nehme

ich an, ihr Orgasmus. Das war die Erlösung, die ihr diese ganzen Männer

nicht bringen konnten.

Ansage Piaf, mon amour. Erinnerungen an eine Sängerin der Liebe. Ein

Feature von Daniel Guthmann

O-Ton 3 (TV-Reporter) Est-ce que vous avez eu peur de mourir ? Avez-vous pensé

que vous alliez mourir à un moment donné ?

Ü Rep Hatten Sie eigentlich Angst, dass Sie sterben könnten?

O-Ton 3 (Edith) J’ai pensé que j’allais mourir, mais je n’ai pas eu peur.

Stimme Ed Ich dachte, dass ich sterben würde, aber ich hatte keine Angst.

O-Ton 3 (TV-Reporter) Qu’est-ce que vous avez pensé ?

Ü Rep Was haben Sie denn gedacht?

O-Ton 3 (Edith) Ca me faisait pas peur, c’était presque comme un soulagement, parce

que quand j’ai pris conscience un petit peu, j’avais l’impression que je ne

pourrais plus chanter.

Stimme Ed Es machte mir keine Angst, es war fast wie eine Erleichterung. Denn

als ich wieder zu mir kam, hatte ich das Gefühl, nicht mehr singen zu

können.

O-Ton 3 (TV-Reporter) Jamais ?

Ü Rep Nie mehr ?

O-Ton 3 (Edith) Oui. Et alors la vie ne m’intéressait plus…il y a peut-être l’amour,

mais l’amour sans la chanson pour moi, ca ne peut pas aller non plus. La

chanson sans l’amour non plus. Il faut les deux !

Stimme Ed Ja. Und dann interessierte mich das Leben nicht mehr. Es bleibt

vielleicht noch die Liebe, aber ohne das Singen ist das auch nichts.

Genauso wie das Singen ohne die Liebe nichts ist.

O-Ton 4 (TV-Reporter ) Votre vie est plutôt désordonnée, tourmentée. D’autres

artistes en ont plus ménagés de leur vie. Est-ce que vous pensez que si vous

les aviez imités, vous couleriez des jours plus tranquilles ?

Ü Rep Ihr Leben ist ziemlich chaotisch und extrem. Andere Künstler haben

mit ihren Kräften besser hausgehalten. Glauben Sie, dass es Ihnen

besser ginge, wenn Sie es auch so gehandhabt hätten?

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O-Ton 4 (Edith) Oh, probablement. Mais je pense que je n’aurais pas donné ce que

j’ai donné au public et je pense que si je donne quelque chose, je le donne en

entièrement.

Stimme Ed Sehr wahrscheinlich. Aber ich denke, dass ich dann dem Publikum

nicht das hätte geben können, was ich ihm gegeben habe. Wenn ich

etwas gebe, dann gebe ich es ganz.

Musik 2 Piaf „Salle d’attente“(Der Wartesaal), akzenthaft über die ganze

Passage --oder „Rien de rien“

O-Ton 5 (Hugues) J’étais stagiaire depuis deux ans dans un grand magazine qui

s’appelait « France Dimanche », un des plus grands magazines de l’époque

qui tirait 1 million et demi d’exemplaires, mais comme j’étais stagiaire

débutant, pauvre, mal habillé, timide, je n’étais utilisé que pour faire les

« chiens écrasés », les crimes de la petite banlieue parisienne, bref,

j’attendais. J’attendais depuis deux ans que ma chance me soit donné, de faire

des photos en tant que reporter. Et je me trouvais dans une salle de rédaction

un jour, vers midi, alors que tout le monde allait déjeuner (…) et moi

j’attendais avec mon sandwich. Tout seul, pauvre et puis je n’avais rien

d’autre à faire. Je n’avais pas les moyens.

Ü Vassal Ich arbeitete bei „France Dimanche“, damals die meistgelesene

Sonntagszeitung. Allerdings war ich nur ein armer und schlecht

gekleideter Praktikant in der Fotoabteilung. Seit zwei Jahren wartete

ich darauf, endlich auch einmal als Fotoreporter losziehen zu dürfen.

Eines Mittags lungerte ich mal wieder in den Redaktionsräumen

herum, während die Reporter und Fotografen sich zu ausführlichen

Mittagspausen in die umliegenden Restaurants verabschiedet hatten.

Ich hätte mir das niemals leisten können. Ich saß da alleine mit meinem

Sandwich und langweilte mich.

Atmo 1 Mit Hugues im Olympia

Erzählerin Hugues Vassal. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Seit jenem Tag

arbeitet er als Fotograf. Reportagen weltweit. Bis heute.

O-Ton 6 (Hugues) Et tout d’un coup (…) le rédacteur de chef en permanence et venu

vers moi et m’a dit : Hugues, prépares-toi, tu pars immédiatement à Dijon,

Edith piaf vient de téléphoner, elle change d’amant, elle veut qu’on vienne le

photographier. Bon, je n’avais jamais rien fait, j’avais toujours travaillé avec

un reporter, j’étais intimidé. Donc que faire ? J’étais figé, mais néanmoins

c’était ma chance. Donc je suis parti immédiatement, évidemment on m’a dit,

pas question de revenir sans la photo.

Übersetzer Plötzlich kommt der Redaktionsleiter auf mich zu und sagt: „Hugues,

mach Dich bereit, Du musst sofort nach Dijon fahren! Edith Piaf hat

gerade angerufen. Sie wechselt heute ihren Liebhaber und will, dass

wir das fotografieren.“ Ich war wie erstarrt. Ich hatte ja noch keinerlei

Erfahrung als Fotoreporter. Andererseits war es natürlich meine große

Chance. Also habe ich mich sofort auf den Weg gemacht.

Atmo 1 Mit Hugues im Olympia

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Erzählerin Hugues Vassal ist 80 Jahre alt, aber das sieht man ihm nicht an. Ein

kräftiger Mann mit weißem Kinnbart und fast hüftlangem Haar, das er

als Zopf trägt – wie aus Victor Hugos „Les Misérables“ entsprungen.

Jetzt steht er mitten im Tempel des französischen Chansons. Das

„Olympia“ am Boulevard des Capucines ist die berühmteste und

älteste Music-Hall von Paris. Hier hat Edith Piaf ihre großen Auftritte

zelebriert.

O-Ton 7 (Hugues) Je prends le train, le train a du retard, je prends un taxi, j’arrive, le

spectacle est commencé. Je me dis ca commence mal. Je rentre et je dis, je

vais me débrouiller, je vais m’infiltrer parmi les spectateurs et je vais faire

Edith en train de chanter sur scène. Je me perds dans le théâtre et puis tout

d’un coup j’entends une voix, je tourne de gauche à droite, je vois une

lumière, j’avance et puis j’arrive une lumière où je vois deux petits pieds qui

tapaient sur une scène, je vois une main qui frissonnait sur une robe, je me

penche et j’étais dans le trou du souffleur, je vois la petite croix et j’avais EP,

mais je ne pouvais même pas la photographier. Et j’entendais alors, c’était

extraordinaire, ma première chanson : « L’un près de l’autre, ils étaient là,

assis sur la banquette á bois dans la salle d’attente, une très, très belle chanson

qu’elle préparait pour l’Olympia et qu’elle chantait.

Ü Vassal Mein Zug nach Dijon hatte Verspätung und als ich ankam, hatte das

Konzert schon begonnen. Das fängt ja gut an, denke ich mir. Ich

versuche, mich durch das Gedränge der Zuschauer nach vorne zu

bewegen, um Fotos von Edith auf der Bühne zu machen. Aber

irgendwie verirre ich mich und gerate in einen dunkeln Gang. Plötzlich

sehe ich über mir einen Lichtkegel und zwei kleine Füße auf einer

Bühne, ich sehe eine Hand, die über ein Kleid streift und ein kleines

Smaragd-Kreuz. Ich beuge mich noch ein Stück weiter und mir wird

klar, dass ich in der Grube des Souffleurs gelandet bin. Und nun sehe

ich Edith Piaf, viel zu nah, um Fotos zu machen, aber höre sie zum

ersten Mal live.

Musik hoch

Erzählerin Hugues Vassal liebt es, über Edith Piaf zu sprechen. Gutmütig und

zugleich ein bisschen listig zwinkern seine Augen.

O-Ton 8 (Hugues) Mais ma mission était l’amant ! Alors après le spectacle je me

rends dans les coulisses, mais intimidé…vraiment j’étais tétanisé et c’est elle

qui est venue vers moi, elle me voit de loin, elle me voit, elle me scrute, je la

voie arriver, je voulais reculer, parce que j’ai peur. Elle arrive et me dit : ah,

c’est toi le nouveau ? Ah, rends-moi service ! Tu vois celui-là, avec sa

guitare ? Bon tu lui diras qu’il me lâche le mollet ! Et puis l’autre, le brun

avec son costume marine, tu lui diras de venir dîner avec moi ce soir. Et puis :

on bouffe mal dans ta boîte, viens avec nous, je vais te faire grossir ! Voilà

ma première rencontre avec Edith Piaf !

Ü Vassal Nach der Show wage ich mich ganz vorsichtig hinter die Kulissen.

Meine Mission war ja der neue Liebhaber. Allerdings gefriert mir das

Blut in den Adern, als ich plötzlich Edith Piaf einige Meter von mir

entfernt stehen sehe. Schon wird sie auf mich aufmerksam und taxiert

mich mit durchdringendem Blick. Ich kriege es mit der Angst zu tun

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und möchte zurückweichen. Aber da steht sie schon vor mir und sagt:

Stimme Ed Sag mal, bist du der Neue von „France Dimanche“? Na schön, dann

kannst Du mir ja gleich einen Gefallen tun. Siehst du den Typen da,

mit seiner Gitarre? Geh zu ihm und richte ihm aus, dass er sich vom

Acker machen soll. Und siehst du den anderen da, mit dem dunklen

Haar und dem blauen Anzug? Dem sagst Du, dass ich gleich mit ihm

essen gehen möchte. Und Du - Du siehst ja vollkommen unterernährt

aus! Ich werde dafür sorgen, dass Du was auf die Rippen kriegst!“

Übersetzer Das war meine erste Begegnung mit Edith Piaf.

Musik 3 instrumental, heiter

Erzählerin Als Hugues Vassal Edith Piaf im Oktober 1957 kennen lernt, ist sie 42

Jahre alt und ein Weltstar. Doch sie findet Gefallen an dem jungen,

schüchternen Praktikanten aus einer Arbeiterfamilie. Innerhalb weniger

Monate wird der Praktikant der persönliche Fotograf von Edith Piaf.

O-Ton 9 (Hugues) je lui convenais pour une raison que je ne peux expliquer, parce

que j’étais plus que photographe ordinaire, débutant et ordinaire, on ne peut

pas dire que j’étais bien capé, j’avais un costume, un vieil appareil photo, je

n’avais rien de mirobolant autour de moi qui pouvait la faire…je pense que

d’une part ca lui plaisait et en même temps elle était rassurée, en plus elle

avait confiance.

7

Ü Vassal Ich weiß auch nicht, was sie an mir fand. Ich war ja nicht einmal ein

mittelmäßiger Fotograf, sondern wirklich noch ein blutiger Anfänger.

Meine Kamera war billig und alt. Aber all das schien ihr irgendwie zu

gefallen und außerdem fasste sie schnell Vertrauen zu mir.

Atmo 2 Mit Hugues Vassal am früheren Wohnhaus von Edith Piaf

Erzählerin Das Haus 67 B Boulevard Lannes liegt im noblen Pariser Westen,

schon fast an der Stadtgrenze. Eine kleine Plakette weist darauf hin,

dass Edith Piaf in den letzten 10 Jahren ihres Lebens hier gewohnt hat.

Wer zu dieser Wohnung Zugang hatte, gehörte zum engeren Kreis um

Edith Piaf. Ihr Manager, ihre Sekretärin, ihre beiden Hausangestellten,

ihre Musiker, Komponisten und Textautoren und ihre nächsten

Freunde.

O-Ton 10 (Hugues Vassal) C’était la consécration, j’allais au château de Madame,

donc j’arrive pour la première fois, l’entrée luxueuse, on passe une petite

porte à droite et puis tout d’un coup un appartement qui s’ouvre sur rien. Des

banquettes…des tapis ruinés, pas de tableaux sur…des gens par terre, assis

sur des fauteuils démolis et tout ca dans trois pièces. Il y avait un petit salon,

un grand salon, une salle à manger, une entrée pour la cuisinière et puis la

chambre de Madame. Et là j’étais là, mais il y avait un beau piano, un piano

extraordinaire. Un piano où Edith était en train de répéter.

Ü Vassal Das war natürlich die Krönung, ich durfte in den Palast der Königin.

Der Eingang war ja sehr luxuriös, aber als ich dann hereinging, war ich

verblüfft. Ich kam ich in eine nahezu unmöblierte Wohnung. Ein paar

Hocker hier und da, alte, zerfranste Teppiche, keinerlei Wandschmuck.

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Es waren viele Leute da, manche saßen auf dem Boden, andere in alten

zerschlissenen Sesseln. Allerdings gab es ein wunderschönes Klavier.

Daneben stand Edith und probte.

Musik 4 instrumental, tragisch (z. B. Variation von Non, je ne regrette rien)

Erzählerin Fünf Jahre lang, bis zu Edith Piafs Tod im Oktober 1963, zählt Hugues

Vassal zu ihren regelmäßigen Begleitern. Es sind die Jahre des

fortschreitenden gesundheitlichen Niedergangs, der

Krankenhausaufenthalte, des Medikamentenmissbrauchs, der

Zusammenbrüche auf der Bühne. Allerdings sind es auch die Jahre von

zwei triumphalen Wiederauferstehungen. Vieles davon findet sich in

den Fotos von Hugues Vassal wieder.

O-Ton 11 (Hugues) Elle m’a toujours demandé que je fasse des photos sans

esthétique. « Tu es là, tu me photographie, ne cherche pas à faire si c’est bien

ou mal, n’aie pas d’états d’âme, tu es là, tu es photographe, photographies ! Je

te demande pas de faire de la musique, je te demande de faire des photos. »

Edith était comme ca et c’est comme ca qu’elle a voulu qu’on la montre

qu’on la présente…si on présente Edith de cette manière, c’est parce qu’elle

l’a voulu. Le livre qu’on voit là est un livre voulu par Edith.

Ü Vassal Sie hat mich immer wieder darauf hingewiesen, dass ich bloß keine

ästhetischen Fotos machen soll

Stimme Ed Sei einfach dabei und mach Deine Fotos. Denk‘ nicht darüber nach, ob

es gute oder schlechte Fotos werden. Drück einfach auf den Auslöser.

Ich verlange von Dir keine Kunst, ich will ganz einfach, dass Du Fotos

machst.

Ü Vassal So war Edith. Das war die Art, wie sie gezeigt werden wollte. Und

wenn diese Fotos jetzt in einem Bildband erscheinen, dann deshalb,

weil sie es so gewollt hat.

Musik ?

Erzählerin Über Jahrzehnte schlummerten Teile von Hugues umfangreicher

Fotosammlung in seinem Privatarchiv. Erst in jüngster Zeit hat er sich

daran gemacht, seine bisher unveröffentlichten Fotos von Edith Piaf zu

sichten und zu digitalisieren. So entstand ein umfangreicher Bildband

von ihm zu Edith Piafs 50. Todestag. Eine der wichtigsten, aber

beileibe nicht die einzige Neuerscheinung zum Anlass.

O-Ton 12 (Jean-Jacques Debout) Aujourd'hui ça reste la plus grande vedette

française, la plus grande star de la chanson française, à l'heure qu'il est je

crois que c'est encore pour beaucoup d'années l'artiste française la plus aimée

du public, que ce soit des jeunes, que ce soit des moins jeunes, de tous les

publics, de tous les âges confondus, c'est toujours Édith Piaf qui est dans le

coeur des gens la grande prêtresse, c'est à dire le grand phénomène de la

chanson. (…) C'est la recordman de la vente de disques, aucune française n'a

vendue autant et elle vend toujours, elle vend même encore plus depuis sa

disparition. (…) Si la vierge Marie avait enregistré des disques, je pense

qu'elle aurait sûrement fait le même score qu’Édith Piaf. Ou Jeanne d’Arc

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Ü Debout Bis heute ist sie der größte Star, den das französische Chanson je

hervorgebracht hat. Und vor allem: sie ist immer noch sehr beliebt, bei

den Jungen genauso wie bei den Alten. Die Menschen tragen sie in

ihren Herzen, als etwas ganz Besonderes, als einzigartiges Phänomen.

Ihre Platten verkaufen sich heute wahrscheinlich sogar noch besser als

zu ihren Lebzeiten. Wenn die Jungfrau Maria Platten aufgenommen

hätte, würde sie wahrscheinlich auf ein ähnliches Ergebnis kommen

wie Edith Piaf.

Atmo 3 Konzertbeginn. Edith begrüßt das Publikum

Erzählerin Der Chansonier und Komponist Jean-Jacques Debout ist 12 Jahre alt,

als er das „einzigartige Phänomen“ 1952 zum ersten Mal auf der Bühne

erlebt.

O-Ton 13 (Debout) c'était époustouflant, c'était une petite femme, habillée en noir, qui

avait l'air d'une petite misérable, elle avait l'air d'une petite femme perdue, et

elle arrivait sur scène un petit peu décontenancée, avec son joli sourire, elle

avait un très joli sourire, et un sourire qui avait l'air de dire « je vais vous faire

une bonne blague ». c'était ça au début, au début j'ai cru que c'était une

femme qui entrait sur scène pour faire une blague. Et puis l'orchestre a

commencé et je me souviens elle avait chanté « de l'autre coté de la rue ».

« De l'autre côté de la rue, ya une fille, ya une belle fille elle a tout ce qui lui

faut et même du superflu, de l'autre côté de la rue... ». Et alors, cette chanson

c'était une chanson de Michel Emer, qui lui avait aussi apporté la chanson

« l'accordéoniste », « la fille de joie est triste au fond de la rue la bas, son

accordéoniste il ne reviendra pas, quand il reviendra de la guerre ils auront

une maison, elle sera la caissière et lui il sera le patron, elle écoute la java

mais elle ne la danse pas, elle ne regarde même pas la piste, elle écoute la

java... » et voilà elle a commencé a chanter toutes ces chansons là qui moi

m'enchantaient C'étaient des chansons de l'époque et je trouvais que cette

femme était extraordinaire. Quand on l'apercevait, quand on la voyait arriver

en scène on se disait mon dieu, c'est pas vrai cette femme ne va pas nous

chanter pendant deux heures et nous prendre comme ca aux tripes. Elle

prenait les gens à la gorge et les gens pleuraient dans la salle

Ü Debout Es war umwerfend! Da trat eine ganz kleine Frau auf die Bühne, mit

einem schwarzen Kleid. Sie sah fast ein wenig armselig aus, ja

bemitleidenswert. Sie wirkte auch ein bisschen verunsichert und

lächelte dabei. Es war ein spitzbübisches Lächeln, so als hätte sie einen

guten Witz auf Lager, den sie uns gleich erzählen würde. Aber dann

fing das Orchester an zu spielen und ich erinner mich noch an das erste

Lied, das sie spielte (singt Ausschnitt).

Das war ein Chanson von Michel Emer, der auch schon das berühmte

Stück „Der Akkordeonist“ für sie geschrieben hatte (singt Ausschnitt)

Sie sang also all diese Lieder und ich fand sie sehr beeindruckend. Als

ich sie anfangs auf die Bühne hatte kommen sehen, hätte ich ihr

niemals zugetraut, dass es ihr gelingen könnte, die Zuschauer zwei

Stunden lang dermaßen zu begeistern und viele von ihnen sogar zum

Weinen zu bringen.

Musik 5 Piaf-Lied (Anfang der 50er Jahre) - Ausschnitt

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O-Ton 14 (Troller) Ich war Student in Kalifornien, Los Angeles, an der Universität von

Kalifornien und ich kaufte mir am Hollywood Boulevard eine 33er Platte

Edith Piaf. (…) und da war sie mit ihrem schwarzen Kleid und da war ich und

da war diese Stimme und da sagte ich mir: ich kann nicht in Amerika bleiben,

ich muss nach Europa zurück.

Erzählerin Auch der Journalist Georg Stefan Troller erlebt Edith Piaf in einem

Konzert Anfang der 50er Jahre in Paris.

O-Ton 15 (Troller) Sie sang an einem kleineren Music-Hall am Montmartre und ich

ging hin und ich war dermaßen verzaubert, dass ich mich erinnere, dass ich zu

Fuß von Montmartre zurück zum Quartier Latin marschiert bin, anderthalb

Stunden lang durch die Pariser Nacht, weil (…) ich musste das in mir

ausschwingen lassen, so stark war dieser Effekt, den sie hatte.

Atmo 4 Musée Piaf, steht ein bisschen, Schritte, Raum entdecken

O-Ton 16 (Marchois / Führung) La chose qui étonne toujours le plus les gens, c’est la

grandeur d’Edith Piaf. Donc on leur signale qu’elle faisait un mètre 47 et

voilà, c’est énorme ou ce n’est pas grand, mais c’est énorme du côté vocal.

On se dit, un petit corps comme ca et une voix aussi merveilleuse. Voilà.

Ü Marchois Was die Leute immer am meisten wundert, ist Ediths Körpergröße.

Hier an der Wand haben wir es markiert, sie war genau 1 Meter und 47

Zentimeter groß. Schon erstaunlich, wie aus einem so kleinen Körper

eine so kraftvolle Stimme kommen kann.

Atmo 4 Museum

Erzählerin In Ménilmontant, jenem früheren Pariser Arbeiter-Viertel, in dem

Edith Piaf aufwuchs, befindet sich ein kleines Museum zu ihren Ehren.

Es ist ein sehr diskretes Museum, das kaum Werbung macht. Nur

wirklich Interessierte finden es.

O-Ton 17 (Marchois) Et puis on a tout à côté un ours que lui a offert Théo Sarapo,

donc c’est un gros ours en peluche. Il l’a acheté à Edith parce qu’il était aussi

grand qu’elle. Donc ca l’a fait beaucoup rire et elle était très contente, très

heureuse avec ce gros ours. Puis on a peut-être la pièce la plus importante,

dirons-nous, dans ce musée qui se trouve être la robe de scène.

Traditionnellement on sait que Edith Piaf mettait du noir, donc c’est toujours

une petite robe noire pour tout ce qui est spectacle. Donc c’est la petite robe

avec le décolleté qu’elle avait à la fin de sa vie.

Ü Marchois Und dann haben wir hier einen großen Teddybären, den ihr letzter

Ehemann ihr geschenkt hat, weil der Bär genauso groß war wie sie.

Das fand Edith sehr komisch, sie liebte diesen Teddy sehr. Und dann

kommt das vielleicht wichtigste Stück unserer Sammlung, Ediths

Bühnenkleid. Sie trug ja immer ein schwarzes Bühnenkleid und dieses

hier ist das letzte, das sie getragen hat.

Atmo 4 Museum

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Erzählerin Das Museum befindet sich in einem ganz normalen Wohnhaus und hat

die Größe einer 2-Zimmer-Wohnung. Auf engstem Raum und bis unter

die Decke werden hier unzählige Gegenstände, Kleidungsstücke und

Bilder ausgestellt, die Edith Piaf gehörten oder sonst mit ihr zu tun

haben. Die Sammlung ist das Lebenswerk von Pierre Marchois, der das

Museum 1977 gegründet hat.

O-Ton 18 (Marchois / Führung) Et alors là, nous avons une robe aussi, alors qui est

tout à fait différente de ce que l’on pourrait penser que Piaf puisse mettre. On

l’imagine toujours en noir, or elle a mis une robe de réception qu’elle a porté

avec Marcel Cerdan à New York. C’est lorsque Marcel Cerdan est devenu

champion du monde, ils sont allés à l’ambassade de France pour une

réception, pour honorer Cerdan, donc elle était avec lui

Ü Marchois Hier haben wir ein anderes Kleid, von dem man nicht unbedingt

denken würde, dass Piaf es getragen hat, weil man sie sich ja immer in

Schwarz vorstellt. Dies ist ein Festkleid, das sie in New York bei

einem Empfang getragen hat. Ihr Geliebter, Marcel Cerdan, war gerade

Boxweltmeister geworden.

Musik 6 instrumental, Jazz-Version eines ihrer Lieder /

Erzählerin Einige Stücke der Sammlung erinnern an die Zeit Edith Piafs in

Amerika.

hier beginnt eine Rückblende. Mit Effekt unterstützen?

Erzählerin Lang ausgedehnte Tourneen hat sie in den USA gemacht, die Herzen

des amerikanischen Publikums erobert und damit ihren Weltruhm

begründet.

Als einzigem Franzosen war das zuvor nur Maurice Chevalier

gelungen. Das war Ende der 20er Jahre. Edith Piafs amerikanisches

Abenteuer beginnt im November 1947.

O-Ton 19 (Edith) L’arrivée dans la baye de New York est vraiment extraordinaire, car

c’est un peu comme si on arrivait en plein New York. Devant ces toutes

grandes choses, je me suis senti toute petite. Et je me suis dit à moi-même que

j’aurais mieux fait de rester en France ! Je me suis demandé comment j’allais

faire pour réussir dans ce pays si grand ? Ou on ne parle pas ma langue !

Stimme Ed Die Ankunft in der Bucht von New York ist wirklich außergewöhnlich,

weil man den Eindruck hat, mitten in der Stadt anzukommen. Vor all

diesen Wolkenkratzern fühlte ich mich ganz klein. Mein erster

Gedanke war, dass ich besser in Frankreich geblieben wäre. Ich konnte

mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich in einem so großen

Land Erfolg haben sollte. Noch dazu in einer fremden Sprache.

Musik 7 Edith + Les compagnons de la Chanson

Erzählerin Bei ihren ersten Konzerten in Amerika tritt Edith Piaf zusammen mit

einer Gruppe von neun jungen Sängern auf, die sie aus Frankreich

mitgebracht hat. „Les compagnons de la chanson“ bezaubern mit ihrem

a cappella Gesang französischer Folklore das amerikanische Publikum

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auf Anhieb. Edith Piaf dagegen hat es ungleich schwerer, sich

durchzusetzen.

O-Ton 20 (Edith) Mon imprésario qui s’appelait Clifford Fischer m’avait dit : vous

serez la plus grande vedette en Amérique à condition de ne pas vous

décourager. Ils ne sont pas encore habitués à vous, à votre personnalité ni à

votre petite robe noire. Ah, cette petite robe noire ! Elle les décevait

énormément. Parce que pour les américains, Paris c’est la parisienne coquette

vêtue de grands ??? parfumée, bien coiffée, bref je n’étais pas du tout, du tout

dans la note. Quand on leur annonçait Edith Piaf et qu’ils me voyaient, ils se

sont demandé s’il s’agissait d’une plaisanterie !

Stimme Ed Mein amerikanischer Agent sagte mir: „Sie können hier der größte Star

werden, wenn Sie sich bloß nicht entmutigen lassen. Die Amerikaner

haben sich einfach noch nicht an Sie gewöhnt und an ihr schlichtes

schwarzes Kleid.“ Ja, dieses Kleid! Es enttäuschte die Amerikaner

sehr. Ich entsprach damit in keinster Weise ihren Vorstellungen von

einem glamourösen weiblichen Star aus Paris. Wenn man ihnen die

berühmte Edith Piaf ankündigte und sie mich auftreten sahen, hielten

sie das für einen Scherz.

O-Ton 20 (Reporter)

Ü Rep Wie ging es weiter nach diesem misslungenem Debut?

O-Ton 20 (Edith) Eh bien il y avait là-bas un critique qui s’appelait Virgin Thomson et

qui parle le français merveilleusement. C’est lui qui me sauva, car il adorait la

France ! Lui me comprit et me fait une critique magnifique.

Stimme Ed Es gab dort einen Kritiker, Virgil Thomson, der sehr gut Französisch

konnte und Frankreich liebte. Er war meine Rettung, weil er mich

verstand. Er schrieb eine wunderbare Kritik über mich.

Zitator Miss Piaf interpretiert die Kunst des Chansons in ihrer reinsten Form.

Ihre Stimme ist kraftvoll und sicher, ihre Diktion die Klarheit selbst.

14

Ihre Gesten sind sparsam. Sie ist niemals spontan, sondern immer

absolut konzentriert und unpersönlich. Die Kraft ihrer Darstellung ist

gewaltig. Sie ist eine großartige Künstlerin, weil sie sich selbst ganz

zurücknimmt und dem Zuhörer eine klare Vorstellung einer Szene oder

eines Themas vermittelt. Ein solches Zusammenspiel von

professioneller Autorität und persönlicher Bescheidenheit ist nicht nur

die reinste Freude, sondern auch unendlich beeindruckend.

O-Ton 21 (Edith Piaf) Le lendemain tout le monde me téléphona et l’on m’expliqua

que je ne me rendais sûrement pas compte, mais que cette critique suffisait à

remettre les choses en place. Effectivement, je débutais quelques jours après

au « Versailles »

Stimme Ed Am nächsten Morgen bekam ich viele Anrufe und man klärte mich auf,

dass dieser Kritiker so berühmt war, dass seine Kritik die Wende

bringen konnte.

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Musik 8 « La vie en rose », Piaf, englische Version

Erzählerin Im New Yorker Nachtclub „Versailles“ schafft Edith Piaf im zweiten

Anlauf den Durchbruch. Dabei bekommt sie prominente

Unterstützung. Marlene Dietrich besucht fast jede ihrer Vorstellungen.

Es ist der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft.

O-Ton 22 (Edith) Elle a une passion pour la France et les français ! Elle a fait beaucoup

de choses pour nous pendant la Guerre. Pour moi elle fut une très, très grande

amie. Et lorsqu’ en Amérique j’ai eu des ennuis, elle ne m’a jamais laissé un

seul instant. Un jour elle était dans ma loge, je me préparais pour le spectacle.

C’est elle qui ouvrait la porte et qui me servait de secrétaire. Si vous aviez vu

la tête des gens. Elle entrebâillait la porte et disait : « Je suis la secrétaire de

Mme Piaf, que désirez-vous ? » Les gens n’en revenaient pas ! Et quelqu’un

m’a dit très spirituellement : pourquoi ne prenez-vous pas Chevalier comme

chauffeur ?

Stimme Ed Sie hat eine Leidenschaft für die Franzosen. Sie hat viel für Frankreich

getan während des Kriegs. Für mich ist sie eine ganz große Freundin.

Als ich in Amerika Schwierigkeiten hatte, war sie immer für mich da.

Eines Tages war sie bei mir in der Loge, während ich mich für meinen

Auftritt vorbereitete. Und wenn es klopfte, dann öffnete sie die Tür

einen Spalt weit und sagte vollen Ernstes: „Ich bin die Sekretärin von

Frau Piaf, was wünschen Sie?“ Die Leute konnten es nicht fassen, sie

trauten ihren Augen nicht! Nur einer war schlagfertig und sagte:

warum nehmen Sie nicht Chevalier als Chauffeur?

Musik „La vie en rose“ Marlene-Version

Erzählerin Die Freundschaft der beiden Weltstars hält bis in die letzten

Lebensjahre von Edith Piaf. So bekommt auch Hugues Vassal noch

Gelegenheit, die beiden in Paris zusammen zu fotografieren.

O-Ton 23 (Hugues Vassal) Edith aimait Marlène pour deux raisons. D’abord, parce

qu’elle était belle, parce qu’elle était grande, elle l’impressionnait. Et c’était

une star. Et dans les fantasmes d’Edith, elle voulait être aussi grande que

Marlène. Mais Marlène, elle, savait qu’Edith était très grande tout en étant

petite. Et quand elles avaient été ensemble, il y avait une énorme complicité,

énormément d’affection.

Ü Vassal Edith liebte Marlene aus zwei Gründen. Zunächst einmal, weil sie

schön und groß war, das beeindruckte sie. Und außerdem, weil

Marlene ein Star war. In den Träumen von Edith war sie genauso groß

wie Marlene. Aber Marlene wusste ihrerseits, dass die klein geratene

Edith tatsächlich sehr groß war. Wenn die beiden zusammen waren,

war da immer eine unglaubliche gegenseitige Zuneigung spürbar.

Musik 9 instrumental

Zit MD (Marlene) In meinen Augen war sie der « Spatz » - so hatte man sie ja

genannt, aber auch Jezabel war sie, mit ihrem unersättlichen Durst

nach Liebe und Aufregung, der sie für ein Gefühl der

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Unvollkommenheit entschädigte, für ihre « Hässlichkeit », wie sie es

nannte, für ihren kleinen zerbrechlichen Körper, den sie zur Wirkung

zu bringen verstand wie Circe und alle Sirenen der Lorelei.

Verführerisch war sie, alle nur erdenklichen Freuden versprach sie –

und das alles mit der ihr eigenen unwahrscheinlichen Intensität. Mir

wurde schwindlig. Sozusagen Seite an Seite mit ihren Liebhabern, die

ich verstecken oder in verschiedene Zimmer ihrer Wohnung führen

musste.

Sie hatte mich gern, vielleicht liebte sie mich. Aber ich glaube, sie

konnte nur Männer lieben.

Atmo 4 Ende Rückblende USA, zurück im Museum

O-Ton 24 (Marchois) Nous avons aussi les gants de boxe de Marcel Cerdan. Le grand

amour dans la vie d’Edith et ce sont des gants de boxe qui étaient resté chez

Edith, parce que lorsqu’il venait chez elle, il s’entraînait évidemment tous les

jours et il s’est dit, bon je vais laisser mes gants ici, pas la peine de les

promener tout le temps avec moi pendant les voyages

Ü Marchois Hier haben wir Boxhandschuhe von Marcel Cerdan. Ihre große Liebe.

Diese Boxhandschuhe hat er bei ihr gelassen, damit er trainieren

konnte, wenn er sie in Amerika besuchte. So musste er sie auf seinen

Reisen nicht mit sich herumschleppen.

Musik 10 Liebeslied instrumental

Erzählerin Auch Marcel Cerdan lernt Edith Piaf während ihrer ersten Wochen in

New York kennen. Die Tatsache, dass der Boxchampion in Marokko

bereits verheiratet ist und Kinder hat, hindert die beiden nicht, eine

leidenschaftliche Liebesbeziehung aufzunehmen. Das Liebesglück

dauert nur anderthalb Jahre. Am 28. Oktober 1949 kommt Marcel

Cerdan auf dem Weg nach New York bei einem Flugzeugabsturz ums

Leben.

O-Ton 25 (Hugues Vassal) Edith avait des complexes. Edith était né dans la rue,

Marcel Cerdan était né dans le caniveau aussi à Casablanca. Il venait

vraiment d’un milieu très, très bas, très pauvre et Edith aussi. Imaginez que

ces deux gens se retrouvent à New York au Waldorf Astoria, amoureux

naturellement. Elle au sommet de sa gloire et lui au sommet de sa gloire.

Donc Edith a vécu des moments d’une rare intensité

Ü Vassal Edith hatte immer Komplexe wegen ihrer Herkunft. Marcel Cerdan

kam genau wie sie aus sehr armen Verhältnissen, nämlich aus den

Slums von Casablanca. Stellen Sie sich diese beiden einmal vor, wie

sie in New York sind, im Hotel „Waldorf Astoria“ und endlos verliebt.

Er auf dem Höhepunkt ihres Ruhms und sie auch. Edith hat schon

außergewöhnliche Dinge erlebt in ihrem Leben.

Musik 11 Piaf / Hymne an die Liebe, Ausschnitt oder Instrumental-Version

O-Ton 26 (Rosteck) Liebe hat bei Piaf immer so etwas ganz Absolutes, eigentlich von

Anfang an etwas Unerreichbares. Das ist so gesetzt, dass man es eigentlich

fast nie schaffen kann.

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Erzählerin Jens Rosteck ist Autor der ersten deutschsprachigen Piaf-Biographie:

„Hymne an das Leben“.

O-Ton 27 (Rosteck) Und kurz bevor Marcel Cerdan gestorben ist, hat sie dieses Lied

geschrieben, diesen Programmtext für ihr ganzes Leben, die „Hymne an die

Liebe“. Da sagt sie ungeheuerliche Dinge über die Liebe, was die Liebe alles

leisten muss, was sie alles leisten kann und das, wenn einer von beiden als

erster stirbt – was dann ja auch der Fall war, das hat sie fast vorhergesehen

wie eine Prophezeiung, dann wird man sich im Jenseits, im Paradies dann

wiederfinden und das hat dann ja diese Liebesbeziehung auch erfüllt. Und

alle Lieben, die danach kamen, konnten natürlich dieser absoluten Liebe zu

dem Marcel Cerdan nicht mehr das Wasser reichen.

Musik 12 instrumental

Erzählerin Die Lebensgeschichte der Edith Piaf – ihre Herkunft aus einfachsten

Verhältnissen, die wundersame Heilung ihrer Augenkrankheit, als sie

ein Kind war, ihr märchenhafter Aufstieg von der armen Straßengöre

aus Ménilmontant zur weltbekannten Sängerin der Liebe , ihre vielen,

oft unglücklichen Liebesbeziehungen, ihre Unfälle, ihre

Abhängigkeiten, die Aura des Tragischen, die ihr Leben umgab, ihr

früher Tod – es ist eine Geschichte, die so oft erzählt und nacherzählt

wurde wie eine Heiligenlegende. Aber wie eine Heiligenlegende ist es

auch eine Geschichte mit vielen Ausschmückungen. Zeitlebens gab es

immer viele Gerüchte um Edith Piaf. Und sie selbst war auch nicht

abgeneigt, mit ihrem Image zu spielen.

O-Ton 28 (Hugues) Edith fonctionnait énormément avec mon journal. (…)Edith

…savait qu’il y avait un grand tirage et elle s’en servait comme tribune.

Donc, toutes ces histoires tristes d’amour, elle les faisait transiter par ce

people, mais c’est elle qui manageait tout ca, elle faisait ca de connivence.

(…) Je crois aussi qu’Edith a toujours exagéré les choses en peu noir dont on

l’a affublé aussi dans le film « La Môme », c'est-à-dire : je me drogue, je bois,

j’ai des amants. Elle a eu des amants, mais quand elle en a eu dix, Edith on a

inventé pour sa publicité 30. (…) Elle a toujours accentué le trait populaire,

parce que je pense qu’elle a considéré que ca pouvait éventuellement lui

servir.

Ü Vassal Edith stützte sich sehr auf unsere Zeitung. Sie wusste, dass wir eine

hohe Auflage hatten und machte uns zu ihrer Tribüne. Ihre vielen

traurigen Liebesgeschichten machte sie über uns publik und versuchte

dabei immer, die Kontrolle zu behalten. Sie hatte ein Gespür dafür. Ich

glaube auch, dass Edith die düsteren Seiten in ihrem Leben immer

absichtlich übertrieben hat. So in dem Stil: ich nehme Drogen, ich

saufe und ich habe jede Menge Liebhaber. Sie hatte zwar tatsächlich

viele Liebhaber, aber wenn es 10 waren, machte sie 30 draus, um ihr

Image zu bedienen

O-Ton 29 (Rosteck) Sie hat eben für sich selber diese Kunstfigur geschaffen, da gibt es

natürlich Berührungspunkte, Überschneidungspunkte, sie hat sich eben

stilisiert zu dieser kleinen Frau, dieser schwachen Person, die ungeliebt,

unverstanden sozusagen auf den Pariser Straßen herumlungert, entweder als

Prostituierte oder als unverstandene junge Frau, die auf die große Liebe

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wartet, auf den Seemann, der sie verlässt, auf den Fremdenlegionär, der sie

verlässt, (…) das hat sie so glaubwürdig verkörpert, dass man sie auch immer

damit in Verbindung brachte.

O-Ton 30 (TV-Reporter) Vos chansons chantent toujours l’amour. Mais on sait que

l’amour pour vous n’est pas seulement un thème de chansons. Qu’est-ce que

vous attendez, qu’est-ce que vous avez attendu de l’amour, Edith Piaf ?

Ü Rep In ihren Chansons geht es immer um die Liebe. Man weiß aber, dass

die Liebe nicht nur in Ihren Chansons eine Rolle spielt. Was haben Sie

sich von der Liebe erwartet?

O-Ton 30 (Edith) Mais ce qu’il m’a donné. Le merveilleux, le triste, le tragique,

l’extraordinaire.

Stimme Ed Das, was sie mir gegeben hat. Das Wunderbare. Das Traurige. Das

Tragische. Das Außerordentliche

O-Ton 30 (TV-Reporter) Des déceptions aussi ?

Ü Rep Enttäuschungen auch ?

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O-Ton 30 (Edith) Je n’ai jamais eu de déceptions.

Stimme Ed Ich habe nie Enttäuschungen erlebt.

O-Ton 30 (TV Reporter) Une chanson doit exalter l’amour ?

Ü Rep Muss ein Chanson die Liebe preisen?

O-Ton 30 (Edith) Oui, je pense que quand on se moque de l’amour, on n’est pas grande

chose dans la vie. Ceux qui sont dégoutés de l’amour, parce qu’ils ont eu des

déceptions, ce n’étaient pas de vrais amoureux.

Stimme Ed Ja. Denn wer sich über die Liebe lustig macht, ist nichtswürdig.

Diejenigen, die nicht mehr an die Liebe glauben, weil sie

Enttäuschungen hatten, die haben nie wirklich geliebt.

Musik 13 Piaf „Les mots d’amour / Ausschnitt1

O-Ton 31 (Troller) Die Piaf war ja eine große Liebende, jeder wusste das, jeder wusste

die Namen, mit denen sie zu tun hatte, Bécaud, Brialy, Eddi Constantine,

Marcel Cerdan , Yves Montand, natürlich Charles Aznavour und das ist nur

der Anfang des Alphabets. Sie liebte große Männer, sie liebte maskuline

Männer, Männer, die sie beherrschen konnten, so lang die Piaf das zuließ, das

war etwa eine Minute, aber das wollte sie: groß und schön. Und Aznavour,

der klein und hässlich war, war, glaube ich, nur einmal mit ihr im Bett, aber:

er konnte linksherum tanzen und das war wichtig für sie und sie hat ihm die

Nase operieren lassen, er hatte ja diesen riesen Schnabel und das gab ihm die

Chance, überhaupt in das Chanson-Geschäft einzusteigen.

Musik 13 Piaf „Les mots d’amour / Ausschnitt2

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O-Ton 32 (Debout) quand Édith tombait amoureuse, elle ne partageait pas ça avec

d'autres hommes, elle quittait celui avec qui elle était, sur le champ, pour

partir avec celui avec qui elle venait d'avoir le coup de foudre. Tout le monde

savait ca ! (…) C'était une femme qui voyait sa vie à travers l'amour pour un

homme, pour elle ca faisait partie de la vie de tomber amoureuse, elle l'a

souvent dit. Il y a des hommes qui ont souffert effectivement d'être plaqués

par Édith Piaf, il y en a eu pas mal, il y en a eu aussi qui sont partis de leur

propre chef, parce que tout d'un coup il n'y avait que Édith dans ces couples

là, c'était une telle star que pour un homme il n'y avait pas beaucoup de place

à coté d'elle. Il y a beaucoup d'hommes qui ont étés très amoureux d’Édith

pendant des années, jusqu'à sa mort, et même au-delà de sa mort.

Ü Debout Wenn Edith sich neu verliebte, dann verließ sie sofort denjenigen, mit

dem sie gerade zusammen gewesen war. Das war allgemein bekannt.

Sie war eine Frau, die ihr Leben über die Liebe zu einem Mann

definierte. Das hat sie selbst oft gesagt. Es gab eine Menge Männer, die

von ihr irgendwann abserviert wurden, einige gingen auch aus eigener

Initiative. Edith war ein großer Star und das nahm so viel Raum ein in

einer Beziehung, dass es für einen Mann an ihrer Seite nicht einfach

war. Es gab viele Männer, die sehr in sie verliebt waren, bis zu ihrem

Tod, ja sogar über ihren Tod hinaus.

O-Ton 33 (TV Reporter) Il n’y a pas de joie comparable à celle de l’amour ?

Ü Rep Gibt es keine Freude, die mit der Liebe vergleichbar wäre?

O-Ton 33 (Edith) Non, je ne pense pas, parce que même si on a un travail, un travail

qui vous passionne, si on a personne à qui l’offrir, ce travail, je pense que il

devient inutile. L’un ne va pas sans l’autre, enfin.

Stimme Ed Nein, ich denke nicht. Denn selbst eine Arbeit, die mir viel Freude

macht, verliert ihren Wert, wenn ich sie nicht jemandem schenken

kann. Das eine geht nicht ohne das andere.

Musik14 instrumental – „Padam, Padam“

Erzählerin Alle, die jemals über sie geschrieben oder berichtet haben, sind sich in

einem Punkt einig: Edith Piaf lebte ganz für ihren Beruf und probte ihr

ständig wechselndes Repertoire zeitlebens wie eine Besessene, mit

extremem Perfektionismus. Deshalb lag es für sie nahe, Beziehungen

zu Männern zu haben, mit denen sie künstlerisch zusammenarbeiten

konnte. Einer der ersten in einer langen Reihe war der jüdische

Komponist Norbert Glanzberg. Er lernte sie kennen, als er 1940 in

Frankreich vor den Nazis auf der Flucht war

Zitator Edith war wie ein Orkan. Manchmal hinreißend spontan, manchmal

launenhaft, oft jedoch auch zutiefst verzweifelt. Eine Persönlichkeit,

die Ängste und Selbsthass schon heillos zerrüttet hatten. Dies

beschäftigte aber weder mich noch sie selbst noch die übrigen

Gefährten jener Abende, denn jeder von uns hatte Gründe – die Zeit

wollte es so -, vor allem Vergessen zu suchen.

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Erzählerin Edith Piaf half dabei, Glanzberg vor den Nazis zu schützen, und er

komponierte Chansons für sie, darunter den späteren Welterfolg

„Padam, Padam“. Über die gemeinsame Liebesbeziehung äußerte sich

Glanzberg im Nachhinein allerdings wenig charmant.

Zitator Sie gefiel mir als Frau überhaupt nicht. Was hätte ich auch sagen

sollen. Edith war ja nicht schön. Und sie war klein. Aber welche Wahl

hatte ich denn? Edith Piaf oder Adolf Hitler!

Musik 15 Yves Montand jung / „Les feuilles mortes“

Erzählerin Kurz nach dem Krieg ging Edith Piaf eine Liaison ein, die modellhaft

werden sollte für viele weitere. Ein junger Sänger, den sie unter ihre

Fittiche nahm und zum Star formte.

O-Ton 34 (Rosteck) Yves Montand ist ein gutes Beispiel, der kam aus Marseille und

sang irgendwelche Cowboy-Lieder, mit denen er ganz guten Erfolg hatte,

aber sie hat sofort gesehen, der muss tragische Lieder singen, Balladen,

Liebesleid und sentimental…Schlager, würden wir sagen. Und der hat gesagt,

das will ich gar nicht singen! Aber sie hat gemerkt, damit wird er ankommen

und wird der große Star werden, was sich am Ende ja auch bewahrheiten

sollte. Und während dieser Zeit hat sie ihn nicht nur wie so einen kleinen

Jungen rumkommandiert und gesagt, du musst das und das anziehen, dich so

und so bewegen, einerseits wie eine Pädagogin, aber auch wie so eine Mutter

behandelt. Gleichzeitig war das eben der Lebensgefährte, mit dem konnte sie

sich auf Partys zeigen, zu Premieren gehen, mit dem konnte sie auch eine

körperliche Liebesbeziehung haben. Und dann hat sie gemerkt, dieser junge

Mann…also je nach dem, Aznavour, Moustaki, Yves montand, Eddie

Constantine, (…) die standen dann auf eigenen Füßen, die brauchen jetzt ihre

Unterstützung nicht mehr und dann hat sie auch die Liebe einfach abgedreht,

wie so einen Wasserhahn, (…)hat sich mit denen aber auch nicht zerstritten,

aber die waren dann…die hatte sie großgezogen.

Atmo5 Moustaki singt, wird von Edith unterbrochen, soll etwas anderes

singen:

Erzählerin Nach Charles Aznavour, Eddie Constantin, Gilbert Bécaud und Felix

Marten ging 1958 auch der junge Grieche Georges Moustaki durch die

harte Lehre bei Edith Piaf.

Atmo5 Moustaki singt, wird dann von Edith erneut unterbrochen

O-Ton 35 (Piaf) je vais t’arrêter, puisque je vais te dire les choses que je peux

t’expliquer. T’as raison, tu vois, quand tu arrives au refrain, c’est une prière,

tu comprends : SINGT . Il faut que tu te donnes plus, tu comprends, il faut

que vraiment ce soit une supplication que tu demandes le pardon. Et ca on ne

sent pas suffisamment, tu ne te donnes pas assez, tu me sors pas assez ta voix

et ca je pense qu’il faut que tu travailles beaucoup.

Stimme Ed Ich unterbreche Dich mal, um Dir was zu erklären. Schau mal, wenn

Du zu dem Refrain kommst, dann musst Du daran denken, dass es sich

um ein Gebet handelt. Du musst dann mehr von dir geben, Du musst

wirklich flehentlich um Vergebung bitten. Davon spüre ich nicht

genug. Du kommst noch nicht genug mit Deiner Stimme heraus und

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da, denke ich, musst Du noch viel dran arbeiten.

Musik 16 Les amants (gesungen von Charles Dumont + Edith Piaf)

Erzählerin Manche jungen Männer musste Edith Piaf zu ihrem Glück regelrecht

zwingen. So den Komponisten Charles Dumont zu seiner Karriere als

Chansonnier.

O-Ton 36 (Charles Dumont) quand elle m'a donné le texte justement de la chanson des

amants, j'ai fait la musique, je lui ai montré la musique, elle m'a dit : ah oui ca

me plaît beaucoup, c'est très bien c'est très bien réussi. Et je lui ai dis : tu sais

c'est un duo, elle me dit : je te remercie, j'ai écris les paroles et je sais c'est un

duo. Je lui dis : avec qui tu vas la chanter ? Je me disais, elle va me dire avec

Yves Montant, avec une grande star française, beaucoup auraient étés honorés

de faire un duo avec Édith. Elle me dit : je vais la chanter avec toi. Je lui ai

dis : non non, tu sais moi je ne veux plus chanter (…) tu sais j'ai essayé j'ai

pas le physique, j'ai pas la voix. Elle me dit : tu ne veux pas faire le duo avec

moi ? Je lui dis : non non ce n'est pas bien, elle me dis : écoute tu vois c'est

pas compliqué, je ferme le texte, la porte est là tu t'en va on a plus rien à faire

ensemble, on travaille pas ensemble. J'ai cru qu'elle plaisantait, elle m'a dit :

tu sais je ne plaisante pas si tu ne veux pas chanter, tu peux partir. Je ne suis

pas parti, on a fait le disque en Belgique et ca a été un succès. (…) Ce qu'elle

m'a donné professionnellement c'est immense, c'est toute ma vie. Et moi je lui

ai donné, dans les temps où j'étais avec elle, tout le soutien et l'affection, tout

ce qu'elle avait besoin avec le maximum de vigilance et on peut dire d'amour

effectivement, parce que l'amour ce n'est pas que le lit c'est aussi l'amitié, la

confiance

Ü Dumont Eines Tages bat sie mich, die Musik für ein Lied zu komponieren. Den

Text dazu hatte sie selbst geschrieben. Es war ein Duo und hieß „Les

amants“. Als ich ihr die Musik brachte, war sie sehr zufrieden und ich

fragte sie: Mit wem wirst Du es denn singen? Ich stellte mir vor, dass

sie es zusammen mit einem großen Star wie Yves Montand singen

wollte, es gab viele, die sich sehr geehrt gefühlt hätten. Da sagt sie mir:

Stimme Ed Ich werde es mit Dir singen!

Ü Dumont Ich sag ihr, sei mir nicht böse, aber das ist unmöglich! Ich habe es mal

versucht mit dem Singen, aber ich kann es einfach nicht. Da sagt sie

mir:

Stimme Ed Du willst also das Duo nicht mir singen? Hör zu, das ist überhaupt kein

Problem. Da ist die Tür. Du verschwindest. Unsere Zusammenarbeit ist

hiermit beendet.

Ü Dumont Ich dachte, sie scherzt, aber da sagt sie mir:

Stimme Ed Ich meine es ernst. Wenn Du nicht mit mir singen willst, dann geh!

Ü Dumont Ich bin nicht gegangen, wir haben das Stück aufgenommen und es

wurde ein Erfolg. Was Edith mir beruflich gegeben hat, ist

unermesslich. Und ich habe ihr während der Zeit unseres

Zusammenseins all die Unterstützung und all die Zuneigung gegeben,

die mir nur irgend möglich war. Das kann man gerne auch Liebe

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nennen.

Musik 17 Instrumental Orchester « Non, je ne regrette rien »

Erzählerin 1960 komponierte Charles Dumont mit „Non, je ne regrette rien“ Edith

Piafs letzten großen Welterfolg. Damit ermöglichte er der bereits

schwer Kranken, von der Öffentlichkeit schon mehrfach Totgeglaubten

die erste sensationelle Wiederauferstehung.

O-Ton 37 (Dumont) c'est une femme extraordinaire qui s'était fait elle-même, elle était

curieuse de tout, elle lisait tous les grands classiques, des livres ardus, qu'on

s'attend pas à voir dans les mains d'une femme qui sort de la terre. Vous savez

que son meilleur ami c'était Jean Cocteau, un grand poète, un intellectuel de

grand niveau et il passait des journées entières a parler avec Édith. Ils étaient

très unis, c'est une référence quand vous avez quelqu'un comme Édith qui n'a

jamais été à l'école (…)

Ü Dumont Sie war eine Frau, die sich alles selbst beigebracht hatte und die sehr

neugierig auf alles war. Sie las alle großen Klassiker und richtig

schwierige Bücher, die man nicht unbedingt mit ihr in Verbindung

bringen würde. Einer ihrer besten Freunde war der große Dichter Jean

Cocteau. Sie konnten sich den ganzen Tag über alles Mögliche

unterhalten. Das ist schon bezeichnend, wenn man bedenkt, dass Edith

niemals in einer Schule war.

O-Ton 38 (Jean-Jacques Debout) elle avait beaucoup d'humour Édith Piaf et elle était

d'une intelligence sans limites, comme ces gens dont on sait pas toujours ce

qu'ils vont vous sortir et puis tout d'un coup c'est de plus en plus

extraordinaire. (…) Je me suis rendu compte que c’était une médium que

c’était une femme qui savait tout faire, elle pouvait écrire, elle pouvait

chanter, elle pouvait donner des leçons pour faire des mises en scène, elle

était comédienne, elle savait tout faire. C’était ce qu’on appelle une femme

surdouée. Un peu comme Marlène. Marlène, elle aussi savait tout.

Ü Debout Sie hatte viel Humor und war unglaublich intelligent. Sie war einer von

diesen Menschen, die dich immer überraschen und wo du dich immer

fragst, was kommt jetzt wohl als Nächstes! Sie war eine Frau, die alle

möglichen Begabungen hatte, sie konnte schreiben, sie konnte singen,

sie konnte inszenieren und sie war auch Schauspielerin. Sie war eine

Hochbegabte. Ein bisschen wie Marlene.

Erzählerin Jean-Jacques Debout feierte 1959 seine ersten Erfolge als Chansonnier.

Er war kein Schüler von Edith Piaf und auch nicht ihr Liebhaber, aber

sie schätzte ihn. Vielleicht sogar gerade deshalb umso mehr.

O-Ton 39 (Debout) c'était une femme très impressionnante, parce qu'elle avait un regard

perçant, comme ces belles têtes de félins qui vous fixent avec des yeux où on

se dit olalala il va me sauter dessus, il va me dévorer, Édith avait des yeux

comme ca, qui pouvaient vous paralyser d'un coup. Ah oui elle avait dans la

vie cette présence qu'elle avait aussi sur scène mais dans la vie la présence

était encore plus forte que sur la scène. Surtout quand elle vous fixait, quand

elle vous regardait. Sur scène n'en parlons pas, tout le monde pourra vous le

dire quand elle chantait, on n’entendait pas une mouche voler.

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Ü Debout Sehr beeindruckend war auch, wie intensiv sie dich anschauen konnte.

So wie eine Raubkatze, die dich fixiert, und du denkst, oh Gott, gleich

wird sie sich auf mich stürzen und mich verschlingen! Sie hatte

wirklich so einen Blick, mit dem sie dich lähmen konnte. Wie auf der

Bühne hatte sie auch im Leben eine unglaubliche Präsenz. Im Leben

vielleicht sogar eine noch stärkere. Auf der Bühne sowieso. Wenn sie

auftrat, waren alle mucksmäuschenstill.

Erzählerin In ihrer Wohnung am Boulevard Lannes war es für Edith Piaf ganz

selbstverständlich, dass sich ihre Freunde und Mitarbeiter permanent

für sie zur Verfügung hielten. Berüchtigt waren ihre Proben, die sich

bis weit in die Nacht hinzogen.

O-Ton 40 (Hugues) Elle avait une vie nocturne terrible, parce qu’elle se levait tard.

Mais nous, elle exigeait qu’on soit là, mais il fallait qu’on soit réveillé quand

elle venait. Elle venait vers 2, 3 heures. Dans les jours où il n’y avait pas de

galas, elle se réveillait vers 2, 3 heures, 4 heures de l’après-midi. Et on

attendait ! Elle était là, elle arrivait. Il y avait toujours une tête de turc, elle

s’en prenait à l’un ou à l’autre. (…) Pourtant elle adorait son accordéoniste,

Marc Bonel, elle le voit et lui dit : Euh, toi aujourd’hui j’ai décidé que tu as

une sale gueule, tu joueras plus avec moi, tu joueras derrière le rideau. Des

choses comme ca et c’était en permanence ca. Alors elle maniait la

gentillesse, parfois la méchanceté, mais ca n’a jamais été méchant, ca n’allait

jamais loin, ce n’était pas vicieux. J’ai appris à vivre dans cette ambiance

permanente de répétitions, d’engueulade, de rire…des rires sataniques,

extraordinaires, des rires qui déchiraient toute la place et puis des colères

aussi, puis des moments de grande tendresse, de grande philosophie.

Ü Vassal Sie war ein unverbesserlicher Nachtmensch und stand daher meist sehr

spät auf. Wir aber mussten trotzdem alle da sein und uns bereithalten,

falls sie aufwachen würde. Also warteten wir. Meistens wachte sie erst

so gegen 2, 3 oder 4 Uhr nachmittags auf. Und wenn sie schlechte

Laune hatte, konntest du sicher sein, dass sie das umgehend an

irgendjemandem auslassen würde. So begrüßte sie einmal ihren treuen

Akkordeonisten, Marc Bonel, mit den Worten:

Stimme Ed Hör mal, Marc, ich habe heute über Dich nachgedacht und weißt Du,

zu welchem Ergebnis ich gekommen bin? Dass Du einfach ZU hässlich

aussiehst! In Zukunft wirst Du nicht mehr neben mir spielen, sondern

hinter dem Vorhang.

Ü Vassal Solche Bemerkungen waren typisch für sie. Immer bekamen wir von

ihr Zuckerbrot und Peitsche, auch wenn das nicht immer so bös

gemeint war. Wir haben auch unglaublich viel gelacht mit Edith, sie

konnte sehr laut lachen, ein geradezu teuflisches Lachen! Und dann

gab es auch Momente großer Zärtlichkeit.

O-Ton 41 (Rosteck) Ich denke, Piaf war von Grund auf eine ganz vergnügte,

humorvolle, wirklich sehr witzige Person, auch ein Clown, ein Spaßmacher

und sie hat das auch sehr genossen, an einer Tafel zu präsidieren und Witze

zu reißen und sich auch über andere Leute zu amüsieren. Sie konnte sich aber

auch über sich selber lustig machen. Das waren diese Gelage, etwas, das sie

kannte und worin sie auch gut drin war. Und sie hat ja auch sofort ihren

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Erfolg geteilt, wenn jetzt eine großartige Auftritt im Olympia war, hat sie also

50 Leute zum Essen eingeladen und hat mit denen gefeiert, also alles, was sie

tat, war über die Stränge schlagen, sie hat eigentlich jeden Tag so gelebt, wie

wir uns das alle immer vornehmen, als wäre es der letzte Tag, das hat sie also

wirklich beherzigt, aber nicht weil sie das aus einer moralischen Haltung

heraus, sondern das war einfach ihre Art zu leben, immer alles zu geben, im

negativen wie im positiven.

Musik 18 Piaf/Sarapo Ca sert à quoi, l’amour (Intro + erste Strophe)

Erzählerin Die zweite und letzte Wiederauferstehung feierte Edith Piaf im Herbst

1962, ein Jahr vor ihrem Tod, schwer gezeichnet von ihrer Krankheit

und von den hoch dosierten Aufputschmitteln, mit denen sie sich für

ihre Konzerte fit spritzen ließ. Und doch hatte sie wieder einen neuen

jungen Mann an ihrer Seite, dem sie das Singen beibrachte. Und: den

sie heiratete.

Reportage 1 Und hier kommt Edith Piaf, vormals Straßensängerin, 145 groß, 47 Jahre alt,

todkrank, sagt man, kaum fähig zu gehen oder die Finger zu krümmen; eine

Frau, die noch einmal glücklich sein will. Und das Objekt ihrer Leidenschaft:

ein 23-jähriger Frisörgehilfe, Théodor Lambouskas, von ihr Sarapo getauft, in

Anlehnung an das griechische „sarapo“ – ich liebe dich. (…)

Erzählerin Georg Stefan Troller drehte zu dieser Zeit einen Fernsehbeitrag über

Edith Piaf für sein „Pariser Journal“.

O-Ton 43 (Troller) Also wir drehten die Hochzeit, das war ja toll, weil im Rathaus

vom 16. Arrondissement, beim Trocadéro, standen ja hunderte und hunderte

von Leuten und warteten auf sie, dass sie im Auto ankommen würde und alle

haben versucht, sie anzurühren, wie wenn man einen Buckligen anrührt, weil

das Glück bringen soll. Dieses Gedränge, den Kontakt mit ihr zu haben und

dann ja, die Hochzeits-Zeremonie, ganz einfach durch den Bürgermeister, sie

schmetterte das Ja heraus und er ganz bescheiden, bisschen schüchtern.

Reportage 2 Theo, sind Sie glücklich fragte ich ihn. „Wahnsinnig!“ Und Sie, Edith?

„Sonst hätte ich ihm eine runtergehauen!“ (Gelächter) „Ich bin toll

glücklich!“ (…) Sie wissen, dass viele Leute sich über ihre Heirat lustig

machen. Was ist Ihre Antwort? „ICH heirate ja, nicht sie! (Gelächter)

Erzählerin Louis Bozon war damals ein junger Radiojournalist:

O-Ton 42 (Bozon) Et encore aujourd'hui je me dis, comment a-t-elle pu ? Parce

que lui était très beau garçon, mais très jeune et elle complètement

écrasée par ses rhumatismes et tout cela, et en même temps elle le

regardait, très sincèrement je ne peux pas dire que j'ai été ému, j'ai été

choqué, choqué dans tous les sens du terme, choqué parce que l'image

n'était pas belle, choqué parce que dans le fond un peu d'admiration

devant tout ca et en même temps par le pathétique de ca. Lui avait une

espèce de fraîcheur et elle...c'était effrayant.

Ü Bozon Bis heute frage ich mich: wie hat sie das nur tun können!? Denn er war

ja ein sehr schöner Mann und sie dagegen sah schon ziemlich zerstört

aus. Aber wie sie ihn anschaute….! Ich muss zugeben, dass mich das

schockiert hat, in jeder Hinsicht. Ich fand dieses Bild nicht schön und

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doch zugleich so pathetisch. Er wirkte so frisch und sie daneben…es

war furchtbar!

Atmo 6 Hochzeit Piaf/Sarapo aus TV Beitrag Troller

O-Ton 44 (Troller) Und dann an dem Abend, das war, glaube ich, im Olympia, waren

die beiden zusammen und haben ihre Gesangstournee gemacht und sie sangen

also zusammen, sie ganz klein, ihn anhimmelnd, er ganz groß, sie

zurückhimmelnd, war schon schön. War schön.

Musik 18 « Ca sert à quoi l’amour », letzte Strophe, Schluss

O-Ton 45 (TV-Reporter) Edith Piaf, chaque fois qu’on vous voit réapparaître sur cet

écran pour chanter, on a l’impression d’assister à un miracle, un miracle

qu’on n’attendait plus. D’où vous vient cette force, ce courage qui vous tire

toujours des plus mauvais cas ?

Ü Rep Jedes Mal, wenn Sie hier wieder erscheinen, um zu singen, haben wir

das Gefühl, ein Wunder zu erleben, mit dem niemand mehr gerechnet

hätte. Woher nehmen Sie die Kraft, sich immer wieder von den

schwersten Rückschlägen zu erholen?

O-Ton 45 (Edith) Mais je pense que c’est la foi. La foi en tout.

Stimme Ed Ich denke, das ist mein Glaube. Mein Glaube an alles.

O-Ton 45 (TV-Reporter) Vous croyez à la chance ?

Ü Rep Glauben Sie an das Glück ?

O-Ton 45 (Edith) Je crois. Je crois tout simplement.

Stimme Ed Ich glaube. Ganz einfach.

O-Ton 45 (TV –Reporter) a la destinée ?

Ü Rep An das Schicksal ?

O-Ton 45 (Edith) Non, je ne crois pas à la destinée. Je crois que les bonnes choses

arrivent si on le désire. Et je crois qu’on peu se sortir de n’importe quelle

mauvaise situation.

Stimme Ed Nein, ich glaube nicht an das Schicksal. Ich glaube, dass Wünsche sich

erfüllen können. Und ich glaube, dass man sich aus jeder noch so

misslichen Lage befreien kann.

Musik 19 instrumental

Erzählerin Edith Piaf war keine Kirchgängerin. Aber seit sie als Kind zu erblinden

drohte, hatte sie eine besondere Beziehung zu der Heiligen Therese von

Lisieux. Regelmäßig fuhr sie nach Lisieux, um ihr Grabmal zu

besuchen.

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O-Ton 46 (Hugues) C’est que Edith a eu un frein dans sa vie, de débauche…pas de

débauche, elle a vécu dans des milieux clos, des milieux difficiles. Si elle

n’avait pas eu ce frein moral devant elle … parce que Sainte Thérèse est un

petit peu sa soeur, mais aussi son confident. C’était quelqu’un qui faisait peur,

chaque fois qu’elle faisait une bêtise, elle avait peur de Thérèse, elle

demandait pardon, à genoux, elle faisait plein de choses, elle avait très peur

de Thérèse. Et je pense que ca…quelque part, à un moment donné dans la vie

débridée d’Edith, ca a permis à Edith de ne pas être trop déséquilibré,

Ü Vassal Edith hatte dadurch gewissermaßen eine Bremse in ihrem

überschwänglichen Leben. Thérèse war für sie wie eine Schwester,

aber auch wie eine Beichtmutter. Sie war jemand, vor dem Edith

großen Respekt hatte, ja sogar richtig Angst. Wenn Edith Blödsinn

gemacht hatte, hat sie auf Knien zu Thérèse gebetet, dass sie ihr

verzeihen möge. Ich denke, das hat es ihr ermöglicht, sich

einigermaßen im Gleichgewicht zu halten.

Musik 19 weiter

O-Ton 47 (Dumont) je ne l'ai jamais vu entrer en scène sans embrasser la petite

croix qu'elle portait, la croix catholique, chrétienne en tous cas. Cette

croix qui lui avait été offerte par Marlène Dietrich, elle l'embrassait, je

l'ai toujours vu rentrer sur scène en embrassant la petite croix.

Ü Dumont Ich habe sie niemals auftreten sehen, ohne vorher das kleine

Smaragdkreuz zu küssen, das sie immer am Hals trug. Dieses Kreuz

war ein Geschenk von Marlene Dietrich und jedes Mal küsste sie es.

O-Ton 48 (Hugues) Ce que j’ai constaté dans mon propre travail, c’est que Edith est

toujours souriante face aux vicissitudes, face à la maladie, face à la fatigue,

parce que quand on a terminé l’Olympia et qu’on a tout donné au spectateur,

tout donné aux gens qui reçoivent quelque chose, c’était le magnétiseur, elle

donnait, elle donnait de la joie, de l’espoir. Les gens venaient très souvent

perturbé, partaient heureux, mais Edith derrière le rideau était épuisé,

soutenu, mais épuisé.

Ü Vassal Als ich mir meine Fotos von ihr aus ihrem letzten Lebensjahr wieder

angesehen habe, fiel mir auf, dass Edith fast immer lächelt, auch wenn

sie sehr krank ist oder sehr müde. Während ihrer Auftritte verausgabte

sich sehr. Sie gab den Zuhörern viel Freude und Hoffnung, aber nach

den Konzerten war Edith vollkommen erschöpft.

O-Ton 49 (Troller) sie war ja auch eine magische Person … will mans psychologisch

deuten, so kann man vielleicht sagen: sie hat für uns alle gelitten und uns

damit erlöst. Das war die Figur, die man in ihr spürte. Also jeder empfand

das, als ob es ihn persönlich betreffen würde.

O-Ton 50 (Hugues) Et ca c’est Edith, parce qu’elle transmet au delà de sa voix, au delà

de sa gestuelle, au-delà des textes et des mots de la musique, elle transmet

autre chose ! Elle transmet – bon, appelons ca comme on veut – moi je dis

qu’elle avait une aura. Derrière la petite dame en noir, il y avait une grande

dame en blanc. Peu importe d’où elle vienne et quelle quel soit. Il y avait

autre chose !

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Ü Vassal Über ihre Stimme und ihre Gesten hinaus, über die Worte und die

Musik hinaus, war da noch etwas anderes, schwer Erklärbares. Ich sage

es mal so: sie hatte eine Aura. Hinter der kleinen Frau in Schwarz gab

es da eine große Frau in Weiß. Wie immer man sich das erklären

möchte.

Musik 19 weiter

Erzählerin Die Verehrung für Edith Piaf hatte schon zu ihren Lebzeiten

quasireligiöse Züge. Auch Hugues Vassal ist gläubig und mit Edith

Piaf selbst zum Verehrer der Therese von Lisieux geworden. Er hat ein

Buch geschrieben, in dem er die Lebenswege von Edith Piaf und

Therese von Lisieux vergleicht und viele Parallelen zu finden glaubt.

Für ihn ist Edith tatsächlich eine Art Heilige. Aber sie hat ihn auch

tatsächlich erlöst.

O-Ton 51 (Hugues) Je fête mon 30ème anniversaire d’abstinence. J’étais un alcoolique

grave ! (…) c’est en pensant à Piaf, non pas en priant, mais en pensant aux

forces d’EP qu’un jour j’ai réagi. J’ai réagi sur un songe que j’attribue à Piaf,

un songe alors que j’allais très, très mal. (…) je suis allé me faire soigner et je

suis abstinent depuis 30 ans ! Et ca je le dois à Edith. Toute ma vie, je la dois

à Edith Piaf !

Ü Vassal Ich habe neulich meinen 30. Geburtstag der Abstinenz gefeiert. Ich war

ein schwerer Alkoholiker. Und es war der Gedanke an Edith Piaf, an

ihre Kraft, der mich gerettet hat. Das gab mir den letzten Anstoß, mich

endlich in Behandlung zu begeben. Das verdanke ich Edith. Mein

ganzes Leben verdanke ich ihr

Musik 19 weiter

Absage

ENDE