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gang bedroht und setzte seine letzte Hoffnung in W. I./' Lenin und B. /' Mussolini.
S.s Denken war unsystematisch und widerspruchsvoll.Dennoch lag ihm ein Fühlen und Wollen zugrunde, dassich stets gleichblieb. Es war bestimmt von einem heroischen Pessimismus, der den Dreh- und Angelpunkt desSchaffens S.s bildete. Danach droht der Zivilisation stetsder Verfall, und die Geschichte neigt notwendig zur Dekadenz. Großes und Erhabenes entsteht nur unter Anstrengung aller Willenskräfte. Von diesen Prämissen ausentwickelte S. eine politische Philosophie, die dreiSchwerpunkte aufwies: Kulturkritisch setzte sie sich mitder europäischen Geistesgeschichte auseinander. InAnalogie zu F. /' Nietzsches Herren- und Sklavenmorallegte S. als Maßstab eine Produzenten- und Konsumentenmoral an. Dabei geriet die Vernunftphilosophieebenso wie die Fortschrittsphilosophie auf die Seite derDekadenz. Voluntaristisch ergriff sie Partei für politische und soziale Protestbewegungen, von denen S. einenAufbruch zur moralischen Erneuerung erhoffte. Hiergalt als Maßstab der selbstlose und kompromißloseKampf für ein Ideal wie, im Falle der Dreyfusbewegung,das der Gerechtigkeit. Analytisch richtete sie ihr Erkenntnis interesse auf die Dynamik sozialer Bewegungen. Auf diesem Gebiet leistete S. mit seiner Lehre vomsozialen Mythos einen richtungweisenden Beitrag. SeineEinsichten machte sich vor allem der Faschismus zunutze, der bewußt an S. anknüpfte und seine Mythenlehre instrumentell verwendete.
LITERATURWerke:
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(1983) ff. (Lit.). Helmut Berding
SOUVERÄNITÄTJ. Begriffsdimensionen. - 2. Entwicklungsgeschichte. - 3. Juristische
Konstruktion. - 4. Kritik. - 5. Perspektiven
1. Begriffsdimensionen
S. ist ein Schlüsselbegriff im Entstehungsprozeß des modernen I'Staates. Man versteht darunter ganz allgemeindie höchste, unabgeleitete, ihrerseits keiner weiteren,fremden Bindung oder Derogationsmöglichkeit unterliegende staatliche Herrschaftsgewalt. Die sog. "äußere"(völkerrechtliche) S. bezeichnet die Unabhängigkeit undGleichheit der impermeabel gedachten Staaten als unmittelbare Subjekte des Völkerrechts. Nach der klassischen Formulierung E. v. Vattels ist jede Nation souverän, "qui se gouverne elle-meme sous quelque forme quece soit sans dependance d'aucun etranger". Eine solcheBefehlsunabhängigkeit kraft unterstellter Exklusivitätder eigenen Kompetenzordnung bei gleichzeitig bestehenden rechtsförmlichen Beziehungen der Staaten un-
tereinander setzt die "innere" (staatsrechtliche) S. logisch wie historisch voraus. Meint jene die äußereUnabhängigkeit, so zielt diese staats intern auf eine zentrale Letztentscheidungsgewalt.
2. Entwicklungsgeschichte
Das Konzept souveräner Staatlichkeit hat keine exaktdatierbare Geburtsstunde. Begriff wie Sache fehlen inden antiken Stadtstaaten ebenso wie in den frühenGroßreichen. Mit ihrer in der lehensrechtlichen Hierarchie sichtbar werdenden Pluralität von Herrschaftsträgern und einer daher vielfach gestaffelten Obrigkeitbildet die feudale Ordnung (I' feudale Gesellschaft, feudaler Staat) geradezu das Gegenbild zur Bündelung derHerrschaftsgewalt in einem Zentrum. Erst im 13. Jh. begann sich das frz. Königtum in Anlehnung an die reklamierte plenitudo potestatis des Papstes unter Rückgriffauf eine römisch-rechtliche Parömie gegenüber demKaiserreich als autonom zu begreifen: rex imperator inregno suo. - Lange Zeit lediglich Bezeichnung für gewisse oberste Jurisdiktionsrechte, erfolgte der endgültigeDurchbruch des Terminus S. zum Inbegriff früh neuzeitlicher Staatlichkeit vor dem Hintergrund eines säkularen kulturellen Umbruchs (Renaissance, I' Humanismus) sowie tiefgreifender sozialer und wirtschaftlicherWandlungen (Bevölkerungsvermehrung, Aufstieg desBürgertums [I' Bürger, Bürgertum], Früh-I' Kapitalismus) in den konfessionellen Bürgerkriegen des 16. und17. Jahrhunderts. Zu einem guten Teil deren Produkt,wurde der souveräne Staat letzten Endes "Instrument zuihrer Überwindung" (E. Forsthoff). Doch führte die Entwicklung ungeachtet der Verweltlichung der Staatszwecklehre und der Enttheologisierung des Staats denkens nicht umweglos zu seiner Etablierung als überkonfessioneller, Schutz und Sicherheit der Bürger garantierender Friedensanstalt mit umfassender I'Toleranz undAbstufung der theologischen Wahrheitsfrage zur Privatangelegenheit, wie der Augsburger Religionsfriede (cuius regio, eius religio) und die frz. Entwicklung (Revokationsedikt von Fontainebleau 1685) zeigen. Einen Umschlagpunkt markieren die Religionskriege gleichwohlinsofern, als sich das Verhältnis von Glaube und Politikveränderte: Konfessionelle Homogenität diente nicht allein dem rechten Glauben, sondern auch der Stabilisierung des weltlichen Herrschaftszentrums. - Die erstebedeutende Theorie der S. stammt vom wichtigsten Vertreter der sog. "politiques". Inmitten der frz. Bürgerkriegswirren entwarf J. /' Bodin das klassische Bild einersouveränen Staatsordnung mit einem mächtigen Herrscher an der Spitze, der unter weitgehender Ausschaltung intermediärer Gewalten ausgestattet ist mit der"puissance absolue et perpetuelle d'une Republique", deren wichtigste das Gesetzgebungsrecht ist. Obwohl prinzipiell legibus solutus, bleibt der Fürst den GebotenGottes, den natürlichen Gesetzen sowie den leges (fundamentales) imperii unterworfen.
Der deutsche Weg zur S. weist Besonderheiten auf.Das Hl. Römische Reich Deutscher Nation blieb trotzaller Bemühungen der Wahl kaiser um Zentralisierungder Reichsgewalt ein heterogener Verband ohne echteSpitze. In das klassische Schema der Staatsformen ließsich seine irreguläre Gestalt nicht einfügen, so daß dieReichspublizistik mit majestas realis und majestas personalis zwei Seiten der S. unterscheiden und sie so zwischen Kaiser und Reichsständen aufteilen mußte. Zwarkonnte auf Reichsebene die Glaubensspaltung letztlichdurch Errichtung einer "überkonfessionellen Koexistenzordnung zwischen den beiden großen Konfessionsblöcken" (M. Heckei) überbrückt werden (AugsburgerReligionsfriede von 1555; Westfälischer Friede 1648).Doch obwohl das Reich durch die verfassungsrechtlicheKanalisierung des Konfessionsproblems (itio in partes
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sowie andere Formen des konfessionellen Ausgleichs)und damit durch Ausgrenzung der religiösen Wahrheitsfrage an innerer Stabilität gewann, fehlte ihm auf Dauerdie zentrale Herrschaftsgewalt. Die politische Dynamikverlagerte sich zunehmend auf die großen Territorien.Nach der Reformation fielen dort anders als im Reichdie ,,Ausbildung konfessioneller Landeskirchen und derAufstieg der landesherrlichen Gewalt zur Souveränität"(R. Vierhaus) zusammen. Entgegen dem Modell derTrennung von Theologie und Politik herrschte hier wieauch in den Reichsstädten noch lange Zeit eine starkekonfessionelle Geschlossenheit mit fürstlichem Summepiskopat, Staatskirchenturn, ius reformandi und weltlichem Kirchenbann. Diese Territorien erstarkten insbes.seit Einräumung des Bündnisrechtes 1648 in der Folgezeit zu mächtigen Militär-, Wirtschafts- und Verwaltungsstaaten. Als bis heute charakteristische Attributesouveräner Staatlichkeit kristallisierten sich dabei heraus: Zentralisierung und Monopolisierung der J' Herrschaft unter Ausschaltung intermediärer Gewalten;Aufstellung eines stehenden Heeres; Steuer monopol ;bürokratische Landesverwaltung mit einer loyalen Beamtenschaft; Orientierung der Staatstätigkeit am (weltlich interpretierten) bonum commune (J' Gemeinwohl);umfassende Sozialdisziplinierung (N. Elias, G. Oestreich). Auch der bei allen sonstigen Unterschieden derStaatenentwicklung gemeineuropäische Vorgang fundamentalgesetzlicher Absicherung der Einheit des dynastischen Verbandes über Unteilbarkeitsregelungen (fürKurfürstentümer seit 1356) und Sukzessionsordnungen(Primogenitur) schuf wichtige Voraussetzungen für jenen epochalen Prozeß der Bürokratisierung, Rationalisierung und Intensivierung der Herrschaft, der schließlich zum modernen geschlossenen "Anstaltsstaat"(M. Weber) mit egalitärer Staatsbürgergesellschaftführte. - Obwohl die Phase des absolutistischen Fürstenstaates (J' Absolutismus) als Höhepunkt souveränerHerrschaftsgewalt gilt, ist unter Berücksichtigung des"Nichtabsolutistischen im Absolutismus" (Oestreich) zubedenken, daß es entgegen dem äußeren Anschein auchhier ein begrenztes Maß an autonomen Gegenkräftenund Konsenszwängen gab. Der autokratische Monarchist zwar Inbegriff eines von der altständischen Ordnungmit ihren iura et libertates durch das fürstliche ius eminens sich emanzipierenden politischen Gestaltungswillens, aber schon wegen der lange Zeit unangetastetenSozialstruktur (Grundherrlichkeit) doch nicht der gottgleiche, allgewaltige, nur auf sich selbst gestellte Regent.Das zeigt, daß S. faktisch niemals unbeschränkte, ungebundene "Omnipotenz, Omnipräsenz und Omnikompetenz" bedeutet, sondern lediglich einen stets relativenGrad an Unabhängigkeit der zentralen Entscheidungsinstanz von gewichtigen sozialen und politischen Kräften bezeichnet.
3. Juristische Konstruktion
Staatsrechtlich ist die S. lange Zeit nur als (theoretisch)unbeschränkte Herrschaft eines Fürsten vorstellbar(frühe Ausnahmen: Niederländische Generalstände1587, Räte von Bern 1682 sowie die spezifisch englischeKonstruktion des King-in-Parliament). Von daher erscheinen die Insignien der S. in der juristischen Publizistik der frühen Neuzeit und selbst bei Bodin als induktivgewonnene und historisch sukzessiv erworbene Hoheitsrechte. Die neuzeitlichen Sozial-J'Vertragstheorien hingegen erschließen im umgekehrten Verfahren dieSumme der Einzelrechte des Souveräns deduktiv aus wenigen elementaren Voraussetzungen, insbes. dem Streben der Individuen nach Selbsterhaltung. Prototypischist hier Th. /' Hobbes, der die überkommene Figur desHerrschaftsvertrages unter Verwendung der Naturzustandsidee auf die Einsetzung eines absoluten Souve-
räns, eines Deus Mortalis, bei gleichzeitigem Rückfallder Gesellschaftsmitglieder in die Rechtlosigkeit reduziert. Diese Form rationaler Herrschaftslegitimation offenbart zwar eine gewisse Affinität zwischen demVernunftnaturrecht (J' Naturrecht n 3 a) und dem politischen Absolutismus. Sie demonstriert aber trotz der absorptiven Repräsentation des Volkswillens zugleich, daßder Staatsverband auf Grund eines bewußten Kalkülsder sich einvernehmlich vergesellschaftenden Individuen entsteht. Als Produkt rationaler Egoisten ist auchder absolute souveräne Staat auf diese Weise gegenüberälteren Vorstellungen radikal säkularisiert. - Die denStaatsverband verkörpernde S. einer konkreten Herrschaftsperson ist schon wegen der bewußt gesetzten Parallele zur Allmacht Gottes unschwer vorstellbar. Gravierende Willensbildungs- und Zurechnungsproblemestellen sich indes mit dem Übergang von der personalistischen Herrschafts- zur kollektiven Volkssouveränität.Denn solcherart demokratisierte S. ist wegen der Notwendigkeit interner Meinungsbildung des Gesamtkörpers, also der Vorformung des Volkswillens, nichteinfach Fürsten-S. mit anderen Vorzeichen, setzt vielmehr eine organische politikfähige Einheit im Grundebereits voraus. J.-J. /' Rousseau hatte unter Ausschaltungdes Unterwerfungsmomentes den Gesellschaftsvertragals Errichtung einer von der souveränen volonte generale ("la souverainete n'etant que l'exercice de la volontegenerale") bestimmten demokratischen Staats- (nichtzwingend: Regierungs-)form verstanden wissen wollen,in der ein jeder seine ursprüngliche Freiheit in freilichvollständig transformierter Form zurückerhält. Sein fürüberschaubare Staatswesen wie Stadtgemeinden konzipiertes System einer unveräußerlichen und unteilbarenS. des Volkes war dabei bewußt ohne Vertretungskörperschaften ausgestaltet und daher für institutionelle Flächenstaaten unbrauchbar. Dementsprechend ging dieweitere Entwicklung in Theorie (E. J. Sieyes) und Verfassungspraxis (USA, Frankreich) gegen Ende des18. Jh. andere Wege und überantwortete unter Rückgriffauf die mittelalterliche Korporationslehre die Ausübungder unveränderlich und unverrückbar beim Volk liegenden suprema potestas bestimmten Repräsentationsorganen. Das System der frz. Verfassung von 1791 charakterisierte G. /'Jel/inek wegen der nahezu vollständigenAbsorption des Volkswillens als "unbeschränkte Parlamentssouveränität". Die in Titre In Art. 1 enthaltene,den nationalstaatlichen (im Unterschied zum früherendynastischen) Charakter der S. betonende Bestimmung("elle appartient cl la Nation") fungiert angesichts derausschließlich repräsentativen Ausgestaltung der Herrschaftsbefugnisse ebenso als bloße Legitimitäts- und Zurechnungsformel wie das Bekenntnis zur Volks-So inArt. 20 Abs. 2 GG.
Ausgestaltung und Konstruktion der S. weisen in denverschiedenen Staaten vielfältige Varianten auf. InDeutschland führt der J'Konstitutionalismus des Vormärz zu ihrer der Lage im alten Reich vergleichbarenVerdoppelung bzw. Aufspaltung. Denn obwohl sich dieFürsten des Dt. Bundes in bewußt gegenrevolutionärerWendung dem monarchischen Prinzip gemäß ausdrücklich als "souverän" titulierten, banden sie sich doch auchin den oktroyierten Verfassungen in weitem Maße andiese selbst sowie an die Mitwirkung der gewählten Vertretungskörperschaften. Angesichts einer solchenSchwebe lage zwischen Volks- und Fürsten-S. mußte dieFrage nach dem wahren Inhaber der souveränen Gewaltunbeantwortet bleiben. Der staatsrechtliche Positivismus (C.F. v. Gerber, P. Laband), der den Staat in endgültiger Überwindung aller patrimonial-privatrechtlichenVorstellungen (C. L. v. Haller, R. Maurenbrecher) als gewissermaßen "entleiblichte" juristische Persönlichkeit,als bloßes Willenszentrum konzipierte, verortete mit
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Hilfe des Begriffskompromisses der Staats-So die höchsteGewalt bei einer abstrakten juristischen Person, ließ dieeigentliche Machtfrage auf diese Weise unbeantwortetund verdünnte den S.sbegriff unter Verschiebung dessachlichen Problems auf die Ebene der Organ-So zu einerim Grunde subjektlosen Kategorie (D. Jesch). O. v. /' Bismarcks Reichsverfassung von 1871 wendete die staatenbündisch-föderative Struktur des Dt. Reiches bewußt insAntiparlamentarische und etablierte den Bundesrat alssouveränes Repräsentationsorgan der im Kaiserreichvereinigten Fürsten und Städte. Um den Bundesstaatendas Moment der Staatlichkeit zu vindizieren, die S. aberdem Reich als Gesamtheit vorzubehalten, traf die zeitgenössische Staatslehre eine eher künstlich anmutendeDistinktion zwischen S. und Staats begriff. - Im Rahmendes /' Grundgesetzes mit seiner exklusiven und im Prinzip unabänderlichen Kompetenzordnung ist für einesouveräne Gewalt legibus solutus schon wegen des Vorrangs der Verfassung anders als in der /'WeimarerReichsverfassung kein Raum. In der konstitutionellen/'Demokratie betätigt sich selbst das Volk in /'Wahlenund /' Plebisziten (Art. 20 Abs. 2GG) anders als nachder Präambel und gemäß Art. 146 GG nicht als ursprüngliche Gewalt, sondern als bereits verfaßtes Organ.Indes ist die Unterscheidung zwischen der Artikulationdes Volkswillens in Gestalt der obersten pouvoir constitue und der als pouvoir constituant lediglich begrifflichexakt zu treffen. Darüber hinaus läßt sich wegen des unverlierbaren Rechts des Volkes auf Selbstbestimmungauch durch derartige Bindungen des Volkswillens dieMöglichkeit zu evolutionärer, aber auch revolutionärerFundamentalerneuerung niemals ausschließen.
4. Kritik
Im 20. Jh. mehren sich Zweifel an der Tragfähigkeit,Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit der S.sdoktrin. Sofern man hierbei lediglich anstelle der personal vorgestellten Staatsrnacht das allgemein-unpersönlich-abstrakte »Recht" als souverän tituliert (H. Krabbe) oderaufgrund der These vom Primat des /' Völkerrechts undder Einheit des rechtlichen Weltbildes die S. des einzelnen Staates aufheben, statt dessen die Völkerrechtsordnung als Gipfel der Normpyramide ansehen will und diestaatliche S. auf diese Weise in objektives Völkerrecht zutransformieren trachtet (H. /' Kelsen), handelt es sicheher um begrifflich-konstruktive »Entmachtungen" desStaates. - Ungleich größere Bedeutung für das Staatsrecht erlangte die von C. /'Schmittbereits in der Weimarer Republik geprägte, nach 1949 dann mit einerzusätzlichen Wendung gegen die Staatsqualität der - wegen der Alliierten Vorbehalte sowie der Feindstaatenklausel völkerrechtlich ohnehin nur beschränkt souveränen - Bundesrepublik Deutschland insbes. von E./' Forsthoffund W Weberfortge(ijhrte Kritik am Verlustbinnenstaatlicher S. infolge von Polykratie, Parteienstaatlichkeit und Verbändeherrschaft. In gewisser Parallele zur These des jungen H. Laski von der »Pluralitätder Souveränitäten" wird hier unter Fixierung auf einenvergleichsweise schmalen Zeitraum und unter weitreichender Vernachlässigung der auch im Modellfall desabsolutistischen Fürstenstaates vorhandenen Gegenkräfte das Ende der Staatlichkeit proklamiert. Der moderne Staat sei von den sozialen Machtkomplexenweitgehend okkupiert und instrumentalisiert; zentraleOrdnungsleistungen erbringe er nicht länger als überden disparaten Interessengruppen stehende neutraleGröße, sondern als Exekutivorgan partikularer gesellschaftlicher Kräfte. Indes kann es der Verfassungsordnung des GG zufolge keine der Gesellschaft entrückteStaatsgewalt geben. Die verfallsgeschichtliche Perspektive bricht sich an dem Umstand, daß der demokratischeStaat »Selbstorganisation der Gesellschaft" (H. /' Heller)
und von daher auch Widerspiegelung der grundrechtlichabgestützten Beeinflussung wie Beschränkung staatlicher Gewalt ist. Allerdings schärft jene Kritik den Blickfür Strukturparallelen zwischen dem modernen, in gewisser Hinsicht refeudalisierten Staat mit seiner korporativen, quasi ständischen Segmentierung der Hoheitsgewalt und den Verhältnissen im alten Reich. DieseAuflockerung monolithischer S. läßt sich sowohl alsendgültiger Bruch mit der überkommenen Konzeptionwie auch als letztlich unausweichliche evolutionäre Weiterentwicklung desselben deuten.
5. Perspektiven
Neben vielfältigen Formen internationaler Verflechtung und völkerrechtlicher Bindung gewinnt gerade imBereich der /' Europäischen Gemeinschaften die Übertragung nationaler Hoheitsrechte auf zwischenstaatlicheEinrichtungen an Gewicht. Diese in Art. 24 GG ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit könnte sich als offene Flanke souveräner Binnenstaatlichkeit erweisenund im Ergebnis zu neuen Formen föderativer »Gemeinschafts-S." führen. Das Hauptproblern einer derartoffenen Staatlichkeit besteht darin, daß der S.sgedankein seiner modernen Gestalt genetisch mit der /' Nationals dem zentralen politischen Sinnprinzip verknüpft ist.Obwohl in manchen Staaten das Bewußtsein, ein einziger politischer Körper zu sein, erst Produkt der /' Staatsorganisation selbst ist, beruht auf dieser einheitsstiftenden Funktion (oder Fiktion) zu einem Großteil nochimmer die relative Stabilität parlamentarischer Repräsentation (/' Parlament, Parlamentarismus). Daher wirdmit der fortschreitenden Auflösung des souveränen Nationalstaates auch die demokratische Legitimation staatlicher Herrschaft prekär. - Mit neuen Problemen wirddas Konzept souveräner Staatlichkeit insofern konfrontiert, als neben wirtschaftlichen und wissenschaftlichenInterdependenzen die supranationalen Gefährdungspotentiale moderner Großtechnik die faktische Existenzeiner »Weltgesellschaft" (N. Luhmann) verdeutlichen.Angesichts dessen erscheint die Vorstellung einer uneingeschränkten S. des Einzelstaates - wie sie im Völkerrecht mit aller Schärfe noch von der Sowjetunion undden Entwicklungsländern vertreten wird - als »gefährliche Illusion" (Elias).
LITERATUR
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SOZIALI. Generelle Problematik. - ll. Soziologie des Sozialen
1. Generelle Problematik
I. Zum Begriff und seiner Geschichte
Bedeutungsumfang und Bedeutungsrelevanz des Wortes"sozial" (von lat. socialis = gesellig, gesellschaftlich, dieGesellschaft betreffend; Seneca: "homo sociale anima I")haben sich seit dem 19. Jh. und im besonderen Maßnach dem 2. Weltkrieg erheblich vergrößert. Im I' Naturrecht der Aufklärung (der I' Mensch ist von Natur ausein s.es Wesen) wird das Wort von der Rechtsphilosophie noch im alten Sinn gebraucht; z. B. werden H. Grotius und S. v. Pufendorf als "Socialisten" bezeichnet(Th. Schieder). Im 19. Jh. versammeln sich unter demWort S. zahlreiche politische, gesellschaftliche undkirchliche Bemühungen zur Lösung der Arbeiterfrage inder neuen I' Industriegesellschaft. Im 20. Jh. bezeichnets. ein Weltproblem der Politik.
In der alteuropäischen Gesellschaft ist deren Ordnung nicht eine Sache des Menschen (und einer I'Sozialpolitik), sondern sie ist durch göttliche Anordnung unddurch die Natur des Menschen vorgegeben. Die Menschen sind gemäß der Schöpfungsordnung ungleich unddas "dominium" (l' Herrschaft) ist gottgewollt; "socialiter" zu leben ist nicht eine Folge der Sünde. Die vita socialis aber bedarf eines Herrschers oder Vorstehers;denn viele streben vielerlei Güter an, das I' Gemeinwohlaber ist eines. Darum ist auch ein Herrscher gefordert("unum ut principale et dirigens"; Thomas von Aquin,S. th. I 96, 4). Mit dieser Begründung war die von /' Aristoteles überkommene naturale Begründung ("homo naturaliter est animal sociale") wohl vereinbar. Ungleichheit der Menschen und Herrschaft standen nicht zurDisposition, aber auch nicht das I' Recht.
2. Die Frage nach einer sozialen OrdnungDie mit der I' Aufklärung einsetzenden s.en Veränderungen kamen nicht zuletzt dadurch in Gang, daß eben dieses - die Ungleichheit oder I'Gleichheit der Menschenund die Legitimität der Herrschaft von Menschen überfreie Menschen - zur Disposition gestellt waren. Dabeiänderte sich nichts an dem naturalen Grundbestand,daß der Mensch ein s.es Wesen ist. Aber die alte s.e Ordnung löste sich auf, teils durch I' Revolution, teils durch
s.e und politische Evolution. Da keine neuen s.en Parameter für eine neue gesellschaftliche Ordnung zur Verfügung standen, verlagerte sich der s.e Impetus in denpolitischen Bereich. Die Menschen- und Bürgerrechte(l' Menschenrechte) waren zwar politischer Natur, hatten aber auch Bedeutung für die I' Ordnung der Gesellschaft. Die Ständegesellschaft (l'Stand) löste sich allmählich auf zugunsten der im Gefolge der Industrialisierung (l' Industrie I) sich bildenden I' "Klassen". DieTeilung der städtischen Gesellschaft in I' Proletariat undBürger (l' Bürger, Bürgertum) in I' Arbeit und I' Kapital,in Besitzlose und Besitzende bot keinen Ansatz für einlegitimes "dominium". Die Teilung der Gesellschaft inKlassen wurde auch gar nicht als eine gelungene neue s.eOrdnung angesehen, weit mehr als ein s.es Problem.Dieses sollte gelöst werden, sei es konservativ mit Blickauf die noch bestehenden Reste des Feudalismus (I' feudale Gesellschaft, feudaler Staat) und der Ständegesellschaft, sei es revolutionär mit dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft. Die "gerechte" s.e Ordnung war dasGesuchte. Aber weder der radikale I' Liberalismus nochdas Festhalten der kath. Kirche an der Ständeordnung,noch die marxistische Utopie (I' Marxismus) boten eintragfähiges Konzept. Trotz aller sozialpolitischen Errungenschaften blieb die Frage nach einer allgemein anerkannten Gesellschaftsordnung offen und umkämpft.Die mit "sozial" bezeichnete Problematik ist inzwischenomnipräsent geworden. Dementsprechend hat das WortS. auch in der Umgangssprache eine weite Verbreitunggefunden. In ethischer Bedeutung wird es zur Bezeichnung einer mitmenschlichen Einstellung verwendet undtritt vielfach an die Stelle alter Tugendnamen (wie z. B.Fürsorge, Barmherzigkeit, Mitgefühl, Gerechtigkeit).
3. Die "soziale Frage"Das Fehlen einer selbst-verständlichen (d. h. aus einerinneren Begründetheit einleuchtenden) s.en Ordnunghat zur Folge, daß sich gesellschaftliche Gruppierungenaufgrund gleichgearteter /' Interessen bilden und Interessenvertretungen aufbauen. Zu der durch konkurrierende Interessenvertretungen organisierten und repräsentierten Gesellschaft gehört eine charakteristischeNotsituation. Es ist die Situation jener Mitglieder einerGesellschaft, die keine Interessenvertretung als ihrenOrt gefunden haben. Zwischen den organisierten Gruppen bleiben Lücken. Die dort Befindlichen sind die jeweils "Armen". Die I'soziale Frage" ist vornehmlich dieFrage, wie die Interessen derer gewahrt werden, dienicht gesellschaftlich formiert und vertreten sind. In vielen Gesellschaften sind die Armen noch immer diegroße Zahl der wirtschaftlich und S. Schwachen (l' Armut). In anderen Gesellschaften sind es Minderheiten,Arbeitslose, Fremde, Suchtkranke, Vorbestrafte u.a. Siebleiben gegenüber der organisierten Gesellschaft "außerhalb": der neue Ort mit Namen "Elend".
Diese strukturelle Problematik der modernen Gesellschaft ist vielfach erörtert worden. In den verschiedenenPhasen hat die I' katholische Soziallehre konstruktiveBeiträge geleistet. Bischof W. E. v. /' Ketteler griff schon1848 ("Die großen s.en Fragen der Gegenwart") das Problem auf. Die I' Sozialenzykliken sind Dokumente einerpermanenten Aufmerksamkeit der Kirche auf die "Armen" in den Gesellschaften.
Wer in den verschiedenen Gesellschaften und in denjeweiligen Zeiten die Armen sind, ist Veränderungen unterworfen. Da das Problem einerseits strukturbedingt,das Betroffensein aber geschichtlich ist, wird es jeweilseine "neue soziale Frage" geben.
4. Politische Rahmenbedingungen
Die Allgemeinheit des s.en Problem bewußtseins hat unter heutigen Bedingungen zur Folge, daß innerhalb der