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2017 INFO-Fachbereich Sport 23 AUS DEN SEMINAREN Sportunterricht mit inklusiven Klassen Klaus Lipinski, Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien) Karlsruhe AUSGANGSLAGE Nicht erst seit der aktuellen Änderung des Schulgesetzes und dem Inkrafttre- ten des neuen Bildungsplanes gehört die Inklusion zu den am heftigsten dis- kutierten Schulthemen und pädago- gischen Herausforderungen. In Bezug auf den Sportunterricht sehen sich die Sportlehrkräfte vor enorme Herausfor- derungen gestellt, gilt es doch einer noch größeren Heterogenität der Schü- lerinnen und Schüler im Unterricht ge- recht zu werden. Der folgende Beitrag versucht, erste praktische Schritte in den Inklusions- prozess an Regelschulen aufzuzeigen. VORGABE DURCH DIE BIL- DUNGSPLäNE Das inklusive Bildungssystem, zu dem sich die Bundesrepublik mit der Ratifi- zierung der Behindertenrechtskonventi- on 2009 verpflichtete, fordert durch die aktuellen Bildungspläne (2016) verbind- lich umfassende und gleichberechtigte Bildung und Erziehung für Schülerinnen und Schüler – uneingeschränkt –, ob mit oder ohne sonderpädagogischem Bildungsanspruch (Bildungsplan 2016). Spätestens jetzt wird man als Sport- lehrkraft ohne sonderpädagogische Qualifizierung eingestehen müssen, dass der persönliche Umgang mit He- terogenität im Sinne der Behinderten- rechtskonvention noch nicht zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, obgleich die Auseinandersetzung mit interindividuellen Unterschieden schon im bisherigen Sportunterricht das un- terrichtliche Handeln wesentlich mit- bestimmte. WANDEL IM UMGANG MIT HETE- ROGENITäT Schon in der Vergangenheit war die Fachdidaktik bemüht, Konzepte zum Umgang mit Heterogenität zu ent- wickeln. Erste Konzepte zielten fast ausnahmslos darauf ab, allen Ler- nenden mit ihren unterschiedlichen körperlichen und motorisch bezogenen Voraussetzungen und Lernmöglichkei- ten das gemeinsam verbindliche, sehr präzise formulierte Unterrichtsziel – ent- sprechende konditionelle Anforderungen, Ausführungsgrad einer Bewegungsfer- tigkeit, Spielfähigkeit etc. – tunlichst er- reichbar zu machen; dies durch mög- lichst leistungshomogene Kleingrup- pen mit zum Teil unterschiedlichen Aufgabenstellungen, angepassten vari- ablen Lernwegen und medialen Hilfen sowie im Rahmen der Übungsaufga- ben und Spielformen durch umfang- reiche Regeladaptionen. Diese Form der Differenzierung ist sehr stark anfor- derungsbezogen und zielt zuallererst darauf ab, vorhandene Differenzen leh- rergeleitet zu kompensieren 1 . Konsequenterweise werden die indivi- duellen Leistungen an allgemein gül- tigen Leistungsnormen für alle gemes- sen, diese Art der Gleichbehandlung kann somit kaum Chancengleichheit bezüglich einer individuellen Entwick- lung bieten 2 . Demzufolge muss die im Zuge der Inklusion nun angestrebte Differenzierungsform nicht den kom- pensatorischen Aspekt, sondern in ver- stärktem Maße den voraussetzungs- bezogenen bzw. ressourcenorien- tierten Schwerpunkt berücksichtigen (Inklusion „nach oben“, d.h. von den Fähigkeiten ausgehend). Bezüglich der Gleichbehandlung stehen dann die in- dividuelle Förderung - sonderpädago- gische Förderung inklusiv - und die be- wusste Kultivierung der Heterogenität im Mittelpunkt, Heterogenität muss „attraktiv“ gemacht werden. Integra- tions- und Sportpädagogik entwi- ckelten in diesem Sinne tragfähige Konzeptionen und handlungsleitende Prinzipien für die Praxis des inklusiven Sportunterrichts. KONZEPTE UND HANDLUNGS- LEITENDE PRINZIPIEN Ein Konzept, welches umfassende Pla- nungs- und Umsetzungshilfen für den inklusiven Sportunterricht zu geben vermag, entwirft Willibald Weichert. Für ihn stellen Quantität und Qualität der gemeinsamen bzw. der sich wech- selseitig beeinflussenden Bewegun- gen von Schülern mit und ohne Handi- cap die entscheidenden Merkmale ei- nes gelungenen inklusiven Sportunter- richts dar. Demzufolge sollte unsere ganze Anstrengung darin münden, ei- ne möglichst große Vielfalt von Bewe bei großen heterogenen personalen Voraussetzungen zu schaffen. Ausgehend von der koexistenten Be- wegungsbeziehung, die keine gemein- same Leistungserbringung vorsieht, wird diese in den darauf folgenden Be- wegungsbeziehungen in unterschied- lich ergänzender, ausgleichend unter- stützender bzw. differenzierter Form erbracht. Unter inklusiver Sichtweise entwickelt B. Wurzel ein Konzept, das sich am Prinzip der Mehrperspektivität und den korrespondierenden pädagogischen Perspektiven nach Kurz orientiert (die- se prägen die Bildungspläne 2004 und 2016 für das Fach Sport). So eröffnen sich verschiedene Zugangsmöglich- keiten zum inklusiven Schulsport für die Schüler und Schülerinnen. Wenn- gleich die sportliche Leistung auch weiterhin eine sehr wichtige Sinnrich- tung des Sports darstellt, so soll je- doch mit deren Erbringung bzw. Erfah- Art der Bewegungsbeziehung Merkmale Beispiele Koexistent (ohne/mit Webewerb) Lernen und Üben erfolgt unabhängig voneinander Bewegungslandschaſt, Geräurnen-Staonen; Leichtathlek-Staonen Addiv Einzelhandlungen/-ergebnisse werden zum Gesamtresultat addiert rudern, paddeln, Staffeln Kooperav- kompensatorisch Bewegungshandlungen erfolgen unterstützend und ausgleichend in einer Art „Patenschaſt“ Rollstuhltanz, Akrobak; Inliner im Tandem, Skilanglauf und Leichtathlek-Langstreckenlauf im Tandem Kooperav- differenziert Rollenverteilung in der Beziehungssituaon ist festgelegt adaperte Rückschlagspiele: „Profi“ spielt mit „Rollstuhlfahrer“ Kompev- differenziert Alle müssen in Wekampfsituaonen entsprechend den eigenen Möglichkeiten zum Spielerfolg beitragen. Kampfsport, große Mannschaſtsspiele mit erheblichen Spiel- u. Raumadaponen Weichert erstellt bezüglich der Bewegungsbeziehungen folgende Systematik 3 :

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Sportunterricht mit inklusiven klassenKlaus Lipinski, Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien) Karlsruhe

AUSgANgSLAgE

Nicht erst seit der aktuellen Änderung des Schulgesetzes und dem Inkrafttre-ten des neuen Bildungsplanes gehört die Inklusion zu den am heftigsten dis-kutierten Schulthemen und pädago-gischen Herausforderungen. In Bezug auf den Sportunterricht sehen sich die Sportlehrkräfte vor enorme Herausfor-derungen gestellt, gilt es doch einer noch größeren Heterogenität der Schü-lerinnen und Schüler im Unterricht ge-recht zu werden.Der folgende Beitrag versucht, erste praktische Schritte in den Inklusions-prozess an Regelschulen aufzuzeigen.

VORgABE DURCH DIE BIL-DUNgSPLäNE

Das inklusive Bildungssystem, zu dem sich die Bundesrepublik mit der Ratifi-zierung der Behindertenrechtskonventi-on 2009 verpflichtete, fordert durch die aktuellen Bildungspläne (2016) verbind-lich umfassende und gleichberechtigte Bildung und Erziehung für Schülerinnen und Schüler – uneingeschränkt –, ob mit oder ohne sonderpädagogischem Bildungsanspruch (Bildungsplan 2016). Spätestens jetzt wird man als Sport-lehrkraft ohne sonderpädagogische Qualifizierung eingestehen müssen, dass der persönliche Umgang mit He-terogenität im Sinne der Behinderten-rechtskonvention noch nicht zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, obgleich die Auseinandersetzung mit interindividuellen Unterschieden schon im bisherigen Sportunterricht das un-terrichtliche Handeln wesentlich mit-bestimmte.

wANDEL IM UMgANg MIT HETE-ROgENITäT

Schon in der Vergangenheit war die Fachdidaktik bemüht, Konzepte zum Umgang mit Heterogenität zu ent-wickeln. Erste Konzepte zielten fast ausnahmslos darauf ab, allen Ler-nenden mit ihren unterschiedlichen körperlichen und motorisch bezogenen Voraussetzungen und Lernmöglichkei-ten das gemeinsam verbindliche, sehr präzise formulierte Unterrichtsziel – ent-sprechende konditionelle Anfor de run gen, Ausführungsgrad einer Bewegungsfer-tigkeit, Spielfähigkeit etc. – tunlichst er-

reichbar zu machen; dies durch mög-lichst leistungshomogene Kleingrup-pen mit zum Teil unterschiedlichen Aufgabenstellungen, angepassten vari-ablen Lernwegen und medialen Hilfen sowie im Rahmen der Übungsaufga-ben und Spielformen durch umfang-reiche Regeladaptionen. Diese Form der Differenzierung ist sehr stark anfor-derungsbezogen und zielt zuallererst darauf ab, vorhandene Differenzen leh-rergeleitet zu kompensieren1.Konsequenterweise werden die indivi-duellen Leistungen an allgemein gül-tigen Leistungsnormen für alle gemes-sen, diese Art der Gleichbehandlung kann somit kaum Chancengleichheit bezüglich einer individuellen Entwick-lung bieten2. Demzufolge muss die im Zuge der Inklusion nun angestrebte Differenzierungsform nicht den kom-pensatorischen Aspekt, sondern in ver-stärktem Maße den voraussetzungs-bezogenen bzw. ressourcenorien-tierten Schwerpunkt berücksichtigen (Inklusion „nach oben“, d.h. von den Fähigkeiten ausgehend). Bezüglich der Gleichbehandlung stehen dann die in-dividuelle Förderung - sonderpädago-gische Förderung inklusiv - und die be-wusste Kultivierung der Heterogenität im Mittelpunkt, Heterogenität muss „attraktiv“ gemacht werden. Integra-tions- und Sportpädagogik entwi-ckelten in diesem Sinne tragfähige Konzeptionen und handlungsleitende Prinzipien für die Praxis des inklusiven Sportunterrichts.

kONZEPTE UND HANDLUNgS-LEITENDE PRINZIPIEN

Ein Konzept, welches umfassende Pla-nungs- und Umsetzungshilfen für den inklusiven Sportunterricht zu geben vermag, entwirft Willibald Weichert. Für ihn stellen Quantität und Qualität der gemeinsamen bzw. der sich wech-selseitig beeinflussenden Bewegun-gen von Schülern mit und ohne Handi-cap die entscheidenden Merkmale ei-nes gelungenen inklusiven Sportunter-richts dar. Demzufolge sollte unsere ganze Anstrengung darin münden, ei-ne möglichst große Vielfalt von Bewe bei großen heterogenen personalen Voraussetzungen zu schaffen.Ausgehend von der koexistenten Be-wegungsbeziehung, die keine gemein-same Leistungserbringung vorsieht, wird diese in den darauf folgenden Be-wegungsbeziehungen in unterschied-lich ergänzender, ausgleichend unter-stützender bzw. differenzierter Form erbracht.Unter inklusiver Sichtweise entwickelt B. Wurzel ein Konzept, das sich am Prinzip der Mehrperspektivität und den korrespondierenden pädagogischen Perspektiven nach Kurz orientiert (die-se prägen die Bildungspläne 2004 und 2016 für das Fach Sport). So eröffnen sich verschiedene Zugangsmöglich-keiten zum inklusiven Schulsport für die Schüler und Schülerinnen. Wenn-gleich die sportliche Leistung auch weiterhin eine sehr wichtige Sinnrich-tung des Sports darstellt, so soll je-doch mit deren Erbringung bzw. Erfah-

Art der Bewegungsbeziehung

Merkmale Beispiele

Koexistent (ohne/mit Wettbewerb)

Lernen und Üben erfolgt unabhängig voneinander

Bewegungslandschaft, Gerätturnen-Stationen; Leichtathletik-Stationen

Additiv Einzelhandlungen/-ergebnisse werden zum Gesamtresultat addiert

rudern, paddeln, Staffeln

Kooperativ-kompensatorisch

Bewegungshandlungen erfolgen unterstützend und ausgleichend in einer Art „Patenschaft“

Rollstuhltanz, Akrobatik; Inliner im Tandem, Skilanglauf und Leichtathletik-Langstreckenlauf im Tandem

Kooperativ-differenziert

Rollenverteilung in der Beziehungssituation ist festgelegt

adaptierte Rückschlagspiele: „Profi“ spielt mit „Rollstuhlfahrer“

Kompetitiv-differenziert

Alle müssen in Wettkampfsituationen entsprechend den eigenen Möglichkeiten zum Spielerfolg beitragen.

Kampfsport, große Mannschaftsspiele mit erheblichen Spiel- u. Raumadaptionen

weichert erstellt bezüglich der Bewegungsbeziehungen folgende Systematik3:

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rung auch eine bewusste Auseinander-setzung mit dem Leistungsverständnis (individualisiert-sozialnormiert) erfol-gen4.Kein umfassendes Konzept, eher ein handlungsleitendes Prinzip für einen in-klusiven Sportunterricht, stellt das in diesem Zusammenhang von Fediuk dargestellte Individualisierungs- und Mannschaftsprinzip dar5. Zuweilen fin-det die Vorgehensweise nach dieser Methode - in deutlich abgewandelter Form im Rahmen von Staffelwettbe-werben - auch im traditionellen Sport-unterricht Beachtung; sie berücksich-tigt und wertschätzt in besonderem Maße die aktive, selbstbestimmte Teil-habe sowie die individuelle Leistung al-ler Schülerinnen und Schüler. Dabei profitiert das Team vom individuellen Lernfortschritt seiner Mitglieder. Lei-stungsbegriff und Leistungsbeurtei-lung erfahren gegenüber der traditio-nellen Erfolgsorientierung einen Wan-del: Die solidarische Erfolgsorientie-rung (individuelle und mannschaftliche Weiterentwicklung) ersetzt die ego-zentrische Erfolgsbefriedigung (ich bzw. die Mannschaft war besser als der Gegner bzw. die gegnerische Mannschaft).

BEISPIELE AUS DER UNTER-RICHTSPRAxIS

Die exemplarischen Beispiele versu-chen aufzuzeigen, wie regelsportliche Sichtweisen, Bedürfnisse der teilneh-menden Schülerinnen und Schüler - mit und ohne Förderbedarf - in einem inklusiven Sportunterricht unter Be-rücksichtigung der oben dargestellten Konzepte und Prinzipien bestmöglich zur Annäherung gebracht werden kön-nen.

„ALLES STEHT kOPF“

Im konkreten Fall wurde auf der Basis des Bildungsplanes 2004 in einem in-duktiven und in besonders hohem Ma-ße kompetenzorientierten Sportunter-richt in einer koedukativen Klasse 6 ein

Abb. 2: Unterrichtsbeispiel: Lösung der Gruppenaufgabe „Alles steht Kopf“

Abb. 1: Einstiegsimpuls: „Alles steht Kopf“

Lernarrangement unter Berücksichti-gung des Individual- und Mannschafts-prinzips entwickelt und durchgeführt; gewissermaßen als Pilotprojekt im Hin-blick auf den neuen Bildungsplan. Den aktuellen Bildungsplan 2016 zu-grunde gelegt, kann dieses Unter-richtsvorhaben für eine inklusive Sport-klasse 6 grob skizziert werden (Abbil-dung 3):

Das Unterrichtsvorhaben „Alles steht Kopf“ hat das Ziel, den Erwerb vielfäl-tiger inhaltsbezogener Kompetenzen aus dem Bereich „Bewegen an Gerä-ten“ zu ermöglichen, indem Inhalte mit sportpädagogischen Perspektiven und ausgewählten Leitperspektiven ver-knüpft werden. Durch die Verzahnung des Bildungsplanes der spezifischen Förderschwerpunkte (Beispiel: körper-liche und motorische Entwicklung) und des Bildungsplanes, der dem Bildungs-gang der jeweiligen Schülerin oder des Schülers entspricht, wird der Erwerb individueller prozessbezogener Kom-petenzen ermöglicht.Ausgangspunkt bildet die Formulie-rung einer für alle Schülerinnen und Schüler herausfordernde Gruppenauf-gabe (Abbildung 1) „Alles steht Kopf“. Dieser bewusst gewählte Rahmen er-möglicht es, ohne große Schwierig-keiten individuelle Entwicklungsziele und Bedürfnisse sowie persönliche, auch sonderpädagogische Förder- und Unterstützungsmaßnahmen miteinan-der zu verknüpfen. Die Expertise son-derpädagogischer Förderdienste wird mit einbezogen (Abbildung 4).

Als sportbezogener Inhalt wird die kon-ditionelle Komponente Kraft (Stütz-kraft) und ein begrenztes Fertigkeitsre-pertoire (Abbildung 3) aus dem Bereich Bewegen an Geräten ausgewählt. Kri-terien für das Erreichen des Gruppen-ziels sind Ausführungsart, Ausfüh-rungspräzision oder Zeitvorgabe (Kopf-unten-Position der gesamten Klasse, evtl. über bestimmte Zeitspanne).

Den Schülerinnen und Schülern wird bei der Vorgehensweise nach dem In-dividual- und Mannschaftsprinzip ein sehr großes Maß an Mitverantwortung am eigenen Lernprozess übertragen. Zunächst haben sie einen nicht un-merklichen Entscheidungsspielraum, einmal bezüglich der Wahl zwischen wenig vorgegebenen Bewegungsfer-tigkeiten und individuellen Bewegungs-lösungen und andererseits hinsichtlich der Umsetzung des Lernweges (Fin-den einer individuellen Fertigkeitsform, Stützen ein- oder beidhändig, Stützen auf den Unterarmen, Aufschwingen mit und ohne Hilfestellung/Gerätehilfe in den Handstand; Kopfstand, Schulter-stand über dem Gerätegraben, Balan-cieren durch Reduktion der Gerätehilfe/„Mattenwand“, Körperspannung ent-wickeln). Die Lösung dieser Gruppen-aufgabe lässt somit nicht nur ein Ler-nen mit Differenzen zu, sie legt auch den Grundstein für unterschiedliche Bewegungsabsichten entsprechend des persönlichen Bewegungspotenti-als, was wiederum vielfältige subjek-tive Bewegungslösungen generiert6.Individuelle und kooperative Lernpha-sen können sich nach den Bedürfnis-sen der Schüler wechselseitig bedin-gen (Buddy-System). Mitunter können die von den Schülern individuell oder kooperativ entwickelten und organi-sierten Lernprozesse in Abhängigkeit von selbst veränderten, erweiterten bzw. erschwerten Bewegungsfertig-keiten und Bewegungsproblemen („Mattenwand stürzt an einer be-stimmten Stelle ein“, d.h. hier ist aus-schließlich freier Handstand möglich; unterschiedlich langes Kopfüber durch „La Ola-Welle“) auch in mehrere auf-einanderfolgende Unterrichtsstunden hineinreichen.Dieses Beispiel zeigt, dass es durch-aus möglich ist, Lernsituationen im Sportunterricht so zu inszenieren und zu gestalten, dass alle Schülerinnen und Schüler - auch mit Handicap - im Sportunterricht „ziel- und themen-gleich“ lernen und üben und dies mehr

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Abb. 3: Übersicht Unterrichtsvorhaben „Alles steht Kopf“

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Den aktuellen Bildungsplan 2016 zugrunde gelegt, kann dieses Unterrichtsvorhaben für eine inklusive Sportklasse 6 grob skizziert werden (Abbildung 3):

Abb. 3: Übersicht Unterrichtsvorhaben „Alles steht Kopf"

Unterrichtsinhalte • auf den Händen stehen

• in den Handstand schwingen: an der Wand, frei, Schwungbein-/ Druckbeineinsatz

• im Handstütz einhändig an der Wand stehen

• vom Vierfüßlerstand in den Handstütz/Unterarmstütz an der Wand

• Schulterstand balancieren

• individuelle Bewegungslösungen

Inhaltsbezogene Teilkompetenzen • (1) turnerische Grundtätigkeiten (Stützen, Balancieren, Schwingen) am Boden anwenden

• (2) normgebundene Turnfertigkeiten (in den Handstand schwingen) ausführen und anwenden

• (5) einfache Helferhandlungen ausführen

• (6) bei ihrem sportlichen Bewegungshandeln die Sinnrichtungen erkennen

• (7) Maßnahmen des Helfens und Sicherns benennen

• (8) in Wagnissituationen verantwortungsbewusst handeln

• (10) gemeinsam aus Grundtätigkeiten und turnerischen Bewegungsfertigkeiten eine Gruppenaufgabe lösen

Unterrichtsvorhaben Kl. 6 „Alles steht Kopf“Wir entwickeln/erlernen turnerische Grundtätigkeiten und Fertigkeiten aus dem Gerätturnen (Boden) und dem Freien Turnen

(weiter) und gestalten vielfältige Gruppenbewegungsaufgaben.

Prozessbezogene Kompetenzen Bewegungskompetenz • (1) alters- und entwicklungsgemäße konditionelle Anforderungen bewältigen • (2) koordinative Fähigkeiten und technische Fertigkeiten anwenden Reflexionskompetenz • (3) das eigene sportliche Handeln selbstbestimmt steuern Personalkompetenz • (1) ein realistisches Selbstbild entwickeln • (5) eigene Emotionen und Bedürfnisse wahrnehmen und regulieren; Recht auf Teilhabe konkret einfordern Sozialkompetenz • (1) Mitschülerinnen und Mitschüler […] unterstützen und ihnen […] helfen • (2) wertschätzend miteinander umgehen und andere integrieren • (3) bei der Lösung von Konflikten die Interessen und Ziele aller Beteiligten berücksichtigen • (6) bei sportlichen Aktivitäten kommunizieren, kooperieren und konkurrieren

Für die spezifischen Förderschwerpunkte gibt es Bildungspläne mit unterschiedlichen Kompetenzanforderungen (kursiv u. fett gedruckt) in spezifisch akzentuierten (Bildungs-)Bereichen, die über die in Unterrichtsfächern definierten hinausgehen (für das vorliegende Unterrichtsvorhaben: Förderschwerpunkt „körperliche und motorische Entwicklung“: Kompetenzerwerb im Bereich Bewegungsbildung, Mobilität im Bildungsbereich „Selbstständige Lebensgestaltung“; „Identität und Selbstbild“; Förderschwer-punkt „Sehen“: Kompetenzerwerb im Bildungsbereich „Bewegung, Orientierung und Mobilität“). Viele der Kompetenzanforderungen entsprechen oder ergänzen sich.

Sportpädagogische Perspektiven • Wahrnehmungsfähigkeit verbessern und Bewe-

gungserfahrungen erweitern

• etwas wagen und verantworten

• gemeinsam handeln, wettkämpfen und sich verstän-digen

• sich körperlich ausdrücken und Bewegungen gestal-ten

• das Leisten erfahren und reflektieren

Leitperspektiven

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Abb. 4: Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung - Möglichkeiten der Teilhabe im Sportunterricht

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Abb. 4: Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung - Möglichkeiten der Teilhabe im Sportunterricht

Als sportbezogener Inhalt wird die konditionelle Komponente Kraft (Stützkraft) und ein begrenztes Fer-tigkeitsrepertoire (Abbildung 3) aus dem Bereich Bewegen an Geräten ausgewählt. Kriterien für das Erreichen des Gruppenziels sind Ausführungsart, Ausführungspräzision oder Zeitvorgabe (Kopf-unten-Position der gesamten Klasse, evtl. über bestimmte Zeitspanne).

Den Schülerinnen und Schülern wird bei der Vorgehensweise nach dem Individual- und Mannschafts-prinzip ein sehr großes Maß an Mitverantwortung am eigenen Lernprozess übertragen. Zunächst ha-ben sie einen nicht unmerklichen Entscheidungsspielraum, einmal bezüglich der Wahl zwischen wenig

Art der Beein-trächti-gung

Muskeldystrophie Amputation Dysmelie

Spina bifida Zerebralparese

Erscheinungs-formen, Kenn-zeichen

• Muskelschwäche und Muskelschwund

• Abtrennung von Gliedma-ßen

• angeborene Fehlbildung von Gliedmaßen

• offener Rücken, (Rücken-marksschädigung): geringe/starke Beeinträchtigungen beim Gehen bis zur Querschnittslähmung

• häufig eingeschränkte Kontrolle über Darm und Blase

• häufig mit Hydrozephalus (Störung Hirnwasserkreislauf) verbunden

• Bewegungs- bzw. Haltungsstö-rung durch Hirnschädigung

• hoher (Spastik) oder zu gerin-ger Muskeltonus; oder stark wechselnde Muskelspannun-gen

Bewegungs- (Spiel u. Sport) bezogene Per-spektiven

• starke Einschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates

• Gleichgewichtsprobleme bei Asymmetrien im Körper

• in Abhängigkeit vom Schweregrad der Rückenmarksschädigung gerin-ge bis starke Einschränkung beim Gehen; Rollstuhlabhängigkeit

• eingeschränkte Bewegungs-koordination, Bewegungsunru-he (willentlich nicht zu beein-flussende Bewegungen)

• eingeschränkte statische und dynamische Gleichgewichtsfä-higkeit (großräumige Aus-gleichsbewegungen mit Ar-men)

• Schwierigkeiten beim Über-gang von groß- zu kleinräumi-gen Bewegungen; Rollstuhl-abh.

Entwicklung, Förderung

• hängt stark von körperli-chen Voraussetzungen ab

• Mobilisation und Kräftigung im Schultergürtel

• Bewegungskoordination favori -sieren

Belastbarkeit, Kontraindikation

Vermeiden bei Muskeler-krankungen: • ermüdendes Muskeltrai -

ning kraftvolle Bewe-gungsübungen,

• starke Beugestellung der Gelenke (Gefahr der Sub-/Luxation)

Achtung: • Schüler, die mit einem Shunt ver-

sorgt sind, dürfen keinen Stoß (Ball) an den Kopf bekommen (Ballspiele)

• keine Tauchübungen • Beeinträchtigungen des vegetativen

Nervensystems können schneller zu Atemproblemen u. Wärmestau füh-ren

• Krafttraining nur mit geringen Widerständen

• rasche Ermüdung durch er-höhte Muskelspannung

• Stress- u. Angstsituationen verstärken u. U. Bewegungs-defizite

Zu klärende Vor-aussetzungen

• Beeinträchtigungsausmaß/medizinische Gegebenheiten; Entwicklungspotential des Schülers (Verständigung mit Schüler/Schülerin, Eltern, Therapeut, Schulbegleiter)

• Personal-/Unterstützungsfrage, Sicherheitsaspekte • immer gilt: Maßnahmen sind im Einzelfall zu prüfen!

Unterrichtsge-staltung,

Lernhilfen

• mehrperspektivische Un-terrichtsthemen favorisie-ren

• Frustrationen u. rasche Ermüdung (da erhöhter Energieaufwand) erkennen

• umfassende Teilnahme bei Amputation möglich

• Prothesenträger/innen mit Standardprothesen dürfen nur die Kurzstrecken (50 m und 100 m) laufen; Mittel- und Langstrecken nur mit entsprechender Sportpro-these

• BUJU Tabellen

• mehrperspektivische Unterrichts-themen favorisieren

• Schüler mit Shunt nehmen nicht an Teamspielen teil

• bei Schülern mit Oberkörperkontrol-le: Poolnudel (zum Abschlagen) bei Fangspielen (geringe Gefahr des Anfahrens)

• Hindernisparcours, Staffelspiele, Stationstraining

• Verwendung unterschiedlicher Ball-arten, anfangs indirekt passen

• statt Dribbling den Ball im Schoß halten, drei Anschübe des Rollis

• s. BUJU Schüler mit Behinderung

• mehrperspektivische Unter-richtsthemen favorisieren

• zyklische u. symmetrische Bewegungen favorisieren

• vorsichtiges Dehnen spasti-scher Muskeln

• für das Fangen/Werfen lang-sam fliegende Bälle verwenden

Quellen Fediuk, F.: Sport in heterogenen Gruppen; Rouse, P., Schoo, M.

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oder weniger autonom, ganz ohne übertriebene Fürsorge. Selbstbe-stimmte, gleichberechtigte Teilhabe und individuelle sowie gemeinsame Leistungserbringung werden geradezu provoziert; Heterogenität erweist sich als attraktive Vielfalt. Viele Transfer-möglichkeiten auf Unterrichtsvorhaben mit anderen Inhalten aus dem Gerät-turnen, der Leichtathletik, der Trend-sportart Le Parkour, Tischtennis, Zwei-kämpfen und anderen bieten sich an.Eine erfolgreiche Umsetzung dieses Unterrichtsvorhabens setzt voraus, dass Sportlehrkräfte die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Kinder und Ju-gendlichen mit Behinderungen/Handi-caps kennen. Wenn die Bewegungs-aufgaben und -ausführungen sowie die Belastungen im Rahmen der Möglich-keiten der behinderten Schülerinnen und Schüler bleiben, treten auch keine Kontraindikationen auf. Grundsätzlich unterliegen alle Entscheidungen der Einzelfallprüfung. Eine auf Verständi-gung zwischen Schülerinnen und Schü-lern, Lehrkraft und Therapeuten ange-legte Unterrichtsgestaltung ist in einem solchen Unterrichtsvorhaben prinzipiell erforderlich.

ATTRAkTIVE HETEROgENITäT IM SPORTSPIEL - SPORTSPIEL INkLUSIV

Das folgende Beispiel möchte grob skizzieren, wie Schülerinnen und Schü-ler in einer heterogenen Gruppe, auch unter Beachtung der Mehrperspektivi-tät, in komplexe Bewegungsbezie-hungen (nach dem Konzept von Wei-chert) - kooperativ-differenziert/kom-petitiv-differenziert - im Rahmen des sportspielübergreifenden Lernens ge-langen können, ohne dass einzelne Lernende oder bestimmte Lerngrup-pen auf den persönlichen Leistungsan-spruch verzichten müssen.

STANDARDS AUS DEM BILDUNgS-PLAN 2004, kLASSENSTUFE 9/10:

Schüler können „spielspezifische Fer-tigkeiten und individual-, gruppentak-tische Fähigkeiten im gemeinsamen Spiel in einer Mannschaftssportart an-wenden“.Die o.g. zu entwickelnde Kompetenz kann zunächst in weniger komplizierten Grundsituationen mit Hilfe einfacher in-tegrativer und auf das große Sportspiel ausgerichteter Spielformen („Durch die Mitte“, „Mattenball“, „Doppelmat-tenball“) inklusiv, d.h. mit individueller Fertigkeitspräzision und unter Beach-

tung des individuellen Bewegungs-potentials bei unterschiedlichen Handi-caps sowie unter Beibehaltung der Spielidee, angebahnt werden.In den nachfolgenden komplexen Lern-situationen aus dem Bereich Ziel-schussspiele (zum Beispiel Handball, Basketball) obliegt es nun den Spielern einer jeden Mannschaft, in einem so-genannten Endzonenspiel Wurfsituati-onen kooperativ an der gegnerischen Endzone bzw. am gegnerischen Wurf-kreis herauszuspielen und dies auf einem Weg, der allen Schülern die Möglichkeit zum Abschluss am „Kreis“ eröffnet (Lücke erkennen; Torwurf; Treffer in besonders markierte Treffer-flächen, die sich in unterschiedlicher Höhe und in unterschiedlicher Entfer-nung vom „Wurfkreis/Wurfzone“ be-finden). Ein Verfahren, das in besonde-rem Maße die Teamleistung in Abhän-gigkeit vom individuellen Lernfort-schritt und dem Torerfolg aller Teilneh-mer berücksichtigt, stellt eine Zählwei-se dar, die aus dem Produkt der Anzahl der erzielten Tore und der Anzahl der Torschützen den Sieger des Spiels er-mittelt. Jegliche Diskriminierung wird somit unterbunden und der individuelle Beitrag eines jeden Teammitgliedes aufgewertet.Einstellung, Wissen und Können der Lehrkraft bezüglich des inklusiven Sportunterrichts einerseits sowie indi-viduelle Partizipationsmöglichkeiten der Schüler (mit und ohne Handicap) andererseits entscheiden letztendlich darüber, in welche Form der Bewe-gungsbeziehung die Schüler im Rah-men des dargelegten Spiels sich selbstbestimmend bringen können oder durch die Lehrkraft gebracht wer-den. Bei extremer Heterogenität (zum Beispiel bei starker Beeinträchtigung der Bewegungskoordination oder bei starker Sehschädigung) kann der Un-terrichtende im Sinne einer Homogeni-sierung das Spielfeld in unterschied-liche Zonen (Abbildung 5) einteilen. In diesen Zonen spielen jeweils Spieler mit ähnlicher Leistungsfähigkeit, so dass „Chancengleichheit“ gegeben ist. Punkte bzw. Tore können gemäß der Vorgabe von allen Teilnehmern er-zielt werden.Es besteht bei diesem sportspielge-richteten Lernen durchaus auch die Möglichkeit, die Heterogenität so at-traktiv zu gestalten, dass anspruchs-volle kompetitiv-differenzierte Bewe-gungsbeziehungen resultieren. Bis auf die Endzonen entfällt die Ausweisung von speziellen Zonen. Es gilt nun, zu-sätzliche technisch-taktische Maßnah-

men und Mittel in den Mannschaften zu finden und zu ergreifen, um für alle Schüler Teilnahmemöglichkeit (ein-schließlich Torabschluss) im Rahmen des formulierten Ziels zu schaffen. So könnte ein Spieler mit größerem koor-dinativen Handicap durch einen Mit-spieler „frei gesperrt“ bzw. „geblockt“ (s. Abb.5, Symbol Sperre) werden, da-mit dieser unbedrängt zum Abschluss kommen kann. Die Modifikationen der Regeln können auch im Sinne der Kom-petenzentwicklung sukzessive in die Verantwortung der Schüler gelegt wer-den. Diese Form erfordert von allen Mitspielern ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und ein gewisses Maß an taktischen Fähigkeiten.

Dieses Beispiel zeigt, dass Sportspiel-vermittlung im inklusiven Unterricht durch kreative Raum-, Handlungs- und Materialadaptionen die Attraktivität des Spielens bzw. des Spiels erhalten und Lernprogression allen Teilnehmern ermöglicht werden kann; offen bleibt hierbei, ob es zur Angleichung oder Vergrößerung der vorhandenen spiel-technischen und spieltaktischen Diffe-renzen kommt. Wo von Seiten der Schüler ausdrücklich Homogenität ge-wünscht wird, sollte diesem Anliegen nach einer temporären Trennung ent-sprochen werden7. Denn nichts scha-det der Sache Inklusion mehr als eine keinen „Spielraum“ akzeptierende dogmatische Vorgehensweise. Solan-ge allerdings ausschließlich die Homo-genität attraktiv ist, wird sich in Rich-tung inklusiver Sportunterricht nicht viel ändern.

AUSBLICk

Wenn es aufgrund wachsender fach-licher und pädagogischer Expertise ge-lingt, im Rahmen eines kompetenzori-entierten Sportunterrichts, Heterogeni-tät „attraktiv“ zu machen, dann könnten Unterrichtssituationen, in de-nen Schüler mit Handicap sich isoliert in der Sporthalle betätigen, vielleicht bald Seltenheitswert erlangen.Konsens sollte jedoch darin bestehen, dass Inklusion stets als Prozess zu ver-stehen ist und auch in Zukunft Fragen aufwerfen wird, da es ein Patentrezept niemals wird geben können.

Literatur/ Internetadressen:Barber, G.: Sport inclusive. Zirndorf 2013Fediuk, F. (Hrsg.): Inklusion als bewe-gungspädagogische Aufgabe. Balt-mannsweiler 2008Fediuk, F.: Sport in heterogenen Grup-

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Standards aus dem Bildungsplan 2004, Klassenstufe 9/10: Schüler können „spielspezifische Fertigkeiten und individual-, gruppentaktische Fähigkeiten im ge-meinsamen Spiel in einer Mannschaftssportart anwenden“. Die o.g. zu entwickelnde Kompetenz kann zunächst in weniger komplizierten Grundsituationen mit Hil-fe einfacher integrativer und auf das große Sportspiel ausgerichteter Spielformen („Durch die Mitte“, „Mattenball“, „Doppelmattenball“) inklusiv, d.h. mit individueller Fertigkeitspräzision und unter Beach-tung des individuellen Bewegungspotentials bei unterschiedlichen Handicaps sowie unter Beibehaltung der Spielidee, angebahnt werden. In den nachfolgenden komplexen Lernsituationen aus dem Bereich Zielschussspiele (zum Beispiel Handball, Basketball) obliegt es nun den Spielern einer jeden Mannschaft, in einem sogenannten End-zonenspiel Wurfsituationen kooperativ an der gegnerischen Endzone bzw. am gegnerischen Wurfkreis herauszuspielen und dies auf einem Weg, der allen Schülern die Möglichkeit zum Abschluss am „Kreis“ eröffnet (Lücke erkennen; Torwurf; Treffer in besonders markierte Trefferflächen, die sich in un-terschiedlicher Höhe und in unterschiedlicher Entfernung vom „Wurfkreis/Wurfzone“ befinden). Ein Ver-fahren, das in besonderem Maße die Teamleistung in Abhängigkeit vom individuellen Lernfortschritt und dem Torerfolg aller Teilnehmer berücksichtigt, stellt eine Zählweise dar, die aus dem Produkt der Anzahl der erzielten Tore und der Anzahl der Torschützen den Sieger des Spiels ermittelt. Jegliche Diskriminierung wird somit unterbunden und der individuelle Beitrag eines jeden Teammitgliedes auf-gewertet.

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Abb. 5: Ideenbörse für das Einstellen verschiedener Spielvariablen im inklusiven Sportspiel

Endzone Festlegung von Zonen: bei evtl. gewünschter Homogenisierung Verzicht auf feste Zonen: bei bewusster Ausschöpfung des Bewegungs- und Spielpo-tentials in der heterogenen Gruppe

Endzone

Symbole in den Endzonen stellen mögliche Trefferflächen (unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten der Schü-lerinnen und Schüler) zur Punkteerlangung dar. Beispiele: Barren, schräg gespannte Begrenzungsbänder, Langbänke, unterschiedliche Matten etc.

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Standards aus dem Bildungsplan 2004, Klassenstufe 9/10: Schüler können „spielspezifische Fertigkeiten und individual-, gruppentaktische Fähigkeiten im ge-meinsamen Spiel in einer Mannschaftssportart anwenden“. Die o.g. zu entwickelnde Kompetenz kann zunächst in weniger komplizierten Grundsituationen mit Hil-fe einfacher integrativer und auf das große Sportspiel ausgerichteter Spielformen („Durch die Mitte“, „Mattenball“, „Doppelmattenball“) inklusiv, d.h. mit individueller Fertigkeitspräzision und unter Beach-tung des individuellen Bewegungspotentials bei unterschiedlichen Handicaps sowie unter Beibehaltung der Spielidee, angebahnt werden. In den nachfolgenden komplexen Lernsituationen aus dem Bereich Zielschussspiele (zum Beispiel Handball, Basketball) obliegt es nun den Spielern einer jeden Mannschaft, in einem sogenannten End-zonenspiel Wurfsituationen kooperativ an der gegnerischen Endzone bzw. am gegnerischen Wurfkreis herauszuspielen und dies auf einem Weg, der allen Schülern die Möglichkeit zum Abschluss am „Kreis“ eröffnet (Lücke erkennen; Torwurf; Treffer in besonders markierte Trefferflächen, die sich in un-terschiedlicher Höhe und in unterschiedlicher Entfernung vom „Wurfkreis/Wurfzone“ befinden). Ein Ver-fahren, das in besonderem Maße die Teamleistung in Abhängigkeit vom individuellen Lernfortschritt und dem Torerfolg aller Teilnehmer berücksichtigt, stellt eine Zählweise dar, die aus dem Produkt der Anzahl der erzielten Tore und der Anzahl der Torschützen den Sieger des Spiels ermittelt. Jegliche Diskriminierung wird somit unterbunden und der individuelle Beitrag eines jeden Teammitgliedes auf-gewertet.

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Abb. 5: Ideenbörse für das Einstellen verschiedener Spielvariablen im inklusiven Sportspiel

Endzone Festlegung von Zonen: bei evtl. gewünschter Homogenisierung Verzicht auf feste Zonen: bei bewusster Ausschöpfung des Bewegungs- und Spielpo-tentials in der heterogenen Gruppe

Endzone

Symbole in den Endzonen stellen mögliche Trefferflächen (unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten der Schü-lerinnen und Schüler) zur Punkteerlangung dar. Beispiele: Barren, schräg gespannte Begrenzungsbänder, Langbänke, unterschiedliche Matten etc.

Abb.5: Ideenbörse für das Einstellenverschiedener Spielvariablen im inklusiven Sportspiel

pen – Integrative Prozesse in Sport-gruppen mit behinderten und benach-teiligten Menschen. Aachen 2008Giese, M.: Sport und Bewegungsun-terricht mit Blinden und Sehgeschä-digten - Theoretische Grundlagen - spezifische und adaptierte Sportarten. Band 1, Aachen 2010Hölter, G.: Schulsport in der Förder-schule – Bestandsaufnahme und Per-spektiven. In: Sportunterricht 1/2011, S. 14 – 21Kultusministerkonferenz Beschluss: Pädagogische und rechtliche Aspekte der Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. De-zember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behin-dertenrechtskonvention - VN-BRK) in der schulischen Bildung. 2010Ministerium für Kultus, Jugend u. Sport, Baden-Württemberg: Bildungs-plan 2016Ministerium für Kultus, Jugend u. Sport, Baden-Württemberg: Bildungs-plan 2015 für das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung,; Sehen

Laging, Ralf: Methodisches Handeln im Sportunterricht – Grundzüge einer be-wegungspädagogischen Unterrichts-lehre. Seelze-Velber 2006Rouse, P.: Fitness, Motorik und soziale Kompetenz für ALLE. Inklusion im Sportunterricht. Verlag An Der Ruhr 2012Schoo, Michael: Sport für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen. München 2010Weichert, W.: Integration durch Bewe-gungsbeziehungen. In: Fediuk, F. (Hrsg.): Inklusion als bewegungspäda-gogische Aufgabe. Baltmannsweiler 2008Weichert, W.: Mit den Unterschieden spielen. Sportunterricht in heteroge-nen Gruppen. In: Sportpädagogik 4/2003h t t p s : / / w w w . y o u t u b e . c o m /watch?v=swplZzvkhWk Inclusive Class Design (abgerufen am 20.10.2016)

h t t p s : / / w w w . y o u t u b e . c o m /watch?v=qepYk3EL-bQ Teachers TV: Inclusion in PE (abgerufen am 20.10.2016)

Fußnoten 1, 2, 6 Laging, R.: Methodisches Han-deln im Sportunterricht – Grundzüge ei-ner bewegungspädagogischen Unter-richtslehre. Seelze-Velber 2006, S. 117; S. 119, S. 1253 Weichert, W.: Integration durch Be-wegungsbeziehungen. In: Fediuk, F. (Hrsg.): Inklusion als bewegungspäda-gogische Aufgabe. Baltmannsweiler, S. 816z4 Wurzel, B.: Mehrperspektivischer Sportunterricht in heterogenen Grup-pen von nichtbehinderten und behin-derten Schülern – Was über „erstbeste Lösungen“ hinausgeht. In: Fediuk, F. (Hrsg.): Inklusion als bewegungspäda-gogische Aufgabe. Baltmannsweiler 2008, S. 123- 141.5 Fediuk, F.: Sport in heterogenen Gruppen – Integrative Prozesse in Sportgruppen mit behinderten und be-nachteiligten Menschen. Aachen 2008, S. 1387 Ritter, J.: Heterogenität im Schul-sport – Das Erleben des Sportunter-richts von Schülern mit motorischen Beeinträchtigungen. Katholische Hoch-schule Freiburg 2012, S. 64