SPRITZGIESSEN Präzision im Fokus - engelglobal.com · gießen,auch als Overmolding oder...

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30 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 4/2009 MICHAEL STRICKER GEORG PILLWEIN JOSEF GIESSAUF O ptische Technologien gelten als zu- kunftsträchtiges Feld. Die Chance für die Kunststoffbranche liegt da- bei in der automatisierten Herstellung hochwertiger optischer Formteile in großer Stückzahl [1, 2]. Das Spritzgießen solcher Teile stellt meist höhere Anforde- rungen als ein konventioneller Spritz- gießprozess, namentlich an die Kontur- treue und das Eigenspannungsniveau. Zudem sind die Wanddicken nicht selten um den Faktor zehn größer als beim Spritzgießen üblich (Bild 1). Sollen opti- sche Formteile qualitativ hochwertig und in einem wirtschaftlichen Kostenrahmen gefertigt werden, stößt das herkömmliche Spritzgießverfahren schnell an seine Grenzen. Daher werden bestehende Son- derverfahren konsequent weiterent- wickelt und neue Verfahrensansätze rea- lisiert: Das Spritzprägen eignet sich sehr gut zum Herstellen von Formteilen mit ho- her Konturtreue und niedrigem Ei- genspannungsniveau. Auch mit dem Mehrschicht-Spritz- gießen lässt sich die Konturtreue er- höhen.Bei dickwandigen Teilen ist zu- sätzlich eine Reduktion der Zykluszeit möglich [3]. Die variotherme Werkzeugtemperie- rung kann nicht nur die Qualität der Abformung mikro- oder nanostruktu- rierter Oberflächen deutlich verbes- sern [4]. Tabelle 1 bietet eine Entscheidungshilfe bei der Auswahl des geeigneten Verfah- rens. Die einzelnen Verfahren werden im Folgenden näher erläutert. Spritzprägen – bewährter Prozess, moderne Maschinentechnik Der Spritzprägeprozess wird seit einigen Jahrzehnten erfolgreich zur Fertigung op- tischer Komponenten eingesetzt [5]. Bei diesem Verfahren wird die Kunststoff- schmelze in eine vergrößerte Kavität ein- gespritzt und in der anschließenden Prä- gephase mit beweglichen Werkzeugele- menten komprimiert. Bei Formteilen mit großem Fließ- weg/Wanddicken-Verhältnis erfolgt zu- nächst eine Teilfüllung der stark ver- größerten Kavität. Die Kontur wird in diesem Fall erst durch die Prägebewegung ausgeformt; verringerter Fülldruck und somit niedrige Eigenspannungen sind das Resultat. Für dickwandige Formteile ist es zweckmäßig, die Kavität in der Ein- spritzphase volumetrisch zu füllen und lediglich den Schwindungsausgleich über den Prägehub zu vollziehen.Im Vergleich zum konventionellen Spritzgießen kann auch hier die Eigenspannung reduziert und die Konturtreue erhöht werden. Je nach Geometrie des Formteils kann die Prägebewegung auf die Gesamtfläche oder nur auf Teilflächen wirken. Um ei- ne Fließbewegung der Kunststoffschmel- ze in die Trennebene zu vermeiden,kom- men häufig Dichtrahmen zum Einsatz, die die Kavität umlaufen. Die erforderli- che Dichtkraft können Federelemente oder Hydraulikzylinder aufbringen (Bild 2). Um zu verhindern, dass die Spritzgießen optischer Formteile. Mit über- durchschnittlichen Zuwachsraten gelten die optischen Technologien als Schrittmacher für das 21. Jahrhundert. Allerdings unterschei- den sich die Herausforderungen beim Spritzgießen optischer Formteile häufig von denen konventioneller Spritzgießprozesse. Im internationalen Wettbewerb rücken innova- tive Prozesstechniken zunehmend in den Fokus. ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.de Dokumenten-Nummer KU110084 SPRITZGIESSEN Der Einstieg in die Herstellung optischer Formteile erfordert einen klaren Blick (Foto: Pillwein, Engel) Bild 1. Dickwandige LED-Linse für eine OP-Leuchte, gefertigt aus PMMA (Foto: Trumpf Medizin Systeme) Präzision im Fokus

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30 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 4/2009

MICHAEL STRICKER

GEORG PILLWEIN

JOSEF GIESSAUF

Optische Technologien gelten als zu-kunftsträchtiges Feld. Die Chancefür die Kunststoffbranche liegt da-

bei in der automatisierten Herstellunghochwertiger optischer Formteile ingroßer Stückzahl [1, 2]. Das Spritzgießensolcher Teile stellt meist höhere Anforde-rungen als ein konventioneller Spritz-gießprozess, namentlich an die Kontur-treue und das Eigenspannungsniveau.Zudem sind die Wanddicken nicht seltenum den Faktor zehn größer als beimSpritzgießen üblich (Bild 1). Sollen opti-sche Formteile qualitativ hochwertig undin einem wirtschaftlichen Kostenrahmengefertigt werden, stößt das herkömmlicheSpritzgießverfahren schnell an seineGrenzen. Daher werden bestehende Son-derverfahren konsequent weiterent-wickelt und neue Verfahrensansätze rea-lisiert:■ Das Spritzprägen eignet sich sehr gut

zum Herstellen von Formteilen mit ho-her Konturtreue und niedrigem Ei-genspannungsniveau.

■ Auch mit dem Mehrschicht-Spritz-gießen lässt sich die Konturtreue er-

höhen. Bei dickwandigen Teilen ist zu-sätzlich eine Reduktion der Zykluszeitmöglich [3].

■ Die variotherme Werkzeugtemperie-rung kann nicht nur die Qualität derAbformung mikro- oder nanostruktu-rierter Oberflächen deutlich verbes-sern [4].

Tabelle 1 bietet eine Entscheidungshilfebei der Auswahl des geeigneten Verfah-rens. Die einzelnen Verfahren werden imFolgenden näher erläutert.

Spritzprägen – bewährterProzess, moderne Maschinentechnik

Der Spritzprägeprozess wird seit einigenJahrzehnten erfolgreich zur Fertigung op-tischer Komponenten eingesetzt [5]. Beidiesem Verfahren wird die Kunststoff-schmelze in eine vergrößerte Kavität ein-gespritzt und in der anschließenden Prä-gephase mit beweglichen Werkzeugele-menten komprimiert.

Bei Formteilen mit großem Fließ-weg/Wanddicken-Verhältnis erfolgt zu-nächst eine Teilfüllung der stark ver-größerten Kavität. Die Kontur wird indiesem Fall erst durch die Prägebewegungausgeformt; verringerter Fülldruck undsomit niedrige Eigenspannungen sind dasResultat. Für dickwandige Formteile ist eszweckmäßig, die Kavität in der Ein-

spritzphase volumetrisch zu füllen undlediglich den Schwindungsausgleich überden Prägehub zu vollziehen. Im Vergleichzum konventionellen Spritzgießen kannauch hier die Eigenspannung reduziertund die Konturtreue erhöht werden.

Je nach Geometrie des Formteils kanndie Prägebewegung auf die Gesamtflächeoder nur auf Teilflächen wirken. Um ei-ne Fließbewegung der Kunststoffschmel-ze in die Trennebene zu vermeiden, kom-men häufig Dichtrahmen zum Einsatz,die die Kavität umlaufen. Die erforderli-che Dichtkraft können Federelementeoder Hydraulikzylinder aufbringen(Bild 2). Um zu verhindern, dass die

Spritzgießen optischer Formteile. Mit über-

durchschnittlichen Zuwachsraten gelten die

optischen Technologien als Schrittmacher für

das 21. Jahrhundert. Allerdings unterschei-

den sich die Herausforderungen beim

Spritzgießen optischer Formteile häufig von

denen konventioneller Spritzgießprozesse.

Im internationalen Wettbewerb rücken innova-

tive Prozesstechniken zunehmend in den Fokus.

ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.deDokumenten-Nummer KU110084

■ SPR I T ZG I E S S EN■

Der Einstieg in die Herstellung optischer Formteile erfordert einen klaren Blick (Foto: Pillwein, Engel)

Bild 1. Dickwandige LED-Linse für eine OP-Leuchte, gefertigt aus PMMA (Foto: Trumpf

Medizin Systeme)

Präzision im Fokus

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Schmelze in Richtung Plastifiziereinheitzurückfließt, müssen Verschlussdüsenoder Schieber als Absperrmechanismenverbaut werden [6]. Diese sollten mög-lichst nah an der Kavität positioniert sein,um Massebewegungen und die daraus re-sultierenden Eigenspannungen zu mini-mieren.

Neben der Werkzeugtechnik stellenauch Maschine und Steuerung wesentli-che Erfolgsfaktoren für die Herstellungoptischer Bauteile dar. In der für die voll-elektrische Baureihe e-motion (Herstel-ler: Engel Austria GmbH, Schwertberg/Österreich) entwickelten Spritzpräge-Software findet sich der Einsteller auf-grund der Analogie zur Einspritz- undNachdruckphase schnell zurecht. Die Be-nutzeroberfläche ist in die Schritte■ geschwindigkeitsgeregeltes Prägen,■ Umschalten,■ Werkzeuginnendruck- oder kraftgere-

geltes Prägen sowie

■ Positionsregelung (isochore Abküh-lung)

gegliedert, was dem typischen Prozess-verlauf entspricht (Bild 3).

In der geschwindigkeitsgeregelten Prä-gephase wird die Kavität volumetrisch ge-füllt und die Schmelze verdichtet. DerBediener kann den Umschaltvorgangwahlweise über die Parameter Weg, Zeit,Prägekraft oder Werkzeuginnendruckauslösen, wobei sich das Prägekraft- oderWerkzeuginnendruckprofil im Verlaufflexibel auf die Anwendung abstimmenlässt. Während das Bauteil weiter aufEntformungstemperatur abkühlt, wirddas Eigenspannungsniveau maßgeblichdurch den vorherrschenden Druckgradi-enten und das Ausmaß der Materialbe-wegung bestimmt. Hohe Eigenspannun-gen verschlechtern u.a. die optischen Ei-genschaften von Linsen und können innachfolgend aufgebrachten Beschichtun-gen Risse hervorrufen [7, 8].

Eine isochore Abkühlung verhindertMaterialbewegungen und trägt dazu bei,die Eigenspannung herabzusetzen [9].Der Prägespalt – und damit das Volumender Kavität – wird dabei konstant gehal-ten. Dazu ist ein Wegaufnehmer amWerkzeug angebracht, der zur Positions-regelung genutzt wird.

Die Genauigkeit elektrischerSpritzgießmaschinen

Insbesondere bei optischen Formteilensind die Anforderungen an die Kontur-treue hoch. Nicht selten sind Maßtole-ranzen von unter ±20 µm gefordert. Ausdiesem Grund muss eine hohe Genauig-keit und Reproduzierbarkeit aller rele-vanten Maschinenbewegungen gewähr-leistet sein [6, 8]. Vollelektrische Spritz-gießmaschinen sind für die Fertigungoptischer Präzisionsteile besonders ge-eignet, da die Weggeber der Servomoto-

SPR I T ZG I E S S EN ■

V

Verfahren

Formteil-eigenschaften

Spritzprägen Variotherme Temperierung Mehrschicht-Spritzgießen

große Wanddicke (> 4 mm)

hohe Konturtreue durch Aufbringen des Nachdrucks über Prägebewegung;kein dicker Anguss notwendig

reduzierte Eigenspannungen durchhomogenen Nachdruck

Reduktion von Freistrahlmarkierungen

Kühlzeitersparnis möglich

Zykluszeitreduktion möglich

verbesserte Konturtreue, daSchwindung durch nachfolgendeSchichten ausgeglichen wird

geringere Gefahr der Freistrahlbildung

Spannungen in den Grenzflächen undVerzug möglich

geringe Wanddicke (< 4 mm)

geringerer Fülldruck beim Einspritzen in vergrößerte Kavität

reduzierte Eigenspannungen durchgeringere Druckgradienten während der Füll- und Nachdruckphase

geringerer Fülldruck durch verzögertes Abkühlen der Schmelze

Zykluszeitverlängerung zu erwarten

Vorteile kommen bei geringenWanddicken nicht zum Tragen

große Wanddicken-unterschiede

Prägen auf Teilfläche erhöhtKonturtreue

Prägen auf Vollfläche: dünne Bereichebeschränken effektive Prägedauer

Einschränkungen bei Auswahl der Heizungsart

verbesserte Konturtreue, daSchwindung durch nachfolgendeSchichten ausgeglichen wird

hohes Fließweg/ Wanddicken-Verhältnis

geringerer Fülldruck beim Einspritzen in vergrößerte Kavität

reduzierte Eigenspannungen durchgeringere Druckgradienten während derFüll- und Nachdruckphase

geringerer Fülldruck durch verzögertesAbkühlen der Schmelze

Verzug bei einseitiger variothermerTemperierung

weitere Erhöhung des Fließweg/Wanddicken-Verhältnisses,dadurch erhöhter Fülldruck, höhereEigenspannungen

3D-GeometriePrägebewegung hat auf schrägeFlächen geringere Wirkung

Einschränkungen bei Auswahl derHeizungsart

Mikrostrukturen Nanostrukturen

gleichmäßigere Abformung entlang des Fließwegs

hohe Abformgenauigkeit durchverzögerte Abkühlung der Schmelze

Vorteil Nachteil Einschränkung

Tabelle 1. Entscheidungshilfe für Verarbeiter: Vor- und Nachteile ausgewählter Prozesstechniken im Vergleich zum konventionellen Spritzgießverfahren(Quelle: Engel)

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ren in Verbindung mit der Kinematik desKniehebels eine hohe Positioniergenau-igkeit ermöglichen. Im Rahmen von Re-produzierbarkeitsversuchen wurde derPrägespalt vor Beginn des Einspritzvor-gangs mithilfe eines induktiven Wegauf-nehmers in der Trennebene betrachtet.Bei vollelektrischen Spritzgießmaschi-nen der Baureihe e-motion liegt dieSchwankungsbreite unterhalb von nur5 µm.

Neben seiner Wiederholgenauigkeitzeichnet sich dieser Maschinentyp durchdie hohe Dynamik der Schließeinheit aus.Diese kann beispielsweise für dünnwan-dige Formteile mit mikrostrukturierterOberfläche genutzt werden, um durch ei-nen abrupten Sprung der Prägekraft erstdie Strukturen abzuformen und anschlie-ßend ein niedriges Eigenspannungsni-veau zu erzielen.

Bessere Abformung durch variotherme Temperierung

Bei der variothermen Werkzeugtempe-rierung wird vor jedem Einspritzvorgangzumindest die Oberfläche der Kavität er-wärmt und dann wieder gekühlt. Da-durch stellt sich im Vergleich zur kon-ventionellen Temperierung eine höhereKontakttemperatur zwischen Kunststoffund Werkzeugwand ein, die das Erstarrender Schmelze verzögert.Abhängig von derGeometrie und Oberfläche des Formteilskönnen so unterschiedliche Eigenschaf-ten verbessert werden (Tabelle 1). Zum

Erwärmen der Kavität sind neben der va-riothermen Fluidtemperierung mit Was-ser, Dampf oder Öl weitere Verfahren wieetwa Induktion, Infrarot-Strahlung oderelektrische Widerstandsheizung bekannt[4]. Gekühlt wird im Allgemeinen mitWasser.

Die variotherme Temperierung erlaubteine unabhängige, für den jeweiligen Pro-zessschritt optimierte Temperaturvorga-be. In der Kühlphase kann die Wasser-Vorlauftemperatur deutlich geringer ge-wählt werden als bei der konventionellenTemperierung. Dadurch ist bei dickwan-

digen optischen Formteilen eine Reduk-tion der Kühlzeit möglich.

Bei einer Simulation der Temperatur-verläufe für eine 11 mm dicke LED-Vor-satzlinse aus PMMA mit konventionellerbeziehungsweise variothermer Tempe-rierung wird im einen Fall eine konstan-te Vorlauftemperatur von 75°C ange-nommen und diese im anderen Fall zwi-schen 125 und 25°C variiert. Die Zyklus-zeitersparnis liegt in diesem Beispiel bei15 % (Bild 4).

Die Vorteile der variothermen Tempe-rierung liegen auf der Hand: Sie steigertdie Formteilqualität und kann – unter be-stimmten Voraussetzungen – die Zyklus-zeit verringern. Als Nachteile sind die, jenach Art der Temperierung, relativ hohenInvestitionskosten und der erhöhte Ener-giebedarf zu nennen.

Schichtweise Qualitätsverbesserung

Ein im Bereich des Spritzgießens opti-scher Teile noch junges Verfahren, dasvor allem der Qualitätsverbesserung vondickwandigen Linsen dienen kann, istdas sogenannte Mehrschicht-Spritz-gießen, auch als Overmolding oder Mul-tilayertechnik bezeichnet [3]. Dabei wer-den zunächst Vorspritzlinge erzeugt, diein einem oder mehreren folgendenSchritten mit demselben Material über-spritzt werden. Im Allgemeinen ist dazuein Drehtisch- oder Indexplatten-Werk-zeug nötig, auch ein Umsetzverfahren istdenkbar. Der wesentliche Vorteil des Ver-fahrens liegt darin, dass das Übersprit-zen Einfallstellen und andere am Vor-

Bild 2. Schematische Darstellung möglicher Werkzeugkonzepte, bei denen die Prägebewegung vonder Schließeinheit durchgeführt wird (Bild: Engel)

Temperatur

spez

ifisc

hes

Volu

men

4

4

3

3

2

2

1

1

Positionsregelung (isochore Abkühlung)

Forminnendruck- oder kraftgeregeltes Prägen

Umschalten

Einspritzen und geschwindigkeitsgeregeltes Prägen

Dru

ck

Spritzprägeverfahren im pvT-Diagramm

Bild 3. Die Benutzeroberfläche der Spritzpräge-Software ist in die vier Schritte gegliedert, die demtypischen Prozessverlauf entsprechen (Bild: Engel)

© Kunststoffe

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spritzling entstandene Oberflächende-fekte ausgleichen kann. Beispiel dafür isteine Linse, bei der zu Demonstrations-zwecken ein offensichtlicher Ober-flächendefekt erzeugt wurde (Bild 5).Diese Linse wird mit einer 2 mm dickenKunststoffschicht überspritzt. Selbst ex-treme Beeinträchtigungen der Ober-fläche kann dieses Verfahren also besei-tigen.

Die oft diskutierte Frage nach einermöglichen Verkürzung der Zykluszeit beider Verwendung eines Mehrschichtver-fahrens lässt sich nicht pauschal beant-worten. Das Einsparungspotenzial hängtu.a. stark von der Teilegeometrie, derSchichtdickenaufteilung und den Tem-perierbedingungen ab.

Bei Verwendung eines Drehtisches lau-tet die Randbedingung, dass die Dauerder Einzelschritte möglichst gleich seinsollte. Bedenkt man, dass der Vorspritz-ling beidseitig am Werkzeug anliegt, die

weiteren darüber gespritzten Schichtenaber im Wesentlichen nur einseitiggekühlt werden, so ergibt sich daraus,dassdie folgenden Schichten etwa halb so dicksein sollten wie die erste Schicht. Im Fallzweier Schichten folgt daraus eineDickenaufteilung 2/3 zu 1/3, bei dreiSchichten 2/4 zu 1/4 zu 1/4 usw. Dies giltstreng genommen nur für eine flachePlatte, kann aber für einfache Formteil-geometrien als Faustregel für die Schicht-dicke verwendet werden.

Die Temperierung ist im Idealfall fürdie verschiedenen Stationen des Dreh-tisches separat ausgeführt. Es ist daraufzu achten, dass die außen liegenden, fürdie optische Funktion relevanten Flächenden Qualitätsanforderungen entspre-chend temperiert werden. Für die innenliegenden Flächen kann die Vorlauftem-peratur abgesenkt werden, um die Kühl-zeit zu reduzieren.

Um praxisrelevante Aussagen über dieKühlzeit zu erhalten, ist eine thermischeSimulation mit der realen Formteilgeo-metrie erforderlich. Für eine 30 mmdicke, plankonvexe Linse aus Polycarbo-nat werden Simulationen unter verschie-denen Randbedingungen durchgeführt.Einander gegenübergestellt werden dabei1-, 2- und 3-Schichtverfahren, wobei fürdrei Schichten wiederum zwei Varianten

denkbar sind: Entweder werden die dreiSchichten nacheinander gespritzt, odereine zuvor gefertigte Innenschicht wirdauf beiden Seiten gleichzeitig überspritzt.In der Simulation wird davon ausgegan-gen, dass die innen liegenden Flächenstärker gekühlt werden (60 statt 90°C).Die verschiedenen Schichtabfolgen undTemperierverhältnisse verkürzen dieKühlzeit im Vergleich zur Einschichtlin-se entsprechend (Bild 6).

Insgesamt kann das Mehrschichtver-fahren also nicht nur die Oberflächen-qualität wesentlich verbessern, sonderngleichzeitig auch die Kühlzeit reduzieren.Dies gilt im Besonderen, wenn die innenliegenden Schichten stärker gekühlt wer-den. Die mögliche Kühlzeitreduktionkann für die betrachtete Linse bis zu 35 %betragen. Zusätzliche Investitionskostenfür die komplexere Anlagentechnik (Dreh-tisch, Indexplatte etc.) muss der Verarbei-ter bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungallerdings noch mit einbeziehen.

Vorteilhafte Verfahrenskombination

Die vielfältigen Anforderungen an ein op-tisches Bauteil aus Kunststoff können dieKombination mehrerer Verfahren erfor-dern. Eine Strukturoptik (Bild 7), die ei-ne blendfreie Bürobeleuchtung ermög-licht, verlangt aufgrund ihres hohenFließweg/Wanddicken-Verhältnisses ei-nerseits den Einsatz des Spritzprägever-fahrens, andererseits kann die geforderteWinkelpräzision der Mikropyramidennur mit einer variothermen Werkzeug-

SPR I T ZG I E S S EN ■

Zeit

300

°C

200

150

100

50

00

Tem

pera

tur

50 100 150

230s

270s

200 250 s 300

-15%

variotherm, Formteilmittekonventionell, Formteilmitte

variotherm, Werkzeugoberflächekonventionell, Werkzeugoberfläche

Variotherme Zykluszeitreduktion

Bild 4. Berechnete Temperaturverläufe ab dem Zeitpunkt der Formfüllung mit konventioneller bzw.variothermer Temperierung für eine 11 mm dicke LED-Vorsatzlinse aus PMMA. Noch im ersten Zyk-lus wird bei ca. 150 s wieder mit dem Erwärmen der Kavität begonnen (Bild: Engel)

© Kunststoffe

V

Engel Austria GmbHLudwig-Engel-Strasse 1A-4311 SchwertbergÖsterreichTel. +43 50 620-0Fax +43 50 620-3009www.engelglobal.com

Herstelleri

Bild 5. Vorspritzlingmit Oberflächen-defekt vor und nachdem Überspritzen miteiner 2 mm dickenKunststoffschicht(Werkzeug: IKV Aachen)

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temperierung erreicht werden. Diese Ver-fahrenskombination wurde erfolgreich indie Praxis übertragen.

Das Fazit ist also positiv und sollte einAnreiz für Spritzgießer sein: Die in die-sem Beitrag angeführten Beispiele zeigen,dass bei optischen Formteilen gesteigerteQualität und Wirtschaftlichkeit durchausmiteinander vereinbar sein können. ■

LITERATUR

1 Bundesministerium für Bildung und Forschung:Optische Technologien – Wirtschaftliche Bedeu-tung in Deutschland, 2007

2 N.N.: Deutsche Agenda Optische Technologien fürdas 21. Jahrhundert. VDI-Technologiezentrum,Düsseldorf 2002

3 Pillwein, G.: Maschinen- und Prozesstechnik zurHerstellung optischer Bauteile. IKV-Seminar:Spritzgießen hochwertiger optischer Komponen-ten, Aachen 2008

4 Gießauf, J.; Pillwein, G.; Steinbichler, G.: Die va-riotherme Temperierung wird produktionstauglich.Kunststoffe 98 (2008) 8, S. 87–92

5 Thonemann, O.E.: Die Herstellung optischer

Linsen im „Spritz-Präge-Verfahren“ aus Poly-methacrylat. Plastverarbeiter 18 (1967) 10, S. 707–714

6 Menges, G.; Michaeli, W.; Mohren, P.: Anleitungzum Bau von Spritzgießwerkzeugen. Carl HanserVerlag, München, Wien 1999

7 Bäumer, S.: Handbook of Plastic Optics, Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2005

8 Forster, J. D.: Vergleich der optischen Leistungs-fähigkeit spritzgegossener und spritzgeprägterKunststofflinsen. Dissertation, RWTH Aachen,2005

9 Johannaber, F.; Michaeli, W.: Handbuch Spritz-gießen. Carl Hanser Verlag, München 2004

DIE AUTOREN

DIPL.-ING. MICHAEL STRICKER, geb. 1979, ist Pro-jektleiter in der Abteilung Entwicklung Prozesstechno-logie der Engel Austria GmbH, Schwertberg/Öster-reich; [email protected]

DR. GEORG PILLWEIN, geb. 1977, ist Projektleiterin der Abteilung Entwicklung Prozesstechnologie beiEngel; [email protected]

DIPL.-ING. JOSEF GIESSAUF, geb. 1968, leitet dieAbteilung Entwicklung Prozesstechnologie bei Engel;[email protected]

SUMMARY KUNSTSTOFFE INTERNATIONAL

Focus on Precision

INJECTION MOLDING OPTICAL COMPONENTS.With above-average growth rates, optical tech-nologies can be considered as setting the pacefor the 21st century. However, the challengeswhen injection molding optical parts frequentlydiffer from those encountered when injectionmolding conventional parts. In the face of inter-national competition, the focus is shifting in-creasingly to innovative processing techniques.

NOTE: You can read the complete article in ourmagazine Kunststoffe international and on ourwebsite by entering the document number PE110084at www.kunststoffe-international.com

0

-10

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%

2-Schicht

Kühl

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1 2 1 32 12 2

Bild 6. Simulations-ergebnisse für ver-schiedene Schicht-folgen: Das Mehr-schichtverfahrenreduziert die Kühlzeitgegenüber dem Ein-schichtverfahrenerheblich. Die Werk-zeugwandtemperatu-ren sind farblich(schwarz: 60 °C, rot:90 °C) markiert (Bild: Engel)

© Kunststoffe

Bild 7. Strukturoptik für blendfreies Licht: DieMikropyramiden mit einer Grundfläche von 1,5 × 1,5 mm2 werden im Spritzprägeverfahrenmit variothermer Werkzeugtemperierung ab-geformt (Hersteller: Zumtobel Lighting)

Mehrschicht-Spritzgießen

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