Soziale Wohngemeinschaft Gradačac Ein Zuhause für sozial ... · 6 Involvierte Akteure Hazima...

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1 Soziale Wohngemeinschaft Gradačac Ein Zuhause für sozial benachteiligte Frauen aus dem Bosienkrieg Projektbericht 2018

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Soziale Wohngemeinschaft Gradačac Ein Zuhause für sozial benachteiligte Frauen aus dem Bosienkrieg

Projektbericht 2018

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Der Bosnienkrieg und seine Folgen

Vor 25 Jahren, am 5. April 1992, begann der Bosnienkrieg. Mit der Einnahme des Flughafens der Hauptstadt Sarajevo durch die Jugoslawische Volksarmee (JNA) entwickelte sich zuerst in der Stadt und schliesslich im ganzen Land ein blutiger Konflikt. Mehr als 100‘000 Menschen starben während des vierjährigen Krieges.

Noch heute ist Bosnien-Herzegowina vom Krieg gezeichnet; die Volksgruppen der Bosniaken (muslimisch), Serben (mehrheitlich serbisch-orthodox) und Kroaten (mehrheitlich katholisch) le-ben weitgehend getrennt, grosse Teile des Landes sind durch Landminen belastet und die Wirt-schaftslage ist noch immer sehr schlecht.

Der Krieg hinterliess zahlreiche Witwen, die heute oft ohne familiären Rückhalt auf sich alleine gestellt leben. Die Frauen sind aufgrund ihrer Kriegserlebnisse teilweise noch stark traumatisiert und können sich ihren Lebensunterhalt häufig nicht selbst verdienen. Auch die finanzielle Unter-stützung des Staates, die Witwenrente, reicht bei Weitem nicht aus, alle lebensnotwendigen Kos-ten zu decken. Oftmals hindern diskriminierende Vorschriften die Frauen daran, staatliche Unter-stützung einzufordern. Infolgedessen leben viele Frauen verwahrlost und sind gezwungen, ihren Lebensunterhalt u.a. durch Betteln zu decken.

Die Folgen des Krieges im Kontext der Gemeinde Gradačac

Auch in der bosnischen Gemeinde Gradačac, im Kanton Tuzla, leben zahlreiche Frauen noch heu-te, 25 Jahre nach dem Krieg, unter sehr schlechten Lebensbedingungen. Obwohl den Behörden die Problematik bekannt ist, wird nur wenig zur Verbesserung der Situation unternommen. Das Angebot an Sozial- und Alterswohnungen beispielsweise ist stark begrenzt. Zudem sind viele der betroffenen Frauen den Sozialwerken erst gar nicht bekannt.

Ausgangslage

Soziale Wohngemeinschaft Gradačac Ein Zuhause für sozial benachteiligte Frauen aus dem Bosnienkrieg

Ingenieure Ohne Grenzen Schweiz (IngOG+) engagiert sich zusammen mit Hazima Smailović, einer geflüchteten Bosnierin, und den lokalen Behörden der Gemeinde Gradačac für den Aufbau und den Betrieb einer Wohngemeinschaft für alleinstehende sozial benachteiligte Frauen in Bosni-en. Mit dem Projekt wird ein Beitrag zum bisher fehlenden Angebot an Sozial- und Alterswohnun-gen geleistet und den Frauen eine neue würdige Perspektive geboten.

Gradačac

Bosnien nach dem Krieg (Quelle: https://www.suedkurier.de) Lageplan (Quelle: https://www.google.ch/maps)

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Projektziele

Die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen

Mit dem Projekt sollen die Lebensbedingungen und sozialen Verhältnisse von hilfsbedürftigen Frauen im Raum Gradačac verbessert werden. Ziel ist es, den vom Krieg gezeichneten Frauen ei-nen neuen Wohnraum zu bieten und somit eine Ergänzung zum bisher sehr begrenzten Angebot an Sozial- und Alterswohnungen zu leisten.

Ein Pilotprojekt als Best Practice Beispiel

Das Projekt soll als positives Beispiel dienen und aufzeigen, wie die Gemeinde diskriminierte oder vergessene Bevölkerungsgruppen unterstützen kann. Ein erfolgreiches Projekt kann dazu führen, dass andere Gemeinden im Kanton Tuzla oder in ganz Bosnien-Herzegowina ihre Angebote an Sozial- und Alterswohnungen neu denken und den betroffenen Frauen eine gewichtigere Stimme geben.

Projektidee

Das Haus

Im Umland der Gemeinde Gradačac soll ein Haus gebaut werden, das Wohnraum für sechs bis acht vom Krieg gezeichnete Frauen bietet. Mittels eines sorgfältig ausgearbeiteten architektonischen Konzeptes soll sichergestellt werden, dass den Frauen sowohl private als auch gemeinschaftliche Räume zur Verfügung stehen. Die umliegenden Freiflächen bieten Raum für einen Garten und landwirtschaftliche Nutzungen. Der Anbau von Gemüse und Getreide, sowie die Haltung von einigen Nutztieren sollen den Bewohnerinnen eine geregelte Tagesstruktur und die Chance einer weitgehenden Selbstversorgung ermöglichen, wie dies in vielen bosnischen Hauhalten üblich ist.

Das zur Verfügung stehenden Grundstück heute (Quelle: eigenes Foto)

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Die Bewohnerinnen

Die Bewohnerinnen leben gemeinsam in dem Haus und unterstützen sich gegenseitig im Alltag. Zudem beteiligen sie sich mit einem kleinen Beitrag an den Nebenkosten. Der Betrag orientiert sich an den finanziellen Einkünften der Frauen. Ziel ist es, dass die Wohngemeinschaft langfristig, eigenständig und im Sinne der Selbsthilfe sowie lokal gesteuert und organisiert werden kann.

Die Betreuungsperson

Die Frauen sollen im Grundsatz autonom leben, wobei sie von einer lokalen Betreuungsperson leicht begleitet und unterstützt werden. Die für die Betreuung zuständige Person arbeitet vor Ort zu einem kleinen Pensum. Damit die Qualität der Betreuung garantiert ist und die Bewohnerinnen gut versorgt werden, erhält die Betreuungsperson durch das Sozialdepartement der Gemeinde Gradačac im Voraus eine hierfür angemessene Ausbildung. Die Betreuungsperson wird bereits bei der Auswahl der Bewohnerinnen aktiv miteinbezogen.

Der Verein „Velica Kuća“

Damit der langfristige Betrieb der Wohngemeinschaft garantiert ist, wird das Projekt vom Schwei-zer Verein „Velica Kuća“ getragen. Der Verein besteht sowohl aus Personen aus der Schweiz als auch aus Bosnierinnen und Bosniern. Eine Geschäftsleiterin soll den Verein vor Ort repräsentie-ren. Ihre Aufgabe ist es, die Vereinstätigkeit zu koordinieren, die Betreuung der Frauen zu sichern und den Dialog zwischen allen involvierten Akteuren zu fördern. Die für den Betrieb benötigten Mittel werden durch Fundraisingaktivitäten des Vereins und mit der Unterstützung der Gemeinde Gradačac gedeckt.

Die lokale Verankerung

Es ist eine Verknüpfung mit lokal verankerten Organisationen, die ähnliche Zielgruppen in der Re-gion unterstützen, geplant. Damit kann der Austausch zwischen den verschiedenen Akteursgrup-pen gefördert sowie das Projekt lokal verankert und bekannt gemacht werden.

Die künftige Bewohnerin Nura Ismajlović (Quelle: eigenes Foto) ....und ihr heutiges Zuhause (Quelle: eigenes Foto)

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Architektur

Individualität und Gemeinschaft

Ein Haus bietet naturgemäss Schutz und Geborgenheit. Bei dieser Aufgabe ging es jedoch nicht nur darum ein Haus, sondern ein ganzes Lebensumfeld zu entwerfen: Ein Ort des Alltags, der so-wohl Intimität wie auch Begegnung ermöglicht.

Die Entscheidung, das Haus auf einem Geschoss zu organisieren, führte bald zur Frage der Nähe und der Distanz. Wie ermöglicht man zwangloses Zusammenleben unterschiedlichster Persön-lichkeiten unter einem Dach? Die Mitte des Hauses fasst den grössten Raum, dessen Nutzung zugleich am geringsten determiniert ist. Er schafft räumliche Distanz zwischen den Zimmern und kann unterschiedlich bespielt werden: Als Festraum, als Arbeitsstätte oder als Sommerküche. Umfasst wird er von Zimmern auf der Ost- und Westseite sowie von einer Küche und einem Win-tergarten auf der Nord- und Südseite. Trotz dieser einfachen und klaren Anordnung werden ver-schiedene Grade zwischen individuellem und gemeinschaftlichem Wohnen angestrebt. So wird kein Zimmer direkt über die Halle erschlossen und es werden unterschiedliche Wege durch das Haus ermöglicht.

Eine graduelle Konstruktion

Diese Gradierung wird auch in der Konstruktion und beim Betrieb fortgesetzt. Um ein robustes, kostengünstiges und effizientes Gebäude zu erstellen, werden die Bauteile raumspezifisch in un-terschiedlicher Komplexität und Feinheit ausgeführt. Es wird darauf geachtet, dass wenn möglich standardisierte Teile zum Einsatz kommen und ein hoher Wiederholungsgrad besteht. Um die Betriebskosten niedrig zu halten, soll das Haus je nach Jahreszeit unterschiedlich bewohnt wer-den können. So ist vorgesehen, dass gewisse Räume im Winter lediglich passiv geheizt werden.

Grundriss der geplanten Wohngemeinschaft

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Involvierte Akteure

Hazima Smajlović

Hazima Smajlović ist Initiantin des Projektes. Die gebürtige Bosnierin lebte bis 1993 in Gradačac. Zu Beginn des Bosnienkrieges flüchtete sie in die Schweiz und lebt noch heute in Basel. Hazima besitzt im landwirtschaftlich geprägten Umland von Gradačac ein Familiengrundstück. Gewillt sozial bedürftigen Frauen eine bessere Perspektive zu geben, stellt Hazima ihr Grundstück für die Umsetzung des Projekts zur Verfügung.

IngOG+

Ingenieure Ohne Grenzen Schweiz (IngOG+) ist ein Verein, der im Bereich der Entwicklungszu-sammenarbeit tätig ist. IngOG+ besteht aus Ingenieurinnen und Ingenieuren, die ihr Fachwissen bei der Erarbeitung von Infrastrukturprojekten einbringen. Die Tätigkeitsbereiche beinhalten die Planung, die Realisierung und die Instandhaltung von Projekten sowie der Wissenstransfer und die Beratung anderer NGO‘s in Ingenieursaufgaben. Ziel ist die direkte Zusammenarbeit mit lo-kalen Organisationen und der betroffenen Bevölkerung. Im Rahmen des vorliegenden Projektes übernimmt der Verein die Projektleitung, koordiniert die Planung sowie den Betrieb des Hauses, begleitet den Aufbau der Wohngemeinschaft, organisiert die Zusammenarbeit aller involvierten Akteure und garantiert die Finanzierung (Fundraising).

Architektinnen und Architekten

Ein Team aus vier Schweizer ETH-Architekten (Nemanja Zimonjic, Céline Bessire, Matthias Winter, Lukas Burkhart) übernimmt die Planung des für die Wohngemeinschaft vorgesehenen Hauses. Das Team arbeitet eng mit einem bosnischen Architekten zusammen, der die Ausführung sowie die Leitung des Baus übernimmt. Ein weiterer Architekt aus Gradačac prüft die baurechtlichen Aspekte des Hauses und unterstützt das Schweizer Team bei der Einholung der erforderlichen Bewilligungen. Die Realisierung des Hauses wird an eine lokale Baufirma vergeben.

Gemeinde

Die Gemeinde Gradačac nimmt im Projekt eine aktive Rolle ein. Sie unterstützt den neu gegründeten Verein bei der Auswahl der Bewohnerinnen, übernimmt die Ausbildung der Betreuungsperson und beteiligt sich finanziell am Betrieb der Wohngemeinschaft.

Involivierte AkteurInnen: IngOG+ mit Nura und Hazima Ismajlović (Quelle: eigenes Foto)

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Kosten und Zeitplan

Kosten

Sämtliche Projektkosten werden durch Fundraising gedeckt. Hierbei integriert sind die Kosten für die Planung, den Bau sowie für den Betrieb der Wohngemeinschaft (für das erste Jahr). Die langfristigen Betriebskosten werden schliesslich vom neu gegründeten Verein „Velica Kuća“ ge-deckt. Die Planungsarbeiten in der Schweiz erfolgen ehrenamtlich. Das Grundstück in Bosnien wird durch die Projektinitiantin Hazima Smajlović zur Verfügung gestellt.

Eine Übersicht über die Projektkosten kann der untenstehenden Tabelle entnommen werden. KostenProjektorganisation, Planung und Bewilligungen 15‘700 CHFBaukosten (Rohbau, Innenausbau, Einrichtung) 100‘000 CHFBetrieb 1. Jahr 9‘000 CHFTotal 124‘700 CHF

Zeitplanung

Nachstehend sind die wichtigen Meilensteine des Projektes aufgelistet. Ziel ist es, dass die Frau-en Mitte des nächsten Jahres in das Haus einziehen können. ZeitplanungEntwurf, Vorprojekt September 2017 – Februar 2018Bauprojekt, Submission März 2018 – Juni 2018Ausführung Rohbau Juli 2018 – Dezember 2018Innenausbau, Einrichtung Dezember 2018 – April 2019

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Projekterfolg und Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit

Das langfristige Ziel des Projektes ist die nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen der Frauen sowie die Verankerung des Projektes als Best Practice Beispiel für weitere ähnliche Vorha-ben in der Region. Um dies zu gewährleisten, ist die Einbindung und der regelmässige Kontakt zu den lokalen Akteuren (Gemeinde, Betreuungsperson, Bewohnerinnen), die Verknüpfung des Pro-jektes mit anderen lokalen Projekten sowie die wiederkehrende Prüfung der Projektmassnahmen durch den Trägerverein unabdingbar.

Auswahl der Bewohnerinnen

Zur Abklärung der effektiven Nachfrage und der Bereitschaft sich an solch einem Projekt zu beteiligen, wurden Ende des letzten Jahres Gespräche mit insgesamt 15 Frauen geführt. Die Auswahl dieser Frauen erfolgte aufgrund verschiedener Kriterien (Wohnort, Lebenssituation, Alter etc.). Sieben der befragten Frauen sind aktuell daran interessiert, in die Wohngemeinschaft zu ziehen. Der Entscheid, wer schliesslich in die Wohngemeinschaft einzieht, wird sorgfältig und in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Gradačac und der Betreungsperson getroffen.

Rechtliche Herausforderungen

IngOG+ wird durch schweizerische und bosnische Rechtsberater unterstützt. Damit wird die Rechtssicherheit bei der Zusammenarbeit mit der Gemeinde Gradačac sowie der Realisierung des Hauses auf dem privaten Grundstück garantiert.

Besichtigung vor Ort: IngOG+ mit Hazima und Nura Ismajlović (Quelle: eigenes Foto)

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Projektunterstützung

Damit das Projekt erfolgreich durchgeführt werden kann, sind wir auf Spenden angewiesen. Mit Ihrem finanziellen Beitrag helfen Sie uns dabei, dass die Frauen in ihre Wohngemeinschaft in Gra-dačac ziehen können. Wir danken Ihnen für Ihre Spende.

E-Mail [email protected]

Kontoangaben IBAN: CH47 0900 0000 6015 4664 3 Name der Bank: Postfinance BIC: POFICHBEXXX Clearing Number: 09000 Zahlungsweck: Projekt Bosnien

Adresse Ingenieure Ohne Grenzen Schweiz ETH Hauptgebäude Postfach 8092