Stefan Stuth Befristete Beschäftigung und berufliche Schließung in Deutschland Bildung und Beruf....
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Transcript of Stefan Stuth Befristete Beschäftigung und berufliche Schließung in Deutschland Bildung und Beruf....
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Stefan Stuth
Befristete Beschäftigung und berufliche Schließung
in Deutschland
Bildung und Beruf. Erwerb und Verwertung in modernen Gesellschaften
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Befristete Beschäftigung
• Positiv: erhöht die Flexibilität von Arbeitgebern und kann zu mehr Beschäftigung beitragen
• Negativ: niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, geringe Beschäftigungssicherheit, begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten
– (e.g., Kalleberg 2000; Hipp et al. 2015)
• Warum häufen sich befristete Beschäftigungsverhältnisse in bestimmten Berufen?
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Standardtheorien
• Humankapital (firmenspezifisch)• Segmentierte Arbeitsmärkte (firmeninterne vs.
externe Arbeitsmärkte)• Transaktionskosten Ansatz (monitoring costs)
• Bislang existiert keine Theorie oder Empirie, die die Determinanten der befristeten Beschäftigung auf der Berufsebene herleitet oder analysiert.
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Fehlspezifikationen
• Arbeitgeber suchen eher selten Beschäftigte mit einem bestimmten Bildungsniveau (z.B. Beschäftigte mit einer dualen Ausbildung)
• Arbeitgeber suchen Personen, deren Fähigkeiten dem Stellenprofil entsprechen
• In beruflich organisierten Arbeitsmärkten wird diese Passung über berufsspezifische Fähigkeitenbündel hergestellt
• Diese Fähigkeitenbündel variieren in ihrer Verfügbarkeit• Die Verfügbarkeit der Fähigkeitenbündel kann durch
berufliche Schließungsprozesse zusätzlich begrenzt werden
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Berufliche Schließung
• Forschung konzentriert sich insbesondere auf den Einfluss der Schließung auf Einkommensungleichheit
• Forschung basiert auf Kim Weedens Konzept der Schließungsmechanismen und Schließungsstrategien
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Fallauswahl: Deutschland
• Beruflich strukturierter Arbeitsmarkt• Relativ strikter Kündigungsschutz (induziert
Nachfrage nach externer numerischer Flexibilität)
• Keine freiwillige befristete Beschäftigung
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Daten
• Mikrozensus – Spezialausführung• 1% Bevölkerungsstichprobe & 4-steller Berufe
• Individuen zwischen 15-64 Jahren, die abhängig beschäftigt sind
• Ausschluss von Lehrlingen und Selbständigen• Jahre: 2000, 2004 & 2007
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Schließungstheorie
• Schließungsmechanismen (Weeden 2002):– Begrenzung des Arbeitskraftangebots (Künstliche
Barrieren am Arbeitsmarkt verstetigen ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage)
– Erhöhung der Nachfrage (Eine konstante Nachfrage nach berufsspezifischen Arbeitskräften ist essentiell für das Überleben der Berufe)
– Kanalisierung der Nachfrage (Berufsspezifische Tätigkeitsmonopole)
– Signalwirkung (Berufe mit hohem Ansehen, können mehr für Ihre Dienste verlangen)
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Credentialism
• Credentials (Ausbildungszertifikate) sind der Schlüssel um den Zugang zu Schlüsselpositionen in der sozialen Arbeitsteilung zu kontrollieren (Parkin 1979, p. 48)
• Tragen zur Begrenzung des berufsspez. Arbeitskraftangebots bei und besitzen Signalwirkung
• Standardoperationalisierung: Stärke des Zusammenhangs zwischen akademischen Wissen und den Berufen (Anteil Berufsinhaber mit akademischen Abschlüssen)
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Credentialism und die Begrenzung des Arbeitskraftangebots
• Akademische Abschlüsse sind in westlichen Industrienationen nicht knapp
• Arbeitskraftangebot wird durch die Notwendigkeit von akademischen Abschlüssen kaum begrenzt
• Arbeitgeber können theoretisch auf einen sehr großen Pool von akademischen gebildeten Individuen zugreifen (z.B. Unternehmensberater)
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Alternative: Erfassung der Anzahl der erfolgreichen Berufsabsolventen
• Auszählung der berufsspezifischen Abschlüsse pro Jahr in den unterschiedlichen Bildungswegen– Duale Ausbildung– Berufliche Vollzeitschule (anerkannt)– Berufliche Vollzeitschule (nicht anerkannt)– Schulen des Gesundheitswesens– Fachschulen (Meister- und Techniker)– Fachhochschulen, Hochschulen
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Quellen
• Berufliche Vollzeitschulen (nicht anerkannt)– Statistisches Bundesamt „Bildung und Kultur“ Schuljahr 2005/06, Fachserie 11, Reihe 2, Tabelle
4.8.1, 2006• Berufliche Vollzeitschulen (anerkannt)
– Statistisches Bundesamt „Bildung und Kultur“ Schuljahr 2005/06, Fachserie 11, Reihe 2, Tabelle 4.8.2, 2006
• Fachschulen– Statistisches Bundesamt „Bildung und Kultur“ Schuljahr 2005/06, Fachserie 11, Reihe 2, Tabelle
8.8, 2006• Schulen des Gesundheitswesen
– Statistisches Bundesamt „Bildung und Kultur“ Schuljahr 2005/06, Fachserie 11, Reihe 2, Anhang 7, 2006
• Duale Audsbildung– Statistisches Bundesamt „Bildung und Kultur“ Berufliche Bildung 2004, Fachserie 11, Reihe 3,
Tabelle 6a, 2005• Akademische Ausbildungen an Fachhochschulen und Universitäten
– Special compilation of data created upon request from Statistisches Bundesamt, „Bestandene Prüfungen nach 1. Studienfach, zusammengefassten Abschlussprüfungen und Prüfungsjahren“
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Operationalisierung von CIX
• CIX(ot): Credential Inflation Index des Berufs o im Jahr t
• : Summe aller neuen Berufsabschlüsse über alle sechs Ausbildungswege i des Berufs o im Jahr t
• N(ot): Anzahl der Berufsinhaber des Berufs o im Jahr t
𝐶𝐼𝑋 (𝑜𝑡)=∑𝑖=1
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𝐶 (𝑜𝑖𝑡)
𝑁 (𝑜𝑡 )
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Die Verteilung der durchschnittlichen Werte des Credential Inflation Index über die Dezile der Berufe
N = 677,080 Individuen in 1,118 BerufenQuellen: Statistisches Bundesamt a, b, c, d, e, f, g, h, I, j 1999-2008, eigene Berechnungen; RDC of the Federal Statistical Office and the Statistical Offices of the Länder, Mikrozensus, Surveyjahre 2000, 2004, 2007, eigene Berechnungen
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Der durchschnittliche Anteil von Berufsinhabern mit akademischen Abschlüssen, differenziert
nach den Dezilen des CIX Index
N = 677,080 Individuen in 1,118 BerufenQuellen: Statistisches Bundesamt a, b, c, d, e, f, g, h, I, j 1999-2008, eigene Berechnungen; RDC of the Federal Statistical Office and the Statistical Offices of the Länder, Mikrozensus, Surveyjahre 2000, 2004, 2007, eigene Berechnungen
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Die Analyse von binären abhängigen Variablen
• Abhängige Variable: permanent oder befristet beschäftigt
• Problem 1: Anzahl der Ereignisse (asymptotische Methoden)• Güte der Modellschätzungen könnte eher durch die Anzahl der
Ereignisse als die Stichprobengröße bestimmt sein (Hosmer et al. 2013: 387-395)
• Schwerwiegendes Problem auch für große Berufe in denen aber nur wenige befristete Beschäftigte tätig sind– Verzerrte und unreliable Schätzungen können die Folge sein
• Problem 2: In einigen Berufen existiert befristete Beschäftigung nicht
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Grenzen des Two-Step Mehrebenenmodells
• Wegfall des “borrowing strength” und “shrinkage” Effekts• Tendenziell unreliable Schätzungen (wegen geringer
Fallzahlen) werden nicht durch “partial-pooling (Bayes)” Schätzungen “korrigiert” (e.g., Gelmann and Hill 2007, p. 276)
• Den Standardanforderungen für reliable Messungen muss genüge getan werden
• Richtwert des Bundesamt für Statistik: Analyseeinheiten im Mikrozensus sollten mindestens 50 Beobachtungen enthalten
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Das Individual- und Berufsebenensample (gepoolt für die Jahre 2000, 2004, and 2007)
Finales Sample: 1,118 Berufe mit 677,080 Individuen
Vollständiges Sample
Finales Sample
Gesamtzahl von Berufen 2.364 1.118Gesamtzahl von Individuen 702.002 677.080Anzahl der Berufe mit mehr als 0 und weniger als 50 Ereignissen 1.242 818Anzahl der Berufsinhaber in Berufen mit mehr als 0 und weniger als 50 Ereignissen 248.019 229.017Anzahl der Berufe ohne befristeter Beschäftigung 880 58Anzahl der Berufsinhaber in Berufen ohne befristete Beschäftigung 11.735 5.815
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Variablen
• Individualebene:– Bildung– Alter– Region– Geschlecht– Öffentlicher Dient
• Berufsebene:– Credential Inflation Index– Standardisierung– Tätigkeitsbündel sind
relativ einzigartig/verbreitet
– Tätigkeitsbündel sind spezialisiert/generell
– Lizensierung– Berufsverbände– Berufsgewerkschaften
Kontrollvariablen auf der Berufsebene: 4 skill-level, kleine und große Organisationen, Region, Weiterbildung, Frauenanteil, Anteil nicht-deutscher Staatsbürger, 11 Wirtschaftszweige
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Results0,185 *** 0,172 *** 0,171 ***
(0,051) (0,048) (0,048)Standardization -0,016 * -0,008 -0,009
(0,007) (0,008) (0,008)0,055 ** 0,052 **
(0,019) (0,019)0,437 *** 0,445 ***
(0,111) (0,109)Associations (omitted category = no association)
-0,002 -0,001(0,010) (0,010)-0,007 -0,008
(0,011) (0,011)Task licensure (omitted category = not licensed)Licensed -0,002
(0,017)Title licensure 0,000
(0,000)Unionization (omitted category = no union)Trade union -0,028 -0,028
(0,016) (0,015)Constant 0,281 *** 0,279 *** 0,278 ***
(0,009) (0,010) (0,009)F 14,38 *** 13,47 *** 13,59 ***R squared 0,272 0,300 0,301Root MSE 0,101 0,099 0,099Mean vif 2,94 3,02 3,07
General association
Model 6a Model 6b
Credential inflation index
Width of the sets of tasksCommonness of the task sets
Specific association
Model 1
N = 677,080 Individuen in 1,118 Berufen; heteroskedastizitäts konsistente Huber-White Standardfehler in Klammern. *p<0.05, **p<0.01, and ***p<0.001
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Zusammenfassung
• Der CIX Index erlaubt die Messung des Zusammenhangs zwischen der Verfügbarkeit von Credentials und befristeter Beschäftigung
• Inhaber von Berufen mit einem begrenzten Arbeitskraftangebot sind selten befristet
• Inhaber von Berufen mit einem inflationären Arbeitskraftangebot haben ein stark erhöhtes Befristungsrisiko
• Arbeitgeber versuchen knappe berufsspezifische Arbeitskräfte mit permanenten Arbeitsverträgen dauerhaft zu binden
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Der Akademikeranteil und berufliche Schließung: Unterscheidet sich der Einfluss von beruflicher Schließung zwischen
beruffachlich und akademisch qualifizierten Individuen innerhalb der Berufe?—eine gepoolte lineare Regression mit den
Individualebenen stage-one logit Koeffizienten von Akademikern als abhängiger Variable
Credential inflation index -0.860 (0.425) *Standardization 0.090 (0.062)Width of the sets of tasks 0.264 (0.181)Commonness of the task sets 2.039 (1.310)Associations (omitted category = no association)Specific association -0.162 (0.092)General association -0.055 (0.111)Title licensure 0.005 (0.003)Unionization (omitted category = no union)Trade union 0.132 (0.110)Constant 0.981 (0.100) ***F 8.77 ***R squared 0.201Root MSE 1.063Mean vif 3.13
Model 17
N = 671,265 Individuen in 1,060 Berufen; Heteroskedastizitäts konsistente Huber-White Standardfehler in Klammern. *p<0.05, **p<0.01, and ***p<0.001
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Zusammenfassung II
• Der Anteil von akademischen Abschlüssen in einem Beruf verringert nur in Berufen das Befristungsrisiko, – deren Credentials inflationär in den Arbeitsmarkt einfließen– und deren Inhaber der akademische Abschlüsse besitzen
• In Fällen in denen ein Überangebot an Arbeitskraft herrscht, nutzen Arbeitgeber zusätzliche Selektionskriterien– Hohen Zugangsschranken reduzieren den Kandidatenpool
künstlich und erleichtern Arbeitgebern so die Wahl passender Arbeitnehmer
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The mean rate of occupational incumbents with tertiary degrees differentiated by the deciles of
CIX
Note: N = 677,080 individuals in 1,118 occupationsSources: Statistisches Bundesamt a, b, c, d, e, f, g, h, I, j 1999-2008, own calculations; RDC of the Federal Statistical Office and the Statistical Offices of the Länder, Microcensus, survey years 2000, 2004, 2007, own calculations
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Solving the Number of Events Problem
• Exact logistic regression– Does not rely on asymptotic methods– Uses conditional maximum likelihood estimates
and the permutational distribution of sufficient statistics
– Allows the analyzes of samples with small N and of samples with few events and of sparse or unbalanced data (empty cells)
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Individual-level logistic regression on temporary employment of farmers in 2004 – a comparison between conventional
asymptotic results and exact statistic results
conventional logistic regression
exact logistic regression
Coef Sig. robust Std. Err.
95% Conf. Interval Coef Sig. Suff.
95% Conf. Interval
high education 1.86 ** 0.84 0.22 3.51 1.71 2 -0.76 3.73 medium education (reference) low education 1.11 0.79 -0.44 2.66 1.06 3 -0.87 2.70 elderly adults (50-64) 0.50
0.79 -1.04 2.05 0.46 4 -1.41 2.18
adults (30-49) (reference) young adults (15-29) 1.16 * 0.62 -0.05 2.37 1.11 8 -0.26 2.59 old Länder (reference) new Länder 0.90 0.55 -0.18 1.97 0.85 11 -0.42 2.25 not in public service (reference) public service 0.89 1.02 -1.12 2.90 0.85 1 -3.40 3.71 male (reference)
female 0 omitted -1.64
0 -Inf 0.18 N (conventional logistic regression) = 193; N (exact logistic regression) = 234; *p<0.05 and
**p<0.01. Source: RDC of the Federal Statistical Office and the Statistical Offices of the Länder, Microcensus, survey year 2004, own calculations.
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Two-Step Approach
• Allows the integration of occupations with a zero probability of temporary employment on the second stage
• First step = Individual level regressions (one per occupation and year)– Conventional logistic regressions for occupations with at least
50 events– Exact logistic regressions for occupations with fewer events
• Second step = linear regression with the mean of the predicted probabilities of the occupationsmembers as DV
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The General Form of the Two-Step Model
𝑌𝑚𝑜𝑡=𝛽0𝑜𝑡+𝛽 ′ 𝑋𝑚𝑜𝑡+𝑣𝑚𝑜𝑡
Equation 1: The general form of the first step of the two-step multilevel model
Equation 2: The general form of the second step of the two-step multilevel model
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Count of the Various Education and Training Tracks that Award Credentials for
the Same Occupation
Number of occupations 2000 2004 2007 without occupation-specific credentials 102 98 97 with credentials from 1 training track 203 189 197 with credentials from 2 training tracks 60 77 73 with credentials from 3 training tracks 8 7 6 with credentials from 4 training tracks 1 3 3
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Example
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Sample Occupations for the CIX
• Values around the median of the CIX:– Bakers (CIX=0.038)– HR administrators (CIX=0.04)
• Occupations with very high values on the CIX– Industrial clerks and business managers (CIX=0.4)– Car electricians (CIX=0.69).
• Occupations with very low CIX values – Shoemakers (CIX=0.007)– Goods decorators and goods painters (CIX=0.005)