Sonntag | Nr. 10 | 14. März 2010 Seite 48 Das Aroma der ... · Bulli», Cala Montjoi) und dem...

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Sonntag | Nr. 10 | 14. März 2010 Seite 48 GENIESSEN «IMMER S GLICHE! Und doch geht es nicht mehr ohne . . .» Die- ses bemerkenswerte Motto ziert im Stadtbistro Isebähnli in Baden die Speisekarte. Es gilt jedoch nicht nur für die Menü- auswahl, deren Grundstock neben saisonal wechselnden Gerichten seit bald zwanzig Jahren gleich geblieben ist. Auch das Lokal hat sich in dieser Zeit nur wenig verändert und ist in Baden eine Institution. Die Gäste kommen immer wieder, wie Wirt René Felder versichert. Besonders auch montags, wenn von Oktober bis Mai jeweils Jazzkonzerte stattfinden. Ehrlich und schnörkellos soll das Essen sein, sagt Wirt Felder. Wir können es bestätigen: Der Linsensalat mit Lauchstreifen und Aceto Balsamico (Fr. 9.90) als Vorspeise ist bekömmlich und macht neugierig auf mehr. Zum Beispiel auf die zarten Pouletbrüstli mit Saisongemüse und Kartoffeln (Fr. 27.90) oder die kleinen, aber feinen Wiener Schnitzeli mit Salaten, Kartof- feln und Apfelmeerrettich (Fr. 35.70; auch als kleine Portion erhältlich). Auch beim Dessert muss das Rad nicht neu erfun- den werden, um zu gefallen: Brönnti Creme (Fr. 9.50) schmeckt immer. FELIX STRAUMANN Gut bleibt gut – auch nach 20 Jahren noch Stadtbistro Isebähnli, Baden Wirtepaar René und Eva Felder im Stadtbistro Isebähnli, Bahnhofstr. 10 in Baden. Tel. 056 222 57 58. Geöffnet: Di bis Fr 11–15 und 17–24, Sa 11– 24 Uhr. Montag ab 17 Uhr Live-Jazz (Kollekte) mit kleiner Speisekarte. KÜCHE Nichts Extravagantes, aber bekömmliche Klassiker SERVICE Freundlich und unangestrengt AMBIENTE Familiäre Bistroatmosphäre PREISE Angemessen, nicht übertrieben teuer, aber auch nicht günstig AUFGETISCHT . BESUCHEN SIE EINE MOSCHEE, einen Tempel oder einen anderen Ort, an dem keine Schuhe getragen werden dürfen, dann ist es durchaus in Ordnung, diese auszuziehen. Achten Sie in diesem Falle aber unbedingt darauf, dass die Socken keine Löcher aufwei- sen. Bei allen anderen Gelegenheiten lässt man in Gegenwart fremder Menschen die Schuhe immer an den Füssen. Nicht nur weil dabei möglicherweise unangenehme Gerüche freigesetzt werden – es gehört eindeutig nicht zu unserer Umgangskultur, die Füsse einfach so vor Fremden zu entblössen. Unterlegt man das Schuhwerk mit Zeitung, ist das schmutztech- nisch gesehen in Ordnung. Jedoch nur, wenn es wirklich ausrei- chend freie Plätze im Zugabteil hat. Und nicht morgens um 7 Uhr, wenn sämtliche Pendler unterwegs sind. Ebenfalls stillos sind übrigens die Zugschläfer, die sich gleich auf eine Bank in Embryostellung kuscheln. Warum nur muss es uns eigentlich überall so bequem sein wie zu Hause auf dem Sofa? Corinne Staub ist Image-Beraterin in Zürich und Mitautorin der Bücher «Dressguide» und «Imagefaktor». Immer häufiger fällt auf, dass die Leute im Zug die Füsse auf die Sitze legen, entweder mit einer Zei- tung darunter oder sie ziehen gleich die Schuhe aus. Ist das wirklich in Ordnung? SO STIMMTS Stellen Sie Ihre Fragen unter [email protected] BILD: EMANUEL FREUDIGER 39 memorable Schweizer Weine Die renommierte Schweizer Winzerver- einigung Mémoire des Vins Suisses (MDVS) öffnet einmal pro Jahr ihre Schatzkammer von memorablen Wei- nen. Darin lagert eine lückenlose Sammlung teilweise längst aus- verkaufter Jahrgänge von heute bereits 39 hochklassigen Weinen aus der ganzen Schweiz. Ziel der ex- klusiven Degustatio- nen ist es, das unterschätzte Alterungs- potenzial und damit die Nobilität von grossen Schweizer Weinen aufzuzeigen. Dieses Jahr umfasst die Präsentation die Jahrgänge 2008 bis 1999. Sie findet am Donnerstag, 25. März, im Bellevue Palace in Bern statt (Infos: www.weininfo.ch). Mit dabei sind auch die neun neuen Mit- glieder des MDVS, darunter zwei aus der Gastgeberregion der Drei-Seen, die un- terschiedlicher nicht sein könnten. Wäh- rend die Domaine de La Maison Carrée in Auvernier der Tradition im besten Sinne des Wortes verpflichtet ist, setzt die Domaine de Chambleau in Colombier auf kompromisslose Modernität. Der zurzeit erhältliche Auvernier Pinot noir 2006 der Domaine de La Maison Carrée leuchtet in mittlerem, leicht ge- reiftem Rot, weist verhaltene Aromen von roten Beeren mit Noten von Unter- holz auf und besitzt einen mittleren Kör- per mit präsenter Säure und strengem, kernigem Tannin. Er ist ein charaktervol- ler, etwas rustikal wirkender Pinot noir, der sich in einer delikaten Zwischenpha- se befindet. Er ist nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt. Er verlangt einfach etwas Geduld von uns. Zwar kann man ihn vor allem zum Essen schon jetzt trinken. Wirklichen Genuss wird er aber erst in ein, zwei Jahren bieten, dann aller- dings noch einige Zeit. Ähnlich verhält es sich mit dem superben Pinot noir Pur Sang 2007 der Domaine de Chambleau (17,5 Punkte, www.chambleau.ch, Fr. 67.–). Am besten überzeugen Sie sich selbst davon in Bern. ANDREAS KELLER ENTKORKT . Produzent Domaine de La Maison Carrée, Auvernier Herkunft Neuenburg Appellation Auvernier AOC Rebsorte Pinot noir Beste Trinkreife jetzt bis Ende 2012 Passende Gerichte Linsengerichte, Coq au vin, Bœuf en Daube, Käse Bewertung 17 Punkte Bezugsquelle Domaine de La Maison Carrée, Grand-Rue 33, 2012 Auvernier, Tel. 032 731 21 06, www.lamaisoncar- ree.ch, Fr. 19.– AUVERNIER PINOT NOIR 2006 Im farbigen Wollpullover und schwar- zen Bergschuhen betritt Markus Maula- virta das Hotel-Restaurant Greulich in Zürich. Und man könnte glauben, er sei direkt aus dem finnischen Wald in die Urbanität gebeamt worden. Der erste Sterne-Koch Finnlands zieht sich eine weisse Weste über und macht sich an die Arbeit. Als Gastkoch, um den Schwei- zern seine Küche näherzubringen. Nein, da kommen keine schweren, lieblos zu- bereiteten Gerichte auf den Tisch. Statt- dessen bereitet er zum Beispiel ein leich- tes Tatar von kalt geräuchertem balti- schem Hering mit Rentieraufschnitt zu, ergänzt mit einem kurz angebratenen Rentier-Herz, Piroggen mit Hirse und ei- nem in Erlenholz geräucherten Lachs. Als Hauptgang wird ein Rentier-Braten, der acht Stunden gegart wurde, mit Stock aus schwarzen Kartoffeln und ka- ramellisiertem Wurzelgemüse serviert. Der Abschluss macht ein schwarzes Johannisbeer-Gelee im Glas. WAS SEIT ein paar Jahren in den gehobe- nen Restaurantküchen Nordeuropas ent- steht, hat mit der Fastfood-Kultur rund um Köttbullar und Smørrebrød wenig zu tun. Die skandinavische Küche weiss sich auf das Wesentliche zu beschrän- ken – und gehört für Kenner längst zur Avantgarde. Namen wie Magnus Ek aus Schweden, Eyvind Hellstrøm aus Norwegen oder René Redzepi aus Dänemark muss man sich merken. Letzterer gehört mit seinem Res- taurant Noma in Kopen- hagen seit vergangenem Jahr zu den Top Three der Welt – hinter dem Ka- talanen Ferran Adriàs («El Bulli», Cala Montjoi) und dem Engländer Heston Blumenthal («The Fat Duck», Berkshire, Nähe London). Auch Markus Maulavirtas Kü- che gilt für die «New Nordic Kit- chen» als wegweisend. Wie andere Chefs zog es ihn nach dem EU-Bei- tritt Finnlands 1995 ins Ausland, von wo er mit neuen Ideen für eigene Krea- tionen heimkam. Allerdings nicht, um daraus eine Fusion-Küche mit internatio- nalen Einflüssen zu kreieren. Es bestätig- te ihn vielmehr, sich noch vertiefter mit der finnischen Küche auseinander- zusetzen. «Wir haben keine grosse Ess- kultur, aber hervorragende Zutaten», be- tont der wortkarge Koch, der sein Tem- perament lieber hinter dem Herd auslebt. Mit den Ski, zu Fuss oder auf dem Velo ist der 43-Jährige von Süden nach Norden unterwegs, be- sucht die Produzenten oder entdeckt neue. Er fischt, fängt wilde Rentiere ein oder pflückt eigenhändig Beeren für sei- ne Küche. «Ich will nur die besten Pro- dukte.» Für das Zusammenspiel von Klima, Geologie, Topografie und Bodenbeschaf- fenheit haben die Franzosen den Begriff «Terroir» erfunden. Diesbezüglich müs- sen sich die Finnen keineswegs ver- schämt hinter den Südeuropäern verste- cken. Statt Oliven und Foie gras stehen bei ihnen Moltebeeren, Fischrogen, bal- tischer Hering oder schwarze Kartoffeln auf der Menükarte. DAS ANGEBOT an finnischen Produkten ist von Natur aus limitiert. Glaubt man Maulavirta, dann besitzt gerade Finn- land einen klaren Standortvorteil: «Ge- müse, das in der finnischen Landschaft wächst, schmeckt vielfältiger, aromati- scher, weil die Sonne im Sommer viel länger und intensiver scheint. Aus dem Fleisch der Rentiere und Kühe spüre man die Hunderten von Kräutern her- aus. Grüner und weisser Spargel wächst hier ebenso wie aromatische Erdbeeren, Frühlingszwiebeln oder Wurzelgemüse wie Kohlrabi oder Rüben. Gewachsener Luxus sozusagen. Die Produkte sind handverlesen und auf dem internationalen Markt bis heute schwierig zu beschaffen. Das Aufspüren der kleinen Produzenten hat sich Ster- ne-Koch Maulavirta zur ernsthaften Auf- gabe gemacht. Inzwischen hat er die Ar- beit im Restaurant an den Nagel ge- hängt. Heute berät er stattdessen Res- taurants und arbeitet für die Vereini- gung Uni One Oy, deren Ziel es ist, den Brand «Das Beste aus Finnland» landes- weit und international bekannt zu ma- chen. Mit dabei ist auch Jari Etelälahti, der mit Maulavirta in die Schweiz ge- reist ist. Er gründete zusammen mit Aki Arjola und Eeropekka Rislakki 2002 das Unternehmen, das die Gastro-Zeitschrift «Five Stars» herausgibt und das Projekt «Eat & Joy» unterhält. «Eat & Joy» betreibt in Helsinki höchst erfolgreich ein Bio- Delikatessengeschäft, wo rund 250 Her- steller ihre Produkte anbieten. Einen Eindruck der finnischen Kü- che erhält man bis 21. März im Hotel-Restaurant Greulich in Zürich (www.greulich.ch), wo Markus Maulavir- ta mit seiner Tochter Ida einen Quer- schnitt durch seine Küche mit dreigän- gigen Lunch-Menüs und einem Degusta- tionsmenü am Abend präsentiert. Rentier-Entrecôte, Hering-Tatar und schwarze Kartoffeln – die finnische Küche in der Gourmetoffensive Skandinavier und Gourmet- küche? Lange Zeit wurde die nordische Küche als langweilig verschmäht. Zu Unrecht, wie der finnische Sterne-Koch Markus Maulavirta beweist. Das Aroma der finnischen Wälder VON SILVIA SCHAUB «Gemüse, das in der finnischen Landschaft wächst, schmeckt vielfältiger und aromati- scher, weil die Sonne hier viel länger scheint.» . Sterne-Koch Markus Maulavirta mit Armas Kuhkäse von Kyyttö- Waldkühen. BILDER: EMANUEL FREUDIGER

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Sonntag | Nr. 10 | 14. März 2010Seite 48GENIESSEN

«IMMER S GLICHE! Und doch geht es nicht mehr ohne . . .» Die-ses bemerkenswerte Motto ziert im Stadtbistro Isebähnli inBaden die Speisekarte. Es gilt jedoch nicht nur für die Menü-auswahl, deren Grundstock neben saisonal wechselndenGerichten seit bald zwanzig Jahren gleich geblieben ist. Auchdas Lokal hat sich in dieser Zeit nur wenig verändert und ist inBaden eine Institution. Die Gäste kommen immer wieder, wieWirt René Felder versichert. Besonders auch montags, wennvon Oktober bis Mai jeweils Jazzkonzerte stattfinden.Ehrlich und schnörkellos soll das Essen sein, sagt Wirt Felder.Wir können es bestätigen: Der Linsensalat mit Lauchstreifenund Aceto Balsamico (Fr. 9.90) als Vorspeise ist bekömmlichund macht neugierig auf mehr. Zum Beispiel auf die zartenPouletbrüstli mit Saisongemüse und Kartoffeln (Fr. 27.90) oderdie kleinen, aber feinen Wiener Schnitzeli mit Salaten, Kartof-feln und Apfelmeerrettich (Fr. 35.70; auch als kleine Portionerhältlich). Auch beim Dessert muss das Rad nicht neu erfun-den werden, um zu gefallen: Brönnti Creme (Fr. 9.50) schmecktimmer. FELIX STRAUMANN

Gut bleibt gut – auchnach 20 Jahren nochStadtbistro Isebähnli, Baden

Wirtepaar René und Eva Felder im Stadtbistro Isebähnli, Bahnhofstr. 10in Baden. Tel. 056 222 57 58. Geöffnet: Di bis Fr 11–15 und 17–24, Sa 11–24 Uhr. Montag ab 17 Uhr Live-Jazz (Kollekte) mit kleiner Speisekarte.

KÜCHE Nichts Extravagantes, aber bekömmliche KlassikerSERVICE Freundlich und unangestrengtAMBIENTE Familiäre BistroatmosphärePREISE Angemessen, nicht übertrieben teuer, aber auch nicht günstig

AUFGETISCHT

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BESUCHEN SIE EINE MOSCHEE, einen Tempel oder einen anderenOrt, an dem keine Schuhe getragen werden dürfen, dann ist esdurchaus in Ordnung, diese auszuziehen. Achten Sie in diesemFalle aber unbedingt darauf, dass die Socken keine Löcher aufwei-sen. Bei allen anderen Gelegenheiten lässt man in Gegenwartfremder Menschen die Schuhe immer an den Füssen. Nicht nurweil dabei möglicherweise unangenehme Gerüche freigesetztwerden – es gehört eindeutig nicht zu unserer Umgangskultur,die Füsse einfach so vor Fremden zu entblössen.Unterlegt man das Schuhwerk mit Zeitung, ist das schmutztech-nisch gesehen in Ordnung. Jedoch nur, wenn es wirklich ausrei-chend freie Plätze im Zugabteil hat. Und nicht morgens um 7 Uhr,wenn sämtliche Pendler unterwegs sind.Ebenfalls stillos sind übrigens die Zugschläfer, die sich gleich aufeine Bank in Embryostellung kuscheln. Warum nur muss es unseigentlich überall so bequem sein wie zu Hause auf dem Sofa?

Corinne Staub ist Image-Beraterinin Zürich und Mitautorin der Bücher«Dressguide» und «Imagefaktor».

Immer häufiger fällt auf, dass die Leute im Zug dieFüsse auf die Sitze legen, entweder mit einer Zei-tung darunter oder sie ziehen gleich die Schuheaus. Ist das wirklich in Ordnung?

SO STIMMTS

Stellen Sie Ihre Fragen unter [email protected]

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39 memorableSchweizerWeineDie renommierteSchweizer Winzerver-einigung Mémoire desVins Suisses (MDVS)öffnet einmal pro Jahrihre Schatzkammervon memorablen Wei-nen. Darin lagert einelückenlose Sammlungteilweise längst aus-verkaufter Jahrgängevon heute bereits 39hochklassigen Weinenaus der ganzenSchweiz. Ziel der ex-klusiven Degustatio-

nen ist es, das unterschätzte Alterungs-potenzial und damit die Nobilität vongrossen Schweizer Weinen aufzuzeigen.Dieses Jahr umfasst die Präsentation dieJahrgänge 2008 bis 1999. Sie findet amDonnerstag, 25. März, im Bellevue Palacein Bern statt (Infos: www.weininfo.ch).Mit dabei sind auch die neun neuen Mit-glieder des MDVS, darunter zwei aus derGastgeberregion der Drei-Seen, die un-terschiedlicher nicht sein könnten. Wäh-rend die Domaine de La Maison Carrée inAuvernier der Tradition im besten Sinnedes Wortes verpflichtet ist, setzt dieDomaine de Chambleau in Colombierauf kompromisslose Modernität.Der zurzeit erhältliche Auvernier Pinotnoir 2006 der Domaine de La MaisonCarrée leuchtet in mittlerem, leicht ge-reiftem Rot, weist verhaltene Aromenvon roten Beeren mit Noten von Unter-holz auf und besitzt einen mittleren Kör-per mit präsenter Säure und strengem,kernigem Tannin. Er ist ein charaktervol-ler, etwas rustikal wirkender Pinot noir,der sich in einer delikaten Zwischenpha-se befindet. Er ist nicht mehr jung, aberauch noch nicht alt. Er verlangt einfachetwas Geduld von uns. Zwar kann manihn vor allem zum Essen schon jetzttrinken. Wirklichen Genuss wird er abererst in ein, zwei Jahren bieten, dann aller-dings noch einige Zeit. Ähnlich verhält essich mit dem superben Pinot noir PurSang 2007 der Domaine de Chambleau(17,5 Punkte, www.chambleau.ch,Fr. 67.–). Am besten überzeugen Sie sichselbst davon in Bern. ANDREAS KELLER

ENTKORKT

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Produzent Domaine de La MaisonCarrée, AuvernierHerkunft NeuenburgAppellation Auvernier AOCRebsorte Pinot noirBeste Trinkreife jetzt bis Ende 2012Passende Gerichte Linsengerichte,Coq au vin, Bœuf en Daube, KäseBewertung 17 PunkteBezugsquelle Domaine de La MaisonCarrée, Grand-Rue 33, 2012 Auvernier,Tel. 032 731 21 06, www.lamaisoncar-ree.ch, Fr. 19.–

AUVERNIERPINOT NOIR 2006

Im farbigen Wollpullover und schwar-zen Bergschuhen betritt Markus Maula-virta das Hotel-Restaurant Greulich inZürich. Und man könnte glauben, er seidirekt aus dem finnischen Wald in dieUrbanität gebeamt worden. Der ersteSterne-Koch Finnlands zieht sich eineweisse Weste über und macht sich an dieArbeit. Als Gastkoch, um den Schwei-zern seine Küche näherzubringen. Nein,da kommen keine schweren, lieblos zu-bereiteten Gerichte auf den Tisch. Statt-dessen bereitet er zum Beispiel ein leich-tes Tatar von kalt geräuchertem balti-schem Hering mit Rentieraufschnitt zu,ergänzt mit einem kurz angebratenenRentier-Herz, Piroggen mit Hirse und ei-nem in Erlenholz geräucherten Lachs.Als Hauptgang wird ein Rentier-Braten,der acht Stunden gegart wurde, mitStock aus schwarzen Kartoffeln und ka-ramellisiertem Wurzelgemüse serviert.Der Abschluss macht ein schwarzesJohannisbeer-Gelee im Glas.

WAS SEIT ein paar Jahren in den gehobe-nen Restaurantküchen Nordeuropas ent-steht, hat mit der Fastfood-Kultur rundum Köttbullar und Smørrebrød wenigzu tun. Die skandinavische Küche weisssich auf das Wesentliche zu beschrän-ken – und gehört für Kenner längst zurAvantgarde. Namen wie MagnusEk aus Schweden, EyvindHellstrøm aus Norwegenoder René Redzepi ausDänemark muss mansich merken. Letzterergehört mit seinem Res-taurant Noma in Kopen-hagen seit vergangenemJahr zu den Top Threeder Welt – hinter dem Ka-talanen Ferran Adriàs («ElBulli», Cala Montjoi) und demEngländer Heston Blumenthal(«The Fat Duck», Berkshire, NäheLondon).

Auch Markus Maulavirtas Kü-che gilt für die «New Nordic Kit-chen» als wegweisend. Wie andereChefs zog es ihn nach dem EU-Bei-tritt Finnlands 1995 ins Ausland, vonwo er mit neuen Ideen für eigene Krea-tionen heimkam. Allerdings nicht, umdaraus eine Fusion-Küche mit internatio-nalen Einflüssen zu kreieren. Es bestätig-te ihn vielmehr, sich noch vertiefter mit

der finnischenKüche auseinander-

zusetzen. «Wir haben keine grosse Ess-kultur, aber hervorragende Zutaten», be-tont der wortkarge Koch, der sein Tem-

perament lieber hinterdem Herd auslebt.

Mit den Ski, zu Fuss oder aufdem Velo ist der 43-Jährige von

Süden nach Norden unterwegs, be-sucht die Produzenten oder entdecktneue. Er fischt, fängt wilde Rentiere einoder pflückt eigenhändig Beeren für sei-ne Küche. «Ich will nur die besten Pro-dukte.»

Für das Zusammenspiel von Klima,Geologie, Topografie und Bodenbeschaf-fenheit haben die Franzosen den Begriff«Terroir» erfunden. Diesbezüglich müs-sen sich die Finnen keineswegs ver-schämt hinter den Südeuropäern verste-cken. Statt Oliven und Foie gras stehenbei ihnen Moltebeeren, Fischrogen, bal-tischer Hering oder schwarze Kartoffelnauf der Menükarte.

DAS ANGEBOT an finnischen Produktenist von Natur aus limitiert. Glaubt manMaulavirta, dann besitzt gerade Finn-land einen klaren Standortvorteil: «Ge-müse, das in der finnischen Landschaftwächst, schmeckt vielfältiger, aromati-scher, weil die Sonne im Sommer viellänger und intensiver scheint. Aus demFleisch der Rentiere und Kühe spüreman die Hunderten von Kräutern her-aus. Grüner und weisser Spargel wächsthier ebenso wie aromatische Erdbeeren,Frühlingszwiebeln oder Wurzelgemüsewie Kohlrabi oder Rüben.

Gewachsener Luxus sozusagen. DieProdukte sind handverlesen und aufdem internationalen Markt bis heute

schwierig zu beschaffen. Das Aufspüren der kleinen Produzenten hat sich Ster-ne-Koch Maulavirta zur ernsthaften Auf-gabe gemacht. Inzwischen hat er die Ar-beit im Restaurant an den Nagel ge-hängt. Heute berät er stattdessen Res-taurants und arbeitet für die Vereini-gung Uni One Oy, deren Ziel es ist, denBrand «Das Beste aus Finnland» landes-weit und international bekannt zu ma-chen. Mit dabei ist auch Jari Etelälahti,der mit Maulavirta in die Schweiz ge-reist ist. Er gründete zusammen mit AkiArjola und Eeropekka Rislakki 2002 dasUnternehmen, das die Gastro-Zeitschrift«Five Stars» herausgibt und das Projekt«Eat & Joy» unterhält. «Eat & Joy» betreibtin Helsinki höchst erfolgreich ein Bio-Delikatessengeschäft, wo rund 250 Her-steller ihre Produkte anbieten.

Einen Eindruck der finnischen Kü-che erhält man bis 21. März imHotel-Restaurant Greulich in Zürich(www.greulich.ch), wo Markus Maulavir-ta mit seiner Tochter Ida einen Quer-schnitt durch seine Küche mit dreigän-gigen Lunch-Menüs und einem Degusta-tionsmenü am Abend präsentiert.

Rentier-Entrecôte, Hering-Tatar und schwarze Kartoffeln – die finnische Küche in der Gourmetoffensive

Skandinavier und Gourmet-küche? Lange Zeit wurde dienordische Küche als langweiligverschmäht. Zu Unrecht, wie derfinnische Sterne-Koch MarkusMaulavirta beweist.

Das Aroma der finnischen Wälder

VON SILVIA SCHAUB

«Gemüse, das in derfinnischen Landschaftwächst, schmecktvielfältiger und aromati-scher, weil die Sonne hierviel länger scheint.»

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Sterne-Koch MarkusMaulavirta mit ArmasKuhkäse von Kyyttö-Waldkühen.

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