Soziologiemagazin Nr. 5: Tod und Sterben

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Liebe Leser_innen,wir freuen uns, Euch nunmehr unser 5. Heft präsentieren zu können. Wie bereits bei den letzten Call4Papers wurde das Thema absichtlich weit und offen gehalten. Und so erreichten uns auch zum Titel „Geburt – Leben – Tod“ Beiträge, die mit ganz unterschiedlichen Fragestellungen an diesen Themenkomplex herangingen. Nach dem zweistufigen Reviewverfahren haben es leider nur Beiträge zum Thema Tod in das Heft geschafft, weshalb wir uns entschlossen haben, den Titel der aktuellen Ausgabe zu ändern.Wie immer möchten wir den Autor_innen für ihre Einsendungen danken, die Euch mit Sicherheit neue Blickwinkel aufzeigen werden. Ein ungewöhnliches Begräbnis wird Euch Stefan Wallaschek aus Sicht der symbolischen Ethnologie zeigen. Es folgt eine soziologische Betrachtung des Todes von Matthias Meitzler, der den Tod als ambivalentes Phänomen in den Blick nimmt. Denn jede_r weiß, dass sie_er sterben muss, aber niemand kann danach von ihren_seinen Erfahrungen berichten.An die wissenschaftlichen Beiträge schließt, mit der Rubrik „Teilnehmende Beobachtungen“, der redaktionelle Teil des Magazins, in dem es zum Einen wiederum um die Themen Tod und Sterben geht, zum Anderem aber auch das Thema Leben nicht zu kurz kommt.Zu Beginn steht ein Kurzinterview mit Prof. Hubert Knoblauch über Tod und tote Körper, welches von Benjamin Köhler geführt wurde. Diesem schließt sich der Beitrag Tina Webers zur Darstellung von toten Körpern in TV-Serien des 21. Jahrhunderts an. Zur Frage des Deutungsverlustes von Zeichensystemen führten Maria Muck und Jakob Seelig im Rahmen einer Projektarbeit eine Studie durch. In ihrem Artikel präsentieren sie die interessanten Ergebnisse zum Verhalten beimÜberqueren einer Ampel.Benjamin Lipp führte ein spannendes Interview mit Professor Michel Maffesoli von der Pariser Universität Sorbonne, über Vergemeinschaftung und die Soziologie des Alltäglichen. Katharina Loy beschäftigt sich in Ihrem Beitrag mit den sozialen Auswirkungen von Auslandsadoptionen und betrachtet diese als Form der sozialen Reproduktion. Florian Boner rezensiert das, vor allem im anglophonen Wissenschaftsdiskurs einflussreiche, Buch „Top Girls“ (2010) der Britin Angela McRobbie, in dem es um durch den Feminismus selbst hervorgebrachte, neue post-feministische Abhängigkeiten geht. Es folgt eine Darstellung des Nachwuchsnetzwerks ‚Neue Perspektiven auf Soziale Bewegungen und Protest‘ von Jochen Roose und Peter Ullrich. Den Abschluss bilden zwei Tagungs- beziehungsweise Kongressberichte. Sebastian Kabst berichtet von der ersten studentischen Fachtagung „Protest und Demokratie“ der Deutschen Nachwuchsgesellschaft für Politik- und Sozialwissenschaft e.V. Das Team des dritten Studentischen Soziologiekongress hat für euch die drei-tägige Veranstaltung zusammengefasst. Mit diesem Kongress ist auch eine Veränderung im soziologiemagazin e.V. verbunden.Wir machten den Kongress im Oktober 2011 zum Rahmen der jährlichen Mitgliederversammlung. Bei diesem Anlass wurden Benjamin Köhler und Maik Krüger zum neuen Vorstand des Vereins gewählt. Sie lösen damit den seit 2009 bestehenden Vorsitz von Maria Hofmann und Florian Döring ab. Aus der Redaktion verabschiedet haben sich auch Christian Eberlei, Werner Krause, Christoph Schubert und Steffen Zierold. Ihnen allen gilt großer Dank für ihre Initiative, ihr Engagement, viele Ideen und wir freuen uns, dass sie dem Verein als Mitglieder erhalten bleiben. Nicht weniger enthusiastisch zeigen sich die neuen Mitglieder des Redaktionsteams. Mit bewährten Mitteln und neuen Ideen haben wir diese 5. Ausgabe des Studentischen Soziologiemagazins zusammengestellt und laden zugleich ein, Euch selbst einzubringen. Ob durch gelegentliche Kritik, Anregungen und Wünsche oder als regelmäßige Teilnehmer_innen an Onlinemeetings der Redaktion, Mitgliederversammlungen etc. Am einfachsten könnt Ihr per E-Mail über [email protected] mit uns Kontakt aufnehmen.Für jene, die sich mit wissenschaftlichen

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Ein ungewhnliches BegrbnisStefan WallascheckTod sind immer nur die AnderenMatthias MeitzlerDer Tod steht ihr gutTina WeberAuerdem: Tagungsberichte zum 3. Studentischen Soziologiekongress und zur ersten Fachtagung derDNGPS, Interviews, Rezensionen u.v.m.Tod und SterbenTod und SterbenFoto von KREYC auf flickr.com (CC BY-SA 2.0) Deutschlandweites Magazin fr Studierende und SoziologieinteressierteAusgabe 1 | Jg. 5 |2012Kostenloses E-Journalwww.soziologiemagazin.dePublizieren statt archivierenAusgabe 1 | 2012 Seite 2EDITORIAL Tod und SterbenLiebe Leser_innen, wir freuen uns, Euch nunmehr unser 5. Hefprsentierenzuknnen.Wiebe-reits bei den letzten Call4Papers wurde das Tema absichtlich weit und ofen ge-halten. Und so erreichten uns auch zum Titel Geburt Leben Tod Beitrge, diemitganzunterschiedlichenFrage-stellungenandiesenTemenkomplex herangingen.Nachdemzweistufgen Reviewverfahrenhabenesleidernur Beitrge zum Tema Tod in das Hef ge-schaf,weshalbwirunsentschlossen haben, den Titel der aktuellen Ausgabe zu ndern. Wie immer mchten wir den Autor_in-nen fr ihre Einsendungen danken, die EuchmitSicherheitneueBlickwinkel aufzeigen werden. Ein ungewhnliches Begrbnis wird Euch Stefan Wallaschek aus Sicht der symbolischen Ethnologie zeigen.EsfolgteinesoziologischeBe-trachtungdesTodesvonMathias Meitzler, der den Tod als ambivalentes PhnomenindenBlicknimmt.Denn jede_rwei,dasssie_ersterbenmuss, aber niemand kann danach von ihren_seinen Erfahrungen berichten. AndiewissenschaflichenBeitrge schliet, mit der Rubrik Teilnehmende Beobachtungen, der redaktionelle Teil des Magazins, in dem es zum Einen wie-derum um die Temen Tod und Sterben geht, zum Anderem aber auch das Te-ma Leben nicht zu kurz kommt. Zu Beginn steht ein Kurzinterview mit Prof.HubertKnoblauchberTodund tote Krper, welches von Benjamin Kh-ler gefhrt wurde. Diesem schliet sich derBeitragTinaWeberszurDarstel-lung von toten Krpern in TV-Serien des 21. Jahrhunderts an. Zur Frage des Deu-tungsverlustesvonZeichensystemen fhrten Maria Muck und Jakob Seelig im Rahmen einer Projektarbeit eine Studie durch. In ihrem Artikel prsentieren sie dieinteressantenErgebnissezumVer-halten beimberqueren einer Ampel.BenjaminLippfhrteeinspannendes InterviewmitProfessorMichelMafe-solivonderPariserUniversittSor-bonne,berVergemeinschafungund die Soziologie des Alltglichen. Katha-rina Loy beschfigt sich in Ihrem Bei-tragmitdensozialenAuswirkungen vonAuslandsadoptionenundbetrach-tetdiesealsFormdersozialenRepro-duktion.FlorianBonerrezensiertdas, vorallemimanglophonenWissen-schafsdiskurseinfussreiche,Buch TopGirls(2010)derBritinAngela McRobbie, in dem es um durch den Femi-nismusselbsthervorgebrachte,neue post-feministischeAbhngigkeiten geht. Es folgt eine Darstellung des Nach-wuchsnetzwerksNeuePerspektiven aufSozialeBewegungenundProtest von Jochen Roose und Peter Ullrich. Den Ausgabe 1 | 2012 Seite 3AbschlussbildenzweiTagungs-bezie-hungsweiseKongressberichte.Sebasti-anKabstberichtetvondererstenstu-dentischenFachtagungProtestund DemokratiederDeutschenNach-wuchsgesellschaf fr Politik- und Sozi-alwissenschaf e.V. Das Team des driten StudentischenSoziologiekongresshat fr euch die drei-tgige Veranstaltung zusammengefasst. Mit diesem Kongress istaucheineVernderungimsoziolo-giemagazin e.V. verbunden. Wir machten den Kongress im Oktober 2011zumRahmenderjhrlichenMit-gliederversammlung.BeidiesemAn-lass wurden Benjamin Khler und Maik Krger zum neuen Vorstand des Vereins gewhlt.Sielsendamitdenseit2009 bestehendenVorsitzvonMariaHof-mannundFlorianDringab.Ausder Redaktionverabschiedethabensich auch Christian Eberlei, Werner Krause, Christoph Schubert und Stefen Zierold. Ihnen allen gilt groer Dank fr ihre In-itiative, ihr Engagement, viele Ideen und wir freuen uns, dass sie dem Verein als Mitglieder erhalten bleiben. Nicht weni-ger enthusiastisch zeigen sich die neuen MitgliederdesRedaktionsteams.Mit bewhrten Miteln und neuen Ideen ha-ben wir diese 5. Ausgabe des Studenti-schenSoziologiemagazinszusammen-gestelltundladenzugleichein,Euch selbst einzubringen. Ob durch gelegent-liche Kritik, Anregungen und Wnsche oderalsregelmigeTeilnehmer_in-nen an Onlinemeetings der Redaktion, Mitgliederversammlungen etc. Am ein-fachstenknntIhrperE-Mailberre-daktion@soziologiemagazin.demit uns Kontakt aufnehmen. Fr jene, die sich mit wissenschaflichen Artikeln zu den Bereichen Wirtschafs-, Finanz-undArbeitssoziologieeinbrin-gen mchten, ist das Call4Papers auf der letzten Seite besonders interessant. Da-mit nehmen wir uns der, zum 3. Studen-tischen Soziologiekongress geuerten, Kritik an, dass die Soziologie dieses Feld indenletztenJahrenmehrundmehr denWirtschafswissenschafenber-lassen hat, und mchten mit der Wahl dieses Schwerpunktes fr unser nchs-tes Hef ein Stck weit Abhilfe schafen. Wer schon vor Erscheinen der nchsten AusgabeeinensoziologischenBeitrag zu aktuellen Temen, Konferenzen oder Publikationenverfentlichenmchte, bekommt dazu auf dem Blog des Studen-tischenSoziologiemagazinsGelegen-heit. Mehr Information hierzu fndet Ihr unter:htp://www.soziologiemagazin.de/blog/blogbeitrag-verfassen/Wir wnschen allen Leserinnen und Le-sern, dass sich die guten Vorstze und Wnsche fr das neue Jahr bewahrhei-ten werden. Auch das Redaktionsteam des SSM hat sich fr 2012 einiges vorge-nommen, das es nun umzusetzen gilt. Herzlichst, Mandy Hyna & Anne KrnkelAusgabe 1 | 2012 Seite 4InhaltEditorial 2Tod und Sterben Zur Soziologie des LebensendesEin ungewhnliches Begrbnis 5 Stefan Wallascheck Tot sind immer nur die anderen22 Matthias MeitzlerTeilnehmende BeobachtungenTod und tote Krper 41 Ein Kurzinterview mit Hubert KnoblauchDer Tod steht ihr gut 46 Tina WeberDie interaktive Sterblichkeit der Dinge 52 Jakob Seelig und Maria MuckDie wahre Kultur zeichnet sich durch ihre Banalitt aus 63 Ein Interview mit Michel Maffesoli Auslandsadoption als Form sozialer Reproduktion71 Katharina-Maria LoyTop Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes81 Eine Rezension von Florian BonerNeue Perspektiven auf auf Soziale Bewegungen und Protest 87 Ein Nachwuchsnetzwerk stellt sich vor von Jochen Roose & Peter UllrichProtest und Demokratie 92 Ein Bericht zur 1. Fachtagung der DNGPS von Sebastian KabstKomplexe neue Welt 96 Ein Bericht vom 3. Studentischen SoziologiekongressTagungen und Kongresse 98 Workshops99 Impressum 100 Call4Papers104 zur sechsten Ausgabe Wirtschaft - Arbeit - MrkteAusgabe 1 | 2012 Seite 5Ein ungewhnliches BegrbnisEin Ritual aus der Perspektive der symbolischen Ethnologie von Stefan Wallaschek Yvonne Neis/fickr Ausgabe 1 | 2012 Seite 6Rituale fnden sic in allen Gesellscafen undEthnien.Siedienenmeistdazu,be-stimmteLebensabscnitezumarkieren. Das Begrbnisritual kann sowohl profan als auc sakral geprgt sein. Der US-Eth-nologe Cliford Geertz hat in seiner Feld-forscung auf Java in den 1950ern ein Be-grbnisritualbeobactet,welcesentge-gen der tradierten Praxis verlief. Auf die-senAusnahmefallsollanhandGeertz Feldforscung nher eingegangen werden. Seine Herangehensweise, welce der sym-boliscen und interpretativen Ethnologie zugeordnet werden kann, wird dabei n-herbetractet,jedocauckritiscbe-leuctet.Sclielicsollgezeigtwerden, dass an Geertz Feldforscung anzuknp-fen nict falsc ist, die Perspektive jedoc erweitert werden muss. Aus diesem Grund wird in einem Exkurs auf das Modell sozi-ales Drama von Victor W. Turner einge-gangen.DieethnologiscePerspektive kann hier als wictige Ergnzung fr die Soziologie angesehen werden. Das Begrbnis als RitualWas du auch anstellst, wie du dich auch aufspielst als Mensch bist du geboren und wirst als Mensch sterben, sagt der 60-jhrige Pilger zum Baron in Nacht-asyl (Gorki 2011: 23).Doch ist es so einfach? Reicht allen Men-schen diese Erklrung oder wird nicht gerade versucht, alle Lebensphasen mit Sinnzuerfllen,indembestimmte PraktikenundZeremonienzelebriert werden?Ritualtheorien scheinen hier in ein Feld vorzudringen,dasdieReligionsfor-schunglangeZeitwenigbeachtethat und die Sozial- und Kulturwissenschaf-tenbereingemeinsamesTemaver-bindet (vgl. Wulf/Zirfas 2004). In Zeiten, indenenversuchtwird,dieSkulari-sierungsthese empirisch in Europa zu prfen (vgl. Pickel 2010), fllt auf, dass Rituale nicht nur im sakralen, sondern auchimprofanenBereichpraktiziert werden. Viele Rituale haben gemeinsam, dass sie die Schwelle von einem Status in den anderen bilden; Arnold van Gennep nannte sie demzufolge rites de passage (dt.: bergangsriten, van Gennep 2005) Der nunmehr in der vierten Aufage er-schieneneSammelbandzuRitualtheo-rien zeigt die Bandbreite dieser Subdis-ziplin auf (vgl. Belliger/Krieger 2008).Die Bedeutung des Begrbnisses eines toten Menschen als Ritual ist insofern besonders, weil es den Abschluss des Le-bens darstellt und in verschiedenen Re-ligionen zugleich den Schrit in ein an-Ausgabe 1 | 2012 Seite 7deres Bezugssystem ofenbart. Somit ist es nicht nur fr die Toten wichtig, auch fr deren Angehrige spielt es eine be-deutendeRolle.Dochwaspassiert, wenn vermeintlich tradierte Verfahren und Handlungen von den Ritualteilneh-mer/inneninfragegestelltwerden? Wenn gesellschafliche Vernderungen sich auf den Alltag auswirken? So einen FallbeschriebderUS-EthnologeClif-ford Geertz (1926-2006).Geertz nimmt in der Ethnologie eine be-sondere Stellung ein. Einerseits gehrt er zu den US-amerikanischen Ethnolo-gen/innen, die ber ihre Disziplin hin-aus bekannt sind und angrenzende Wis-senschafenbeeinfussthaben.Ande-rerseitshaterkeinopusmagnumge-schrieben, sondern diverse Essay- und Artikelsammlungenverfentlicht.Er hat zudem keine Schule begrndet, die sich explizit auf ihn sttzt. Trotzdem hat Geertz Artikel verfasst, wie z. B. Deep Play:NotesontheBalineseCockfght (1972) (vgl. auf Deutsch Geertz 1987e), die vielfach rezipiert und kritisiert wurden. ImMitelpunktderfolgendenArbeit steht ein eher unbekannter Text, der auf seinenFeldforschungenaufJavazwi-schen 1952 und 1954 basiert. Es geht um einBegrbnisritual,welchesnichtso verlief, wie die Tradition es vorgab. Ge-ertzversucht,die[komplexe]Aufas-sung der Beziehungen zwischen religi-sen Vorstellungen, religisen Praktiken und skularem sozialen Leben heraus-zuarbeiten (Geertz 1987c: 101).Im Folgenden wird kurz auf Geertz Stel-lung in der Ethnologie und speziell auf diesymbolischeEthnologieeingegan-gen,woraufindiekonkreteBeschrei-bungdesBegrbnisritualserfolgt.Da-nachsollineinemExkursdasModell soziales Drama des britischen Ethnolo-gen Victor W. Turner betrachtet werden, umdieGeertzscheRitualbetrachtung zuerweitern.ZumSchlusswirdunter EinbeziehungkritischerStimmenein Fazit gezogen. Dabei soll gezeigt werden, dassdieinterpretativeHerangehens-weiseGeertzgepaartmitdem Turnerschen Ansatz fr die Soziologie eineMglichkeitbte,sichaufnicht-standardisierter Basis mit sozialen Ant-agonismen auseinanderzusetzen.Cliford Geertz Geertz ist der wichtigste Vertreter der symbolischen Ethnologie und wird hin-sichtlich seiner historischen Bedeutung in einem Atemzug genannt mit Claude Lvi-Strauss und Bronislaw Malinows-ki(Kumoll2006:271).Erlsstsichje-doch nicht wie Lvi-Strauss dem franz-sischen Strukturalismus oder Malinow-ski dem britischen Funktionalismus, ei-nergrandtheoryzuordnen.Geertz wird sowohl der symbolischen Ethnolo-gie zugerechnet, als auch als Wegberei-terderinterpretativenAnthropologie bezeichnet (vgl. Fuchs 2001: 124). In dem ZusammenhangmerktWernerPeter-mannkritischan,dasseinesinnvolle Unterscheidung beider Richtungen und Ausgabe 1 | 2012 Seite 8gerade im Werk von Geertz kaum mg-lichsei(vgl.Petermann2004:988).Zu-dem hat Geertz in den 1980ern durch sei-ne Verknpfung von Ethnologie und Li-teraturwissenschafdieWriting-Cul-ture-Debate ausgelst (vgl. Fuchs 2001: 283).Sein Werk zeichnet sich durch eine star-ke Interdisziplinaritt aus. So bezieht er den Begrif dichte Beschreibung vom PhilosophenGilbertRyle(vgl.Geertz 1987a: 10) und die hermeneutische Her-angehensweiseandenForschungsge-genstandKultur,welcheralsTextver-standen wird, von Paul Ricoeur (vgl. Ge-ertz 1987e: 253). Des Weiteren ist Ludwig Witgenstein,wennesumdieBedeu-tungvonSpracheundSymbolengeht, wichtig (vgl. Geertz 1987d: 261). Schlie-lich formuliert Geertz in Anlehnung an Max Weber und Talcot Parsons seinen Kulturbegrif (s. u.).HervorzuhebenistbeiGeertzderBe-grif der Interpretation. Er geht davon aus,dassder/dieEthnologe/inkeine universellen Gesetze fndet, sondern je-weils nur deuten kann, was er oder sie sieht, erlebt und erzhlt bekommt (vgl. ausfhrlichinGeertz1987f).Wieer selbstschreibt,entstehederVerdacht, als sei die ethnologische Forschung eher eine Sache der Beobachtung und weni-ger eine der Interpretation, whrend es sich in Wirklichkeit umgekehrt verhlt (Geertz: 1987a: 14). Dabei gehe es explizit nicht um die eine richtige Interpretation, sondern um die Betonung der Vielfltig-keit einer Sache. Er nennt das auch Inter-pretationerster,zweiteroderdriter Ordnung. Der ersten Ordnung vermag der/dieEthnologe/innurnherzutre-ten,wenner/siesichmitdem/derKul-turangehrigenunterhalte.Alleweite-renQellenwieFilmoderTextseien schon Interpretationen der Interpretati-on (vgl. ebd.: 22f.; vgl. Fuchs 2001: 125). Hierwrekritischanzumerken,dass schonalleindieAuswahlderInfor-mant/innen bei der Feldforschung eine Interpretation im Geertzschen Sinne ist. Geertz wirf eine wichtige methodische Frage auf, kann sie aber selbst nur unzu-reichend beantworten. Das habe gem Franz-PeterBurkhardzurFolge,dass erstensder/dieEthnologe/inseltenob-jektiveSachverhalteerforscheund zweitensdieInterpretationkaumals falschangesehenwerdenknne(vgl. Burkard 2005: 130). Es komme darauf an, dass nicht nur statistische Fakten und amtlicheDatengesammeltwerden. Statdessen sollen die Handlungen und dasVerhaltenderAkteureebensoim Vordergrund stehen wie die Frage, wel-che Symbole was bedeuten und welche Hintergrnde fr den Sachverhalt rele-vant seien. Die Interpretation sollte so sein,dasssieden/dieLeser/inmiten hineinindas,wasinterpretiertwird, [versetzt] (Geertz 1987a: 26).Symbole sind fr Geertz die Grundlage, auf der eine Kultur basiert. Objekte wer-den von Menschen als Symbole gedeutet undbildeneinselbstgesponnenesBe-Ausgabe 1 | 2012 Seite 9deutungsgewebe,welchesGeertzals Kultur ansieht (ebd.: 9). Kultur sei zu-demetwasfentliches,weilBedeu-tungetwasfentlichesist(ebd.:18). Symbolesinddeshalbineinandergrei-fendeSystemeauslegbarerZeichen (ebd.: 21). Er fhrt weiter aus:[Einige] verwenden ihn [den Symbolbe-grif, S. W.] fr alle Gegenstnde, Hand-lungen, Ereignisse, Eigenschafen oder Beziehungen, die Ausdrucksmitel einer Vorstellungsind,wobeidieseVorstel-lungdieBedeutungdesSymbolsist; eben diesem Ansatz werde ich mich an-schlieen (Geertz 1987b: 49).RitualeseienindiesemKontextvon eminenter Bedeutung, da sie kollektiv gltigeRegelnfrdasVerhaltendes Einzelnen gegenber dem Heiligen be-inhalten (Haller 2010: 249). Sie weisen je-dochauchvielfltigeAusprgungen vondamitverknpfenGegenstnden, Handlungen,EreignissenoderBezie-hungenauf,diebestimmteVorstellun-gen ausdrckten. D. h., die Rituale besit-zen Symbolcharakter, wrden eine Kul-tur im Sinne des Partikularismus, den Geertz vertrat (vgl. Pals 1996: 258), ein-zigartig machen.Die symbolische EthnologieDiesymbolischeEthnologieistinden spten 1960ern in der US-Ethnologie zu einer wichtigen Teorie geworden (vgl. Spencer2003:535)wobeieigentlich keineeinheitlicheTeorieexistiert, sondernsichverschiedeneHerange-hensweisen herausgebildet haben. Wie Karl-Heinz Kohl festhlt, wurde das Au-genmerk dabei weniger [auf] [das] Er-klren als [auf] [das] Verstehen gelegt (Kohl2002:166).Einhermeneutisches Vorgehenwirddemnachalsunerls-slich angesehen (vgl. ebd.: 167), um die eigenen Haltungen und das eigene Wis-seninfragezustellen,zuberdenken. Man knne demnach sagen, dass [im] Mitelpunkt der Untersuchung [] Sym-bole, also Zeichen, die auf komplexe ko-gnitiveSachverhalteverweisen,[ste-hen] (Mischung 2003: 211).Die Forscher/innen bestimmen den Be-grif Symbol weder einheitlich noch ein-deutig. Er wird von Dorle Drackl hn-lich wie bei Geertz wie folgt defniert:[]einObjekt,eineHandlung,Bezie-hung oder ein Sprachvorgang, die stell-vertretend fr etwas anderes stehen. Im Gegensatzzumkonventionalisierten Zeichenwirken[Symbole]assoziativ, sindinhaltlichnichteindeutigzube-stimmen (Drackl 1999: 363).Gerade diese Aufzhlung macht es fr die/den Ethnologin/en interessant, aber auch schwer, sich mit Symbolen zu be-schfigen.GegenberdieserDefniti-on,dieversucht,mglichstalleArten von Symbolen aufzuzhlen, gibt es auch Minimaldefnitionen.Soerklrtder Ethnologe David Schneider Symbole als something which stands for something else (zit. nach Spencer 2003: 537). Damit schaf Schneider eine Beliebigkeit, was ein Symbol ist. Das macht es fr die/den Ausgabe 1 | 2012 Seite 10Forschende/n schwierig, diese Defniti-on konkret anzuwenden. Zudem sollte sichder/dieForscher/inbewusstsein, dass es nicht das Symbol mit der einen Bedeutung gibt. Denn alles ist in einem historischen, kulturellen und sozioko-nomischem Kontext zu sehen, der nicht vernachlssigtwerdensollte;Symbole sinddemnachmultivokal(vgl.Haller 2010: 65). Jonathan Spencer hlt es wie folgt fest: Whose meanings are these the ethnographers, his gifed native in-formant, all the participants in the ritu-al? (Spencer 2003: 536).Im Folgenden soll das von Geertz beob-achtete Ritual im Mitelpunkt stehen. Es geht um ein Begrbnis, welches in der Stadt Modjokuto im stlichen Zentralja-va statgefunden hat. Die Besonderheit war, dass das Ritual nicht wie gewohnt ablief,sondernverschiedeneWendun-gen aufraten, die die bisherige Interpre-tationderBeteiligteninfragestellten. Zuerst wird jedoch auf die allgemeine Situation in Java eingegangen. Fr eine Einfhrungindiepolitischen,wirt-schaflichen und kulturellen Merkmale Indonesiens sei auf Fremerey hingewie-sen (vgl. Fremerey 1994).Die soziale Ordnung auf JavaAuf Java herrscht seit Jahrhunderten ein Synkretismus,d.h.eineVermischung kulturellerMerkmaleausschwachem animistischem,hinduistischem,bud-dhistischemundseitdem15.und16. Jahrhundert auch islamischem Glauben vor. Es gibt jedoch eine zentrale rituelle Form[],de[n]slametan[Hervorhe-bung im Original, S. W.] (ebd.: 102). Der slametan ist ein Fest, welches zu fast al-lenZeremonienundRitualenaufge-fhrt wird und nach Geertz zwei Funk-tionen haben soll. Erstens die Besnfi-gungderGeistermitelsOpfergaben undzweitensdieIntegrationderver-schiedenen Gesellschafsteile durch ein gemeinsames Essen, welches je Dorf ein- oder zweimal im Jahr ausgerichtet wird. Geertz stellte jedoch fest, dass es Brche in den einzelnen Drfern gab, d.h., dass ineinigenDorfeileneherdieislami-schen Teile betont wurden, wohingegen andere die animistischen oder hinduis-tischen Elemente hervorhoben. Die Fol-ge war, dass sich zwei Gruppen heraus-gebildet haben: Die santri, Muslime die sich den Lehren Mohammeds verpfich-tetfhlten,unddieabangan,diever-suchten,eineneinheitlichenGlauben aus allen Einfssen zu bauen. (Vgl. ebd.: 102f.)Wie Geertz feststellte, wurde diese Un-terscheidungzumprimrensozialen Orientierungspunkt und damit befand sich die Gesellschaf im bergang, in derdietraditionellenbuerlichenFor-menstetigabnehmen,whrendsich neueFormenstetigentwickeln(ebd.: 106). Diese Diferenz drckte sich auch im Parteiensystem aus, in dem die mas-jumi-ParteivieleAnhnger/innenbei den santri haben, whrend die permai-Ausgabe 1 | 2012 Seite 11Partei eher die abangan als Klientel fr sichansiehtundeinenstarkenanti-moslemischenStandpunktvertrat (ebd.: 108).Fr die rituelle Ordnung hie das, dass RitualeohneislamischeElementein Javanichtdurchgefhrtwurden;dies betrafauchdieBegrbnisse.Injenem Dorf,indemsichGeertzimJahr1954 aufielt, stand die Wahl des Dorfvorste-hersbevorundeszeichnetesichein Wetstreit zwischen santri und abangan ab. Zudem gibt es in jedem Dorf religise Amtsinhaber, modin genannt, die bspw. das Begrbnisritual beaufsichtigen. Die modinwarenindiesemspezifschen Dorf mehrheitlich Anhnger der masju-mi-Partei und der lokale Regierungsbe-amte instruierte die Modin [], da sie im Todesfall eines Permai-Mitglieds nur Namen und Alter des Verstorbenen no-tieren und dann nach Hause zurckkeh-ren sollten; sie sollten nicht am Ritual teilnehmen (ebd.: 109f.).Das Begrbnisritual in ModjokutoDasBegrbnisritualsolltedurchge-fhrtwerden,weileinzehnjhriger Junge, der mit seiner Tante und seinem Onkel, einem aktiven permai-Mitglied, zusammenwohnte, pltzlich gestorben war. Wie Geertz festhlt, sollte das Be-grbnisritual eine Abwandlung des sla-metanseinundsolldazubeitragen, dem Einzelnen ohne ernstliche emotio-nale Strung ber den Schmerz hinweg-zuhelfen(ebd.:110).Nachderfentli-chen Bekanntmachung bringen Frauen Reis, die Mnner bereiten das Begrbnis vor, der modin beaufsichtigt alles. Der Leichnam wird gewaschen und in einen besonderenStofgehllt.Daraufin werden arabische Gedichte rezitiert, der Leichnam wird zum Friedhof getragen, wodermodineineGrabredehltund schlielich ist das Ritual beendet. Wie Geertz schreibt, erfolgt das Begrbnisri-tual gewhnlich bereits zwei oder drei StundennachdemTodundimAn-schluss werden in fester zeitlicher Rei-henfolge Gedenk-Slametane im Hause derHinterbliebenenabgehalten(ebd.: 111). Das wre die bliche Ritualabfolge, doch nicht so bei dem Jungen.Als der modin in das Haus des Onkels kam,bemerkteerdessenParteimit-gliedschafundentschied,dasserdas Ritual nicht durchfhren knne, da er, der modin, nicht wsste, welche Prakti-ken auszufhren seien; die islamischen wrden von der Partei, die der Mann an-gehre, abgelehnt. Dieses Verhalten lie sich der modin noch vom oben schon er-whnten Regierungsbeamten legitimie-ren. Der Tod des Jungen drang jedoch an die fentlichkeit, was zur Folge hate, dass die gesamte Nachbarschaf bereits im Begrif stand, sich fr die Zeremonie zu versammeln (ebd.: 113). Geertz stellt dabei heraus, dass das Zusammengeh-rigkeitsgefhlgeradebeidemBegrb-nisritualnochsehrstarkausgeprgt war und die Diferenz zwischen santri oder abangan keine Rolle spielte. Durch Ausgabe 1 | 2012 Seite 12die nun aufommende Unsicherheit teil-te sich die Nachbarschaf in die beiden Gruppenundstandsichmisstrauisch gegenber. Als einige abangan anfngen, HolzfrGrabeszeichenzuschnitzen, bot ein santri an, den Leichnam zu wa-schen und ihn in den besonderen Stof, musselin, einzuhllen, worauf der On-kel des Toten nach kurzem Zgern ein-ging. (Vgl. ebd.: 114f.)Durch die Verzgerung von mehr als ei-ner halben Stunde seit dem Tod trat die TotenstarreschoneinunddadieJava-ner/innendenGeistdesVerstorbenen frchten,verliefdieEntkleidung,Wa-schungundAnkleidungschleppend und zgernd. Da weiterhin kein modin anwesendwar,warensichdieAnwe-senden ber den Ablauf der Waschung und deren verschiedene Elemente nicht einig. Schlielich brach die Tante in ein lautesungehemmtesWehklagenaus dieeinzigeSchmerzbekundungdieser Art, die ich bei javanischen Begrbnis-senjeerlebte,berichtetGeertz(ebd.: 116).Obwohldermodinkurzdaraufkam, wollte er das Ritual nicht durchfhren, was soweit fhrte, dass ein Freund des Onkels vorschlug, das gesamte Ritual zu vergessen und den Jungen einfach so zu begraben.DieVerzgerunghte schlielich schon genug Schaden ange-richtet. In dem Moment erschienen die Eltern des toten Jungen, die man bereits daraufvorzubereitenversuchthate, dass ihr Kind gestorben war: Der Onkel hat nach dem Tod des Jungen eine Nach-richtandieElterngeschickt,dassihr Jungekranksei.DieJavaner/innenge-hen davon aus, dass nicht die schreckli-che Nachricht schlimm ist, sondern die Pltzlichkeit, mit der die Nachricht die Betrofenen erreicht. Im Fall des Jungen konntensichdieElternaufdas Schlimmstelangsameinstellen(vgl. ebd.: 111). Die Tante brach jedoch wieder in Trnen aus und rannte auf die Muter zu, was zu einer Hysterie unter den bei-denFrauenfhrte,bisdieMnnersie voneinandertrennten.Daswiederum hate zur Folge, dass einige Teilnehmer/innen darauf drngten, das Begrbnis fortzusetzen,bevorderGeistdesJun-gen von irgend jemandem Besitz [ergrei-fe] (ebd.: 118). Nach einer weiteren un-typischen Begebenheit, bei der die Mut-ter ihren toten Jungen sehen wollte, ob-wohl sie damit seinen Weg in die andere Weltgefhrdete,wurdederVaterdes Jungen von dem oben schon erwhnten santri gefragt, wie er denn seinen Sohn bestaten wolle, woraufin er antworte-te: Natrlich auf islamische Weise. [] Vollstndig islamisch (ebd.: 118f.). Die-seklareAussageberuhigtediesantri und als sich der Vater obendrein noch fr die vielen Unannehmlichkeiten ent-schuldigte, hielt der modin nach der Bei-setzung die bliche Kindergrabrede. So endete das Begrbnis und der slametan warvollzogenworden;mitderHof-nung,denGeistdesJungenfreigelas-sen zu haben.Ausgabe 1 | 2012 Seite 13Wie sich hier zeigte, hate das Ritual kei-ne integrierende, sondern eine entzwei-ende Wirkung und das, obwohl sich einegemeinsameTraditionsliniebei Begrbnisritualen herausgebildet hate. Der slametan wurde, so Geertz, als un-verflschtesheiligesSymbolangese-hen (ebd.: 124).Er wurde in dieser Situation auf zweier-lei Weise gedeutet: Einmal aus der sak-ralenPerspektive,islamischeoder nicht-islamischeAuslegung,undein-malausderprofanen,d.h.masjumi- oder permai-Mitgliedschaf. Erst durch das Aufzeigen der Konfiktlinie, als der modindemNefendespermai-Mit-glieds das Bestatungsritual verweiger-te, entwickelte sich die Mehrdeutigkeit und war dann nicht mehr aufzuheben. Interessanterweise,sobetontGeertz, hte dieser Konfikt, der vornehmlich religisen Ursprung ist, nichts damit zu tun, dass die Menschen weniger religis seienbzw.sichSkularisierungsten-denzenaufzeigenwrden.(Vgl.ebd.: 124f.) Die sozialen und politischen Kom-ponenten gewannen an Bedeutung im Leben der Javaner/innen und vermisch-tensichteilweisemitderenreligiser Aufassung. Dadurch verkomplizierten sichdieRitualdurchfhrungen.Die Menschen versuchten, diese zu ndern, was wiederum religise und politische Spannungen zwischen den verschiede-nenAnhnger/innenauslste.Die nachbarschaflicheSolidaritt,die durchdenslametangefrdertunder-haltenwurde,lstsichnunaufgrund neuerer Bindemitel, wie z. B. Parteizu-gehrigkeit,BerufoderethnischeHer-kunf, auf. (Vgl. ebd.: 128f.) Wie Geertz es trefend formuliert:Insgesamt kann der Bruch bei [] [dem] Begrbnis auf eine einzige Ursache zu-rckgefhrt werden: auf eine Inkongru-enzzwischendemkulturellenBedeu-tungsrahmenunddenFormenderge-sellschaflichenInteraktion[](ebd.: 131).Es lohnt sich jedoch, die kulturalistische HerangehensweiseGeertzmiteinem eherstrukturfunktionalistischenAn-satz zu ergnzen. Hierfr soll in einem Exkurs auf Turners Konzept des sozia-lenDramaseingegangenundunter-sucht werden, welche Bedeutung Ritua-le dabei einnehmen.Exkurs: Victor W. Turner soziales Drama, Krise, RitualVictor W. Turner gilt neben Cliford Ge-ertz und Mary Douglas als einer der ein-fussreichstenWissenschafler/innen fr die Hinwendung zu einer interpreta-tivenEthnologie(vgl.Brunlein2004: 324). Er lsst sich somit nicht nur eben-fallsindersymbolischenEthnologie verorten, sondern ihm geht es zudem um das Verstehen. D. h., Turner versucht, durchVerbindungvonemischerund etischer Perspektive ein Gesamtbild zu konstruieren.BeideBegrifestammen ausderLinguistik.Whrendemisch die Binnensicht auf das System wieder-Ausgabe 1 | 2012 Seite 14gibt,beschreibtdieetischeSichtdie externe Wahrnehmung. Zudem gehrte erderManchesterSchoolvonMax Gluckman an, welche einen eher struk-turfunktionalistischenAnsatzverfolg-te.EinesderHauptzielederstruktur-funktionalistischen Schule war die Her-ausarbeitungderdurchgezielteBeob-achtungerkennbarenStruktur-und Verlaufsgesetze, die in einer bestimmten schriflosenGesellschafdiespezif-schen Konfgurationen der sozialen Be-ziehungenundInstitutionenbestim-men (Turner 1995: 97). Von dieser Denk-schule wandte er sich aufgrund seines Interesses an der Dynamik und Macht von Ritual und Symbol (Brunlein 2004: 324) ab.Von entscheidender Bedeutung ist Tur-ners Einteilung von sozialen Dramen in Phasen. Es kann auch als Modell fr gesellschaflicheAntagonismengese-henwerden,welcheseinesogutwie universelleVerlaufsformaufweist (Turner 1995: 113) und sich bei Menschen fndet,diekollektiveWerte,Normen undeinegemeinsameGeschichtever-treten.VierPhasennenntTurner: Bruch, Krise, Bewltigung und entwe-derReintegrationoderAnerkennung der Spaltung (ebd.: 108).Nach dem Bruch, der pltzlich oder be-wusst, von einer Einzelperson oder einer Gruppe, herbeigefhrt wurde, kann es zu einer Krise kommen. Der Bruch muss jedoch eine gewisse Relevanz und Nach-haltigkeit besitzen, um die zweite Phase auszulsen. Durch ein Ritual, welches dieSeparierungvonEinzelnenoder Gruppensichtbarmachtodergarver-strkt, kann es schlielich zum Folgeri-tualkommen.DieBetrofenenversu-chen dann mit der Krisensituation um-zugehen und behelfen sich mit Regeln und bestimmten Handlungen, um sie zu bewltigen.DieBewltigungsollteje-doch nicht als zwangslufge Reintegra-tiongesehenwerden,auchwenndie DurchfhrungeinesfentlichenRitu-als zur Lsung bestimmter Krisenarten (ebd.: 111) beitragen kann, sondern die Spaltung kann dadurch auch besttigt werden. Hier sollte Spaltung nicht als et-wasNegativesbetrachtetwerden,viel-mehralsBedingung,ummitsozialen Konfikten umzugehen. Die vierte Pha-se kann ebenso mit einem Ritual abge-schlossen werden, um die Vershnung bzw.denendgltigenBruchzwischen den betrofenen Parteien zum Ausdruck [zu bringen] (ebd.: 112). Rituale dienen demnach nicht nur sakralen Bruchen oder sind Teil eines tradierten Wissens, welches nicht mehr hinterfragt wird. Ri-tuale zeigen die Konfikte auf, die in ei-ner Gesellschaf bestehen. Sie sind der Versuch,dieKonfiktparteienzuberu-higenundwiedereinGleichgewicht, wennaucheinverndertes,herzustel-len (vgl. Brunlein 2004: 330).Die Krise an sich wird von Turner als konstituierendesElementvonBedeu-tung angesehen. Durch die Sinnstifung vonKrisenkannsozialeOrdnungfr Ausgabe 1 | 2012 Seite 15alle Betrofenen abgeleitet und begrn-detwerden.VernderbareRitualeent-stehen dabei, um die einzelne Krise in dasgesellschaflicheSystemeinzubet-ten, d. h. eine Einheit zu schafen. Ver-nderbardeshalb,weilTurnerdavon ausgeht, dass Rituale bei der Ausbung nicht so sehr von Regeln, sondern von der Performanz bestimmt sind und sich dieseselbstabwandelnkann(vgl.Tur-ner 1995: 126). Die Regeln geben nur ei-nen Rahmen vor, der variabel und ofen genug ist, um neue Symbole zu integrie-renundalteBedeutungenverschwin-den zu lassen. Sprich, das Wesen des Ri-tualsndertsichkaum,derScheinje-dochistfexibel,weshalbdasRitual einedistanzierteundgeneralisierte VerdopplungdesagonalenProzesses des sozialen Dramas ist (ebd.: 130).WennmanGeertzFeldforschungsbe-richtvonderSituationaufJavazur Grundlage nimmt, um das Modell sozia-les Drama anzuwenden, knnte man es wie folgt skizzieren.Die erste Phase, der Bruch, kann aus eti-scher Sicht auf die gesamtgesellschafli-chenVernderungsprozessezurckge-fhrtwerden.AufgrundderDiferen-zierung in santri und abangan bzw. mas-jumi- und permai-Partei werden durch den modin des Dorfes religise mit poli-tischenAnsichtenvermischtunddie vormals einende Wirkung eines slame-tansfhrtezumBruch.ZurKrise wchst sich der Bruch aus, weil die vor-herunbewussteTrennliniefralle Dorfewohner/innen sichtbar wird und alleBeteiligten,obmasjumi-,permai- oderkeinParteimitglied,ineineSinn-kriseverfallen.Siestellenihrebisher tradierte Verfahrensweise infrage, was vor allem die emische Perspektive erf-net. Die Dorfewohner/innen befnden sich bis zur Ankunf der Eltern des toten JungenineinerArtHandlungsstarre. Erst durch die klare Aussage und das Be-kenntnis des Vaters des Jungen zum tra-ditionellen Begrbnis und dessen rituel-len Verfahrens setzt die Bewltigungs-phase ein. Zwar gab es vorher erste Ver-sucheeinzelnerDorfewohner/innen, die Leiche einfach traditionell zu begra-ben, aber dies wurde, so knnte aus eti-scher Sicht argumentiert werden, durch fehlendeAutorittundallgemeineUn-sicherheit verhindert. Als berdies der ungewhnlicheemotionaleAusbruch der Muter des Jungen die Situation fast eskalieren lie, waren die Worte des Va-ters klrend. Schlielich setzte mit dem eigentlichenBegrbnisritualdieRein-tegration ein. Nicht nur, dass der Geist der Leiche dadurch seine Ruhe hate fn-den knnen, auch der religis-politische Konfikt war fr diesen Fall gelst. Hier lassen sowohl die emische als auch die etischePerspektiveInterpretations-spielrume, was vor allem am knappen Bericht Geertz zu der Phase liegt. Ist das Dorfwiedergeeintundhatmanjetzt eineallgemeineHandlungsweisege-funden, wie man auch zuknfig mit sol-chenKonfiktfllenumgeht,oderwar Ausgabe 1 | 2012 Seite 16die Entscheidung rein situativ und der tieferliegendeKonfiktzwischenisla-mischemundsynkretistischemGlau-ben und deren Ausdruck in Parteizuge-hrigkeiten wird im nchsten slametan wieder aufreten? Welche Auswirkung hat dies auch auf den modin und dessen Autoritt im Dorf und fr nachfolgende Begrbnisrituale?Turner sieht Rituale ebenso wie Geertz als wichtige gesellschafliche Elemente an.Davonausgehendtypologisierter aberaufgrunddesModellssoziales Drama Rituale in Separations-Integra-tionsritualeundinliminale,d.h. schwellenartige Riten. Fr eine nhere Erluterung des Letztgenannten ist an dieserStelleaufTurnerzuverweisen (vgl. Turner 1989: 94f.). Die interpretati-ve Herangehensweise kann durch eine Bercksichtigung sozialer Konfiktlini-en, die sich auf die Strukturen und Funk-tionenzurckfhrenlassen,einen wichtigen Beitrag leisten, um die Gesell-schafinihrerKomplexittundDife-renziertheit nher zu beleuchten.Kritik und SyntheseDas Sterben stellt die letzte Phase im Le-beneinesMenschendar.Dochvielen MenschenerscheintdieseFeststellung unzureichendunddeshalbfndensich Rituale, die sich mit Sterben und Tod n-herundintensiverauseinandersetzen, in fast allen Gesellschafen und Ethnien (vgl. Haller 2010: 119). Oder anders aus-gedrckt: Der Mensch und sein Umfeld versuchen, mit der letzten Lebenskrise umzugehen und sie zu bewltigen.Ein Ritual kann dabei helfen. Es kann je-doch,wievonGeertzbeschrieben,zu unvorhergesehenenEreignisverknp-fungen kommen, die ein Begrbnisritu-al zum Austragungsort von politischen Auseinandersetzungenmachen,ob-wohldereigentlicheToddesJungen nichts damit zu tun hat. Hier fand eine Bedeutungsverschiebungstat.Doch auchwennvieleDorfewohner/innen den Konfikt miterlebt haben, ist anzu-zweifeln, ob sie die Tragweite dessen sa-hen. Stellte nicht vielmehr Geertz den greren Kontext fr sich her? Wer, bei diesem Ritual, war sich der verschiede-nen Bedeutungen bewusst? Gab es mg-licherweise nur eine Elite, die die Band-breite berblickte und kann man dies bei allenRitualenbeobachten(vgl.Mi-schung2003:214;vgl.Keesing1987: 162f.)? Ist mglicherweise die Bedeutung einesSymbolsfralleBeteiligtendas Wichtigste oder sind es die korrekt aus-gefhrten Handlungsfolgen, die fr die Menschenzentralsind(vgl.Mischung 2003: 216)? J. H. M. Beatie hlt deshalb fest:[Ein]Ritualkannfrdiejenigen, die es praktizieren und die an es glauben, viele Bedeutungen haben. Eine monoli-thische Erklrung ist beim Versuch des Verstehens[]irrefhrend(Beatie 1987: 212). Oder, wie Axel Michaels aus-fhrt,solltensichdieForscher/innen bewusst sein, dass Rituale auch Konst-rukteder(westlichen)Forschungsind, Ausgabe 1 | 2012 Seite 17derenBestimmungvonderWahrneh-mungder[Ritualteilnehmer](und-ex-perten) sowie den Beobachtern abhngt (Michaels 2006: 450).EinletzterKritikpunkt,derhiernoch genanntwerdensoll,zieltaufGeertz Schreibstil. Wie Barnard betont, [i]f he [Cliford Geertz, S. W.] were a bad writer, he would undoubtedly have had less in-fuence []. (Barnard 2000: 163). Der In- (Barnard 2000: 163). Der In-halt scheint demnach etwas in den Hin-tergrund zu treten und die Metaphorik, die Geertz benutzt, versucht die Schw-che und Ungenauigkeit des Konzepts zu verschleiern; gerade da Geertz seinen ei-genenAnsatznieganzumsetzte(vgl. Fuchs2001:127).Hiergiltesdemnach weitere berlegungen anzustellen, um dieinterpretativeHerangehensweise analytischer und systematischer zu fas-sen.InderVerbindungzumsozialen Drama wird deshalb eine Mglichkeit erfnet, anhand der vier Phasen das Ri-tual nicht nur narrativ wiederzugeben, sonderneineklareUnterteilungvor-nehmenzuknnen.SolieensichBe-deutungsverschiebungen innerhalb des Modellsfeststellen,alsvoneinigen Dorfewohner/innen geforderte wurde, das Ritual zu vergessen, um den Konfikt nichtnochweiterzuverschrfen.Die Befreiung des Geistes des Jungen spiel-te da nur noch eine untergeordnete Rol-le. Dieser Bezug in Turners Teorie sei gem Till Frster das wissenschaflich Interessante, weil erst im Handeln der Menschen[]entstehtrituelleErfah-rung (Frster 2003: 715).Eine fnung zur Soziologie hin knnte hier nicht nur eine methodische Schrfe bringen, sondern umgekehrt wrde die Soziologieauchgewinnen,wennsie sich abseits standardisierter Verfahren gesellschaflichen Vernderungen wid-met. Hier soll es nicht um eine Entwe-der-oder-Entscheidunggehen,statdes-sen wird fr eine sinnvolle Ergnzung pldiert.Fr das Begrbnisritual knnte man sa-gen, dass die religis geprgte Praktik, um den Jungen den bergang in eine an-dereWeltzuermglichen,anBedeu-tung verlor und dafr sich in dem von der Modernisierung geprgten Indone-sien das Modell cleavage von Staat-Kir-cheherausbildete.Diemasjumi-Partei versuchte diesem durch ihre islamisch-sozialistische Ausrichtung zu begegnen, scheiterte aber wie in diesem Fall fast an denlokalenVerhltnissen.Durchdie Modernisierungtratendemzufolge nichtnurVernderungenauf,diedie konomische und politische Lage beein-fussten, sondern auch die tradierten re-ligisen Praktiken infrage stellten.Wenden sich Wissenschafler/innen Ri-tualen zu, gengt es nicht, diese in ihrer direktenWirkungundUmgebungzu analysieren. Hier gilt es, Rituale, seien sieprofanodersakral,zukontextuali-sieren,konfiktorientiertvorzugehen und Rituale als dynamische Prozesse zu verstehen.Leidervernachlssigtdies auch Geertz, weil er sich auf die Kultur Ausgabe 1 | 2012 Seite 18fokussiertunddabeiandereAspekte, wie den Kampf um politische oder ko-nomische Macht oder gesellschafliche Hegemonie meist zu wenig bercksich-tigt (vgl. Kumoll 2006: 280f.). Besonders strukturelle Konfikte fnden bei Geertz keineBeachtung,weswegennichtnur interpretativ vorgegangen werden soll-te. Die alltgliche Lebenswelt (Schtz/Luckmann 1979: 25) ist von gesellschaf-lichen Konfikten geprgt, weswegen es lohnt, einerseits die Interessen der ver-schiedenen Gruppen zu betrachten und andererseits die Gesellschaf als Struk-turzuanalysieren,inderKonfikte schonangelegtsind.Nichtnurin scheinbarunnormalenRitualablufen spiegeln sich Konfikte wieder, sondern zumeist liegen sie im Verborgenen oder werdendurchandereFaktorenberla-gert. Hier gilt es einen Ansatz zu entwik-keln, der sowohl gesellschafliche Kon-fiktlinieninseineAnalysemiteinbe-zieht, sich jedoch auch bewusst ist, dass die/derWissenschafler/inFeldfor-schungauseinerihr/ihmeigenenPer-spektiveschreibtundsomitdieBe-schreibung des Wahrgenommenen auf verschiedene Einfsse zurckzufhren ist;wiez.B.ausgewhlteDokumente, Fotografen. Vor allem trgt auch die Po-sition der Informant/innen im Feld ent-scheidenddazubei,welcherInhaltbe-trachtet wird und welche Schlussfolge-rungen die/der Forscher/in zieht.TurnersModelldessozialenDramas kann genutzt werden, um zum einen die Systematik durch die Phaseneinteilung zuermglichenundzumanderendie PerspektivevonrituellerBewltigung derKriseundgesellschaflichenAnt-agonismen zu verbinden. Dazu bietet es sich berdies an, die emische und die eti-sche Sicht zu bercksichtigen, um zwi-schen eigener Interpretation und Inter-pretationderRitualteilnehmendenun-terscheiden zu knnen.Zudem fehlt in Geertz Text die Nachbe-trachtung des vernderten Rituals. Ob die gesellschafliche Vernderung auch einenachhaltigeVernderungdesBe-grbnisritualsindiesemDorfbewirkt hat,erfhrtdie/derLeser/innicht.Da-mitwirdzwarGeertzBeschreibung nichtbedeutungslos,aberobderKon-fiktalsgrundlegendfrdieGesell-schafanzusehenist,erscheintzumin-dest zweifelhaf. Es kann jedoch mit Ge-ertz gesagt werden, dass [d]ie Aufgabe der Teorie in der Ethnographie [] dar-in [besteht], ein Vokabular bereitzustel-len, in dem das Wissen, das das symboli-sche Handeln ber sich selbst, d. h. ber dieRollederKulturimmenschlichen Lebenhat,ausgedrcktwerdenkann (Geertz 1987a: 39).Ausgabe 1 | 2012 Seite 19LiteraturverzeichnisBarnard, Alan (2000): History and Theory in An-thropology. Cambridge: University Press.Beattie, J. H. M. 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Zu seinenInteressengebietengehren:citizenship studies, Stadtethnologie, Migrationspolitik, nor-mative Politiktheorie.2011243 Seiten 29,90ISBN 978-3-593-39525-8Der Vorgang der Geburt ist ebenso wie Sterben und Tod kein bloes bio-physiolo-gisches Phnomen. Geburt ist aufs Engste mit sozialen, politischen und kulturellen Vorstellungen verknpft und an vielfltige soziale Praktiken und Rituale gebunden. Diese untersuchen die Autorinnen und Autoren mit Blick auf verschiedene Lebens-formen und Milieus. Sie fragen, wie Geburt in der Gesellschaft gegenwrtig diskutiert wird und welche Konfliktlinien sich dabei abzeichnen, etwa im Spannungsfeld zwi-schen Natur und technischen Mglichkei-ten. Mit dem Band liegt die erste Studie zur Geburt aus soziologischer Sicht vor.Ausgezeich-net mit dem Ren-Knig-Lehrbuch-preis 2010 der Deutschen Gesellschaft fr Soziologie. 2010501 Seiten 24,90ISBN 978-3-593-39181-6Jede Wissenschaft hat ihre groen Ent-deckungen so auch die Soziologie. Hier sind erstmals kompakt und bersichtlich jene bahnbrechenden theoretischen Mo-delle des soziologischen Denkens zusam-mengestellt, die sich in der Erforschung von Gesellschaft vielfach bewhrt haben von der SelffulfillingProphecy, ber das Tocqueville-Paradox bis zum Gefange-nendilemma. Mit seiner Kombination aus berhmten Originaltexten und ergnzen-den Kommentaren bietet dieser Band eine exemplarische Einfhrung in die Denkweise der Soziologie, die den soziologischen Blick schult. Man lernt in diesem Buch, unser Zusammenleben zu bestaunen und die Soziologie zu schtzen. FAZFr alle, die es wissen wollen.www.campus.deBesuchen Sie unser Portal fr Studium und Lehre: www.campus-studium.deAnzeigeAusgabe 1 | 2012 Seite 22Tot sind immer nur die anderenDas eigene Lebensende zwischen Sterblichkeitswissen und Nicht-Erfahrbarkeitvon Matthias MeitzlerCC BY-NC-SA 2.0 liquidnight/fickr Gemlde im Hintergrund: Gabriel von Max Der Anatomist ausgestellt inder Neuen Pinakotek MnchenAusgabe 1 | 2012 Seite 23Der Tod gilt als eine anthropologisce Kon-stante, der sic niemand entziehen kann. Trotz seiner Zurcdrngung durc Medi-kalisierung ist er als Zustand und Ereignis irreversibel. Er markiert eine Grenze, die einerseitsAngst,andererseitsNeugier auslsen kann. Subjekte haben ein Wissen davon, dass es diese Grenze gibt, dass also das eigene Leben ebenso wie das der ande-ren endlic ist. Wie es jedoc ist, tot zu sein, darber fehlt siceres Wissen. Das Wissen um den eigenen Tod generiert sic daher immer nur durc das Sterben der anderen. Der Beitrag diskutiert in erster Linie die Ambivalenz von Sterblickeitswissen und NicterfahrbarkeitunterbesondererBe-rcsictigung der Frage, ob der Tod in der modernenGesellscafverdrngtwird- oderaufgrundseinerGescwtzigkeit umso strker prsent ist. Gestatten: das Fiasko schlechthinDer 18. September 2007 sollte ein denk-wrdigerTaganderCarnegieMellon University in Pitsburgh, Pennsylvania werden.AlsderInformatik-Professor Randy Pausch am Abend vor das ber-fllte Auditorium trat, blickte er in un-zhlige erwartungsvolle Gesichter. Sei-ne Vorlesung fand im Rahmen einer so genanntenlastlecturestateiner langjhrigen Tradition an US-amerika-nischen Universitten, bei der Professo-rInneneinefachunabhngigeVorle-sung so gestalten, als wre es ihre letzte. VoneinemAls-obkonnteandiesem Tag jedoch weniger die Rede sein. Denn in der Tat sollte Pausch die Universitt verlassen,abernichtetwaanlsslich seinesRuhestandesodereineslukrati-venneuenJob-Angebots.Nein,der GrundfrseinAusscheidenwarweit-ausessenzieller:Bauchspeicheldrsen-krebs. End-stadium. PauschnannteseineVorlesungReally achieving your childhood dreams. Stat ber das Sterben zu reden, sprach er ber dasLeben.DemjungenPublikumbe-richteteervonseineneigenenKind-Wenn wir da sind, ist der Tod nict da, aber wenn der Tod da ist, sind wir nict mehr.(Epikur)Ausgabe 1 | 2012 Seite 24heitstrumenundrefektiertedarber, wie es ihm gelang, sie zu verwirklichen. Den Vortrag lie Pausch von einer Ka-meraaufzeichnen.Ursprnglichbeab-sichtigte er damit, dass sich seine drei kleinen Kinder eines Tages wenn sie ltersinddasVideoanschauenkn-nen. Statdessen erlangte die lebensbe-jahendeundgleichsamergreifende Rede innerhalb krzester Zeit hohe In-ternetberhmtheit,wasunzhlige Klicks auf diversen Videoportalen ein-drucksvoll belegen. Zehn Monate nach seinem Aufrit war Randy Pausch tot. Er wurde 47 Jahre alt. Zwar ist der Tod in der modernen Gesell-schaf lngst ein Phnomen des hohen Altersgeworden,dennoch:Gestorben wird, so lautet eine nicht widerlegbare Volksweisheit,immer.InDeutschland trif es jedes Jahr mehr als 800.000 Per-sonen. Besonders der Tod jngerer Men-schen wie Pausch ofenbart mit all seiner Erbarmungslosigkeit, dass kein Lebens-altervordieserpotenziellenGefhr-dunggeschtztist.TrotzallerVerhei-ungen von Medizin und Gentechnik ist der Tod ein unausweichliches und vor allem irreversibles Ereignis. Er ist eine individuellesowiekollektiveHeraus-forderung, mit der je nach Zeit und Kul-turunterschiedlich(rituell)umgegan-gen wird. Der Tod markiert eine Grenz-situationsowohlfrdieBetrofenen durch die vollstndige Rcknahme der individuellen Autonomie (Benkel 2008: 132), wie auch und vielleicht mehr? fr ihre Angehrigen. Von Teodor W. Adorno als Skandalon und schlimmster WidersacherderFreiheit(vgl.Adorno 1966) und von mile Michel Cioran als dasFiaskoschlechthin(Cioran1987: 140)bezeichnet,genietderTodals Feind des Lebens nicht den allerbesten Ruf.Gleichwohlister,wieGeorgSim-mel betont, von vornherein und von in-nenhermitdemLebenverbunden (Simmel 2001: 82). Simmel betrachtet den Tod darber hinaus als Teil der lebendi-genWirklichkeit(Simmel1999:102). Ein Leben ohne Tod ist genauso wenig denkbar wie ein Tod ohne Leben. Lsst sichinsoferndergesamteLebenspro-zess als ein stckweises Sterben begrei-fen, wobei die Geburt den Anfang des Sterbens (Sches 2008: 18) bedeutet und dasalterndeSubjektfortanmitjeder verstreichenden Sekunde seines Lebens dessenEndeumgenaudieseSekunde nherkommt?DerGedankeistnicht neu; er wurde unter anderem von Mar-tin Heidegger in Sein und Zeit aufgegrif-fen, wo die Seinsweise des Menschen als einSeinzumTodedefniertist(vgl. Heidegger 2001).Das Lebensende ist allerdings nicht nur biologischeGrundtatsache,sondern auchNotwendigkeit:GbeesLeben ohneSterblichkeit,dannwrendie meisten Gatungen bald zum Untergang verurteilt. Somit ist das Sterben des Ein-zelnenerforderlichimDienstedes berlebensseinerGatung.Dassder Tod trotz seiner negativen Konnotation Ausgabe 1 | 2012 Seite 25zudemeindurchausreizvollesTema seinkannundnichtnurngste,son-dernauchNeugierschrt,lsstsich etwa in der Kunst, der Poesie und nicht zuletzt anhand der wissenschaflichen Tematisierungen(thanatological chic;Lofand1978:16)erkennen.Und nicht immer ist das eigene Lebensende ungewollt:FreinenSuizidanten scheint der Tod weniger ein Fiasko, son-dern vielmehr eine Lsung zu sein.DerfolgendeBeitragbeschfigtsich mit dem sozialen Verhltnis zu Sterben, Tod und Trauer in der modernen Gesell-schaf vor dem Hintergrund des stetigen sozialen Wandels. Der Tod wird als uni-verselles,kulturbergreifendesPhno-menbetrachtet,daszwischensozial vermiteltemSterblichkeitswissenund empirischerNichterfahrbarkeitran-giert. Damit soll eine (wissens-)soziolo-gische Stellungnahme zu einem hufg bersehenen, gesellschaflich aber eben dochfundamentalwichtigenDiskurs geliefert werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Frage, ob der Tod bzw. das indivi-duellesowiekollektiveSterblichkeits-wissen durch bestimmte Umstnde ver-drngt wird oder aber aufgrund seiner (vor allem massenmedial inszenierten) Geschwtzigkeit (Nassehi/Saake 2005: 39) umso strker prsent ist.Wie es ist, tot zu seinSeineSterblichkeitistdas,wasder MenschmitallenanderenLebewesen gemeinhat.EinsignifkanterUnter-schied gegenber subhumanen Gatun-gen besteht indes darin, dass er fr die Endlichkeit des eigenen Lebens (und das der anderen) ein Bewusstsein hat. Man kann sogar sagen, da sich erst im Be-wutsein dieser Endlichkeit des eigenen Lebens das Subjekt als Subjekt endgltig konstituiert(Oevermann1995:34). Folgt man Norbert Elias, so ist es genau dieser Umstand, der den Tod fr die Le-benden zum Problem macht (vgl. Elias 2002: 11f.). Andererseits ist die Antizipa-tiondeseigenenLebensendesbedeut-sam,damitMenschenumdieVerletz-barkeit, ja Zerstrbarkeit ihres Krpers wissen und sich in entsprechender Wei-se um diesen sorgen, ihn vor mglichen Gefahrenschtzen.DassfrjedesLe-ben eine Grenze existiert, steht weniger infragealsderinterindividuellvariie-rendeZeitpunkt,andemdasEndeer-reicht wird. Incerta omnia, sola mors certa (Der Tod ist gewiss, ungewiss ist nur seine Stunde) heit es bei Augusti-nus. Die berlegung, wie eine fktive Gesellschafaussehenknnte,deren Akteure bereits zu Lebzeiten um den ei-genen Todeszeitpunkt und ihre noch zu verbleibendeLebensdauerwissen,bil-detimbrigendasKernmotivdes Stcks Die Befristeten von Elias Caneti. Das Endlichkeitsbewusstsein ist an ein Zeitbewusstsein gekoppelt und entge-genderAnnahmeMaxSchelers,wo-nach die Todesgewissheit intuitiv gege-ben sei (vgl. Fuchs 1969: 116f.) Resultat einesprimrsozialisatorischenProzes-Ausgabe 1 | 2012 Seite 26ses.Eslsstsichwederwegdenken, nochbleibtdasHandelndesIndividu-umsunddieArtundWeiseseinerLe-bensfhrungvonihmunberhrt.Der Tod formt unser Leben nicht erst in der Todesstunde, sondern er ist ein formales MomentunseresLebens,dasallseine Inhaltefrbt:dieBegrenztheitdesLe-bensganzen durch den Tod wirkt auf je-den seiner Inhalte und Augenblicke vor; die Qalitt und Form eines jeden wre eine andere, wenn er sich ber diese im-manenteGrenzehinauserstrecken knnte (Simmel 2001: 83). Und so msste man das bisher Gesagte insoweit relati-vieren,alsnichtdereigeneTodeszu-stand an sich dem Leben eines Subjek-tes immanent ist, sondern vielmehr das Nachdenken ber ihn. Der Tod ist somit prsent und doch ist er es nicht. Er ist anwesend in Abwesenheit (Landsberg 1973: 14). Seine fraglose Gewissheit min-dert hingegen nicht die Wucht, wenn er bei einem Nahestehenden eintrit oder einemselbstunmitelbarbevorsteht. DerPlausibilisierungsversuch,essei doch von vornherein klar gewesen, dass der Betrofene oder man selbst eines Ta-ges sterben muss, ist angesichts dessen nicht mehr als ein schwacher Trost und verfehlt seine Wirkung.TrotzderSterbegewissheitkannsich wiederum niemand als tot denken (vgl. Bahr 2002). Und soof wir den Versuch dazumachen,knnenwirbemerken, da wir eigentlich als Zuschauer weiter dabeibleiben (Freud 1982: 49). Wie es ist, tot zu sein darber fehlen serise Be-richte. Personen, die sich selbst als Medi-um bezeichnen, geben vor, Kontakt mit der Welt der Verstorbenen herstellen und mit diesen kommunizieren zu kn-nen, und erreichen damit nicht wenige Hinterbliebene.hnlicheZweifelwie hiergeltenfrsogenannteNahtoder-fahrungen,vondenenMenschenbe-richten, welche etwa nach schweren Un-fllen und/oder lngerer Bewusstlosig-keit beinahe ums Leben gekommen sind (vgl.Knoblauch/Schmied/Schnetler 1999;Knoblauch2002;Schmied-Knitel 2011).Elemente,diesichinsolchenEr-zhlungen aufallend hufg wiederho-len,sindbeispielsweiseintensiveFar-ben, Gefhle der Euphorie, ein Tunnel, helles Licht etc. Es handelt sich dabei um Erscheinungen, die von den Betrofenen of als Blick ins Jenseits gedeutet wer-den,sichaberletztlichdurchHormo-nausschtung (insbesondere von Adre-nalin und Endorphinen) physiologisch erklren lassen, ganz zu schweigen von der Verbreitung spezifscher kultureller Muster, die dabei ebenfalls zum Tragen kommen.PositivempfundeneLebens-ereignisse werden noch einmal wie in einemverdichteten,traumhnlichen Filmzusammengefasst,whrendsich der Krper mit letzter Kraf gegen den Tod wehrt. Es ist genau genommen also kein Blick nach vorn in das Reich des Todes, sondern zurck in das bereits er-lebte Diesseits. Schon die Bezeichnung Nahtod verrt, dass es sich hierbei nicht Ausgabe 1 | 2012 Seite 27umfaktischeTodeserfahrungenhan-deln kann, sondern um etwas, das dem Leben immanent ist. Die Frage, wie es ist tot zu sein, bemerkt Hctor Witwer, ist genauso sinnlos wie die Frage, wie es ist, ein Wassertropfen oder ein Tisch zu sein (Witwer 2011: 12).Wertatschlichtotist,wirdhingegen nichts mehr zu erzhlen haben. Das Re-fektierenberdeneigenenSeinszu-stand setzt ein Bewusstsein voraus; die-seserlischtallerdings,soweitwirwis-sen, mit dem Eintreten des Todes. In ih-rerSammlungungewhnlicher TodesanzeigenprsentierenMathias Nllke und Christian Sprang auch ein Beispiel, auf dem schlicht die Worte Ich bin tot zu lesen sind (vgl. Nlke/Sprang 2010:77).HiersprichtderTotejedoch nichtselbst,sondernseineHinterblie-benen lassen ihn auf eigenwillige Weise sprechen. Und selbst wenn der Betrof-fene die Anzeige noch zu Lebzeiten ei-genstndigentworfenhat,wreseine NachrichtzumdamaligenZeitpunkt unrichtig gewesen und hte statdessen (wenigerspektakulr)lautenmssen: Wenn ihr dies lest, werde ich tot sein. Das alles erinnert an die Worte des grie-chischenPhilosophenEpikur,wonach derTodstetsdortist,womanselbst nicht ist. Als Lebender wird man nie er-fahren knnen, wie es ist, tot zu sein und als Toter wird man darber niemals Auskunf geben knnen. Der Tod ist so-mitschlichtwegnichterfahrbar:Der bergangzumNichtmehrdaseinhebt das Dasein gerade aus der Mglichkeit, diesen bergang zu erfahren und als er-fahrenzuverstehen(Heidegger2001: 237f.). Anders verhlt es sich beim Ster-ben: Im Unterschied zum eigenen Todes-zustand liegen die physischen und psy-chischen Vorboten whrend des Ster-beprozessesnichtjenseitsdersinnli-chenErfahrbarkeit.AufdenPunkt gebracht: Fr die Toten ist der Tod kein Problem das Sterben fr die Sterben-den hingegen schon. Entscheidend hier-fr sind die Umstnde, unter denen ge-storben wird: ob es sich um einen kur-zen und schmerzlosen Tod (z. B. bei ei-nem Unfall) oder doch etwa um einen Todnachlanger,leidvollerKrankheit handelt. Wichtig ist jedenfalls eine kate-gorische Unterscheidung zwischen dem Tod als Ereignis und dem Totsein als Zu-stand.Auch wenn der Versuch, sich als tot zu denken,zwangslufgscheiternwird, bedeutet dies keineswegs, dass sich die Zeitdanachzumindestnichtschon imaginativ vorwegnehmen lsst. Die BandbreitesolcherImaginationen reichtvonreligiskonnotiertenJen-seitsvorstellungen, den bereits erwhn-ten Nahtoderfahrungen und Berichten spiritistischer Medien bis hin zu persn-lichen Mutmaungen, wie Personen aus demsozialenUmfeld,diesignifcant others,wohlnachdemeigenenTod ber einen denken werden. Eigens initi-ierte Manahmen hinsichtlich der Fra-ge, auf welche Weise der eigene Krper Ausgabe 1 | 2012 Seite 28spter beigesetzt werden soll (nicht zu-letzt in Anbetracht der heutigen Vielfalt alternativerBestatungen;vgl.Srries 2008),dietestamentarischfestgelegte Verteilung des Erbes oder das Vernich-tenbestimmterDokumente,dieder Nachwelt verwehrt bleiben sollen (im Sinne einer biografschen Retusche; vgl. Meitzler2011:251f.),sindweitereBei-spiele. Trotz all dieser Wissensgenerato-renlsstsichdasTranszendenteaber immernurvondergegenwrtigenIm-manenzausbetrachten(vgl.Nassehi/Saake 2005: 32). Aufgrund der Ambiva-lenzzwischenSterblichkeitsbewusst-sein auf der einen und Nichterfahrbar-keit auf der anderen Seite ist der Tod selbst also sicheres Wissen und sicheres Nichtwissen zugleich (Kahl 2010: 203). Der andere Tod NiemandkanndeneigenenToderle-ben, niemand kann das eigene Grab be-trachten,indemersichbefndet,und niemandem kann die Nachricht des ei-genen Todes je berbracht werden. Wir erfahren Tote, keinen Tod (Macho 1995: 293). Deshalb gilt: Tot sind immer nur die anderen. Und es lsst sich beinahe pole-misch fragen: Wer sonst? Wir kennen lediglich den Tod der anderen und vom eignen nur die Angst, ihm gegenberzu-stehen (Ziegler 1977: 23). Die Tatsache, auch und gerade als Lebender vom Tod betrofen zu sein, liegt aus soziologi-scher Sicht [] nicht in der Voraussicht des eigenen Sterbens, sondern in der so-zialen Beteiligung am Sterben der ande-ren (Benkel 2008: 140). berdies erleben SozialakteuredenToddesAnderen nichtimbuchstblichenSinne,son-dern sind hchstens immer nur ,dabei (Heidegger 2001: 238). Jenachdem,umwenessichkonkret handelt, rckt der Sterblichkeitsgedan-ke mal mehr und mal weniger aufdring-lichinspersnlicheBewusstsein.So schockierendunddramatischdietag-tglichen Bildschirmtode, von denen die Massenmedien berichten (etwaim FallvonNaturkatastrophen,Terroran-schlgen,UnfllenoderSchicksalen wie z. B. dem von Randy Pausch), auch sein mgen: Durch ihre rumliche Dis-tanzierungscheinensiewohlzuabs-trakt zu sein, als dass sich der Alltags-mensch lngerfristig mit ihnen ausein-anderzusetzenbraucht.Andersaber verhlt es sich beim Tod derjenigen, zu denen eine nahe persnliche Beziehung bestand: Freunde und Verwandte. Das Sterben der anderen im eigenen sozialen Nahraum zu erleben gilt als eine Erfah-rung, der sich frher oder spter wohl kaum jemand entziehen kann. Hier ver-deutlicht sich das Faktum, dass der Tod eben nicht nur in der Welt des Fernse-hens, der Tagesblter oder des Internets zuschlgt,sonderngleichfallsimun-mitelbaren Umfeld und schlielich ei-nesTagesauchbeieinemselbst.Inso-fern wird der Tod des anderen zum Me-mento mori, zur eindringlichen Erinne-rungandieeigeneSterblichkeit.Wie Ausgabe 1 | 2012 Seite 29sehr diese Behauptung zutrif, ist nicht nur davon abhngig, wie nahe man dem Toten stand, sondern auch davon, wie er ums Leben kam und in welchem Alter dies geschah: Ist jemand aus meinem Jahrgang verstorben oder gar noch jn-gergewesenalsich,dannberkommt mich ein leiser Schauer, und ein dump-fes Gefhl der Angst kriecht in mir hoch (Hans Mader zit. nach Fischer 1997: 140). Ferner kann der Anblick einer mensch-lichen Leiche als wohl strkste und au-genflligste Konkretisierung des Todes (Gro/Glahn/Tag 2010: 7f.) zum Memen-tomoriwerden.ImUnterschiedzum TodalsabstraktemPhnomenistfr den Lebenden die Begegnung mit einem Toten eine beraus konkrete Erfahrung. EsgibtkeinenZugangzurErfahrung desTodes,dawirnachdieserErfah-rung suchen und fragen, verdanken wir aber der unerklrlichen Erfahrung, die unsjedeBegegnungmitTotenver-schaf (Macho 1995: 293). hnliches ist bei Elias zu lesen, wonach nicht erst der ToteeinMementomoridarstellt,son-dern bereits der Anblick eines Sterben-den(Elias2002:17).Diesernmlich rteltanderFantasiewelt,dieMen-schen wie eine Schutzmauer gegen den Gedanken des eigenen Todes aufzubau-en neigen. Die Selbstliebe fstert ihnen zu, sie seien unsterblich. Allzu nahe Be-rhrung mit Sterbenden bedroht diesen Wunschtraum (ebd.). Und das, obwohl dieWahrscheinlichkeitderungewoll-ten leibhafigen Begegnung mit einem sterbenden bzw. toten Menschen in der modernen Gesellschaf so gering ist wie nie zuvor und die direkte Konfrontation indenZustndigkeitsbereichspeziell ausgebildeter Berufsgruppen fllt (Me-dizinerInnen,Pfegepersonal,Polizis-tInnen, BestaterInnen etc.). Verdrngt?Ein innerhalb der Tanatosoziologie be-rhmter Diskurs grndet auf der Frage, ob der Tod in der Moderne ein eher ver-drngtes oder ein geschwtziges Tema ist. Diverse Autoren haben hierzu Stel-lung bezogen und das Problem kontro-vers diskutiert (vgl. u. a. Ber ger/Lieban 1960;Hahn1968;Fuchs1969;Nassehi/Weber1989;Nas sehi/Saa ke2005;Feld-mann 2010). Sowohl fr die eine als auch fr die andere Position lassen sich stich-haltige Argumente anfhren. Unstritig ist jedenfalls die Tatsache, dass Gesell-schafenkeinestarrenGebildesind, sonderneinemWandelunterliegen. DieserbetrifvorallemdieArtund Weise, wie mit einem bestimmten Ph-nomen sozial umgegangen wird. Und so hatauchdasgesellschaflicheVerhlt-nis zu Sterben, Tod und Trauer im Laufe der Zeit gewisse Vernderungen erfah-ren. Dank stetiger Verbesserungen des allge-meinen Lebensstandards (darunter fal-len unter anderem die Bereiche Medizin, Ernhrung,HygieneundWohnen)ist diedurchschnitlicheLebenserwar-tungindenwestlichenIndustrienatio-Ausgabe 1 | 2012 Seite 30nen so hoch wie noch nie. In den letzten 130 Jahren hat sie sich in Deutschland mehralsverdoppelt.MedizinischeEr-folgebegnstigenskulareUnsterb-lichkeitshofnungenunddieVerdrn-gung des Todes (Rosentreter/Gro 2010: 84). Sicher, gestorben wird nach wie vor in jedem Lebensalter; man denke etwa anVerkehrsunflle,Krankheiten, (Selbst-)Morde, Naturkatastrophen und dergleichen.IndessenistderTodin jungen Jahren weniger denn je Alltg-lichkeitundvielleichtgeradedeshalb umsodramatischer.DerGedankean das eigene Lebensende scheint mit der vielzitiertenjugendlichenUnbekm-mertheitschwervereinbarundwird statdesseninshoheAlter verschoben. WelcherJugendlicheoderjungeEr-wachsene, der nicht von einer bedrohli-chenErkrankungbetrofenist,wrde seinenTodfrdienchstenfnfoder zehn Jahre einkalkulieren und sein Le-ben danach ausrichten? Mitels techni-scher Innovationen ist es gelungen, viele GefahrenquellenfrhererEpochen weitgehend zu eliminieren. Durch neue medizinischeErkenntnisseknnen einstmalsunheilbareKrankheiten heuteerfolgreichbehandeltodervon vornhereinprventiertwerden.Nicht zuletzt deshalb stellt sich die Frage, in-wieweit der Tod in der modernen Gesell-schafberhauptnochverdrngtwer-den muss. (Obschon neue Techniken ih-rerseits neue Gefahren schafen Stich-wortesindu.a.atomareBedrohung und Klimakatastrophe und auch die medizinischeBehandlungbestimmter ErkrankungenwieKrebsoderAIDS noch an ihre Grenzen stt.) In den vor-modernen,prindustriellenGesell-schafen hingegen war der Tod in allen Altersstufengleichermaengegenwr-tig (bedingt durch unzureichende medi-zinischeVersorgung,Epidemien,Er-nhrungsengpsse, riskante und belas-tendeArbeitsbedingungen,hufge Kriege etc.) und somit in gewisser Weise vertrauter. Philippe Aris, der sich wie kein Zweiter mit dem Wandel des sozia-len Verhltnisses zum Tod vom frhen MitelalterbiszurGegenwartbeschf-tigthat,sprichtindiesemZusammen-hang vom gezhmten Tod (Aris 1982: 42). Dass die omniprsente Potenzialitt des eigenen Todes im Alltagsdenken vor al-lem jngerer Menschen blo eine mar-ginale Rolle spielt, verdeutlicht sich ins-besonderedann,wennsiebestimmte Handlungen ausfhren, obwohl sie von ihrenlebensbedrohlichenGefahren wissen (kognitive Dissonanz). Zynisch gesprochen: Es ist fraglich, inwieweit es einenZigaretenkonsumentenvonsei-nemtglichenTabakgenussabhlt, wenn er auf der Verpackung liest, dass Rauchenttet.Letztendlichaberist eineweitreichendeVerdrngungder TodesgefahrsogarVoraussetzungfr einenmglichststrungsfreienVoll-zug des alltglichen Lebens. Auch wenn sich das Wissen um die Endlichkeit, wie Ausgabe 1 | 2012 Seite 31eingangs erwhnt, nicht gnzlich weg-denkenlsst,mussdasGrauenvor dem eigenen Tode [] wenigstens so ge-mildert werden, da es nicht die konti-nuierlicheRoutinedesAlltagslebens lhmt(Berger/Luckmann1969:108f.). DazupasstauchdieErkenntnisvon HansCastorp,demProtagonistenin Tomas Manns Roman Der Zauberberg: Der Mensch soll um der Gte und Liebe willendemTodekeineHerrschafein-rumenberseineGedanken(Mann 1981: 694f.). Jemandem, der aus lauter Be-sorgnis, Opfer einer bedrohlichen Situa-tion zu werden, seine Wohnstube nicht mehrverlassenkann,odervompenet-rantenGedanken,einenahestehende PersonknnteimnchstenMoment sterben, dauerhaf geplagt wird, wrde manwomglicheineAngststrungat-testieren und sein Handeln msste als pathologisch gelten.Zwar ist auch das lange Leben endlich, doch wird der Tod durch seine Medika-lisierung immer mehr zu einer Art rzt-lichenBetriebsunfall.Damitgeht aucheineVerschiebungdesTodesor-tes einher. Der Tod zuhause unter fami-lirerAnwesenheitistimmerweniger derRegelfall.Gestorbenwirdstatdes-senzunehmendindafrzustndigen Institutionen wie Krankenhaus oder Al-ten- und Pfegeheim. Der Tod im Kran-kenhaus ist nicht mehr Anla fr eine rituelle Zeremonie, die der Sterbende im KreiseseinerversammeltenAngehri-gen und Freunde lenkt (Aris 1976: 58). Und stirbt die Person dennoch im heimi-schen Umfeld, so geht es fortan darum, sich mglichst schnell und sauber vom Objekt Leiche (vgl. Gro/Grande 2010) zu trennen, es so zu sagen unsichtbar zu machen. Sicher spielt hierbei auch die Konnotation des Leichnams als unrein eine Rolle (vgl. Helmers 1989). IndemMenschendenVerlustihrer GroelternundElterninzwischenoferst zu einem relativ spten Lebenszeit-punkterfahren(etwadann,wennsie selbstKinderhaben;vgl.Hahn2002: 55f.) und ihn aufgrund der eben genann-tenInstitutionalisierunghufgnicht mehrunmitelbarmitansehen(ms-sen),gehteinePrimrerfahrungver-loren: Die Lebensdauer hat sich verln-gert, so dass das Sterben von Bezugsper-sonen selten und meist erst im Erwach-senenalter erlebt wird. Es entsteht ein Erfahrungsdefzit (Feldmann 2010: 61). Hat der moderne Mensch den Umgang mit dem Tod also verlernt und tut er sich gerade deshalb schwer mit ihm?Todesflletretennichtnurverstrkt spter ein, sie sind berdies zu einer pri-vatenAngelegenheitgeworden.Im Zuge von Industrialisierung und Urba-nisierungwurdederTodzunehmend ausdemBlickpunkteinerbreitenf-fentlichkeit gerckt. Das gilt vor allem fr das Leben in greren Stdten. Ging das Sterben des Einzelnen frher die ge-samteGemeinschafetwasan,soist heute meist nur noch der engste Famili-en-undFreundeskreisinvolviert.Die Ausgabe 1 | 2012 Seite 32brige Gesellschaf dagegen legt keine Pause mehr ein. [] Das Leben der Gro-stadtwirktso,alsobniemandstrbe (Aris1982:42).Trivialerweisewurde die Privatisierung des Todes erst durch den zivilisationsbedingten Umstand er-mglicht, dass berhaupt so etwas wie einePrivatsphreentstandeinOrt jenseits des fentlichen Blickes, an den man sich bei Bedarf zurckziehen und seine Emotionen ausleben kann. Damit verbundenistdasHervorrckenvon Scham-undPeinlichkeitsschwellen. Gemeinhinzeichnetsichdiemoderne GesellschafdurcheineAfektdrosse-lung in der fentlichkeit aus.Frherwareshingegenblich,seine Trauer fr eine bestimmte Zeit vor der Gemeinschaf fentlich zur Schau zu tragen. Besonders von Frauen wurde er-wartet,dasssieimRahmendessoge-nannten Trauerjahres spezifsche (in derRegelschwarze)Kleidungtrugen. Die Verbindlichkeit dieser Trauernorm hingdavonab,wienahmandem/der Verstorbenen stand; generell hat sie in-zwischenjedochnachgelassen.Dies knnte als ein weiterer Hinweis fr die PrivatisierungdesTodesbetrachtet werden. Nichtsdestotrotz lsst sich auch eingegenlufgerTrendidentifzieren: DiefreiwilligeVerfentlichungvon Trauer,GedenkenundAnteilnahme etwadurchUnfallkreuzeanStraen-rndern (vgl. Lwer 1999; Aka 2007), das Ablegen von Blumen, Kerzen, Stofieren etc. an fentlichen Pltzen, spezifsche Gedenkvideos auf entsprechenden On-line-Portalen oder virtuelle Friedhfe im Internet zeigt, dass der Tod nicht grundstzlich privatisiert und nicht nur innerhalb der eigenen vier Wnde ge-trauertwird.Darananschlieende Handlungen sind zumeist nach dem Tod jungerMenschenzubeobachtenund fnden sowohl im sozialen Nahraum als auch fr verstorbene Prominente stat. Je unvorhersehbarer der konkrete To-desfall gewesen ist, so knnte die daraus abgeleiteteTeselauten,destogrer scheint das Interesse daran, Schock und Trauer explizit zu machen, um sie somit zubewltigen.Aufgrundderaugen-scheinlichenAmbivalenzzwischenIn-timitt und fentlichkeit oszilliert der Umgang mit dem Tod in der modernen Gesellschaf gewissermaen zwischen einerPrivatisierungdesfentlichen und einer Verfentlichung des Privaten (vgl. Imhof/Schulz 1998).oder prsent?VielesvondembereitsGenannten sprichtfreineTodesverdrngung. GeofreyGo rerprgteeinstdenAus-druckPor no gra phiedesTodesund konstatierte,dassIndustriegesellschaf-ten den Tod in hnlicher Weise tabuisie-renwiefrhereGesellschafendieSe-xualitt (vgl. Go rer 1956). Weitere Indizi-enfrdieseTesefndensichim sichtbare[n]Bemhenumeineunauf-flligeBeseitigungderToten.Dafr sprechenLeichenwageninhellenFar-Ausgabe 1 | 2012 Seite 33ben ohne sichtbare Todessymbolik und der strker werdende Wunsch nach an-onymenBestatungsformen(Busch/Stolle 2001: 7). Zudem fllt auf, dass der TodinTraueranzeigenoderaufGrab-steinenhufgnichtkonkretbenannt, sondern vielmehr in einer foskelhafen Sprachenurangedeutetwird:Jemand ist von uns gegangen, wurde aus unse-rerMitegerissen,istentschlafen, wurdeabberufen,DerHerrhatihn heimgeholt,GotesWilleistgesche-hen,WirnehmenAbschiedvon, Ruhe in Frieden usf.EinvielfachangefhrtesArgument, welchesjedochgegendieVerdrn-gungsthese spricht, ist seine gegenwr-tige mediale Prsenz im Alltag. In (Mas-sen-)Medien wie Fernsehen, Videospie-len, Zeitungen und insbesondere Inter-neterfreutsichderTodeinerkaum bersehbarenPopularitt(vgl.Macho/Marek 2007). ber die Medien erhalten Menschen Einblicke, die ihnen ansons-tenverwehrtodererschwertwren. Brgerkriege, Intensivstationen, Hospi-ze, Mord, Suizid, Autopsie, Bestatungs-arbeitetc.DieMedienbeschneidenal-lerdings die soziale Wirklichkeit, sie zei-gen nach Medienkriterien ausgewhlte undgestylteTodesbilder(Feldmann 2010: 100). Bei nachlassenden Primrer-fahrungen nehmen vor allem mit medi-aler Hilfe die Sekundrerfahrungen er-heblichzu(vgl.ebd.:70).Vondiesem Standpunkt aus betrachtet, scheint der Tod alles andere als ein Tabu zu sein. Of-mals lst der mediale Tod einen Faszina-tions- und Sensationsefekt aus, der im Kontraststehtzudemansonstenher-vorgerufenen Schrecken und der Grau-samkeit, sobald man real und unmit-telbarvonihm(mit-)betrofenist.Ein weiteres Beispiel bietet die umstritene WanderausstellungKrperwelten,die derHeidelbergerAnatomGuntervon Hagens 1996 ins Leben rief und seither von zahlreichen Besuchern frequentiert wird(vgl.HermesdaFonseca/Kliche 2006;Wetz2011).Auchwirddasver-meintliche Tabuthema Tod von spezif-schenSubkulturen(Gothicsetc.)auf-gegrifen (vgl. Gutzeit/Cremers 2002) aber auch jenseits davon dienen der To-tenkopf und andere Vanitasmotive als beliebte Modeaccessoires.WhrendfrherdieFamilieunddie nachbarschafliche Gemeinde dafr zu-stndig waren, sich um den Leichnam und um die notwendigen Schrite bis zu seiner Beisetzung zu kmmern, gibt es heute Experten fr die Verwaltung des Todes (MedizinerInnen, BestaterInnen, JuristInnen,SozialarbeiterInnen,Psy-chologInnen, SeelsorgerInnen etc.). Der Tod wird in diesem Sinne professionali-siert. Schon hieran zeigt sich, dass die Verdrngung des Todes aus dem sozia-len Alltag gewiss nicht fr jeden zutrif. Mit ihm beschfigen sich nicht nur Per-sonen, die sich selbst in der Nhe ihres eigenenLebensendessehen(Alteund Kranke) oder Angehrige eines Sterben-den sind, sondern auch diejenigen, die Ausgabe 1 | 2012 Seite 34berufsbedingtmitihmzutunhaben beispielsweise auch TanatosoziologIn-nen. Und dass schlielich auch fr Sui-zidkandidatInnen die Verdrngung des Todes aus dem Alltagsdenken nicht gilt, lsstsichnachvollziehen.Vielmehr kehrendiesedasherkmmlicheVer-haltenumundbilligendemTodeben doch Alltagsprsenz zu. Mglicherwei-sewurzeltdiePathologiedesSelbst-mordes mitunter darin, dass hier Akteu-rInnen ihre Handlungsautonomie ernst nehmenunddieVershnungvonAll-tagswelt und Sterbensgedanken gleich-sam auf die Spitze treiben. DiedankbesagterFaktorenerreichte VerlngerungderLebenszeithatinso-fern ihre Kehrseite, als durch den medi-zinischenFortschritgewonneneLe-bensjahre zum Preis einer qualitativen VerschlechterungdesGesundheitszu-standes [] erkauf werden (Rosentre-ter/Gro2010:88).Dasbedeutetauch, dass der Tod immer seltener pltzlich undunerwarteteintrit,sondernofnach einem mehr oder minder lang an-dauernden Prozess, in dem sich die kr-perliche und geistige Funktionalitt im Rckgangbefndet.Trotzverbesserter Medizin sind gewisse Altersgebrechen vorallemindenletztenLebensjahren kaumvermeidbar(Multimorbiditt). Bei einem bestimmten Ausma ist die Teilnahme am sozialen Leben, nicht zu-letzt durch verminderte Mobilitt, nur noch stark eingeschrnkt oder gar nicht mehr mglich. In den modernen tech-nisierten Gesellschafen, die durch Leis-tungs- und Konsumfhigkeit als Krite-riensozialerLebendigkeitcharakteri-siert sind, geht der soziale Tod gegebe-nenfallsdembiologischenvoraus.Als sozialtotgilt,wervonAnderennicht mehr als aktiv handelndes Individuum wahrgenommen wird (ebd.). Der leibli-che Tod ist dann nur noch der letzte von mehreren(kleineren)Abschieden,die schon zu Lebzeiten statgefunden haben. (Hier ist z. B. auch an die Pensionierung unddendamithufgverbundenen Funktions-undRollenverlustzuden-ken.) Vor diesem Hintergrund liee sich provokantanmerken,dasssichnicht nur das Leben, sondern auch das Sterben verlngert hat (vgl. Feldmann 2010: 282). Mitmodernenpalliativmedizinischen Technikenistesheutemglich,einen Menschen ber dessen Herztod hinaus, angeschlossen an Gerte, am Leben zu erhalten. Hierdurch ist der Tod in eine Serie von kleinen Teilphasen aufgelst, zerstckelt, von denen man nicht mit Si-cherheitwei,welchedenwirklichen Todbedeutet,dieindermandasBe-wutsein verloren, oder die, in der man den letzten Atemzug getan hat (Aris 1976:59).Solchelebensverlngernde (oder sollte man besser sagen: sterbens-verlngernde?)Manahmenwerfen viele ethische Fragen auf zum Beispiel die nach dem selbstbestimmten Tod (Pa-tientInnenverfgung,Sterbehilfeetc.). DieKriterienfrdenTodeinesMen-schen sowie der exakte Todeszeitpunkt Ausgabe 1 | 2012 Seite 35knnen somit in Frage gestellt werden und das Medizinsystem ist nicht mehr nur fr die Erhaltung des Lebens, son-dern darber hinaus fr die Feststellung des Todes zustndig.EinweiteresAltersschicksalistder zunehmendeVerlustnahestehender Menschen. Wer ein besonders hohes Le-bensalter erreicht, wird sich wohl auch mitdemSchicksalabfndenmssen, dazuverdammtzusein,dasSterben vielergleichaltrigerFreundefrmlich mitanzusehen.DasAltergiltalsdie letzteLebensphasevordemTod,wel-cher durch seine Medikalisierung bere-chenbarer, planbarer geworden ist. Dies ermglicht es wiederum, sich rechtzei-tig mit dem eigenen Tod auseinander-zusetzenundgewisseVorsorgeleistun-gen zu erbringen. Die genannten Spezi-fka des hohen Alters fhren zu der Fra-ge,inwieweitderTodindiesem Lebensabschnitberhauptverdrngt werden kann.Ambivalenzen des Todes(umgangs)DieaufgefhrtenArgumenteundBei-spiele sollen deutlich machen: Pauschal lsst sich die Frage nach der Prsenz bzw. Verdrngung des Todes nicht beantwor-ten. Setzt man sich dennoch mit ihr aus-einander, so gilt es vor allem zwischen einer individuellen Ebene (den konkre-tenpersnlichenLebensumstnden) und den kollektiven, gesellschaflichen Rahmenbedingungen(Medizin,Tech-nik, Religion, Wirtschaf, Massenmedi-en etc.) zu diferenzieren. Wie unter an-deremanhanddergegenwrtigenPri-vatisierungbzw.Verfentlichungvon Sterben,TodundTrauerveranschau-lichtwurde,istderdamitverbundene Wandel kein linearer Prozess, sondern vielmehr von unbersehbaren Ambiva-lenzenundgegenlufgenEntwicklun-gengeprgt.Trotzderobenangespro-chenenzunehmendenVerschiebung desTodesortes(Institutionalisierung) entscheidensichbeispielsweisenicht wenige Angehrige nach wie vor dazu, den Sterbenden in seinen letzten Tagen amheimischenKrankenbetzubeglei-ten, stat ihn etwa in ein Krankenhaus einliefern zu lassen. Auch die Frage, wie mit der Mglichkeit einer letzten Begeg-nung mit dem Toten umgegangen wird, fhrt in der Gegenwartsgesellschaf zu keiner eindeutigen Antwort. Besteht bei vielen Hinterbliebenen das Bedrfnis (oder vielmehr: die an sich selbst gerich-teteErwartungshaltung),dieaufge-bahrte Leiche vor der Beisetzung noch ein letztes Mal zu sehen, vielleicht sogar zu berhren um den Tod somit buch-stblich zu begreifen , sehen andere da-von ab, um den toten Angehrigen mg-lichst so in Erinnerung zu behalten, wie er gewesen ist: lebendig.Eswrezuberprfen,inwieweitBe-grifewieVerdrngungoderGe-schwtzigkeit (Nassehi/Saake 2005: 39) berhaupterschpfendsind,willman dassozialeVerhltniszumTodinder modernenGesellschafganzheitlich Ausgabe 1 | 2012 Seite 36untersuchen. Nassehi betont, dass von einerVerdrngungdesTodes[]gar keine Rede sein [kann], sondern von ei-nerVerwissenschaflichung,Politisie-rung,konomisierung,Medikalisie-rung,Juridifzierungusw.(Nassehi 2003: 301). Und trefend fgt Feldmann hinzu: Was also Verdrngung genannt wird, ist vielleicht nichts anderes als der dem kulturellen Gefge angepasste Zu-stand des Umgangs mit Sterben und Tod (Feldmann 2010: 78). Trotz des themati-siertenWandelsistderToddamitkei-neswegs unwichtiger geworden, er hat nurseineErscheinungsformenvern-dert (ebd.: 99). Und diese vielfltigen Er-scheinungsformen, die sich im Diskurs-feld zwischen Wissen und Nichterfahr-barkeit verorten lassen, knnen meines ErachtensnurschweraufdieBegrif-lichkeiten Verdrngung und Geschwt-zigkeitreduziertwerden.Siefllenei-nen Raum aus, der sich zwischen beiden Polen erstreckt. LiteraturverzeichnisAdorno,TheodorW.(1966):NegativeDialektik. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Aka,Christine(2007):Unfallkreuze.Trauerorte am Straenrand. Mnster: Waxmann.Aris, Philippe (1976): Studien zur Geschichte des Todes im Abendland. Mnchen: Hanser. Aris, Philippe (1982): Geschichte des Todes. Mn-chen: DTV. Bahr, Hans-Dieter (2002): Den Tod denken. 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Zu seinen wissenschaftlichen Inter-essengebietengehren:Thanatosoziologie,So-ziologiederSexualitt,Devianzforschungund psychoanalytische Sozialpsychologie. VERLAG WESTFLISCHES DAMPFBOOTWWW.DAMPFBOOT-VERLAG.DE2011 - 244 Seiten - 29,90 ISBN: 978-3-89691-889-52011 - 202 Seiten - 27,90ISBN: 978-3-89691-891-8Gegen den Reduktionismus einer von bioethischen Positionen domi-nierten Debatte, die zwischen der dramatischen Suggestion des Ein-zelfalls und der abstrakten Phrase pendelt, rekonstruiert Christoph Schneider den Zusammenhang zwischen gesellschaflicher Reali-tt und Euthanasiebefrwortung. Dabei liegt das Augenmerk sowohl auf der mekrwrdigen Konstanz wie den historischen Zsuren der Begrndungsfguren als auch auf der Performativitt der Texte, die der Angst vor dem Verfall eine Richtung geben.Der Autor zeigt, dass die fheren religisen Weltinterpretationen, die mit dem Opfer-Begrif verknpf waren, auch heute noch einen aktu-ellen, unbewussten Wahrheitsgehalt haben. Sie weisen darauf hin, dass der Umgang mit Opferproblemen entscheidend fr den Charakter von Menschen und ihr soziales Zusam-menleben ist. Opferzusammenhnge knnen, ebenso wie Wunschwelten, zerstrerisch wirksam werden, aber sie knnen auch ein Denken und Handeln anregen, das auf eine men-schenfeundlichere Realitt zielt.22011 - 244 IISBN: 978-Gegen denvon bioethnierten Ddramatisczelfalls unpendelt, rSchneiderzwischen tt und EuDabei liegauf der mewie den hiBegrnduPerformatAngst vorgeben.DDDDer AAAAAuttor zeiiigtt, dddddass dddi di die fffff hh h h herenreligisen Weltinterpretationen, diemit demOpfer-Begrif verknpfAnzeigeAusgabe 1 | 2012 Seite 40 Stefanie Hofschlger/ PIXELIO (Bearbeitung: Florian Dring)read us: www.soziologiemagazin.delike us: www.facebook.com/soziologiemagazinfollow us: @soziomagazinwrite us: [email protected] as print: http://www.soziologiemagazin.de/blog/shop/Ausgabe 1 | 2012 Seite 41Tod undtote KrperKurzinterview mit Prof Dr. Hubert Knoblauchgefhrt von Benjamin Khler CC BY-SA 2.0 Beppo Straenkehrer/fickrAusgabe 1 |