SOPs in der Orthopädie und Unfallchirurgie - ReadingSample · Frakturen der Klavikula können grob...

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SOPs in der Orthopädie und Unfallchirurgie Bearbeitet von Herausgegeben von Klaus-Peter Günther, und Reinhard Hoffmann 1. Auflage 2017. Buch inkl. Online-Nutzung. 248 S. Inkl. Online-Version in der eRef. Gebunden ISBN 978 3 13 240000 9 Format (B x L): 19,5 x 27 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Chirurgie > Orthopädie- und Unfallchirurgie Zu Inhalts- und Sachverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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SOPs in der Orthopädie und Unfallchirurgie

Bearbeitet vonHerausgegeben von Klaus-Peter Günther, und Reinhard Hoffmann

1. Auflage 2017. Buch inkl. Online-Nutzung. 248 S. Inkl. Online-Version in der eRef. GebundenISBN 978 3 13 240000 9

Format (B x L): 19,5 x 27 cm

Weitere Fachgebiete > Medizin > Chirurgie > Orthopädie- und Unfallchirurgie

Zu Inhalts- und Sachverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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4 Obere Extremität

4.1 Akute Verletzungen desvorderen SchultergürtelsP. Wilde

4.1.1 EinleitungAkute Verletzungen der vorderen Anteile des Schulter-gürtels sind fast ausschließlich durch osteoligamentäreLäsionen der umgebenden Strukturen gekennzeichnetund bilden zusammen eine häufige Verletzungsentität inOrthopädie und Unfallchirurgie. In aller Regel handelt essich um Bandverletzungen des Schultereckgelenks (Akro-mioklavikulargelenk, ACG) mit entsprechenden Luxati-onsphänomenen sowie um Frakturen der Klavikula mitlokalisationsabhängig möglichen Bandläsionen. In ca.10% aller Verletzungen des Schultergürtels muss auf-grund der häufig ursächlichen Hochrasanztraumata mitrelevanten Begleitverletzungen gerechnet werden.

Im folgenden Kapitel werden die SOPs zu beiden Ver-letzungsarten erörtert. Auf die sehr seltenen Sternoklavi-kularluxationen wird aufgrund der geringen Inzidenznicht eingegangen, wenngleich eine gewisse Analogie zuden Schultereckgelenkverletzungen besteht.

ACG-LuxationDie traumatische Luxation des Schultereckgelenks istmeist Folge einer direkten Gewalteinwirkung auf dieSchulter mit adduziertem Arm oder seltener eines indi-rekten Traumas auf den betroffenen Arm, vorzugsweisein leichter Abduktionsstellung. Typische Unfallmechanis-men ereignen sich im Rahmen von Verkehrs- oder Sport-unfällen, z. B. beim Radfahren oder Wintersport. Häufighandelt es sich um sportlich aktive Patienten in entspre-chendem Alter, bevorzugt männlichen Geschlechts [3],[4], [6], [10].

Zumindest die höhergradigen Luxationen haben eineschmerzhafte Bewegungseinschränkung der Schulter zurFolge und imponieren durch einen mehr oder wenigerausgeprägten lateralen Hochstand der Klavikula (Klavier-tastenphänomen), sodass sich diese Patienten in der Re-gel zeitnah zum Unfall ärztlich vorstellen. Mitunter wer-den ACG-Luxationen aber auch erst protrahiert diagnosti-ziert, da ein kräftiger Weichteil- oder Muskelmantel dieGelenkdislokation zu kaschieren vermag.

KlavikulafrakturFrakturen der Klavikula zeigen eine Inzidenz von ca. 65Fällen auf 100 000 Einwohner/Jahr und zählen mit 3–5%aller Frakturen zu den häufigsten substanziellen Verlet-zungen überhaupt. Zudem sind sie die häufigste Verlet-zung von Schulter und Schultergürtel. Ursächlich istmeist eine direkte Gewalteinwirkung auf die Klavikulabzw. das ACG, wodurch das Schlüsselbein zwischen Akro-mio- und Sternoklavikulargelenk einer Biegebelastungausgesetzt wird und frakturiert. Beim Erwachsenen ge-schieht dies meistens im Rahmen von Sport- oder Ver-kehrsunfällen, bei Kindern und älteren Patienten jedochauch durch einfache Stürze [5].

Die Klinik der Klavikulafraktur entspricht weitgehendder der höhergradigen ACG-Luxationen mit Schmerzen,Bewegungseinschränkung sowie möglicher Dislokationund Weichteilkompromittierung, teilweise mit Einklem-mung des Haut- und Weichteilmantels in der Frakturzo-ne. Offene Frakturen stellen eher eine Seltenheit dar.

4.1.2 Präoperative Diagnostik undKlassifikation● Erhebung der Unfallanamnese● subjektive Beschwerden● lokale Untersuchung, je nach Unfallmechanismus undBegleitsymptomen/-beschwerden ggf. ausgedehnte kör-perliche Untersuchung:○ Beurteilung des Haut- und Weichteilstatus (cave: of-fene Verletzungen und Schürfwunden im Bereich desSchultergürtels)

○ klinische Stabilität – kraniokaudal (Klaviertastenphä-nomen, in seltenen Fällen Klavikulatiefstand durchVerhakung unter dem Processus coracoideus) aberauch dorsoventral

○ Bewegungseinschränkung (die detaillierte Prüfungsollte schmerzbedingt unterlassen werden)

○ Überprüfung und Dokumentation der distalen Durch-blutung, Motorik und Sensibilität (cave: Plexusläsio-nen)

● bildgebende Diagnostik (▶Abb. 4.1)● weitere Diagnostik entsprechend Unfallmechanismusund Untersuchungsbefund

Obere Extremität

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ACG-LuxationLange erfolgte die Einteilung der Schultereckgelenkspren-gungen nach der Tossy-Klassifikation. Diese wurde in denletzten Jahren im deutschsprachigen Raum jedoch durchdie erweiterte Klassifikation nach Rockwood abgelöst, diedie Einteilung nach Tossy um die Grade IV–VI ergänzte[9] (▶Abb. 4.2). Weitere, jedoch im deutschsprachigenRaum kaum verbreitete Klassifikationen sind die Allman-und die OTA-Klassifikation.

Eine Seltenheit stellt die sog. Banana-Peel-Verletzungder kindlichen Klavikula dar. Hierbei kommt es zu einerAushülsung der lateralen Klavikula aus dem strukturellenKomplex von Gelenkkapsel, Bändern und Periostschlauch,die in einer funktionellen ACG-Luxation resultiert.

KlavikulafrakturFrakturen der Klavikula können grob nach ihrer Lokalisa-tion in laterale (ca. 15%), mediale (ca. 5 %) und Schaftfrak-turen (ca. 80 %) sowie hinsichtlich der Anzahl der Fraktur-fragmente (einfache, mehrfragmentäre und Trümmer-fraktur) eingeteilt werden.

Lediglich für die lateralen Klavikulafrakturen hat sicheine systematische Klassifikation durchgesetzt, die von Jä-ger und Breitner erstbeschrieben wurde (▶Abb. 4.3). DieEinteilung berücksichtigt die Lokalisation der Fraktur unddie hiermit verbundenen ligamentären Verletzungen [7].

Röntgen Schulter in 2 EbenenRöntgen ACG a.–p. (Zielaufnahme)

Verdacht auf Akromioklavikularluxation

• Röntgen-Belastungsaufnahme• ACG beidseits in a.–p. Projektion• (10-kg-Gewichte)• Röntgen-Alexander-Aufnahme• (Beurteilung der horizontalen • Stabilität)

Röntgen Schulter in 2 EbenenRöntgenKlavikula a.–p. und tangential

Verdacht auf Fraktur der Klavikula

ACG-LuxationRockwood I

ACG-LuxationRockwood II–VI

Fraktur des Schaftes

Fraktur des lateralen Drittels

Fraktur des medialen Drittels

Fraktur disloziert und

mehrfragmentärFraktur ohne

wesentliche Dislokation

keine weitereBildgebung CT Klavikula

keine weitereBildgebung

ACG-LuxationRockwood II

ACG-LuxationRockwood III–V

MRT der Schulter(Rotatorenmanschette)

Sonografie derRotatorenmanschette

Pat. ≤ 60 Jahre Pat. > 60 Jahre

Abb. 4.1 Verletzungen des vorderen Schultergürtels. Bildgebung.a Vorgehen bei Verdacht auf Akromioklavikularluxationb Vorgehen bei Verdacht auf Fraktur der Klavikula

4.1 Schultergürtelverletzungen

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Typ I Typ II Typ III

Typ IV Typ V Typ VI

Abb. 4.2 Verletzungen des vorderen Schultergürtels. Klassifikation mit schematischen Abbildungen nach Rockwood. (Quelle: Wirth CJ,Mutschler W. Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Stuttgart: Thieme; 2007)

Typ I Typ II

Typ III Typ IV

Abb. 4.3 Verletzungen des vorderen Schultergürtels. Klassifi-kation mit schematischen Abbildungen nach Jäger und Breitner.(Quelle: Wirth CJ, Mutschler W. Praxis der Orthopädie undUnfallchirurgie. Stuttgart: Thieme; 2007)

Obere Extremität

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4.1.3 Indikationsstellung undVerfahrenswahlACG-LuxationDie Therapie der ACG-Luxation ist abhängig vom Ausmaßder Verletzung, von der hieraus resultierenden Gelenkin-stabilität, aber auch den Ansprüchen des Patienten an Ak-tivität und Ästhetik.

Schultereckgelenksprengungen vom Typ I und II nachRockwood sind die Domäne der konservativen Therapie.Bei dünnem Haut- und Weichteilmantel sollte die opera-tive Therapie je nach Patientenanspruch, vor allem hin-sichtlich ästhetischer Aspekte, kritisch diskutiert werden.

Bei ACG-Luxationen vom Typ IV, V und VI ist zwingenddie operative Therapie indiziert, da unter konservativenMaßnahmen nicht mit einer stabilen Ausheilung des Ge-lenks, sondern neben einer sichtbaren Fehlstellung viel-mehr auch mit dauerhaften Schmerzen und einer resul-tierenden Bewegungseinschränkung zu rechnen ist.

Bei Typ-III-Verletzungen nach Rockwood ist die Thera-piestrategie ebenso kritisch mit dem Patienten zu bespre-chen, da hier weder die konservative noch die operativeTherapie unter Berücksichtigung evidenzbasierter wis-senschaftlicher und klinischer Aspekte einen klaren Vor-teil zeigt. Sportlern und manuell tätigen Menschen wieHandwerkern sollte jedoch zur operativen Behandlunggeraten werden.

●HMerke

Nicht selten sind die klare Abgrenzung zwischen Verlet-zungen vom Grad III und V und damit die Therapieent-scheidung schwierig. Hier gilt, dass bei mindestens dop-peltem korakoklavikulärem Abstand der verletzten Seiteim Vergleich zur gesunden Seite die OP-Indikation be-steht.

Bei der Entscheidungsfindung und auch Gesprächsfüh-rung sind im Allgemeinen folgende Aspekte zu beachten:● Aktivitätsanspruch des Patienten● ästhetischer Anspruch des Patienten● Compliance● Begleiterkrankungen● Abschätzung des OP-Risikos

Für die operative Behandlung existiert eine Vielzahl vonVerfahren. Die gängigste OP-Methode ist die Stabilisierungdes ACG mittels Hakenplatte und Naht der verletzten Bän-der mit optionaler korakoklavikulärer Retention mitKunststoffbändern (z. B. Mersilene oder FibreWire). Seit ei-nigen Jahren werden zunehmend auch arthroskopisch as-sistierte Stabilisierungen mittels TightRope durchgeführt.Weitere gängige Verfahren stellen die AC-Stabilisierungmittels Bosworth-Schraube oder Zuggurtung dar [1].

Die konservative Therapie zeichnet sich durch einekurzfristige Ruhigstellung der Schulter im Gilchrist-Ver-band zur Schmerzreduktion und anschließenden funktio-nellen Nachbehandlung aus.

KlavikulafrakturDie geeignete Behandlungsform der Klavikulafraktur istvor allem abhängig vom Grad der Dislokation und einerhiermit optional verbundenen Verkürzung der Klavikula.Die Anzahl der Frakturfragmente ist ebenso wie die Loka-lisation eher nachrangig. Akzeptabel für ein konservativesTherapieregime sind Verkürzungen bis maximal 2 cmund eine Achsabweichung bis maximal Schaftbreite. Beikindlichen Frakturen gelten größere Toleranzen.

Darüber hinaus beeinflussen auch bei Klavikulafraktu-ren folgende Faktoren die Entscheidungsfindung zu einererfolgversprechenden Therapie:● Aktivitätsanspruch des Patienten● ästhetischer Anspruch des Patienten● Compliance● Begleiterkrankungen● Abschätzung des OP-Risikos

Schaftfrakturen der Klavikula werden bei operativer The-rapie mittels offener Reposition und Plattenosteosynthe-se (reguläre Kleinfragment- oder anatomische Formplat-te) unter größtmöglicher Schonung des Periosts versorgt.Einzelne Fragmente lassen sich gut mittels Fadenzerkla-gen adaptieren, zusätzliche interfragmentäre Schraubensind lediglich bei langen Schrägfrakturen oder großenFrakturkeilen erforderlich.

Vor allem bei Kindern ist eine Stabilisierung einfacherFrakturen mittels ESIN in mediolateraler Richtung in Er-wägung zu ziehen, wobei sich eine geschlossene Reposi-tion mitunter als schwierig erweisen kann und nicht sel-ten ein halboffenes Vorgehen erforderlich macht. Zur Sta-bilisierung lateraler Frakturen kommen winkelstabileFormplatten oder bei weit lateralen und mehrfragmentä-ren Frakturen Hakenplatten zum Einsatz. Bei letzterer istin aller Regel eine Implantatentfernung nach spätestenszwölf Wochen erforderlich, um hakenbedingte Arrosio-nen des Akromions zu vermeiden [2], [5], [8].

Bei konservativer Therapie erfolgt die kurzfristige Ru-higstellung im Gilchrist-Verband zur Schmerzreduktion.Hieran schließt sich eine funktionelle Behandlung ohneBelastung bis zur abgeschlossenen sechsten Woche nachTrauma an. Schulterbewegungen über die Horizontalesind auch im Rahmen der Physiotherapie zu vermeiden,ferner muss eine sekundäre Dislokation durch regelmä-ßige Röntgenkontrollen ausgeschlossen werden.

Lediglich bei Kindern findet der Rucksackverband inder konservativen Therapie noch Anwendung. Zu achtenist hierbei auf ein regelmäßiges Nachspannen desselbendurch die Eltern.

4.1 Schultergürtelverletzungen

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4.1.4 Aufklärung undKomplikationenDer Inhalt des Aufklärungsgesprächs sollte sämtliche we-sentliche Operationsrisiken und Komplikationsmöglich-keiten umfassen. Dies gilt nicht nur für die allgemeinenRisiken, sondern vor allem auch für die verfahrenstypi-schen Komplikationen und das patientenindividuelle OP-bedingte Risikoprofil durch beispielsweise Vorerkrankun-gen, abzuschätzende Compliance, Alter, Medikamenteoder Allgemein- und Ernährungszustand.

Ferner gilt es, den Patienten im Rahmen des Aufklä-rungsgesprächs ausreichend detailliert über das intra-und postoperative Vorgehen, aber auch über möglicheund medizinisch vertretbare Behandlungsalternativen zuinformieren. Die Inhalte sind zwingend und individuellsowie nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Dokumen-tation wird mittels Unterschrift des Patienten und ggf.des Erziehungs- oder Vertretungsberechtigten sowie desaufklärenden Arztes mit Angabe von Datum und Namenbestätigt.

Die wesentlichen Punkte der Aufklärung zur operativenTherapie von Verletzungen des Schultergürtels sind derfolgenden Checkliste zu entnehmen.

●ZCheckliste

OP-Aufklärung bei Verletzungen des Schultergür-tels● allgemeine Operationsrisiken: Thrombose, Embolie,Wundheilungsstörung und Infektion, Schwellneigung,Verletzungen umliegender Strukturen (z. B. Gefäß-,Nerven-, Knochen-, Sehnen- und Muskelverletzungen),Lagerungsschäden, Folgeoperationen

● Möglichkeit der konservativen Therapie (abhängig vomVerletzungstyp)

● Erläuterung des operativen Vorgehens, z. B. Reposition,Osteosynthese, Stabilisierung mittels Hakenplatte/Tight Rope, additive Bandnaht oder Arthroskopie

● implantatbedingte Weichteilirritation● persistierende Gelenkinstabilität und Beschwerden mitder Möglichkeit eines Revisionseingriffs (ACG-Luxationen)

● Pseudarthrose und Refraktur (Klavikulafrakturen)● je nach operativem Verfahren ggf. erforderliche Folge-operation zur Implantatentfernung (z. B. Hakenplattebei ACG-Luxation nach 8 Wochen, Platte bei Frakturder Klavikula nach 24 Monaten wegen Gefahr der Re-fraktur)

● ggf. vorübergehende Ruhigstellung der Schulter bzw.des Armes (z. B. Gilchrist-Verband/Schulterorthese)

● Erfordernis einer vorübergehenden Funktionsein-schränkung der betroffenen Schulter und des Armes(verminderte Belastbarkeit und Bewegungseinschrän-kung) mit Angabe der Dauer, Belastbarkeit und beglei-tenden physiotherapeutischen Maßnahmen

4.1.5 Präoperative Checkliste● Reevaluierung der Weichteile, insbesondere bei offenenVerletzungen und Schürfwunden im Zugangsbereich

● Reevaluierung der peripheren Durchblutung, Motorikund Sensibilität

● Vorhandensein der erforderlichen Röntgenaufnahmenund ggf. zusätzlichen Bildgebung

● Reevaluierung des Allgemeinzustands des Patienten● Kontrolle der laborchemischen Befunde● ggf. Markierung der verletzten Seite

4.1.6 Perioperative MaßnahmenFolgende perioperative Maßnahmen sind bei der operati-ven Versorgung von Schultergürtelverletzungen stan-dardmäßig vorzunehmen:● Operation in Intubationsnarkose● Lagerung des Patienten auf dem Schultertisch in Beach-Chair-Stellung mit Kopfschale, ggf. auf Karbonplatte

● Lagerung des Unterarms auf einem Armbänkchen● nach Abschluss der Lagerungsmaßnahmen muss die er-forderliche Durchleuchtung des Schultergürtels mitdem C-Bogen gewährleistet sein

● perioperative Single-Shot-Antibiose (z. B. Cefuroxim1,5 g i. v. beim Erwachsenen)

● je nach Haarwuchs ggf. Rasur des OP-Gebiets● steriles Abwaschen des Schultergürtels, der betroffenenHals- und oberen Thoraxhälfte, der Axilla und des Ar-mes bis zum Handgelenk

● Abdeckung des beweglichen Armes unter Einsatz einerStockinette, Abkleben von Axilla und Schultergürtel, beiKlavikulafrakturen ausreichend weit nach medial

● Instrumentarium: Grundsieb für Knochen- und Weich-teileingriffe, Implantate je nach Verletzungstyp, ggf.kräftige Fäden (z. B. Vicryl Stärke 2 mit großer CTX-Na-del für Fadencerclagen, Mersilene-Band)

● bipolarer Elektrokauter, Sauger und Saugersack, Redon-Drainage

● ggf. elastokompressive Wickelung des Armes zurThromboembolieprophylaxe

● ggf. Anlage eines Gilchrist-Verbands oder einer Schul-terorthese zur Ruhigstellung

4.1.7 Postoperative Maßnahmenund NachsorgeNach operativer Therapie und bei regelrechtem Verlaufsind die unten dargestellten therapeutischen und diag-nostischen Maßnahmen indiziert. Zu beachten sind mög-liche Abweichungen durch Begleiterkrankungen und-verletzungen sowie Komplikationen.● Entfernung der Drainage am ersten postoperativen Tag● Röntgen der Klavikula in zwei Ebenen● regelmäßige Wundkontrollen und Verbandswechsel

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● Ablegen des Gilchrist-Verbands nach spätestens fünfTagen, ggf. noch protektiv zur Nacht

● medikamentöse Thromboembolieprophylaxe in der Re-gel nicht erforderlich

● funktionelle Nachbehandlung ohne Belastung für sechsWochen, Abduktion und Anteversion währenddessenbis maximal 90°

● begleitend Physiotherapie, ggf. manuelle Lymphdrainage● Röntgenverlaufsuntersuchung nach sechs Wochen● bei regelrechtem Verlauf anschließend schrittweiserBelastungs- und Bewegungsaufbau

● Implantatentfernung: Hakenplatte nach acht bis spätes-tens zwölf Wochen, frakturbedingte Schaftplatten nachfrühestens 24 Monaten aufgrund eines erhöhten Re-frakturrisikos

4.1.8 Literatur[1] Balke M, Schneider MM, Akoto R et al. Acute acromioclavicular joint

injuries. Changes in diagnosis and therapy over the last 10 years. Un-fallchirurg 2015; 118 (10): 851–857

[2] Felder-Puig R, Mathis S, Pelinka H et al. Midshaft clavicle fractures: Asystematic review of different treatment approaches. Unfallchirurg2011; 114 (11): 987–997

[3] Jensen G, Ellwein A, Voigt C et al. Injuries of the acromioclavicularjoint: Hook plate versus arthroscopy. Unfallchirurg 2015; 118 (12):1041–1053

[4] Jensen G, Katthagen JC, Alvarado LE et al. Has the arthroscopically as-sisted reduction of acute AC joint separations with the double tight-rope technique advantages over the clavicular hook plate fixation?Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2014; 22 (2): 422–430

[5] Khan LA, Bradnock TJ, Scott C, Robinson CM. Fractures of the clavicle.J Bone Joint Surg Am 2009; 91 (2): 447–460

[6] Mazzocca AD, Arciero RA, Bicos J. Evaluation and treatment of acro-mioclavicular joint injuries. Am J Sports Med 2007; 35 (2): 316–329

[7] Ockert B, Wiedemann E, Haasters F. Distal clavicle fractures. Classifi-cations and management. Unfallchirurg 2015; 118 (5): 397–406

[8] Pieske O, Dang M, Zaspel J et al. Midshaft clavicle fractures–classifica-tion and therapy. Results of a survey at German trauma departments.Unfallchirurg 2008; 111 (6): 387–394

[9] Rockwood CJ. Injuries in the acromioclavicular joint – subluxationsand dislocations about the shoulder. In: Rockwood CJ, Green D, eds.Fractures in adults. Philadelphia: Lippincott; 1984: 890–910

[10] Sehmisch S, Stürmer EK, Zabka K et al. Results of a prospective multi-center trial for treatment of acromioclavicular dislocation. Sportver-letz Sportschaden 2008; 22 (3): 139–145

4.2 Rotatorenmanschetten-rupturD. Liem, K. Schneider

4.2.1 EinleitungKontinuitätsunterbrechungen im Sehnenverlauf der Rota-torenmanschette entstehen traumatisch oder degenerativund werden je nach Ausmaß als Rotatorenmanschetten-komplett- oder -teilruptur bezeichnet.

Die Prävalenz beträgt im Mittel rund 20% und nimmtmit zunehmendem Alter signifikant zu:● 5. Lebensjahrzehnt: 13%● 6. Lebensjahrzehnt: 20%● 8. Lebensjahrzehnt: 51%

Wichtig für die Versorgungsplanung sind folgende Unter-scheidungen:● Supraspinatus-/Infraspinatussehnenruptur: häufigsteRupturform und meist Folge degenerativer Verände-rungen. Dabei ist die Sehne des M. supraspinatus – be-dingt durch ihren Verlauf durch den Subakromialraum– besonders betroffen. Seltener sind traumatisch be-dingte Rupturen einer der beiden Sehnen, z. B. im Rah-men einer Schulterluxation.

● Subskapularissehnenruptur: Eine isolierte Ruptur desM. subscapularis ist selten und häufig traumatisch be-dingt. Als Begleitpathologie muss hier auf eine mögli-che mediale Dislokation der langen Bizepssehne geach-tet werden, die für eine zusätzliche Beschwerdesymp-tomatik sorgen kann. Klinisch deutet eine vermehrtepassive Außenrotation auf eine Ruptur des M. subsca-pularis hin, die – traumatisch bedingt – einer zeitnahenoperativen Versorgung bedarf.

● Massenruptur: Ruptur von mindestens zwei Sehnender Rotatorenmanschette. Unterschieden wird die ante-riosuperiore (Mm. supraspinatus und subscapularis)von der posteriosuperioren Massenruptur (Mm. supra-spinatus und infraspinatus).

Die anatomischen Grundlagen sind in ▶Abb. 4.4 dar-gestellt.

4.2 Rotatorenmanschette

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4.2.2 Präoperative Diagnostik undKlassifikationAnamnese und klinische UntersuchungDie Verdachtsdiagnose einer Rotatorenmanschettenkom-plett- bzw. -teilruptur kann bereits klinisch durch einegründliche Anamnese und eine zielgerichtete körperlicheUntersuchung gestellt werden. Eine Sicherung der Diag-nose erfolgt schließlich mittels bildgebender Verfahren.

Anamnese● Patientenalter● Unfallanamnese (Zeitpunkt, Mechanismus)● Symptome (Lokalisation, Schmerz, insb. Nachtschmerz)● berufliche und sportliche Aktivitäten (Überkopftätig-keiten, Wurfsportarten)

● Risikofaktoren (Begleiterkrankungen, Medikamenten-einnahme, Vorschäden)

Körperliche Untersuchung● Inspektion (äußere Verletzungszeichen, Muskelatrophie)● Palpation (Druckdolenzen z. B. über Tuberculum majus/minus als Hinweis auf Ruptur, Krepitationen)

● Bewegungsausmaße im Seitenvergleich (aktiv vs. passiv)● periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität

Klinische Tests● Schürzengriff (Innenrotation) und Nackengriff (Außen-rotation)

● M. supraspinatus: Jobe-Test, Empty-Can-Test, Drop-Arm-Test

● M. infraspinatus: Hornblower-Zeichen, ARO-Lag-Zei-chen, Dropping-Zeichen

● M. subscapularis: Lift-off-Test, Belly-Press-Test, IRO-Lag-Zeichen

●HMerke

Bewegungsumfänge und klinische Tests sollten stets imSeitenvergleich überprüft und dokumentiert werden.

Bildgebende UntersuchungBasisdiagnostik:● Sonografie (Darstellung des Sehnenverlaufs, etwaigerKaliberschwankungen oder erkennbarer Kalkdepots)

● Röntgen (drei Ebenen: a. p., axial und outlet-view)● MRT (Beurteilung der Rissform, Retraktion, Degenerati-on/Atrophie und Detektion von Begleitpathologien)

●HMerke

Ein Humeruskopfhochstand im Röntgenbild kann hin-weisgebend auf eine Rotatorenmanschettenruptur sein.Der Nachweis erfolgt mittels Sonografie oder MRT.

●GCave

Zur vollständigen Gesamtbeurteilung der Sehnenretrak-tion und Muskelatrophie ist es wichtig, dass das MRT ge-rade in den axialen und sagittalen Schichten ausreichendnach medial gefahren wird.

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2

5

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3

4

1

2

5

M. supraspinatus ①

③ ⑤

a

M. infraspinatus

M. teres minor

Caput longumm. tricipitis brachii

Fornix humeri

M. deltoideus

lange Bizepssehne undLig. glenohumeralesuperius (SGHL)

Lig. glenohumeralemedium (MGHL)M. subscapularis

Lig. glenohumerale inferius (IGHL)

b dc

Abb. 4.4 Rotatorenmanschette. Anatomie:a Muskulatur der Rotatorenmanschette,Querschnitt zur Skapulaachse in der Pfan-nenebene. b, c Muskuläre Zugwirkung inder Frontalebene ventral/dorsal. d Musku-läre Zugwirkung in der Horizontalebene. 1:M. supraspinatus; 2: M. subscapularis; 3:M. infraspinatus; 4: M. teres minor; 5: langeBizepssehne. (Quelle: Echtermeyer V,Bartsch S, Hrsg. Praxisbuch Schulter.2. überarbeitete und erweiterte Auflage.Stuttgart: Thieme; 2004)

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Zusatzdiagnostik:● MR-Arthrografie (bessere Darstellung von Partialruptu-ren)

● CT-Arthrografie (verbesserte Beurteilung der ossärenKonfiguration bei V. a. ossäre Begleitpathologien)

KlassifikationZur Einordnung von Rupturen der Rotatorenmanschetteexistieren umfangreiche Klassifikationssysteme, die sichnach Ätiologie, Lokalisation, Retraktion der Sehnen-stümpfe oder Atrophiegrad richten.

Im klinischen Gebrauch haben sich die folgenden Klas-sifikationen bewährt:● Klassifikation der Supraspinatussehnenretraktion(MRT-Bildgebung) nach Patte (▶Abb. 4.5) [4]:○ Grad I: proximaler Sehnenstumpf zwischen Tubercu-lum majus und Apex

○ Grad II: proximaler Sehnenstumpf zwischen Apexund Glenoidrand

○ Grad III: proximaler Sehnenstumpf auf Höhe des Gle-noids oder dahinter

● Klassifikation der Verfettung nach Goutallier [3](CT-Bildgebung) bzw. Fuchs [2] (MRT-Bildgebung):○ Grad 0: keine Verfettung○ Grad I: geringe Verfettung○ Grad II: weniger muskuläre Verfettung als Muskel-masse

○ Grad III: fettige Degeneration mit Muskelmasse iden-tisch

○ Grad IV: vermehrte fettige Degeneration im Vergleichzur Muskelmasse

● Klassifikation der muskulären Atrophie nach Thoma-zeau [6] (MRT-Bildgebung):○ Grad I: normaler oder nur gering atrophierter Muskel○ Grad II: mäßige Atrophie○ Grad III: schwere Atrophie

Eine weitere gängige Klassifikation, die jedoch erst intra-operativ vorgenommen werden kann, ist die Klassifika-tion des Rupturausmaßes nach Bateman (▶Abb. 4.6):● Klassifikation nach vorherigem Débridement der Seh-nenstümpfe nach Bateman [1]:○ Grad I: < 1 cm○ Grad II: 1–3 cm○ Grad III: 3–5 cm○ Grad IV: > 5 cm

I II IIII II IIII II III

Abb. 4.5 Rotatorenmanschettenruptur. Retraktionsgrade der Supraspinatussehne nach Patte. (Quelle: Hedtmann A. Weichteiler-krankungen der Schulter – Subakromialsyndrome. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2010; 5 (3): 147–170)

Bursa subdeltoidea

a b c d e

Bursa subacromialisAcromion M. supraspinatus

Abb. 4.6 Rotatorenmanschettenruptur. Klassifikation nach Bateman. Grad I–IV (b–e)

4.2 Rotatorenmanschette

4

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4.2.3 Indikationsstellung undVerfahrenswahlGenese, Patientenalter, Ausmaß der Ruptur, Schmerz-symptomatik, Funktionsverlust und -anspruch bestim-men die Therapie einer Rotatorenmanschettenruptur.

Bei den selteneren akuten/traumatischen Rupturen derRotatorenmanschette ist eine zeitnahe operative Therapieangezeigt: Ein zeitlicher Verzug führt hier zu einem un-nötigen Fortschreiten der Retraktion, Atrophie und Dege-neration der gerissenen Sehnenstümpfe, was das spätereOperationsergebnis negativ beeinflussen kann.

Die häufigeren degenerativen Rupturen werden zu-nächst konservativ mittels oraler Analgesie und/oderphysiotherapeutischer Beübung behandelt. Klagt der Pa-tient nach Ablauf der konservativen Therapie weiterhinüber Schmerzen sowie starke Einschränkung in Bewe-gungsumfang, Kraft oder Funktion, so kann mit dem Pa-tienten eine elektive operative Therapie diskutiert wer-den.

Bei älteren Patienten, die häufig asymptomatische Rup-turen der Rotatorenmanschette vorweisen, steht ebenfallsdie konservative Therapie im Vordergrund. Eine operativeTherapie ist hier mit dem Risiko einer hohen Rerupturra-te verbunden.

Auch im Falle einer Massenruptur sollte eine vollstän-dige Rekonstruktion der Sehnenrupturen angestrebt wer-den. Kann dies aufgrund des Ausmaßes der Rupturennicht erfolgen, so kann bei jüngeren Patienten eine opera-tive Deckung mittels Lappenplastik des M. pectoralis (an-terosuperior) oder des M. latissimus dorsi (posterosupe-rior) infrage kommen. Bei älteren Patienten mit stark re-duzierter Schulterfunktion kann zur Wiederherstellungder verlorenen Schulterfunktion die Implantation einerinversen Schulterprothese erwogen werden.

Konservative TherapieBei degenerativen Rotatorenmanschettenrupturen kanneinem konservativen Therapieversuch ein Zeitraum vondrei Monaten mit maximal drei Infiltrationstherapieneingeräumt werden:● medikamentöse Therapie (NSAR ggf. mit begleitendemMagenschutz)

● Physiotherapie, manuelle Therapie und Muskelaufbau-training (Verbesserung von Bewegungsausmaß, Kraftund Funktion)

● Thermotherapie (Kälte im Akutfall, Wärme im fort-geschrittenen Stadium)

● Infiltrationstherapie (Lokalanästhetika oder Kortison)

●GCave

Ist im weiteren Therapieverlauf ggf. ein operatives Vor-gehen geplant, so sollten Infiltrationen von Glukokorti-koiden zurückhaltend erfolgen, da diese die Qualität derSehnenstümpfe beeinträchtigen können.

Operative TherapieIst die Indikation zur operativen Therapie einer Rotato-renmanschettenruptur gestellt, bieten sich drei verschie-dene Techniken an, die je nach Rupturausmaß, Erfahrungdes Operateurs und der zur Verfügung stehenden Infra-struktur angewendet werden können:● offene Rekonstruktion mit einem anteriosuperiorenoder anteriolateralen Zugang zur Rotatorenmanschettedurch Ablösung und spätere Refixation des M. deltoi-deus

● arthroskopische Rekonstruktion mit Fadenankersystemüber die Schlüssellochtechnik ohne offene Zugangs-wege

● Mini-Open-Technik als Kombination aus den beidenerstgenannten: zunächst arthroskopisches Vorgehen,dann Naht der Rotatorenmanschette über einen Delta-Split – jedoch ohne eine komplette Ablösung desM. deltoideus

●HMerke

Offene Rekonstruktionstechniken zeigen postoperativ einhöheres Schmerzniveau und sind aufgrund größererHautschnitte mit einem schlechteren kosmetischen Er-gebnis verbunden. Arthroskopische Rekonstruktionstech-niken haben die offenen als Standardverfahren inzwi-schen abgelöst.

4.2.4 Aufklärung undKomplikationenNeben den allgemeinen Operationsrisiken (Thrombose,Embolie, Wundheilungsstörung, Infektion, Schwellnei-gung, Gefäß-, Nerven-, Knochen-, Sehnen- und Muskel-verletzungen, Lagerungsschäden, Folgeoperationen) mussbei der operativen Therapie von Rotatorenmanschetten-rupturen über die folgenden spezifischen Komplikations-möglichkeiten aufgeklärt werden:

Obere Extremität

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●ZCheckliste

OP-Aufklärung bei Rupturen der Rotatoren-manschette● alternative Möglichkeit der konservativenTherapie (ab-hängig von Rupturgenese, Patientenalter und -anspruch)

● Gefahr der Re-Ruptur der vernähten Sehne mit Risikodes Folgeeingriffs (abhängig von Patientenalter, Rup-turgenese und -ausmaß sowie bereits vorliegenderAtrophie/Degeneration der Sehnenstümpfe)

● Gefahr Re-Ruptur des M. deltoideus (bei offener Rekon-struktionstechnik mit Ablösung des M. deltoideus)

● intraoperative iatrogene Knorpelschäden (insbesonde-re bei arthroskopischer oder Mini-Open-Technik)

● reaktive Versteifung des Schultergelenks● temporäre oder permanente Funktionsverschlechte-rung der oberen Extremität mit praktischer Auswir-kung für den Alltag, berufliche und/oder sportliche Ak-tivitäten

● Notwendigkeit der wochenlangen postoperativenNachbehandlung mit erforderlichen Phasen der Immo-bilisation

4.2.5 Präoperative Checkliste● körperliche Untersuchung und Dokumentation von Be-wegungsgraden in beiden Schultergelenken sowie derperipheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität

● Abrufen der eingespielten Bildgebung● Kontrolle des Allgemeinzustands des Patienten, der la-borchemischen Entzündungsparameter, der Aufklä-rungsunterlagen und schließlich Markierung der zuoperierenden Seite

● erneute Überprüfung der Operationsindikation anhandder vorliegenden klinisch-radiologischen Befunde undder Patientencompliance bei elektiver Indikation

4.2.6 Peri- und intraoperativeMaßnahmenExemplarische Listung von Maßnahmen für die Nahteiner vollständigen Ruptur der Sehne des M. supraspina-tus in der arthroskopischen Technik:● Anästhesie mittels Intubationsnarkose und interskale-närem Block des Plexus brachialis (ISB)

● Lagern des Patienten in Beach-Chair-Position mit ge-sonderter Kopffassung (Cave: Blutdruckabfall mög-lich!). Alternativ ist eine Seitenlagerung möglich.

● Team-Time-Out nach WHO-Standard● Überprüfung der freien passiven Schultermobilisation● sorgfältiges steriles Abwaschen und Abdecken● Platzieren des Unterarms in einer flexiblen Armhalte-rung

● Anzeichnen der knöchernen Landmarken (Akromion,Klavikula, Korakoid)

● diagnostische Arthroskopie des Glenoidalraums überdas dorsale Portal und Überprüfung des Gelenkknor-pels (humeral und glenoidal), der Sehnen der Rotato-renmanschette, der langen Bizepssehne und des Pulley-Systems

● abhängig vom diagnostischen Befund: intraoperativeIndikationsstellung zur arthroskopischen Rekonstrukti-on der entsprechenden Sehne

● Anlegen eines anterioren Portals und Reevaluation derBefunde mittels Tasthaken

● ggf. Adressieren von Begleitpathologien● Débridement der Ruptur der SSP● Anlegen eines anterolateralen Portals und Freilegen desTuberculum majus

● Einbringen von Fadenankern am Tuberculum majus● Zwecks Schmerzreduktion und besserer Übersichtempfiehlt sich ein sorgfältiges Resezieren der Bursasubacromialis und Freilegen der Unterfläche des Akro-mions.

● Naht der Supraspinatussehne unter arthroskopischerSicht

● sorgfältige Spülung des Gelenks, Instillation von 15mlCarbostesin 0,5 %ig und Verschluss der Portale mittelsSubkutan- und Hautnähten

● Anlegen eines strengen Kompressionsverbands undeiner Schulterorthese

4.2.7 Postoperative Maßnahmenund NachsorgeDie postoperative Nachbehandlung einer Rotatorenman-schettenruptur ist langwierig und beansprucht mehrereWochen. Dies sollte gerade bei elektiven Eingriffen früh-zeitig mit dem Patienten besprochen werden, und dieserist auf die nötige Compliance hin zu überprüfen. Dem Pa-tienten ist zudem unbedingt zu verdeutlichen, dass derHeilungsprozess erst nach der Operation beginnt und kei-nesfalls durch diese abgeschlossen ist.

●HMerke

Die initiale Immobilisation des Schultergelenks zur Ein-heilung der frisch vernähten Sehnen hat eine zentrale Be-deutung für den späteren Operationserfolg und sollteauch bei frühzeitiger Schmerzfreiheit nicht aufgegebenwerden.

Exemplarische Nachbehandlung einer arthroskopischenSupraspinatusrekonstruktion:● 1. Phase – Immobilisation (1.–3. Woche postoperativ):

○ Immobilisation der Schulter mittels Schulterorthese○ Entfernung der Wunddrainage am zweiten postope-rativen Tag

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