Stefan Seyfarth - dresden dilemma

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Wer Interesse an einer Leseprobe von Stefan Seyfarths "dresden dilemma" hat, der kann sich hier mit einer kleinen Kostprobe versorgen...

Transcript of Stefan Seyfarth - dresden dilemma

25

gleich diesem medium, das bestimmend

gleich diesem kasten, der beherrschend

gleich so real werden die marken

erschreckend leicht hier vorgetragen.

propagiert wird hier ein wohlstand,

den man so unmenschlich vorzeigt,

dass man aufstehen würde und gern gehen,

um die scheiße nicht zu sehen.

doch einer muss ja ’von berichten

einer muss ja, auch wenn’s ankotzt,

unbeholfen drüber schreiben,

wie sie großes geld rumzeigen.

und in äthiopien verhungert alles

und in tschetschenien sterben kinder

und hier machen marken munter

kinder cooler, bäuche runder.

traurig diese unwissenden

doch bezeichnend für das ganze.

unnahbar, unumwunden.

mir stinkt das alles bis zum himmel

ich nehm mein schwan-stabilo-fineliner

und bin verschwunden ...

beobachtung am elbufer

24

wenn sie schon kostenlos cola verschenken,

dann ist’s an der zeit,

einfach radikal umzudenken.

nur inwieweit

sich so was verwirklichen lässt,

inwieweit so was real werden kann,

damit man in dieses verdammte konsumentennest

’n schlechtes ei legen kann

das anfängt zu stinken,

das plötzlich aufkracht,

wo alle versinken,

in einem gelbfaulen dotterschacht

der sie alle hinabreißt

in eine welt ohne fernsehn

und sich jeder in den arsch beißt

und weiß: er würde nicht hier stehn,

hätte er cola, die kostenlos

doch niemals bezogen,

dann wäre er schleimlos

und immer noch oben.

was alles zu tun ist,

um diesen schritt wirklich zu wagen?

hm, dadurch, dass man kein huhn ist,

lässt sich so was schwer sagen.

inwieweit

25

gleich diesem medium, das bestimmend

gleich diesem kasten, der beherrschend

gleich so real werden die marken

erschreckend leicht hier vorgetragen.

propagiert wird hier ein wohlstand,

den man so unmenschlich vorzeigt,

dass man aufstehen würde und gern gehen,

um die scheiße nicht zu sehen.

doch einer muss ja ’von berichten

einer muss ja, auch wenn’s ankotzt,

unbeholfen drüber schreiben,

wie sie großes geld rumzeigen.

und in äthiopien verhungert alles

und in tschetschenien sterben kinder

und hier machen marken munter

kinder cooler, bäuche runder.

traurig diese unwissenden

doch bezeichnend für das ganze.

unnahbar, unumwunden.

mir stinkt das alles bis zum himmel

ich nehm mein schwan-stabilo-fineliner

und bin verschwunden ...

beobachtung am elbufer

24

wenn sie schon kostenlos cola verschenken,

dann ist’s an der zeit,

einfach radikal umzudenken.

nur inwieweit

sich so was verwirklichen lässt,

inwieweit so was real werden kann,

damit man in dieses verdammte konsumentennest

’n schlechtes ei legen kann

das anfängt zu stinken,

das plötzlich aufkracht,

wo alle versinken,

in einem gelbfaulen dotterschacht

der sie alle hinabreißt

in eine welt ohne fernsehn

und sich jeder in den arsch beißt

und weiß: er würde nicht hier stehn,

hätte er cola, die kostenlos

doch niemals bezogen,

dann wäre er schleimlos

und immer noch oben.

was alles zu tun ist,

um diesen schritt wirklich zu wagen?

hm, dadurch, dass man kein huhn ist,

lässt sich so was schwer sagen.

inwieweit

55

was mich anzieht

ist die fügung

was mich reinzieht

ist bedienung

was mich verzieht

sind die zeilen

was sich entzieht

ist beeilen

was mich durchzieht

ist das wahre

was vorbeizieht

sind die jahre

was mich wegzieht

war nie da

sich beziehend

wird eins klar:

das was zieht

so weich und sacht

wird hoffentlich

nie zu gemacht!

hier zieht was

(für das ladenlokal aha)

54

da ist diese stille im café,

die auch ganz angenehm ist.

das bin ich nicht gewohnt hier,

obwohl ich oft hier bin.

da sind die freien stühle im café,

die plötzlich ungerutscht bleiben.

das hört man sehr selten hier,

dass man nichts hört.

da ist die freundliche bedienung im café,

die heut sehr freundlich ist.

das ist ja eigentlich immer so hier,

aber heut ist nicht immer.

da sind die fehlenden menschen im café,

die man dort gerne sehen möchte.

ja, wo sind die denn alle?

ich bin doch nicht wegen der einsamkeit hier?

das wäre ja noch schöner.

zahlen bitte.

unbesuchtes aha

55

was mich anzieht

ist die fügung

was mich reinzieht

ist bedienung

was mich verzieht

sind die zeilen

was sich entzieht

ist beeilen

was mich durchzieht

ist das wahre

was vorbeizieht

sind die jahre

was mich wegzieht

war nie da

sich beziehend

wird eins klar:

das was zieht

so weich und sacht

wird hoffentlich

nie zu gemacht!

hier zieht was

(für das ladenlokal aha)

54

da ist diese stille im café,

die auch ganz angenehm ist.

das bin ich nicht gewohnt hier,

obwohl ich oft hier bin.

da sind die freien stühle im café,

die plötzlich ungerutscht bleiben.

das hört man sehr selten hier,

dass man nichts hört.

da ist die freundliche bedienung im café,

die heut sehr freundlich ist.

das ist ja eigentlich immer so hier,

aber heut ist nicht immer.

da sind die fehlenden menschen im café,

die man dort gerne sehen möchte.

ja, wo sind die denn alle?

ich bin doch nicht wegen der einsamkeit hier?

das wäre ja noch schöner.

zahlen bitte.

unbesuchtes aha

die sonne scheint warm und berechnend

und alles, so scheint es, geht seinen gang.

doch liegt ein heißes kribbeln in der luft

und nicht nur ich liege hier ruhig am hang.

über mir, da ziehn die wolken,

neben mir, da ziehn sich mädchen aus,

die sich neidisch blicke geben;

ich gebe nur still applaus.

und wie die elbe fließt,

so fließen blicke zwischen denen, die noch ein-

sam.

und sie träumen’s laut zu sagen

doch der träumende bleibt schweigsam.

so scheint die sonne, die wolken ziehn, die elbe

fließt,

alles scheint seinen gang zu gehen.

und ist man ruhig und still und schweigsam

hört man, ganz leise, wünsche wehen ...

81

ruhig, still,schweigsam, leise

na, endlich den motor repariert?

läuft er, der frühling?

bis dato ja nur rumprobiert

im schmerzgrenzenfeeling.

aber dann auch gleich mit voller kanne,

richtig am gashebel gedreht.

und schon wird der wundersame

in jene richtung geweht

die jeder nimmt bei zwanzig grad

und strahlend blauen himmel

die schmerzen, na die spür ich grad

am hochgestreckten pimmel.

ja wie? zu krass? zu ordinär?

also bitte.

als ob im frühling nicht jeder so wär.

ich mein: ohne sitte.

dann aber nichts wie rein ins land der liebe

denn auch der rühmkorf-flieder, der braucht nicht

mehr lang.

wer jetzt noch versteckt seine willigen triebe,

um den ist mir bang.

gelebt wird das nackte. gelebt wird der blick.

gelebt wird alles, was sich entkernt.

wer jetzt noch so richtig mit dem uhrzeiger tickt,

wird knallhart entfernt.

80

reparierter frühling

die sonne scheint warm und berechnend

und alles, so scheint es, geht seinen gang.

doch liegt ein heißes kribbeln in der luft

und nicht nur ich liege hier ruhig am hang.

über mir, da ziehn die wolken,

neben mir, da ziehn sich mädchen aus,

die sich neidisch blicke geben;

ich gebe nur still applaus.

und wie die elbe fließt,

so fließen blicke zwischen denen, die noch ein-

sam.

und sie träumen’s laut zu sagen

doch der träumende bleibt schweigsam.

so scheint die sonne, die wolken ziehn, die elbe

fließt,

alles scheint seinen gang zu gehen.

und ist man ruhig und still und schweigsam

hört man, ganz leise, wünsche wehen ...

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ruhig, still,schweigsam, leise

na, endlich den motor repariert?

läuft er, der frühling?

bis dato ja nur rumprobiert

im schmerzgrenzenfeeling.

aber dann auch gleich mit voller kanne,

richtig am gashebel gedreht.

und schon wird der wundersame

in jene richtung geweht

die jeder nimmt bei zwanzig grad

und strahlend blauen himmel

die schmerzen, na die spür ich grad

am hochgestreckten pimmel.

ja wie? zu krass? zu ordinär?

also bitte.

als ob im frühling nicht jeder so wär.

ich mein: ohne sitte.

dann aber nichts wie rein ins land der liebe

denn auch der rühmkorf-flieder, der braucht nicht

mehr lang.

wer jetzt noch versteckt seine willigen triebe,

um den ist mir bang.

gelebt wird das nackte. gelebt wird der blick.

gelebt wird alles, was sich entkernt.

wer jetzt noch so richtig mit dem uhrzeiger tickt,

wird knallhart entfernt.

80

reparierter frühling